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Neptunreport 03/2013 - Baugenossenschaft Neptun e.G.

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Unsere Wurzeln<br />

Dann sind wir im Umkleideraum der Brigade von Franz, einem älteren Arbeiter. Ich werde<br />

vorgestellt: „Der Kollege Oberleutnant wird im nächsten halben Jahr bei Euch arbeiten“,<br />

sagt der Kader-Mann. „Ihr wisst ja Bescheid.“ Allgemeines Murmeln. Dann schütteln mir 18<br />

Männer die Hand.<br />

„Kollege Oberleutnant“ nennen sie mich, nicht bei meinem<br />

Vornamen, den ich mehrfach anbiete. Na schön. Klaus,<br />

einer der Jungen, der vom Einsatz von Offizieren in der<br />

Produktion noch nichts gehört hatte, fragt mich zurückhaltend,<br />

ob ich etwas ausgefressen hätte und deshalb bei<br />

„August <strong>Neptun</strong>“ arbeiten müsse, was ich verneinen kann,<br />

wobei ich ihm erkläre, was mit den Einsätzen von Offizieren<br />

in Großbetrieben bezweckt wird. Ihn habe man von<br />

der Uni wegen „ungefestigter Klassenposition zur Bewährung<br />

für ein Jahr in die Produktion geschickt, erzählt Klaus.<br />

Er sei dann für zwei Jahre freiwillig geblieben und würde<br />

im kommenden Semester wieder an die Uni gehen. Klaus<br />

lacht: “Inzwischen bin ich am 1. Mai Aktivist geworden.<br />

Und wenn ich wieder in den Hörsaal gehe, kann mich keiner<br />

mehr wegen kleinbürgerlicher Herkunft oder als überheblicher<br />

Oberschul-Pennäler „anpinkeln“. Dann bin ich<br />

ein bewährter Proletarier und kriege obendrein ein besseres Stipendium als vorher.“ Wieder<br />

lacht er. „Kannst sagen was du willst. Irgendwie ist das mit euch Offizieren auch so ein<br />

Kommando auf Bewährung. Aber wenigstens habt ihr doch euer gutes Gehalt!“ Da muss ich<br />

Klaus korrigieren. „Nee, mein Lieber, wir bekommen genau<br />

so viel wie alle Kollegen hier, das sind so um die 450 Mark,<br />

bei Erfüllung der Normen, versteht sich.“<br />

Paul einer der Älteren in der Brigade und einziges SED-Mitglied,<br />

äußert in der Frühstücks-pause: „Ist ja nicht schlecht,<br />

wenn Offiziere mitbekommen, wie es dem einfachen Arbeiter<br />

so geht. Finde ich in Ordnung. Im April war hier ein ganz<br />

Hoher, ein Rauenschlepper (Militärjargon für Stabsoffizier<br />

mit geflochtenen Schulterstücken), der hat gut zugepackt.<br />

Wirklich!“ Ich kann dem eigentlich nur zustimmen: Doch<br />

da meldet sich Franz laut zu Wort: „Der alte Fritz würde<br />

sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, wie hier beim deutschen Militär mit Leuten<br />

umgesprungen wird, die einen hohen Dienstgrad haben“ Er betont das Wort Dienstgrad. Da<br />

muss ich nichts hinzufügen, denn ich habe ja einen niedrigen Offiziersdienstgrad. Später<br />

sagt Paul zu mir: „Unser Brigadier war ja früher Oberfeldwebel, also ein Zwölfender beim<br />

Barras (zwölf Jahre dienender Unteroffizier). So ein hoher Offizier war für ihn ja so etwas wie<br />

ein Halbgott.“ Da ist auch das geklärt. –<br />

Mit der Zeit lerne ich, wie man die Normen berechnen muss, um auf sein Geld zu kommen.<br />

Ich weiß nun um die Notwendigkeit von Schubladenreserven“, wenn mal wieder eine Normerhöhung<br />

ansteht und ein paar andere Tricks über die niemand redet, die aber jeder kennt.<br />

18<br />

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