Anpassung an den Klimawandel als Aufgabe - Land Salzburg
Anpassung an den Klimawandel als Aufgabe - Land Salzburg
Anpassung an den Klimawandel als Aufgabe - Land Salzburg
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Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung<br />
181<br />
SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
<strong>Anpassung</strong> <strong>an</strong> <strong>den</strong> Klimaw<strong>an</strong>del<br />
<strong>als</strong> <strong>Aufgabe</strong> für<br />
eine ökologisch orientierte<br />
Stadtentwicklung<br />
Adaptation to Cimate Ch<strong>an</strong>ge as a task for <strong>an</strong><br />
ecologically oriented Urb<strong>an</strong> Development<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Dr. Annette Voigt<br />
Universität <strong>Salzburg</strong><br />
Fachbereich Geographie und<br />
Geologie, AG Stadt- und<br />
L<strong>an</strong>dschaftsökologie<br />
Hellbrunnerstrasse 34<br />
A-5020 <strong>Salzburg</strong><br />
E-Mail:<br />
<strong>an</strong>nette.voigt@sbg.ac.at<br />
Besonders Städte stehen vor der <strong>Aufgabe</strong>, sich (vorsorgend) <strong>an</strong> die Folgen<br />
des Klimaw<strong>an</strong>dels <strong>an</strong>zupassen, <strong>den</strong>n wegen der hohen Bevölkerungs- und<br />
Bebauungsdichte sind sowohl das Scha<strong>den</strong>spotenzial <strong>als</strong> auch die Zahl der<br />
Betroffenen sehr groß. Für eine ortspezifische und flexible städtische <strong>Anpassung</strong><br />
<strong>an</strong> <strong>den</strong> Klimaw<strong>an</strong>del sind Freiflächen und Grünstruktur der Städte<br />
und ihre „ecosystem services“ entschei<strong>den</strong>d. Die Freiraumpl<strong>an</strong>ung muss<br />
bei Neupl<strong>an</strong>ung und Best<strong>an</strong>dssicherung jedoch nicht nur die Möglichkeiten<br />
berücksichtigen, die Folgen des Klimaw<strong>an</strong>dels abzufedern, sondern<br />
auch die geänderten St<strong>an</strong>dortbedingungen und Nutzungs<strong>an</strong>sprüche. Die<br />
selbständige <strong>Anpassung</strong> der Stadtnatur, die sich v. a. im W<strong>an</strong>del des Artenspektrums<br />
zeigt, stellt <strong>den</strong> urb<strong>an</strong>en Naturschutz vor die <strong>Aufgabe</strong>, seine Instrumente,<br />
Ziele und Bewertungen neu zu über<strong>den</strong>ken.<br />
Der Aufsatz gibt einen Überblick über die wesentlichen <strong>Aufgabe</strong>n, Strategien,<br />
Schwierigkeiten und Konflikte der stadtökologischen <strong>Anpassung</strong> <strong>an</strong> <strong>den</strong><br />
Klimaw<strong>an</strong>del. Die Schwerpunkte liegen auf der Freiraumpl<strong>an</strong>ung und dem<br />
urb<strong>an</strong>en Naturschutz.<br />
DI Matthias Lampert<br />
L<strong>an</strong>dschaftsarchitektur-Büro<br />
Lampert-Urmetzer (pls27)<br />
Prinz-Ludwig-Straße 27<br />
D-85354 Freising,<br />
E-Mail: buero@pls27.de<br />
ABSTRACT<br />
Especially cities are faced with the task of (precautionarily) adapting to the<br />
impacts of climate ch<strong>an</strong>ge. Due to the high population <strong>an</strong>d building <strong>den</strong>sity,<br />
both the potential damage <strong>an</strong>d the number of those affected are very<br />
large. The ecosystem services provided by open (green) spaces <strong>an</strong>d the urb<strong>an</strong><br />
green structure in general are vital for a site-specific <strong>an</strong>d flexible adaptation<br />
to climate ch<strong>an</strong>ge. When developing new or redeveloping existing<br />
open spaces pl<strong>an</strong>ners not only need to mitigate the effects of climate ch<strong>an</strong>ge.<br />
They <strong>als</strong>o have to take into account the ch<strong>an</strong>ged site conditions <strong>an</strong>d<br />
functional or user requirements. Against the background of the autonomous<br />
adaption of nature in cities that is obvious in the ch<strong>an</strong>ges within the<br />
spectrum of species, urb<strong>an</strong> nature conservation has to reconsider its instruments,<br />
objectives <strong>an</strong>d assessments.<br />
Univ.-Prof. Dr.<br />
Jürgen Breuste<br />
Universität <strong>Salzburg</strong><br />
Fachbereich Geographie und<br />
Geologie, AG Stadt- und<br />
L<strong>an</strong>dschaftsökologie<br />
Hellbrunnerstrasse 34<br />
A-5020 <strong>Salzburg</strong><br />
E-Mail:<br />
juergen.breuste@sbg.ac.at
182<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
VOIGT, LAMPERT, BREUSTE<br />
From the perspective of urb<strong>an</strong> ecology, the paper provides <strong>an</strong> overview of<br />
the essential tasks, strategies, challenges <strong>an</strong>d conflicts cities are faced with<br />
in the process of adaption to climate ch<strong>an</strong>ge. The emphasis is on open space<br />
pl<strong>an</strong>ning <strong>an</strong>d urb<strong>an</strong> nature conservation.<br />
1 EINLEITUNG: VON DER<br />
VERMEIDUNG ZUR ANPASSUNG –<br />
DER GLOBALE KLIMAWANDEL UND<br />
SEINE FOLGEN<br />
In <strong>den</strong> letzten Jahren st<strong>an</strong><strong>den</strong> die Möglichkeiten,<br />
die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, im Vordergrund<br />
der Diskussion über <strong>den</strong> Klimaw<strong>an</strong>del.<br />
Inzwischen wird zunehmend auch über <strong>Anpassung</strong>sstrategien<br />
nachgedacht, weil selbst unter<br />
günstigsten Voraussetzungen mit Veränderungen<br />
im globalen Klimasystem und weitreichen<strong>den</strong> Folgen<br />
für die Lebensbedingungen auf der Erde gerechnet<br />
wer<strong>den</strong> muss. Der 4. Bericht des Intergovernmental<br />
P<strong>an</strong>el on Climate Ch<strong>an</strong>ge (IPCC,<br />
2007) prognostiziert eine fortschreitende globale<br />
Erwärmung, die mit deutlichen Veränderungen<br />
der Niederschlagsverteilung und -intensität einhergeht.<br />
Dabei wer<strong>den</strong> die verschie<strong>den</strong>en Regionen<br />
der Erde unterschiedlich stark betroffen sein.<br />
Insbesondere wer<strong>den</strong> diejenigen Länder unter <strong>den</strong><br />
Folgen des Klimaw<strong>an</strong>dels (v. a. Ausbreitung von<br />
Trockengebieten, Zunahme von Überflutungen)<br />
zu lei<strong>den</strong> haben, die kaum über ausreichende fin<strong>an</strong>zielle,<br />
strukturelle und technische Ressourcen<br />
verfügen, um vorzusorgen oder die Auswirkungen<br />
(z. B. Nahrungsmittelknappheit, Kr<strong>an</strong>kheitsepidemien)<br />
zu mildern.<br />
Für Europa sieht der IPCC-Bericht u. a. folgende<br />
negative Auswirkungen voraus:<br />
• ein erhöhtes Risiko von Überschwemmungen<br />
sowohl <strong>an</strong> der Küste <strong>als</strong> auch im Binnenl<strong>an</strong>d sowie<br />
verstärkte Erosion durch Unwetter und<br />
Meeresspiegel<strong>an</strong>stieg;<br />
• ein höheres Gesundheitsrisiko und häufigere<br />
Waldbrände durch sommerliche Hitzewellen;<br />
• in Südeuropa schlechtere Bedingungen für die<br />
L<strong>an</strong>dwirtschaft, die Wasserkrafterzeugung und<br />
<strong>den</strong> Tourismus aufgrund hoher Temperaturen<br />
und verminderter Wasserverfügbarkeit;<br />
• in <strong>den</strong> Gebirgsregionen eine Abnahme der<br />
Schneesicherheit und damit des Wintertourismus<br />
sowie einen erheblichen Artenverlust (in<br />
Szenarien mit hohen Emissionen für m<strong>an</strong>che<br />
Gebiete bis zu 60 % bis 2080).<br />
Diese relativ glimpflichen Folgen für die meisten<br />
Gebiete Mitteleuropas bedeuten aber weder, dass<br />
hier die Reduktion von Treibhausgasemissionen<br />
unnötig ist, noch dass es keinen <strong>Anpassung</strong>sbedarf<br />
gibt. Denn zum einen stehen gerade die industrialisierten<br />
Länder <strong>als</strong> Hauptverursacher von Treibhausgasen<br />
in der Ver<strong>an</strong>twortung, einen Beitrag<br />
zum globalen Klimaschutz zu leisten. Zum <strong>an</strong>deren<br />
gibt es auch hier klimasensitive Bereiche, wie<br />
L<strong>an</strong>d-, Forst- und Wasserwirtschaft, Naturschutz<br />
und Gesundheitswesen.<br />
Seit 2007 lebt mehr <strong>als</strong> die Hälfte der Weltbevölkerung<br />
in Städten und Stadtregionen. Hier wird der<br />
Klimaw<strong>an</strong>del besonders zu spüren sein: Die im<br />
Vergleich zum Uml<strong>an</strong>d ohnehin höhere Temperatur<br />
1 steigt weiter <strong>an</strong> und wegen der hohen Bevölkerungs-<br />
und Bebauungsdichte sind sowohl das<br />
Scha<strong>den</strong>spotenzial <strong>als</strong> auch die Zahl der Betroffenen<br />
größer. Hinzu kommt, dass die im Vergleich<br />
zum ländlichen Raum zahlreicheren konkurrieren<strong>den</strong><br />
Flächen<strong>an</strong>sprüche die Durchführung von <strong>Anpassung</strong>smaßnahmen<br />
erschweren.<br />
Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Auswirkungen<br />
des Klimaw<strong>an</strong>dels auf die städtischen<br />
Räume Mitteleuropas und die damit verbun<strong>den</strong>en<br />
Herausforderungen und H<strong>an</strong>dlungsmöglichkeiten<br />
aus der Sicht der Stadtökologie. Schwerpunkte<br />
sind die städtische Freiraumpl<strong>an</strong>ung und der urb<strong>an</strong>e<br />
Naturschutz. Auf die Darstellung naturraumspezifischer<br />
Besonderheiten, wie die Bedrohung<br />
von Küstenstädten durch <strong>den</strong> Meeresspiegel<strong>an</strong>stieg,<br />
wird verzichtet.<br />
Die Stadtökologie mit ihren disziplinübergreifen<strong>den</strong><br />
Sichtweisen, ihrem systemischen Ansatz und<br />
ihren Erfahrungen in der Integration verschie<strong>den</strong>er<br />
Akteure k<strong>an</strong>n entschei<strong>den</strong>de Beiträge zur<br />
Klima<strong>an</strong>passung leisten. Sie generiert wichtiges<br />
1<br />
Das <strong>als</strong> städtische Wärmeinsel bek<strong>an</strong>nte Phänomen beruht vor allem auf der Wärmespeicherung der Bebauung und versiegelten<br />
Flächen, der geringen Kühlung durch Verdunstung aufgrund der Flächenentwässerung und der <strong>an</strong>thropogenen Wärmeproduktion.<br />
Dies führt zu einer erhöhten Temperatur um ca. 2 °C im Jahresmittel und in Strahlungsnächten um bis zu 15 °C.
SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung<br />
ANPASSUNG AN DEN KLIMAWANDEL ALS AUFGABE FÜR EINE ÖKOLOGISCH ORIENTIERTE STADTENTWICKLUNG<br />
183<br />
Grundlagenwissen für politische bzw. pl<strong>an</strong>erische<br />
Entscheidungen, indem sie die Veränderungen der<br />
städtischen Ökosysteme und die ökologischen<br />
Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen <strong>an</strong>alysiert<br />
und prognostiziert. Darüber hinaus verfolgt<br />
sie <strong>als</strong> <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dte Wissenschaft u. a. das Ziel der<br />
Sicherung bzw. Herstellung einer hohen Lebensqualität<br />
im städtischen Raum. Sie k<strong>an</strong>n ihre Expertise<br />
zur Verfügung stellen, um Vorhaben hinsichtlich<br />
ihrer Auswirkungen auf das Stadtklima oder<br />
die städtischen Ökosysteme zu optimieren. Weil<br />
sich die Bedingungen regional und auch innerhalb<br />
einer Stadt z. B. je nach Stadtstrukturtyp unterschei<strong>den</strong>,<br />
müssen entsprechende, örtlich <strong>an</strong>gepasste<br />
und differenzierte Lösungen gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. 2<br />
Unter diesem Blickwinkel sind die im Folgen<strong>den</strong><br />
dargestellten Maßnahmen nicht universell <strong>an</strong>wendbar,<br />
sondern für <strong>den</strong> jeweiligen Fall auszuwählen<br />
bzw. <strong>an</strong> ihn <strong>an</strong>zupassen.<br />
Nach <strong>den</strong> gängigen Klimaprojektionen für Mitteleuropa<br />
wer<strong>den</strong> v. a. die Durchschnittstemperaturen<br />
<strong>an</strong>steigen und sich die Niederschlagsverhältnisse<br />
ändern. Dabei wird es deutliche regionale<br />
Unterschiede geben (FORMAYER, H. et al., 2008,<br />
S. 38ff.). Je nach Emissionsszenario und Regionalisierungsmodell<br />
rechnet m<strong>an</strong> bis zum Ende des<br />
Jahrhunderts mit einer mittleren Erwärmung von<br />
1,8–3,5 °C (JACOB, D. et al., 2008, S. 41; SPEKAT,<br />
A. et al., 2007, S. 34). Die Zahl der besonders warmen<br />
Tage nimmt deutlich zu, die der besonders<br />
kalten Tage deutlich ab. Dies geht einher mit der<br />
Zunahme von Hitze- und Trockenperio<strong>den</strong>. Im<br />
Sommer ist fast überall mit erheblich geringeren<br />
und im Winter z. T. deutlich höheren Niederschlägen<br />
zu rechnen. Hinsichtlich der häufig <strong>an</strong>genommenen<br />
Zunahme extremer Niederschlagsereignisse<br />
sind für Mitteleuropa sowohl die empirischen<br />
Belege <strong>als</strong> auch die Aussagen der Klimamodelle<br />
nicht eindeutig bzw. bedürfen einer regionalen<br />
Differenzierung (FORMAYER, H. et al., 2008, S. 35<br />
u. 43, JONAS, M., 2005, S. 15). Allerdings ist eine<br />
Zunahme der Niederschlagsintensität wahrscheinlich<br />
(JACOB, D. et al., 2008, S. 58; FORMAYER, H.<br />
et al., 2008, S. 35 u. 43).<br />
Für Österreich ist bis Mitte des Jahrhunderts eine<br />
Temperaturerhöhung von 1,3 bis 2,0 °C im Winter,<br />
1,8 bis 3,0 °C im Frühjahr, 2,0 bis 3,0 °C im Sommer<br />
und 2,5 bis 3,0 °C im Herbst prognostiziert. Nach<br />
einem mittleren Emissionsszenario ist es im Jahresdurchschnitt<br />
2100 mehr <strong>als</strong> 4 °C wärmer <strong>als</strong> heute,<br />
wobei die stärksten Erwärmungen im Sommer<br />
und Winter erwartet wer<strong>den</strong> (FORMAYER, H.<br />
et al., 2008, S. 40). In ihrer Jahressumme wer<strong>den</strong> die<br />
Niederschläge abnehmen, am stärksten im Sommer<br />
und Herbst, wobei es für bestimmte Regionen<br />
auch gegenläufige Trends gibt. Im Vergleich zu<br />
heute wer<strong>den</strong> bis 2100 die Niederschläge im Sommer<br />
um bis zu 50 % ab- und im Winter um ca. 40 %<br />
zunehmen (ebd., S. 38ff.).<br />
Auswirkungen auf Städte<br />
2 DER KLIMAWANDEL UND SEINE<br />
AUSWIRKUNGEN IN STÄDTEN<br />
Der Klimaw<strong>an</strong>del in Mitteleuropa<br />
Wie bereits <strong>an</strong>gedeutet, sind Städte aufgrund ihres<br />
hohen Versiegelungsgrads und ihrer Dichte sowohl<br />
von der Temperaturerhöhung (Wärmeinseleffekt)<br />
<strong>als</strong> auch von möglichen Veränderungen des<br />
Niederschlagsregimes besonders stark betroffen.<br />
Dies wirkt sich auf die allgemeinen Lebensbedingungen,<br />
auf viele Kernbereiche der Daseinsvorsorge<br />
(z. B. das Gesundheitswesen, die Infrastruktur<br />
oder <strong>den</strong> Katastrophenschutz) und auf Flora und<br />
Fauna aus.<br />
Veränderte Lebensbedingungen<br />
Einige Aspekte des Klimaw<strong>an</strong>dels wer<strong>den</strong> voraussichtlich<br />
von vielen Stadtbewohnern durchaus positiv<br />
bewertet: Die Lufttemperatur steigt früher im<br />
Jahr auf behagliche Werte, die Zahl der Tage, <strong>an</strong><br />
<strong>den</strong>en es für bestimmte Aktivitäten zu kühl oder<br />
zu regnerisch ist, nimmt ab und laue Abende mit<br />
über 20 °C nach 20.00 h kommen häufiger vor. Generell<br />
verschieben sich die <strong>an</strong>genehmsten Zeiten<br />
für <strong>den</strong> Aufenthalt im Freien in die frühen Morgen-<br />
und in die Abendstun<strong>den</strong>. Auch sind die Winter<br />
weniger kalt. 3 Dies muss allerdings wegen der<br />
Niederschlagszunahme nicht bedeuten, dass die<br />
Wetterbedingungen <strong>als</strong> <strong>an</strong>genehmer empfun<strong>den</strong><br />
wer<strong>den</strong>.<br />
2<br />
Hier unterscheidet sich die Stadtökologie von <strong>an</strong>deren Disziplinen, die – wie z. B. die Haustechnik – zwar hinsichtlich der Reduktion<br />
von Treibhausgasemissionen und bei der <strong>Anpassung</strong> <strong>an</strong> die geänderten Rahmenbedingungen von großer Bedeutung, insgesamt<br />
aber sektoral begrenzt sind.<br />
3<br />
Studien über die Zu- und Abnahme des Lebens- bzw. Glücksgefühls aufgrund des Klimaw<strong>an</strong>dels gehen davon aus, dass Menschen<br />
in höheren Breiten aufgrund wärmerer Wintermonate eher glücklicher, Menschen in niedrigen Breitengra<strong>den</strong> aufgrund wärmerer<br />
Sommermonate eher unglücklicher wer<strong>den</strong> (REHDANZ, K. u. D. MADDISON, 2005).
184<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
VOIGT, LAMPERT, BREUSTE<br />
Gesundheitsrisiken<br />
Während es im Winter weniger Kältetote gibt,<br />
k<strong>an</strong>n die zunehmende sommerliche Hitzebelastung<br />
zu gesundheitlichen Problemen führen, insbesondere<br />
während längerer Hitzewellen. 4 Belastend<br />
ist hier insbesondere die Verbindung von hohen<br />
Tagestemperaturen und geringer nächtlicher<br />
Abkühlung. Hinzu kommen indirekte Folgen wie<br />
steigende Ozonkonzentration (Sommersmog), Feinstaubakkumulation<br />
und zunehmende UV-Belastung<br />
aufgrund geringerer Bewölkung und damit<br />
einhergehender Erhöhung der Sonnenscheindauer.<br />
Mögliche Gesundheitsrisiken bergen außerdem<br />
die schnellere Vermehrung von Keimen (z. B. Salmonellen)<br />
sowie die verbesserten Bedingungen für<br />
Kr<strong>an</strong>kheitserreger und -überträger (z. B. Zecken,<br />
Stechmücken oder aquatische Mikroorg<strong>an</strong>ismen)<br />
(STMUG, 2009, S. 32). Auch st<strong>an</strong>dortabhängige<br />
Naturgefahren (Überschwemmungen, Stürme,<br />
Waldbrände etc.) haben eine gewisse Relev<strong>an</strong>z.<br />
Auswirkungen auf die technische Infrastruktur<br />
Auch die technische Infrastruktur ist zunehmend<br />
durch Naturgefahren, v. a. Überschwemmungen<br />
bedroht. Aufgrund der erwarteten Veränderungen<br />
im Abflussregime (z. B. weil es im Winter weniger<br />
schneit und mehr regnet) und der Zunahme der<br />
Starkregenereignisse steigen die Anforderungen<br />
<strong>an</strong> <strong>den</strong> Hochwasserschutz (Katastrophenvorsorge),<br />
<strong>an</strong> die Entwässerung versiegelter Flächen und<br />
<strong>an</strong> die K<strong>an</strong>alisation. Darüber hinaus haben die<br />
Wasserst<strong>an</strong>dsschw<strong>an</strong>kungen und Veränderungen<br />
der Wassertemperatur der Fließgewässer Konsequenzen<br />
für verschie<strong>den</strong>e Nutzungen wie Schiffsverkehr,<br />
Prozesswasserversorgung oder Trinkwasseraufbereitung.<br />
Funktion, Sicherheit und Lebensdauer<br />
der technischen Infrastruktur und des<br />
Gebäudebest<strong>an</strong>ds hängen mittelbar oder unmittelbar<br />
von <strong>den</strong> Klimabedingungen ab, <strong>den</strong>en sie ausgesetzt<br />
sind. Hier sind insbesondere die erwartete<br />
Zunahme von Extremereignissen und bei <strong>den</strong> Gebäu<strong>den</strong>,<br />
die zum Aufenthalt bestimmt sind, der erhöhte<br />
Wärmeeintrag zu nennen. Aus <strong>den</strong> veränderten<br />
klimatischen Bedingungen können aber<br />
auch Vorteile gezogen wer<strong>den</strong>, indem sich z. B. die<br />
Wirtschaftlichkeit von Solar<strong>an</strong>lagen erhöht.<br />
Veränderung der abiotischen und biotischen<br />
Umweltbedingungen der Flora und Fauna<br />
Die städtische Flora und Fauna sind direkt durch<br />
die Veränderungen der klimatischen Bedingungen,<br />
aber auch durch veränderte biotische Einflüsse,<br />
v. a. die Ausbreitung von besser <strong>an</strong>gepassten<br />
Konkurrenten, betroffen.<br />
M<strong>an</strong> ist sich darüber einig, dass der Klimaw<strong>an</strong>del<br />
zu ecological responses auf unterschiedlichen<br />
biologischen Ebenen geführt hat, auch wenn aufgrund<br />
der massiven L<strong>an</strong>dnutzungsänderungen im<br />
letzten Jahrhundert oft nicht eindeutig ist, inwieweit<br />
er (alleinige) Ursache für Änderungen im Verhalten<br />
und der Verbreitung von Arten ist. Betroffen<br />
sind Phänologie und Physiologie der Org<strong>an</strong>ismen,<br />
z. B. verschieben sich die Blütezeiten, die<br />
Laichw<strong>an</strong>derungen von Amphibien und der Vogelzug<br />
(PARMESAN, C. u. G. YOHE, 2003). Je nach<br />
artspezifischem Toler<strong>an</strong>zbereich für Temperatur<br />
und Niederschlag, der Möglichkeit der evolutiven<br />
<strong>Anpassung</strong> und der Mobilität verschieben sich die<br />
Ausbreitungsgebiete nach Nor<strong>den</strong> oder in höhere<br />
Regionen.<br />
Eine genaue Prognose des zukünftigen Artenspektrums<br />
<strong>an</strong> einem Ort ist sehr spekulativ: Denn Arten<br />
sind nicht nur unterschiedlich empfindlich gegenüber<br />
Veränderungen, sondern vor allem sind<br />
auch die Wirkungsgefüge zwischen klimatischen,<br />
edaphischen und hydrologischen Faktoren sowie<br />
<strong>an</strong>thropogenen Einflüssen sehr komplex. Daher<br />
muss die Verletzlichkeit gegenüber Klimaänderungen<br />
sowohl art- <strong>als</strong> auch gebietsspezifisch untersucht<br />
wer<strong>den</strong> (SEIDEL, A. 2008, S. 14).<br />
Durch die Besonderheiten des Stadtklimas sind die<br />
mitteleuropäischen Städte schon l<strong>an</strong>ge Lebensraum<br />
für viele wärme- und trockenheitsresistente<br />
Arten. Diese Entwicklung wird sich verstärken.<br />
Vor allem wer<strong>den</strong> sich bisl<strong>an</strong>g nur durch Pflege<br />
kultivierte Arten eigenständig ausbreiten und etablieren<br />
können. Wenn auch bisher über Art und<br />
Ausmaß der <strong>Anpassung</strong>en von Flora und Fauna<br />
nur wenige Erkenntnisse vorliegen, ist doch sicher,<br />
dass sich das urb<strong>an</strong>e Artenspektrum durch die Klimaveränderung<br />
weiter verändern wird.<br />
4<br />
Zu <strong>den</strong> gefährdeten Personengruppen zählen Senioren, Schw<strong>an</strong>gere, Kleinkinder und chronisch Kr<strong>an</strong>ke, die über eine schlechte<br />
Wärmeregulation verfügen oder deren Herz- Kreislauf-System leicht überfordert ist. Der Hitzesommer 2003 forderte in Europa<br />
schätzungsweise 35.000 Todesopfer insbesondere in <strong>den</strong> Städten. Da nach dem Ende der Hitzewelle die Sterberate nicht deutlich<br />
unter <strong>den</strong> Wert von vor der Hitzewelle s<strong>an</strong>k, ist <strong>an</strong>zunehmen, dass die tödlichen Folgen der Hitzewelle nicht nur Menschen trafen,<br />
die ohnehin innerhalb kürzerer Zeit verstorben wären (PROCLIM, 2005, S. 16).
SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung<br />
ANPASSUNG AN DEN KLIMAWANDEL ALS AUFGABE FÜR EINE ÖKOLOGISCH ORIENTIERTE STADTENTWICKLUNG<br />
185<br />
3 STRATEGIEN DER KLIMAFOLGEN-<br />
VORSORGE UND DER ANPASSUNG<br />
AN DEN KLIMAWANDEL<br />
Aus stadtökologischer Perspektive ist vor allem<br />
das Stadtgrün für die Vorsorge bzw. Adaption <strong>an</strong><br />
die Folgen des Klimaw<strong>an</strong>dels wichtig. Als grüne<br />
Infrastruktur erbringt es Dienste (ecosystem services)<br />
für das Gemeinwesen: Grünflächen verbessern<br />
z. B. <strong>als</strong> Filter oder <strong>als</strong> Frischluftkorridore die<br />
Luftqualität und regulieren durch Evapotr<strong>an</strong>spiration<br />
und Beschattung das Stadt- bzw. Mikroklima.<br />
Als Retentions- und Versickerungsflächen dienen<br />
sie dem Regenwasserm<strong>an</strong>agement und dem Hochwasserschutz.<br />
Neben diesen regulieren<strong>den</strong> Funktionen<br />
dient das Stadtgrün auch der Erholung und<br />
zur ästhetischen Erfahrung von Natur. Diese Funktionen<br />
muss es auch unter veränderten Nutzungs<strong>an</strong>sprüchen<br />
erfüllen können.<br />
Dabei ist zu beachten, dass auch das Stadtgrün<br />
selbst und damit seine Funktionen vom Klimaw<strong>an</strong>del<br />
betroffen sind. Natur in der Stadt dient <strong>als</strong>o<br />
nicht nur der <strong>Anpassung</strong>, sondern muss <strong>an</strong>gepasst<br />
wer<strong>den</strong> bzw. passt sich <strong>an</strong>. Entsprechend<br />
müssen sowohl der Best<strong>an</strong>d <strong>an</strong> gestalteten Freiräumen<br />
<strong>als</strong> auch Neu<strong>an</strong>lagen auf die sich ändern<strong>den</strong><br />
Nutzungs<strong>an</strong>forderungen und St<strong>an</strong>dortbedingungen<br />
abgestimmt wer<strong>den</strong>, z. B. durch die Auswahl<br />
geeigneter Pfl<strong>an</strong>zenarten und -sorten oder häufigeres<br />
Wässern in Trockenperio<strong>den</strong>.<br />
Die sich verändern<strong>den</strong> St<strong>an</strong>dortbedingungen sind<br />
nicht nur für die Stadt- und Freiflächenpl<strong>an</strong>ung,<br />
sondern auch für <strong>den</strong> urb<strong>an</strong>en Naturschutz relev<strong>an</strong>t.<br />
Themen sind hier der Umg<strong>an</strong>g mit dem klimabedingten<br />
W<strong>an</strong>del des gebietstypischen Artenspektrums,<br />
die Möglichkeiten zur <strong>Anpassung</strong> von<br />
Strategien und Instrumenten des Naturschutzes<br />
sowie die Ch<strong>an</strong>cen und Risiken, die sich aus Maßnahmen<br />
der Klima<strong>an</strong>passung ergeben, sei es hinsichtlich<br />
der L<strong>an</strong>dnutzungsformen oder der Maßnahmen<br />
zum Schutz vor Extremereignissen.<br />
Über das konkrete Ausmaß und die konkreten<br />
Auswirkungen des Klimaw<strong>an</strong>dels herrscht auch<br />
unter Wissenschaftlern große Unsicherheit. Eine<br />
wichtige, aber unter <strong>den</strong> derzeitigen Bedingungen<br />
schwer zu realisierende Anforderung <strong>an</strong> alle Maßnahmen<br />
der Klimafolgenvorsorge und -<strong>an</strong>passung<br />
ist daher deren Flexibilität.<br />
3.1 Die ökologisch orientierte Stadt- und<br />
Freiflächenpl<strong>an</strong>ung<br />
Ziel der ökologisch orientierten Stadt- und Freiflächenpl<strong>an</strong>ung<br />
hinsichtlich des Klimaw<strong>an</strong>dels ist<br />
es, die relev<strong>an</strong>ten ecosystem services der städtischen<br />
Grünstruktur ortsspezifisch zu i<strong>den</strong>tifizieren,<br />
ggf. zu verbessern und zu nutzen. Dies betrifft<br />
sowohl einzelne Freiflächen <strong>als</strong> auch <strong>den</strong> gesamtstädtischen<br />
Maßstab und nicht nur Neupl<strong>an</strong>ungen,<br />
sondern auch die bestehende Stadtstruktur (RAN-<br />
NOW u. FINKE, 2008, S. 51ff.). Es geht <strong>als</strong>o um<br />
weit mehr <strong>als</strong> um die Sicherung von Alleen, Grünzügen<br />
und <strong>an</strong>deren Grünflächen.<br />
Der gesamtstädtische Zusammenh<strong>an</strong>g<br />
Vor allem die Maßnahmen zur Sicherung zusätzlicher<br />
Flächen, z. B. für Hochwasserschutz (Flächen<br />
für Retention, bauliche Maßnahmen), für die Verbesserung<br />
des Stadtklimas (durch Luftaustauschbahnen,<br />
Straßenbegrünung) oder für die Freizeitnutzung<br />
(schattige Parks, Badegewässer) lassen<br />
sich nur mit Blick auf die gesamte Stadt und unter<br />
Berücksichtigung <strong>an</strong>derer Flächen<strong>an</strong>sprüche sinnvoll<br />
durchführen.<br />
Dabei gibt es Konfliktpotenziale: Bestimmte Anforderungen<br />
konkurrieren mitein<strong>an</strong>der, z. B. Erholungsnutzung<br />
und bestimmte Ziele des Naturschutzes.<br />
Insbesondere in dichten Innenstadtbereichen<br />
sind flächenintensive <strong>Anpassung</strong>svorhaben,<br />
wie Entsiegelung oder Schaffung neuer Grün- oder<br />
Retentionsflächen, nur auf Kosten <strong>an</strong>derer Nutzungen<br />
möglich. Auch stehen sich verschie<strong>den</strong>e<br />
Teilziele der Klima<strong>an</strong>passung entgegen, z. B. können<br />
schattenspen<strong>den</strong>de und luftfilternde Bäume<br />
<strong>den</strong> Luftaustausch im Straßenraum behindern<br />
(MUNLV.NRW, 2010, S. 62). Ebenso können Klimaschutz-<br />
und <strong>Anpassung</strong>sstrategien in Konflikt<br />
geraten: Die Leitvorstellung einer dichten, kompakten<br />
Stadt ermöglicht die klimaschutzkonformen<br />
Ziele eines geringen Flächenbedarfs, geringer<br />
Treibhausgasemissionen und eines niedrigen<br />
Energieverbrauchs (BMVBS/BBSR, 2009b, S. 11 ff.).<br />
Sie widerspricht jedoch <strong>den</strong> <strong>Anpassung</strong>szielen eines<br />
möglichst hohen Grün<strong>an</strong>teils in besonders belasteten<br />
Gebieten und einer möglichst geringen<br />
Versiegelung (BMVBS/BBSR, 2009a, S. 29). Diese<br />
Konflikte lassen sich nur im konkreten Einzelfall<br />
vor Ort lösen bzw. ausgleichen.<br />
Auch lokale Einzelmaßnahmen, die erst in ihrer<br />
Summe einen spürbaren Einfluss z. B. auf die Entwässerung<br />
und/oder das Stadtklima haben, sind
186<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
VOIGT, LAMPERT, BREUSTE<br />
auf der gesamtstädtischen Ebene <strong>an</strong>zustoßen und<br />
mit entsprechen<strong>den</strong> Instrumenten (Werbung, Beratung,<br />
Fördermittel, Satzungen) zu steuern. Zu<br />
<strong>den</strong> Maßnahmen gehören v. a. Flächenentsiegelung<br />
bzw. Vermeidung von Versiegelung, Dachund<br />
Fassa<strong>den</strong>begrünung, Beschattung und die Verwendung<br />
heller, d. h. reflektierender Oberflächen. 5<br />
Das Beispiel Versiegelungssteuerung<br />
Wie schwierig die Entwicklung entsprechender<br />
Steuerungsinstrumente ist, zeigen die bisher wenig<br />
erfolgreichen Versuche der administrativen oder<br />
monetären Steuerung der Versiegelung (BREU-<br />
STE, J., 2001). Zu <strong>den</strong> wesentlichen Faktoren für<br />
<strong>den</strong> Erfolg von Steuerungsinstrumenten gehören<br />
das Wissen um die Zusammenhänge zwischen<br />
Stadtklima und Versiegelungsgrad, dessen Erfassung<br />
und laufende Beobachtung und v. a. der politische<br />
Wille, entsprechende Gegenmaßnahmen<br />
durchzusetzen. Dies trifft für die meisten Städte in<br />
Mitteleuropa, besonders aber für solche Städte zu,<br />
die bereits einen umf<strong>an</strong>greichen Grünbest<strong>an</strong>d aufweisen<br />
und die Zunahme der Versieglung noch<br />
nicht <strong>als</strong> Problem wahrnehmen. Gerade diese Städte<br />
könnten jedoch auf der Grundlage ihres guten<br />
Ausg<strong>an</strong>gszust<strong>an</strong>des Vorreiter sein.<br />
Die Stadt <strong>Salzburg</strong> 6 z. B. verfügt mit ihren ausgedehnten<br />
Grünräumen über eine gute Grundausstattung<br />
für die stadtökologische <strong>Anpassung</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>den</strong> Klimaw<strong>an</strong>del (LANG, S. et al., 2006). 1985<br />
wurde in einer Grünl<strong>an</strong>ddeklaration der zu diesem<br />
Zeitpunkt nicht bebaute Freiraum der Stadt (Grünflächen,<br />
Forste, L<strong>an</strong>dwirtschaftsflächen, Schutzgebiete<br />
etc.) von jeder weiteren Bebauung ausgenommen.<br />
Eine Ermittlung der ökologischen Leistungsfähigkeit<br />
dieser Flächen, auch in Bezug auf das<br />
Stadtklima, erfolgte jedoch bisher nicht. In <strong>den</strong><br />
letzten Jahren ist ein Trend zu zunehmender Verdichtung<br />
durch Großbauten und höhere bauliche<br />
Ausnutzung von Baugrundstücken festzustellen.<br />
Immer häufiger wer<strong>den</strong> großformatige Wohn<strong>an</strong>lagen,<br />
Stadtvillen und Wohnblöcke inmitten<br />
aufgelockerter Wohnviertel gebaut. Die Versiegelung<br />
nimmt immer weiter zu, ohne dass erfolgversprechende<br />
städtische Gegenkonzepte existieren<br />
(Abb. 1).<br />
Abb. 1: Veränderung des Bebauungs- und Versiegelungsgrades<br />
in <strong>Salzburg</strong> (Haring 2007)<br />
(siehe Anh<strong>an</strong>g-Farbabbildungen, Voigt/<br />
Lampert/Breuste – Abb. 1)<br />
Die Stadt <strong>Salzburg</strong> nutzt für die unterschiedlichen<br />
Stadtstrukturtypen Referenzwerte der Versiegelung.<br />
Die Zielwerte liegen jedoch – wie in vielen<br />
<strong>an</strong>deren Städten auch – viel zu weit von <strong>den</strong> Realitäten<br />
und Möglichkeiten entfernt. Zum Beispiel<br />
ist beim Stadtstrukturtyp der geschlossenen Blockbebauung<br />
der Referenzwert von nur 60 % Versiegelung<br />
unrealistisch (derzeitiger St<strong>an</strong>d 81 %). Dagegen<br />
lässt der Referenzwert von 40 % in Villenvierteln<br />
theoretisch noch weitere Versiegelung zu.<br />
In bei<strong>den</strong> Fällen fehlt damit die steuernde Wirkung<br />
der Zielwerte (LHS 1994; HARING, S. 2007).<br />
Dabei erfolgt die Zunahme der Versiegelung in<br />
<strong>Salzburg</strong> durchaus nicht gleichmäßig: Bevorzugte<br />
Stadtteile wie der <strong>Salzburg</strong>er Sü<strong>den</strong> (höherer Sozi<strong>als</strong>t<strong>an</strong>dard)<br />
sind davon weniger betroffen <strong>als</strong> der<br />
Nor<strong>den</strong> (geringerer Sozi<strong>als</strong>t<strong>an</strong>dard). Bereits 1994<br />
war es Inhalt des räumlichen Entwicklungskonzeptes<br />
der L<strong>an</strong>deshauptstadt, diese Unausgewogenheit<br />
zu beheben, bisher ist das jedoch nicht erfolgt.<br />
Wenn die Wohngebiete selbst nicht künftig<br />
eine die Klimafunktionen steuernde Grüninfrastruktur<br />
erhalten und ihre Versiegelung gezielt reduziert<br />
wird, wird <strong>den</strong> Klima-Ungunst-Räumen<br />
der Wohngebiete in Zukunft der Klima-Gunst-<br />
Raum der – eventuell sogar entfernten – Grünflächen<br />
gegenüberstehen. Entsiegelung im Best<strong>an</strong>d<br />
und Vermeidung von Versiegelung im<br />
Neubau ist damit ein dringendes Erfordernis<br />
künftiger klimabezogener Stadtentwicklung.<br />
Die Objektebene: thermische Behaglichkeit<br />
im Freiraum<br />
Auf der Maßstabsebene der einzelnen Freifläche<br />
geht es verstärkt auch um die Verbesserung der<br />
örtlichen mikroklimatischen Bedingungen, so<br />
dass sich die Nutzer auch physisch wohlfühlen<br />
(BMVBS/BBSR, 2009a, S. 35). Der technische Begriff<br />
hierfür ist „thermische Behaglichkeit“. Das<br />
Behaglichkeitsempfin<strong>den</strong> eines je<strong>den</strong> Individuums<br />
wird durch ein komplexes Zusammenspiel sowohl<br />
äußerer mikroklimatischer <strong>als</strong> auch individueller<br />
5<br />
<strong>Anpassung</strong>smaßnahmen auf der Ebene der Stadtpl<strong>an</strong>ung sind zusammenfassend z. B. in der Schriftenreihe „Klimaw<strong>an</strong>delgerechte<br />
Stadtentwicklung“, herausgegeben vom deutschen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) dargestellt.<br />
6<br />
Für <strong>Salzburg</strong> geht m<strong>an</strong> bis zur Mitte des Jahrhunderts von einer Erwärmung um 2 °C bis 2,8 °C aus. Die Niederschlagsmengen wer<strong>den</strong><br />
im Winter zunehmen, wobei die Häufigkeit ab-, aber die Intensität zunimmt. Sommer und Herbst wer<strong>den</strong> deutlich trockener,<br />
mit längeren niederschlagsfreien Perio<strong>den</strong>. (SUKLITSCH, M. et al., 2007, S. 8 ff.)
SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung<br />
ANPASSUNG AN DEN KLIMAWANDEL ALS AUFGABE FÜR EINE ÖKOLOGISCH ORIENTIERTE STADTENTWICKLUNG<br />
187<br />
physiologischer und situationsbezogener Faktoren<br />
– Statur, Aktivität und Kleidung – bestimmt. 7 Dass<br />
sich das Mikroklima durch <strong>den</strong> gezielten Einsatz<br />
von Pfl<strong>an</strong>zen und Baustoffen beeinflussen lässt, ist<br />
ökologisches Alltagswissen und wurde schon in<br />
<strong>den</strong> Gärten des Altertums und der frühen Neuzeit<br />
in glücklicher Verbindung von Funktion und<br />
Schönheit <strong>an</strong>gewendet (LAMPERT, M., 2009).<br />
Schutz vor sommerlicher Hitze gewährleistet vor<br />
allem Beschattung, aber auch die Verdunstungskühlung<br />
der Luft z. B. durch Springbrunnen<br />
(Abb. 2), die Sicherstellung einer ausreichen<strong>den</strong><br />
Ventilation sowie die Verwendung kühler Materialien.<br />
Dieses Wissen, das eigentlich zum St<strong>an</strong>dardrepertoire<br />
der L<strong>an</strong>dschaftsarchitektur gehört,<br />
gilt es, bei der Freiraumpl<strong>an</strong>ung gezielt zu aktivieren<br />
und gestaltwirksam wer<strong>den</strong> zu lassen – nicht<br />
nur bei Neupl<strong>an</strong>ungen, sondern auch und vor allem<br />
im Best<strong>an</strong>d. Mitunter können kleine Veränderungen,<br />
wie einzelne Baumpfl<strong>an</strong>zung, das Versetzen<br />
von Sitzmöbeln oder das Aufstellen eines<br />
Trinkbrunnens für lokal durchaus erhebliche Verbesserungen<br />
sorgen.<br />
Natürlich widersprechen sich auch auf dieser<br />
Ebene verschie<strong>den</strong>e <strong>Anpassung</strong>sziele. So behindert<br />
z. B. ein schattenspen<strong>den</strong>des Blätterdach die<br />
nächtliche Wärmeabstrahlung und damit die in<br />
heißen Nächten erwünschte Abkühlung, zu der<br />
auch kleinere Grünflächen beitragen können<br />
(BONGARDT, B., 2006, S. 229 f.). Da die meisten<br />
Freiräume zu allen Jahreszeiten genutzt wer<strong>den</strong><br />
und es trotz Klimaw<strong>an</strong>dels in Mitteleuropa noch<br />
recht kühl wer<strong>den</strong> k<strong>an</strong>n, ist eine einseitige Optimierung<br />
für besonders warme Tage nicht sinnvoll.<br />
3.2 Schutz der biologischen Vielfalt in Städten –<br />
Ziele und Instrumente des urb<strong>an</strong>en Naturschutzes<br />
vor dem Hintergrund des klimabedingten<br />
W<strong>an</strong>dels des Artenspektrums<br />
Biologische Vielfalt in Städten<br />
Abb. 2: Abkühlung am Stachusbrunnen in München Foto: H. Schenkl<br />
Die Bedeutung städtischer Natur liegt vor allem<br />
darin, dass eine große Anzahl Menschen die Möglichkeit<br />
hat, sie in ihrer Vielfältigkeit<br />
alltäglich zu erfahren,<br />
ohne dafür weite Wege zurücklegen<br />
zu müssen. Vorr<strong>an</strong>giges<br />
Ziel des urb<strong>an</strong>en<br />
Naturschutzes ist <strong>als</strong>o, solche<br />
Erfahrungsräume unter <strong>den</strong><br />
Bedingungen hoher Bevölkerungsdichte<br />
und zahlreicher<br />
Nutzungs<strong>an</strong>sprüche zu<br />
sichern. Dabei wird der Wert<br />
der Stadtnatur für <strong>den</strong> Artenund<br />
Biotopschutz oft unterschätzt:<br />
Tatsächlich bieten<br />
Städte aufgrund ihrer Heterogenität<br />
vielen verschie<strong>den</strong>en<br />
Arten Lebensraum: Neben<br />
Relikten von „ursprünglicher<br />
Natur“ und Kulturl<strong>an</strong>dschaft<br />
(Seen, Feuchtgebiete, Wälder,<br />
Äcker), gestalteter Natur<br />
(Parks, Friedhöfe, Gärten) gibt<br />
es auch „urb<strong>an</strong>e Wildnis“ auf<br />
Industriebrachen, Baulücken,<br />
Bahnflächen etc. Sowohl die ökologische Forschung<br />
<strong>als</strong> auch die Konzepte des Naturschutzes<br />
und der nachhaltigen, klima<strong>an</strong>gepassten Stadtentwicklung<br />
müssen die biologische Vielfalt in Städten<br />
berücksichtigen (KOWARIK, I., 1998), insbesondere<br />
weil hier nicht nur „Allerweltsarten“ vor-<br />
7<br />
In einer Art St<strong>an</strong>dardmodell der thermischen Behaglichkeit geht m<strong>an</strong> von einer ausgeglichenen Energiebil<strong>an</strong>z des Menschen aus,<br />
bei der die Körperkerntemperatur konst<strong>an</strong>t bei 37 °C im Fließgleichgewicht gehalten wird. Ansatzpunkte für die Herstellung von<br />
thermischer Behaglichkeit sind die Energieströme, über die der Org<strong>an</strong>ismus Wärme aufnimmt und abgibt. Im Wesentlichen sind<br />
dies der Wärmeaustausch über elektromagnetische Wellen (Strahlungswärme), die Wärmeleitung durch feste oder flüssige Materialien,<br />
der direkte Wärmeaustausch mit der Luft (Konvektion) und der sogen<strong>an</strong>nte Strom latenter Energie: die bei der Verdunstung<br />
von Flüssigkeiten der Umgebung entzogene und bei der Kon<strong>den</strong>sation wieder freigesetzte Wärme.
188<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
VOIGT, LAMPERT, BREUSTE<br />
kommen, sondern auch Arten, die in der ausgeräumten<br />
industrialisierten Kulturl<strong>an</strong>dschaft keinen<br />
Lebensraum mehr fin<strong>den</strong> (WITTIG, R., 2005;<br />
ZERBE, S. et al., 2003, S. 146). Städte beherbergen<br />
seltene und gefährdete Arten, z. B. sind in Berlin<br />
derzeit mit 15 FFH- und fünf Vogelschutzgebieten<br />
7,1 % der L<strong>an</strong>desfläche (6.326,44 ha) <strong>als</strong> NATURA<br />
2000-Gebiete gemeldet.<br />
Neobiota<br />
Für <strong>den</strong> Naturschutz ist v. a. relev<strong>an</strong>t, dass die klimabedingte<br />
Veränderung der St<strong>an</strong>dortbedingungen<br />
direkt <strong>als</strong> auch indirekt – besonders durch veränderte<br />
Konkurrenzbedingungen – zu lokalen<br />
Veränderungen von Flora und Fauna führt: Bestimmte<br />
Arten wer<strong>den</strong> nicht mehr vorkommen,<br />
<strong>an</strong>dere, wärme- oder trockenheitsresistente Arten<br />
wer<strong>den</strong> einw<strong>an</strong>dern bzw. sich ausbreiten. Zum<br />
Beispiel könnten sich Arten, wie der <strong>an</strong>thropogen<br />
<strong>an</strong>gesiedelte Götterbaum (Ail<strong>an</strong>thus altissima), der<br />
bisher spont<strong>an</strong> v. a. in wärmeren Innenstadtbereichen<br />
vorkommt, weiträumiger etablieren.<br />
Abb. 3: Der Neophyt Topinambur (Heli<strong>an</strong>thus tuberosus)<br />
Foto: S. Haider<br />
Sowohl in Zusammenh<strong>an</strong>g mit der Klimaerwärmung<br />
<strong>als</strong> auch mit der Besonderheit der städtischen<br />
Natur wird das Thema der biologischen Invasion<br />
8 intensiv und kontrovers diskutiert. Die<br />
meisten Neobiota in Mitteleuropa sind wegen dessen<br />
l<strong>an</strong>ger L<strong>an</strong>dnutzungsgeschichte und Lage <strong>als</strong><br />
geographischer Durchg<strong>an</strong>gsraum kein Naturschutzproblem<br />
(FLORAWEB, 2010; NBD, 2005).<br />
Oft, v. a. in Städten, in <strong>den</strong>en Neobiota verstärkt<br />
auftreten, wer<strong>den</strong> sie durchaus <strong>als</strong> Bereicherung<br />
empfun<strong>den</strong> (ZERBE, S. et al., 2003, S. 146). Aus<br />
Sicht des Naturschutzes bereiten einige Arten Probleme,<br />
wenn sie Kr<strong>an</strong>kheiten übertragen, durch<br />
Kreuzung mit einheimischen Arten deren Genpool<br />
verändern oder infolge starker Ausbreitung einheimische<br />
Arten zurückdrängen. Allerdings ist es<br />
aus ökologischer Sicht umstritten, ob in Mitteleuropa<br />
Arten nur aufgrund der Einw<strong>an</strong>derung <strong>an</strong>derer<br />
Arten aussterben können. 9 Zusätzliche Faktoren,<br />
wie die Veränderung der St<strong>an</strong>dortbedingungen,<br />
sind nötig, damit eine „einheimische“ 10 Art in<br />
der Konkurrenz unterliegt. In der Praxis ist die<br />
Bekämpfung von Neobiota, die sich aufgrund der<br />
Klimaveränderung etablieren können, nicht zuletzt<br />
wegen steter Neueinw<strong>an</strong>derungen wenig erfolgversprechend.<br />
Maßnahmen des Naturschutzes<br />
Diejenigen Arten, die <strong>an</strong> die neuen Klimabedingungen<br />
nicht <strong>an</strong>gepasst sind (und sich nicht so<br />
schnell <strong>an</strong>passen können), wer<strong>den</strong> großflächig in<br />
Natur und L<strong>an</strong>dschaft und in der Stadt auch durch<br />
Schutzgebiete oder <strong>an</strong>dere naturschützerische<br />
Maßnahmen nicht zu erhalten sein.<br />
Im kleinen Maßstab ist es natürlich möglich, durch<br />
die gezielte Förderung bestimmter Habitateigenschaften<br />
aktuell vorkommende Arten mit geringer<br />
Wärme- und Trockenheitstoler<strong>an</strong>z auch bei steigen<strong>den</strong><br />
Durchschnittstemperaturen und geänderten<br />
Niederschlagsverhältnissen zu unterstützen.<br />
Hier sind <strong>als</strong>o vorsorgende starke Eingriffe von<br />
Seiten des Naturschutzes notwendig (Umstrukturierung<br />
der Vegetation, Bo<strong>den</strong>veränderung, Beschattungs-,<br />
Be- oder Entwässerungsmaßnahmen,<br />
8<br />
Unter biologischer Invasion versteht m<strong>an</strong> in der Ökologie das Phänomen, dass sich gebietsfremde Org<strong>an</strong>ismen nach erfolgreicher<br />
Überwindung einer Ausbreitungsbarriere in einem neuen Areal etablieren und dort ausbreiten (HEGER, T., 2004). Als Neobiota<br />
(fremde, invasive Arten) gelten Arten, die seit 1492 eingew<strong>an</strong>dert sind, absichtlich oder unabsichtlich eingeführt wur<strong>den</strong>.<br />
9<br />
Anders ist die Situation auf Inseln, deren Artbest<strong>an</strong>d erst in <strong>den</strong> letzten Jahrhunderten mit gebietsfrem<strong>den</strong> Arten und damit mit<br />
neuen Konkurrenten, Schädlingen und Prädatoren konfrontiert wurde.<br />
10<br />
Viele der heute schützenswerten „heimischen Arten“ sind nicht indigen, sondern vor 1492 in Mitteleuropa eingew<strong>an</strong>dert oder eingeführt<br />
wor<strong>den</strong> (sog. Archäophyten).
SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung<br />
ANPASSUNG AN DEN KLIMAWANDEL ALS AUFGABE FÜR EINE ÖKOLOGISCH ORIENTIERTE STADTENTWICKLUNG<br />
189<br />
Bekämpfung von konkurrenzstärkeren Arten etc.).<br />
Zudem müssen potenzielle Rückzugsräume (z. B.<br />
Kaltluftsenken) erk<strong>an</strong>nt und gesichert bzw. entwickelt<br />
wer<strong>den</strong>. Schutzgebiete müssen für bestimmte<br />
Arten gezielt in Regionen ausgewählt<br />
wer<strong>den</strong>, die auch nach erwarteten Klimaänderungen<br />
noch geeignet sind oder geeignet wer<strong>den</strong>. Hier<br />
bieten auch die <strong>Anpassung</strong>smaßnahmen der Stadtund<br />
Freiflächenpl<strong>an</strong>ung neue Ch<strong>an</strong>cen, z. B. können<br />
neugeschaffene Retentionsflächen zu urb<strong>an</strong>en<br />
Habitaten für Wasservögel wer<strong>den</strong>. Rückzugsräume<br />
und Korridore müssen – im Idealfall bereits<br />
vorsorgend – zu einem kohärenten Biotopverbund<br />
entwickelt wer<strong>den</strong>, um Migration lokal vulnerabler<br />
Arten zwischen diesen Refugien zu ermöglichen.<br />
11 Zudem wird eine Veränderung des<br />
gesetzlichen Rahmens, der administrativen Möglichkeiten<br />
und Instrumente für eine gleichermaßen<br />
systematische wie auch flexible Ausweisung von<br />
Schutzgebieten gefordert. (BFN, 2006, S. 13; SEI-<br />
DEL, A. 2008; HENLE, K. et al., 2009).<br />
Allerdings ist zu beachten, dass nur unter Berücksichtigung<br />
der komplexen lokalen Wechselwirkungen<br />
zwischen belebter und unbelebter Umwelt<br />
und ihren zukünftigen Veränderungen sowie der<br />
artspezifischen Eigenschaften vorsorgende, zielorientierte<br />
und ortsbezogene Maßnahmenkonzepte<br />
entwickelt wer<strong>den</strong> können. Da dies aufgrund<br />
der Prognoseunsicherheit und der Komplexität<br />
der Wechselwirkungen kaum möglich ist,<br />
müssten die Instrumente und Konzepte des Naturschutzes<br />
flexibel und nicht auf nur eine Art ausgerichtet<br />
sein.<br />
Abgesehen davon, dass ein „flexibler und vorsorgender<br />
Biotopverbund“ in Städten aufgrund der<br />
konkurrieren<strong>den</strong> Flächen<strong>an</strong>sprüche eine Utopie<br />
bleiben wird, ist durch musealisierende Maßnahmen<br />
die Verschiebung von Artenarealen l<strong>an</strong>gfristig<br />
nicht aufzuhalten. Da aber Schutzgebiete örtlich<br />
fixiert sind, bedeutet dies, dass viele Schutzgebiete<br />
in- und außerhalb von Städten ihre Eignung für<br />
einen Teil der Arten und Biozönosen verlieren<br />
wer<strong>den</strong>, für die sie ursprünglich eingerichtet wur<strong>den</strong>.<br />
Jedoch verliert ein Schutzgebiet durch Verlust<br />
seiner Zielarten nicht automatisch seine Funktion<br />
für <strong>an</strong>dere Arten und vor allem nicht seinen Wert<br />
für seine Besucher. Das heißt aber, dass der Naturschutz<br />
v. a. in seinen Zielen und Bewertungen<br />
um<strong>den</strong>ken muss. Dazu gehört auch die Bewertung<br />
der Neobiota: Das statische Beharren auf dem gegenwärtigen<br />
„heimischen“ Artenspektrum schädigt<br />
auch Arten, die in <strong>an</strong>deren Gebieten keine<br />
geeigneten Lebensbedingungen mehr vorfin<strong>den</strong>,<br />
verhindert letztlich <strong>als</strong>o die Erhaltung von biologischer<br />
Vielfalt in einer sich ändern<strong>den</strong> Welt. Damit<br />
wird weder dem Ziel des Schutzes einzelner Arten<br />
oder der biologischen Vielfalt noch dem Ziel einer<br />
qualitätsvollen, vielfältigen Naturerfahrung Genüge<br />
get<strong>an</strong>. Welche Arten blieben uns, wenn ein nicht<br />
unbeträchtlicher Anteil heimischer Arten mit <strong>den</strong><br />
sich verändern<strong>den</strong> St<strong>an</strong>dortfaktoren nicht klarkommt,<br />
wir die <strong>an</strong>gepassten Arten aber aufgrund<br />
ihrer Herkunft ablehnen?<br />
Vor dem Hintergrund der durch <strong>den</strong> Klimaw<strong>an</strong>del<br />
ausgelösten Veränderungen der Umweltbedingungen<br />
stellt sich einmal mehr die Frage, welche<br />
Art von Natur wir in unseren Städten und L<strong>an</strong>dschaften<br />
wollen. Natürlich muss nicht nach dem<br />
Motto „p<strong>an</strong>ta rhei“ alles zugelassen wer<strong>den</strong>, was<br />
passiert: Maßnahmen zur Verhinderung oder Pufferung<br />
unerwünschter Veränderungen, sei es die<br />
Bekämpfung von allergieauslösen<strong>den</strong> Arten oder<br />
die Erhaltung bestimmter Arten aus ökonomischen<br />
oder kulturellen Grün<strong>den</strong>, sind vernünftig.<br />
Jedoch ist für die Durchsetzung von naturschützerischen<br />
Zielen ein gesellschaftlicher Konsens<br />
vonnöten – ein Konsens, der nicht einfach zu erzielen<br />
sein wird, <strong>den</strong>n Menschen fin<strong>den</strong> unterschiedliche<br />
Pfl<strong>an</strong>zen, Tiere oder L<strong>an</strong>dschaften ästhetisch<br />
reizvoll oder emotional faszinierend und daher<br />
schutzwürdig.<br />
Schon l<strong>an</strong>ge wird der statische Ansatz des Naturschutzes<br />
kritisiert, der weder einer sich stetig w<strong>an</strong>deln<strong>den</strong><br />
Umwelt noch <strong>den</strong> gesellschaftlichen Anforderungen<br />
<strong>an</strong> Natur bzw. der Sehnsucht nach einem<br />
emotionalen oder ästhetischen Zug<strong>an</strong>g zu<br />
Natur gerecht wird. Der Klimaw<strong>an</strong>del stellt <strong>den</strong><br />
Naturschutz in zuvor unbek<strong>an</strong>ntem Ausmaß vor<br />
die <strong>Aufgabe</strong>, sich vom Idealbild der traditionellen<br />
Kulturl<strong>an</strong>dschaft und ihres regionaltypischen Artenspektrums<br />
zu lösen und stattdessen neue Leitbilder<br />
zu definieren und zur Diskussion zu stellen.<br />
Dabei könnte sich der Naturschutz durchaus<br />
auf seine Wurzeln berufen: Der klassische Heimatund<br />
Naturschutz war nicht rein konservierend,<br />
sondern explizit gestaltend. Der heutige Artenund<br />
Biotopschutz ist dies nicht, und wenn er doch<br />
in die Natur eingreift, d<strong>an</strong>n um (dem Typ nach)<br />
frühere Zustände wiederherzustellen. Der klassische<br />
Naturschutz aber folgte der Idee eines Gestaltens,<br />
das sozialen und wirtschaftlichen Erfordernissen<br />
gerecht wurde, doch behutsam und nicht<br />
zuletzt künstlerisch war.<br />
11<br />
Diese Forderungen sind nicht neu, gewinnen aber durch <strong>den</strong> Klimaw<strong>an</strong>del neue Relev<strong>an</strong>z.
190<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
VOIGT, LAMPERT, BREUSTE<br />
4 FAZIT<br />
Die hier beschriebenen Zusammenhänge machen<br />
<strong>den</strong> H<strong>an</strong>dlungsbedarf für eine stadtökologische<br />
<strong>Anpassung</strong> <strong>an</strong> <strong>den</strong> Klimaw<strong>an</strong>del deutlich, um Folgekosten<br />
und Risiken des Klimaw<strong>an</strong>dels zu minimieren,<br />
die Lebensqualität für die Bewohner sicherzustellen<br />
oder zu verbessern und eine vielfältige<br />
städtische Natur zu entwickeln. Hierfür<br />
wer<strong>den</strong> nicht nur pl<strong>an</strong>erische Interventionen und<br />
politisch-rechtliche Instrumente, sondern auch<br />
sektorenübergreifende Kooperationen der unterschiedlichen<br />
Akteure (Politik, Verwaltung, Maßnahmenträger,<br />
Zivilgesellschaft) notwendig sein.<br />
Zudem sind die sich abzeichnen<strong>den</strong> gesellschaftlichen<br />
Entwicklungen, u. a. die Abnahme der öffentlichen<br />
Fin<strong>an</strong>zen, der demographische W<strong>an</strong>del und<br />
die Schrumpfung und das Wachstum von Städten<br />
zu berücksichtigen.<br />
Im Umg<strong>an</strong>g mit dem Klimaw<strong>an</strong>del gibt es weder<br />
für die Ursachenbekämpfung noch für die Vorsorge<br />
bzw. <strong>Anpassung</strong> einfache, universell einsetzbare<br />
Lösungen. Für Problemlösungen lässt sich dabei<br />
durchaus auf Vorh<strong>an</strong><strong>den</strong>es zurückgreifen, seien es<br />
die italienischen Renaiss<strong>an</strong>cegärten, der frühe Heimatschutz<br />
oder die Erfahrungen der Stadtpl<strong>an</strong>ung<br />
in <strong>an</strong>deren Klimaten. Nötig sind jedoch auf die jeweiligen<br />
regionalen Gegebenheiten, die unterschiedlichen<br />
Stadtstrukturtypen und die Bedürfnisse<br />
und Vorlieben der Menschen zugeschnittene<br />
Konzepte und Maßnahmen auf Grundlage ortsspezifischer<br />
stadtökologischer Untersuchungen.<br />
Wissenschaftliche Aussagen zum Klimaw<strong>an</strong>del<br />
und seinen (insbesondere regionalen) Auswirkungen<br />
auf Mensch und Natur sind – und das wer<strong>den</strong><br />
sie auch in Zukunft bleiben – mit einem hohen Unsicherheitsfaktor<br />
belegt. Es sind plausible Projektionen<br />
der Zukunft, aber keine konkreten Vorhersagen.<br />
Trotz dieser Prognoseunsicherheiten<br />
ist vorsorgendes und ortsspezifisches H<strong>an</strong>deln<br />
notwendig. Um das Risiko pl<strong>an</strong>erischer Fehlentscheidungen<br />
möglichst gering zu halten, ist es erforderlich,<br />
die Maßnahmen der Stadtpl<strong>an</strong>ung und<br />
des urb<strong>an</strong>en Naturschutzes möglichst flexibel zu<br />
gestalten. Das ist gerade in Städten, in <strong>den</strong>en große<br />
Flächennutzungskonkurrenz herrscht, derzeit allerdings<br />
nur schwer zu realisieren.<br />
Die bisherigen Naturschutzkonzepte im Bereich<br />
des Art- und Biotopschutzes sind zu statisch, um<br />
auf starke klimatische Veränderungen reagieren<br />
zu können. Daher ist ein Um<strong>den</strong>ken in Bezug auf<br />
Leitbilder, Ziele und Bewertungen notwendig. Allerdings<br />
bedeutet dies auch einen schmerzhaften<br />
Abschied von Vertrautem.<br />
Die Entscheidungen über <strong>den</strong> Umg<strong>an</strong>g mit Folgen<br />
und Risiken der Klimaänderungen sind letztlich<br />
Wertentscheidungen. Welche Risiken nehmen wir<br />
in Kauf? Welche Lebensqualität wollen wir in <strong>den</strong><br />
Städten? Daher ist ein gesellschaftlicher Konsens<br />
oder zumindest ein offener Diskurs über Leitbilder,<br />
Ziele und Steuerungsinstrumente außeror<strong>den</strong>tlich<br />
wichtig.<br />
LITERATUR<br />
BFN (= Bundesamt für Naturschutz), Hrsg., 2006, Biologische<br />
Vielfalt und Klimaw<strong>an</strong>del – Gefahren, Ch<strong>an</strong>cen,<br />
H<strong>an</strong>dlungsoptionen. – Bonn/Bad Godesberg, (= BfN<br />
Skripte 148)<br />
BMVBS/BBSR (= Bundesministerium für Verkehr, Bau und<br />
Stadtentwicklung / Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und<br />
Raumforschung), Hrsg., 2009a, Ursachen und Folgen<br />
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22/2009).<br />
BMVBS/BBSR (= Bundesministerium für Verkehr, Bau und<br />
Stadtentwicklung / Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und<br />
Raumforschung), Hrsg., 2009b, Klimaw<strong>an</strong>delgerechte<br />
Stadtentwicklung. Rolle der bestehen<strong>den</strong> städtebaulichen<br />
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ON2409R159, (= BBSR-Online-Publikation 24/2009).<br />
BONGARDT, B., 2006, Stadtklimatologische Bedeutung kleiner<br />
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Westparks. – Hohenwarsleben.(= Essener Ökologische<br />
Schriften, 24).<br />
BREUSTE, J., 2001, Nachhaltige Flächennutzung durch <strong>den</strong><br />
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Zeitschrift für Angew<strong>an</strong>dte Umweltforschung, 14, 1–4,<br />
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HARING, C., 2007, Analyse der Bo<strong>den</strong>versiegelung und ihrer<br />
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Fak. Univ. <strong>Salzburg</strong>.
SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung<br />
ANPASSUNG AN DEN KLIMAWANDEL ALS AUFGABE FÜR EINE ÖKOLOGISCH ORIENTIERTE STADTENTWICKLUNG<br />
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HEGER, T., 2004, Zur Vorhersagbarkeit biologischer Invasionen.<br />
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Klimaw<strong>an</strong>del und Raumentwicklung SIR-Mitteilungen und Berichte 34/2009 – 2010<br />
ANHANG – FARBABBILDUNGEN: VOIGT, LAMPERT, BREUSTE<br />
Abb. 1: Veränderung des Bebauungs- und Versiegelungsgrades in <strong>Salzburg</strong> (Seite 186)<br />
Quelle: Haring 2007