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SR_4904_1206.pdf.pdf - Schweizer Parlament

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29. Mai 2012 281 Ständerat 12.050<br />

Zum Stichwort Vertragspartner: Wenn Deutschland und die<br />

beiden anderen Länder diese Abkommen wollen, ist das ihr<br />

gutes Recht. Sie sagen Ja zu den entsprechenden Steuerschlupflöchern.<br />

Ich gehe davon aus, dass das Abkommen in<br />

Deutschland nicht durchkommen wird, aber das werden wir<br />

sehen. Für die Schweiz ist es wegen der erwähnten Vergangenheitsbewältigung<br />

dennoch richtig.<br />

Wichtig wären die Abkommen aber vor allem für die Länder<br />

der Süd-EU, denn diese brauchen dringend das an ihrem<br />

Fiskus in Milliardenhöhe vorbeigeschleuste Geld, das unterdessen<br />

auch auf <strong>Schweizer</strong> Banken liegt. Denn sie haben im<br />

Moment einen riesigen Bedarf, das muss ich Ihnen nicht näher<br />

erklären. Ich bin deshalb froh, dass im Moment auch mit<br />

Griechenland Verhandlungen aufgenommen worden sind,<br />

solche Abkommen abzuschliessen. Ich denke, das sind die<br />

Länder, die am meisten davon profitieren, und das soll uns<br />

recht sein.<br />

Für mich sind diese Abgeltungssteuerabkommen ein pragmatischer<br />

Übergang zu dem, was so oder so kommen wird –<br />

das wird wenige Jahre dauern –, und das ist der automatische<br />

Informationsaustausch. Meine Wette geht von fünf Jahren<br />

aus; ich habe schon mehrere gute Rotweine darauf gewettet,<br />

dass die OECD innerhalb der kommenden fünf Jahre<br />

den automatischen Informationsaustausch zum internationalen<br />

Standard erklären wird. Und das ist auch richtig so.<br />

Erst dann, Kollege Freitag, kann man schweizerische Steuerhinterzieher,<br />

die sich bei deutschen Banken melden, problemlos<br />

sozusagen zur Brust nehmen, indem man nachher<br />

eben aufgrund des automatischen Informationsaustausches<br />

weiss, wo wann welches Geld hinterzogen worden ist.<br />

Ich meine, der Bundesrat wäre gut beraten, bezüglich des<br />

automatischen Informationsaustausches bei der EU in die<br />

Offensive zu gehen und im Gegenzug dafür Verhandlungen<br />

über die Bilateralen III zu verlangen, die ja im Moment<br />

blockiert sind. Ich weiss nicht, wie viele Verhandlungsbausteine<br />

wir noch in der Hinterhand haben, aber dies wäre ein<br />

veritabler Baustein, vor allem, wenn man weiss, dass dieses<br />

System in ein paar Jahren sowieso kommen wird. Da könnte<br />

man für einmal in die Offensive gehen, anstatt sich wieder<br />

durch das Ausland dazu zwingen zu lassen.<br />

Zum Schluss möchte ich noch einen Punkt erwähnen, bei<br />

dem ich die Abgeltungssteuer wirklich ein ganz gutes Mittel<br />

finde; es geht um die Entwicklungsländer. Ich habe es in der<br />

Kommission schon gesagt: Die Entwicklungsländer haben<br />

aufgrund ihrer mangelnden Infrastruktur und aufgrund ihres<br />

mangelnden politischen Gewichts keinerlei Möglichkeiten,<br />

Fluchtgelder, die an ihrem Fiskus vorbeigegangen sind, zurückzuholen.<br />

Ihnen wird auch der automatische Informationsaustausch<br />

nicht viel bringen, weil sie eben nicht über die<br />

entsprechende Infrastruktur verfügen. Es wäre nun wirklich<br />

für die Schweiz mit ihrem humanitären Auftrag eine würdige<br />

Aufgabe, demnächst den verschiedenen Entwicklungsländern<br />

ein Abgeltungssteuerabkommen anzubieten. Diese<br />

können das Geld, das bei ihnen hinterzogen worden ist, sehr<br />

gut gebrauchen. Wir werden in der Detailberatung auf dieses<br />

Thema zurückkommen und Ihnen einen entsprechenden<br />

Antrag stellen.<br />

Ich kann Ihnen die Unterstützung der drei Abkommen signalisieren,<br />

und zwar im Sinne eines Übergangs, eines Schrittes<br />

in die richtige Richtung. Der Trend geht international eindeutig<br />

in Richtung automatischer Informationsaustausch.<br />

Zanetti Roberto (S, SO): Bei der Beantwortung der Frage, ob<br />

man diesen Abkommen zustimmen soll, fand ich mich vor<br />

dem alten Dilemma wieder, dem man sich als Politiker hin<br />

und wieder gegenübersieht: Will ich den Spatz in der Hand<br />

oder lieber die Taube auf dem Dach? Ich versuche Ihnen<br />

darzulegen, wie ich diese Frage für mich persönlich beantwortet<br />

habe.<br />

Wieso erhebt ein Staat Steuern? Er will damit vor allem zwei<br />

Ziele erreichen: Er will Betriebsmittel generieren, damit er<br />

seine staatlichen Aktivitäten finanzieren kann, und er will<br />

über sein Steuersystem eine gerechte Verteilung der Steuerlast,<br />

er will Steuergerechtigkeit herstellen. Steuerabkommen<br />

zwischen Staaten sollen dazu dienen, dass diese Ziele<br />

erreicht werden. Das heisst, ein Staat hilft dem anderen<br />

Staat, seine Steuerziele zu erreichen, jeweils unter Beachtung<br />

der eigenen Rechtsordnung.<br />

Wird das Erreichen dieser Ziele mit den Abkommen, die hier<br />

zur Debatte stehen, gefördert? Die Abkommen bilden die<br />

jeweiligen Steuersysteme der Partnerländer in unserer<br />

Rechtsordnung ab; so ist es dargelegt worden, so können<br />

wir es nachlesen. Das heisst, die steuerliche Behandlung<br />

ausländischer Vermögen erfolgt praktisch identisch mit der<br />

steuerlichen Behandlung im Ursprungsland. Da mag es ein<br />

paar Unschärfen geben, aber grosso modo kann man sagen:<br />

Eine steuerpflichtige Person in einem Partnerland mit<br />

nichtdeklariertem Vermögen in der Schweiz wird künftig<br />

weitgehend gleich besteuert, wie wenn sie das Vermögen im<br />

Partnerland hätte. Dadurch fliessen dem Partnerstaat zumindest<br />

grosse Teile des ihm zustehenden und dringend benötigten<br />

Steuergelds ziemlich rasch zu. Ein Hauptziel, wieso<br />

überhaupt Steuern erhoben werden, nämlich das Zurverfügungstellen<br />

von Betriebsmitteln für den Staat, wird mit diesen<br />

Abkommen erreicht. Als Nebenwirkung der Abkommen<br />

könnte es sogar dazu kommen, dass gewisse Kapitalien ins<br />

Ursprungsland zurückfliessen, weil es nämlich steuerlich gar<br />

keinen grossen Anreiz mehr gibt, dieses Vermögen im Ausland,<br />

also in der Schweiz, zu haben. Es könnte zu einer für<br />

diese Staaten hochwillkommenen Kapitalrückführung kommen.<br />

Die Partnerstaaten, mit denen wir in Verhandlung waren, haben<br />

ein vitales Interesse daran, dass sie zu ihrem ihnen zustehenden<br />

Geld kommen. Deshalb haben die Regierungen<br />

– es sind immerhin demokratisch legitimierte Regierungen<br />

– den Abkommen auch zugestimmt. Wenn wir als<br />

Schweiz diesen Abkommen auch zustimmen, dann kommen<br />

wir einer Ehrenpflicht gegenüber befreundeten Staaten<br />

nach. Wir könnten das Image der Schweiz als Hehlerstaat<br />

und Fluchthafen unversteuerter Gelder endlich ablegen; die<br />

Schweiz und damit auch wir alle müssten in Zukunft kein<br />

schlechtes Gewissen mehr haben.<br />

Ein zusätzliches Goody bei diesen Abkommen ist, dass die<br />

Vergangenheit endlich aufgearbeitet werden könnte. Auch<br />

da kann das erste Steuerziel, nämlich Mittel zu generieren,<br />

natürlich wiederum erreicht werden. Da werden rückwirkend<br />

Steuergelder fliessen, die in der Vergangenheit vorenthalten<br />

worden sind; da haben wir also wiederum eine Übereinstimmung<br />

der Ziele. Die Bereinigung dieser Altlasten liegt aber<br />

auch im vitalen Interesse der Schweiz und insbesondere<br />

des Finanzplatzes Schweiz. Nur mit dieser Lösung ist es<br />

möglich, eine Vergangenheitsbewältigung vornehmen zu<br />

können, die den Partnerstaaten der Schweiz entgegenkommt,<br />

ohne eigene Rechtsgrundsätze der Schweiz verletzen<br />

zu müssen.<br />

Ein Rechtsstaat ist meines Erachtens nämlich dadurch definiert,<br />

dass er Spielregeln definiert und auch einhält und<br />

dass er Treu und Glauben als Handlungsmaxime pflegt, und<br />

zwar allen Betroffenen gegenüber. Treu und Glauben und<br />

die Einhaltung von Spielregeln, das gilt auch gegenüber<br />

Spitzbuben, Rechtsbrechern und unsympathischen Gesellen,<br />

mithin also auch gegenüber Steuerhinterziehern. Wir<br />

können nicht während sechzig Jahren die Leute anziehen<br />

wie ein Misthaufen die Fliegen und sagen: «Bei uns habt ihr<br />

garantierte Diskretion!», und dann, wenn die Lage ein bisschen<br />

stürmisch wird, sagen wir: «Ja, Freunde, das war's!»<br />

Ich fände das ausgesprochen unfair und eines Rechtsstaates<br />

unwürdig, auch wenn ich jede Steuerhinterziehung ablehne.<br />

Deshalb hat ein Rechtsstaat auch gegenüber Rechtsbrechern<br />

gewisse Fairnessverpflichtungen. Das mag unangenehm<br />

und unpopulär sein, aber es gehört halt einfach<br />

dazu.<br />

Mit dieser Regulierung der Altlasten können wir also ein Problem<br />

aus der Welt schaffen, ohne das eigene Recht brechen<br />

zu müssen, und damit wird eben die Ehre der Schweiz wiederhergestellt.<br />

Aber damit haben wir auch für uns einen Vorteil<br />

erarbeitet: Wir können nämlich den Finanzplatz und damit<br />

auch den ganzen Werkplatz Schweiz aus dem Würgegriff<br />

der ausländischen Steuerbehörden befreien, und wir<br />

können potenzielle Retorsionsmassnahmen der Partner-<br />

Amtliches Bulletin der Bundesversammlung

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