05.02.2014 Aufrufe

Pfarrbrief Weihnachten 2013 - Sankt Jakob Friedberg

Pfarrbrief Weihnachten 2013 - Sankt Jakob Friedberg

Pfarrbrief Weihnachten 2013 - Sankt Jakob Friedberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

sehe ich, wenn ich die Augen<br />

aufmache und die Welt ansehe?<br />

Ich sehe gerade täglich Anfragen<br />

an die katholische Kirche,<br />

was ihre Glaubwürdigkeit betrifft,<br />

und Menschen, die Christus suchen.<br />

Ich sehe Flüchtlinge, die in<br />

Lampedusa anlanden möchten,<br />

die glamourösen Geissens, unfassbare<br />

Abhörmechanismen,<br />

einfühlsame Notfallseelsorgerinnen,<br />

Textilarbeiterinnen in Bangladesh,<br />

Formel 1-Rennen in<br />

Dubai, „Manager des Jahres“-<br />

Auszeichnungen, gescheiterte<br />

Ehen, das Paulus-Oratorium, eine<br />

Erotikmesse, den <strong>Friedberg</strong>er<br />

Advent, einen Obdachlosen, Kinder<br />

mit iPhones und Kinder mit<br />

Suchtmitteln. Ich sehe noch viel<br />

mehr und ehrlich gesagt, ist es<br />

für mich nicht leicht daraus zu<br />

lesen, wer ich bin.<br />

Noch nie habe ich mich als<br />

katholische Christin so in Frage<br />

gestellt gefühlt wie im Moment. In<br />

Talkshows diskutieren Menschen<br />

über mich als „die katholische<br />

Kirche“. In Comedys wird darüber<br />

gelästert, wie es bei Katholiken<br />

abgeht. Da kann ich noch so oft<br />

sagen, das bin doch nicht ich.<br />

Aber wer bin ich dann? Angesichts<br />

dieser Welt? Angesichts<br />

dieser Kirche? Und: Gilt noch<br />

immer, dass wir daran glauben,<br />

dass Gott zu genau dieser Welt<br />

kommt?<br />

Dieser menschwerdende Gott<br />

braucht wie jedes Kind Arme, die<br />

ihn tragen, Augen, die ihn ansehen,<br />

Münder, die von ihm sprechen...<br />

Gott kann nur Mensch<br />

werden, wenn Menschen ihn in<br />

ihre Welt hinein nehmen. Die ist<br />

so bunt und vielfältig, so gleichzeitig<br />

schrecklich und schön. Es<br />

gibt keine Auswahl von „richtigen“<br />

Menschen und der „richtigen“<br />

Welt. Gott kommt zur Welt. Gelänge<br />

es uns das zu begreifen,<br />

dass „das Wort Fleisch geworden<br />

ist“, wie es im Prolog des Johannesevangeliums<br />

heißt, dann<br />

würden wir vielleicht verstehen,<br />

dass Gott in den Menschen, die<br />

uns begegnen, zur Welt kommt:<br />

Wo Liebende mit offenen Armen<br />

sich zärtlich umfangen, wo eine<br />

Krankenschwester einen gebrechlichen<br />

Menschen wäscht,<br />

wo ein Freund dem anderen hilft,<br />

wo eine Mutter ihr Kind tröstet,<br />

wo Unternehmer für ihre Belegschaft<br />

einstehen, wo Menschen<br />

sich verbünden im Kampf gegen<br />

Korruption, wo Politikerinnen um<br />

Frieden ringen, wo eine Kirchengemeinde<br />

miteinander Jesus<br />

nachfolgt...<br />

„Wenn ich mich ganz auf die<br />

Welt einlasse, komme ich zu<br />

mir“: Ja, tatsächlich komme ich<br />

zu mir durch die Anfragen, das<br />

In-Frage-Stellen. Wofür stehe<br />

ich? Wofür stehen wir als Christinnen<br />

und Christen? Woran<br />

glauben wir? Vor was verschließen<br />

wir die Augen? Das ist fraglos<br />

äußerst anstrengend. Es<br />

reicht nicht, sich in stimmungsvollen<br />

Gottesdiensten zu ver-<br />

4 Brief aus St. <strong>Jakob</strong> 12/13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!