05.02.2014 Aufrufe

Falsche Arbeit - Stuttgarter Jugendhaus gGmbH

Falsche Arbeit - Stuttgarter Jugendhaus gGmbH

Falsche Arbeit - Stuttgarter Jugendhaus gGmbH

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

"Sommer in Stuttgart"<br />

Wenn das Schicksal Labsal bietet<br />

19.06.2008 - aktualisiert: 19.06.2008 16:30 Uhr<br />

Deshalb heißt es ja Neue Musik: weil man hier zum Beispiel Karim Wehmann dabei<br />

zuhört, wie er Karotten in Scheiben schnippelt.<br />

Foto: Honzera<br />

Das Festival für Neue Musik beginnt<br />

Stuttgart - Wenn man Stanislav beim tänzelnden Schattenboxen<br />

zusieht, ahnt man, dass seine Fäuste nicht immer nur in die leere Luft<br />

gezielt haben. Wenn man Karim behände mit einem Schlagstock<br />

jonglieren sieht, darf man annehmen, dass er durchaus weiß, wie es sich<br />

anfühlt, wenn ein solcher Knüppel auf einen Leib einprasselt. Und wenn<br />

man Selda dabei beobachtet, wie sie seelenruhig in einem Schraubstock<br />

einen Gameboy zerquetscht, darf man durchaus vermuten, dass sie<br />

bereits einiges zu Bruch gehen gesehen hat.<br />

Die drei entstammen allesamt dem Umfeld des <strong>Jugendhaus</strong>es Hallschlag,<br />

das sich bekanntlich nicht gerade in der reichsten Wohngegend Stuttgarts<br />

befindet; und sie alle haben das, ihre Vornamen lassen es bereits<br />

vermuten, was man so hässlich einen Migrationshintergrund nennt.<br />

Durchaus verblüffend ist folglich, dass die beiden Männer bulgarischer und<br />

marokkanischer Abstammung sowie die Frau mit den türkischen Wurzeln<br />

derzeit mit dem Solitude-Stipendiaten Konstantin Lom, dem Regisseur<br />

Daniel Kötter und dem Komponisten Hannes Galette Seidl die Performance<br />

"<strong>Falsche</strong> <strong>Arbeit</strong>" einstudieren, die am kommenden Montag beim Neue-<br />

Musik-Festival "Sommer in Stuttgart" aufgeführt wird. Aber wenn man das<br />

wirklich verblüffend findet, droht man bereits in die Neue-Musik-<br />

Klischeefalle zu tappen: die vermeintlich bildungsfernen Schichten und die<br />

vermeintlich so verkopfte "ernste Musik"? Das könne ja wohl nicht<br />

zusammengehen. Doch so ist es zum Glück ja nicht, und die Beteiligten an


dem Projekt "<strong>Falsche</strong> <strong>Arbeit</strong>" führen dies segensreicherweise auch<br />

exemplarisch vor.<br />

Klar, erzählt Karim Wehmann, hätten manche erst mal gedacht, dass die<br />

Polizei anrücke, als der Regisseur Kötter und der Komponist Seidl vor<br />

einigen Monaten zum ersten Mal im <strong>Jugendhaus</strong> Hallschlag aufgekreuzt<br />

sind. Unbekannten begegnet man dort stets misstrauisch. "Ein wenig<br />

komisch kam das am Anfang schon rüber", sagt Selda Keles über die<br />

Ideen, die Seidl und Kötter präsentierten, und Karim Weimann ergänzt,<br />

dass er sich zunächst gefragt hätte: "Was ist denn das für eine Philosophie<br />

zweiter Klasse?"<br />

Aber Seidl und Kötter, zwei einfallsreiche junge Männer, kamen mit<br />

offenen Ohren und vor allen Dingen mit dem offenen Bewusstsein, dass es<br />

nicht darum gehe, ausgerechnet im Hallschlag neue Fans für die Neue<br />

Musik zu finden. "Das kann ja gar nicht das Ziel sein. Es ging uns darum,<br />

dass die Menschen Dinge tun, die sie sonst nie getan hätten", sagt Daniel<br />

Kötter. So entwickelte sich, nachdem die Besetzung gefunden wurde, ein<br />

spannendes Projekt, das mit dem Untertitel "Vier konzertante<br />

Selbstdarstellungen aus Hallschlag" treffend charakterisiert wird.<br />

"<strong>Falsche</strong> <strong>Arbeit</strong>", eine multimedial angelegte Performance, zeigt die drei<br />

Protagonisten bei Alltagstätigkeiten, bei schöpferischen Prozessen ebenso<br />

wie bei der Verkörperung innerer Leere, bei der Reflexion wie bei der<br />

Desillusion, bei der engagierten <strong>Arbeit</strong> wie im Sinnieren über das Los der<br />

<strong>Arbeit</strong>slosigkeit. Behutsam wird diese Geräuschcollage mit Seidls Klängen<br />

grundiert und gewürzt mit Videoeinspielungen, es gibt viel Stoff, der zum<br />

Grübeln anregt über die Lebenswelten junger Menschen, die mit<br />

gedämpftem Optimismus in die Zukunft blicken.<br />

Und so fügt sich auch die Geschichte ins Bild, warum von "vier<br />

konzertanten Selbstdarstellungen" die Rede ist, aber hier doch nur drei<br />

junge Menschen erwähnt wurden. Denn der ursprünglich vorgesehene<br />

vierte hat zwischenzeitlich einen Job gefunden und musste deshalb aus<br />

den Proben aussteigen. Ersetzt wurde er durch den kurzfristig<br />

eingesprungenen Konstantin Lom, der eine berufliche Festanstellung<br />

vermutlich auch einem Stipendium vorziehen würde. Auch dies ist in<br />

Zeiten der "Generation Praktikum" Teil eines künstlerischen Daseins.<br />

Aktueller könnte der Titel dieses interessanten Projekts also überhaupt<br />

nicht sein.<br />

Daneben präsentieren die Organisatoren dieses Festivals noch weitere<br />

Experimente. Dazu zählen das Abschlusskonzert, bei dem Mitglieder der<br />

Lebenshilfe Reutlingen gemeinsam mit der Württembergischen<br />

Philharmonie musizieren, ebenso wie der Montag, an dem der Killesberg in<br />

eine abendliche Musiklandschaft verwandelt werden soll.<br />

"<strong>Falsche</strong> <strong>Arbeit</strong>" wird am Montag, 23. Juni, um 19 Uhr im Theaterhaus


aufgeführt, weitere Informationen unter www.mdjstuttgart.de/sommer.<br />

Alle Festivaltermine auf einen Blick<br />

Freitag, 20. Juni, 18.30 Uhr, Theaterhaus:<br />

Uraufführungen von Brett Dean, Bojidar Spassov und Andreas<br />

Bodenhöfer; Carolin Widmann, Violine/Ema Pinto, Rosa Quispe und Luis<br />

Castillo, Stimmen/RSO Stuttgart, Brett Dean (Leitung)<br />

Samstag, 21. Juni, 18 Uhr, Theaterhaus:<br />

Werke von Jukka Tiensuu, John Cage & Michael Bach, Julia Deppert und<br />

Hans-Joachim Hespos; Yvonne Zehner, Gitarre/Michael Bach,<br />

Violoncello/Denis Patkovic, Akkordeon/Joachim Schall, Violine/Ensemble<br />

Ascolta<br />

Samstag, 21 Uhr, Theaterhaus:<br />

Gesprächskonzert mit Werken von Hans Thomalla; Yukiko Sugawara und<br />

Tomoko Hemmi, Klavier/Mitglieder des Staatsorchesters/Stefan Schreiber,<br />

Leitung und Klavier<br />

Sonntag, 22. Juni, 11.30 Uhr, Theaterhaus:<br />

Preisträgerkonzert des Kompositionswettbewerbs 2006 mit Werken von<br />

Lars Werdenberg, Eduardo Moguillansky, Lorenz Dangel, Luciano Berio<br />

und Oliver Knussen; RSO Stuttgart, Brad Lubman (Leitung)<br />

Sonntag, 17 Uhr, Schloss Solitude:<br />

Werke von Malika Kishino, Karlheinz Stockhausen, Ingo Koch, Saed<br />

Haddad, Anton Safronov und Alexandra Filonenko; Ensemble Ascolta<br />

Montag, 23. Juni, 19 Uhr, Theaterhaus:<br />

"<strong>Falsche</strong> <strong>Arbeit</strong>" (siehe Haupttext)<br />

Montag, 21 Uhr, Höhenpark Killesberg: Karlheinz Stockhausen – Aus den<br />

sieben Tagen; Ensemble Ascolta/Gelberklang/Neue Vocalsolisten/Suono<br />

Mobile Dienstag 18 Uhr, Theaterhaus: Abschlusskonzert mit Werken von<br />

Bernhard König, Norbert Sprave, Jan Kapfr, Friedemann Gisinger und<br />

Ulrich Schlumberger, Manuel de Roo, Claude Vivier und John Adams<br />

Jan Ulrich Welke


<strong>Stuttgarter</strong> Wochenblatt - online<br />

Hallschlag trifft Musikklang<br />

Am 23. Juni im Theaterhaus: <strong>Falsche</strong> <strong>Arbeit</strong>, 4 konzertante Selbstdarstellungen aus<br />

Hallschlag<br />

Foto: Veranstalter<br />

Jugendliche greifen ins Geschehen ein vom 20. bis 24. Juni beim "Sommer in Stuttgart<br />

'08"<br />

Wie kann Neue Musik attraktiv verpackt werden? Wie kann man gleichzeitig ein<br />

hohes Niveau bieten und die kindliche Neugier am Musikalischen halten? Das<br />

Festival "Der Sommer in Stuttgart '08" strebt diese hohen Ziele an.<br />

Am Freitag, den 20. Juni um 18.30 Uhr, machen gleich drei Uraufführungen den Auftakt<br />

im Theaterhaus, darunter "Ayni ... was wir mitbringen". Die Leitung hat Brett Dean.<br />

Ausführende sind Carolin Widmann (Violine), Ema Pinto, Rosa Quispe und Luis Castillo<br />

(Stimmen) sowie das RSO Stuttgart.<br />

Am Samstag, den 21. Juni, lädt Hans Thomalla um 21 Uhr zum Gesprächskonzert ein.<br />

Thomalla, der selbst mal in der Dramaturgie der Staatsoper Stuttgart war, wird an<br />

diesem Abend zwei kammermusikalische Werke aufführen. Im zweiten Teil diskutiert er<br />

mit Sergio Morabito, Dramaturg an der Oper Stuttgart, über Opernarbeit.<br />

Innovativ wird's auch am Sonntag, 22. Juni, beim Preisträger Kompositionswettbewerb.<br />

Zu hören sein werden "Différence - ein Wiegenlied mit Orchester" oder "Stägäli uf -<br />

stägäli ab" des Schweizers Lars Werdenberg. "<strong>Falsche</strong> <strong>Arbeit</strong>" am Montag, 23. Juni, 19<br />

Uhr, ist eine Produktion, die zusammen mit den Jugendlichen Daniel, Karim, Selda und<br />

Stanislav entstanden ist. Der Künstler Daniel Kötter (Video & Regie) und Hannes Galette<br />

Seidl (Komposition) haben sich mit ihren vier Darstellern aus dem <strong>Jugendhaus</strong> Hallschlag<br />

auf ein Projekt eingelassen, in dem es um Entdeckung und Eroberung geht.<br />

Auf gutes Wetter hoffen die Veranstalter am Montag, 21 Uhr, damit Karlheinz<br />

Stockhausens "Aus den sieben Tagen" aus dem Tal der Rosen im Höhenpark Killesberg<br />

klingen kann.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!