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Forum Ernährung Heute

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serie: prosit leben!<br />

Hausgemacht ist nicht immer besser<br />

Selbst hergestellter Milchersatz für die erste Lebensphase<br />

mag als gute und kostengünstige Alternative zum „Fertigprodukt“<br />

erscheinen. Er wird jedoch von Medizinern<br />

und Ernährungsexperten sehr kritisch beurteilt und überwiegend<br />

abgelehnt. Rein pflanzliche Mischungen wie etwa<br />

Frischkorn-, Mandel- oder Reismilch sind im Nährstoffgehalt<br />

völlig unzureichend, meist schwer verdaulich und oft<br />

mit Schadstoffen oder Schimmelpilzsporen belastet.<br />

Auch herkömmliche Kuhmilch ist nicht geeignet, da ihr<br />

hoher Eiweiß- und Mineralstoffgehalt die kindlichen Nieren<br />

zu stark belastet. Ein weiterer Nachteil ist das erhöhte<br />

Risiko für einen Eisenmangel beim Säugling, der sich<br />

vor allem durch ihren von Natur aus niedrigen Eisengehalt<br />

bei gleichzeitig geringer Bioverfügbarkeit ergibt.<br />

Immer wieder wird auch Ziegenmilch für die Ernährung<br />

nicht gestillter Babys in Betracht gezogen, da sie als besonders<br />

verträglich gilt. Zu ihrer Auswirkung auf das<br />

Wachstum des Kindes und seine Nährstoffversorgung gibt<br />

es jedoch keine kontrollierten Studien. Ziegenmilch ist daher<br />

auf EU-Ebene auch nicht für die Herstellung von Säuglingsnahrung<br />

zugelassen. Ebenso kann das am häufigsten<br />

strapazierte Argument, die geringere Allergenität im Vergleich<br />

zu Kuhmilch, weder durch In-vitro-Untersuchungen<br />

noch durch klinische Arbeiten bestätigt werden.<br />

„HA“ für Risikokinder<br />

Wo wir schon beim Thema Allergien sind: Leiden Mutter,<br />

Vater und/oder ältere Geschwister an einer atopischen Erkrankung,<br />

so besteht auch für das Baby ein erhöhtes Risiko,<br />

eine solche zu entwickeln. Dann müssen geeignete<br />

Maßnahmen zur Allergieprävention ergriffen werden.<br />

Falls das Kind nicht gestillt wird, steht hypoallergene<br />

Säuglingsnahrung, sogenannte HA-Nahrung, zur Verfügung,<br />

bei der die Eiweißkomponente so weit aufgespalten<br />

(hydrolysiert) ist, dass sie vom Körper nicht mehr als artfremd<br />

wahrgenommen wird. Dadurch besteht die Chance,<br />

die Entwicklung einer Allergie zu verhindern oder wenigstens<br />

hinauszuzögern. Die aktuelle Leitlinie zur Allergieprävention<br />

empfiehlt die Gabe von hydrolysierter Säuglingsnahrung<br />

bei Risikokindern zumindest bis zum vollendeten<br />

vierten Lebensmonat. Für einen zusätzlichen<br />

Effekt durch HA-Folgenahrungen gibt es jedoch derzeit<br />

keine Anhaltspunkte.<br />

die Shooting-Stars der Hormonersatztherapie, sind hinsichtlich<br />

ihrer medizinischen Auswirkungen auf den kindlichen<br />

Stoffwechsel keinesfalls ausreichend untersucht.<br />

Und auch der hohe Phytatgehalt steht in der Kritik, da er<br />

die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen wie Phosphor, Eisen,<br />

Zink und möglicherweise auch Jod wesentlich vermindert.<br />

Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt Sojanahrungen<br />

für Säuglinge daher nur in begründeten Ausnahmefällen<br />

und nach ärztlicher Empfehlung, nicht jedoch<br />

für die Ernährung gesunder Kinder.<br />

Die Milchmahlzeit mit dem Bifidus-Plus?<br />

Die Darmflora des voll gestillten Säuglings besteht zu<br />

90 bis 99 % aus Bifidobakterien. Sie schützen ihn vor<br />

Durchfällen, stärken sein Immunsystem und könnten auch<br />

bei der Allergievermeidung eine Rolle spielen. Wird das<br />

Baby mit dem Fläschchen ernährt, so entwickelt sich hingegen<br />

eine Mischflora mit wesentlich geringerem Bifidus-<br />

Anteil. Die Industrie hat dafür eine „Geheimwaffe“ parat:<br />

prebiotische und probiotische Säuglingsnahrungen. Prebiotika<br />

kommen immer öfter zum Einsatz, da sie das<br />

Wachstum der Bifidobakterien im Darm unterstützen. Probiotische<br />

Säuglingsnahrungen enthalten Keime zur möglichen<br />

Besiedelung der Darmflora. Sowohl für prebiotische<br />

als auch für probiotische Säuglingsnahrungen ist<br />

der gesundheitliche Nutzen aus heutiger Sicht noch nicht<br />

zweifelsfrei belegt. Die Sicherheit von Prebiotika steht<br />

außer Streit, bei der Sicherheit von Probiotika gibt es<br />

noch Fragezeichen. So wird bei Säuglingen mit gestörter<br />

Herz- oder Immunfunktion sowie bei Frühgeborenen sogar<br />

von Probiotika abgeraten. Aufgrund der zum Teil vielversprechenden<br />

Datenlage ist die weitere Forschung in<br />

diesem Bereich jedoch sicher lohnend und sinnvoll. Die<br />

Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)<br />

prüft derzeit die Datenlage für die einzelnen Zusätze.<br />

Fazit: Babys können auch mit dem Fläschchen gesund<br />

groß werden. Deshalb benötigen Familien, die sich für<br />

diese Ernährungsform entscheiden (müssen), eine ebenso<br />

kompetente Beratung und Unterstützung für ihren individuellen<br />

Weg wie stillende Mütter. Dabei soll es nicht<br />

so sehr darum gehen, ob gestillt wird oder nicht, sondern<br />

vielmehr darum, was unter den gegebenen Umständen sowohl<br />

für die Frau als auch für ihr Kind das Beste ist. Satt<br />

und glücklich – diese zwei Lebensqualitäten lassen sich<br />

eben nicht nur auf eine Weise erreichen. «<br />

info am rande<br />

Frisches, abgekochtes Leitungswasser<br />

ist in der Regel für Fläschchen<br />

geeignet, sollte jedoch durch<br />

„babytaugliches“ Mineralwasser<br />

ohne Kohlensäure ersetzt werden,<br />

wenn der Nitratgehalt über 30 mg/l<br />

liegt. Wird Wasser mit mehr als<br />

60 mg Nitrat pro Liter verwendet,<br />

kann es zu „Blausucht“ (Methämoglobinämie)<br />

kommen. Das Nitrat bindet<br />

an die roten Blutkörperchen und<br />

stört dadurch den Sauerstofftransport<br />

im Blut.<br />

info am rande<br />

Babyfläschchen aus Kunststoff sind<br />

kürzlich aufgrund ihres Gehaltes an<br />

Bisphenol A in Verruf geraten.<br />

Experten der AGES geben jedoch<br />

Entwarnung. Nach derzeitigem<br />

Wissensstand und bei üblicher<br />

Verwendung sei keine Gesundheitsgefahr<br />

zu befürchten.<br />

Umstrittene Sojaphilie<br />

Säuglingsnahrungen dürfen laut EU-Richtlinie nicht nur<br />

aus Kuhmilch, sondern auch auf Basis von Sojaproteinisolaten<br />

hergestellt werden. Streng vegetarische Eltern<br />

greifen gern darauf zurück, sie werden aber auch eingesetzt,<br />

wenn eine laktose- und/oder galaktosefreie Kost<br />

eingehalten werden muss. Die Therapie einer Kuhmilcheiweißallergie<br />

hingegen gilt nicht mehr als Indikation, seit<br />

bekannt ist, dass sich bei bis zu 30 bis 50 % der kleinen<br />

Patienten auch eine Allergie gegen Sojaeiweiß entwickelt.<br />

Inzwischen gibt es aber auch noch andere gesundheitliche<br />

Bedenken: Die enthaltenen Phytoöstrogene etwa,<br />

Bundesinstitut für Risikobewertung: Säuglingsnahrung aus Sojaeiweiß ist kein Ersatz<br />

für Kuhmilchprodukte. Stellungnahme Nr. 043 (2007).<br />

Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin<br />

(DGKJ), Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde<br />

(ÖGKJ), Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für<br />

Pädiatrie (SGP): Empfehlungen zu Prä- und Probiotika in Säuglingsanfangsnahrungen.<br />

Monatsschreiben Kinderheilkunde 157: 267–270 (2009).<br />

Haller R, Rummel C, Henneberg S, Pollmer U, Köster EP: The Influence of Early Experience<br />

With Vanillin on Food Preference Later in Life. Chem Senses 24: 465–467<br />

(1999).<br />

Lakshman R, Ogilvie D, Ong KK: Mothers’ Experiences of Bottle Feeding: A Systematic<br />

Review of Qualitative and Quantitative Studies. Arch Dis Child 94: 596–601 (2009).<br />

Möller JC: Von Stillmüdigkeit bis Stillzwang. Aktueller Stand der Formelmilch-<br />

Ernährung. gynäkologie + geburtshilfe 1: 29–34 (2004).<br />

ernährung heute 2_2010<br />

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