Wittl_Band _7.pmd - Schulz-Kirchner Verlag
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René Hoksbergen<br />
und die Mitarbeiter des Rumänien-Projektes<br />
Die Folgen von Vernachlässigung<br />
Aus dem Niederländischen von Heike Angele<br />
1
<strong>Wittl</strong>aerer Reihe<br />
herausgegeben von Inge Elsäßer<br />
für den Evangelischen Verein<br />
für Adoptions- und Pflegekindervermittlung Rheinland e.V.,<br />
Düsseldorf-<strong>Wittl</strong>aer<br />
<strong>Band</strong> 7<br />
In der <strong>Wittl</strong>aerer Reihe erscheinen Beiträge aus der Arbeit und für die<br />
Arbeit evangelischer Adoptions- und Pflegekinderdienste sowie Grundsatzbeiträge<br />
zu Diakonie und Sozialarbeit.<br />
Der Evangelische Verein für Adoptions- und Pflegekindervermittlung<br />
Rheinland e.V. ist ein Fachverband im Diakonischen Werk.<br />
Neben seinen Fachverbandsaufgaben unterhält er einen überregionalen<br />
Adoptions- und Pflegekinderdienst für den Bereich der Evangelischen<br />
Kirche im Rheinland und den bundesweit tätigen Zentralen Evang.<br />
Fachdienst für interstaatliche Adoptionsvermittlung.<br />
Anschrift: Einbrunger Str. 82, 40489 Düsseldorf-<strong>Wittl</strong>aer<br />
2
René Hoksbergen<br />
und die Mitarbeiter des Rumänien-Projektes<br />
Die Folgen von<br />
Vernachlässigung<br />
Erfahrungen mit Adoptivkindern<br />
aus Rumänien<br />
Aus dem Niederländischen von Heike Angele<br />
Idstein 2003<br />
3
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im<br />
Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />
Mitarbeiter des Rumänien-Projektes:<br />
Felicia Stoutjesdijk, Cor van Dijkum, Jan ter Laak und Kathinka Rijk<br />
Mitarbeitende Studenten der Universitäten Utrecht, Nijmegen, Leiden<br />
und Amsterdam:<br />
Melissa Medze, Maartje Verplanke, Linda Cremers, Rini van Dijkhuizen,<br />
Janneke Gommers, Maaike Kamp, Maureen van der Meer, Christie<br />
Mout, Martine Meijer, Esther van Montfort, Vera van Prooyen,<br />
Sandra Rijk, Jolanda Verschure.<br />
Besuchen Sie uns im Internet: www.schulz-kirchner.de<br />
1. Auflage 2003<br />
ISBN 3-8248-0307-0<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
© <strong>Schulz</strong>-<strong>Kirchner</strong> <strong>Verlag</strong> GmbH, Idstein 2003<br />
Druck und Bindung: Rosch-Buch Druckerei GmbH, Scheßlitz<br />
Printed in Germany<br />
4
Inhalt<br />
Vorwort 9<br />
Dankesworte und Zielsetzung dieses Buches 11<br />
1 Hintergründe, Absichten und Ziele der Studie 14<br />
• Absicht und Ausführung unserer Studie 14<br />
• Ziel der Studie und die wichtigsten Erwartungen 17<br />
2 Warum werden in Rumänien so viele<br />
Kinder zur Adoption freigegeben? 20<br />
• Ein geschichtlicher Abriss über Rumänien 20<br />
• Der Niedergang des Kommunismus 23<br />
• Einige neue Entwicklungen 24<br />
• Die Bevölkerungspolitik und ihre Folgen für<br />
die Freigabe von Kindern zur Adoption 26<br />
3 Medizinische und psycho-soziale Probleme<br />
bei rumänischen Adoptivkindern,<br />
Ergebnisse internationaler Untersuchungen 33<br />
• Kinder in Not 33<br />
• Medizinische und psychologische Probleme 34<br />
4 Rumänische Adoptivkinder in den<br />
Niederlanden und die Zusammensetzung<br />
der untersuchten Familien 40<br />
5 Verhaltensprobleme rumänischer<br />
Adoptivkinder 46<br />
• Der Fragebogen zum Verhalten: die CBCL 47<br />
• Art der Verhaltensprobleme und Vergleich<br />
mit einer Normgruppe 49<br />
• Ergebnisse im klinischen Bereich 52<br />
5
6<br />
• Der Zusammenhang zwischen dem Alter<br />
bei Aufnahme in die Familie und<br />
auftretenden Verhaltensproblemen 56<br />
• Die Anzahl der in der Adoptivfamilie<br />
verbrachten Jahre 58<br />
• Zusammenfassende Schlussfolgerungen<br />
und Empfehlungen 62<br />
6 Posttraumatische Stressreaktion bei<br />
rumänischen Adoptivkindern 67<br />
• Was verstehen wir unter einer<br />
Posttraumatischen Stressreaktion (PTSR)? 67<br />
• PTSR-Diagnose bei spezifischen Gruppen<br />
von Menschen 69<br />
• Die Wahrscheinlichkeit von PTSR<br />
bei Adoptivkindern 72<br />
• Wie haben wir PTSR-Symptome festgestellt? 76<br />
• Der Einfluss einiger psycho-sozialer Faktoren 78<br />
• Vergleich der PTSR-Gruppe mit der Gruppe<br />
„Die Übrigen“ und mit den beiden<br />
Normgruppen 79<br />
• Vergleich der einzelnen Problemkategorien 82<br />
• Vergleich mit Altersgenossen 84<br />
• Zusammenfassende Schlussfolgerungen<br />
und Empfehlungen 85<br />
• Anlage: Trauma-Fragebogen 93<br />
7 „Institutional Autistic Syndrome (IAS)“ bei<br />
rumänischen Adoptivkindern 95<br />
• Was ist Autismus? Was sind die Ursachen<br />
und die wichtigsten Folgen? 95<br />
• Autismus-ähnliches Verhalten, frühkindliche<br />
Vernachlässigung und Deprivation 98<br />
• Ziel dieses Teils der Untersuchung 100<br />
• Wie haben wir versucht, das „Institutional<br />
Autistic Syndrome (IAS)“ festzustellen? 102<br />
• Die wichtigsten Ergebnisse 103
• Ergebnisse auf der Auti-R-Skala 105<br />
• Das „Institutional Autistic Syndrome (IAS)“<br />
und die kognitive Entwicklung 107<br />
• Entwicklung der IAS- und der IAST-Kinder<br />
im Vergleich zu den übrigen rumänischen<br />
Adoptivkindern 109<br />
• Zusammenfassende Schlussfolgerungen und<br />
Empfehlungen 111<br />
• Zwei Beispiele von Kindern mit dem<br />
„Institutional Autistic Syndrome (IAS)“ 113<br />
8 ADHS bei rumänischen Adoptivkindern 115<br />
• Merkmale von ADHS 115<br />
• Entwicklung des Begriffes ADHS und<br />
Medikation 118<br />
• Ursachen und Auftreten von ADHS 121<br />
• ADHS bei Adoptivkindern 124<br />
• Wie haben wir ADHS festgestellt? 126<br />
• Ergebnisse des ADHS-Fragebogens 127<br />
• Ergebnisse des Interviews 130<br />
• Professionelle Hilfe 133<br />
• Zusammenfassende Schlussfolgerungen<br />
und Empfehlungen 135<br />
9 Adoptiveltern – sehr belastete Eltern? 137<br />
• Vorwort 137<br />
• Weshalb müssen Adoptiveltern mit einer<br />
großen Erziehungsbelastung rechnen? 138<br />
• Erziehungsbelastung von Familien mit einem<br />
rumänischen Kind 142<br />
• Die Fragebögen 144<br />
• „Nijmegener Fragebogen zur Erziehungssituation“<br />
144<br />
• Der Fragebogen über die Adoptionszufriedenheit 145<br />
• Die Familienbelastung für Eltern mit einem<br />
rumänischen Kind 146<br />
7
• Vergleich zwischen der Klinischen- und<br />
der Nicht-klinischen Gruppe 157<br />
• Vergleich der Klinischen Gruppe mit der<br />
Ambulanten und mit der Normgruppe 159<br />
• Vergleich zwischen der Nicht-klinischen<br />
Gruppe und der Normgruppe 162<br />
• Der Einfluss der Familienbelastung auf die<br />
Zufriedenheit mit der Adoption 163<br />
• Zusammenfassende Schlussfolgerungen und<br />
Empfehlungen 168<br />
10 Was lernen wir aus dieser Untersuchung? 172<br />
• Einige Änderungsvorschläge 173<br />
Literaturverzeichnis 177<br />
Anlagen 193<br />
I. Liste der Abkürzungen 193<br />
II. Liste der Tabellen 194<br />
8
Vorwort<br />
Professor René Hoksbergen und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
zeigen anhand einer in den Niederlanden durchgeführten<br />
Untersuchung von 80 rumänischen Adoptivkindern die<br />
Folgen der Vernachlässigung dieser Kinder.<br />
Dass diese Kinder die äußerst schlechten Bedingungen, denen<br />
sie in ihrem Herkunftsland ausgesetzt waren, überhaupt aushalten<br />
konnten, verdanken sie in den meisten Fällen ihrer persönlichen<br />
Stärke und ihrer besonderen Widerstandskraft, die<br />
ihnen half zu überleben. René Hoksbergen bezeichnet diese Kinder<br />
deswegen sehr zutreffend als „survivors“. Als Folge der Vernachlässigung<br />
zeigten die Mehrzahl der untersuchten Kinder<br />
gravierende Verhaltensprobleme.<br />
Von ihren Adoptiveltern fordern diese vernachlässigten Kinder<br />
deshalb sehr viel Einfühlungsvermögen, Verständnis, Engagement,<br />
Belastbarkeit und erzieherische Kompetenz. Die Studie<br />
hat gezeigt, dass es den Adoptiveltern an diesen Fähigkeiten<br />
nicht mangelt und sie erstaunlicherweise als Eltern nicht weniger<br />
zufrieden sind, als andere Eltern, deren Erziehungsaufgaben<br />
weniger belastend sind.<br />
Wir veröffentlichen diese in den Niederlanden durchgeführte<br />
Untersuchung in der <strong>Wittl</strong>aerer Reihe, weil es uns wichtig erscheint,<br />
dass wir – d.h. insbesondere die Fachkräfte in den Adoptionsvermittlungsstellen<br />
aber auch die Adoptionsbewerber<br />
und Adoptivfamilien – uns auch in Deutschland im Interesse<br />
der Weiterentwicklung des Adoptionswesens mit den Erkenntnissen<br />
dieser niederländischen Studie auseinander setzen.<br />
Wir stellen immer wieder fest, dass Adoptionsbewerber – v. a.<br />
ungewollt kinderlose Paare – glauben, ihnen fehle nur ein Kind<br />
und dann sei ihr Glück vollkommen. Sie wünschen sich möglichst<br />
bald ein Adoptivkind und sie entscheiden sich für die Aufnah-<br />
9
me eines Adoptivkindes aus dem Ausland, weil sich ihr Wunsch<br />
in Deutschland meistens nicht schnell realisieren lässt. In der<br />
Vorstellung der Paare überwiegen die Freuden des Elternseins,<br />
von den möglichen Belastungen haben sie oft keine oder nur<br />
sehr undeutliche Vorstellungen und Enttäuschungen sind die<br />
Folge. Es ist nicht unser Ziel, diese Paare abzuschrecken oder<br />
gar zu entmutigen – im Gegenteil, wir wünschen uns, dass diese<br />
Kinder Eltern bekommen können. Wir wissen aus Erfahrung,<br />
über welche Ressourcen Adoptiveltern, die sich ihre Kinder wirklich<br />
wünschen, verfügen und welche guten Entwicklungsmöglichkeiten<br />
sie belasteten Kindern bieten können – aber wir halten<br />
es für außerordentlich wichtig, dass sich Paare, die sich für<br />
die Adoption entscheiden, nicht über die elterlichen Aufgaben<br />
und Belastungen täuschen, die ggf. auf sie zukommen können.<br />
Falls sie sich täuschen, soll die Enttäuschung vor der Aufnahme<br />
des Kindes erfolgen und nicht erst dann, wenn das Adoptivkind<br />
bereits aufgenommen wurde, denn diesen Kindern sind<br />
weitere belastende Erfahrungen und Beziehungsabbrüche nicht<br />
mehr zuzumuten!<br />
Die Fachkräfte der Adoptionsvermittlungsstellen, die Adoptionsbewerber<br />
informieren, beraten und deren Eignung prüfen,<br />
müssen selbst die Belastungssituation einschätzen können und<br />
den künftigen Adoptiveltern helfen, eine realistische Vorstellung<br />
zu entwickeln. Die Verantwortlichen müssen sich darüber<br />
im Klaren sein, dass es mit der Adoptionsvermittlung alleine<br />
nicht getan ist, denn diese Adoptivfamilien brauchen kompetente<br />
Beratung und Unterstützung vor und nach der Adoption,<br />
um diese schwierige Aufgabe erfüllen zu können.<br />
Düsseldorf-<strong>Wittl</strong>aer, Oktober 2002<br />
Inge Elsäßer<br />
10
Dankesworte und Zielsetzung<br />
dieses Buches<br />
1997 begannen wir mit unserer Studie über Adoptiveltern eines<br />
in Rumänien geborenen Kindes. Diese Studie wurde im Jahr<br />
2000 intensiv fortgeführt. Das Interesse der Eltern an der ersten<br />
und an der zweiten, viel umfangreicheren Studie teilzunehmen,<br />
war groß. Einige Ehepaare meldeten sich sogar spontan<br />
an. Für die Durchführenden dieser Studie war das sehr motivierend.<br />
Unser Dank gilt deshalb an erster Stelle den mitwirkenden<br />
Adoptiveltern. Wir benötigen im Durchschnitt zwischen<br />
drei und fünf Stunden pro Familie, um alle notwendigen Informationen<br />
zu erhalten. Auch hierzu waren alle Eltern gerne bereit.<br />
Ohne die Unterstützung von 15 Studenten wäre es jedoch<br />
nicht möglich gewesen, die umfangreichen Aufgaben zu bewältigen.<br />
Studenten der Universitäten Amsterdam, Leiden, Nijmegen,<br />
Utrecht und Maastricht konnten mit der „Rumänischen<br />
Studie“ Erfahrungen in der Durchführung von Studien sammeln.<br />
Viele Doktorarbeiten, wovon eine sogar mit einem Preis ausgezeichnet<br />
wurde, sind der Beweis für den Nutzen dieser Erfahrung.<br />
Die Studenten haben dafür Sorge getragen, dass alle Untersuchungsergebnisse<br />
qualifiziert waren und von uns benutzt<br />
werden konnten. Ihr Enthusiasmus und ihr großes Interesse<br />
waren inspirierend. Wir danken ihnen ganz herzlich.<br />
Wir danken Erica Evers für die kritische Durchsicht des Manuskriptes.<br />
Wie schon bei unserem ersten Buch „Adoption rumänischer<br />
Kinder“, hat sie uns sowohl inhaltlich als auch redaktionell<br />
geholfen, die Dinge „auf den Punkt“ zu bringen. Jeanet<br />
Westenberg hat als Vorstandsmitglied der niederländischen<br />
„Landesvereinigung Adoptiveltern“ konstruktive inhaltliche und<br />
redaktionelle Beiträge geleistet. Marion Peters hat dafür gesorgt,<br />
dass die verschiedenen Aktivitäten für die Veröffentlichung erfolgreich<br />
abgeschlossen werden konnten.<br />
11
Finanziell wurde diese Untersuchung durch die niederländische<br />
„Stiftung Kind und Zukunft“ ermöglicht, die wiederholt positiv<br />
auf unsere finanziellen Anfragen reagiert hat. Außerdem haben<br />
uns die „Stiftung JANIVO“, das niederländische Justizministerium<br />
und die Gasunion finanziell unterstützt. Die Universität<br />
Utrecht bot die Basis für den Start und die Durchführung<br />
der Studie.<br />
Wir hoffen, mit dieser zweiten Publikation in Buchform Adoptiveltern,<br />
Adoptionsorganisationen, Sozialarbeitern und anderen<br />
Interessierten helfen zu können. Vor allem Adoptiveltern<br />
sehr vernachlässigter Kinder und von Kindern mit deutlichem<br />
Entwicklungsrückstand brauchen viele Informationen und Hilfe.<br />
Neben wissenschaftlichen Aspekten besteht darin das wichtigste<br />
Ziel der „Rumänischen Studie“.<br />
Wir hoffen, in einigen Jahren mit der dritten Phase dieser Studie<br />
beginnen zu können. Die Kinder befinden sich dann in der<br />
Adoleszenzphase, die erfahrungsgemäß turbulent sein kann.<br />
Die Absicht dieses Buches<br />
In Kapitel 1 beschreiben wir unsere Studie. Kapitel 2 und 3<br />
haben wir einigen wichtigen historischen Entwicklungen in<br />
Rumänien gewidmet, die in einem deutlichen Zusammenhang<br />
zum Abgeben der Kinder stehen. In Kapitel 4 folgen demographische<br />
Daten über Adoptionsfamilien in den Niederlanden mit<br />
einem rumänischen Kind. Die weiteren Kapitel beziehen sich<br />
auf den zweiten Teil der Studie, die sich anderthalb Jahre nach<br />
der ersten Studie mit der weiteren Entwicklung der Kinder beschäftigt.<br />
In Kapitel 5 werden die wichtigsten Ergebnisse der Child Behavior<br />
Checklist und damit die Verhaltensauffälligkeiten bei rumänischen<br />
Adoptivkindern besprochen. In den Kapiteln 6 bis 8<br />
werden einige Verhaltensstörungen behandelt, die bei Adoptiv-<br />
12
kindern besonders häufig auftreten: die Posttraumatische<br />
Stressreaktion, das Institutional Autistic Syndrome und die<br />
Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung.<br />
Wir wollten auch genauer untersuchen, wie die Eltern auf Probleme<br />
reagieren. Das ist das Thema des vorletzten Kapitels. In<br />
Kapitel 10 betrachten wir rückblickend die wichtigsten Ergebnisse<br />
und versuchen zielgerichtete Empfehlungen für Eltern und<br />
Sozialarbeiter im Bereich der Adoption zu erarbeiten.<br />
13
Wer seinen Ursprung und seine Vergangenheit nicht kennt,<br />
wird seine Gegenwart und seine Zukunft nicht verstehen.<br />
1<br />
Hintergründe,<br />
Absichten<br />
und Ziele der Studie<br />
Ende 1996 wandten sich einige Eltern mit einem Adoptivkind,<br />
das in Rumänien geboren war, an uns. Sie äußerten ihre große<br />
Sorge über die Zukunftsmöglichkeiten ihres Kindes und fragten<br />
sich, ob auch andere rumänische Kinder deutliche Verhaltensstörungen<br />
und Behinderungen hätten. Sie suchten professionelle<br />
Hilfe, konnten aber keine zufrieden stellende Unterstützung<br />
finden. Sie befassten sich deshalb selbst mit der Materie<br />
und wissen inzwischen viel über Diagnose, Ursache und zielgerichtete<br />
Maßnahmen bei Störungen. Die Frage, ob auch andere<br />
Adoptiveltern von rumänischen Kindern mit vergleichbaren<br />
Problemen zu tun haben, ließ sie nicht mehr los.<br />
Absicht und Ausführung unserer Studie<br />
Unsere Studie ist die erste in den Niederlanden, die sich mit<br />
Adoptiveltern eines rumänischen Kindes beschäftigt. In den<br />
Vereinigten Staaten und in Großbritannien gab es schon früher<br />
solche Untersuchungen.<br />
Wir haben uns auf rumänische Adoptivkinder beschränkt und<br />
uns damit für eine monographische Betrachtung entschieden.<br />
Oft handelt es sich bei Studien ausländischer Adoptivkinder um<br />
das Wohl und Wehe einer ganzen Gruppe. Solche Untersuchungen<br />
umfassen eine große Anzahl von Kindern. Nur dann können<br />
bestimmte Fragestellungen ausgearbeitet und beantwortet<br />
werden. Diese Betrachtungsweise ist unserer Meinung nach<br />
nicht unproblematisch.<br />
14
Zum einen ist eine so große Studie praktisch und finanziell nicht<br />
immer realisierbar. Wichtiger ist jedoch, dass in einer solchen<br />
Studie ausländische Adoptivkinder offenbar als eine einzige<br />
große Gruppe betrachtet werden. Der Hintergrund der Adoptivkinder<br />
und die Zusammensetzung der Familien, die sie aufnehmen,<br />
sind jedoch sehr unterschiedlich. Die Kinder kommen<br />
aus ungefähr 50 verschiedenen Ländern. Alle Kontinente, bis<br />
nach Australien, sind vertreten. Das Adoptionsalter geht von<br />
null bis über zehn Jahre. Insbesondere ist der Inhalt ihres „psychologischen<br />
Rucksacks“ äußerst unterschiedlich. Einige ausländische<br />
Adoptivkinder zeigen alle Anzeichen gravierender<br />
Vernachlässigung und sind in ihrer Entwicklung weit zurück.<br />
Andere Kinder wiederum kommen blühend und gesund in ihre<br />
Adoptivfamilie. Zwischen diesen beiden Extremen ist alles möglich.<br />
Die Familien sind auch sehr unterschiedlich. Es hat sich<br />
zum Beispiel herausgestellt, dass es für den positiven Verlauf<br />
einer Adoption einen Unterschied macht, ob die Familie bereits<br />
leibliche Kinder hat. Die Ausgliederung eines Adoptivkindes<br />
kommt bei Ehepaaren, die bereits leibliche Kinder haben, signifikant<br />
häufiger vor 1 . Die Anwesenheit leiblicher Kinder ist<br />
somit ein Risikofaktor für den positiven Verlauf einer Adoption.<br />
Wir haben uns für eine monographische Studie entschieden, um<br />
eventuelle Unterschiede, die mit dem Herkunftsland der Kinder<br />
zusammenhängen, auszuschließen. Adoptiveltern und ihre<br />
Kinder sind oft sehr an „ihrem“ Herkunftsland und den Besonderheiten,<br />
die in diesem Land den Hintergrund der Adoption<br />
darstellen, interessiert. Auch andere Wissenschaftler bevorzugen<br />
eine landesbezogene Betrachtungsweise. In diesem Zusammenhang<br />
sind die Studien über Adoptivkinder aus Thailand von<br />
Hoksbergen, Juffer und Waardenburg im Jahre 1986 und von<br />
Geerars, Hoksbergen und Rooda im Jahre 1996 zu nennen sowie<br />
die Studien über Adoptivkinder aus Griechenland von Hoksbergen,<br />
Storsbergen und Brouwer-van Dalen im Jahre 1995, über<br />
1 Hoksbergen, Spaan en Waardenburg, 1988<br />
15