Totenkirchl-Westwand, 2190 m
Totenkirchl-Westwand, 2190 m
Totenkirchl-Westwand, 2190 m
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Historische Klettertour<br />
<strong>Totenkirchl</strong>-<strong>Westwand</strong>,<br />
<strong>2190</strong> m<br />
Dülfer-Anstieg<br />
Wilder Kaiser<br />
10<br />
Das <strong>Totenkirchl</strong>, einst für unersteigbar gehalten, wurde<br />
von Gottfried Merzbacher mit dem Führer Michael<br />
Soyer am 16. 6. 1881 erstmals erstiegen (Nordseite).<br />
Heute ist das <strong>Totenkirchl</strong> mit über 40 Anstiegen und<br />
zahlreichen Varianten abgeklettert. Mit der 1. Begehung<br />
der 600 m hohen „Direkten <strong>Westwand</strong>“ 1913 rückte das<br />
<strong>Totenkirchl</strong> in den Blickpunkt der extremen Kletterer.<br />
Im Jahr zuvor, bei der Erstbegehung der Fleischbank-<br />
Ostwand mit W. Schaarschmidt, wandte Dülfer den<br />
ertüftelten Seilquergang im „Dülfersitz“ mit Erfolg an.<br />
Diese beiden Kletterfahrten gelten heute noch als „die<br />
Klassiker“ im Wilden Kaiser, wobei die <strong>Totenkirchl</strong>-<br />
Willi End im „Nasenquergang“<br />
Foto: Hermi End<br />
<br />
<strong>Totenkirchl</strong> von Norden<br />
Foto: Willi End<br />
<strong>Westwand</strong> alpiner und großzügiger ist, als die reine<br />
Kletterwand der Fleischbank.<br />
Nach großzügigen Neufahrten in den Dolomiten in<br />
Hochform versetzt, kehrte der 21jährige Dülfer im<br />
Sommer 1913 in seine „Bergheimat“ Wilder Kaiser<br />
zurück und befasste sich sogleich mit dem Problem<br />
„Kirchl-West“. Am 9. 6. 1913 seilte sich Dülfer über die<br />
<strong>Westwand</strong> ab, um die Schlüsselseillänge an der<br />
Plattentafel in Wandmitte zu erkunden. Nach einem Versuch<br />
stiegen Dülfer und Willy v. Redwitz am 26. 9. 1913<br />
in die Wand ein und erreichten nach siebeneinhalbstündiger<br />
Kletterei den Gipfel. Die Schwierigkeiten betreffend,<br />
sowie im Stil ihrer Ersteigung waren die Erstbegeher<br />
ihrer Zeit weit voraus.<br />
In den Alpen gab es wieder eine „schwierigste Wand“ –<br />
die „Direkte Kirchl-West“! Die Schlüsselstelle, den<br />
„Nasenquergang“, bewältigten sie mit dem zuvor an der<br />
Fleischbank-Ostwand erprobten „Seilquergang“ im<br />
„Schrägabseilen“. Seinerzeit wäre seine freie Begehung<br />
(VI+) nicht möglich gewesen. Jede Höchstleistung trägt<br />
allerdings den relativen Stempel ihrer Tage! Ihre Ausrüstung:<br />
zwei 40-Meter-Seile, 26 Haken und ein Steinbohrer,<br />
der aber nicht zum Einsatz kam. Daraus ist ersichtlich,<br />
dass Dülfer – obwohl Anhänger des alpinen<br />
Freikletterns – im Zweifelsfall bereit gewesen wäre, den<br />
Durchstieg mit allen verfügbaren Mitteln zu erzwingen.<br />
Dülfer zog als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg.<br />
Am 13. 6. 1915 schrieb er an seinen Vater: „Morgen<br />
gehen wir in Stellung, übermorgen am 15ten ist das<br />
Jubiläum der Fleischbank-Ostwand“. Am 15. 6. 1915<br />
starb Dülfer, 23jährig, im Wahnsinn des Krieges bei<br />
Arras an der Westfront.<br />
Hans Dülfer, einer der besten Kletterer seiner Zeit, war<br />
wegweisend für eine moderne Klettertechnik. Franz<br />
Nieberl, „der Kaiserpapst“, hob ihn hervor als „eine<br />
Klasse für sich“.<br />
Schwierigkeit: V+/A0 (VI+)<br />
Wandhöhe: 600 Hm<br />
Stützpunkt: Stripsenjochhaus, 1577 m<br />
Führerwerk: AVF Kaisergebirge-Extrem (P. Schubert),<br />
Bergverlag Rother<br />
Karte: AV-Karte Nr. 8, „Kaisergebirge“, 1:25.000<br />
Willi End
11<br />
<strong>Totenkirchl</strong>-<strong>Westwand</strong> (Dülfer-Anstieg)<br />
Foto: Willi End