BGH, Beschl. v. 20.9.2005 – 3 StR 295/05 Hauck konkret weiß ... - ZIS
BGH, Beschl. v. 20.9.2005 – 3 StR 295/05 Hauck konkret weiß ... - ZIS
BGH, Beschl. v. 20.9.2005 – 3 StR 295/05 Hauck konkret weiß ... - ZIS
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<strong>BGH</strong>, <strong>Beschl</strong>. v. <strong>20.9.20<strong>05</strong></strong> – 3 <strong>StR</strong> <strong>295</strong>/<strong>05</strong><br />
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<strong>konkret</strong> weiß, dass ihm eine Sache gehört. 24 Die de iure-<br />
Zuschreibung des Prädikats „Eigentümer“ reicht aus.<br />
V. Ergebnis: Zum Fall<br />
In unserem Fall scheint das Eigenbeherrschungs- und Eigenverwertungsinteresse<br />
des (originären) Eigentümers ebenso<br />
wenig schutzwürdig, weil dieser wegen der für einen Laien<br />
komplexen rechtlichen Bewertung eines Drogenverkaufs<br />
überhaupt nicht mehr von einem Eigentumsrecht an den Betäubungsmitteln<br />
ausgeht. Aber wie gezeigt beinhaltet das<br />
Eigentum als absolutes Recht die Möglichkeit der Sachbeherrschung,<br />
ohne dass diese Befugnis jemals betätigt werden<br />
müsste. Die bloße Aktualisierbarkeit dieser Befugnis für den<br />
originären Eigentümer reicht aus, um diese zu seinen Gunsten<br />
nach wie vor bestehende Rechtsmacht zum tauglichen Schutzobjekt<br />
der Eigentumsdelikte zu erklären. Dass er diese<br />
Macht wegen § 29 BtMG nicht umfassend, sondern nur sehr<br />
eingeschränkt ausüben kann, schmälert den strafrechtlichen<br />
Schutzumfang zugunsten seines Eigentums wie gesehen<br />
nicht.<br />
Assessor Pierre <strong>Hauck</strong>, Brighton<br />
Zu den Voraussetzungen des räuberischen Diebstahls<br />
StGB § 252<br />
Eine Person, die Lebensmittel aus einer Selbstbedienungstheke<br />
entnommen und diese noch in den Geschäftsräumen<br />
verzehrt hat und dem Hausdetektiv, der sie auf<br />
frischer Tat ertappt und festgehalten hat, durch Faustschläge<br />
und Fußtritte erhebliche Verletzungen zufügt,<br />
begeht einen räuberischen Diebstahl (Leitsatz der Red.).<br />
LG Freiburg i. Br., Urt. v. 29.6.20<strong>05</strong> – 7 NS 330 Js 5488/04<br />
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des<br />
Amtsgerichts Staufen vom 21.4.20<strong>05</strong> mit den zu Grunde<br />
liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird an das<br />
Schöffengericht Freiburg verwiesen, das auch über die Kosten<br />
des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat. Die Berufung<br />
des Angeklagten ist damit gegenstandslos.<br />
Aus den Gründen: I. Durch Urteil des Amtsgerichts Staufen<br />
vom 21.4.20<strong>05</strong> wurde der Angeklagte wegen Diebstahls und<br />
Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen<br />
zu je 25,-- Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legten<br />
sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte jeweils<br />
form- und fristgerecht Berufung ein. Während die<br />
Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel eine höhere Bestrafung<br />
forderte, erstrebte der Angeklagte einen Freispruch.<br />
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren an<br />
das zuständige Schöffengericht verwiesen.<br />
II. Mit Strafbefehl vom 24.3.2004 war dem Angeklagten<br />
vorgeworfen worden,<br />
24 Maiwald (Fn. 8), S. 93.<br />
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<strong>Hauck</strong><br />
1. am 3.2.2004 gegen 15.00 Uhr in B. in den Geschäftsräumen<br />
der Fa. N. einen Feinkostbecher Antipasti im Wert von<br />
5,-- Euro aus der Selbstbedienungstheke entnommen und in<br />
den Geschäftsräumen verzehrt zu haben, ohne die Ware anschließend<br />
an der Kasse bezahlt zu haben,<br />
2. anschließend den Ladendetektiv L., der wegen dieses Vorgangs<br />
die Polizei habe rufen wollen, mehrfach mit der Faust<br />
ins Gesicht geschlagen zu haben, wodurch dieser kurzzeitig<br />
benommen gewesen und zu Boden gefallen sei.<br />
Wie bereits vor dem Amtsgericht hat der Angeklagte auch<br />
in der Berufungshauptverhandlung diese Tatvorwürfe bestritten.<br />
Weder habe er einen Feinkostbecher an sich genommen<br />
und dessen Inhalt verzehrt, noch habe er irgendeine Tätlichkeit<br />
begangen. Vielmehr sei er freiwillig mit dem Ladendetektiv<br />
ins Büro gegangen und habe auch die Angabe seiner<br />
Personalien nicht verweigert. Das hätte im Übrigen auch<br />
keinen Sinn ergeben, denn er sei als langjähriger Kunde der<br />
Fa. N. dort bekannt gewesen. Völlig grundlos habe der Zeuge<br />
L. ihn dann angegriffen, worauf er sich dagegen gewehrt<br />
habe.<br />
Demgegenüber gab der 51 Jahre alte vereidigte Zeuge L.<br />
glaubhaft an, er habe auf Grund der installierten Videoüberwachungsanlage<br />
den Bereich der Feinkosttheke, einer Selbstbedienungseinrichtung,<br />
auf dem Monitor in seinem Büro<br />
beobachtet und dabei gesehen, dass der Angeklagte einen<br />
etwa 300g Inhalt fassenden Plastikbehälter mit gemischter<br />
Ware (Oliven und andere Antipasti) gefüllt habe. Beim Weitergehen<br />
habe der Angeklagte begonnen, diese Ware zu verzehren.<br />
Als verantwortlicher Hausdetektiv habe er deshalb<br />
sofort sein Büro verlassen und sich in den Verkaufsraum<br />
begeben, wo er nur einen Gang weiter direkt gegenüber vom<br />
Angeklagten gestanden und diesen beobachtet habe. Der<br />
Angeklagte habe den Inhalt des Plastikbehälters vollständig<br />
verzehrt und dann das leere Gefäß im Haushaltsmittelgang in<br />
ein Fach gelegt. Anschließend sei der Angeklagte durch die<br />
Kassenzone in den Vorraum des Ladens gegangen, wobei er<br />
mit den Worten „ich habe nichts“ seine leeren Hände demonstrativ<br />
hoch gehalten habe.<br />
Er selbst sei dem Angeklagten unmittelbar gefolgt, habe<br />
ihm im Vorraum der Kassen seinen Ausweis gezeigt und ihn<br />
ins Büro gebeten, ohne dass der Angeklagte erkennbar darauf<br />
reagiert habe. Deshalb habe er ihn ein zweites Mal angesprochen<br />
mit den Worten, er möge mitkommen ins Büro, da man<br />
etwas zu klären habe. Der Angeklagte habe zunächst erwidert,<br />
er wisse nicht, was das solle, sei aber nach einigem<br />
Zögern dann doch mit ins Büro gekommen. Im Büro habe er<br />
den Angeklagten auf die Nichtbezahlung des Feinkostbechers<br />
angesprochen, was der Angeklagte mit den Worten bestritten<br />
habe, er – der Zeuge – solle keinen Blödsinn reden, und außerdem<br />
habe er keine Beweise. Nunmehr habe der Zeuge sich<br />
angeschickt, telefonisch die Polizei herbeizurufen. Daraufhin<br />
habe sich der Angeklagte zur Tür begeben, die nach innen zu<br />
öffnen gewesen sei. Um zu verhindern, dass der Angeklagte<br />
sich entferne, habe er diesen am Arm gefasst und ihm gesagt,<br />
dass er vorläufig festgenommen sei, wobei er sich auf § 127<br />
StPO berufen habe. Der Angeklagte habe gelacht und geantwortet,<br />
das könne er nicht. Obwohl er – der Zeuge – seinen<br />
Fuß von innen gegen die Tür gestellt habe, sei es dem deut-<br />
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<strong>ZIS</strong> 1/2006
LG Freiburg i.Br., Urt. v. 29.6.20<strong>05</strong> – 7 NS 330 Js 5488/04<br />
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Marlie<br />
lich kräftigeren Angeklagten gelungen, diese zu öffnen und<br />
hinauszugehen. Der Zeuge habe den Angeklagten jedoch<br />
nicht losgelassen, so dass dieser ihn mit nach draußen gezogen<br />
und dort vergeblich versucht habe, ihn abzuschütteln.<br />
Als der Zeuge den Angeklagten weiter festgehalten und<br />
der Zeugin M. an der Käsetheke zugerufen habe, sie solle den<br />
Chef rufen, habe der Angeklagte sich umgedreht, ihm einen<br />
Tritt gegen das rechte Schienbein versetzt und begonnen, mit<br />
der Faust auf ihn einzuschlagen. Er – der Zeuge – sei zweimal<br />
am Kopf getroffen worden und zu Fall gekommen, wobei<br />
er mit dem linken Knie hart auf den Steinboden geprallt<br />
sei. Gleichwohl habe er den Angeklagten nicht losgelassen,<br />
worauf dieser ihm einen weiteren Faustschlag gegen das<br />
Kinn versetzt habe, so dass er durch die Wucht des Schlages<br />
mit dem Kopf auf den Steinboden aufgeschlagen sei und<br />
seine Brille verloren habe, die am rechten Glas beschädigt<br />
worden sei. Durch den Aufprall seines Kopfes auf den Steinboden<br />
sei er kurz benommen und zunächst zu weiteren Handlungen<br />
nicht mehr in der Lage gewesen. In diesem Moment<br />
sei ein Mitarbeiter ihm zu Hilfe gekommen, und nach einiger<br />
Zeit sei es ihnen beiden mit vereinten Kräften gelungen, den<br />
Angeklagten wieder in das Büro zu verbringen. Auch dort<br />
habe der Angeklagte noch randaliert, so dass ein Milchgefäß<br />
verschüttet und der Monitor beschmutzt worden sei.<br />
Etwa 15 Minuten später habe er sich übergeben müssen,<br />
und eine Stunde später sei er zu seinem Hausarzt gegangen,<br />
der folgende Verletzungen festgestellt habe: Verdacht auf<br />
Gehirnerschütterung, Prellungen am Kopf im Bereich der<br />
linken Schläfe und des Hinterhaupts, Prellung des Gesichts<br />
im Bereich des linken Jochbeins, Prellung des Os Sacrum<br />
und des rechten Schienbeines sowie Schürfverletzung und<br />
Bluterguss an der linken Schläfe. Bis zum 14.2.2004 sei er<br />
arbeitsunfähig gewesen. Erst einige Tage später seien<br />
Schmerzen im linken Knie aufgetreten, die so stark geworden<br />
seien, dass er jetzt nicht mehr Ski laufen könne und auch das<br />
Tennisspielen habe aufgeben müssen. Da die Schmerzen<br />
auch heute noch andauerten, habe sein Arzt ihm empfohlen,<br />
sich am Knie operieren zu lassen, da von einem größeren<br />
Schaden auszugehen sei. Er werde sich diesbezüglich noch<br />
mit einem Facharzt beraten, da nach ersten Informationen<br />
nicht ausgeschlossen werden könne, dass selbst eine Operation<br />
keine Verbesserung dieses Schadens bewirke. Nachdem er<br />
bis zu diesem Vorfall rund 17 Jahre lang als Ladendetektiv<br />
gearbeitet habe, habe er nun als Folge dieser Knieverletzung<br />
eine neue Tätigkeit als Kurierfahrer aufnehmen müssen, da er<br />
z.B. nicht mehr in der Lage sei, einem flüchtenden Ladendieb<br />
hinterherzulaufen.<br />
Der gleichfalls vereidigte Zeuge PHM K. berichtete<br />
glaubhaft, er sei mit seinem Kollegen PHK H. zur Fa. N.<br />
gekommen, da ihnen telefonisch gemeldet worden sei, ein<br />
renitenter Ladendieb werde festgehalten. Man habe die Beteiligten<br />
angehört, und entweder der Ladendetektiv oder der<br />
Geschäftsführer habe ihnen das leere Plastikgefäß gezeigt,<br />
dessen Inhalt im Wert von etwa 5,-- Euro der Angeklagte<br />
verzehrt haben solle. Auch habe der Detektiv über Kopfschmerzen<br />
geklagt.<br />
III. Bei dieser Sachlage ist nicht auszuschließen, dass sich<br />
der Angeklagte eines räuberischen Diebstahls nach § 252<br />
StGB und einer schweren Körperverletzung nach § 226 StGB<br />
strafbar gemacht haben könnte. Bei vorläufiger Bewertung<br />
der bisher erhobenen Beweise drängt sich auf, dass der Angeklagte<br />
Gewalt verübt hat, um sich im Besitz des gestohlenen<br />
Gutes zu erhalten.<br />
Zunächst hat der Angeklagte den Tatbestand des Diebstahls<br />
dadurch erfüllt, dass er die Feinkostartikel an sich<br />
genommen und sie sich unmittelbar darauf einverleibt hat,<br />
ohne den entsprechenden Preis von etwa 5,-- Euro zu bezahlen.<br />
Schon das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass<br />
derjenige, der in einem Selbstbedienungsladen eine Flasche<br />
öffne und daraus trinke, den Gewahrsam an dem Getränk<br />
deshalb inne habe, weil in dem Augenblick des Trinkens der<br />
Inhaber des Ladens von dem Gewahrsam an dem im Mund<br />
des Täters befindlichen Teil des Getränks ausgeschlossen<br />
werde, da es in diesem Augenblick nach der Lebensauffassung<br />
eindeutig der Herrschaftssphäre des Täters zuzuordnen<br />
sei (NJW 1986, 392). Für den vorliegenden Fall gilt nichts<br />
anderes, so dass der Diebstahl der Feinkostartikel vollendet<br />
war, als der Angeklagte das leer gegessene Plastikgefäß in<br />
ein Regal stellte und den Ladenbereich verließ, ohne zu bezahlen.<br />
Ebenso unstreitig ist, dass der Angeklagte auf frischer Tat<br />
betroffen gegen den Ladendetektiv Gewalt verübt hat.<br />
Zur Überzeugung der Kammer hat der Angeklagte auch in<br />
Besitzerhaltungsabsicht gehandelt, was heißt, dass seine<br />
Gewaltanwendung zum Ziel hatte, sich den Besitz des gestohlenen<br />
Gutes zu erhalten (vgl. Schönke-Schröder StGB<br />
26. Aufl. § 252 Rn 7). Ein auf frischer Tat betroffener Dieb,<br />
der die entwendete Sache noch bei sich hat, diese Sache behalten<br />
will und deshalb Gewalt anwendet, macht sich des<br />
räuberischen Diebstahls nach § 252 StGB strafbar, selbst<br />
wenn er anschließend überwältigt wird und die entwendete<br />
Sache ihm wieder abgenommen werden kann. Der vorliegende<br />
Fall weist nun die Besonderheit auf, dass der Angeklagte<br />
die entwendete Sache nicht nur behalten wollte, sondern sie<br />
bereits endgültig behalten hat, indem er sie sich einverleibt<br />
hat. Selbst wenn er anschließend überwältigt wird, kann ihm<br />
die entwendete Sache nicht mehr ohne weiteres abgenommen<br />
werden – zumindest nicht ohne einen medizinischen Eingriff.<br />
Damit hat der Angeklagte bereits wie ein Eigentümer über<br />
die entwendete Sache verfügt und sie durch den Vorgang des<br />
Verzehrens – aus der Sicht des geschädigten Eigentümers –<br />
unwiederbringlich zerstört; aus der Sicht des Angeklagten<br />
jedoch nutzbringend verwertet, da er ein Hungergefühl gestillt<br />
oder zumindest ein Lustbedürfnis befriedigt hat. Im<br />
Vergleich zu einem räuberischen Dieb, dem die entwendete<br />
Sache alsbald wieder abgenommen und an den Eigentümer<br />
zurückgegeben werden kann, hat der Angeklagte deshalb ein<br />
„mehr“ an strafwürdigem Unrecht verwirklicht, da in seinem<br />
Fall die entwendete Sache dem Eigentümer gerade nicht<br />
mehr zurückgegeben werden kann.<br />
Wenn also im ersten Fall der Tatbestand des räuberischen<br />
Diebstahls erfüllt ist, dann muss dies zur Überzeugung der<br />
Kammer erst recht für den vorliegenden Fall gelten, in welchem<br />
der Angeklagte durch die rasche Verwertung des Diebesguts<br />
durch Verzehr den von ihm durch die Tat angestrebten<br />
Nutzen vollumfänglich erlangt hat. Die durch den Ver-<br />
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Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik<br />
41
LG Freiburg i.Br., Urt. v. 29.6.20<strong>05</strong> – 7 NS 330 Js 5488/04<br />
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zehr der Feinkostartikel bewirkte Verbesserung seines körperlichen<br />
Befindens wollte sich der Angeklagte durch die<br />
Gewaltanwendung auch erhalten, denn es lag nicht ganz<br />
außerhalb jeglicher Möglichkeit, den bestreitenden Angeklagten<br />
durch die Verabreichung eines Brechmittels zur<br />
Preisgabe seines Mageninhalts zu bewegen und ihn durch die<br />
Untersuchung desselben eines kurz zuvor erfolgten Verzehrs<br />
von Oliven u. ä. zu überführen. Ein solcher Sachbeweis wäre<br />
durchaus geeignet gewesen, die zeugenschaftlichen Bekundungen<br />
des Ladendetektivs über den Verzehrvorgang und die<br />
des Polizeibeamten über das Auffinden des leeren Feinkostbehälters<br />
am angegebenen Ort nicht unerheblich zu untermauern.<br />
Diese Bewertung durch die Kammer wird auch durch die<br />
eigene Einlassung des Angeklagten insoweit gestützt, als<br />
dieser ausdrücklich darauf hingewiesen hat, die Nichtangabe<br />
seiner Personalien wäre zwecklos gewesen, da er als langjähriger<br />
Kunde des N.-Marktes bekannt und daher leicht zu<br />
ermitteln gewesen sei. Auch daraus hat die Kammer zusätzlich<br />
den Schluss gezogen, dass die Gewaltanwendung gerade<br />
nicht dazu gedient hat, die Feststellung seiner Person zu verhindern<br />
(vgl. dazu den ähnlich gelagerten Fall des OLG Köln<br />
NJW 1967, 739 mit Anm. Schröder in NJW 1967, 1335).<br />
Im Übrigen ist nicht auszuschließen – was unter Umständen<br />
näherer Prüfung und Darlegung durch einen rechtsmedizinischen<br />
Sachverständigen bedarf –, dass der Angeklagte<br />
durch seine erhebliche und nachhaltige Gewaltanwendung<br />
gegen den Ladendetektiv eine schwere Körperverletzung im<br />
Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen haben könnte,<br />
wenn festgestellt werden sollte, dass der Zeuge L. sein linkes<br />
Kniegelenk auf Dauer nur noch äußerst eingeschränkt<br />
gebrauchen könnte.<br />
IV. Bei den Vorschriften der §§ 252, 226 StGB handelt es<br />
sich jeweils um Verbrechen, für die gemäß §§ 28, 25 GVG<br />
das Schöffengericht ausschließlich zuständig ist, selbst wenn<br />
die Voraussetzungen für die Annahme eines minder schweren<br />
Falles nach § 249 Abs. 2 bzw. § 226 Abs. 3 StGB vorgelegen<br />
haben sollten. Daran vermag auch der Umstand nichts zu<br />
ändern, dass die Staatsanwaltschaft unter dem 12.3.2004<br />
wegen des Tatgeschehens einen Strafbefehl bei dem Strafrichter<br />
beantragt und dieser den Strafbefehl auch erlassen<br />
hatte. Vielmehr war gemäß § 328 Abs. 2 StPO das angefochtene<br />
Urteil aufzuheben und die Sache an das ausschließlich<br />
zuständige Schöffengericht F. zu verweisen. Dieses wird<br />
auch über die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die<br />
notwendigen Auslagen des Angeklagten zu entscheiden haben<br />
(vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 464 Rn 3).<br />
Anmerkung: Vorliegender Sachverhalt ist eindrucksvoller<br />
Beleg für das tatsächliche und juristische Eskalationspotential<br />
eines geringfügigen Anlasses. Ausgangspunkt war ein einfacher<br />
Diebstahl einer geringwertigen Sache 1 – es ging um<br />
1 Vorliegend ist die Sache nicht nur nach natürlichem Verständnis<br />
geringwertig, sondern sogar juristisch i.S.v. § 248a<br />
StGB. Die Grenze dieser Geringwertigkeit ist zwar umstritten<br />
(vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommen-<br />
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Marlie<br />
Antipasti im Wert von 5 Euro – in einem Supermarkt. Dieser<br />
Anlass eskalierte zunächst in tatsächlicher Hinsicht dahingehend,<br />
dass als Folge des weiteren Geschehens auf Seiten des<br />
Ladendetektivs nunmehr eine erhebliche und unter Umständen<br />
dauerhafte Verletzung des Knies in Rede steht. Zu Recht<br />
hat das LG insoweit die Verurteilung des Angeklagten wegen<br />
einfacher Körperverletzung aufgehoben und auf die Möglichkeit<br />
einer Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung<br />
gem. § 226 StGB hingewiesen.<br />
Von einer Eskalation kann jedoch auch in juristischer<br />
Hinsicht gesprochen werden. Denn das LG hat angesichts der<br />
Gewaltanwendung des Angeklagten auch die Verurteilung<br />
wegen Diebstahls aufgehoben und sieht vielmehr ein weiteres<br />
Verbrechen – und zwar in Form eines räuberischen Diebstahls<br />
gem. § 252 StGB – verwirklicht. Die Begründung<br />
dieser Annahme vermag jedoch in keiner Hinsicht zu überzeugen:<br />
I. Diebstahl gem. § 242 StGB<br />
Zutreffend und nicht weiter überraschend ist, dass das LG im<br />
Verzehr der Antipasti innerhalb der Geschäftsräume zunächst<br />
einen vollendeten Diebstahl gem. § 242 StGB gesehen hat.<br />
Denn bereits mit dem Verzehr hat der Angeklagte die Sachherrschaft<br />
des Geschäftsinhabers an den Antipasti aufgehoben<br />
und eigene Sachherrschaft begründet. 2 Spätestens zu<br />
diesem Zeitpunkt wurden die Antipasti aber auch in eine dem<br />
Angeklagten sozial normativ zuzuordnende Sphäre (sog.<br />
Gewahrsamsenklave) verbracht. 3 Folglich hat der Angeklagte<br />
nach allen Gewahrsamsbegriffen bereits mit dem Verzehr den<br />
ursprünglichen Gewahrsam an den fremden Antipasti aufgehoben<br />
und eigenen Gewahrsam begründet, in der Absicht,<br />
sich diese rechtswidrig zuzueignen.<br />
Bedenken gegenüber der Annahme eines Diebstahls<br />
durch Verzehr von Lebensmitteln in einem Supermarkt könnten<br />
allenfalls in einer leicht abgewandelten Konstellation<br />
entstehen. Zur Veranschaulichung folgender<br />
Beispielsfall: Kunde K nimmt sich im Supermarkt eine<br />
Flasche Cola und stellt sich mit dieser an der Kasse an,<br />
um sie dort zu bezahlen. Da K großen Durst hat, trinkt er<br />
schon während der Wartezeit beim Anstehen die Hälfte<br />
der Cola. Als er an der Reihe ist, zeigt er die halb leere<br />
Flasche vor und bezahlt.<br />
tar, 26. Aufl. 2001, § 248a Rn. 10 [für 25 Euro]; Tröndle/Fischer,<br />
Strafgesetzbuch, 53. Aufl. 20<strong>05</strong>, § 248a Rn. 3 [für<br />
30 Euro] und OLG Zweibrücken NStZ 2000, 536 [für 50<br />
Euro]), bei 5 Euro jedoch unstreitig eingehalten.<br />
2 Zu den Voraussetzungen des sog. faktischen Gewahrsamsbegriffes<br />
vgl. Eser (Fn. 1), § 242 Rn. 23 ff.<br />
3 Zum sozial-normativen Gewahrsamsbegriff Gössel, ZStW<br />
85 (1973), 591 (636 ff.); vgl. auch Hoyer, in: Systematischer<br />
Kommentar zum Strafgesetzbuch, 6. Aufl., 47. Lieferung,<br />
Stand: Februar 1999, § 242 Rn. 27 ff., der Gewahrsam allerdings<br />
als Eingliederung der Sache in ein Nutzungsreservat<br />
versteht, § 242 Rn. 32 ff.<br />
42<br />
<strong>ZIS</strong> 1/2006
LG Freiburg i.Br., Urt. v. 29.6.20<strong>05</strong> – 7 NS 330 Js 5488/04<br />
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Auch jene, deren Rechtsgefühl sich sträubt, dieses grds.<br />
harmlos erscheinende Alltagsverhalten als Diebstahl zu bewerten,<br />
müssen sich dogmatisch eines Besseren belehren<br />
lassen. Mangels tatsächlicher Zustimmung (i.S.e. tatbestandsausschließenden<br />
Einverständnisses) des ursprünglichen<br />
Gewahrsamsinhabers könnte der Verwirklichung des § 242<br />
StGB allenfalls eine mutmaßliche Disposition des Gewahrsamsinhabers<br />
entgegenstehen. Einer mutmaßlichen Zustimmung<br />
kann als sog. mutmaßliche Einwilligung grds. rechtfertigende<br />
Wirkung zukommen. 4 Voraussetzung dafür wäre,<br />
dass ein hypothetischer Wille ermittelt werden kann, nach<br />
dem der Rechtsgutsinhaber eingewilligt hätte, weil der Eingriff<br />
in seinem Interesse lag, oder es an einem dem Eingriff<br />
entgegenstehenden Interesse des Rechtsgutsinhabers mangelt.<br />
5 Die erste Fallgruppe (Eingriff im Interesse des Rechtsgutsinhabers)<br />
kommt vorliegend nicht in Betracht, so dass<br />
allenfalls über eine mutmaßliche Einwilligung kraft mangelnden<br />
Interesses nachgedacht werden könnte. Unabhängig<br />
von der umstrittenen Frage nach der Anerkennung dieser<br />
Fallgruppe 6 wird man jedoch schon nicht behaupten können,<br />
dass deren Voraussetzungen hier erfüllt seien. Denn schon<br />
angesichts der Möglichkeit, dass der Kunde sich nach dem<br />
Verzehr doch gegen das Bezahlen entscheiden könnte, wird<br />
man – selbst bei zunächst bestehender Zahlungswilligkeit –<br />
nicht behaupten können, der Geschäftsinhaber habe vermutlich<br />
kein dem Verzehr entgegenstehendes Interesse. Dies gilt<br />
umso mehr, als ein Geschäftsinhaber ferner Beweisinteressen<br />
an der Mangelfreiheit seiner Produkte hat und es nach dem<br />
Verzehr zu Abwicklungsschwierigkeiten kommt, wenn der<br />
Kunde z.B. an der Kasse merkt, dass er kein bzw. nicht genug<br />
Geld dabei hat. Selbst in dieser abgewandelten Fallkonstellation<br />
wäre also ein Diebstahl verwirklicht 7 , folglich bestehen<br />
in dieser Hinsicht bezüglich des vorliegenden Falles – in dem<br />
der Angeklagte die Ware nicht einmal bezahlen wollte – erst<br />
recht keine Bedenken.<br />
II. Räuberischer Diebstahl gem. § 252 StGB<br />
Sehr fraglich ist jedoch, ob aus diesem Diebstahl durch die<br />
Gewaltanwendung des Angeklagten tatsächlich ein räuberischer<br />
Diebstahl wurde.<br />
4 Zu der Frage, weshalb ein „mutmaßliches Einverständnis“<br />
nach h.M. nicht bereits den Tatbestand ausschließen kann<br />
vgl. Marlie, JA 2006 (erscheint demnächst).<br />
5 Vgl. Kühl, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 20<strong>05</strong>, § 9<br />
Rn. 46. Umfassend zu Voraussetzungen und Prinzipien der<br />
mutmaßlichen Einwilligung Roxin, Strafrecht, Allgemeiner<br />
Teil, Band I, 3. Aufl. 1997, § 18 Rn. 3 ff.<br />
6 Vgl. dazu Roxin (Fn. 5), § 18 Rn. 15 ff.<br />
7 Straflosigkeit könnte sich für den Kunden, der die verzehrte<br />
Ware bezahlen will, allenfalls aus einem Irrtum ergeben.<br />
Sollte die Vorstellung bestehen, der Rechtsgutsinhaber sei<br />
mit dem Verzehr einverstanden, läge ein Irrtum i.S.v. § 16<br />
StGB vor. Denkbar wäre auch das Vorliegen eines Irrtums<br />
über rechtfertigende Umstände, wenn der Kunde sich Umstände<br />
vorgestellt haben sollte, nach denen ein mangelndes<br />
Interesse gegen den Eingriff gemutmaßt werden könnte.<br />
1. Bei einem Diebstahl<br />
_____________________________________________________________________________________<br />
Marlie<br />
Schon der objektive Tatbestand des § 252 StGB verlangt<br />
nämlich, dass neben dem – insoweit durch die Faustschläge<br />
und Tritte unstreitig gegebenen – Merkmal der Gewalt gegen<br />
eine Person, der Täter bei der Vornahme dieser Gewalt „bei<br />
einem Diebstahl“ auf frischer Tat betroffen ist. Dieses<br />
Merkmal schränkt jedoch nicht nur den sachlichen Anwendungsbereich<br />
des § 252 StGB auf einen Diebstahl als Vortat,<br />
sondern insbesondere auch den möglichen Zeitraum für die<br />
tatbestandsmäßige Vornahme der Gewalthandlung ein. 8<br />
Die Reichweite dieser zeitlichen Einschränkung wird allerdings<br />
unterschiedlich bewertet.<br />
a. Materielle Beendigung als zeitliche Grenze des § 252<br />
Nach ganz herrschender Meinung befindet sich der Täter „bei<br />
einem Diebstahl“, wenn die Vortat objektiv vollendet 9 , aber<br />
noch nicht beendet ist 10 .<br />
Wenn aber nach der Rechtsprechung und der herrschenden<br />
Meinung in der Literatur die Beendigung der Vortat den<br />
letztmöglichen Zeitpunkt zur Vornahme der Tathandlung des<br />
§ 252 StGB darstellt 11 , so stellt sich die Frage, ob in dem<br />
vom LG Freiburg zu beurteilenden Sachverhalt die Verwirklichung<br />
eines räuberischen Diebstahls durch die Schläge und<br />
Tritte gegen den Ladendetektiv überhaupt noch möglich war.<br />
Denn der Diebstahl an den Antipasti könnte – was das LG<br />
offensichtlich übersehen und deshalb nicht erörtert hat – zu<br />
diesem Zeitpunkt bereits beendet gewesen sein.<br />
Zur inhaltlichen Präzisierung der Beendigung finden sich<br />
in Rechtsprechung und Literatur leider nur vage Aussagen. 12<br />
Der <strong>BGH</strong> verlangt einen faktischen Abschluss der Tat, der<br />
erreicht sei, wenn die Sachherrschaft des Täters wenigstens<br />
einigermaßen gesichert erscheine 13 , bzw. wenn der Täter den<br />
Gewahrsam an der Beute gefestigt und gesichert habe, was<br />
nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen sei 14 . An<br />
anderer Stelle wird in Rechtsprechung und Literatur zum Teil<br />
hinzugefügt, dass das Stadium der Beendigung grds. dann<br />
eintrete, wenn das Tatgeschehen seinen tatsächlichen Abschluss<br />
gefunden habe, insbesondere also etwaige mit der Tat<br />
8 Vgl. Günther, in: Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch,<br />
5. Aufl., 43. Lieferung, Stand: April 1998, § 252<br />
Rn. 5.<br />
9 <strong>BGH</strong>St 28, 224 (226); Eser (Fn. 1), § 252 Rn. 3; Günther<br />
(Fn. 8), § 252 Rn. 6. Nach einer in der Literatur zum Teil<br />
vertretenen Ansicht soll ausnahmsweise auch eine versuchte<br />
Vortat ausreichen, wenn der Täter hierdurch Gewahrsam<br />
erlangt hat, vgl. Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, Kommentar,<br />
25. Aufl. 2004, § 252 Rn. 3 m.w.N.<br />
10 <strong>BGH</strong>St 28, 224 (229); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar<br />
Strafgesetzbuch Band 2, 2. Aufl. 20<strong>05</strong>, § 252 Rn. 12; Tröndle/Fischer<br />
(Fn. 1), § 252 Rn. 4; Günther (Fn. 8), § 252 Rn. 6;<br />
Eser (Fn. 1), § 252 Rn. 3.<br />
11 <strong>BGH</strong> JR 1988, 425; Tröndle/Fischer (Fn. 1), § 252 Rn. 4;<br />
Kratzsch, JR 1988, 397 (400).<br />
12 Einen Überblick über die wechselhaften Kriterien der<br />
Rechtsprechung gibt Kratzsch, JR 1988, 397 (397 f.).<br />
13 <strong>BGH</strong> GA 1969, 347.<br />
14 <strong>BGH</strong> JZ 1988, 471.<br />
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik<br />
43
LG Freiburg i.Br., Urt. v. 29.6.20<strong>05</strong> – 7 NS 330 Js 5488/04<br />
_____________________________________________________________________________________<br />
verknüpfte Absichten realisiert worden sind. 15 Auf der anderen<br />
Seite trete Beendigung bereits dann ein, wenn eine weitere<br />
Rechtsgutsbeeinträchtigung ausgeschlossen ist. 16<br />
An dem erforderlichen gesicherten Gewahrsam soll es<br />
fehlen, solange sich der Täter noch dem gesteigerten Risiko<br />
der Entdeckung und des Gewahrsamsverlusts ausgesetzt<br />
sieht. 17<br />
Ungeachtet dieser unpräzisen Vorgaben wird sich jedoch<br />
im vorliegenden Fall nicht bestreiten lassen, dass der Angeklagte<br />
mit dem Verzehr der Antipasti bereits einen hinreichend<br />
gesicherten Gewahrsam begründet hat. Denn ein Entzug<br />
der Sachherrschaft war schon ab diesem Zeitpunkt kaum<br />
mehr denkbar. Dabei liegt der – auf den ersten Blick ungewöhnlich<br />
anmutende – Umstand, dass dieser Zeitpunkt hier<br />
ausnahmsweise schon vor Verlassen des Herrschaftsbereichs<br />
des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers erreicht wird,<br />
schlicht in der besonderen Konstellation des Verzehrs der<br />
weggenommenen Sache begründet. Und auch wenn das LG<br />
die Möglichkeit eines Brechtmitteleinsatzes als Beweismittel<br />
gegen den leugnenden Angeklagten als „nicht ganz außerhalb<br />
jeglicher Möglichkeit“ liegend erachtet, wird man in dieser<br />
doch eher fern liegenden Option kaum ein derartig gesteigertes<br />
Risiko des Gewahrsamsverlustes sehen können, wie es zur<br />
Hinderung der Beendigung erforderlich wäre.<br />
Gleiches gilt für eine gesteigerte Gefahr der Entdeckung,<br />
die nach dem Verzehr in casu ebenfalls nicht mehr gegeben<br />
ist. Auch diesbezüglich kann angesichts der Besonderheit des<br />
Einzelfalles einer materiellen Beendigung der Tat nicht mit<br />
dem pauschalen Argument widersprochen werden, der Angeklagte<br />
habe mit seiner Beute noch nicht den Tatort verlassen.<br />
18<br />
Dazu kommen zwei weitere Aspekte, die nach den oben<br />
genannten Kriterien maßgeblich für eine Beendigung sprechen.<br />
So führt nämlich zum einen schon der Verzehr der<br />
Antipasti zur Realisierung der Zueignungsabsicht des Diebstahlstatbestandes.<br />
19 Und darüber hinaus ist ab diesem Zeitpunkt<br />
auch eine weitere Rechtsgutsbeeinträchtigung ausgeschlossen.<br />
Diesen Umstand erkennt auch das LG, wenn es –<br />
wenngleich in völlig anderem Zusammenhang und ohne auch<br />
15 Rudolphi, in: Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch,<br />
6. Aufl., 20. Lieferung, Stand: April 1993, Vor § 22<br />
Rn. 7.<br />
16 Eser (Fn. 1), Vorbem. § 22 Rn. 4.<br />
17 Günther (Fn. 8), § 252 Rn. 7.<br />
18 Im <strong>konkret</strong>en Fall verbietet sich das Abstellen auf eine<br />
gesteigerte Entdeckungsgefahr schon deshalb, weil der Täter<br />
bereits bei der Vollendung beobachtet wurde. Wenn aber eine<br />
Beobachtung per se nicht einmal die Vollendung der Tat<br />
hindert (ganz h.M., vgl. Lackner/Kühl [Fn. 9], § 242 Rn. 16<br />
m.w.N; a.A. Eser [Fn. 1], § 242 Rn. 40), so gilt dies erst recht<br />
für die Beendigung. Sinnvolles Kriterium im Rahmen der<br />
Beendigung kann vielmehr nur die Gefahr des Gewahrsamsverlustes<br />
sein, für die eine (gesteigerte) Entdeckungsgefahr<br />
allenfalls ein – in casu widerlegtes – Indiz darstellt.<br />
19 Zur Zueignung durch Verzehr vgl. Hoyer (Fn. 3), § 246<br />
Rn. 17 m.w.N.<br />
_____________________________________________________________________________________<br />
Marlie<br />
nur über eine Beendigung nachzudenken 20 – ausführt, dass<br />
der „Angeklagte bereits wie ein Eigentümer über die entwendete<br />
Sache verfügt und sie durch den Vorgang des Verzehrens<br />
– aus der Sicht des geschädigten Eigentümers – unwiederbringlich<br />
zerstört“ habe. Wie unter diesen Gegebenheiten<br />
das von § 242 StGB geschützte Eigentum an den Antipasti<br />
nach deren Verzehr noch weiter beeinträchtigt werden könnte,<br />
ist nicht ersichtlich.<br />
Da folglich bereits mit dem Verzehr der Diebstahl an den<br />
Antipasti beendet war, kommt auf dem Boden der herrschenden<br />
Meinung eine Bestrafung des Angeklagten aus § 252<br />
StGB wegen der später vorgenommenen Faustschläge und<br />
Tritte nicht mehr in Betracht.<br />
b. Frische der Tat als zeitliche Grenze des § 252 StGB<br />
Allerdings wird demgegenüber vereinzelt vertreten, die materielle<br />
Beendigung der Tat schließe dann einen räuberischen<br />
Diebstahl gem. § 252 StGB nicht aus, wenn gleichwohl eine<br />
„frische“ Tat vorliege. Es seien Fälle denkbar, in denen trotz<br />
Beendigung die Tat aufgrund sehr engen räumlich-zeitlichen<br />
Zusammenhanges noch frisch sein könne, was wiederum eine<br />
Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 252 sachlich<br />
begründe. 21<br />
Voraussetzung für eine „frische Tat“ ist nach allgemeiner<br />
Ansicht ein enger räumlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen<br />
dem vollendeten Diebstahl und dem Betroffenwerden<br />
des Täters. 22 Es genügt also bereits ein Betreffen in unmittelbarer<br />
Tatortnähe alsbald nach Vollendung der Wegnahme. 23<br />
Da der Angeklagte vorliegend nicht erst im Zeitpunkt der<br />
Gewaltanwendung nach Vollendung der Tat durch den Verzehr<br />
der Antipasti, sondern sogar schon während der Vollendung<br />
durch den Ladendetektiv beobachtet wurde, wurde er<br />
auf Grundlage dieser Ansicht auch „bei einem Diebstahl“ auf<br />
frischer Tat betroffen. 24<br />
Obwohl diese Sichtweise bisher in Rechtsprechung und<br />
Literatur nicht viele Anhänger hat finden können, spricht<br />
einiges für sie. Gössel begründet seine Auffassung mit dem<br />
Wortlaut. „Bei einem Diebstahl“ könne nicht die sich aufdrängende<br />
Bedeutung „während“ eines Diebstahls haben, da<br />
es zu diesem Zeitpunkt noch keine Beute gebe, deren Besitz<br />
der Täter sich durch die Nötigungsmittel erhalten wollen<br />
müsse. Damit könne „bei einem Diebstahl“ aber nur als<br />
„nach einem Diebstahl“ verstanden werden. Dieser Zeitraum<br />
20 Das LG trifft diese Aussage im Rahmen der Besitzerhaltungsabsicht.<br />
Dazu und zu den unzutreffenden Schlussfolgerungen<br />
aus dieser Erkenntnis unten (2.).<br />
21 Lackner/Kühl (Fn. 9), § 252 Rn. 4; Gössel, Strafrecht,<br />
Besonderer Teil, Band II, 1996, § 15 Rn. 13 ff.<br />
22 Gössel (Fn. 21), § 15 Rn. 14.<br />
23 <strong>BGH</strong>St 28, 224 (229); Herdegen, in: StGB, Leipziger<br />
Kommentar, 11. Aufl. 2002, § 252 Rn. 14 m.w.N.<br />
24 Da der Detektiv den Täter hier tatsächlich wahrgenommen<br />
hat, kommt es auf den Streit um die Voraussetzungen eines<br />
„Betreffens“ vorliegend nicht an, vgl. hierzu Kindhäuser (Fn.<br />
10), § 52 Rn. 8 ff. Ebenso ist es für ein „Betreffen“ unschädlich,<br />
dass die Wahrnehmung zunächst nur durch eine Kamera<br />
stattgefunden hat, vgl. Herdegen (Fn. 23), § 252 Rn. 11.<br />
44<br />
<strong>ZIS</strong> 1/2006
LG Freiburg i.Br., Urt. v. 29.6.20<strong>05</strong> – 7 NS 330 Js 5488/04<br />
_____________________________________________________________________________________<br />
könne jedoch – mangels gesetzlicher Bestimmtheit i.S.v. Art.<br />
103 Abs. 2 GG – nicht über den Begriff der „Beendigung“,<br />
sondern nur unter zusätzlicher Berücksichtigung des Merkmals<br />
der „Tatfrische“ ausgemacht werden. 25 Neben der Unbestimmtheit<br />
des Begriffs der Beendigung überzeugt diese<br />
Feststellung auch in Anbetracht der Formulierung des Tatbestandes<br />
von § 252 StGB. Denn wenn der Gesetzgeber verlangt,<br />
der Täter müsse „auf frischer Tat betroffen“ sein, hat er<br />
mit diesem Kriterium explizit die zeitlichen Grenzen einer<br />
möglichen Tatbestandsverwirklichung regeln wollen. Wer<br />
darüber hinaus weitere zeitliche Einschränkungen in das<br />
Merkmal „bei einem Diebstahl“ hineininterpretieren will,<br />
verkennt nicht nur den Zusammenhang dieser Formulierung<br />
mit dem nachfolgenden Satzteil „auf frischer Tat betroffen“<br />
26 . Vielmehr wird schon nicht plausibel gemacht, weshalb<br />
es über die <strong>konkret</strong>e Grenze der Tatfrische hinaus überhaupt<br />
einer weiteren zeitlichen Eingrenzung durch das – dem<br />
Gesetzeswortlaut unbekannte – Merkmal der Beendigung<br />
bedürfen soll. Der phasenbezogenen Funktionsteilung 27 zwischen<br />
Raub und räuberischer Erpressung erwächst aus einem<br />
weiteren Merkmal jedenfalls zunächst kein ersichtlicher Vorteil.<br />
Es ließe sich allenfalls erwägen, ob nicht gerade die Besonderheiten<br />
des vorliegenden Falles das Gegenteil beweisen.<br />
Denn beim räuberischen Diebstahl dient der Einsatz des Nötigungsmittels<br />
nicht mehr der Erlangung des Gewahrsams an<br />
einer fremden Sache, sondern der Verteidigung schon erlangter<br />
Sachherrschaft. 28 Wenn demnach das besondere Unrecht<br />
des § 252 StGB daraus folgt, dass der Täter die Raubmittel zu<br />
einem Zeitpunkt einsetzt, in dem die Wegnahmehandlung<br />
zwar bereits stattgefunden hat, der Erfolg des Wegnahmeverhaltens<br />
sich jedoch noch nicht vollständig realisiert hat 29 ,<br />
könnte man argumentieren, dass das Merkmal der Tatfrische<br />
nicht hinreichend in der Lage ist, den Anwendungsbereich<br />
des räuberischen Diebstahls zu begrenzen. Schließlich sind<br />
gerade in Konstellationen des Verbrauchs der weggenommenen<br />
Sache ganz grds. Fälle denkbar, in denen sich der Erfolg<br />
des Wegnahmeverhaltens bereits realisiert hat, der Täter aber<br />
Nötigungsmittel zu einem Zeitpunkt anwendet, in dem die<br />
Tat noch frisch ist. 30<br />
25 Gössel (Fn. 21), § 15 Rn. 14. Dies gilt umso mehr, als<br />
diverse Vertreter der Gegenansicht selbst erkennen, dass es<br />
bisher nicht gelungen ist, das Merkmal der Beendigung inhaltlich<br />
präzise zu bestimmen, vgl. Herdegen (Fn. 23), § 252<br />
Rn. 6; Kindhäuser (Fn. 10), § 252 Rn. 12 f.<br />
26 Gössel (Fn. 21), § 15 Rn. 13.<br />
27 Vgl. Kratzsch, JR 1988, 397 (399).<br />
28 Herdegen (Fn. 23), § 252 Rn. 2; Lackner/Kühl (Fn. 9),<br />
§ 252 Rn. 1.<br />
29 Kratzsch, JR 1988, 397 (399 f.).<br />
30 So lässt sich etwa der Beispielsfall denken, dass der Täter<br />
sich die gestohlene Droge bereits injiziert hat (zur Möglichkeit<br />
illegal erworbener Drogen als Gegenstand von Eigentumsdelikten<br />
vgl. jüngst <strong>BGH</strong>, <strong>Beschl</strong>. v. <strong>20.9.20<strong>05</strong></strong> – 3 <strong>StR</strong><br />
<strong>295</strong>/<strong>05</strong>; in dieser Ausgabe, S. 36 m.Anm. <strong>Hauck</strong>). Dieses<br />
Beispiel ist noch prägnanter, da hier – anders als bei Speisen<br />
_____________________________________________________________________________________<br />
Marlie<br />
Auch in diesen Fällen lässt sich jedoch eine zufrieden<br />
stellende Lösung finden, ohne auf die materielle Beendigung<br />
abstellen zu müssen, da der Anwendungsbereich des § 252<br />
StGB eine weitere Einschränkung im subjektiven Tatbestand<br />
erfährt. Dieser verlangt nämlich, dass der Täter handeln<br />
muss, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten.<br />
An einer solchen Absicht wird es dem Täter aber – wie im<br />
Folgenden auch für den hier besprochenen Fall noch näher<br />
aufzuzeigen sein wird – fehlen, wenn sich zum Zeitpunkt des<br />
Einsatzes der Nötigungsmittel der Erfolg des Wegnahmeverhaltens<br />
bereits realisiert hat. Letztlich erscheint es insoweit<br />
vorzugswürdig, (auch) im Rahmen des § 252 StGB dem<br />
unbestimmten Kriterium der Beendigung keine Relevanz<br />
beizumessen.<br />
c. § 252 StGB erst nach Beendigung möglich<br />
Mittlerweile überholt 31 ist die Ansicht von Dreher 32 , räuberischer<br />
Diebstahl komme sogar nur nach Beendigung der Wegnahme<br />
in Betracht. Diese Sichtweise zielt auf eine Ausdehnung<br />
des Anwendungsbereichs des Raubes auf die Phase<br />
zwischen Vollendung und Beendigung ab. Ungeachtet der<br />
Frage, ob eine derartige Ausdehnung des Raubes über die<br />
Vollendung hinaus überzeugend ist 33 , kann dieser Ansicht<br />
schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie die vom Gesetzgeber<br />
in § 252 StGB aufgestellten Voraussetzungen für die<br />
Bestrafung des Einsatzes von Nötigungsmitteln zur Beutesicherung<br />
(wonach der Täter insbesondere auf frischer Tat<br />
betroffen sein muss) unterläuft. 34<br />
2. Besitzerhaltungsabsicht<br />
Selbst wenn man also – entgegen der Rechtsprechung und<br />
herrschenden Lehre – die Beendigung der Vortat vorliegend<br />
für irrelevant erachtet, bedarf die Feststellung der von § 252<br />
StGB geforderten Besitzerhaltungsabsicht – dies wurde bereits<br />
angedeutet – einer kritischen Überprüfung.<br />
Nach dem subjektiven Tatbestand des räuberischen Diebstahls<br />
muss der Täter die Nötigungsmittel angewendet haben,<br />
„um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten“. Nach<br />
der Rechtsprechung muss es dem Täter i.S.v. dolus directus<br />
1. Grades darauf ankommen, durch den Einsatz der Nötigungsmittel<br />
eine (wie er meint) gegenwärtige oder unmittelbar<br />
bevorstehende Gewahrsamsentziehung zu verhindern. 35<br />
In der Literatur wird dieser engen Interpretation vorgeworfen,<br />
nach Wortlaut und ratio der Norm sei es für die Absicht ausreichend,<br />
wenn der Täter handelt, um die nicht sofort, sondern<br />
erst im weiteren Fortgang des Geschehens drohende<br />
– ein Entzug der Sachherrschaft noch offensichtlicher unmöglich<br />
ist.<br />
31 Eser (Fn. 1), § 252 Rn. 3.<br />
32 Dreher, MDR 1976, 529 (529 ff.).<br />
33 Zu Recht kritisch Herdegen (Fn. 23), § 252 Rn. 10.<br />
34 Vgl. Hruschka, JZ 1983, 217 (218) und Herdegen (Fn. 23),<br />
§ 252 Rn. 10 mit einer ausführlichen Stellungnahme zur<br />
Ansicht Drehers.<br />
35 <strong>BGH</strong>St 9, 162 (164); 28, 224 (231).<br />
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik<br />
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LG Freiburg i.Br., Urt. v. 29.6.20<strong>05</strong> – 7 NS 330 Js 5488/04<br />
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Entziehung des gestohlenen Gutes zu verhindern. 36 Einigkeit<br />
besteht jedoch dahingehend, dass der Täter mit Absicht i.S.<br />
zielgerichteten Wollens (also dolus directus 1. Grades) handeln<br />
muss. 37 Allerdings soll es ausreichen, wenn es dem Täter<br />
auch darauf ankommt, den Gewahrsamsverlust zu vereiteln.<br />
Weitere Motive sind insoweit unschädlich. 38<br />
Schon ein derartiges Motiv kann man dem Angeklagten<br />
jedoch hier nicht unterstellen. So erkennt auch das LG Freiburg<br />
zutreffend, dass der vorliegende Fall durch die Besonderheit<br />
gekennzeichnet sei, dass „der Angeklagte die entwendete<br />
Sache nicht nur behalten wollte, sondern sie bereits<br />
endgültig behalten hat“.<br />
Allerdings zieht das LG nicht den nunmehr nahe liegenden<br />
Schluss, dass es dem Angeklagten bei den Faustschlägen<br />
und Tritten gegen den Ladendetektiv offensichtlich nicht um<br />
den Erhalt der gestohlenen Antipasti gegangen sein kann.<br />
Vielmehr erklärt das LG, der Angeklagte habe angesichts<br />
dieser Besonderheit vorliegend „ein "mehr" an strafwürdigem<br />
Unrecht verwirklicht, da in seinem Fall die entwendete Sache<br />
dem Eigentümer gerade nicht mehr zurückgegeben werden<br />
kann.“ Deshalb soll nach Überzeugung der Kammer der<br />
Tatbestand des § 252 StGB im vorliegenden Fall erst recht<br />
einschlägig sein.<br />
Ein solches „erst-recht“-Argument ist freilich nicht überzeugend,<br />
da es in Anbetracht von Art. 103 Abs. 2 GG nicht in<br />
der Lage ist, die von § 252 StGB ausdrücklich geforderte<br />
Absicht aus dem Tatbestand zu eskamotieren und deshalb<br />
eine verbotene Analogie darstellt. 39<br />
Dies scheint letztlich auch das LG erkannt zu haben,<br />
wenn es im Anschluss an dieses Argument dem Angeklagten<br />
zusätzlich unterstellt, er habe sich mit der Gewaltanwendung<br />
auch die durch den Verzehr der Antipasti bewirkte Verbesserung<br />
seines körperlichen Befindens erhalten wollen, da es<br />
nicht außerhalb jeglicher Möglichkeit gelegen habe, ihn<br />
durch die Verabreichung eines Brechmittels zu Beweiszwecken<br />
zur Preisgabe seines Mageninhaltes zu bewegen. Mangels<br />
jeglichen Anhaltspunktes für eine solche – eher lebensfremd<br />
anmutende – Vorstellung des Angeklagten, wird man<br />
wohl aber nicht erst auf den in-dubio-pro-reo-Grundsatz<br />
rekurrieren müssen, um auch eine derart begründete Besit-<br />
36 Lackner/Kühl (Fn. 9), § 252 Rn. 5; Herdegen (Fn. 23),<br />
§ 252 Rn. 17.<br />
37 Günther (Fn. 8), § 252 Rn. 20; Lackner/Kühl (Fn. 9), § 252<br />
Rn. 5.<br />
38 Herdegen (Fn. 23), § 252 Rn. 17 m.w.N. Vgl. auch Schünemann,<br />
JA 1980, 393 (399), der einschränkend verlangt,<br />
dass die Besitzbehauptung dominierender Endzweck sein<br />
müsse.<br />
39 Hinzu kommt, dass dieses Argument nach dem Normzweck<br />
des § 252 StGB auch inhaltlich fragwürdig ist. Denn<br />
das für den räuberischen Diebstahl maßgebliche Unrecht –<br />
vgl. hierzu Herdegen (Fn. 23), § 252 Rn. 2 f. – ergibt sich<br />
eben gerade nicht aus einer Zerstörung (schließlich ist diese<br />
nicht umsonst keine Tatbestandsvoraussetzung). Insofern<br />
führt die Zerstörung also nicht zu einem „Mehr“ an Unrecht,<br />
sondern zu einem anderen Unrecht – nämlich dem einer<br />
Sachbeschädigung.<br />
_____________________________________________________________________________________<br />
Marlie<br />
zerhaltungsabsicht abzulehnen. Jedenfalls lässt sich ein Indiz<br />
für ein entsprechendes Motiv des Angeklagten nicht aus<br />
seiner Aussage herleiten, die Nichtangabe seiner Personalien<br />
wäre zwecklos gewesen, da er als langjähriger Kunde des N.-<br />
Marktes leicht zu ermitteln gewesen sei. Denn hierbei handelt<br />
es sich offensichtlich um eine Schutzbehauptung zur Unterstützung<br />
seiner Aussage, er habe dem Ladendetektiv die<br />
Angabe seiner Personalien nicht verweigert. 40<br />
III. Fazit<br />
Letztlich bleibt festzuhalten, dass auf dem Boden der herrschenden<br />
Ansicht die Verwirklichung eines räuberischen<br />
Diebstahls vorliegend schon in Anbetracht der Beendigung<br />
der Vortat nicht in Betracht kommt.<br />
Jedenfalls aber fehlte dem Angeklagten die Absicht, sich<br />
im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten.<br />
Wiss. Mitarbeiter Marcus Marlie, Universität Kiel<br />
Ladung minderjähriger Zeugen<br />
StPO §§ 48, 214<br />
Kindliche Zeugen sind über ihre Erziehungsberechtigten<br />
zu laden. Zeugen, die mindestens 14 Jahre alt sind, können<br />
unmittelbar geladen werden.<br />
OLG Frankfurt a.M., <strong>Beschl</strong>. v. 6.4.20<strong>05</strong> – 3 Ws 281/<strong>05</strong><br />
Zum Sachverhalt: Der Vorsitzende der Kammer hat die<br />
vierzehnjährige Zeugin Corinna W. persönlich zum Hauptverhandlungstermin<br />
vom 9.3.20<strong>05</strong> geladen. Dagegen wendete<br />
sich ihr Vater mit der Beschwerde. Das Rechtsmittel blieb<br />
erfolglos.<br />
Aus den Gründen: Die Beschwerde ist unzulässig. Dies<br />
folgt zwar nicht aus § 3<strong>05</strong> S. 1 StPO, weil der Beschwerdeführer<br />
als „Dritter“ im Sinne des § 3<strong>05</strong> S. 2 stopp, nämlich<br />
als Erziehungsberechtigter seiner Tochter geltend macht, von<br />
der Ladungsverfügung betroffen zu sein. Ob er durch diese<br />
Maßnahme auch in eigenen Rechten verletzt werden konnte,<br />
kann dahinstehen.<br />
Die Ladungsverfügung ist jedenfalls prozessual überholt,<br />
weil der Hauptverhandlungstermin, zu dem die Ladung erfolgte,<br />
zwischenzeitlich durchgeführt und der Ladung zu<br />
diesem Termin durch die Zeugin Folge geleistet wurde (wenn<br />
sie auch nicht einvernommen worden ist). Die erst nach Erledigung<br />
der Ladung eingelegte Beschwerde ist unzulässig, da<br />
das Rechtsmittel nur der Beseitigung einer noch gegenwärti-<br />
40 Sollte das LG tatsächlich überzeugt sein, der Angeklagte<br />
habe die Vorstellung gehabt, seine Identität sei dem N.-Markt<br />
bekannt, hätte es wenigstens einen Irrtum über rechtfertigende<br />
Umstände erörtern sollen. Denn dann hätte er sich ggf.<br />
Umstände vorgestellt, bei deren Vorliegen er durch Notwehr<br />
– gegen den dann im Umkehrschluss nicht mehr aus § 127<br />
Abs. 1 StPO gerechtfertigten Ladendetektiv – gerechtfertigt<br />
gewesen wäre.<br />
46<br />
<strong>ZIS</strong> 1/2006