Fall "Kurzeitig im Parkverbot"
Fall "Kurzeitig im Parkverbot"
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Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M. SS 2008<br />
<strong>Fall</strong>: Kurzzeitig <strong>im</strong> Parkverbot<br />
A hat sein Kfz an einer Straße geparkt, für die mittels eines Verkehrszeichens ein Parkverbot<br />
festgesetzt ist. Direkt nachdem A aus seinem Kfz aussteigt, kommt der zuständige Beamte P<br />
auf ihn zu, der ihn be<strong>im</strong> Einparken beobachtet hat. P fordert A unter Hinweis auf das<br />
Verkehrzeichen auf, das Kfz an einem anderen Ort abzustellen. A entgegnet wahrheitsgemäß,<br />
er müsse nur schnell einkaufen, würde in zehn Minuten wieder zu seinem Auto zurückkehren<br />
und ein Bußgeld notfalls in Kauf nehmen. P ist darüber so empört, dass er das Kfz des A<br />
durch einen eilig herbeigerufenen Abschleppunternehmer in eine nur wenige Meter entfernte<br />
Seitenstraße versetzen lässt. A möchte die Rechtswidrigkeit des Abschleppens gerichtlich<br />
feststellen lassen.<br />
Prüfen Sie Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht.
Lösung:<br />
A. Zulässigkeit<br />
I. Verwaltungsrechtsweg, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO<br />
II. Statthafte Klageart<br />
Richtet sich nach dem Begehren des Klägers, § 88 VwGO. Hier: Kläger möchte gerichtlich<br />
feststellen lassen, dass das Abschleppen rechtswidrig ist. Das Abschleppen ist eine<br />
Ersatzvornahme (§ 63 LVwVG). Diese ist wegen ihrer fehlenden Regelungswirkung ein<br />
Realakt.<br />
Statthaft ist daher die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Es soll<br />
festgestellt werden, dass die Behörde nicht berechtigt war, das Kfz des A abschleppen zu<br />
lassen.<br />
Die Subsidiaritätsklausel (§ 43 Abs. 2 VwGO) ist nicht einschlägig.<br />
III. Feststellungsinteresse, § 43 Abs. 1 VwGO<br />
Da es sich um ein vergangenes Rechtsverhältnis handelt, ist ein besonderes<br />
Feststellungsinteresse erforderlich. Dieses ergibt sich <strong>im</strong> vorliegenden <strong>Fall</strong> aus einem<br />
bestehenden Rehabilitationsinteresse sowie der Tatsache, dass es sich um eine typsicherweise<br />
kurzfristig erledigende Maßnahme handelt.<br />
IV. Klagegegner, § 78 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog.<br />
B. Begründetheit<br />
Die Klage ist begründet, wenn das vom Kläger verneinte Rechtsverhältnis nicht besteht, die<br />
Behörde das Kfz also nicht abschleppen durfte. Die Ersatzvornahme müsste also rechtswidrig<br />
gewesen sein.<br />
I. Ermächtigungsgrundlage, § 63 LVwVG<br />
II. Formelle Rechtmäßigkeit<br />
1. Zuständigkeit, § 4 Abs. 2 LVwVG, laut Sachverhalt (+)<br />
2. Verfahren, § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG? Nur vor Erlass eines VA anwendbar, hier aber<br />
Realakt.<br />
3. Keine besonderen Formerfordernisse<br />
III. Materielle Rechtmäßigkeit<br />
1. Wirksamer Grundverwaltungsakt, der eine Handlung, Duldung, Unterlassung gebietet, § 61<br />
Abs. 1 LVwVG.
Hier: Verkehrsschild als Allgemeinverfügung, § 35 S. 2 VwVfG.<br />
Die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts ist nicht Voraussetzung der Rechtmäßigkeit<br />
der Vollstreckungsmaßnahme. Der Grundverwaltungsakt muss also nur wirksam (§ 43<br />
VwVfG) sein.<br />
Wirksamkeit des Grundverwaltungsaktes setzt grundsätzlich eine wirksame Bekanntgabe (§§<br />
43 Abs. 1, 41 VwVfG) und das Nichtvorliegen von Nichtigkeitsgründen (§ 44 VwVfG)<br />
voraus.<br />
Hier: Spezialgesetzliche öffentliche Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG, § 39 Abs.<br />
1, Abs. 1a, 45 Abs. 4 StVO<br />
Nichtigkeitsgründe nicht ersichtlich.<br />
2. Vollstreckbarkeit des Grundverwaltungsakts, § 2 LVwVG.<br />
Der Grundverwaltungsakt muss gemäß § 2 LVwVG entweder bestandskräftig oder nach § 80<br />
Abs. 2 Satz 1 VwGO sofort vollziehbar sein.<br />
Das Verkehrszeichen ist in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO<br />
sofort vollziehbar, sodass die Voraussetzung des § 2 Nr. 2 LVwVG vorliegt.<br />
3. Androhung des Zwangsmittels, § 66 LVwVG<br />
Entbehrlich nach § 66 Abs. 1 Satz 2 LVwVG.<br />
4. Rechtmäßige Anwendung des Zwangsmittels<br />
Es handelt sich bei dem Wegfahren des Autos um eine vertretbare Handlung, daher ist die<br />
Ersatzvornahme grundsätzlich das richtige Zwangsmittel. Allerdings steht die Anwendung<br />
des konkreten Zwangsmittels <strong>im</strong> Ermessen der zuständigen Behörde (vgl. § 63 Abs. 1<br />
LVwVG, „so kann“).<br />
Hier: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Grenze des Ermessens). Selbst<br />
wenn man die Nichtbeachtung eines Verkehrszeichens auch dann, wenn sie zu keinen<br />
weiteren Beeinträchtigungen führt, aus generalpräventiven Gründen für ein Abschleppen<br />
bereits ausreichen lässt, gilt dies nicht mehr bei einem so kurz andauernden Verstoß gegen ein<br />
Parkverbot.<br />
Die Ersatzvornahme war damit rechtswidrig, die Klage ist begründet.