Rede Najat Wahib Einbuergerung 09 - Landeshauptstadt Saarbrücken
Rede Najat Wahib Einbuergerung 09 - Landeshauptstadt Saarbrücken
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Einbürgerungsfeier 20<strong>09</strong><br />
<strong>Landeshauptstadt</strong> Saarbrücken<br />
<strong>Rede</strong>beitrag von Frau<br />
<strong>Najat</strong> <strong>Wahib</strong><br />
stellvertretend für die im Vorjahr eingebürgerten Saarbrückerinnen und Saarbrücker<br />
26. Mai 20<strong>09</strong>, 18 Uhr, Rathausfestsaaal<br />
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Guten Abend,<br />
meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />
liebe Frau Oberbürgermeisterin,<br />
ich heiße <strong>Najat</strong> <strong>Wahib</strong> und komme aus Casablanca in Marokko. Ich bin sehr froh, heute<br />
Abend an dieser Einbürgerungsfeier teilnehmen zu können und stellvertretend für alle,<br />
die ebenfalls eingebürgert wurden, ein paar Sätze zu Ihnen sprechen zu dürfen. Trotz<br />
dieser Ehre, die ich empfinde, bin ich aufgeregt und hoffe, die richtigen Worte zu wählen.<br />
Als ich vor 9 Jahren meine damalige Heimat verlassen habe und hier nach Saarbrücken<br />
kam, fühlte ich mich zunächst fremd. Ich entstamme einem anderen Kulturkreis und<br />
trotz eines Universitätsstudiums in Jura und einer weltoffenen Erziehung hatte ich zu<br />
Beginn das Gefühl, nicht dazu zu gehören. Ich hatte jede Menge Heimweh nach Marokko.<br />
Auch nach der Geburt meiner Tochter Kenza, die ein Jahr später im Sankt Josef<br />
Krankenhaus in Dudweiler zur Welt kam, und die von Geburt an Deutsche ist, änderte<br />
sich zunächst nichts. Ich versuchte mich zu integrieren, begann mir langsam einen<br />
Freundeskreis aufzubauen und versuchte, Deutsch zu lernen.<br />
Jeder von Ihnen hat bestimmt eigene Gründe, warum er sich einbürgern lassen wollte.<br />
Ich will Ihnen mit wenigen Sätzen erzählen, wie es bei mir war:<br />
Es war im Jahr 2006, als ich kurz meine Eltern in Marokko besuchte. Aber plötzlich waren<br />
meine Gedanken nur noch in Saarbrücken. Und das, obwohl ich in meiner Heimat, bei<br />
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meiner Familie war. Ich wollte einfach nur zurück. Nachdem das Flugzeug in Frankfurt<br />
gelandet war, konnte ich es kaum erwarten, wieder in Saarbrücken zu sein. Ab diesem<br />
Zeitpunkt, als ich Heimweh nach Deutschland empfand, fasste ich den Entschluss, mich<br />
einbürgern zu lassen. Die Formulare lagen zwar bereits seit längerer Zeit bei mir zu<br />
Hause, aber erst jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen.<br />
Vielleicht fragen Sie sich: Warum ausgerechnet Saarbrücken? Erlauben sie mir dieses<br />
Gefühl kurz zu beschreiben: Ich war schon in Frankfurt, Hamburg, Paris, aber in<br />
Saarbrücken konnte ich einfach schöner leben. Diese Stadt ist nicht so anonym. Hier<br />
fühle ich mich wohl und vor allem sicher.<br />
Ich erkannte recht früh: Der Weg zu einer möglichen Einbürgerung führt nur über die<br />
Integration in die Gesellschaft. Insofern bedeutet Integration für mich auch persönliche<br />
Aktivität. Integration ist nichts, was einfach nur passiert. Nichts, das mir widerfährt wie<br />
ein Schicksalsschlag. Für mich ist Integration das Ergebnis beiderseitiger Bemühungen.<br />
Im Laufe der Jahre wurden mir das Land und die Stadt immer vertrauter. Ich gewann<br />
Freunde, knüpfte Kontakte und stellte fest, dass ich mich ohne Einschränkungen zu der<br />
Werteordnung und dem Menschenbild des Grundgesetzes bekennen kann.<br />
Während ich meine Tochter über den Kindergarten und den Sport in die Gesellschaft<br />
hinein führte, bemühte ich mich durch Fortbildungen und viele andere Maßnahmen,<br />
ebenfalls zu dieser Gesellschaft zu stoßen. Mein Freundeskreis wird stetig größer, was<br />
auch daran liegt, dass ich mich entschloss, ebenfalls Sport zu treiben. Für eine Frau aus<br />
meinem Kulturkreis ist das vielleicht etwas schwieriger als für einen Mann. Ich fand in<br />
der Mühlenstraße ein Trainingscenter, in dem viele Menschen unterschiedlicher<br />
Nationalitäten und Berufe miteinander respektvoll umgehen.<br />
Heute bin ich am vorläufigen Ende meines Weges angelangt. Ich habe alle Hürden<br />
übersprungen und die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Für mich ist das auch ein<br />
Zeichen gegenseitigen Respekts und gehört damit zum Selbstverständnis einer<br />
Gesellschaft, in der sich alle Bürger –auch wenn sie unterschiedlicher Herkunft sind -<br />
respektieren. Ich bin überzeugt, dass auf der Grundlage gleicher Rechte und gleicher<br />
Pflichten Konflikte friedlich, demokratisch und fair gelöst werden können.<br />
Auch wenn ich heute am Ende eines langen Marathons endlich Deutsche bin, habe ich<br />
natürlich meine Heimat und die Heimat meiner Eltern nicht vergessen. Ich kann meine<br />
Lieder, meine Bräuche, meine Tradition und meine Kultur nicht komplett zurück lassen.<br />
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Ich werde sie pflegen und an meine Tochter weiter geben. Denn ich bin überzeugt: Eines<br />
Tages werden alle voneinander lernen können und gegenseitig an Erfahrungen teilhaben.<br />
Zum Schluss meiner <strong>Rede</strong> bekenne ich gern, ich bin angekommen! Ich fühle mich nun als<br />
Teil dieser Gesellschaft. Ich freue mich über mein Recht, wählen zu dürfen und so mit<br />
entscheiden zu können. Ich freue mich, meinen Beruf frei wählen zu können und eine<br />
Bürgerin Europas zu sein. Ich freue mich auf die Freizügigkeiten, die damit verbunden<br />
sind, und nehme die notwendigen Pflichten gerne auf mich.<br />
Ich habe gelernt, wichtige Entscheidungen ruhiger anzugehen und mein Leben zu planen.<br />
Ja, das Saarland ist meine zweite Heimat geworden, wo finde ich auch sonst<br />
DIBBELABBES?<br />
Menschen in vergleichbaren Situationen ermuntere ich, die Einbürgerung aktiv zu<br />
betreiben. Ich bin zutiefst überzeugt, dass es wichtig ist, sich selbst einzubringen, um<br />
zufriedener werden zu können.<br />
Zuletzt danke ich Herrn Bierbrauer und Frau Kuske von der Einbürgerungsstelle sehr<br />
herzlich für ihre Hilfe und Unterstützung. Ich habe sie immer als sehr freundlich erlebt.<br />
Vor drei Jahren war es mein Wunsch Deutsch zu lernen, damit ich selbstständiger werde.<br />
Ab morgen erfülle ich mir einen ganz persönlichen Wunsch: Da ich mich zu einem Leben<br />
hier in Saarbrücken entschieden habe, lerne ich nun ... GENAU: SAARLÄNDISCH (Sie<br />
wissen schon: Eiyooh, gudd, mei Knecht, unn)!<br />
Ich bedanke mich bei Ihnen allen für Ihre Geduld und Ihre Aufmerksamkeit.<br />
<strong>Najat</strong> <strong>Wahib</strong><br />
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