21.02.2014 Aufrufe

Zu blöd für Bildung? Ausbildungsreife in der Diskussion - BiBB

Zu blöd für Bildung? Ausbildungsreife in der Diskussion - BiBB

Zu blöd für Bildung? Ausbildungsreife in der Diskussion - BiBB

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wer ist verantwortlich für Berufsfähigkeit?<br />

Tagung zur Qualität <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong><br />

am 20. November 2007 <strong>in</strong> Braunschweig<br />

<strong>Zu</strong> blöd für <strong>Bildung</strong>?<br />

<strong>Ausbildungsreife</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong><br />

AG 3:<br />

„Reif für die <strong>Bildung</strong> – Reif für den Beruf“<br />

Verena Eberhard<br />

Bundes<strong>in</strong>stitut für Berufsbildung, Bonn


Glie<strong>der</strong>ung<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

<strong>Ausbildungsreife</strong> – e<strong>in</strong> Def<strong>in</strong>itionsversuch<br />

Ergebnisse des Expertenmonitors:<br />

• <strong>Ausbildungsreife</strong> – was zählt dazu?<br />

• Wie haben sich die Bewerberqualifikationen verän<strong>der</strong>t?<br />

• Was s<strong>in</strong>d mögliche Verän<strong>der</strong>ungsgründe?<br />

• Was sollte getan werden?<br />

<strong>Ausbildungsreife</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong>


E<strong>in</strong>leitung


Erklärung für die Lehrstellenproblematik: mangelnde <strong>Ausbildungsreife</strong><br />

„Unpünktlich, respektlos und<br />

ohne Teamgeist“<br />

Der Tagesspiegel vom 01.04.2006<br />

„Vielen Schulabgängern fehlt die <strong>Ausbildungsreife</strong>“<br />

Kieler Nachrichten vom 19.05.2006<br />

„ Sie beherrschen we<strong>der</strong> Dreisatz noch<br />

Rechtschreibung, s<strong>in</strong>d unpünktlich,<br />

aufsässig o<strong>der</strong> haben schlicht `null<br />

Bock` auf gar nichts`“<br />

Handelsblatt vom 06.12.2006<br />

„So doof s<strong>in</strong>d unsere<br />

Schulabgänger“<br />

BILD vom 26.04.2007<br />

„Bewerber s<strong>in</strong>d nicht reif“<br />

Generalanzeiger vom 21.07.2006


<strong>Ausbildungsreife</strong><br />

–<br />

E<strong>in</strong> Def<strong>in</strong>itionsversuch


<strong>Ausbildungsreife</strong> – e<strong>in</strong> Def<strong>in</strong>itionsversuch (1)<br />

Die Vermittlung<br />

ist bei gegebener<br />

beruflicher Eignung<br />

(nicht) durch<br />

E<strong>in</strong>schränkungen<br />

erschwert.<br />

Der Jugendliche<br />

passt zum Beruf,<br />

<strong>der</strong> Beruf passt<br />

zum Jugendlichen<br />

(e<strong>in</strong>geschränkte)<br />

Vermittelbarkeit<br />

berufsspezifische<br />

Eignung<br />

Hemmende Faktoren:<br />

z.B. äußeres<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsbild,<br />

schlechte<br />

Verkehrsanb<strong>in</strong>dung,<br />

schlechte<br />

Ausbildungsmarktlage<br />

die berufsspezifischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen und<br />

<strong>in</strong>divid. Fähigkeiten<br />

stimmen übere<strong>in</strong>,<br />

ebenso berufliche<br />

Chancen und die Ziele<br />

des Jugendlichen<br />

allgeme<strong>in</strong>e<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die für alle Lehrberufe<br />

relevant s<strong>in</strong>d,<br />

unabhängig von<br />

berufsspezifischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>Ausbildungsreife</strong><br />

schulische<br />

Basiskenntnisse,<br />

Merkmale des Arbeits-,<br />

Leistungs- und Sozialverhaltens,<br />

physische<br />

Merkmale<br />

In Anlehnung an Bundesagentur für Arbeit


<strong>Ausbildungsreife</strong> – e<strong>in</strong> Def<strong>in</strong>itionsversuch (2)<br />

Formale Def<strong>in</strong>ition des „Expertenkreises<br />

<strong>Ausbildungsreife</strong>“ des Ausbildungspaktes (2006):<br />

„E<strong>in</strong>e Person kann als ausbildungsreif bezeichnet werden,<br />

wenn sie die allgeme<strong>in</strong>en Merkmale <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong>s- und<br />

Arbeitsfähigkeit erfüllt und die M<strong>in</strong>destvoraussetzungen für<br />

den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die berufliche Ausbildung mitbr<strong>in</strong>gt.<br />

Dabei wird von den spezifischen Anfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>zelner<br />

Berufe abgesehen, die zur Beurteilung <strong>der</strong> Eignung für den<br />

jeweiligen Beruf herangezogen werden (Berufseignung).<br />

Fehlende <strong>Ausbildungsreife</strong> zu e<strong>in</strong>em gegebenen Zeitpunkt<br />

schließt nicht aus, dass diese zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt<br />

erreicht werden kann.“


Befragung zum Thema <strong>Ausbildungsreife</strong>: Expertenmonitor Berufliche <strong>Bildung</strong><br />

<strong>in</strong>ternetgestütztes Befragungssystem<br />

zu aktuellen Themen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berufsbildung<br />

www.expertenmonitor.de


Befragung zum Thema <strong>Ausbildungsreife</strong>: Expertenmonitor Berufliche <strong>Bildung</strong><br />

Institutionelle Herkunft <strong>der</strong> 482 Berufsbildungsexperten<br />

Lernort Betrieb<br />

63<br />

Lernort Schule<br />

Lernort ÜBS<br />

75<br />

78<br />

Wirtschaftsvertreter<br />

90<br />

Gewerkschaften<br />

42<br />

Forschung/Unis<br />

56<br />

Staatl. Verwaltung<br />

50<br />

Berufsverband, sonst.<br />

28<br />

Quelle: Eberhard, 2006


Ergebnisse des Expertenmonitors:<br />

<strong>Ausbildungsreife</strong><br />

–<br />

was zählt dazu?


Ergebnisse des Expertenmonitors: <strong>Ausbildungsreife</strong> – was zählt dazu?<br />

<strong>Zu</strong>verlässigkeit<br />

98 %<br />

Bereitschaft, zu lernen<br />

98 %<br />

Bereitschaft, Leistung zu zeigen<br />

95 %<br />

Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong><br />

Konzentrationsfähigkeit<br />

94 %<br />

92 %<br />

Durchhaltevermögen<br />

91 %<br />

Beherrschung d. Grundrechenarten<br />

E<strong>in</strong>faches Kopfrechnen<br />

Sorgfalt<br />

91 %<br />

91 %<br />

90 %<br />

Rücksichtsnahme<br />

89 %<br />

Quelle: Eberhard, 2006


Ergebnisse des Expertenmonitors: <strong>Ausbildungsreife</strong> – was zählt eher nicht dazu?<br />

56 % Teamfähigkeit<br />

56 %<br />

Dt. Rechtschreibung<br />

50 %<br />

Selbstsicherheit<br />

49 %<br />

47 %<br />

Physische Belastbarkeit<br />

IT-Grundkenntnisse<br />

41 %<br />

39 %<br />

Schriftliche Ausdrucksfähigkeit<br />

Geometrische Grundkenntnisse<br />

26 %<br />

23 %<br />

Kreativität<br />

Betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse<br />

13 %<br />

Grundkenntnisse Englisch<br />

Quelle: Eberhard, 2006


Ergebnisse des Expertenmonitors:<br />

Wie haben sich die<br />

Bewerberqualifikationen verän<strong>der</strong>t?


Ergebnisse des Expertenmonitors:<br />

Wie haben sich die Bewerberqualifikationen verän<strong>der</strong>t?<br />

Negative Entwicklung:<br />

87%<br />

85%<br />

Beherrschung d. dt. Rechtschreibung<br />

Schriftliche Ausdrucksfähigkeit<br />

84%<br />

80%<br />

E<strong>in</strong>faches Kopfrechnen<br />

Konzentrationsfähigkeit<br />

Positive Entwicklung:<br />

77%<br />

Prozentrechnung<br />

Grundkenntnisse im IT-Bereich<br />

87%<br />

76%<br />

Dreisatzrechnung<br />

76% Längen-, Flächen-, Volumenberech.<br />

-<br />

72% Beherrschung Grundrechenarten<br />

72%<br />

Durchhaltevermögen<br />

67% Sorgfalt<br />

Selbstsicherheit<br />

Grundkenntnisse <strong>der</strong><br />

engl. Sprache<br />

Kommunikationsfähigkeit<br />

44%<br />

61%<br />

57%<br />

+<br />

67%<br />

Höflichkeit<br />

Teamfähigkeit<br />

40%<br />

Quelle: Eberhard, 2006


Ergebnisse des Expertenmonitors:<br />

Was könnten Gründe für diese<br />

Entwicklungen se<strong>in</strong>?


Ergebnisse des Expertenmonitors: Gründe für die Entwicklung<br />

Ger<strong>in</strong>gere<br />

Ausbildungsmotivation<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen<br />

Ger<strong>in</strong>gere Kenntnisse<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen über<br />

Ausbildungs- und<br />

Arbeitswelt<br />

,37 ,18<br />

Gestiegene<br />

Ausbildungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

S<strong>in</strong>kende<br />

Bewerberqualifikation<br />

,16<br />

Wachsende<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Berufs- und<br />

Arbeitswelt<br />

,17<br />

,13<br />

Defizitäre schulische Werteund<br />

Wissensvermittlung<br />

,42<br />

Verschlechterung <strong>der</strong><br />

familiären Situation<br />

Defizitäre Schulische<br />

Unterstützung bei <strong>der</strong><br />

Berufswahl<br />

Quelle: Eberhard, 2006


Ergebnisse des Expertenmonitors:<br />

Was sollte getan werden?


Ergebnisse des Expertenmonitors: Was sollte getan werden?<br />

Was sollten die Eltern tun?<br />

ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n stärker als bisher grundlegende Werte vermitteln<br />

stärker als bisher die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit <strong>der</strong><br />

Berufswahl för<strong>der</strong>n<br />

stärker als bisher positive Rollenvorbil<strong>der</strong> für ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> se<strong>in</strong><br />

95%<br />

94%<br />

92%<br />

stärker als bisher Verantwortung für die Vermittlung von<br />

Arbeitstugenden übernehmen<br />

ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> stärker als bisher för<strong>der</strong>n, um <strong>der</strong>en<br />

<strong>Ausbildungsreife</strong> zu sichern<br />

90%<br />

89%<br />

stärker als bisher die Vorzüge <strong>der</strong> Berufstätigkeit<br />

vorleben<br />

stärker als bisher <strong>in</strong> den Dialog mit Schulen und<br />

Unternehmen treten<br />

81%<br />

78%<br />

stärker als bisher <strong>in</strong> die Ausbildung<br />

ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>gebunden se<strong>in</strong><br />

58%<br />

Quelle: Eberhard, 2006


Ergebnisse des Expertenmonitors: Was sollte getan werden?<br />

Was sollten die Betriebe tun?<br />

vermehrt den Kontakt zu Schulen suchen<br />

86%<br />

sich <strong>der</strong> Verantwortung stellen, auch schwächere Jugendliche<br />

auszubilden<br />

bei <strong>der</strong> Bewerberauswahl stärker als bisher das<br />

Entwicklungspotenzial <strong>der</strong> Jugendlichen beachten<br />

84%<br />

82%<br />

sich stärker als bisher für ihre Auszubildenden engagieren<br />

75%<br />

Schulen, die e<strong>in</strong>e gute Berufswahlorientierung<br />

durchführen, belohnen<br />

52%<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

Bewerber senken<br />

25%<br />

Quelle: Eberhard, 2006


Ergebnisse des Expertenmonitors: Was sollte getan werden?<br />

Was sollten die Schulen tun?<br />

Lehrerfortbildungen <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die Berufswelt<br />

97%<br />

stärker als bisher Schlüsselqualifikation för<strong>der</strong>n<br />

die Grundlage für die Lern- und Leistungsbereitschaft<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen legen<br />

haben die Aufgabe, zur <strong>Ausbildungsreife</strong> zu führen<br />

Schulische Lernaufgaben müssen e<strong>in</strong>en stärkeren Praxisbezug<br />

haben<br />

94%<br />

94%<br />

93%<br />

93%<br />

überprüfen, welche Schüler zu ger<strong>in</strong>ge Fähigkeiten aufweisen,<br />

um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ausbildung e<strong>in</strong>münden zu können<br />

76%<br />

Während <strong>der</strong> Schulzeit müssen Lernaufgaben<br />

<strong>in</strong> Unternehmen durchgeführt werden<br />

72%<br />

Berufsorientierung muss e<strong>in</strong> eigenes<br />

Schulfach werden<br />

mögliche Erziehungsversäumnisse<br />

<strong>der</strong> Eltern ausgleichen<br />

48%<br />

58%<br />

Quelle: Eberhard, 2006


Ergebnisse des Expertenmonitors: Was sollte getan werden?<br />

Was sollten die Jugendlichen tun?<br />

stärker als bisher lernen, Verantwortung für ihr Leben zu<br />

übernehmen<br />

stärker als bisher lernen, ihre Kompetenzen realistisch<br />

e<strong>in</strong>zuschätzen<br />

stärker als bisher bemühen, Kontakt zur Berufswelt<br />

aufzunehmen<br />

stärker als bisher versuchen, die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Unternehmen zu erfüllen<br />

93%<br />

93%<br />

90%<br />

84%<br />

ihre Berufswahl ernsthafter als bisher angehen<br />

79%<br />

ger<strong>in</strong>ge Fertigkeiten <strong>in</strong> Kulturtechniken<br />

durch hohe Motivation kompensieren<br />

65%<br />

Quelle: Eberhard, 2006


<strong>Ausbildungsreife</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong>


<strong>Ausbildungsreife</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong>: pauschale Schuldzuweisung<br />

„Es kann nicht se<strong>in</strong>, daß immer die Unternehmen<br />

verantwortlich gemacht werden, wenn etwas schief läuft.<br />

(...) Immer wie<strong>der</strong> wird behauptet, nur jedes zweite<br />

ausbildungsfähige Unternehmen bilde auch tatsächlich<br />

aus. (...) Firmen an den Pranger? So geht das wirklich<br />

nicht weiter. Ich b<strong>in</strong> es leid!“<br />

(Gerd Pieper, Präsident <strong>der</strong> Industrie- und Handelskammer Bochum,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview mit <strong>der</strong> „Welt am Sonntag“ am 16. Juli 2006)


<strong>Ausbildungsreife</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong>: pauschale Schuldzuweisung<br />

„Es liegt immer nur an uns, dass wir arbeitslos s<strong>in</strong>d:<br />

‚Wir s<strong>in</strong>d faul.‘ Wenn die Betriebe sich mal<br />

mit e<strong>in</strong>em Hauptschüler zufrieden geben würden<br />

und/o<strong>der</strong> wenigstens jedem Schüler wenigstens nur mal<br />

e<strong>in</strong>e Chance geben würden, sich zu beweisen! Aber<br />

ne<strong>in</strong>! ‚Ja, wir s<strong>in</strong>d dumm und asozial.‘ “<br />

(20jährige bei <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit gemeldete Lehrstellenbewerber<strong>in</strong>, erweiterter<br />

Realschulabschluss, arbeitslos, schrieb über 100 Bewerbungen)<br />

Quelle: BA/BIBB-Bewerbefragung 2004


<strong>Ausbildungsreife</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong>: E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die Presse vor vierzig Jahren<br />

13.09.1966<br />

„Der DIHT führt bei etwa zweitausend repräsentativ ausgewählten<br />

Lehrl<strong>in</strong>gen mit Volksschulabschluss e<strong>in</strong>en Leistungstest <strong>in</strong><br />

Rechtschreibung und Rechnen durch, <strong>der</strong> große Lücken feststellt:<br />

Bei jedem fünften Lehrl<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d die Rechtschreibkenntnisse<br />

mangelhaft, und je<strong>der</strong> dritte ist unsicher. Je<strong>der</strong> vierte Lehrl<strong>in</strong>g<br />

kann mangelhaft rechnen, und je<strong>der</strong> zweite hat erhebliche<br />

Lücken.“<br />

Aus: Raddatz, Rolf (2000): Berufsbildung im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. E<strong>in</strong>e Zeittafel. Bielefeld: W. Bertelsmann.<br />

Hier: S. 182.<br />

Lehrl<strong>in</strong>ge schreiben und rechnen zu schlecht<br />

„Der deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) hat ermittelt, daß die Kenntnisse <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Volksschule entlassenen Jugendlichen, die e<strong>in</strong>e<br />

Lehre <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft beg<strong>in</strong>nen, völlig unzureichend s<strong>in</strong>d. Wie die Spitzenorganisation <strong>in</strong> Bonn mitteilt, ergab sich das bei e<strong>in</strong>er von<br />

Wissenschaftlern und Praktikern unter Leitung von Professor Wenke (Hamburg) vorgenommenen Prüfung von 2134 Lehrl<strong>in</strong>gen. Die unabhängige<br />

Prüfungskommission unterschied zwischen männlichen und weiblichen Lehrl<strong>in</strong>gen, zwischen Lehrl<strong>in</strong>gen mit achtjähriger und neunjähriger<br />

Schulpflicht sowie zwischen Lehrl<strong>in</strong>gen aus voll geglie<strong>der</strong>ten und nicht vollgeglie<strong>der</strong>ten Volksschulen. Der Test kam lediglich für Lehrl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong><br />

Frage, die die Volksschule mit e<strong>in</strong>em Abschlußzeugnis verlassen haben.<br />

Das Ergebnis dieser Untersuchung ist bestürzend. Bei zwanzig Prozent <strong>der</strong> Lehrl<strong>in</strong>ge war die Beherrschung <strong>der</strong> Rechtschreibung mangelhaft. Bei<br />

weiteren siebzehn Prozent konnte von e<strong>in</strong>er Sicherheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtschreibung nicht die Rede se<strong>in</strong>. Das Ergebnis im Rechnen ist noch<br />

ungünstiger. Bei 25 Prozent <strong>der</strong> Lehrl<strong>in</strong>ge war die Leistung im Rechnen mangelhaft, bei weiteren 25 Prozent bestanden erhebliche Lücken. Dabei<br />

muß berücksichtigt werden, daß <strong>in</strong> den Test nicht die durchschnittlich neunzehn Prozent aller Volksschüler e<strong>in</strong>bezogen worden waren, die<br />

regelmäßig das Ziel <strong>der</strong> Volksschule nicht erreichen. Die Prüfung bestand aus e<strong>in</strong>em Diktat und elf Rechenaufgaben. Die Testaufgaben s<strong>in</strong>d<br />

ke<strong>in</strong>eswegs als schwer zu beurteilen.“


<strong>Ausbildungsreife</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong>: S<strong>in</strong>d die heutigen Bewerber tatsächlich unreifer?<br />

„Wenn man sieht, wie sich unsere Azubis heute<br />

Informationen beschaffen, wie sie an Probleme<br />

herangehen und wie sie kommunizieren und<br />

präsentieren – kurzum mit welchem Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit auftreten,<br />

dann liegen zwischen me<strong>in</strong>en Fähigkeiten <strong>in</strong> diesem<br />

Alter und denen <strong>der</strong> jungen Leute heute Welten“<br />

(Zitat e<strong>in</strong>es Ausbil<strong>der</strong>s im Versicherungswesen zitiert nach Sehrbrock,<br />

2004).


<strong>Ausbildungsreife</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong>: S<strong>in</strong>d die heutigen Bewerber tatsächlich unreifer?<br />

Die Grafik gibt wie<strong>der</strong>, wie sich <strong>der</strong> mittlere<br />

<strong>Ausbildungsreife</strong>grad <strong>der</strong> Bewerber alle<strong>in</strong> durch<br />

e<strong>in</strong>e Verknappung des Lehrstellenangebots<br />

verschlechtert, obwohl sich die <strong>Ausbildungsreife</strong><br />

<strong>der</strong> Schulabgänger nicht verän<strong>der</strong>t<br />

Annahmen:<br />

Jedes Jahr wollen 70 % e<strong>in</strong>es<br />

Schulabsolventenjahrganges e<strong>in</strong>e Lehre<br />

aufnehmen (vgl. Quote für 1993)<br />

Der Lehrstellenmarkt wird schwieriger<br />

(zu Grunde gelegt wurde die tatsächliche<br />

Entwicklung von 1994 bis 2005)<br />

Erfolglos bleiben immer die<br />

leistungsschwächsten Bewerber<br />

Leistungsschwächere Bewerber versuchen<br />

es <strong>in</strong> den beiden nachfolgenden Jahren als<br />

sog. „Altbewerber“ noch e<strong>in</strong>mal und geben<br />

dann auf<br />

50<br />

45<br />

40<br />

Rückgang des mittleren <strong>Ausbildungsreife</strong>grades<br />

(durchschnittliches Perzentil)<br />

<strong>der</strong> Bewerber <strong>in</strong> Abhängigkeit vom<br />

Ausbildungsplatzmangel<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005


<strong>Ausbildungsreife</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong>: Die Sicht von Experten<br />

7. Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten<br />

„Sogar vorhandene <strong>Ausbildungsreife</strong> ist heute ke<strong>in</strong>e Garantie für<br />

e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz.“<br />

Ausbil<strong>der</strong> 85 %<br />

Lehrer<br />

94 %<br />

Forscher/<br />

Entwickler<br />

91 %<br />

Alle<br />

Experten<br />

86 %<br />

Quelle: Eberhard, 2006


<strong>Ausbildungsreife</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diskussion</strong>: Die Sicht <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

„Es ist nicht e<strong>in</strong>fach, e<strong>in</strong>e Lehrstelle zu bekommen. Es kostet<br />

viel Kraft und Nerven, wenn die ganzen Absagen<br />

zurückkommen. Ich b<strong>in</strong> froh, dass ich zur Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Restaurant arbeiten darf und vielleicht Chancen auf e<strong>in</strong>en<br />

Ausbildungsplatz habe. Man wünscht sich nichts mehr, als dass<br />

man sagen kann:´Ich muss arbeiten gehen´. Das Gefühl,<br />

morgens aufzustehen und zu wissen, dass man e<strong>in</strong>e Aufgabe<br />

hat.“<br />

(23jährige junge Frau, jobbt, Hauptschulabschluss)<br />

„Ich b<strong>in</strong> schon seit drei Jahren auf <strong>der</strong> Suche<br />

nach e<strong>in</strong>em Ausbildungsplatz und langsam b<strong>in</strong><br />

ich dabei aufzugeben, weil ich den E<strong>in</strong>druck<br />

habe, dass es nichts br<strong>in</strong>gt. Die Firmen haben<br />

<strong>in</strong> dieser Zeit so große Ansprüche, dass man<br />

da kaum h<strong>in</strong>terher kommt, ....“<br />

(22jährige Bewerber<strong>in</strong> aus Hamburg, Realschulabschluss)<br />

Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2004, BA/BIBB-Bewerberbefragung, 2006


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

Für Rückfragen erreichen Sie mich unter:<br />

Verena Eberhard<br />

Tel.: 0228/107-1118<br />

Fax: 0228/107-2955<br />

eberhard@bibb.de<br />

Bundes<strong>in</strong>stitut für Berufsbildung<br />

Robert-Schuman-Platz 3<br />

53175 Bonn<br />

www.bibb.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!