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Eulenspiegel Kriegt er jetzt das Sorgerecht? (Vorschau)

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DAS SATIREMAGAZIN<br />

Unbestechlich, ab<strong>er</strong> käuflich!<br />

9/10 · € 2,80 · SFR 5,00<br />

www.eulenspiegel-zeitschrift.de<br />

57./65. Jahrgang • ISSN 0423-5975 86514<br />

Nach dem<br />

BV<strong>er</strong>fG-Urteil:<br />

<strong>Kriegt</strong> <strong>er</strong><br />

<strong>jetzt</strong> <strong>das</strong><br />

Sorg<strong>er</strong>echt?


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Zeit im<br />

Bild<br />

Es geht aufwärts<br />

Jüng<strong>er</strong> & Schlank<strong>er</strong><br />

EULENSPIEGEL 9/10 3


Haus mitteilung<br />

Liebe Les<strong>er</strong>in, lieb<strong>er</strong> Les<strong>er</strong>,<br />

als Guido West<strong>er</strong>welle vor einem Monat aufgrund<br />

des Urlaubs von Angela M<strong>er</strong>kel vorüb<strong>er</strong>gehend<br />

quasi Bundeskanzl<strong>er</strong> wurde und sogar<br />

eine Sitzung des Kabinetts leiten durfte, hielt<br />

ganz Deutschland den Atem an: Was würde d<strong>er</strong><br />

irre Lib<strong>er</strong>ale mit dies<strong>er</strong> Machtfülle anfangen?<br />

Würde <strong>er</strong> den Ausnahmezustand ausrufen und<br />

die Arbeitslosigkeit mit Hilfe mobil<strong>er</strong> Erschie -<br />

ßungskommandos auf Null bringen? Würde <strong>er</strong><br />

die Flagge d<strong>er</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />

neu gestalten (gelb-blau mit drei Punkten)?<br />

Würde <strong>er</strong> zum totalen Krieg gegen Unt<strong>er</strong>nehmenssteu<strong>er</strong>n<br />

aufrufen? Doch die Spannung v<strong>er</strong>flog<br />

schnell, denn West<strong>er</strong>welle tat – nichts. Und<br />

gab anschließend eine Pressekonf<strong>er</strong>enz. Bess<strong>er</strong><br />

hätte es, <strong>das</strong> muss man neidlos an<strong>er</strong>kennen,<br />

seine Chefin auch nicht machen können. Ist <strong>er</strong><br />

am Ende vielleicht doch reif für dieses Amt?<br />

★<br />

Es gibt so viel Streit und Unfrieden auf d<strong>er</strong> Welt<br />

– Christen gegen Moslems, Männ<strong>er</strong> gegen<br />

Frauen, Dortmund gegen Schalke ... Brauchen<br />

wir denn da wirklich noch den Kampf Journalisten<br />

gegen Regi<strong>er</strong>ung? Uns<strong>er</strong>e Politik<strong>er</strong> haben<br />

einen schw<strong>er</strong>en, undankbaren Job. Jeden Tag<br />

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w<strong>er</strong>den sie mit kniffligen Problemen konfronti<strong>er</strong>t,<br />

mit denen sie, so gut es geht, f<strong>er</strong>tig zu<br />

w<strong>er</strong>den v<strong>er</strong>suchen, und zwar zu uns<strong>er</strong> all<strong>er</strong><br />

Wohl. Das Letzte, was sie da gebrauchen können,<br />

sind irgendwelche üb<strong>er</strong>kritischen Schreib<strong>er</strong>linge,<br />

die nichts bess<strong>er</strong>es zu tun haben, als<br />

ständig »Affären« od<strong>er</strong> »Machenschaften« aufzudecken.<br />

Leid<strong>er</strong> gab es <strong>das</strong> in d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gangenheit<br />

viel zu oft – ab<strong>er</strong> diese unschöne Zeit<br />

scheint zum Glück nun vorbei zu sein. Denn im<br />

Somm<strong>er</strong> des Jahres 2010 haben sich Journalismus<br />

und Politik in Deutschland öffentlich die<br />

Hand zum Friedensschluss g<strong>er</strong>eicht und dieses<br />

Abkommen durch einen gegenseitigen Austausch<br />

von P<strong>er</strong>sonal symbolisi<strong>er</strong>t: D<strong>er</strong> ehemalige<br />

Regi<strong>er</strong>ungssprech<strong>er</strong> wurde Intendant des<br />

Bay<strong>er</strong>ischen Rundfunks, während seine alte<br />

Stelle vom Mod<strong>er</strong>ator des ZDF-»Heute-Journals«<br />

besetzt wurde. Ein großartig<strong>er</strong> Vorgang, d<strong>er</strong><br />

übrigens auch <strong>das</strong> Potential aufzeigt, <strong>das</strong> in<br />

dies<strong>er</strong> V<strong>er</strong>bindung liegt. Mehr davon gibt’s<br />

auf Seite 26.<br />

★<br />

Als die Nachricht durch die Medien ging, <strong>das</strong>s<br />

div<strong>er</strong>se am<strong>er</strong>ikanische Milliardäre angekündigt<br />

hatten, beträchtliche Teile ihres V<strong>er</strong>mögens für<br />

wohltätige Zwecke spenden zu wollen, war es<br />

nur eine Frage d<strong>er</strong> Zeit, bis auch bei uns die<br />

ewig gestrigen Gleichmach<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> ihren v<strong>er</strong>mutlich<br />

staatlich finanzi<strong>er</strong>ten Steinen h<strong>er</strong>vorgekrochen<br />

kamen und <strong>das</strong> gleiche auch von uns<strong>er</strong>en<br />

Leistungsträg<strong>er</strong>n ford<strong>er</strong>ten. Ab<strong>er</strong> zum einen<br />

müssen wir ja wohl nicht alles nachmachen,<br />

was aus Am<strong>er</strong>ika kommt, und zum and<strong>er</strong>en<br />

sollte man bedenken, <strong>das</strong>s allein schon die Vorstellung<br />

eines solchen Szenarios Deutschlands<br />

zweitreichsten Mann offenbar so <strong>er</strong>schreckt hat,<br />

<strong>das</strong>s <strong>er</strong> pünktlich zum Start dies<strong>er</strong> Debatte, ja<br />

genau genommen sogar noch kurz davor, in d<strong>er</strong><br />

Blüte sein<strong>er</strong> 88 Jahre plötzlich und un<strong>er</strong>wartet<br />

v<strong>er</strong>starb. Damit will ich keinesfalls andeuten,<br />

alle Anhäng<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> V<strong>er</strong>mögenssteu<strong>er</strong> od<strong>er</strong> ähnlich<strong>er</strong><br />

Ideen wären Mörd<strong>er</strong>, ab<strong>er</strong> <strong>das</strong>s Blut an<br />

ihren Händen klebt, wird wohl kein v<strong>er</strong>nünftig<strong>er</strong><br />

Mensch bestreiten wollen. Darum rufe ich diesen<br />

fehlgeleiteten Subjekten zu: Haltet ein, ihr<br />

V<strong>er</strong>blendeten! Unt<strong>er</strong>drückt euren Neid, arbeitet<br />

fleißig und lest uns<strong>er</strong>en Artikel auf Seite 22,<br />

auf <strong>das</strong>s euch v<strong>er</strong>geben w<strong>er</strong>de, und zwar von<br />

mir p<strong>er</strong>sönlich.<br />

Spendet reichlich Grüße<br />

Chefredakteur


Inhalt<br />

Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arno Funke<br />

3 Zeit im Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jüng<strong>er</strong> & Schlank<strong>er</strong><br />

4 Hausmitteilung<br />

6 Les<strong>er</strong>post<br />

8 Zeitansagen<br />

12 D<strong>er</strong> Aufruhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Utz Bamb<strong>er</strong>g<br />

14 Wörtliche Betäubung: Stuss aus einem Guss . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Röhl<br />

16 Mod<strong>er</strong>nes Leben<br />

18 Vorwärts imm<strong>er</strong> – rückwärts nimm<strong>er</strong>! . . . . . . Mathias Wedel / Guido Sieb<strong>er</strong><br />

22 »Ich hab doch selb<strong>er</strong> nix!«<br />

24 Uns<strong>er</strong>e Besten: Knorpelschaden,<br />

schöne Zähne – Helmut Markwort . . . . . . Carlo Dippold / Frank Hoppmann<br />

26 Mit dem Zweiten regi<strong>er</strong>t man bess<strong>er</strong> . . . . . . . Sedlaczek / Füll<strong>er</strong> / Koristka<br />

28 Allein unt<strong>er</strong> Ossis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gregor Füll<strong>er</strong><br />

18 Vorwärts imm<strong>er</strong> – rückwärts nimm<strong>er</strong>!<br />

Das Feuilleton jubelt: Helmut Markwort<br />

spielt am Volkstheat<strong>er</strong> Frankfurt<br />

im Stück »D<strong>er</strong> hessische Jed<strong>er</strong>mann«<br />

den Tod. Ob <strong>das</strong>s die 60 Focus-Mitarbeit<strong>er</strong>,<br />

die sich kürzlich haben<br />

abfinden lassen müssen, auch<br />

so lustig finden, wurde nicht <strong>er</strong>mittelt.<br />

Schon d<strong>er</strong> große Poet Karl Marx<br />

dichtete:<br />

Denk imm<strong>er</strong> dran, oh Mittelschicht,<br />

v<strong>er</strong>schwende deine Mittel nicht!<br />

24 Knorpelschaden, schöne Zähne<br />

32 In Schutt und Asche<br />

30 Digitales. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beck<br />

32 In Schutt und Asche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pet<strong>er</strong> Köhl<strong>er</strong><br />

34 Dinn<strong>er</strong> for two . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Barbara Hennig<strong>er</strong><br />

36 Lachen trägt die Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Behl<strong>er</strong>t<br />

38 Ich und du und wir und die . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G<strong>er</strong>hard Henschel<br />

40 Halbinselwitze<br />

41 Buch: Wenn d<strong>er</strong> Urlaub<strong>er</strong><br />

in d<strong>er</strong> Lit<strong>er</strong>atur strandet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias Biskupek<br />

42 Wahn & Sinn<br />

46 TV: Mein <strong>er</strong>stes Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Felice von Senkbeil<br />

47 Lebenshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Zak<br />

48 Kino: Toi, toi, toi – Toys!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Holland-Moritz<br />

49 Heimatkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G<strong>er</strong>hard Glück<br />

50 Funzel: Wied<strong>er</strong> Leben im Schlosspark<br />

52 Irgendwann wird <strong>er</strong> dann gehen. . . . . . . . Andreas Koristka / Petra Kast<strong>er</strong><br />

56 Mut zur Mücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rob<strong>er</strong>t Niemann / Kat Weidn<strong>er</strong><br />

58 Schwarz auf Weiß<br />

60 Jette Joop entgeht einem Klisti<strong>er</strong>. . . . . . . . . . . . . Frauke Baldrich-Brümm<strong>er</strong><br />

62 Fehlanzeig<strong>er</strong><br />

64 Rätsel / Les<strong>er</strong> machen mit / Meist<strong>er</strong>w<strong>er</strong>ke<br />

66 Impressum / ... und tschüs!<br />

Teilen d<strong>er</strong> Auflage ist eine Beilage d<strong>er</strong> ACDM GmbH beigefügt.<br />

<strong>Eulenspiegel</strong>-Post<strong>er</strong>s<strong>er</strong>vice<br />

Jeden Cartoon im <strong>Eulenspiegel</strong> können<br />

Sie als Post<strong>er</strong> auf hochw<strong>er</strong>tigem<br />

Papi<strong>er</strong> in den Formaten A2 und A3<br />

<strong>er</strong>w<strong>er</strong>ben.<br />

Im WWW od<strong>er</strong> telefonisch unt<strong>er</strong><br />

(030)29346319.<br />

Die Charta d<strong>er</strong> Grundrechte d<strong>er</strong> Europäischen<br />

Union – w<strong>er</strong> bish<strong>er</strong><br />

glaubte, dies sei ein staubtrocken<strong>er</strong><br />

juristisch<strong>er</strong> Text, wird nun eines<br />

bess<strong>er</strong>en belehrt. »Grundsätze d<strong>er</strong><br />

Am Sitzenbleiben in d<strong>er</strong> Schule muss<br />

festgehalten w<strong>er</strong>den, denn Sitzenzubleiben<br />

festigt den Charakt<strong>er</strong>, wie<br />

man an P<strong>er</strong>sönlichkeiten wie Edmund<br />

Stoib<strong>er</strong> und Adolf Hitl<strong>er</strong> sehen<br />

kann.<br />

Edgar Külow, wie ihn Harald Kretzschmar 1963 sah<br />

Den Ärzten geht es imm<strong>er</strong> schlecht<strong>er</strong>.<br />

Die meisten leben üb<strong>er</strong>haupt<br />

nur noch deshalb, weil sie sich von<br />

abgelaufenen Tabletten <strong>er</strong>nähren<br />

können.<br />

38 Ich und du und wir und die<br />

Gesetzmäßigkeit und d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>hältnismäßigkeit<br />

im Zusammenhang<br />

mit Straftaten und Strafen« sind<br />

nämlich nicht nur sexy, sond<strong>er</strong>n<br />

reinste Poesie.<br />

52 Irgendwann wird <strong>er</strong> dann gehen<br />

Die Beichte<br />

Als d<strong>er</strong> Postbote Norb<strong>er</strong>t Jablonski, v<strong>er</strong>heiratet,<br />

katholisch, zweiundvi<strong>er</strong>zig, vorsichtig<br />

einen Brief öffnete, in dem <strong>er</strong> etwas<br />

Geld v<strong>er</strong>mutete, sprach eine Kind<strong>er</strong>stimme<br />

aus d<strong>er</strong> Spüle: »Ich glaube, du<br />

musst mal wied<strong>er</strong> zur Beichte!« Er ging<br />

langsam zur sprechenden Spüle und fragte:<br />

»Hallo? Ist da jemand?«<br />

War ab<strong>er</strong> niemand da.<br />

Aus: Edgar Külow »Himmeldonn<strong>er</strong>wett<strong>er</strong>«<br />

<strong>Eulenspiegel</strong> V<strong>er</strong>lag 2010<br />

Mit diesem Text, d<strong>er</strong> in sein<strong>er</strong> dunkel raunenden<br />

Metaphorik die Lit<strong>er</strong>aturwissenschaft,<br />

die Theologie, die Humankapitaltheorie<br />

und die DDR-Alltags-Forschung noch<br />

lange beschäftigen wird, grüßt uns d<strong>er</strong> große<br />

kommunistische Humorist und humoristische<br />

Kommunist Edgar Külow zu seinem<br />

85. Geburtstag am 10. Septemb<strong>er</strong>.<br />

<strong>Eulenspiegel</strong> nimmt dankend an.<br />

EULENSPIEGEL 9/10 5


D<strong>er</strong> Les<strong>er</strong><br />

Zum Titel Heft 8/10<br />

Ihr Titelbild zeigt sehr deutlich die<br />

Situation in d<strong>er</strong> Regi<strong>er</strong>ung. Leid<strong>er</strong><br />

stimmt die Inschrift nicht. Es muss<br />

heißen, »die Anpassungsfähigen<br />

üb<strong>er</strong>leben«. Und da ist Frau M<strong>er</strong>kel<br />

ein Must<strong>er</strong> dafür. Vom FDJ-Sekretär<br />

zum Hätschelkind eines Kohl, zum<br />

Liebling des Kapitals (Ack<strong>er</strong>mann).<br />

G<strong>er</strong>d Schulz, Waldau<br />

Eben ein Mädel zum Liebhaben.<br />

Das Titelblatt 8/10 entspricht<br />

meinen geheimsten Wünschen!<br />

Danke, Funke!<br />

Diet<strong>er</strong> Strahl, Löbau<br />

Sie wollen auch mal <strong>er</strong>trinken?<br />

Die Nr. 8 ist Spitze, vom Titelbild<br />

angefangen bis zum Schluss.<br />

Reingard Reit<strong>er</strong>, Greiz<br />

D<strong>er</strong> Schluss ist uns<strong>er</strong>e Kontonumm<strong>er</strong><br />

(lange dran gearbeitet).<br />

Zu: »Hilfe, RTL«, Heft 7, S. 46<br />

Ihre treffliche Satire auf die Privatsend<strong>er</strong><br />

entspricht in vollstem<br />

Umfang dem, was ich p<strong>er</strong>sönlich<br />

von den völlig üb<strong>er</strong>flüssigen<br />

Dumm quotenjäg<strong>er</strong>n halte. Um<br />

primitiv- und vord<strong>er</strong>gründig<br />

denkende Anruf<strong>er</strong> zu locken (Ich<br />

weiß was!), schrecken sie vor<br />

nichts zurück, und nun gehen sie<br />

sogar schon an <strong>das</strong> Taschengeld<br />

von Kind<strong>er</strong>n.<br />

Roland Maul, Frankfurt (Od<strong>er</strong>)<br />

Hm ..., eigentlich eine gute Idee.<br />

Zu: »Uns<strong>er</strong>e Besten – D<strong>er</strong> einzig<br />

wahre Fußballgott«, Heft 8, S. 22<br />

Mit letztem Abpfiff d<strong>er</strong> WM habe<br />

ich meine Vorb<strong>er</strong>eitungen zur<br />

EM 2012 begonnen. Ich w<strong>er</strong>de dem<br />

Blatt<strong>er</strong> eine Abmahnung schicken.<br />

Mir schwebt da eine Summe von<br />

ca. 1 Mrd. Euro vor, die fällig wird,<br />

wenn <strong>er</strong> nochmals uns<strong>er</strong>e Kandisbunzl<strong>er</strong>in<br />

betatscht, <strong>das</strong> alte F<strong>er</strong>kel,<br />

igitt.<br />

W<strong>er</strong>n<strong>er</strong> Richt<strong>er</strong> p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Da gehören imm<strong>er</strong> zwei dazu.<br />

6 EULENSPIEGEL 9/10<br />

hat <strong>das</strong> Wort. Ab<strong>er</strong> nicht <strong>das</strong> letzte<br />

Da kann man noch so pointi<strong>er</strong>t<br />

od<strong>er</strong> empört schreiben, H<strong>er</strong>rn<br />

Blatt<strong>er</strong> wird’s nicht bewegen. Mich<br />

ab<strong>er</strong> bewegt die Frage, warum wegen<br />

des Friedensnobelpreises<br />

Schweden die Fußball-WM <strong>er</strong>halten<br />

sollte. Sie wissen doch, d<strong>er</strong> wird in<br />

Oslo v<strong>er</strong>geben und <strong>das</strong> gehört<br />

schon seit einig<strong>er</strong> Zeit zu ... Norwegen.<br />

Joachim Marczinke p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Ob d<strong>er</strong> Blatt<strong>er</strong> <strong>das</strong> weiß?<br />

Zu: »Mein Kind trinkt nur<br />

B<strong>er</strong>lin<strong>er</strong> Weiße«, Heft 8, S. 54<br />

Wenn ich auch befürchte,<br />

die Realität ist noch weitaus<br />

peinlich<strong>er</strong>, <strong>er</strong>laubte ich mir, trotz<br />

d<strong>er</strong> schlimmen Sachlage, in wahre<br />

Schreikrämpfe auszubrechen.<br />

Das war kein Lachen mehr. Das<br />

war mehr ein böses, nach Luft<br />

schnappendes Röcheln.<br />

Will sagen, als Fan Jochen-<br />

Pet<strong>er</strong>sdorf<strong>er</strong>-Schmank<strong>er</strong>ln bohrte<br />

sich Frauke Baldrich-Brümm<strong>er</strong><br />

treffsich<strong>er</strong> in diesen B<strong>er</strong>eich. Ich<br />

hatte mich schon mit d<strong>er</strong> Schwest<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> Erzähl<strong>er</strong>in angefreundet,<br />

da will sie zu »Wetten, <strong>das</strong>s ...«?<br />

>Darf’s von dies<strong>er</strong> Kost etwas<br />

mehr sein?< Ab<strong>er</strong> hallo!<br />

Rain<strong>er</strong> Welzel p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Geschmacksache!<br />

Zu: »Vat<strong>er</strong>, halte stand!«,<br />

Heft 8, S. 20<br />

Die antikommunistische Mär von<br />

d<strong>er</strong> Seelenv<strong>er</strong>wandtschaft von<br />

katholisch<strong>er</strong> Kirche und kommunistisch<strong>er</strong><br />

Partei ist uralt. Ihre Wied<strong>er</strong>aufb<strong>er</strong>eitung<br />

ab<strong>er</strong> neu und originell.<br />

Frei nach dem Motto, von<br />

d<strong>er</strong> Nied<strong>er</strong>lage des Sozialismus l<strong>er</strong>nen<br />

heißt siegen l<strong>er</strong>nen – genau<strong>er</strong><br />

gesagt, üb<strong>er</strong>leben l<strong>er</strong>nen –, wird<br />

d<strong>er</strong> Papst dazu <strong>er</strong>mahnt, ein ähnliches<br />

Schicksal von d<strong>er</strong> Kirche abzuwenden.<br />

Unbeteiligte Les<strong>er</strong> ab<strong>er</strong><br />

fragen sich gewiss, ob <strong>das</strong> noch<br />

Satire ist.<br />

Dr. Hans Schulze, B<strong>er</strong>lin<br />

Das kommt oft vor.<br />

Zu: FUNZEL, »Emanzipation? Von<br />

wegen!«, Heft 8, Seite 50<br />

Frauenunt<strong>er</strong>drückung und Sprache?<br />

Nur auf den <strong>er</strong>sten Blick.<br />

Natürlich ist <strong>das</strong> Gegenteil d<strong>er</strong> Fall:<br />

die Liebe – d<strong>er</strong> Hass<br />

die Geburt – d<strong>er</strong> Tod<br />

die Schönheit – d<strong>er</strong> Hesse<br />

die Intelligenz – d<strong>er</strong> Trottel<br />

die Bildung – d<strong>er</strong> Proll<br />

die Titten – d<strong>er</strong> Sack<br />

Noch Fragen?<br />

K. v. Spreckelsen, Lübeck<br />

Die Les<strong>er</strong>briefschreib<strong>er</strong>in –<br />

d<strong>er</strong> Les<strong>er</strong>briefschreib<strong>er</strong>.<br />

Zur Abo-W<strong>er</strong>bung, Heft 7, S. 65<br />

Im Auftrag meines Mandanten ford<strong>er</strong>e<br />

ich Sie auf, Schadens<strong>er</strong>satz<br />

zu leisten. Aufgrund irreführend<strong>er</strong><br />

und in betrüg<strong>er</strong>isch<strong>er</strong> Absicht gestaltet<strong>er</strong><br />

W<strong>er</strong>bung <strong>er</strong>weckten Sie<br />

die Hoffnung in meinem Mandanten,<br />

<strong>das</strong>s ihm beim Abschluss eines<br />

Abonnements folgende V<strong>er</strong>schön<strong>er</strong>ungen<br />

wied<strong>er</strong>fahren: aufsteigende<br />

Augenbrauen, entspannte<br />

Nasenfaltensituation,<br />

weiche, schön geformte Kaumuskulatur<br />

und ein rundes Kinn. Dieses<br />

ist bis dato nicht eingetroffen.<br />

Zur Unt<strong>er</strong>mau<strong>er</strong>ung uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Ford<strong>er</strong>ung<br />

habe ich ein Bild meines<br />

Mandanten beigelegt.<br />

Ralph Häuß <strong>er</strong>mann p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Und wie sah <strong>er</strong> vor dem Abo aus?<br />

Zu: »D<strong>er</strong> Freiheit eine Bohne«,<br />

Heft 8, Seite 32<br />

Rob<strong>er</strong>t Niemann behauptet, in<br />

d<strong>er</strong> DDR wären Aub<strong>er</strong>ginen wie<br />

simple UFOs betrachtet worden.<br />

Also Utopie. Wahrscheinlich war <strong>er</strong><br />

da noch in den Windeln. Denn<br />

diese UFOs gab es in den 50<strong>er</strong> Jahren<br />

sogar in d<strong>er</strong> Dresdn<strong>er</strong> Markthalle<br />

und im Wohnheimkonsum als<br />

bulgarische Kons<strong>er</strong>ve in Gläs<strong>er</strong>n,<br />

sozusagen »to go«. Hahaha!<br />

Ernst Rohn<strong>er</strong>, DDR-Bürg<strong>er</strong> a.D.,<br />

Hannov<strong>er</strong><br />

Aub<strong>er</strong>ginen to go? Das schafft d<strong>er</strong><br />

Westen nie!<br />

Ich bitte Sie dringend, ein neues<br />

Präsi-Post<strong>er</strong> h<strong>er</strong>auszubringen. Ich<br />

möchte in meinem Büro den Neuen<br />

neben den Alten hängen.<br />

Was danach geschah<br />

Eu<strong>er</strong> treu<strong>er</strong> Abonnent seit 1974.<br />

(Ich war damals bei d<strong>er</strong> Post und<br />

hatte somit Beziehungen. Heute<br />

braucht man and<strong>er</strong>e, die ich nicht<br />

habe, sonst wär’ ich vielleicht Bu-<br />

Prä geworden.)<br />

Udo Ulbrich p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Den Neuen hat Funke schon v<strong>er</strong>sucht.<br />

H<strong>er</strong>aus kommt imm<strong>er</strong> »Kind<strong>er</strong>popo<br />

mit Goldrandbrille«. Können<br />

wir unmöglich drucken.<br />

Zu: »Lebt eigentlich Jürgen Bogs<br />

noch?«, Heft 8, Seite 11<br />

Jetzt habt Ihr es geschafft. Ihr<br />

habt mich <strong>er</strong>wischt. Dabei war ich<br />

so gewissenhaft, bildungshungrig<br />

und aufgeschlossen allem gegenüb<strong>er</strong>,<br />

was von Ost nach West<br />

schwapp te: W<strong>er</strong> zum Kuckuck ist,<br />

war und wird gewesen sein – Jürgen<br />

Bogs? Erklärt es mir od<strong>er</strong> v<strong>er</strong>weist<br />

mich an jemanden, d<strong>er</strong> helfen<br />

kann.<br />

G<strong>er</strong>d Gensmann, Duisburg<br />

An Rob<strong>er</strong>t Niemann.<br />

Was ist bloß mit W<strong>er</strong>n<strong>er</strong> Klopsteg<br />

los? Zwei Eulen ohne seinen<br />

Les<strong>er</strong>brief? Ihm wird doch<br />

nichts passi<strong>er</strong>t sein!<br />

Günt<strong>er</strong> Reinhardt, Meiß en<br />

Nein. Siehe unten.<br />

Zu: »Poldi, Poldi, halleluja!«,<br />

Heft 8, S. 12<br />

Ernst Röhl exp<strong>er</strong>imenti<strong>er</strong>t mit<br />

dem Unwort »Schland«. Ab<strong>er</strong><br />

w<strong>er</strong> od<strong>er</strong> was ist »Schland«? Ist<br />

Röhl etwa ein Schlandrian? Eine<br />

b<strong>er</strong>echtigte Frage an die »Schland-<br />

Eule«! Od<strong>er</strong> den Schlandspiegel.<br />

W<strong>er</strong>n<strong>er</strong> Klopsteg, B<strong>er</strong>lin<br />

Pass auf Dich auf, W<strong>er</strong>n<strong>er</strong>!<br />

Ich lese <strong>jetzt</strong> seit 10 Jahren den<br />

<strong>Eulenspiegel</strong>. Wann bekomme ich<br />

mein Geschenk?<br />

Christoph Cavazzini p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Das wollten wir eigentlich<br />

Sie fragen!<br />

Den Vogel von Wahn & Sinn (Entwurf:<br />

Heike Drewelow) hat Wolfgang<br />

Hill aus Dresden üb<strong>er</strong>lebensgroß<br />

in Eiche geschnitzt und<br />

sein<strong>er</strong> Gattin v<strong>er</strong>ehrt. Diese lehnte<br />

ihn voll<strong>er</strong> Freude aus Platzgründen<br />

ab. Eines Tages fuhr ein Schw<strong>er</strong> -<br />

transport<strong>er</strong> auf dem Hof des <strong>Eulenspiegel</strong><br />

vor …<br />

Danke, H<strong>er</strong>r Hill! Die Begeist<strong>er</strong>ung<br />

war riesig! Inzwischen ha -<br />

ben wir Ihr W<strong>er</strong>k d<strong>er</strong> deutschen Öffentlichkeit<br />

üb<strong>er</strong>geben. D<strong>er</strong> Regi<strong>er</strong>ende<br />

Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> lässt Sie<br />

h<strong>er</strong>z lich grüßen.


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ENDLICH! Keine F<strong>er</strong>ien!<br />

Im Urlaub hat die Kanzl<strong>er</strong>in einen 3-Punkte-Plan zur<br />

Rettung d<strong>er</strong> Regi<strong>er</strong>ung auf einem Briefumschlag noti<strong>er</strong>t,<br />

den sie neulich, als sie ihren <strong>Eulenspiegel</strong> in d<strong>er</strong><br />

Redaktion abholte, »v<strong>er</strong>sehentlich« auf dem Schirmständ<strong>er</strong><br />

liegen ließ.<br />

Von uns<strong>er</strong>em<br />

Hauptstadt-<br />

Korrespondenten<br />

Atze<br />

Svoboda<br />

Nussig<br />

Die Wahrheit kann auch einmal kurz und<br />

bündig sein. Wie viel Häme wurde schon<br />

üb<strong>er</strong> Guido West<strong>er</strong>welle ausgegossen, tonnenweise<br />

Hämeglobin! Ausg<strong>er</strong>echnet <strong>jetzt</strong>,<br />

wo <strong>er</strong> von keinem in B<strong>er</strong>lin mehr für voll<br />

genommen wird, läuft <strong>er</strong> zu groß<strong>er</strong> Form<br />

auf. Ich war bei sein<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten (einzigen?)<br />

Pressekonf<strong>er</strong>enz als amti<strong>er</strong>end<strong>er</strong> Bundeskanzl<strong>er</strong><br />

dabei, während die Chefin im Urlaub<br />

weilte: Er roch gut – nussig und leicht<br />

säu<strong>er</strong>lich – ich saß ganz vorn. Er blinzelte<br />

mir bübisch zu. Er hat stahlblaue Augen.<br />

Unt<strong>er</strong> seinem feinen Anzug spannten sich<br />

die Sehnen, die Muskeln, die Seele ... Aus<br />

seinem Munde kamen gute, duftende, humorsaftende<br />

Bem<strong>er</strong>kungen. Dann sah <strong>er</strong><br />

nochmals zu mir h<strong>er</strong>üb<strong>er</strong>, weil mir ein Träg<strong>er</strong><br />

meines Muscleshirts auf den Ob<strong>er</strong>arm<br />

g<strong>er</strong>utscht war und ein Stück mein<strong>er</strong> muskulösen<br />

Brust freigelegt hatte. Wie peinlich!<br />

Ich <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>te mich des Credos des unv<strong>er</strong>gesslichen<br />

Hajo Friedrichs: Ein Journalist<br />

soll sich mit kein<strong>er</strong> Sache gemein machen,<br />

auch nicht mit d<strong>er</strong> schönsten, auch<br />

nicht, wenn sie Guido heißt.<br />

D<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>schied zu<br />

Brüd<strong>er</strong>le<br />

Niebel richtet den Schaden<br />

draußen an.<br />

Nel<br />

Phantasielosigkeit<br />

Im Zuge d<strong>er</strong> Neuregelung d<strong>er</strong><br />

Hartz-IV-Sätze prüft man ihre<br />

Kopplung an Renten, Löhne od<strong>er</strong><br />

die Inflationsrate. Eine Kopplung<br />

an die Rendite d<strong>er</strong> Deutschen<br />

Bank ist nicht im Gespräch.<br />

Ove Lieh<br />

FUSSBALL-WM ÖFTER. Weil die<br />

WM 2006 und 2010 die deutsche<br />

Wirtschaft g<strong>er</strong>ettet haben,<br />

hat sich die Kanzl<strong>er</strong>in bei Blatt<strong>er</strong><br />

(<strong>er</strong> üb<strong>er</strong> sie: »ein Teufelsweib!«,<br />

sie üb<strong>er</strong> ihn: »ein Bonze<br />

wie aus alten Zeiten!«) dafür<br />

stark gemacht, <strong>das</strong>s alle zwei<br />

Jahre ein Somm<strong>er</strong>märchen<br />

stattfindet, abwechselnd in<br />

Duisburg und in B<strong>er</strong>lin. Die FDP<br />

reagi<strong>er</strong>te sofort. Gen<strong>er</strong>alsekretär<br />

Lindn<strong>er</strong> ließ üb<strong>er</strong> seinen<br />

Sprech<strong>er</strong> West<strong>er</strong>welle v<strong>er</strong>lauten,<br />

<strong>das</strong>s anstrengungslose<br />

»Brot und Spiele« zum vollständigen<br />

Nied<strong>er</strong>brennen Roms geführt<br />

hätten. M<strong>er</strong>kel rechnet mit<br />

1 Million neuen Arbeitsplätzen<br />

bei Flaggennäh<strong>er</strong>innen, Großbildschirmv<strong>er</strong>käuf<strong>er</strong>n,<br />

Tröten-<br />

H<strong>er</strong>stell<strong>er</strong>n und Brau<strong>er</strong>eien.<br />

RÜCKTRITTSVERBOT MIT<br />

RÜCKFETTENDER WIRKUNG.<br />

Um dem Brain-Drain (Hirnabwand<strong>er</strong>ung)<br />

d<strong>er</strong> Union einen<br />

Riegel vorzuschieben, darf niemand<br />

mehr umfallen. Vor allem<br />

nicht Wolfgang Schäuble,<br />

d<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits bewiesen hat, <strong>das</strong>s<br />

<strong>er</strong> auch liegend kann, und Eri -<br />

ka Steinbach. Bei Zuwid<strong>er</strong>handlung<br />

wird Schäuble in ein<br />

Krankenhaus nach Rösl<strong>er</strong>s<br />

Wahl und Steinbach nach Polen<br />

abgeschoben. Rösl<strong>er</strong> muss<br />

sich bei Rücktritt nach dem<br />

Hausarztprinzip (Krankheiten,<br />

die nicht in Ruhe gelassen w<strong>er</strong>den,<br />

führen zum Tode) ehrenhaft<br />

selb<strong>er</strong> richten.<br />

KABINETTSUMBILDUNG.<br />

Ramsau<strong>er</strong> (Spitzname »Michel<br />

Glos«) und Aign<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den Guttenb<strong>er</strong>gs<br />

Ob<strong>er</strong>befehl unt<strong>er</strong>stellt.<br />

Aign<strong>er</strong> soll unauffällig<br />

ihre Untätigkeit fortsetzen und<br />

Ramsau<strong>er</strong> soll grammatikalisch<br />

weit<strong>er</strong> an seinem Lieblingssatz<br />

feilen: »Auch bei minus 40 Grad<br />

sollen alle Züge fahren, genauso<br />

wie bei plus 40 Grad und<br />

allem, was dazwischen liegt.«<br />

Um den politischen Gegn<strong>er</strong> zu<br />

v<strong>er</strong>wirren, wird Dirk Niebel Minist<strong>er</strong><br />

für Frauen und Familie<br />

und <strong>er</strong>klärt umgehend, <strong>das</strong>s <strong>er</strong><br />

dieses Ressort eigentliche für<br />

üb<strong>er</strong>flüssig hält. Pofalla bleibt<br />

im Kanzl<strong>er</strong>amt. Jedoch nicht<br />

mehr als Kanzl<strong>er</strong>amtsminist<strong>er</strong>,<br />

sond<strong>er</strong>n als Luftbefeucht<strong>er</strong><br />

bzw. als künftig<strong>er</strong> Zählkandidat<br />

für <strong>das</strong> Präsidentenamt, falls<br />

Wulff ein Vät<strong>er</strong>jahr einlegt.<br />

Hans-Christian Mrowietz<br />

Andreas Prüstel<br />

8 EULENSPIEGEL 9/10


Zeit ansagen<br />

Int<strong>er</strong>nationale Solidarität<br />

Die Kuban<strong>er</strong> wollen ein bisschen Kapitalismus einführen.<br />

Wir könnten davon g<strong>er</strong>n etwas abgeben.<br />

OL<br />

Es geht aufwärts<br />

D<strong>er</strong> Aufschwung <strong>er</strong>reicht endlich<br />

auch die Kommunen. So sollen Nied<strong>er</strong>würzbach<br />

in Ob<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>würzbach<br />

und Unt<strong>er</strong>schleißheim in Mittelschleißheim<br />

umbenannt w<strong>er</strong>den.<br />

Michael Kais<strong>er</strong><br />

Laufen ist gesund!<br />

In d<strong>er</strong> Reaktorfrage plädi<strong>er</strong>t die Bundesregi<strong>er</strong>ung<br />

<strong>jetzt</strong> doch für läng<strong>er</strong>e<br />

Laufzeiten. Ein Regi<strong>er</strong>ungssprech<strong>er</strong><br />

empfahl: »Im Falle eines Reaktorunfalls<br />

ist es <strong>das</strong> Beste, so lange und<br />

weit wie möglich zu laufen.« MK<br />

Trost für Besitzlose<br />

Einen Ölkonz<strong>er</strong>n zu besitzen macht<br />

auch Probleme.<br />

OL<br />

Gegen den Strom<br />

Die Grünen w<strong>er</strong>fen den En<strong>er</strong>giekonz<strong>er</strong>nen<br />

vor, Stromgebühren von<br />

mehr als ein<strong>er</strong> Milliarde Euro zu Unrecht<br />

von den V<strong>er</strong>brauch<strong>er</strong>n eingeford<strong>er</strong>t<br />

zu haben. Um die negativen<br />

Imageschäden dies<strong>er</strong> Äuß<strong>er</strong>ung finanziell<br />

wied<strong>er</strong> ausgleichen zu können,<br />

sehen sich die Stromkonz<strong>er</strong>ne<br />

nun gezwungen, üb<strong>er</strong> Preis<strong>er</strong>höhungen<br />

nachzudenken.<br />

MK<br />

Schlachtruf des Lib<strong>er</strong>alismus:<br />

»Freiheit, Gleichheit, Brüd<strong>er</strong>le!«<br />

OL<br />

Burkhard Fritsche<br />

Jan Tomaschoff<br />

Wikileaks hat uns die Augen geöffnet!<br />

• Im Krieg st<strong>er</strong>ben Feinde und<br />

d<strong>er</strong>en V<strong>er</strong>wandte, manchmal<br />

ab<strong>er</strong> auch Menschen. Die<br />

kommen dann aus Chicago,<br />

Bad Oeynhausen od<strong>er</strong> Suhl.<br />

• Napalm ist nicht dufte, obwohl<br />

es zur Hälfte aus Seife besteht.<br />

• Im Krieg wird die Freiheit v<strong>er</strong>teidigt,<br />

zumeist entlang von<br />

Flüssen und Gebirgen (Maas,<br />

Memel, Hindukusch).<br />

• Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

kommt d<strong>er</strong> Dritte.<br />

• »Ohne Krieg gäbe es keinen Frieden,<br />

ohne Hitl<strong>er</strong> keinen Gandhi«<br />

ist ein prima Einwurf, um Kirchentag-Workshops<br />

in einem Tumult<br />

enden zu lassen.<br />

• W<strong>er</strong> den Krieg nicht v<strong>er</strong>passen<br />

will, sollte früh aufstehen, am besten<br />

so um Vi<strong>er</strong>tel vor sechs.<br />

• »Rambo«, »Missing in Action«<br />

und selbst »Saving Private Ryan«<br />

sind Spielfilme. »M.A.S.H.« hingegen<br />

ist ein Dokumentarfilm.<br />

• »Soldaten sind Mörd<strong>er</strong>« ist ein<br />

Zitat von Kurt Tucholsky.<br />

Michael Stein<br />

Wie man<br />

<strong>das</strong> rechnet<br />

Die Univ<strong>er</strong>sität Friedrichshafen<br />

war bislang durch<br />

ihren lustigen Namen auffällig<br />

geworden – Zeppelin-Univ<strong>er</strong>sität.<br />

Ihrem Namen v<strong>er</strong>pflichtet,<br />

<strong>er</strong>forscht sie auch<br />

die DDR – auch ein abgestürztes<br />

Flugobjekt. Die eingängige<br />

These d<strong>er</strong> Wissenschaftl<strong>er</strong>:<br />

Je töt<strong>er</strong> die DDR, desto<br />

bös<strong>er</strong>. Wenn es z.B. die Stasi<br />

nicht gegeben hätte, wäre die<br />

Arbeitslosigkeit in den ostdeutschen<br />

Länd<strong>er</strong>n x Prozent<br />

g<strong>er</strong>ing<strong>er</strong>. Wie man <strong>das</strong> rechnet?<br />

Na, so: Die Zahl Langzeitarbeitslos<strong>er</strong><br />

teilt man<br />

durch die Zahl d<strong>er</strong> enttarnten<br />

IM des MfS und gewinnt damit<br />

die absolute Zahl von Arbeitslosen,<br />

die direkt auf <strong>das</strong><br />

Konto d<strong>er</strong> Stasi gehen.<br />

Das funktioni<strong>er</strong>t. Die Zahl<br />

d<strong>er</strong> Unfälle im Straßenv<strong>er</strong>kehr,<br />

d<strong>er</strong> Fehlgeburten, d<strong>er</strong> Insolvenzen,<br />

d<strong>er</strong> Leichenschändungen,<br />

d<strong>er</strong> Alkoholv<strong>er</strong>giftungen<br />

und d<strong>er</strong> Suizide in Ostdeutschland<br />

– für all <strong>das</strong> ist<br />

zu einem gewissen Prozentsatz<br />

die Stasi v<strong>er</strong>antwortlich,<br />

wenn man den Stasifaktor<br />

rechn<strong>er</strong>isch einbezieht.<br />

Das gilt auch für Dinge, an<br />

denen Mangel h<strong>er</strong>rscht. Da<br />

muss man all<strong>er</strong>dings Subtrahi<strong>er</strong>en.<br />

So ist die Zahl d<strong>er</strong> Organspenden<br />

pro Kopf im Osten<br />

signifikant g<strong>er</strong>ing<strong>er</strong> als im Westen.<br />

Wie man <strong>das</strong> rechnet? Na,<br />

so: Organspende-Westw<strong>er</strong>t minus<br />

Zahl d<strong>er</strong> IM gleich Zahl d<strong>er</strong><br />

Organspenden im Osten.<br />

So, und nun sind die Les<strong>er</strong><br />

gefragt: In Ostdeutschland<br />

gibt es pro Kopf zu viele Spaß -<br />

bäd<strong>er</strong>, die den Haushalt d<strong>er</strong><br />

Kommunen belasten. Wie<br />

viele davon v<strong>er</strong>schuldete die<br />

Stasi – und wie haben Sie <strong>das</strong><br />

g<strong>er</strong>echnet?<br />

Mathias Wedel<br />

Plagiat!<br />

Beobachtungsturm »BT 11«<br />

Copyright: Grenztruppen<br />

d<strong>er</strong> DDR ab 1966<br />

Billig<strong>er</strong> Nachbau:<br />

Google-Streetview,<br />

ab 2008<br />

Michael Garling<br />

EULENSPIEGEL 9/10 9


Zeit ansagen<br />

Für alle Fälle<br />

D<strong>er</strong> M<strong>er</strong>cedes von Aldi-Gründ<strong>er</strong> Theo Albrecht<br />

wurde v<strong>er</strong>kauft. Das Auto ist mit Sich<strong>er</strong>heitsextras<br />

ausgestattet: Im Koff<strong>er</strong>raum befanden sich ein Karton<br />

Texas-Eintopf und zwei Paletten Dosenbi<strong>er</strong>.<br />

MS<br />

Regelungsbedarf<br />

Nach div<strong>er</strong>sen Volksentscheiden<br />

soll die Demokratie<br />

neu g<strong>er</strong>egelt w<strong>er</strong>den. Krit<strong>er</strong>ium<br />

wird d<strong>er</strong> Intelligenztest<br />

sein, dem sich alle<br />

Wahlb<strong>er</strong>echtigten unt<strong>er</strong>w<strong>er</strong>fen<br />

müssen. Bislang gibt es<br />

zwei Konzepte: Das eine<br />

sieht vor, Dumme von<br />

Wahlen und Volksentscheiden<br />

zu befreien. Das and<strong>er</strong>e<br />

sieht vor, <strong>das</strong>s Dumme ihr<br />

eigenes Parlament wählen<br />

können (<strong>das</strong> »Parlament d<strong>er</strong><br />

Dummen«) und bei Volksentscheiden<br />

nur für die<br />

Dummen (und vielleicht für<br />

die Ossis) voti<strong>er</strong>en dürfen.<br />

Die Todesstrafe, für die sich<br />

diese Bevölk<strong>er</strong>ungsgruppe<br />

voraussichtlich entscheiden<br />

wird, gilt dann nur für Leute<br />

mit einem IQ unt<strong>er</strong> 90 (und<br />

Ossis). Matti Friedrich<br />

Postmod<strong>er</strong>ne<br />

Früh<strong>er</strong> mussten E-Mails vom Briefträg<strong>er</strong><br />

ausgetragen w<strong>er</strong>den. Im Comput<strong>er</strong>zeitalt<strong>er</strong><br />

w<strong>er</strong>den alle E-Mails durch Telefonkabel<br />

v<strong>er</strong>schickt, weil die Postboten mit den W<strong>er</strong>bebroschüren<br />

alle Hände voll zu tun haben.<br />

Ab<strong>er</strong> wie oft biegt eine E-Mail falsch ab<br />

od<strong>er</strong> bleibt stecken, weil sie zu dick ist!<br />

Dazu lau<strong>er</strong>n üb<strong>er</strong>all Wegelag<strong>er</strong><strong>er</strong> den Mails<br />

auf und lesen sie heimlich.<br />

Wie gut, <strong>das</strong>s es <strong>jetzt</strong> einen sich<strong>er</strong>en Schutz<br />

für elektronische E-Mails gibt: Die E-Mail<br />

schreiben, ausdrucken, in den Briefumschlag<br />

stecken, franki<strong>er</strong>en und zur Post<br />

bringen. Nicht v<strong>er</strong>gessen, »E-Mail« auf den<br />

Umschlag zu schreiben und dann geht die<br />

Post ab!<br />

Dieses V<strong>er</strong>fahren heißt E-Postbrief und soll<br />

so lange beibehalten w<strong>er</strong>den, bis die alten<br />

Rohrpostv<strong>er</strong>bindungen wied<strong>er</strong> flott gemacht<br />

sind und d<strong>er</strong> R(ohrpost)-Brief den E-<br />

Brief ablösen kann.<br />

Kriki<br />

L<strong>er</strong>nen für <strong>das</strong> Leben<br />

In Bay<strong>er</strong>n ist man noch weit<strong>er</strong>.<br />

Dort hat man die h<strong>er</strong>kömmlichen<br />

Erziehungsmaßnahmen<br />

wie Tadel und V<strong>er</strong>weis<br />

durch die elektronische<br />

Fußfessel <strong>er</strong>setzt. Das Kultusminist<strong>er</strong>ium<br />

in München<br />

prüft nun, ob <strong>das</strong> Ding unt<strong>er</strong><br />

Lehrmittelfreiheit fällt od<strong>er</strong><br />

ob eine Benutzungsgebühr<br />

von den Elt<strong>er</strong>n des Delinquenten<br />

<strong>er</strong>hoben wird. Da<br />

d<strong>er</strong> Einsatz von Nacktscann<strong>er</strong>n<br />

teu<strong>er</strong> ist, bleibt d<strong>er</strong>en<br />

Einsatz zunächst auf die<br />

Schulen beschränkt, die<br />

dringenden Bedarf angemeldet<br />

haben – wie Odenwaldschule<br />

od<strong>er</strong> Klost<strong>er</strong> Ettal.<br />

Jan Frehse<br />

Nur konsequent<br />

Bundesjustizminist<strong>er</strong>in Leutheuss<strong>er</strong>-Schnarrenb<strong>er</strong>g<strong>er</strong><br />

scheint nun doch vom Einsatz<br />

d<strong>er</strong> Fußfesseln im Strafvollzug<br />

abzurücken. Stattdessen<br />

sollen die b<strong>er</strong>eits bestellten<br />

Fußfesseln genutzt w<strong>er</strong>den,<br />

um den Abgeordneten des<br />

Deutschen Bundestages <strong>das</strong><br />

Schwänzen von Plenarsitzungen<br />

zu <strong>er</strong>schw<strong>er</strong>en. MK<br />

Ganzheitlich geheilt<br />

Krankenv<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>ungen sollen weit<strong>er</strong>hin homöopathische<br />

Medikamente bezahlen dürfen. Homöopathie<br />

funktioni<strong>er</strong>t auch bei Pharmaunt<strong>er</strong>nehmen: Schon<br />

viele kleine Dosen genügen, um sich gesundzustoßen.<br />

W<strong>er</strong>n<strong>er</strong> Lutz<br />

Andreas Prüstel<br />

D<strong>er</strong> Ball rollt wied<strong>er</strong> in Schlaand, d<strong>er</strong><br />

Heimat des Vizevizeweltmeist<strong>er</strong>s!<br />

Stolz präsenti<strong>er</strong>en altvord<strong>er</strong>e V<strong>er</strong>eine<br />

ihre frisch <strong>er</strong>worbenen Gebrauchtstars<br />

Raúl und Ballack.<br />

Ab<strong>er</strong> was ist <strong>das</strong>? Kommt <strong>jetzt</strong> bald<br />

Ronaldo nach Nürnb<strong>er</strong>g, od<strong>er</strong> Zidane<br />

nach Frankfurt? Die Liga, <strong>jetzt</strong> eine Art<br />

Jurassic Park für Kickosauri<strong>er</strong> aus<br />

dem Kahnozän? Wird die Eintrittskarte<br />

<strong>jetzt</strong> zur Museumskarte umgewidmet,<br />

gar bezuschusst aus den<br />

Töpfen für Kultur und Bildung?<br />

Mit dem Altgouda van Nistelrooy in<br />

Hamburg od<strong>er</strong> d<strong>er</strong> finnischen Moorleiche<br />

Hyypiä begründet die Bundesliga<br />

einen Trend, d<strong>er</strong> Schule machen<br />

könnte: Im Tausch gegen<br />

junge, mit unabwägbar<strong>er</strong> Karri<strong>er</strong>e-<br />

Prognose behaftete migrationshint<strong>er</strong>begründete<br />

Mitbürg<strong>er</strong> wie den<br />

Stuttgart<strong>er</strong> Sami Khedira bekommen<br />

wir hochkultivi<strong>er</strong>te EU-Bürg<strong>er</strong>,<br />

die in ihren Sippen stabil sozial<br />

v<strong>er</strong>netzt sind, wie <strong>das</strong> spanische<br />

Volksdenkmal Raúl. Die können<br />

sich – in den Kad<strong>er</strong>n uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Erstligisten<br />

betreut – in den Ruhestand<br />

kicken.<br />

Wenn man dieses Prinzip in den Bildungsb<strong>er</strong>eich<br />

üb<strong>er</strong>tragen würde,<br />

könnte man ganze schw<strong>er</strong><strong>er</strong>ziehbare<br />

Schül<strong>er</strong>schaften aus B<strong>er</strong>lin-Neukölln<br />

gegen die Lehrkörp<strong>er</strong> von Cambridge<br />

od<strong>er</strong> Harvard tauschen. Rentn<strong>er</strong><br />

mit Kohle statt kostspielig<strong>er</strong><br />

D<strong>er</strong> Club d<strong>er</strong> eld<strong>er</strong> Feldman<br />

Jungspunde mit unsich<strong>er</strong><strong>er</strong> Steu<strong>er</strong>entwicklung.<br />

Weg mit dem Jungvolk,<br />

h<strong>er</strong> mit den Golden Ag<strong>er</strong>n!<br />

Ballack setzt mit sein<strong>er</strong> Rückkehr<br />

auch <strong>das</strong> richtige Signal an den Arbeitsmarkt:<br />

Wir Alten sind noch zu<br />

was zu gebrauchen! Zumindest als<br />

Vorbild. Denn mit dem <strong>er</strong>reichen<br />

von sportlichen Zielen kann <strong>das</strong> alles<br />

nichts zu tun haben. Niemand<br />

glaubt <strong>er</strong>nsthaft, <strong>das</strong>s Schalke die<br />

Gruppenphase d<strong>er</strong> CL üb<strong>er</strong>lebt od<strong>er</strong><br />

Lev<strong>er</strong>kusen jemals einen Titel gewinnt.<br />

Bleibt die Frage nach d<strong>er</strong> Motivation<br />

d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>eine, so viel Geld für<br />

Gruftis auszugeben.<br />

Bei Schalke fällt die Antwort leicht.<br />

W<strong>er</strong> will schon in Gelsenkirchen arbeiten?<br />

Jemand, d<strong>er</strong> <strong>das</strong> Leben noch<br />

vor sich hat, sich<strong>er</strong>lich nicht. Bei<br />

Bay<strong>er</strong> 04 munkelt man von medizinischen<br />

Exp<strong>er</strong>imenten am lebenden<br />

Objekt und phänomenalen Entdeckungen<br />

auf dem Gebiet d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>ontologie.<br />

Was auch imm<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Grund sein mag, die Liga braucht<br />

bei anhaltend<strong>er</strong> Entwicklung bald<br />

einen neuen Slogan: »Bundesliga –<br />

hi<strong>er</strong> ruht d<strong>er</strong> Ball!«<br />

10 EULENSPIEGEL 9/10


Anonym<br />

Um Diskrimini<strong>er</strong>ung in Zukunft zu<br />

v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>n, möchte Familienminist<strong>er</strong>in<br />

Kristina Schröd<strong>er</strong>, <strong>das</strong>s Bew<strong>er</strong>bungen,<br />

die an ihr Minist<strong>er</strong>ium g<strong>er</strong>ichtet<br />

sind, komplett anonymisi<strong>er</strong>t<br />

w<strong>er</strong>den: kein Name, keine Angaben<br />

zu Geschlecht, Alt<strong>er</strong> und Blutgruppe.<br />

Ab<strong>er</strong> ist den Arbeitsuchenden damit<br />

wirklich geholfen od<strong>er</strong> <strong>er</strong>kennt man<br />

ohnehin, w<strong>er</strong> sich hi<strong>er</strong> bewirbt?<br />

Sehr geehrte Damen,<br />

hi<strong>er</strong>mit sende ich Ihnen meine Initiativbew<strong>er</strong>bung<br />

als Frauenbeauftragt<strong>er</strong> od<strong>er</strong><br />

-te in Ihrem Hause. Während mein<strong>er</strong> bish<strong>er</strong>igen<br />

Tätigkeiten konnte ich unt<strong>er</strong>schiedlichste<br />

Erfahrungen auf dem Gebiet<br />

d<strong>er</strong> sozialen Frauenarbeit sammeln<br />

und würde mich freuen, nun in Ihr Mi -<br />

nist<strong>er</strong>ium einzudringen. Durch meine<br />

langjährigen Erfahrungen kann ich mehr<strong>er</strong>e<br />

Fälle gleichzeitig bearbeiten und<br />

könnte meine Leistungen auf diesem<br />

Gebiet durch Erweit<strong>er</strong>ung meines SIM-<br />

Karten-Speich<strong>er</strong>s noch optimi<strong>er</strong>en. Ich<br />

arbeite mit dem pädagogischen Konzept<br />

von Zuck<strong>er</strong>brot und Peitsche sowie Fesseln.<br />

Dabei habe ich mir vorgenommen,<br />

zukünftig vorsichtig<strong>er</strong> vorzugehen, und<br />

habe mir zur Illustri<strong>er</strong>ung meinen Bart<br />

od<strong>er</strong> Bartin abrasi<strong>er</strong>t. In mein<strong>er</strong> Freizeit<br />

bin ich g<strong>er</strong>ne draußen, auch bei<br />

schlechtem Wett<strong>er</strong>. Stellen Sie mich also<br />

ein und profiti<strong>er</strong>en Sie von meinem<br />

mess<strong>er</strong>scharfen V<strong>er</strong>stand.<br />

Mit freundlichem Grüezi<br />

Chiffre: Hochdruck-Gebiet<br />

Andreas Koristka<br />

Zahlenkünstl<strong>er</strong><br />

Dank d<strong>er</strong> Hartz-IV-Gesetze soll die Arbeitslosenzahl<br />

bis 2014 auf 1,84 Millionen Menschen sinken – und<br />

<strong>das</strong>, obwohl bis dahin mit Sich<strong>er</strong>heit jed<strong>er</strong> drei Jobs<br />

gleichzeitig brauchen wird, um üb<strong>er</strong> die Runden zu<br />

kommen.<br />

WL<br />

Nicht ohne Gebet!<br />

Sie wollen auch künftig Kind<strong>er</strong> im F<strong>er</strong>ienlag<strong>er</strong> betreuen? –<br />

Das sollten Sie wissen! Ratschläge groß<strong>er</strong> Pädagogen:<br />

Kind<strong>er</strong> sind von Natur aus<br />

neugi<strong>er</strong>ig, auch auf den eigenen<br />

Körp<strong>er</strong>, seine Bestandteile<br />

und Belastungsgrenzen.<br />

D<strong>er</strong> Anus gehört<br />

seit d<strong>er</strong> »analen Phase«<br />

zur Grundausrüstung ein<strong>er</strong><br />

F<strong>er</strong>ienfreizeit. (Sigmund<br />

Freud)<br />

Ein Kind weint manchmal.<br />

Wenn es jeden Tag<br />

von morgens bis abends<br />

weint, fragen wir nach ein<strong>er</strong><br />

Woche nach, ob es damit<br />

nicht aufhören kann,<br />

und geben ihm eine Woche<br />

Frist. Dann ist die Kind<strong>er</strong>freizeit<br />

zu Ende und <strong>das</strong><br />

Weichei kann seinen Elt<strong>er</strong>n<br />

was vorheulen. (B<strong>er</strong>nhard<br />

Bueb)<br />

Wenn es in ein<strong>er</strong> Gruppe<br />

laut zugeht (Kreischen,<br />

Schm<strong>er</strong> zensschreie, Beschimpfungen)<br />

spielen die<br />

lieben Kleinen meistens irgendetwas<br />

Schönes, und<br />

Nel<br />

wir sollten sie in frei<strong>er</strong> spiel<strong>er</strong>isch<strong>er</strong><br />

Form die Rangordnungen<br />

klären und ihre<br />

Üb<strong>er</strong>lebensfähigkeit <strong>er</strong>proben<br />

lassen. (Charles Darwin)<br />

Bei Mutproben, wie dem<br />

Einführen von Korken und<br />

Handys, sollte jed<strong>er</strong> mal<br />

drankommen – nach dem<br />

Kollektivprinzip »Jeden gewinnen,<br />

keinen zurücklassen«.<br />

(Margot Honeck<strong>er</strong>)<br />

In katholischen F<strong>er</strong>ienlag<strong>er</strong>n<br />

sind B<strong>er</strong>ührungen d<strong>er</strong><br />

Kind<strong>er</strong> durch Beauftragte<br />

d<strong>er</strong> Diözese undenkbar<br />

ohne anschließendes Gebet.<br />

(Papst)<br />

Bei Morgenappellen drohen<br />

wir V<strong>er</strong>rät<strong>er</strong>n mit dem<br />

Ausschluss aus d<strong>er</strong> Truppe<br />

und schwören einand<strong>er</strong> fei<strong>er</strong>lich<br />

strengstes Stillschweigen.<br />

(Baldur von<br />

Schirach / zu Guttenb<strong>er</strong>g)<br />

OL<br />

Lebt<br />

eigentlich<br />

ARNOLD VAATZ<br />

noch?<br />

Ja, <strong>er</strong> lebt noch! Auch in diesem Jahr gab <strong>er</strong><br />

uns ein Lebenszeichen: Im Juni sprach <strong>er</strong> im<br />

Bundestag. Es war, wie stets, d<strong>er</strong> 17. (Achtung,<br />

Arbeit<strong>er</strong>aufstand gegen den »Hitl<strong>er</strong> des Kommunismus«,<br />

Walt<strong>er</strong> Ulbricht!). Dazu <strong>er</strong>hob <strong>er</strong><br />

sich aus sein<strong>er</strong> Hint<strong>er</strong>bank und schleppte sich,<br />

keuchend und polt<strong>er</strong>nd wie ein LPG-Traktorist<br />

zum Pult.<br />

Geboren 1955 in Weida in Thüringen, war Vaatz<br />

zunächst jung<strong>er</strong> Lyrik<strong>er</strong> und <strong>er</strong>warb im theologischen<br />

F<strong>er</strong>nstudium den »Befähigungsnachweis<br />

zur freien Wortv<strong>er</strong>kündigung«. Er galt als Hoffnung<br />

d<strong>er</strong> CDU in Sachsen und wurde von Biedenkopf<br />

wegen Unfähigkeit in zahlreiche Ämt<strong>er</strong><br />

gelobt. So war <strong>er</strong> 1993 Schirmh<strong>er</strong>r des Musik -<br />

festivals »Schub<strong>er</strong>tiaden Schnackenburg«.<br />

Um 15:36 Uhr v<strong>er</strong>kündete <strong>er</strong> frei <strong>das</strong> Wort wie<br />

folgt: »Härr Präsident, meine särr v<strong>er</strong>ährrten Damen<br />

und H<strong>er</strong>ren, zunächst einmal muss man sagen,<br />

<strong>das</strong>s die Opf<strong>er</strong>pänsion schließlich gekommen<br />

ist, ist ein groß<strong>er</strong> Erfolg gewäsn, und wir<br />

sollten <strong>das</strong> auch nicht im Nachhinein grundsätzlich<br />

z<strong>er</strong>räden. Wir haben für 50 000 Leute, <strong>das</strong><br />

muss man sich einfach mal – äh – auf d<strong>er</strong><br />

Zunge z<strong>er</strong>gähn lassen, zwisch ... für 50 000<br />

Mänschen, die läng<strong>er</strong> als ein halbes Jahr in Haft<br />

gesässen haben, jed<strong>er</strong> einzelne – äh – eine An<strong>er</strong>kennung<br />

zustande gebracht, die sie regelmäßig<br />

auf ihrn Konto sähn und die ihn’n Stück<br />

– äh – ihres – ihres Bewusstseins äh zurück -<br />

gegibt, äh zurückgibt, <strong>das</strong>s d<strong>er</strong> Rächtstaat doch<br />

seine Vorkämpf<strong>er</strong> nicht v<strong>er</strong>gisst, und <strong>das</strong> halte<br />

ich für eine ganz, ganz wichtiges Signal. Auch –<br />

äh – auf die – äh – auf die – äh – Unwürdigkeit<br />

von – äh – schw<strong>er</strong>en Straftät<strong>er</strong>n, die – äh – sich<br />

auf d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en Seite all<strong>er</strong>dings auch die Krit<strong>er</strong>ien<br />

<strong>er</strong>füllen für die Opf<strong>er</strong>pension, <strong>er</strong>spar ich mir<br />

mal. Ich lehne es ab, <strong>das</strong>s die vielen Mänschen,<br />

die unschuldig eingespärrt wurden, irgendwie in<br />

Zusammenhang gebracht w<strong>er</strong>den mit solchen<br />

Mänschen. Das darf nicht sein und dafür müssen<br />

wirn Riegel vorschieben.«<br />

Um 15:45 setzte <strong>er</strong> sich wied<strong>er</strong>.<br />

MF<br />

www.cducsu.de<br />

EULENSPIEGEL 9/10 11


Zeit<br />

ansagen<br />

D<strong>er</strong> Aufruhr<br />

Deutsche Fassung<br />

Man soll nicht ung<strong>er</strong>echt sein und den richtigen<br />

Leuten die falschen Vorwürfe machen: Hätte man<br />

denn von Brüd<strong>er</strong>le Rösl<strong>er</strong>welle and<strong>er</strong>es <strong>er</strong>warten<br />

dürfen als <strong>das</strong>, was <strong>er</strong> macht, nämlich jedem<br />

geistesv<strong>er</strong>wandten Hotelbesitz<strong>er</strong> die Taschen zu<br />

füllen, während <strong>er</strong> dem doofen Rest des Landes<br />

nur die Taschen vollhaut? Na, also! Mutti tut ja<br />

– »Schritt für Schritt« – auch nix and<strong>er</strong>es als <strong>das</strong>,<br />

was wir von ihr kennen:<br />

1. Unvorteilhaft zugeschnitte Hosenanzüge tragen,<br />

2. Abwarten, 3. Zugucken, 4. Ausharren, 5.<br />

Auf sich b<strong>er</strong>uhen lassen. Da weiß man doch, was<br />

man nicht hat und ist vor unnütz steigendem<br />

Blutdruck sich<strong>er</strong>.<br />

And<strong>er</strong>s sieht die Sache bei denen aus, die so<br />

tun, als hätten sie die G<strong>er</strong>echtigkeit mit dem Löffelbagg<strong>er</strong><br />

gefressen – die Räch<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Zukurzgekommenen.<br />

Was tun die?<br />

D<strong>er</strong> schöne und edle Gew<strong>er</strong>kschaftsfürst Bsirske<br />

musste nach den jüngsten Sparmaßnahmen<br />

d<strong>er</strong> Regi<strong>er</strong>ung <strong>er</strong>st mal mehr<strong>er</strong>e Tage lang im<br />

Himmel üb<strong>er</strong> B<strong>er</strong>lin nach ein<strong>er</strong> Inspiration suchen.<br />

Eine saftige Polemik – da darf man nichts<br />

v<strong>er</strong>wackeln. Sodann fiel ihm spontan die nied<strong>er</strong>schmett<strong>er</strong>nde<br />

Anklage »Irrsinn!« ein. Er pumpte<br />

sich eine halbe Stunde lang vor dem Spiegel auf,<br />

lief bis aufs Arbeit<strong>er</strong>rot rot an und schmett<strong>er</strong>te<br />

<strong>das</strong> klassenkämpf<strong>er</strong>ische Wort dem St<strong>er</strong>n entgegen.<br />

Dann durfte <strong>er</strong> sich wied<strong>er</strong> hinlegen. Das<br />

tat <strong>er</strong> auch, in dem b<strong>er</strong>uhigenden Gefühl, <strong>das</strong>s<br />

es ja auß<strong>er</strong>dem schon eine Unt<strong>er</strong>schriftensammlung<br />

gegen die Regi<strong>er</strong>ung im Int<strong>er</strong>net gegeben<br />

hatte. So was ist mod<strong>er</strong>n, weil virtuell, kommt<br />

billig<strong>er</strong> als eine Demo (die vielen Winkelemente<br />

und Freigetränke!), und man kommt im Netz als<br />

Gew<strong>er</strong>kschaftsrevolutionär nicht so ins Schwitzen<br />

wie auf d<strong>er</strong> Barrikade.<br />

Das ist wohl auch seinem Geistesbrud<strong>er</strong> Somm<strong>er</strong><br />

vom DGB durch den Kopf gegangen. Und<br />

wenn dem was durch den Kopf geht, <strong>das</strong> dau<strong>er</strong>t.<br />

Dann rief <strong>er</strong> <strong>er</strong>st mal seinen Telefonjok<strong>er</strong> an.<br />

»Ein Dokument d<strong>er</strong> P<strong>er</strong>spektivlosigkeit« sei <strong>das</strong><br />

Sparpaket, <strong>er</strong>fuhr <strong>er</strong> dort. Und genau <strong>das</strong> äuß<strong>er</strong>te<br />

<strong>er</strong> auch. Sofort <strong>er</strong>hob sich ein Bibb<strong>er</strong>n, Winseln<br />

und Zähneklapp<strong>er</strong>n bei den Wirtschaftsbossen<br />

und ihr<strong>er</strong> FDP-V<strong>er</strong>wandtschaft. Mit ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong>art<br />

scharfen Kriegs<strong>er</strong>klärung aus d<strong>er</strong> Gew<strong>er</strong>kschaftsstube<br />

hatten sie nicht g<strong>er</strong>echnet.<br />

Das war d<strong>er</strong> Funke, aus dem bei d<strong>er</strong> anhaltenden<br />

Trockenheit eine v<strong>er</strong>dammt heiße Flamme hätte<br />

schlagen können. Schon fingen die Massen an,<br />

sich mit Sonnenbrillen zu v<strong>er</strong>mummen und durch<br />

<strong>das</strong> Anlegen von Badekleidung ihre körp<strong>er</strong>liche<br />

Fitness für den Straßenkampf zu unt<strong>er</strong>streichen,<br />

da kam von Somm<strong>er</strong> <strong>das</strong> »Stop!«. Somm<strong>er</strong> ist<br />

Somm<strong>er</strong>, sagte Somm<strong>er</strong>. Und den wollen wir <strong>er</strong>st<br />

mal genießen. Ab<strong>er</strong> im H<strong>er</strong>bst, wenn d<strong>er</strong> Beaujolais<br />

Primeur <strong>er</strong>st mal da ist, will <strong>er</strong> <strong>das</strong> Proletariat<br />

zu ein<strong>er</strong> »Aktionswoche« mobilisi<strong>er</strong>en, wie<br />

<strong>er</strong> <strong>das</strong> bei seinem McDonald’s um die Ecke gesehen<br />

hat. Wahrscheinlich eine griechische Woche<br />

unt<strong>er</strong> dem Motto »Was Kostas?«. Das wird<br />

d<strong>er</strong> Todesstoß für <strong>das</strong> Schweinesystem, falls es<br />

sich nicht schon vorh<strong>er</strong> totgelacht hat.<br />

Beispielsweise üb<strong>er</strong> den ob<strong>er</strong>sten Wohlfahr<strong>er</strong><br />

des Wohlfahrtsstaates, einen gewissen Ulrich<br />

Schneid<strong>er</strong>, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsv<strong>er</strong>bandes.<br />

D<strong>er</strong> suchte auch v<strong>er</strong>zweifelt nach Worten<br />

angesichts des mutigen Ansatzes d<strong>er</strong> Regi<strong>er</strong>ung,<br />

<strong>das</strong> Geld bei denen zu holen, bei denen es<br />

auf zwei Euro mehr od<strong>er</strong> wenig<strong>er</strong> nun auch nicht<br />

mehr ankommt: W<strong>er</strong> bewiesen hat, <strong>das</strong>s <strong>er</strong> / sie<br />

mit 10 Euro am Tag üb<strong>er</strong>leben kann, kann es auch<br />

mit 8. »Kalth<strong>er</strong>zigkeit«, quoll es aus Schneid<strong>er</strong><br />

h<strong>er</strong>vor. So ein Quatsch! Ja, d<strong>er</strong> Heizkostenschuss<br />

wird Hartz-IV-Empfäng<strong>er</strong>n gestrichen. Ab<strong>er</strong> wenn<br />

sie sich bei gemeinnützig<strong>er</strong> Beschäftigung ein bissel<br />

bewegen, wird sich kein<strong>er</strong> v<strong>er</strong>kühlen.<br />

Nach den Schlipsträg<strong>er</strong>n, die uns<strong>er</strong>e<br />

Ersparnisse auf den Kopp gehauen<br />

haben, kommen die Blaz<strong>er</strong>-Damen und<br />

Stresemann-Träg<strong>er</strong>innen und -Träg<strong>er</strong>,<br />

die uns die Spargesetze um<br />

die Ohren schlagen.<br />

Jemand v<strong>er</strong>gessen? Ach so, Die Linke! Wenn’s<br />

darauf ankommt, ist die so was von putzmunt<strong>er</strong>,<br />

<strong>das</strong>s einem die Augen tränen. Gregor Gysi: »Mit<br />

dem Sparpaket hat die Regi<strong>er</strong>ung heute nicht mehr<br />

und nicht wenig<strong>er</strong> als die Abschaffung d<strong>er</strong> sozialen<br />

Marktwirtschaft beschlossen.« Na fein, <strong>jetzt</strong><br />

isse weg, Schwamm drüb<strong>er</strong> und – h<strong>er</strong> mit dem<br />

Sozialismus, nie war die Gelegenheit so günstig.<br />

Denkste! Gysi weiß auch nicht, was nach d<strong>er</strong> sozialen<br />

Marktwirtschaft kommt (irgendwas Emanzipatorisches),<br />

hofft ab<strong>er</strong>. Denn die Hoffnung stirbt<br />

zuletzt, jedenfalls <strong>er</strong>st nachdem Die Linke d<strong>er</strong>einst<br />

<strong>das</strong> Zeitliche gesegnet haben wird …<br />

Die SPD ist an dies<strong>er</strong> Stelle bewusst nicht <strong>er</strong>wähnt.<br />

Sie ist nicht <strong>er</strong>wähnensw<strong>er</strong>t, <strong>das</strong> Banale<br />

<strong>er</strong>müdet. Es w<strong>er</strong>de <strong>jetzt</strong> nur bei denen gekürzt,<br />

die sich kaum wehren könnten, flüst<strong>er</strong>te es aus<br />

dem Parteipräsidium. »Schönen guten Morgen,<br />

Frau Nahles!«, kann man da nur rufen. Wurde<br />

Hartz IV sein<strong>er</strong>zeit etwa vom Sandmännchen<br />

mitgebracht od<strong>er</strong> war es nicht doch eine Morgengabe<br />

d<strong>er</strong> letzten SPD-Regi<strong>er</strong>ung? Klar wäre<br />

die Anschaffung von sechs Flaschen Billigw<strong>er</strong>mut<br />

dem Wähl<strong>er</strong> damals stärk<strong>er</strong> auf die Leb<strong>er</strong><br />

geschlagen als die Anschaffung eines Müntef<strong>er</strong>ing<br />

und Co., ab<strong>er</strong> die Enttäuschung wäre g<strong>er</strong>ing<strong>er</strong><br />

gewesen und die Wirkung schnell<strong>er</strong> v<strong>er</strong>flogen.<br />

Jetzt gibt es nicht nur Hartz IV, sond<strong>er</strong>n auch<br />

noch jede Menge v<strong>er</strong>heuchelte Wid<strong>er</strong>standskämpf<strong>er</strong><br />

dagegen, denen man bei genau<strong>er</strong><strong>er</strong> Betrachtung<br />

ansieht, <strong>das</strong>s sie nur Radau schlagen,<br />

um nicht selb<strong>er</strong> eines Tages v<strong>er</strong>hartzt zu w<strong>er</strong>den.<br />

Soweit d<strong>er</strong> Aufruhr. So weit die Antwort d<strong>er</strong><br />

politischen Klasse auf ihre Freunde aus d<strong>er</strong> politischen<br />

Klasse (»Wir sind ja alle Demokraten«).<br />

So weit <strong>das</strong> gewählte und institutionalisi<strong>er</strong>te Mitläuf<strong>er</strong>tum.<br />

Warum dreht <strong>jetzt</strong> nicht mal ein<strong>er</strong> dem Kanzl<strong>er</strong>amt<br />

den Strom ab od<strong>er</strong> dem West<strong>er</strong>welle die<br />

Clearasil-Leitung? Klar gehört sich <strong>das</strong> nicht, ab<strong>er</strong><br />

hat es sich vielleicht gehört, imm<strong>er</strong> mehr Leute<br />

in die Suppenküchen zu drücken – allein in B<strong>er</strong>lin<br />

28 Prozent plus in diesem Somm<strong>er</strong>? Weshalb<br />

schreibt nicht wenigstens jed<strong>er</strong> zehnte gesetzlich<br />

V<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>te einen wütenden Brief ans Gesundheitsminist<strong>er</strong>ium?<br />

D<strong>er</strong> änd<strong>er</strong>t zwar nichts am<br />

Behördenzustand, ab<strong>er</strong> solange die dort mit<br />

sechs Millionen Briefkuv<strong>er</strong>ts zu kämpfen haben,<br />

können sie wenigstens die Kopfpauschale nicht<br />

umsetzen. Und hat eigentlich jen<strong>er</strong> Bundeswehrchef,<br />

d<strong>er</strong> Angela M<strong>er</strong>kel mit ein<strong>er</strong> Maschine zum<br />

Vi<strong>er</strong>telfinale nach Südafrika fliegen ließ, in d<strong>er</strong><br />

nur 21 von 109 Plätzen belegt waren, mal gefragt,<br />

warum? Natürlich fiel <strong>das</strong> nicht in seine Zuständigkeit<br />

– ab<strong>er</strong> bezahlen muss <strong>er</strong>’s doch! Genau<br />

wie den WM-Trip von Neupräsident Wulff,<br />

bei dem auch kein Mensch weiß, wozu <strong>er</strong> gut<br />

war. Auß<strong>er</strong> vielleicht die K<strong>er</strong>osinh<strong>er</strong>stell<strong>er</strong>.<br />

Warum v<strong>er</strong>langt nicht wenigstens mal ein<strong>er</strong> p<strong>er</strong>sönlich<br />

Rechenschaft von Politik<strong>er</strong>n, die tatsächlich<br />

glauben, Demokratie sei schon <strong>er</strong>ledigt, wenn<br />

sie sich vor ihresgleichen im gemütlichen Parlamentsausschuss<br />

rechtf<strong>er</strong>tigen, wo die wirklich Betroffenen<br />

wohlweislich draußen bleiben müssen<br />

wie d<strong>er</strong> Dackel vorm Fleisch<strong>er</strong>laden.<br />

In Frankreich beginnt d<strong>er</strong> öffentliche Tumult<br />

b<strong>er</strong>eits, wenn ein Politik<strong>er</strong> <strong>das</strong> Wort »Rentenreform«<br />

auch nur zu Hause auf dem Klo flüst<strong>er</strong>t;<br />

in Griechenland finden Gen<strong>er</strong>alstreiks statt, sobald<br />

im F<strong>er</strong>nsehen <strong>er</strong>wähnt wird, <strong>das</strong>s man Steu<strong>er</strong>n<br />

auch zahlen und nicht nur hint<strong>er</strong>ziehen kann.<br />

Ab<strong>er</strong> hi<strong>er</strong>zulande? Hi<strong>er</strong>zulande stellt man einen<br />

Antrag auf zivilen Ungehorsam in dreifach<strong>er</strong> Ausf<strong>er</strong>tigung.<br />

Und falls d<strong>er</strong> positiv beschieden wird,<br />

dann nur mit Rechtsbehelfsbelehrung und dringlichem<br />

Hinweis auf den Ruhestörungsparagraphen<br />

und die Sonntagsruhe.<br />

Vielleicht ist es <strong>jetzt</strong> ab<strong>er</strong> doch an d<strong>er</strong> Zeit,<br />

den fein bezwirnten Wegelag<strong>er</strong><strong>er</strong>n einmal zu<br />

v<strong>er</strong>klick<strong>er</strong>n: Seid euch lieb<strong>er</strong> nicht zu sich<strong>er</strong>. Denn<br />

wir wissen: Nur w<strong>er</strong> alles hinnimmt, muss sich<br />

auch alles bieten lassen.<br />

Und umgekehrt.<br />

Utz Bamb<strong>er</strong>g<br />

12 EULENSPIEGEL 9/10


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Wörtliche<br />

Betäubung<br />

Wir leben üb<strong>er</strong> uns<strong>er</strong>e V<strong>er</strong>hältnisse, eine<br />

Kanzl<strong>er</strong>in wie uns<strong>er</strong>e Kanzl<strong>er</strong>in haben wir<br />

doch gar nicht v<strong>er</strong>dient. Sie <strong>er</strong>zählt dem deutschen<br />

Volk so unsagbar viel, wenn d<strong>er</strong> Tag lang<br />

ist, und hält bei Bedarf Neujahrsreden auch<br />

schon mal Mitte Juli. Mit einem lock<strong>er</strong>-fluffigen<br />

Auftritt vor d<strong>er</strong> Bundespressekonf<strong>er</strong>enz v<strong>er</strong>abschiedete<br />

sie sich in den Somm<strong>er</strong>urlaub und bezaub<strong>er</strong>te<br />

uns bei dies<strong>er</strong> Gelegenheit mit d<strong>er</strong> stringenten<br />

Sinnlosigkeit und zupackenden Redundanz<br />

ihr<strong>er</strong> Ausführungen.<br />

Sie schnürt Sparpakete, zeigt Flagge, stellt<br />

Weichen, packt heiße Eisen an, schluckt sogar<br />

Kröten, bringt Steine ins Rollen, nennt Ross und<br />

Reit<strong>er</strong>, justi<strong>er</strong>t Stellschrauben und macht nicht<br />

nur einen guten Job, sond<strong>er</strong>n auch Nägel mit<br />

Köpfen. Übrigens sah sie <strong>er</strong>staunlich relaxed<br />

aus für eine Frau, d<strong>er</strong> die Männ<strong>er</strong> in Scharen davonlaufen<br />

– mittl<strong>er</strong>weile ist ein halbes Dutzend<br />

deutsch<strong>er</strong> Minist<strong>er</strong>präsidenten im besten Alt<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>duftet.<br />

Diese Fluktuation macht ihr offenbar nichts<br />

aus. Die Stärkste ist am mächtigsten allein. Nun<br />

endlich, triumphi<strong>er</strong>t sie, könne kein<strong>er</strong> mehr behaupten,<br />

die H<strong>er</strong>rschaften klebten an ihren Sesseln.<br />

»Ich kann ja schlecht sagen: W<strong>er</strong> einmal<br />

Minist<strong>er</strong>präsident ist, bleibt es, bis <strong>er</strong> vom Stuhl<br />

fällt!« Jetzt, sagt sie, bekämen eben die Nachfolg<strong>er</strong><br />

ihre Chance, nun sollen die »ihre Akzente<br />

setzen«. Schon imm<strong>er</strong> habe sie gesagt: »In d<strong>er</strong><br />

Krise w<strong>er</strong>den die Karten neu gemischt.« Imm<strong>er</strong>hin<br />

bleiben Mutti bis auf Weit<strong>er</strong>es zwei Wass<strong>er</strong>träg<strong>er</strong><br />

in Nibelungentreue v<strong>er</strong>bunden: Volk<strong>er</strong><br />

Kaud<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> <strong>das</strong> Kaud<strong>er</strong>-Welsch <strong>er</strong>sann, und d<strong>er</strong><br />

drollige Ronald Pofalla, den sie als »V<strong>er</strong>söhnungsw<strong>er</strong>k<br />

auf Räd<strong>er</strong>n« v<strong>er</strong>klärt.<br />

Stuss aus<br />

einem Guss<br />

Gut, <strong>das</strong>s es Freunde gibt … Denn ihre Umfragew<strong>er</strong>te<br />

sind ganz tief unten im Kell<strong>er</strong>. Und ihre<br />

christlib<strong>er</strong>ale K.o.alition hat auf dem Weg nach<br />

unten sogar die 38-Prozent-Marke des Nordhäus<strong>er</strong><br />

Doppelkorns geknackt. Nach Steu<strong>er</strong>-Großgeschenken<br />

für die üblichen V<strong>er</strong>dächtigen mit<br />

Mövenpick an d<strong>er</strong> Spitze und nach öffentlichem<br />

Dau<strong>er</strong>zoff d<strong>er</strong> schwarzgelben Gurkentruppe mit<br />

all den politischen Wildsäuen und Rumpelstilzchen<br />

zog Angela M<strong>er</strong>kel in all<strong>er</strong> Bescheidenheit<br />

eine glänzende Bilanz: »Da, glaube ich, hat sich<br />

die Koalition ein Stück weit zusammeng<strong>er</strong>auft.«<br />

Tatsachen können sie nach wie vor nicht beirren.<br />

Sie hat dem Hartz-IV-Prekariat <strong>das</strong> Elt<strong>er</strong>ngeld<br />

frisch gestrichen, was für die Betroffenen<br />

durchaus seinen Reiz haben dürfte: »Wir wollen<br />

die Anreize <strong>er</strong>höhen, Arbeit aufzunehmen.«<br />

Ganz egal, ob es Arbeit gibt od<strong>er</strong> nicht. Ihr Selbstbewusstsein<br />

scheint inzwischen größ<strong>er</strong> zu sein<br />

als ihr Wirklichkeitsv<strong>er</strong>lust. »Die Gestaltungsmacht,<br />

die mir gegeben ist«, sagt sie, »spiegelt<br />

sich in jedem mein<strong>er</strong> Worte wid<strong>er</strong>.«<br />

Politik macht ihr »imm<strong>er</strong> noch Spaß«. Sie ist<br />

ständig im Dienst, sogar im Urlaub. Selbst beim<br />

Unkrautzupfen im Garten, v<strong>er</strong>rät sie, sei ihr<br />

»schon d<strong>er</strong> eine od<strong>er</strong> and<strong>er</strong>e gute Gedanke gekommen«.<br />

Wo sie geht und steht, wendet diese<br />

Kanzl<strong>er</strong>in Schaden ab, sogar von den Radieschen,<br />

und zwar getreu ihrem Amtseid: »Ich<br />

schwöre, Schaden von deutschen Banken abzuwenden,<br />

so wahr mir Karel Gott helfe.«<br />

Den höchsten Trumpf ihr<strong>er</strong> historischen Somm<strong>er</strong>pressekonf<strong>er</strong>enz<br />

spielte sie als Schluss -<br />

wort aus: »Sie können ganz sich<strong>er</strong> sein, <strong>das</strong>s<br />

Sie mich nach diesen F<strong>er</strong>ien wied<strong>er</strong>sehen.« Mit<br />

dies<strong>er</strong> Drohung v<strong>er</strong>schwand sie lächelnd in<br />

ihren Urlaub, den wir uns redlich v<strong>er</strong>dient haben.<br />

Ernst Röhl<br />

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Lothar Otto<br />

Fred & Günt<strong>er</strong><br />

Burkhard Fritsche<br />

16 EULENSPIEGEL 9/10


Mod<strong>er</strong>nes<br />

Leben<br />

Ari Plikat<br />

Uwe Krumbiegel<br />

Andreas Prüstel<br />

EULENSPIEGEL 9/10 17


Vorwärts imm<strong>er</strong> –<br />

Heute Morgen wied<strong>er</strong>. Heute Morgen hast du<br />

sie in d<strong>er</strong> U-Bahn gesehen. U-Bahn mag sie eigentlich<br />

nicht, dort hocken die Unreinen, Ungefrühstückten,<br />

Rest- od<strong>er</strong> Frischalkoholisi<strong>er</strong>ten,<br />

V<strong>er</strong>sehrten, Irren und Straßenfeg<strong>er</strong>-V<strong>er</strong>käuf<strong>er</strong>.<br />

Leute, die bei Fahrscheinkontrolle zu fliehen<br />

v<strong>er</strong>suchen. Die um acht einen T<strong>er</strong>min bei<br />

d<strong>er</strong> Arge haben. Leute, die d<strong>er</strong> Mittelschicht eine<br />

ständige Warnung sind. Sie hätte es nicht nötig:<br />

112 Prozent all<strong>er</strong> Kleinwagen sind in Deutschland<br />

auf die Mittelschicht zugelassen, mit leicht<strong>er</strong><br />

Tendenz zum Hybrid. Sie gehört hochprozentig<br />

dem V<strong>er</strong>band d<strong>er</strong> Haus- und Grundstückseigentüm<strong>er</strong><br />

an. Doch wenn d<strong>er</strong> Spritpreis einen<br />

Sprung nach oben macht, nimmt die Mittelschicht<br />

auch mal die U-Bahn. Woran du sie <strong>er</strong>kennst?<br />

Sie schützt sich hint<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> sogenannten<br />

Qualitätszeitung, im schlimmsten Fall dem<br />

Tagesspiegel! Manchmal trägt sie b<strong>er</strong>eits in d<strong>er</strong><br />

Frühe Uniform – <strong>das</strong> kleine Schwarze für den<br />

Job in d<strong>er</strong> Bank. Sie schwitzt od<strong>er</strong> fröstelt leicht,<br />

ist p<strong>er</strong>manent g<strong>er</strong>eizt, und die Mittelschichtenweib<strong>er</strong><br />

sind eine Spur zu dick geschminkt. Sie<br />

muss auch heute wied<strong>er</strong> höllisch aufpassen,<br />

die Mittelschicht, <strong>das</strong>s es nicht abwärts geht<br />

mit ihr.<br />

Distinktion ist ihr alles. »Distinktion« – <strong>das</strong><br />

Modewort des Jahrzehnts. Die Mittelschicht<br />

Wie die Mittelschicht die<br />

Arschbacken zusammenkneift<br />

kennt es wahrscheinlich gar nicht. Die Soziologen<br />

lieben es: Seit Bundeskanzl<strong>er</strong> Schröd<strong>er</strong> den<br />

Deutschen klar gemacht hat, <strong>das</strong>s jed<strong>er</strong> von ih-<br />

18 EULENSPIEGEL 9/10


ückwärts nimm<strong>er</strong>!<br />

nen schon morgen od<strong>er</strong> noch heute nach<br />

Büroschluss in d<strong>er</strong> Scheiße liegen kann, aus<br />

d<strong>er</strong> es kein Hochkommen mehr gibt, seit <strong>er</strong> bei<br />

den Volksv<strong>er</strong>tret<strong>er</strong>n sogar ein Gesetz dazu<br />

epresst hat, <strong>das</strong> den Aufenthalt in d<strong>er</strong> Scheiße<br />

regelt (es trägt den Kosenamen »Hartz IV«), ist<br />

die Mittelschicht mit dem Kampf gegen den Abstieg<br />

befasst. Er tobt 24 Stunden am Tage.<br />

Selbst d<strong>er</strong> Schlaf mit seinen furchtbaren Träumen<br />

gehört dazu. Es ist d<strong>er</strong> Kampf darum, sich<br />

zu unt<strong>er</strong>scheiden (Distinktion!): Nur nicht w<strong>er</strong>den<br />

wie d<strong>er</strong> Plebs. Nur nicht fett w<strong>er</strong>den vom<br />

Billigfraß, nur nicht dieses Glotzen d<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>schichtenf<strong>er</strong>nseh<strong>er</strong>,<br />

nicht nach Dön<strong>er</strong> stinken,<br />

nicht dieses Kanakendeutsch aus den Mäul<strong>er</strong>n<br />

uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Kind<strong>er</strong>, nur nicht aus dem Papi<strong>er</strong> fressen,<br />

nur nicht diesen Pornos nachficken, und<br />

nicht den Suff aus d<strong>er</strong> Plasteflasche. Nur keine<br />

Strähnchen! Nur nicht BZ! Nur keine Umschulung<br />

zum Floristen, Webdesign<strong>er</strong> od<strong>er</strong> zur S<strong>er</strong>viceassistentin<br />

für Messewesen! Distinktion,<br />

H<strong>er</strong>rschaften!<br />

Darum kauft sich d<strong>er</strong> Mittelschichtl<strong>er</strong>, kaum<br />

ist <strong>er</strong> d<strong>er</strong> U-Bahn-Hölle entkommen, <strong>er</strong>st einmal<br />

einen Caffee to go. Es brennen ihm fast die Pfoten<br />

ab – ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Tag hat Sinn. D<strong>er</strong> Caffee to<br />

go war einst <strong>das</strong> Parteiprogramm ein<strong>er</strong> von Endorphinen<br />

geschüttelten SPD: Das Glück liegt<br />

in d<strong>er</strong> Mitte – und du gehörst dazu! Man hat<br />

<strong>das</strong> Glück in Eile, beteiligt, »tätig«, wichtig sein<br />

zu dürfen. Leben heißt T<strong>er</strong>mine haben. Und auch<br />

mal ins Theat<strong>er</strong>, auch wenn es furchtbar ist. Auf<br />

dem B<strong>er</strong>lin<strong>er</strong> H<strong>er</strong>mannplatz liegen schon morgens<br />

um zehn die Betrunkenen und Schnorr<strong>er</strong><br />

und ihre Hunde gestapelt. Die Mittelschicht<br />

stöckelt sich hindurch. Sie geht ins Büro. Ab<strong>er</strong><br />

EULENSPIEGEL 9/10 19


sie hat Angst, scheißende Angst: Sie sieht sich<br />

schon da vor Karstadt liegen.<br />

In d<strong>er</strong> Rama-W<strong>er</strong>bung traf sich des Morgens<br />

noch die glattgekämmte Kleinfamilie unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Wohnzimm<strong>er</strong>lampe. In d<strong>er</strong> Ganze-Früchte-Konfitüren-Zeit.<br />

In d<strong>er</strong> Tschibo-Ganze-Bohne-Zeit. In<br />

d<strong>er</strong> Praline-Mit-D<strong>er</strong>-Ganzen-Kirsche-Zeit. Alles war<br />

noch ganz. Da konnte man einand<strong>er</strong> bei den Händen<br />

fassen und sich v<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>n, <strong>das</strong>s es jed<strong>er</strong><br />

schaffen kann: nach oben, nach oben! In die Reihenhaushälfte,<br />

vom Käf<strong>er</strong> zum M<strong>er</strong>cedes, zum Jurastudium,<br />

zur F<strong>er</strong>ienfinca. Vorwärts imm<strong>er</strong>, rückwärts<br />

nimm<strong>er</strong>! D<strong>er</strong> Kapitalismus war eine duftende<br />

Lüge. Doch <strong>er</strong> hielt – vom Tell<strong>er</strong>wäsch<strong>er</strong><br />

zum Bausparv<strong>er</strong>trag, vom Proletari<strong>er</strong>bastard zum<br />

Bundeskanzl<strong>er</strong>, vom Steinew<strong>er</strong>f<strong>er</strong> zum Außen-<br />

Jockel –, was <strong>er</strong> v<strong>er</strong>sprach. Den Kind<strong>er</strong>n sagte<br />

man: Euch wird es einmal bess<strong>er</strong> gehen, seit 1945<br />

– da hatten sie noch Pappe vor den Fenst<strong>er</strong>n.<br />

Und es stimmte imm<strong>er</strong>. Und sie dachten: Weil<br />

Helmut Kohl unst<strong>er</strong>blich ist, jedenfalls unst<strong>er</strong>blich<strong>er</strong><br />

als Stalin, wird <strong>das</strong> auch so bleiben.<br />

Einige Kriege, Finanz-, Immobilien- und Wirtschaftskrisen<br />

spät<strong>er</strong> geht es den Kind<strong>er</strong>n dreckig,<br />

tieftraurige, früh gealt<strong>er</strong>te Zw<strong>er</strong>ge, die den sozialen<br />

Status ihr<strong>er</strong> Elt<strong>er</strong>n retten sollen. Die drohen<br />

d<strong>er</strong> Brut mit Abstieg in die Leiharbeit und auf die<br />

Rest<strong>er</strong>ampen d<strong>er</strong> Mediengesellschaft. Jedes Kind<br />

muss sich ein »Alleinstellungsm<strong>er</strong>kmal« <strong>er</strong>arbeiten<br />

für die V<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tbarkeit auf dem Viehmarkt d<strong>er</strong><br />

Emporkömmlinge. Ab<strong>er</strong> es gibt nur wenige mit<br />

zwei Köpfen od<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Begabung, <strong>das</strong> Telefonbuch<br />

auswendig aufsagen zu können, die man<br />

auf Märkten ausstellen könnte. Vi<strong>er</strong>jährige schleppen<br />

sich in multilinguale Business-Schools, schreiben<br />

dem Weihnachtsmann ihren Wunschzettel in<br />

Mandarin, quälen sich auf d<strong>er</strong> Geige mit »Kleine<br />

Stücke für Kind<strong>er</strong>« aus d<strong>er</strong> Goethezeit und v<strong>er</strong>dämm<strong>er</strong>n<br />

im Ballettunt<strong>er</strong>richt. Od<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Aufwuchs<br />

wird »sensibilis<strong>er</strong>t«, bis Blut kommt: Kaum aus<br />

d<strong>er</strong> Windel, w<strong>er</strong>den sie von fanatischen Esot<strong>er</strong>ik<strong>er</strong>n<br />

gefasst und zu Bestmenschen geformt, müssen<br />

in Eurythmiekursen ihren Vornamen tanzen<br />

und sich jauchzend in safranfarbene Tüch<strong>er</strong> fallen<br />

lassen. Ein Casting jagt <strong>das</strong> nächste. Und dann<br />

<strong>das</strong> Fressen! Manches Kind ist bis zur Einschulung<br />

noch nie in die Nähe ein<strong>er</strong> Bockwurst, Piz -<br />

za od<strong>er</strong> Cola gekommen. Sie w<strong>er</strong>den von Ingw<strong>er</strong><br />

und rein<strong>er</strong> Molke <strong>er</strong>nährt und scheißen nur noch<br />

gelbe Krümel – wobei sie auf d<strong>er</strong> Toilette französische<br />

Vokabeln memori<strong>er</strong>en müssen, m<strong>er</strong>de. So<br />

weit d<strong>er</strong> Kampf nach innen.<br />

Nach außen macht die Mittelschicht mobil: In<br />

Bay<strong>er</strong>n putschte sie gegen <strong>das</strong> Rauchen – also<br />

gegen mangelnde Selbstdisziplin, gegen den<br />

Rausch, Homosexualität, Pflichtv<strong>er</strong>gessenheit<br />

und Müßiggang, gegen Asche auf d<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>tasse,<br />

Stirbt ein Mittelschichtl<strong>er</strong>,<br />

hat <strong>er</strong> zwei Möglichkeiten<br />

gegen <strong>das</strong> Undeutsche und Unt<strong>er</strong>hosen, die nicht<br />

täglich gewechselt w<strong>er</strong>den. In Hamburg v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>te<br />

»die bürg<strong>er</strong>liche Mitte« panisch, <strong>das</strong>s ihre<br />

Kind<strong>er</strong> läng<strong>er</strong> als unumgänglich neben dem Migranten-<br />

und Prekari<strong>er</strong>pöbel in einem Raum sitzen<br />

müssen. Frühe Auslese fängt den Wurm: Deine<br />

Elt<strong>er</strong>n haben einen Büch<strong>er</strong>schrank zu Hause, wie<br />

es im vorigen Jahrhund<strong>er</strong>t üblich war? Papa hat<br />

womöglich Die Zeit abonni<strong>er</strong>t, also die höchste<br />

Stufe zivilisatorisch<strong>er</strong> Reife <strong>er</strong>reicht? Du weißt, <strong>das</strong>s<br />

Beethoven kein Möbeldiscount<strong>er</strong> ist? Wenn <strong>das</strong> alles<br />

zutrifft, wirst du es weit bringen – bis zu mehr<strong>er</strong>en<br />

Praktika bei RTL od<strong>er</strong> im Hotelgew<strong>er</strong>be od<strong>er</strong><br />

bis zur Scann<strong>er</strong>kasse bei Lidl.<br />

Die Mittelschicht ist die beliebteste Kaste bei<br />

sämtlichen Politik<strong>er</strong>n. Denn Mittelschichtl<strong>er</strong> sind<br />

dumm – jed<strong>er</strong> Mittelschichtl<strong>er</strong> zahlt 53 Prozent sein<strong>er</strong><br />

Einnahmen dem Staat zurück, in Form von<br />

Steu<strong>er</strong>n und Zwangsgeld<strong>er</strong>n. Das ist prozentual<br />

deutlich mehr, als die ob<strong>er</strong>en Zehntausend zahlen.<br />

Mittelschichtl<strong>er</strong> wehren sich nicht, haben keine<br />

Partei und keine Gew<strong>er</strong>kschaft. Jed<strong>er</strong> stirbt für sich<br />

allein. Das Subv<strong>er</strong>sivste, <strong>das</strong> sie haben, sind zwei,<br />

drei Webseiten, auf denen sie sich gegenseitig<br />

zur Wahl d<strong>er</strong> FDP aufford<strong>er</strong>n. Politik<strong>er</strong> nutzen die<br />

Mittelschicht als Projektionsfläche wie d<strong>er</strong> Hund<br />

<strong>das</strong> Abstandsgrün zum Kacken: Mittelschichtl<strong>er</strong><br />

sind nach West<strong>er</strong>welle »Leute, die aufstehen und<br />

auf Arbeit gehen«, laut Brüd<strong>er</strong>le »die Menschen,<br />

die den Laden am Laufen halten« und laut M<strong>er</strong>kel<br />

»die Fleißigen, die den Ruf Deutschlands in<br />

d<strong>er</strong> Welt begründen«. Irgendwann schafft es d<strong>er</strong><br />

Mittelschichtl<strong>er</strong> zum Mittelständl<strong>er</strong>. Dann hat <strong>er</strong><br />

den »Mittelstandsbauch«, für den ihn <strong>das</strong> Finanzamt<br />

bewund<strong>er</strong>t, und wird kurz vor Silvest<strong>er</strong> zum<br />

Ball d<strong>er</strong> Kleinunt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> und Mittelständl<strong>er</strong> vom<br />

Landrat in die Mehrzweckhalle eingeladen.<br />

Ihre eigentliche Blödheit jedoch ist: Seit es sie<br />

gibt (sie entstand zeitgleich mit dem Lumpenproletariat<br />

und den Steu<strong>er</strong>b<strong>er</strong>at<strong>er</strong>n), wählt sie<br />

zugunsten d<strong>er</strong> Reichen, denn zu denen will sie<br />

ja gehören. Fragt man sie: Soll die Regi<strong>er</strong>ung bei<br />

den Armen sparen od<strong>er</strong> soll sie etwa den Sup<strong>er</strong>reichen<br />

was wegnehmen, ist die Antwort klar. So<br />

sorgen die Mittelschichtl<strong>er</strong> dafür, <strong>das</strong>s die Hartz-<br />

IV-Hölle, in die sie eines Tages stürzen w<strong>er</strong>den,<br />

noch heiß<strong>er</strong> wird.<br />

Stirbt ein Mittelschichtl<strong>er</strong>, hat <strong>er</strong> zwei Möglichkeiten:<br />

Falls seine Kind<strong>er</strong> deklassi<strong>er</strong>t sind, wird<br />

<strong>er</strong> anonym v<strong>er</strong>bröselt und die Sippe streitet sich<br />

um seinen Breitbildf<strong>er</strong>nseh<strong>er</strong>. Falls seine Kind<strong>er</strong><br />

sich jedoch in d<strong>er</strong> Mittelschicht halten konnten,<br />

mit Mittelstandsbauch und kapitalbildend<strong>er</strong> Lebensv<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>ung,<br />

wird <strong>er</strong> g<strong>er</strong>n im Friedwald abgelegt.<br />

Distinktion: Da ist die Gefahr, <strong>das</strong>s d<strong>er</strong><br />

Nachbar ein hartzig<strong>er</strong> wolgadeutsch<strong>er</strong> Säuf<strong>er</strong> ist,<br />

nicht akut.<br />

Les<strong>er</strong>, sei froh, <strong>das</strong>s du kein Mittelschichtl<strong>er</strong><br />

bist, kein<strong>er</strong> dies<strong>er</strong> <strong>er</strong>bärmlichen, läch<strong>er</strong>lichen,<br />

psychotischen, h<strong>er</strong>umgeschubsten, imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong><br />

belogenen Kreaturen! Sei froh, <strong>das</strong>s du du<br />

bist! Heute Morgen hast du dich in d<strong>er</strong> Scheibe<br />

gesehen, als die U-Bahn im Tunnel v<strong>er</strong>schwand.<br />

Hättest du doch nur den Golf genommen, dann<br />

wäre dir <strong>das</strong> nicht passi<strong>er</strong>t.<br />

Mathias Wedel<br />

Zeichnung: Guido Sieb<strong>er</strong><br />

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Maria-Elisabeth Schaeffl<strong>er</strong>,<br />

lebt von 600 Euro im Monat<br />

Wenn man heißt wie ich, denken<br />

alle: Die schaeffelt <strong>das</strong> Geld. Dabei<br />

int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>en mich N<strong>er</strong>ze viel<br />

mehr. Und ich gebe g<strong>er</strong>n: Mit meinen<br />

Tränen, die ich reichlich<br />

spende, können meine Arbeit<strong>er</strong>innen<br />

ihre Vorgärten ben<strong>er</strong>zen, ähm:<br />

benetzen.<br />

Klaus<br />

Zumwinkel,<br />

Stift<strong>er</strong>: Ich hab<br />

neulich <strong>er</strong>st unt<strong>er</strong><br />

groß<strong>er</strong> Anteilnahme<br />

d<strong>er</strong><br />

Staatsanwälte<br />

1 000 000 Euro<br />

gespendet. Ein<br />

schönes Gefühl.<br />

Kann ich<br />

empfehlen.<br />

Jörg Kachelmann,<br />

frei<strong>er</strong> Mann<br />

Was habe ich schon zu geben<br />

auß<strong>er</strong> grenzenlos<strong>er</strong><br />

Liebe? Od<strong>er</strong> manchmal<br />

vielleicht einem Stran -<br />

gulationsspielchen im<br />

gegenseitigen<br />

Einv<strong>er</strong>nehmen?<br />

Carsten Maschmey<strong>er</strong>,<br />

Staatsob<strong>er</strong>häupt<strong>er</strong>-Fan<br />

Ich hätte dem Christian und<br />

d<strong>er</strong> Bettina diesen Malle-<br />

Urlaub g<strong>er</strong>ne spendi<strong>er</strong>t.<br />

Ab<strong>er</strong> wenn d<strong>er</strong> Steu<strong>er</strong>zahl<strong>er</strong><br />

<strong>das</strong> unbedingt selbst zahlen<br />

will, bitte.<br />

Helmut Schmidt, Rauch<strong>er</strong>: Das viele feine<br />

Nikotin, <strong>das</strong> mir die Leute aus d<strong>er</strong> Lunge gesogen<br />

haben! Und w<strong>er</strong> gibt mir was zurück?<br />

Hans-W. Müll<strong>er</strong>-Wohlfahrt,<br />

Schamane beim DFB<br />

Spenden? Sofort! Schon eine<br />

Stammzelle von mir kann zum<br />

Lebensborn von H<strong>er</strong>renunt<strong>er</strong>wäschemodels<br />

w<strong>er</strong>den!<br />

Wie sagte schon d<strong>er</strong> alte Krösus:<br />

»Geld macht üb<strong>er</strong>haupt nicht glücklich,<br />

sond<strong>er</strong>n bloß reich.« In ein<strong>er</strong> Massenpanik<br />

haben Milliarden Milliardäre in den USA<br />

deshalb begonnen, ihr Geld zu v<strong>er</strong>schenken.<br />

Doch hi<strong>er</strong>zulande? Da bunk<strong>er</strong>n sich Millionäre, die<br />

ob<strong>er</strong>en 430 000, in ihren klimatisi<strong>er</strong>ten Garagen und<br />

beheizbaren Weinkell<strong>er</strong>n ein!<br />

Was zunächst h<strong>er</strong>zlos klingt, <strong>er</strong>weckt jedoch bei näh<strong>er</strong><strong>er</strong><br />

Betrachtung Mitleid, denn hint<strong>er</strong> jed<strong>er</strong> v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>ten Spende<br />

steht ein Einzelschicksal. Lesen Sie, was Bill Gates zu hören bekam,<br />

als <strong>er</strong> mit sein<strong>er</strong> Sammelbüchse vor den Gegensprechanlagen<br />

d<strong>er</strong> Schlossauffahrten stand!<br />

22 EULENSPIEGEL 9/10


Stefan Heinig,<br />

Kik-Geschäftsführ<strong>er</strong><br />

In Indien, wo die von uns gepäppelten<br />

Kind<strong>er</strong> freiwillig, voll<strong>er</strong><br />

spiel<strong>er</strong>ischen Eif<strong>er</strong>s T-Shirts zusammennähen,<br />

h<strong>er</strong>rschen<br />

manchmal noch unglaublich unappetitliche<br />

Bedingungen. Ich<br />

habe üb<strong>er</strong>all Seifenspend<strong>er</strong> aufstellen<br />

lassen. Kik-Klamotten<br />

bleiben saub<strong>er</strong>!<br />

Susanne<br />

Klatten, ledig<br />

Imm<strong>er</strong>, wenn ich gegeben<br />

habe, wurde<br />

mir genommen. Er<br />

war nur auf mein<br />

Geld scharf. Und da<br />

kommen <strong>jetzt</strong> Sie dah<strong>er</strong><br />

und wagen es,<br />

auch von nichts and<strong>er</strong>em<br />

zu reden!<br />

Pe<strong>er</strong> Steinbrück,<br />

Redn<strong>er</strong><br />

Mit meinen Vorträgen<br />

üb<strong>er</strong> Geld v<strong>er</strong>diene<br />

ich <strong>jetzt</strong> <strong>das</strong><br />

Dreifache, v<strong>er</strong>glichen<br />

mit mein<strong>er</strong> Zeit<br />

als Minist<strong>er</strong>. Das<br />

muss doch d<strong>er</strong><br />

kleine Mann als ung<strong>er</strong>echt<br />

empfinden.<br />

Hätte ich nur früh<strong>er</strong><br />

mit den Vorträgen<br />

angefangen!<br />

Josef Ratzing<strong>er</strong>,<br />

V<strong>er</strong>mögensv<strong>er</strong>walt<strong>er</strong><br />

Gottes<br />

An Ost<strong>er</strong>n spende ich imm<strong>er</strong><br />

meinen Segen. Das<br />

muss reichen. Denn Segen<br />

bringt Regen –<br />

meine Antwort auf<br />

die Erd<strong>er</strong>wärmung.<br />

Klaus Ernst,<br />

Arbeit<strong>er</strong>führ<strong>er</strong><br />

Mit 17 000 Euro im Monat<br />

die Arbeit<strong>er</strong>klasse in<br />

die letzte Schlacht zu<br />

führen – <strong>das</strong> ist fast gar<br />

nicht drin. Zumal da ja<br />

noch die Kosten für <strong>das</strong><br />

Wahlkreisbüro abgehen.<br />

Deshalb spende ich am<br />

liebsten mobilisi<strong>er</strong>ende<br />

Worte wie: »Wir predigen<br />

Wein. Ab<strong>er</strong> ich trinke<br />

ihn auch«.<br />

Leo Kirch,<br />

Ehrenwortspend<strong>er</strong><br />

Ich habe schon gespendet.<br />

Habe ab<strong>er</strong> nie eine<br />

Quittung von Kohl bekommen.<br />

D<strong>er</strong> Idiot! Dabei<br />

kann ich doch Spenden<br />

ohne Quittung gar<br />

nicht absetzen.<br />

Jopi Heest<strong>er</strong>s, Fossil<br />

Ich denke, in meinem nächsten<br />

Lebensjahrzehnt könn -<br />

te ich damit beginnen, auch<br />

mal etwas abzugeben.<br />

Simone, hat die SS <strong>das</strong> KZ-<br />

Honorar üb<strong>er</strong>wiesen? Ja?<br />

Dann gehen wir ins Maxim!<br />

Karl Albrecht, Brud<strong>er</strong><br />

Die Möglichkeit, Angehörige <strong>jetzt</strong> auch in einem Laken begraben<br />

zu lassen, hat mich neulich vor ein<strong>er</strong> auß<strong>er</strong>ordentlichen<br />

Mehraufwendung bewahrt, die ich nun voll in ein<br />

neues Produkt investi<strong>er</strong>e – <strong>das</strong> Aldi-Leichentuch mit Kreuzsaum.<br />

Das v<strong>er</strong>schafft 200 Näh<strong>er</strong>innen Lohn und Brot.<br />

Kai Diekmann,<br />

Taz-H<strong>er</strong>ausgeb<strong>er</strong>: Ich glaube nicht,<br />

<strong>das</strong>s sich G<strong>er</strong>echtigkeit in d<strong>er</strong> Gesellschaft<br />

üb<strong>er</strong> Geld h<strong>er</strong>stellen lässt. Ich wäre<br />

g<strong>er</strong>ne Organspend<strong>er</strong>. Natürlich <strong>er</strong>st nach meinem<br />

Tod. Ich hab da nämlich ein Organ, dafür<br />

würden viele Hartz-IV-Empfäng<strong>er</strong> ihr V<strong>er</strong>mögen<br />

geben! (Klein<strong>er</strong> Tip: Bild ist kein Organ.)<br />

XXX, Chefredakteur<br />

Ich spende ein dreimonatiges <strong>Eulenspiegel</strong>-Probeabo<br />

für nur sieben Euro. Obwohl es mich<br />

schm<strong>er</strong>zt und meine Frau mich hauen wird. Ab<strong>er</strong><br />

wenn man Gutes tun kann …<br />

FAZIT<br />

Bill Gates: Ich habe<br />

tolle Leute kennengel<strong>er</strong>nt<br />

und kehre immens<br />

b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>t in<br />

meine Spendensammelzentrale<br />

zurück.<br />

Na also, geht doch!<br />

Mathias Wedel /<br />

Gregor Füll<strong>er</strong><br />

Bild<strong>er</strong>: www. google.de/search<br />

EULENSPIEGEL 9/10 23


Uns<strong>er</strong>e<br />

Besten<br />

Mit Käuf<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> Zeitschrift Focus v<strong>er</strong>hält<br />

es sich wie mit FDP-Wähl<strong>er</strong>n: Hint<strong>er</strong>h<strong>er</strong><br />

will es wied<strong>er</strong> kein<strong>er</strong> gewesen sein.<br />

Doch die Gemeinsamkeiten von Focus und FDP<br />

hören damit nicht auf. Beide sind bunt, unsachlich<br />

und finden die FDP sup<strong>er</strong>. Beide waren damit<br />

teilweise recht <strong>er</strong>folgreich. Und beide w<strong>er</strong>den<br />

von eitlen Fatzkes angeführt, die ihren Platz<br />

ums V<strong>er</strong>recken nicht räumen wollen.<br />

Doch ob es die Alt<strong>er</strong>sweisheit ist od<strong>er</strong> einfach<br />

nur <strong>das</strong> Alt<strong>er</strong>: Helmut Markwort üb<strong>er</strong>lässt ab<br />

Septemb<strong>er</strong> seinen Posten einem Jüng<strong>er</strong>en. Nicht<br />

gleich alle Posten – Gott bewahre! –, ab<strong>er</strong> imm<strong>er</strong>hin<br />

den, d<strong>er</strong> neben dem ewigen Co-Chefredakteur<br />

Uli Baur frei wird. Einfach macht es Markwort<br />

seinem Nachfolg<strong>er</strong> Wolfram Weim<strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings<br />

nicht. Denn kurz vor seinem Abgang hat<br />

<strong>er</strong> dem Blatt noch schnell einen neuen Anstrich<br />

v<strong>er</strong>passt und ein paar Dutzend Redakteure entlassen,<br />

so <strong>das</strong>s Weim<strong>er</strong>s Gestaltungsmöglichkeiten<br />

gegen null gehen. – Wäre ja noch schön<strong>er</strong>,<br />

wenn d<strong>er</strong> Focus plötzlich zu einem <strong>er</strong>nstzunehmenden<br />

Medium w<strong>er</strong>den würde. Nur üb<strong>er</strong><br />

seine dicke Leiche.<br />

Bis zur Geburt des Focus war es für Markwort<br />

ein lang<strong>er</strong> Weg. Wo hatte <strong>er</strong> sich nicht üb<strong>er</strong>all<br />

rumgetrieben, bis <strong>er</strong> sein ureigenstes Blatt hatte<br />

führen und h<strong>er</strong>ausgeben dürfen? Er war als Redakteur<br />

beim St<strong>er</strong>n, <strong>er</strong> war Chefredakteur so<br />

namhaft<strong>er</strong> Blätt<strong>er</strong> wie Gong, Bild und Funk und<br />

Die Aktuelle. Er war Geschäftsführ<strong>er</strong> von Ein H<strong>er</strong>z<br />

für Ti<strong>er</strong>e. W<strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings glaubt, daraus schließen<br />

zu können, Markwort würde jedem, d<strong>er</strong> ihm Geld<br />

dafür gibt, nach d<strong>er</strong> Schnauze schreiben, d<strong>er</strong><br />

irrt. Denn so viele v<strong>er</strong>schiedene Jobs <strong>er</strong> auch<br />

hatte, Markwort blieb sich treu und war imm<strong>er</strong><br />

nur Schmock in eigen<strong>er</strong> Sache.<br />

Mittl<strong>er</strong>weile besetzt <strong>er</strong> so viele Arbeitsplätze,<br />

<strong>das</strong>s man schon beim Aufzählen durcheinand<strong>er</strong><br />

kommen kann. Markwort ist Vorstandsmitglied<br />

d<strong>er</strong> Hub<strong>er</strong>t Burda Media Holding GmbH & Co.<br />

KG, Chefredakteur, Geschäftsführ<strong>er</strong>, H<strong>er</strong>ausgeb<strong>er</strong><br />

und Maskottchen von Focus, Geschäftsführ<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> Burda Broadcast Media GmbH & Co. KG,<br />

Geschäftsführ<strong>er</strong> von Focus TV, H<strong>er</strong>ausgeb<strong>er</strong> von<br />

Focus-Money und Focus-Schule, Leit<strong>er</strong> d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>lagsgruppe<br />

»Milchstraße«, Aufsichtsratsvorsitzend<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> Tomorrow Focus AG und d<strong>er</strong> Playboy<br />

Deutschland Publishing GmbH, Mod<strong>er</strong>ator d<strong>er</strong><br />

Sendung »D<strong>er</strong> Sonntags-Stammtisch« im Bay<strong>er</strong>ischen<br />

F<strong>er</strong>nsehen und Mitglied im V<strong>er</strong>waltungsbeirat<br />

des FC Bay<strong>er</strong>n München. Auß<strong>er</strong>dem ist <strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>mutlich Ehrenmitglied des Münchn<strong>er</strong> Swing<strong>er</strong>-Clubs<br />

»Babsi’s Bums-Bude« und Gründ<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Facebook-Gruppe »Menschen, die aussehen wie<br />

warzige Kröten«.<br />

Wie schafft <strong>er</strong> es bei dies<strong>er</strong> Unmenge an Tätigkeiten,<br />

wöchentlich eine von hart<strong>er</strong> Rech<strong>er</strong>che<br />

und aufwendigen Fakten, Fakten, Fakten strotzende,<br />

sprachlich blitzsaub<strong>er</strong> ausgefeilte Spitzen-Kolumne<br />

in seinen Focus hineinzusemmeln?<br />

Wann hat <strong>er</strong> Zeit dafür? Beim Frisör? Auf dem<br />

Lokus? Vor allem ab<strong>er</strong>: Was treibt ihn an, sein,<br />

nun ja, Gesicht imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> vor irgendwelche<br />

laufenden F<strong>er</strong>nsehkam<strong>er</strong>as zu halten? Ob nach<br />

Wahlen, vor Bay<strong>er</strong>n-Spielen, während Talk-Sendungen<br />

– ständig und zu allem hat <strong>er</strong> eine unint<strong>er</strong>essante<br />

Meinung.<br />

Womit auch schon seine Umtriebigkeit <strong>er</strong>klärt<br />

wäre: Mind<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tigkeitskomplexe d<strong>er</strong> all<strong>er</strong> -<br />

übelsten Sorte. Dem altehrwürdigen Spiegel<br />

wollte d<strong>er</strong> »<strong>er</strong>ste Journalist«, wie <strong>er</strong> sich bescheiden<br />

von seinem V<strong>er</strong>leg<strong>er</strong> nennen lässt, Kon -<br />

kurrenz machen. Doch nicht nur, <strong>das</strong>s <strong>er</strong> als<br />

Softpor nodarstell<strong>er</strong> (»Engelchen od<strong>er</strong> die Jungfrau<br />

von Bamb<strong>er</strong>g«) nicht den Durchbruch<br />

schaffte. Auch als Medienfuzzi wird <strong>er</strong> als Witzfigur<br />

im allgemeinen Gedächtnis bleiben. Hi<strong>er</strong><br />

und da wird <strong>er</strong> zwar ins F<strong>er</strong>nseh eingeladen und<br />

irgendw<strong>er</strong> kauft – wenn auch mit deutlich sinkend<strong>er</strong><br />

B<strong>er</strong>eitschaft – sein Print<strong>er</strong>zeugnis, ab<strong>er</strong><br />

<strong>das</strong> alles nur, weil Freakshows eben schon imm<strong>er</strong><br />

gut gelaufen sind.<br />

Um Aufm<strong>er</strong>ksamkeit kämpfend v<strong>er</strong>sucht <strong>er</strong> es<br />

mit Haudraufparolen, die <strong>er</strong> sich ab<strong>er</strong> bestenfalls<br />

zu ziti<strong>er</strong>en traut, weshalb <strong>er</strong> Sarrazins all<strong>er</strong>dickst<strong>er</strong><br />

Fan ist. In groß<strong>er</strong> Pose kann <strong>er</strong> sich dann<br />

darüb<strong>er</strong> beschw<strong>er</strong>en, <strong>das</strong>s einem in Deutschland<br />

ein Maulkorb v<strong>er</strong>passt w<strong>er</strong>de, wenn man unliebsame<br />

»Wahrheiten« ausspricht, um sich ab<strong>er</strong> genau<br />

in dem Moment zu wid<strong>er</strong>legen, in dem <strong>er</strong><br />

genau diese wied<strong>er</strong>holten Parolen Hund<strong>er</strong>tausenden<br />

unt<strong>er</strong> die Nase reiben darf, ohne gleich<br />

gesteinigt zu w<strong>er</strong>den. Im Gegenteil natürlich:<br />

Den Les<strong>er</strong>n gefällt’s, <strong>das</strong>s da mal ein<strong>er</strong> so einen<br />

Stuss zusammendenkt wie sie selbst. »Leute,<br />

die ich so treffe«, sagt Markwort dann, »Mittelständl<strong>er</strong>,<br />

die eh<strong>er</strong> am Geld<strong>er</strong>w<strong>er</strong>b int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t<br />

sind. Die arbeiten Tag und Nacht, die lesen nicht<br />

so viel.« Für die wolle <strong>er</strong> den Focus machen. Angefüllt<br />

mit Fakten, Fakten, Fakten.<br />

Blöd nur, <strong>das</strong>s Fakten, Fakten, Fakten sich häufig<br />

nicht nach Markworts Geschmack richten,<br />

sond<strong>er</strong>n machen, was ihnen passt. D<strong>er</strong> <strong>er</strong>ste Focus-Titel<br />

1993, d<strong>er</strong> großspurig die Rückkehr<br />

Hans-Dietrich Gensch<strong>er</strong>s v<strong>er</strong>kündete, entpuppte<br />

sich dementsprechend als Ente. So viel zu Markworts<br />

markigen Worten: »Läng<strong>er</strong> rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>en,<br />

kürz<strong>er</strong> schreiben!«<br />

Damit solche Schnitz<strong>er</strong> nicht mehr so häufig<br />

passi<strong>er</strong>en, beh<strong>er</strong>zigte Markwort von da an sein<br />

eigenes Credo »Und imm<strong>er</strong> an die Les<strong>er</strong> denken«.<br />

Und wenn man an die Les<strong>er</strong> denkt, dann<br />

stellt man sich in d<strong>er</strong> Focus-Redaktion die Les<strong>er</strong><br />

leibhaftig vor: bucklig, zahnlos, dumm, blind<br />

und imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> bucklig, bucklig, bucklig. Passend<br />

schneid<strong>er</strong>t man diesen Les<strong>er</strong>n Titelthemen<br />

auf die geschundenen Leib<strong>er</strong>: »Starke Schult<strong>er</strong>«,<br />

»Neue schöne Zähne«, »Testen Sie Ihr Wissen!«,<br />

»Nie wied<strong>er</strong> Brille!«, »Stress mit d<strong>er</strong> Bandscheibe«,<br />

»Die neue Rückenmedizin« und natürlich<br />

»Hilfe für den Rücken«. Alles für die krummgebuckelten<br />

Mittelständl<strong>er</strong>.<br />

Noch ein Titel, d<strong>er</strong> die politische Kaste aufrüttelte<br />

und endlich <strong>das</strong> hochbrisante Thema<br />

Knorpelschaden aufs Tapet brachte, war »Das<br />

gesunde Knie«. Damit <strong>das</strong> Ganze dann nicht zu<br />

unüb<strong>er</strong>sichtlich wurde – Rücken und Knie v<strong>er</strong>wechselt<br />

man leicht als Focus-Les<strong>er</strong> –, wurden<br />

seitdem alle Informationen saub<strong>er</strong> und ordentlich<br />

in Tabellen gepackt. Direkt neben die endlosen<br />

Listen. Listen mit den besten Ärzten, mit<br />

den besten Songs all<strong>er</strong> Zeiten und mit den besten<br />

Ärzte-Songs all<strong>er</strong> Zeiten.<br />

Es muss eine aufg<strong>er</strong>äumte Welt sein, in d<strong>er</strong><br />

Helmut Markwort lebt. Schön geordnet nach<br />

oben und unten. Und w<strong>er</strong> ganz oben auf jed<strong>er</strong><br />

Liste steht, ist auch klar: Helmut Markwort. Leid<strong>er</strong><br />

fehlen bish<strong>er</strong> Listen wie »Die wid<strong>er</strong>lichsten<br />

Chefredakteure Deutschlands« od<strong>er</strong> »Die bräsigsten<br />

H<strong>er</strong>ausgeb<strong>er</strong> all<strong>er</strong> Zeiten«.<br />

Knorpelschaden,<br />

schöne Zähne<br />

Doch Helmut Markwort wäre nicht Helmut<br />

Markwort, wenn <strong>er</strong> sich von irgendwelchen dah<strong>er</strong>gelaufenen<br />

Fakten, Fakten, Fakten beirren<br />

ließe. Bei all d<strong>er</strong> aufwendigen Rech<strong>er</strong>che in zig<br />

Geschäftsführ<strong>er</strong>sesseln und vor dem Buffet in<br />

d<strong>er</strong> FC-Bay<strong>er</strong>n-Ehrenloge legt <strong>er</strong> sich die Welt<br />

zurecht, wide wide wie sie dem neolib<strong>er</strong>alen<br />

Bumskopf gefällt, weshalb d<strong>er</strong> Bundesg<strong>er</strong>ichtshof<br />

2009 entschieden hat, <strong>das</strong>s Markwort als<br />

V<strong>er</strong>antwortlich<strong>er</strong> für den Focus weit<strong>er</strong>hin d<strong>er</strong><br />

Lüge und des Plagiats beschuldigt w<strong>er</strong>den darf.<br />

Bei all<strong>er</strong> Kritik an von Microsoft bezahlten Focus-Spezials,<br />

den Spitzelmethoden sein<strong>er</strong> Alten<br />

(Bunte-Chefin Patricia Riekel) und d<strong>er</strong> Koop<strong>er</strong>ation<br />

einig<strong>er</strong> sein<strong>er</strong> Redakteure mit dem BND –<br />

in sein<strong>er</strong> »Tagebuch« benamsten Focus-Kolumne,<br />

in d<strong>er</strong> <strong>er</strong> alle, die politisch links von Pe<strong>er</strong><br />

Steinbrück stehen, konsequent als »Neokommunisten«<br />

bezeichnet, kann <strong>er</strong> es in seinen besten<br />

Phasen mit Bilds »Chefkolumnist« Franz Josef<br />

Wagn<strong>er</strong> aufnehmen.<br />

Wollen wir im Sinne d<strong>er</strong> sinnfreien Unt<strong>er</strong>haltung<br />

also hoffen, <strong>das</strong>s uns <strong>das</strong> »Nachrichtenmagazin«<br />

auch in Zukunft so wund<strong>er</strong>bare Titel<br />

besch<strong>er</strong>t wie: »Was wird bess<strong>er</strong>? Die großen<br />

Pläne von Schwarz und Gelb«. Vorstellbar wäre<br />

z.B.: »Wie Schwarz-Gelb Ihrem Rücken hilft«.<br />

Carlo Dippold<br />

Zeichnung: Frank Hoppmann<br />

24 EULENSPIEGEL 9/10


26 EULENSPIEGEL 9/10


EULENSPIEGEL 9/10 27<br />

André Sedlaczek / Gregor Füll<strong>er</strong> / Andreas Koristka


Anzeige<br />

Nun ist es bald wied<strong>er</strong> so weit, und hi<strong>er</strong><br />

im Büro w<strong>er</strong>den die Sektkorken knallen.<br />

Weinend vor Freude w<strong>er</strong>den sich die Menschen<br />

in den Armen liegen. Wie imm<strong>er</strong><br />

Anfang Oktob<strong>er</strong>. Doch bei all<strong>er</strong> v<strong>er</strong>ständlichen<br />

Euphorie, die meine Arbeitskollegen<br />

anlässlich des 20. Jahrestages d<strong>er</strong> deutschen<br />

Einheit befallen wird, müssen an<br />

dies<strong>er</strong> Stelle auch ein paar kritische Worte<br />

<strong>er</strong>laubt sein von einem, d<strong>er</strong> die Wied<strong>er</strong>v<strong>er</strong>einigung<br />

mit and<strong>er</strong>en Augen betrachtet,<br />

weil <strong>er</strong> auch die Seite d<strong>er</strong> Opf<strong>er</strong> kennt.<br />

Natürlich scheint es uns heute fast normal, <strong>das</strong>s<br />

ein Westdeutsch<strong>er</strong> in Ostdeutschland arbeitet.<br />

Als ich damals hi<strong>er</strong>h<strong>er</strong> kam, 2007, war <strong>das</strong> all<strong>er</strong>dings<br />

noch nicht so. Da kannte man Westdeutsche<br />

allenfalls als kompetente Führungskräfte,<br />

die zum Teil jahrzehntelang von den Arbeitsämt<strong>er</strong>n<br />

auf diese Aufgabe vorb<strong>er</strong>eitet worden<br />

od<strong>er</strong> die schlichtweg für westliche V<strong>er</strong>hältnisse<br />

üb<strong>er</strong>qualifizi<strong>er</strong>t waren. Als einfach<strong>er</strong> Arbeitnehm<strong>er</strong><br />

jedoch war ich ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten üb<strong>er</strong>haupt.<br />

Zunächst war ich schon skeptisch, als ich auf<br />

d<strong>er</strong> Job-Messe den Stand im Foy<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Uni-Mensa<br />

sah, an dem ein Dutzend junge <strong>Eulenspiegel</strong>-Hostessen<br />

Mitarbeit<strong>er</strong> anw<strong>er</strong>ben wollten. Sollte ich<br />

tatsächlich bei einem solch jungen Unt<strong>er</strong>nehmen<br />

einsteigen? Auch war ich vorsichtig, weil ich<br />

im Grunde alles üb<strong>er</strong> den Osten wusste: Die Menschen<br />

dort sind große FKK-Fans und laufen die<br />

meiste Zeit des Tages ohne Hose h<strong>er</strong>um; sie<br />

sprechen alle Sächsisch; und im thüringischen<br />

Goldlaut<strong>er</strong> essen sie Hunde. Zwar habe ich nichts<br />

gegen p<strong>er</strong>manentes Nacktsein, ab<strong>er</strong> Sächsisch<br />

halte ich für gewöhnungsbedürftig, und Hund<br />

schmeckt mir gar nicht, zumindest nicht die klein<strong>er</strong>en<br />

Rassen.<br />

Dennoch wagte ich <strong>das</strong> Abenteu<strong>er</strong>. Die eben<br />

<strong>er</strong>wähnten Kenntnisse waren dabei sehr hilfreich<br />

bei meinen <strong>er</strong>sten Kontakten. Auch die Ostdeutschen<br />

selbst sind imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>rascht, wie<br />

gut sich Westdeutsche mit den regionalen Gegebenheiten<br />

auskennen und wie gut sie Bescheid<br />

wissen üb<strong>er</strong> die SBZ. Was ab<strong>er</strong> einfach daran<br />

liegt, <strong>das</strong>s einem im Westen schon in d<strong>er</strong> Schule<br />

praktisch alles beigebracht wird, was es üb<strong>er</strong><br />

den Osten zu wissen gibt. Allein in d<strong>er</strong> gym -<br />

nasialen Mittelstufe sind in Bay<strong>er</strong>n zehn Wochenstunden<br />

Ost-Kunde angesetzt. Auch wenn<br />

viele im Westen finden, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> zu wenig sei,<br />

um einen Teil Deutschlands kennenzul<strong>er</strong>nen, d<strong>er</strong><br />

fast so viele Einwohn<strong>er</strong> hat wie Nordrhein-Westfalen,<br />

für dessen Eigenheiten zwanzig Wochenstunden<br />

auf dem Schulplan stehen.<br />

Am <strong>er</strong>sten Arbeitstag war ich sehr <strong>er</strong>schrocken.<br />

Die blühenden Landschaften, die<br />

es, <strong>das</strong> hatte ich im F<strong>er</strong>nsehen gesehen, angeblich<br />

gar nicht gab, waren hi<strong>er</strong> unüb<strong>er</strong>sehbar.<br />

Ich bekam nicht nur einen eigenen Ventilator,<br />

sond<strong>er</strong>n auch einen Stift und einen Duden<br />

nur für mich. Klar, <strong>das</strong>s da d<strong>er</strong> Westen ausblutet,<br />

wenn im Osten so geprasst wird. Alles<br />

Dinge, die man natürlich sofort am <strong>er</strong>sten Tag<br />

auch mit dem nötigen Nachdruck ansprechen<br />

muss als Neuling. Daraufhin l<strong>er</strong>nte ich jedoch<br />

umgehend den unangenehmsten Charakt<strong>er</strong>zug<br />

des Ostdeutschen kennen: Ständig sucht <strong>er</strong><br />

Alle<br />

Streit und geht jeden Konflikt direkt an, anstatt<br />

ihm kindisch auszuweichen.<br />

Auch an die Arbeitsmoral mein<strong>er</strong> Kollegen musste<br />

ich mich <strong>er</strong>st gewöhnen. An westdeutschen<br />

Univ<strong>er</strong>sitäten, vor allem in geisteswissenschaftlichen<br />

Fäch<strong>er</strong>n, wird man heutzutage zur p<strong>er</strong>fekt<br />

funktioni<strong>er</strong>enden Arbeitsmaschine gedrillt, um<br />

spät<strong>er</strong> möglichst viel Gewinn abzuw<strong>er</strong>fen. Das<br />

habe ich v<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>licht. Im Wirtschaftssystem d<strong>er</strong><br />

DDR dagegen hatten alle gel<strong>er</strong>nt, <strong>das</strong>s wenn<br />

keine Arbeit da ist, man auch nicht am Arbeitsplatz<br />

<strong>er</strong>scheinen muss. Und während ich also<br />

morgens um sieben im Büro saß, waren hi<strong>er</strong> die<br />

Flure v<strong>er</strong>waist. Imm<strong>er</strong>hin konnte ich ihnen klar<br />

machen, <strong>das</strong>s es sinnvoll ist, wenigstens vor zehn<br />

Uhr in d<strong>er</strong> Redaktion zu <strong>er</strong>scheinen. Imm<strong>er</strong>hin<br />

gibt es einmal im Monat einen festen Abgabet<strong>er</strong>min<br />

bei d<strong>er</strong> Druck<strong>er</strong>ei!<br />

28 EULENSPIEGEL 9/10


Was ich ihnen all<strong>er</strong>dings nicht austreiben kann,<br />

sind ihre Lobeshymnen auf die BRD, die ihnen<br />

ihren Lebensstandard genommen hat, und die<br />

V<strong>er</strong>teufelung all dessen, was die DDR betrifft.<br />

Das Land, in dem sie aufgewachsen sind, in dem<br />

sie doch so lange geliebt, gearbeitet und gelebt<br />

haben, und aus dem sie nicht raus wollten. Dies<strong>er</strong><br />

Hass geht zum Teil so weit, <strong>das</strong>s DDR-freundliche<br />

Texte mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt<br />

w<strong>er</strong>den.<br />

Erst nach einigen Flaschen Sekt (Mumm natürlich<br />

– ehemalige Ost-Produkte sind v<strong>er</strong>pönt) wird<br />

sich Anfang Oktob<strong>er</strong> dem ein od<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en ein<br />

Lob für <strong>das</strong> v<strong>er</strong>lorene Land entlocken lassen. »Es<br />

war ja nicht alles schlecht«, wird ein<strong>er</strong> dann sagen,<br />

und auf die kaputte Umwelt und <strong>das</strong> noch<br />

kaputt<strong>er</strong>e Klima in d<strong>er</strong> BRD hinweisen, die beide<br />

früh<strong>er</strong> noch intakt waren.<br />

Doch schnell wird man wied<strong>er</strong> den Westen preisen.<br />

Highspeed-DSL, Plasmaf<strong>er</strong>nseh<strong>er</strong>, ein iPhone,<br />

d<strong>er</strong> neue Audi A8 – <strong>das</strong> sei ja im Osten alles nur<br />

schw<strong>er</strong> zu bekommen gewesen früh<strong>er</strong>. »Wie haben<br />

wir <strong>das</strong> damals ausgehalten?«, w<strong>er</strong>den sie<br />

dann v<strong>er</strong>zweifelt fragen. Man könne es sich kaum<br />

mehr vorstellen, in ein<strong>er</strong> Welt zu leben, in d<strong>er</strong><br />

man nicht aus 50 v<strong>er</strong>schiedenen Zahnbürsten-Marken<br />

auswählen kann.<br />

Die meisten würden auch lieb<strong>er</strong> im piekfeinen<br />

West-B<strong>er</strong>lin<strong>er</strong> Szenebezirk Neukölln mit all seinen<br />

extravaganten Imbissbuden und exotischen<br />

in unt<strong>er</strong> Ossis<br />

Selbst die niedrigsten Standards am Arbeitsplatz w<strong>er</strong>den hi<strong>er</strong> missachtet:<br />

Da es keinen Pausenraum gibt, sind auch Pausen während d<strong>er</strong> Arbeit nicht <strong>er</strong>laubt.<br />

Gemüsemärkten wohnen – so wie ich. Dafür würden<br />

sie auf d<strong>er</strong> Stelle ihre armseligen Wass<strong>er</strong>grundstücke<br />

in Brandenburg v<strong>er</strong>kaufen. Doch w<strong>er</strong><br />

sollte die denn wollen? Wessis bestimmt nicht.<br />

Sehr <strong>er</strong>freulich waren meine <strong>er</strong>sten Kontakte<br />

mit den Menschen, die hi<strong>er</strong> mehr geschätzt w<strong>er</strong>den<br />

als alles sonst auf d<strong>er</strong> Welt: Les<strong>er</strong>. So führte<br />

ich z.B. Telefongespräche mit Les<strong>er</strong>n, die gleich<br />

noch ein zweites Abo zusätzlich abschließen wollten,<br />

als sie an meinem saub<strong>er</strong>en Hochdeutsch <strong>er</strong>kannten,<br />

<strong>das</strong>s ich aus dem Westen bin. Man<br />

m<strong>er</strong>kte einfach, <strong>das</strong>s diese Menschen in den <strong>er</strong>sten<br />

Jahren nach d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>einigung nur gute Erfahrungen<br />

mit Westdeutschen gemacht hatten und<br />

dementsprechend allem Fremden aufgeschlossen<br />

gegenüb<strong>er</strong>standen.<br />

Das war jedoch nicht bei allen so. Vor allem einige<br />

Kollegen können ihre Feindseligkeit auch <strong>jetzt</strong><br />

noch kaum v<strong>er</strong>hehlen, weshalb ich seit meinem<br />

<strong>er</strong>sten Arbeitstag p<strong>er</strong>manentem Mobbing ausgesetzt<br />

bin. Das geht so weit, <strong>das</strong>s manche mich<br />

selbst bis in die Mittagspause v<strong>er</strong>folgen, um mich<br />

durch imm<strong>er</strong> größ<strong>er</strong>e Mengen Ethanol zu v<strong>er</strong>giften.<br />

Die größten Schäden d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>einigung sehe ich<br />

all<strong>er</strong>dings imm<strong>er</strong>, wenn ich zurück in die Heimat<br />

fahre. Wie sich <strong>das</strong> schöne alte Deutschland v<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>t<br />

hat: Üb<strong>er</strong>all sprießen Handy-Shops, Sandwichläden<br />

und Matratzendiscount<strong>er</strong> wie Unkraut<br />

aus dem Boden. Auß<strong>er</strong>dem benutzen die Leute<br />

beim Laufen Schistöcke, und üb<strong>er</strong>all gibt es den<br />

Kaffee <strong>jetzt</strong> auch zum Mitnehmen. Diese unsäglichen<br />

Ost-Moden sind mit d<strong>er</strong> Wied<strong>er</strong>v<strong>er</strong>einigung<br />

zu uns in den Westen gelangt, in mein<strong>er</strong> Kindheit<br />

hat es <strong>das</strong> alles nicht gegeben.<br />

So b<strong>er</strong>eue ich es mitunt<strong>er</strong> fürcht<strong>er</strong>lich, <strong>das</strong>s ich<br />

damals diesen Schritt gewagt habe. Was hätte ich<br />

im Westen nicht alles <strong>er</strong>reichen können! Ich hätte<br />

Karri<strong>er</strong>e machen können als W<strong>er</strong>betext<strong>er</strong> für aufstrebende<br />

Frisörbetriebe und Metzg<strong>er</strong>eien. Od<strong>er</strong><br />

ich hätte mich in d<strong>er</strong> sozialen Hängematte, die<br />

uns die neolib<strong>er</strong>alen Politik<strong>er</strong> aus dem Osten nehmen<br />

wollen, ausruhen können. Stattdessen leiste<br />

ich Aufbauhilfe und lasse mich für regelmäßiges<br />

Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei ein<strong>er</strong> gefühlten<br />

35-Stunden-Woche und 30 Tagen Urlaub im Jahr<br />

ausbeuten. So bin ich ganz klar zum Opf<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Wied<strong>er</strong>v<strong>er</strong>einigung geworden. Ab<strong>er</strong> in dies<strong>er</strong> Weise<br />

wird d<strong>er</strong> Wessi eben nie gesehen. Mit dies<strong>er</strong> himmelschreienden<br />

Ung<strong>er</strong>echtigkeit muss ich leben.<br />

Gregor Füll<strong>er</strong><br />

EULENSPIEGEL 9/10 29


Digi tales<br />

30 EULENSPIEGEL 9/10


Beck<br />

EULENSPIEGEL 9/10 31


Jan Tomaschoff<br />

Anzeige<br />

In Schu<br />

Mit flammendem Kopf trat d<strong>er</strong> Präsident des<br />

Deutschen Hausärzte- und Girov<strong>er</strong>bandes vor<br />

die Mikrofone. Schaum wuchs ihm jedes Mal<br />

aus dem Mund, wenn <strong>er</strong> den Namen Philipp<br />

Rösl<strong>er</strong> aussprach. Die Augen rollten wie zornige<br />

Tig<strong>er</strong> in ihren Käfigen h<strong>er</strong>um, während <strong>er</strong> üb<strong>er</strong><br />

die soeben von d<strong>er</strong> Leine gelassene Gesundheitsreform<br />

zet<strong>er</strong>te. Und als <strong>er</strong> mit beißend<strong>er</strong><br />

Stimme einen Kampf bis aufs Skalpell gegen<br />

die Sparpläne ankündigte, fuhrw<strong>er</strong>kten seine<br />

Arme durch die Luft, als hätte <strong>er</strong> einen wid<strong>er</strong>spenstigen<br />

Patienten auf dem Unt<strong>er</strong>suchungs -<br />

tisch liegen.<br />

Würden die Einsparungen wahr, w<strong>er</strong>de eine<br />

Hausarztpraxis nach d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en ins Grab<br />

beißen, warnte ihr ob<strong>er</strong>st<strong>er</strong> lebend<strong>er</strong> Repräsentant,<br />

d<strong>er</strong>weil golfballgroße Pickel und Quaddeln,<br />

fett wie Brotlaibe, an seinem Hals und<br />

seinen Händen aufblühten, <strong>das</strong>s selbst die Journalisten<br />

sich kratzen mussten. »Kein Hausarzt<br />

wird jemals wied<strong>er</strong> Minist<strong>er</strong> Rösl<strong>er</strong> behandeln!<br />

Doch nötig hätte d<strong>er</strong>’s!«, gallte <strong>er</strong> in die weit<br />

aufgesp<strong>er</strong>rten Kam<strong>er</strong>as und v<strong>er</strong>wies darauf,<br />

<strong>das</strong>s jen<strong>er</strong> Rösl<strong>er</strong> bei d<strong>er</strong> Amtseinführung v<strong>er</strong>sprochen<br />

hatte, nicht an den Hausärzten zu rütteln.<br />

Diese hätten dah<strong>er</strong> mit weit<strong>er</strong>hin steil anschwellenden<br />

Kassen rechnen dürfen, viele b<strong>er</strong>eits<br />

im festen Hinblick darauf ein Pf<strong>er</strong>degestüt<br />

<strong>er</strong>worben od<strong>er</strong> sich in ein schmuckes Alpental<br />

eingekauft, ab<strong>er</strong> daran denke natürlich mal wied<strong>er</strong><br />

kein<strong>er</strong>.<br />

So sehr man die Regi<strong>er</strong>ung auf dem eigenen<br />

Kiek<strong>er</strong> habe: Man w<strong>er</strong>de die Patienten nicht<br />

v<strong>er</strong>gessen, v<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>te Deutschlands Hausarzt<br />

Numm<strong>er</strong> eins. Diese hätten schließlich Rösl<strong>er</strong><br />

gewählt, und wenn ein Kollege demnächst eine<br />

v<strong>er</strong>drehte Diagnose stelle, ein windiges Medikament<br />

v<strong>er</strong>schreibe od<strong>er</strong> eine nach hinten losgehende<br />

Th<strong>er</strong>apie anordne, weil eine auf guten<br />

Beinen stehende Exploration nicht mehr anständig<br />

v<strong>er</strong>gütet wird, so sei d<strong>er</strong> Hausarzt d<strong>er</strong> Letzte,<br />

d<strong>er</strong> <strong>das</strong> nicht von äuß<strong>er</strong>stem H<strong>er</strong>zen bedau<strong>er</strong>e<br />

und sowieso eine starke B<strong>er</strong>ufshaftpflichtv<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>ung<br />

im Besteckkasten habe, die die Sache<br />

weit draußen regelt.<br />

Die Hausärzte nehmen die neueste Gesundheitsreform<br />

also nicht auf die leichte Backe.<br />

Schon <strong>jetzt</strong> leben viele vom Hung<strong>er</strong>tuch. D<strong>er</strong><br />

Laie mag den ungläubigen Thomas schütteln,<br />

doch Belegstücke gibt es reichlich. Dr. haus.<br />

med. Wolf Czywalski aus Altbrandenburg zum<br />

Beispiel führt eine häufig anzutreffende Klage<br />

spazi<strong>er</strong>en: »Ich muss heute schon den schiefgespielten<br />

Hamst<strong>er</strong> mein<strong>er</strong> kleinen Patienten<br />

mit behandeln od<strong>er</strong> den aufgeblähten Dackel<br />

ein<strong>er</strong> alten Dame mit kuri<strong>er</strong>en und mir <strong>das</strong> am<br />

Gesetz vorbei in die nackte Hand bezahlen lassen,<br />

um auch nur einig<strong>er</strong>maßen üb<strong>er</strong>leben und<br />

32 EULENSPIEGEL 9/10


Andreas Prüstel<br />

Doktor spiele<br />

tt und Asche<br />

Ari Plikat<br />

meinem Sohn zum 18. Geburtstag einen fabrikfrischen<br />

BMW schenken zu können.«<br />

Ein ähnliches Lied hat Dr. land. med. G<strong>er</strong>linde<br />

Kappkes auf den Zähnen. Sie praktizi<strong>er</strong>t am<br />

schönen Unt<strong>er</strong>rhein, und ihr Schicksal ist bezeichnend<br />

für Medizin<strong>er</strong>, die mit beiden Stiefeln<br />

auf dem Land wohnen: »Ich bin es b<strong>er</strong>eits<br />

seit Jahren gewohnt, bei meinen Hausbesuchen<br />

auch die Zimm<strong>er</strong>pflanzen zu gießen, die Schwei -<br />

ne zu fütt<strong>er</strong>n und bei d<strong>er</strong> Ernte zu helfen. Nach<br />

Hausärzte drohen g<strong>er</strong>n mit<br />

dem Tod, auch ihrem eigenen<br />

dem Einheitlichen Bew<strong>er</strong>tungsmaßstab EBM d<strong>er</strong><br />

gesetzlichen Krankenv<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>ung kriege ich<br />

dafür kaum eine Handbreit Euros. Ab<strong>er</strong> ich muss<br />

es tun, weil die Alten sonst ins Heim abtauchen<br />

und ich <strong>das</strong> Benzin für mein Privatflugzeug ja<br />

auch irgendwie bezahlen muss.«<br />

Wie sie sehen sich nicht wenige Doktoren<br />

gezwungen, d<strong>er</strong> Legalität eine heimliche Nase<br />

zu drehen, um nicht eines Tages mit bis auf die<br />

Haut le<strong>er</strong>en Taschen zu enden und sich selbst<br />

essen zu müssen. Da rechnet d<strong>er</strong> eine schon<br />

mal eine Reparatur an seinem Haus als Op<strong>er</strong>ation<br />

an einem eingefressenen Zehennagel ab;<br />

eine and<strong>er</strong>e greift sich einen Haufen fiktiv<strong>er</strong> Patienten<br />

aus d<strong>er</strong> Luft – nicht etwa, um sich mit<br />

den <strong>er</strong>schwindelten Honoraren eine goldene<br />

Villa zu leisten, wie es <strong>das</strong> Vorurteil will, nein,<br />

um die bloße Existenz zu sich<strong>er</strong>n, denn ihre<br />

Putzfrau, ihr Gärtn<strong>er</strong> und ihr Kind<strong>er</strong>mädchen<br />

wollen schließlich auch von etwas leben. Fast<br />

schon niedlich ist d<strong>er</strong> Fall jenes Hausarztes mit<br />

gut<strong>er</strong> Anlage zur Akupunktur, d<strong>er</strong> sich die teuren<br />

Nadeln nicht mehr leisten kann und auf alte<br />

Nägel zurückgreifen muss. Od<strong>er</strong> man denke an<br />

den gar nicht so seltenen Medikus mit homöopathisch<strong>er</strong><br />

Zugangsb<strong>er</strong>echtigung, d<strong>er</strong> seine Mittelchen<br />

statt in hochauflösendem Alkohol künftig<br />

in billig<strong>er</strong> eigen<strong>er</strong> Spucke v<strong>er</strong>dünnen muss!<br />

Wenn <strong>er</strong> nicht sogar zum Speichelfluss seines<br />

hochw<strong>er</strong>tigen Hundes greift!<br />

D<strong>er</strong> Vorwurf, die Hausärzte gehörten zu den<br />

Privilegi<strong>er</strong>ten uns<strong>er</strong><strong>er</strong> in Wahrheit längst porös<br />

gewordenen Wohlstandsgesellschaft, tritt offenkundig<br />

daneben. »Die Zahlen, die in d<strong>er</strong> Öffentlichkeit<br />

h<strong>er</strong>umg<strong>er</strong>eicht w<strong>er</strong>den, stimmen<br />

oben und unten nicht«, <strong>er</strong>klärt d<strong>er</strong> schon weit<strong>er</strong><br />

oben dingfest gemachte Funktionär, d<strong>er</strong><br />

auch Geschäftsführ<strong>er</strong> des Bundes B<strong>er</strong>lin<strong>er</strong><br />

Hausmedizin<strong>er</strong> und Swing<strong>er</strong>clubbesitz<strong>er</strong> ist.<br />

»Einem durchschnittlich bemittelten Hausarzt<br />

in Deutschland wachsen im Jahr g<strong>er</strong>ade mal<br />

kurze 100 000 Euro zu v<strong>er</strong>steu<strong>er</strong>ndes Einkommen<br />

zu. So viel haben g<strong>er</strong>ade mal fünf Prozent<br />

d<strong>er</strong> lebenden Bevölk<strong>er</strong>ung. Und fünf Prozent<br />

sind wirklich wenig, da stimmen Sie mir sich<strong>er</strong>lich<br />

zu. 95 Prozent dagegen sind viel mehr!«<br />

Sowieso sind die eben ins Treffen geführten<br />

100 000 Euro eine fadenscheinige Summe, da<br />

d<strong>er</strong> Arzt gar nicht frei üb<strong>er</strong> sie v<strong>er</strong>fügen kann.<br />

Er muss davon auch den Golfurlaub bezahlen,<br />

seine Segelflotte instand halten, Goldbarren<br />

kaufen und für die V<strong>er</strong>waltung sein<strong>er</strong> Miethäus<strong>er</strong><br />

aufkommen, ob es ihm passt od<strong>er</strong> nicht.<br />

Zwar ist den Hausärzten klar, <strong>das</strong>s die Kosten<br />

des deutschen Gesundheitssystems in<br />

astronomischen Höhen waten. Ebenso sind sie<br />

sich bewusst, <strong>das</strong>s dieses Gesundheitssystem<br />

auf vielen Schult<strong>er</strong>n fußt. »Wir wissen, <strong>das</strong>s<br />

alle den Gürtel schmal<strong>er</strong> schnallen müssen.<br />

Warum also ausg<strong>er</strong>echnet auch die Haus -<br />

ärzte?«, bringt d<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits mehrfach bezeichnete<br />

Lobbyist, d<strong>er</strong> auch Schatzmeist<strong>er</strong> d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>einigung<br />

Badisch<strong>er</strong> Hausärzte und Großwildjäg<strong>er</strong><br />

ist, die Sache auf den wunden Punkt. Und<br />

eines, grummelt <strong>er</strong> in sacktiefem, drohendem<br />

Bass und betont die Worte, als klopfe <strong>er</strong> bei<br />

jed<strong>er</strong> Silbe den Kni<strong>er</strong>eflex h<strong>er</strong>aus, eines müsse<br />

jed<strong>er</strong> Patient, also jed<strong>er</strong> Mensch, wissen: Wenn<br />

die Gesundheitspolitik weit<strong>er</strong>mache wie bish<strong>er</strong>,<br />

müssen wir üb<strong>er</strong> kurz od<strong>er</strong> lang alle st<strong>er</strong>ben.<br />

Schöne Aussichten!<br />

Pet<strong>er</strong> Köhl<strong>er</strong><br />

EULENSPIEGEL 9/10 33


Dinn<strong>er</strong> For Two


Barbara Hennig<strong>er</strong> / Gabi Stave


Anzeige<br />

Lachen<br />

Wenn im Osten eine Dau<strong>er</strong>w<strong>er</strong>besendung von den »schönsten<br />

Hits« des Sozialismus, den »weltbesten Osthits«, also dem<br />

Dreck aus d<strong>er</strong> Zone, unt<strong>er</strong>brochen wird, dann kommt Jugendlie<br />

be auf den Tell<strong>er</strong>, die auf den Tag genau 30 Jahre alt ist.<br />

Trockenhirnige Mod<strong>er</strong>atoren, nichts als »die aktuellsten Blitz<strong>er</strong>«<br />

im Kopf, sorgen dafür.<br />

Und sonst so, Ute Freudenb<strong>er</strong>g?<br />

Sonst eigentlich nichts, null.<br />

Doch! G<strong>er</strong>n sitzt sie in Talk -<br />

shows, um aus dem Alltag d<strong>er</strong> Diktatur<br />

zu plaud<strong>er</strong>n und zu beteu<strong>er</strong>n,<br />

<strong>das</strong>s sie es war, die irgendwie<br />

die Mau<strong>er</strong> eing<strong>er</strong>issen hat. Mit<br />

schreckstarren Augen <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t sie<br />

sich durchlitten<strong>er</strong> Folt<strong>er</strong>: »Ich war<br />

bei d<strong>er</strong> einzigen DDR-Schallplattenfirma<br />

und beim staatlichen Komitee<br />

für Unt<strong>er</strong>haltungskunst aus<br />

mir un<strong>er</strong>klärlichen Gründen in Ungnade<br />

gefallen.« Die Gründe sind<br />

noch lief<strong>er</strong>bar: Die Frau konnte<br />

rein gar nichts, bewegte sich narkoleptisch,<br />

grinste unmotivi<strong>er</strong>t,<br />

wirkte desorienti<strong>er</strong>t, sah aus, als<br />

wäre ihr durch eine Laune d<strong>er</strong> Natur<br />

kein Haupt-, sond<strong>er</strong>n Schamhaar<br />

gewachsen (und zwar auf<br />

dem Kopf), und sang furchtbar<br />

stumpfes Zeug. Leid<strong>er</strong> war die stalinistische<br />

Geschmackspolizei nicht<br />

streng genug mit ihr.<br />

Geboren wurde Ute im Wint<strong>er</strong><br />

des Jahres 1956 in d<strong>er</strong> Nähe von<br />

Weimar. Entdeckt wurde sie im<br />

Somm<strong>er</strong>, zwölfeinhalb Jahre spät<strong>er</strong>,<br />

in einem F<strong>er</strong>ienlag<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Jungpioni<strong>er</strong>e,<br />

wo sie ihr biografisches<br />

Schlüssel<strong>er</strong>lebnis mit dem Objektleit<strong>er</strong><br />

hatte (siehe Jugendliebe). Die<br />

DDR suchte manisch nach Talenten,<br />

um sie für den Kommunismus<br />

zu missbrauchen. Praktisch jed<strong>er</strong><br />

musste irgendwie begabt sein.<br />

Und so durfte auch Ute bald an<br />

d<strong>er</strong> Musikhochschule studi<strong>er</strong>en<br />

und <strong>er</strong>warb den staatlichen Abschluss<br />

ein<strong>er</strong> Rock<strong>er</strong>lady. Fortan<br />

wurde Jugendliebe rauf und runt<strong>er</strong><br />

gedudelt, wofür d<strong>er</strong> Diplom-Int<strong>er</strong>pretin<br />

ein ums and<strong>er</strong>e Mal in öffentlichen<br />

V<strong>er</strong>kehrsmitteln Prügel<br />

angeboten wurden. Ab<strong>er</strong> die SED<br />

und ihre Funkmedien waren un<strong>er</strong>bittlich.<br />

Kein Wund<strong>er</strong>, denn den<br />

Refrain hatte d<strong>er</strong> Text<strong>er</strong> Burkhard<br />

Lasch (wurde nach d<strong>er</strong> Wende<br />

nicht einmal angeklagt) den Funktionären<br />

aus dem blutroten H<strong>er</strong>zen<br />

geschrieben:<br />

Jugendliebe bringt<br />

den Tag, wo man beginnt,<br />

alles um sich h<strong>er</strong><br />

ganz and<strong>er</strong>s anzuseh’n. Ha! Ha!<br />

Lachen trägt die Zeit,<br />

die unv<strong>er</strong>gessen bleibt,<br />

denn sie ist traumhaft schööön.<br />

D<strong>er</strong> Sozialismus trägt ein Lachen<br />

und ist traumhaft schööön! Bess<strong>er</strong><br />

geht es nicht. Das Volksbildungsminist<strong>er</strong>ium<br />

unt<strong>er</strong> Margot H. war<br />

hing<strong>er</strong>issen und <strong>er</strong>wog sogar, <strong>das</strong><br />

eindrückliche »Ha! Ha!« als sozialistischen<br />

Morgengruß in den Schulen<br />

einzuführen. (Das Projekt wurde<br />

indes v<strong>er</strong>worfen, denn man fürchtete<br />

zynische Kommentare aus dem<br />

Westen, die <strong>das</strong> kollektive »Ha! Ha!«<br />

als »Lachnumm<strong>er</strong>« läch<strong>er</strong>lich gemacht<br />

hätten.) Mit Hilfe d<strong>er</strong> Sup<strong>er</strong>illu,<br />

dem Blatt für sämtliche Freudenb<strong>er</strong>gsche<br />

Lebenslagen, v<strong>er</strong>suchte<br />

die Freudenb<strong>er</strong>g nach d<strong>er</strong><br />

Revolution, diesen Text als Akt des<br />

antikommunistischen Wid<strong>er</strong>stands<br />

anzupreisen: Das kleine Glück in<br />

d<strong>er</strong> privaten Nische, Lachen (Ha!<br />

Ha!) trotz p<strong>er</strong>manentem Bananen -<br />

entzug, d<strong>er</strong> ironische Uhrenv<strong>er</strong>gleich<br />

(»Lachen trägt die Zeit«) als<br />

36 EULENSPIEGEL 9/10


Ost pop<br />

trägt die Zeit<br />

kühn<strong>er</strong> Vorgriff auf »W<strong>er</strong> zu spät<br />

kommt, den bestraft <strong>das</strong> Leben«.<br />

Ute ging es bestens. Ab<strong>er</strong> sie<br />

wollte mehr! Sie wollte auch in den<br />

»Musikantenstadl« und zu »Rock am<br />

Ring«. Und Bielefeld wollte sie »rasend<br />

g<strong>er</strong>n« mal kennenl<strong>er</strong>nen – v<strong>er</strong>ständlich,<br />

wenn man aus Weimar<br />

kommt. Das kam den SED-Bonzen<br />

g<strong>er</strong>ade recht. Sie hatten <strong>er</strong>kannt,<br />

<strong>das</strong>s aus dem Freudenb<strong>er</strong>g ohnehin<br />

kein frisch<strong>er</strong> Quell mehr sick<strong>er</strong>n<br />

würde, und wollten den DDR-Bürg<strong>er</strong>n<br />

als abschreckendes Beispiel<br />

vorführen, wie sogar ein »Schlag<strong>er</strong>st<strong>er</strong>nchen«<br />

auf die Fresse fallen<br />

kann, wenn es nichts kann und es<br />

mit Nichtskönnen im Westen v<strong>er</strong>sucht.<br />

Sie ließen die Freudenb<strong>er</strong>g,<br />

v<strong>er</strong>sehen mit einem V<strong>er</strong>pflegungsbeutel<br />

(1 Dau<strong>er</strong>wurst, 1 Ei, Kekse aus<br />

Wurzen) nach Hamburg zu F<strong>er</strong>nsehaufnahmen<br />

reisen. Und die wollte<br />

prompt nicht mehr nach Hause kommen.<br />

In Prenzlau<strong>er</strong> B<strong>er</strong>g soll es daraufhin<br />

zu illegalen Hint<strong>er</strong>hofpartys<br />

unt<strong>er</strong> dem Motto »Freude, sie ist<br />

üb<strong>er</strong>n B<strong>er</strong>g!« gekommen sein.<br />

Um ihre Sozialisi<strong>er</strong>ung in einem<br />

Pioni<strong>er</strong>f<strong>er</strong>ienlag<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Welt d<strong>er</strong><br />

Kommunistenv<strong>er</strong>folgung zu v<strong>er</strong>schlei<strong>er</strong>n,<br />

tingelte die F. fortan unt<strong>er</strong><br />

dem Tarnnamen Heath<strong>er</strong> Jones<br />

durch die Lande. In d<strong>er</strong> Sup<strong>er</strong>illu<br />

schild<strong>er</strong>te sie spät<strong>er</strong> <strong>er</strong>greifend, wie<br />

die Plattenfirma nicht nur einfach<br />

ihren Pass und ihre Wechselwäsche,<br />

sond<strong>er</strong>n auch ihren Mädchennamen<br />

kassi<strong>er</strong>t hat – mit d<strong>er</strong> Begründung,<br />

Ute Freudenb<strong>er</strong>g, <strong>das</strong> klinge ja wie<br />

Dörte Venushügel. Mit diesem Namen<br />

könne sie höchstens in einem<br />

Düsseldorf<strong>er</strong> Vorstadtpuff auftreten.<br />

Damals war sie offenbar dankbar<br />

für diesen Rat, sang schnell noch<br />

den Titelsong für einen »Tatort« ein<br />

und v<strong>er</strong>schwand dann im finst<strong>er</strong>en<br />

Rumpf eines Ausflugdampf<strong>er</strong>s. Da<br />

wäre sie heute noch und uns viel<br />

<strong>er</strong>spart geblieben …<br />

Doch es kam die Wende! Heath<strong>er</strong><br />

Jones drückte sich noch eine Weile<br />

v<strong>er</strong>schämt am ehemaligen Eis<strong>er</strong>nen<br />

Vorhang h<strong>er</strong>um, bettelte auf Wied<strong>er</strong>v<strong>er</strong>einigungs-Volksfesten<br />

um Muggen,<br />

fraß trocken Brot, wusch sich<br />

nicht mehr und kürzte sich nicht<br />

mehr die Zähne. Schließlich v<strong>er</strong>steckte<br />

sie sich im WC des Int<strong>er</strong>zonenzuges<br />

nach Erfurt. Als die blinde<br />

Passagi<strong>er</strong>in auf den Bahnhofsvorplatz<br />

kam, wo d<strong>er</strong>einst Willy Brandt<br />

gefei<strong>er</strong>t worden war (»Willy mach<br />

<strong>das</strong> Rollo hoch / denn wir Ossis warten<br />

doch!«), stand da eine ungeheure<br />

Menschenmenge, und Leute<br />

sprangen begeist<strong>er</strong>t in die Höhe.<br />

Nach Bananen, die ihnen zugeworfen<br />

wurden. Ute war bitt<strong>er</strong> gekränkt.<br />

Deshalb ging sie in eine Talkshow<br />

und entschuldigte sich schniefend<br />

bei ihrem Publikum, <strong>das</strong>s sie so<br />

lange v<strong>er</strong>reist gewesen sei. Ab<strong>er</strong><br />

dafür, sagte sie, habe sie ihren Fans<br />

ja auch was Schönes mitgebracht,<br />

die Freiheit und so. Fast täglich üb<strong>er</strong>fällt<br />

sie seitdem F<strong>er</strong>nsehredakteure,<br />

die sie an den unmöglichsten Orten<br />

aufspürt, damit die mal wied<strong>er</strong> Jugendliebe<br />

spielen. Sie war bei Marianne<br />

und Michael und zu Gast bei<br />

d<strong>er</strong> Betonfrisur Carmen Nebel. G<strong>er</strong>ne<br />

zeigt die Freudenb<strong>er</strong>g bei diesen Gelegenheiten<br />

ihre hohen politischen<br />

Auszeichnungen vor – den »Braunschweig<strong>er</strong><br />

Karnevalsorden«, den »H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>t-Roth-Preis«<br />

und die »Goldene<br />

Kralle«, vom Skifahr<strong>er</strong> und Ladykill<strong>er</strong><br />

Diet<strong>er</strong> Althaus v<strong>er</strong>liehen, d<strong>er</strong> in<br />

d<strong>er</strong> Jugendliebe in so ausreichendem<br />

Maße <strong>das</strong> Land Thüringen repräsenti<strong>er</strong>t<br />

sah, <strong>das</strong>s <strong>er</strong> Sinfonieorchest<strong>er</strong>n<br />

die Zuschüsse strich. Und die »Goldene<br />

Henne« von d<strong>er</strong> Sup<strong>er</strong>illu.<br />

Ab<strong>er</strong> die Homestorys w<strong>er</strong>den<br />

knapp. Deshalb trennte sich uns<strong>er</strong>e<br />

Ute kürzlich nach 26 Jahren von ihrem<br />

Gatten. »Das Geständnis« legte sie<br />

natürlich in d<strong>er</strong> Sup<strong>er</strong>illu ab (Bunte<br />

ist nicht int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t). Deshalb also<br />

die Worte voll<strong>er</strong> dunkl<strong>er</strong> Andeutungen<br />

auf ihr<strong>er</strong> neuesten Single<br />

»Hin&H<strong>er</strong>«: »Manchmal g’radeaus<br />

und manchmal qu<strong>er</strong>. Das Schicksal<br />

schiebt uns imm<strong>er</strong> hin und h<strong>er</strong>. D<strong>er</strong><br />

Grund für »<strong>das</strong> dramatische Ehe-<br />

Aus«: Ihr Mann Pet<strong>er</strong> hatte Ute höflich<br />

gebeten, <strong>das</strong> abendliche gemeinsame<br />

Abhören von Jugendliebe nur<br />

noch an ung<strong>er</strong>aden Tagen stattfinden<br />

zu lassen. Sie schmiss ihn raus<br />

und drehte die Boxen auf.<br />

Wie es nun mit »d<strong>er</strong> großen Freudenb<strong>er</strong>g«<br />

(Sup<strong>er</strong>illu) weit<strong>er</strong>geht?<br />

Nun, sie träumt davon, <strong>das</strong>s die and<strong>er</strong>e<br />

große Stimme des Ostens,<br />

ebenfalls Träg<strong>er</strong>in d<strong>er</strong> Goldenen<br />

Henne, Angela M<strong>er</strong>kel, sie zu ihren<br />

Freundinnen zählt, neben Friede<br />

Spring<strong>er</strong>, Frau v. Hardenb<strong>er</strong>g od<strong>er</strong><br />

Sabine Christiansen. Ihr würde sie<br />

g<strong>er</strong>n ihren nächsten Hit widmen. So<br />

was wie Jugendliebe. Vielleicht mit<br />

dem Refrain:<br />

Lachen trägt die Zeit,<br />

die unv<strong>er</strong>gessen bleibt,<br />

denn sie ist traumhaft schööön.<br />

Ha! Ha!<br />

Thomas Behl<strong>er</strong>t<br />

Zeichnung: Uwe Krumbiegel<br />

Nächst<strong>er</strong> Auftritt: 25. Septemb<strong>er</strong>,<br />

Konz<strong>er</strong>tmuschel Bad Elst<strong>er</strong><br />

EULENSPIEGEL 9/10 37


Seit April sucht die<br />

Europäische Union fieb<strong>er</strong>haft<br />

nach einem Dicht<strong>er</strong> od<strong>er</strong><br />

Schlag<strong>er</strong>text<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> aus<br />

Politik Poesie destilli<strong>er</strong>en<br />

kann: Die Charta d<strong>er</strong><br />

Grundrechte soll in V<strong>er</strong>se<br />

gegossen w<strong>er</strong>den, möglichst<br />

singbar, damit sie die<br />

Europä<strong>er</strong> irgendwann<br />

(z.B. aus Anlass von Naturkatastrophen,<br />

Kriegen od<strong>er</strong><br />

Aufnahme d<strong>er</strong> Türkei) singen<br />

können. Grönemey<strong>er</strong> und<br />

Grünbein haben es v<strong>er</strong>sucht –<br />

und sind gescheit<strong>er</strong>t.<br />

Uns<strong>er</strong> Dicht<strong>er</strong><br />

G<strong>er</strong>hard Henschel<br />

hat <strong>das</strong> hehre Anliegen zu<br />

dem seinigen gemacht und<br />

legt hi<strong>er</strong> einen Text vor, d<strong>er</strong><br />

auch vor dem Menscheng<strong>er</strong>ichtshof<br />

bestehen könnte, in<br />

dem sich manch<strong>er</strong>lei reimt<br />

und d<strong>er</strong> am besten inn<strong>er</strong>halb<br />

ein<strong>er</strong> Sippe mit v<strong>er</strong>teilten<br />

Stimmen g<strong>er</strong>ufen<br />

w<strong>er</strong>den sollte.<br />

Ich und du<br />

Menschenskind<strong>er</strong>, in Europa seid Ihr echt voll<br />

krass geschützt:<br />

Eure Würde, 1 eu<strong>er</strong> Leben 2 und was Ihr privat<br />

besitzt, 3<br />

Alles <strong>das</strong> ist hoch und heilig, und Ihr habt ein<br />

Recht darauf!<br />

Unv<strong>er</strong>sehrtheit, 4 Freiheit, 5 Ruhe, 6 Datenschutz im<br />

Lebenslauf, 7<br />

Gleichheit, 8 Ehe, 9 Weltanschauung, Religion 10 und<br />

flotte Drei<strong>er</strong>, 11<br />

Forschung, Kunst 12 und Weit<strong>er</strong>bildung, 13 nichts<br />

davon ist uns zu teu<strong>er</strong>.<br />

★<br />

Bürg<strong>er</strong>innen, Bürg<strong>er</strong>, spürt:<br />

Die EU, <strong>das</strong> sind wir alle!<br />

Und was uns zusammenführt,<br />

Das ist eine Gürtelschnalle,<br />

Die uns äuß<strong>er</strong>lich v<strong>er</strong>bindet,<br />

So <strong>das</strong>s eins zum and’ren findet.<br />

Ich und du und wir und sie,<br />

Nach d<strong>er</strong> schönsten Melodie:<br />

Üb<strong>er</strong>all gibt’s Nachbarländ<strong>er</strong>.<br />

Wir gehören zueinänd<strong>er</strong>!<br />

Die Türkei zum Beispiel und<br />

Syrien und <strong>das</strong> Neg<strong>er</strong>lund:<br />

Afrika, wir hör’n dir trapsen!<br />

Und dann gibt’s auch noch die Japsen ...<br />

★<br />

Das Asylrecht, 14 tja, <strong>das</strong> ist halt für uns alle ein<br />

Problem.<br />

Damit könn’n wir in Europa einfach irnkswo nich’<br />

gut lehm.<br />

Dass da <strong>jetzt</strong> aus all<strong>er</strong> Welt, nu ja, die Prolls, von<br />

üb<strong>er</strong>all,<br />

Und nun mischen die uns uff, dat is’ doch denen<br />

ganz ejal!<br />

Seid umschlungen, Millionen – ja, <strong>das</strong> sagt sich so<br />

dahinne!<br />

Ab<strong>er</strong> woll’n wa denn Schmarotz<strong>er</strong> hi<strong>er</strong><br />

h<strong>er</strong>beilocken? Pfui Spinne.<br />

★<br />

Komm’ wa nunmehr zu die Kind<strong>er</strong>:<br />

Die hamm ihre eig’nen Rechte, 15<br />

Und ditt gleiche gilt natürlich<br />

Auch für hochbetagte Sünd<strong>er</strong>. 16<br />

O yeah, und auch für Menschen mit<br />

Behind<strong>er</strong>ung, 17<br />

O yeah, denn sie sollen nicht diskrimini<strong>er</strong>t<br />

w<strong>er</strong>den,<br />

O yeah, nev<strong>er</strong> nev<strong>er</strong> ev<strong>er</strong>, no,<br />

No, no, no,<br />

Kein einziges Mal,<br />

Nein, keine Diskrimini<strong>er</strong>ung,<br />

O yeah,<br />

We don’t want that shit,<br />

O yeah,<br />

It’s so wond<strong>er</strong>ful to live in a world<br />

Without Diskrimini<strong>er</strong>ung.<br />

Yeah,<br />

Without Diskrimini<strong>er</strong>ung,<br />

And it’s wond<strong>er</strong>ful, too, to live in a society,<br />

Wh<strong>er</strong>e th<strong>er</strong>e’s a Recht auf Unt<strong>er</strong>richtung, yeah,<br />

Und auf Anhörung d<strong>er</strong> Arbeitnehm<strong>er</strong>innen und<br />

Arbeitnehm<strong>er</strong><br />

Im Unt<strong>er</strong>nehmen, yeah. 18<br />

★<br />

O yeah, o Baby, Baby, Baby,<br />

Und ebenso wichtig ist auch <strong>das</strong> Recht,<br />

Uh, auf Kollektivv<strong>er</strong>handlungen und<br />

Kollektivmaßnahmen, 19<br />

Uh, ah, und <strong>das</strong> Recht, yeah,<br />

Das Recht auf Zugang zu einem<br />

Arbeitsv<strong>er</strong>mittlungsdienst, 20<br />

Und wat willste denn noch mehr,<br />

Hey, Brud<strong>er</strong>,<br />

Hey, Schwest<strong>er</strong>,<br />

Okay, okay, okay,<br />

I will give it to you,<br />

I will give it to you:<br />

Take it now, ohoho,<br />

H<strong>er</strong>e it is:<br />

Schutz bei ung<strong>er</strong>echtf<strong>er</strong>tigt<strong>er</strong> Entlassung, 21<br />

Das Recht auf g<strong>er</strong>echte und angemessene<br />

Arbeitsbedingungen, 22<br />

Yo,<br />

Und <strong>das</strong> V<strong>er</strong>bot d<strong>er</strong> Kind<strong>er</strong>arbeit und d<strong>er</strong> Schutz,<br />

Ja, d<strong>er</strong> Schutz,<br />

Ja, d<strong>er</strong> Schutz, d<strong>er</strong> Schutz, d<strong>er</strong> Schutz d<strong>er</strong><br />

Jugendlichen<br />

An ihrem, yeah, an ihrem Arbeitsplatz ... 23<br />

★<br />

38 EULENSPIEGEL 9/10


Euro tik<br />

und wir und die<br />

And then, folks, th<strong>er</strong>e is a thing called<br />

Familien- und B<strong>er</strong>ufsleben. 24<br />

Nev<strong>er</strong> heard of that goddamned thing?<br />

Anyway, it’s okay,<br />

Yeah, it’s okay,<br />

Because, d<strong>er</strong> rechtliche, wirtschaftliche und soziale<br />

Schutz d<strong>er</strong> Familie,<br />

O yeah,<br />

Wird gewährleistet, Leute, 25<br />

Und um <strong>das</strong> Familien- und <strong>das</strong> B<strong>er</strong>ufsleben in<br />

Einklang bringen zu können,<br />

Hat jed<strong>er</strong> Mensch,<br />

Ihr hört es,<br />

Hat jed<strong>er</strong> Mensch,<br />

Ihr hört es, ihr hört es, ihr hört es,<br />

Das Recht auf Schutz vor Entlassung aus einem<br />

Mit d<strong>er</strong> Mutt<strong>er</strong>schaft zusammenhängenden Grund,<br />

Yeah! Od<strong>er</strong>: Yo!<br />

Sowie den Anspruch auf einen bezahlten,<br />

Einen bezahlten, o Baby, dig it, Mutt<strong>er</strong>schaftsurlaub<br />

Und, ohoho, auf einen Elt<strong>er</strong>nurlaub und noch ganz<br />

and<strong>er</strong>e Dinge,<br />

Wie zum Beispiel, ouh,<br />

Wie zum Beispiel, ouäh,<br />

Wie zum Beispiel,<br />

Äh,<br />

Äh,<br />

Äh,<br />

Da müsste man denn eben schon einen<br />

Rechtsanwalt fragen,<br />

Denn es geht da um ganz konkrete Rechtsansprüche<br />

Und auch um Sachen wie soziale Sich<strong>er</strong>heit, 26<br />

Gesundheitsschutz 27 und Zugang, jawohl,<br />

Echten Zugang zu Dienstleistungen<br />

Von allgemeinem wirtschaftlichen Int<strong>er</strong>esse, 28<br />

O Junge, o Junge, gib’s mir, gib’s mir,<br />

Yeah, und d<strong>er</strong> Rest, d<strong>er</strong> Rest, d<strong>er</strong> Rest,<br />

Ich meine, den Rest d<strong>er</strong> Gesetze, 29<br />

Den solltet Ihr Euch dann einfach mal selb<strong>er</strong><br />

anschauen.<br />

Hey, hey, hey!<br />

Das ist nicht zu viel v<strong>er</strong>langt.<br />

Das ist nicht zu viel v<strong>er</strong>langt!<br />

★<br />

Und <strong>jetzt</strong> alle so:<br />

Was fehlt noch? Was fehlt noch?<br />

Und die Bürg<strong>er</strong>innen und Bürg<strong>er</strong> d<strong>er</strong> EU so:<br />

Ey, fehlt da noch was?<br />

Ey-heyo-hey, fehlt da noch was?<br />

★<br />

Und dann so die Masse voll so:<br />

Hey klar, da fehlt noch wat.<br />

Pass ma uff:<br />

Wat da fehlt, ey,<br />

Hey, wat da fehlt,<br />

Dat is’ d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>brauch<strong>er</strong>schutz. 30<br />

Un’ denn is’ da, denn is’ da, denn is’ da<br />

Eine riesige Hochachtung, hey,<br />

Vor dem aktiven und passiven Wahlrecht, Alt<strong>er</strong>, 31<br />

Und auch vor dem Recht auf eine gute<br />

V<strong>er</strong>waltung, 32<br />

Und dann hi<strong>er</strong> so, ey, <strong>das</strong> ganz and<strong>er</strong>e Zeug,<br />

Ey, ick gloob’s ja bald nüscht!<br />

Ick sach nur: Jesundheitsschutz. 33<br />

Ab<strong>er</strong> im großen und ganzen sind wir durch,<br />

Sind wir durch mit dem Thema Grundrechte,<br />

Sind wir durch,<br />

Sind wir durchowitsch,<br />

Sind wir hi<strong>er</strong> voll durchowitscholoff.<br />

★<br />

Und was noch zu sagen wäre,<br />

Ist nur dies: Mach Dich nackt, wenn Du’s<br />

brauchst,<br />

Hey, mach Dich nackt, od<strong>er</strong> bleib’ angezogen,<br />

Ab<strong>er</strong> mach’ Dich frisch für Europa,<br />

Wenn es Dir möglich ist.<br />

Denn Europa braucht Leute wie Dich,<br />

O yeah.<br />

★<br />

Und <strong>jetzt</strong> alle:<br />

Die Grundrechte, die Grundrechte<br />

In d<strong>er</strong> EU, holladi-ho (clap hands!)<br />

Die sind sehr gut gesich<strong>er</strong>t,<br />

In d<strong>er</strong> EU, holladi-ho (clap hands again!).<br />

Und wenn wir fei<strong>er</strong>n wollen, fei<strong>er</strong>n wir!<br />

Da wird Rabatz gemacht, solange,<br />

Bis die ganze Bude kracht,<br />

Und wenn die and<strong>er</strong>en zur Arbeit gehen,<br />

Sagen wir: Gut Nacht! 34 ★<br />

1) Art. 1<br />

2) Art. 2<br />

3) Art. 17<br />

4) Art. 3, 4<br />

5) Art. 5, 6, 10–13, 15, 16<br />

6) Art. 7<br />

7) Art. 8<br />

8) Art. 20–23<br />

9) Art. 9<br />

10) Art. 10<br />

11) Art. 21 (»Diskrimini<strong>er</strong>ungen insbesond<strong>er</strong>e<br />

wegen ... d<strong>er</strong> sexuellen Ausrichtung sind v<strong>er</strong>boten«)<br />

12) Art. 13<br />

13) Art. 14<br />

14) Art. 18<br />

15) Art. 24<br />

16) Art. 25<br />

17) Art. 26<br />

18) Art. 27<br />

19) Art. 28<br />

20) Art. 29<br />

21) Art. 30<br />

22) Art. 31<br />

23) Art. 32<br />

24) Art. 33<br />

25) Art. 33, 1<br />

26) Art. 34<br />

27) Art. 35<br />

28) Art. 36<br />

29) Art. 37 ff.<br />

30) Art. 38<br />

31) Art. 39<br />

32) Art. 41<br />

33) Art. 35 (siehe weit<strong>er</strong> oben)<br />

34) V<strong>er</strong>steckte Anspielung auf Tony Marshall,<br />

Inga und Wolf, Reinhard Mey und Adolf Hitl<strong>er</strong><br />

EULENSPIEGEL 9/10 39


Das Ostseebad Pr<strong>er</strong>ow <strong>er</strong>reicht<br />

vom 10. bis 12. Septemb<strong>er</strong> 2010<br />

die höchste Karikaturistendichte<br />

pro Kopf d<strong>er</strong> Bevölk<strong>er</strong>ung<br />

weltweit! Od<strong>er</strong> and<strong>er</strong>s gesagt:<br />

Es w<strong>er</strong>den mehr Karikaturisten<br />

anwesend sein, als einheimische<br />

Jungfrauen üb<strong>er</strong> 15 Jahre<br />

an diesem Ort ansässig sind.<br />

Kommen auch Sie zum Cartoonisten-Workshop<br />

mit Abschluss -<br />

party und V<strong>er</strong>leihung des Publikumspreises<br />

in den Garten vom<br />

Kulturkaten! Seien Sie dabei,<br />

wenn <strong>Eulenspiegel</strong>-Cartoonisten<br />

zeichnen, signi<strong>er</strong>en, Bi<strong>er</strong> trinken,<br />

unanständige Witze <strong>er</strong>zählen od<strong>er</strong><br />

sich im Schritt kratzen, weil<br />

ihnen einfach nichts einfällt.<br />

Unt<strong>er</strong> and<strong>er</strong>em folgende<br />

W<strong>er</strong>ke gab es zum Thema des<br />

Jahres 2009:<br />

André Poloczek<br />

Halbinselwitze<br />

Burkhard Fritsche<br />

Rudi Hurzlmei<strong>er</strong><br />

Uwe Krumbiegel<br />

40 EULENSPIEGEL 9/10


Buch<br />

Wenn ein<strong>er</strong> in die F<strong>er</strong>ien fährt, dann kann <strong>er</strong><br />

was <strong>er</strong>zählen. Vor allem dann, wenn <strong>er</strong> sich<br />

mit d<strong>er</strong> neuesten, also politisch korrekten Reise -<br />

lektüre eingedeckt hat. Die in Heimatstuben, Museen<br />

und Touristeinfang-Einrichtungen nur darauf<br />

wartet, zur großen Belehrungsform aufzulaufen.<br />

Die diesjährige Rech<strong>er</strong>che-Tour auf den Spuren<br />

d<strong>er</strong> endlich richtiggestellten deutschen Geschichte<br />

führte den Urlaubs-Liktoren (mit Rutenbündel<br />

und Hackebeil ausgestatteten Les<strong>er</strong>) nach<br />

Mecklenburg-Vorpomm<strong>er</strong>n, einen Landstrich, d<strong>er</strong><br />

vi<strong>er</strong>zig Jahre nur einen Halbnamen tragen durfte,<br />

von d<strong>er</strong> Unrechtsrepublik stracks v<strong>er</strong>ordnet. Da<br />

oben war alles Mecklenburg od<strong>er</strong> noch undemokratisch<strong>er</strong>:<br />

»die drei Nordbezirke«.<br />

Um die tiefschürfende Aufarbeitung würdigen<br />

zu können, sollte man altes Heimatmat<strong>er</strong>ial h<strong>er</strong>anziehen.<br />

Dort musste man einst die demagogische<br />

Behauptung lesen: »Klimatisch ist <strong>das</strong><br />

Gebiet durch seine maritime Lage begünstigt.«<br />

So belog uns d<strong>er</strong> Tourist-V<strong>er</strong>lag auf d<strong>er</strong> Rückseite<br />

sein<strong>er</strong> Karte Fischland und Darß. Od<strong>er</strong> d<strong>er</strong>art:<br />

»Eine must<strong>er</strong>gültige Landgemeinde<br />

im Bezirk Rostock ist Trinwill<strong>er</strong>shagen.<br />

Hi<strong>er</strong> wie in allen Orten zeugen<br />

neue Produktions- und Wohnbauten<br />

sowie d<strong>er</strong> Maschinenbau von dem<br />

zum Bess<strong>er</strong>en v<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>ten Leben d<strong>er</strong><br />

Einwohn<strong>er</strong>.«<br />

Heute liest sich <strong>das</strong> so: »Auf Deutsch -<br />

lands größt<strong>er</strong> Insel (warum v<strong>er</strong>schwiegen<br />

die SED-Machthab<strong>er</strong> dies?) zeugen<br />

üb<strong>er</strong>all neue Hotels und F<strong>er</strong>ienunt<strong>er</strong>künfte<br />

vom Aufschwung auf d<strong>er</strong> Insel.«<br />

All<strong>er</strong>dings setzen sich solche historischen<br />

Wahrheiten nur langsam durch. 1993 steht im<br />

DuMont-Reiseführ<strong>er</strong> Rügen Hiddensee dieses:<br />

»Am Marktplatz <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t die von Pet<strong>er</strong> Jaeg<strong>er</strong> geschaffene<br />

Plastik ›Aufbau von Gingst‹ an die Leistung<br />

d<strong>er</strong> FDJ, die nach dem letzten Brand von<br />

1950 tatkräftig zur Wied<strong>er</strong>h<strong>er</strong>stellung des Ortes<br />

beigetragen hat.« Weiß man bei DuMont in Köln<br />

vielleicht nicht, <strong>das</strong>s die FDJ Bau<strong>er</strong>nhöfe brandschatzte<br />

und sämtliche Backstein-Dorfkirchen<br />

v<strong>er</strong>bot? Bundeszentrale für politische Bildung –<br />

üb<strong>er</strong>nehmen Sie!<br />

Denn solche fehlende Wachsamkeit führt dazu,<br />

<strong>das</strong>s man in d<strong>er</strong> 4. aktualisi<strong>er</strong>ten(!) Auflage d<strong>er</strong><br />

Rad- und Wand<strong>er</strong>karte Hiddensee-Ummanz<br />

(v<strong>er</strong>lag grünes h<strong>er</strong>z) aus dem Jahre 2010(!) lesen<br />

muss: »Zu <strong>er</strong>wähnen wäre die von Pet<strong>er</strong> Jaeg<strong>er</strong><br />

geschaffene Plastik ›Aufbau von Gingst‹, die am<br />

Marktplatz an die Leistung d<strong>er</strong> FDJ, den tatkräftigen<br />

Beitrag zur Wied<strong>er</strong>h<strong>er</strong>stellung des Ortes<br />

nach dem Brand von 1950 <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t.«<br />

Müssen wir denn dau<strong>er</strong>nd die auf dem Müllhaufen<br />

d<strong>er</strong> Geschichte gelandete Freie Deut -<br />

sche Jugend in uns<strong>er</strong>en demokratischen Neuaufbau<br />

mit einbringen? G<strong>er</strong>ade auf Rügen gibt es<br />

doch Leistungen, die mit unnachahmlichem<br />

Stolze endlich wied<strong>er</strong> auf den Gipfel deutsch<strong>er</strong><br />

Kultur getragen w<strong>er</strong>den dürfen. Zum Beispiel<br />

Prora – Das <strong>er</strong>ste KdF-Bad Deutschlands.<br />

Das W<strong>er</strong>k von B<strong>er</strong>nfried Lichtnau (bish<strong>er</strong> 9 Auflagen!),<br />

in Peenemünde v<strong>er</strong>legt, einem and<strong>er</strong>en<br />

deutschen Lichtort, findet man an allen trauten<br />

Urlaub<strong>er</strong>v<strong>er</strong>sorgungseinrichtungen. D<strong>er</strong> Stolz auf<br />

<strong>das</strong> »Seebad d<strong>er</strong> 20 000« kann nur unwesentlich<br />

von d<strong>er</strong> Tatsache beschädigt w<strong>er</strong>den, <strong>das</strong>s<br />

dem <strong>er</strong>sten solchen Objekt keine drei, fünf, -zig<br />

weit<strong>er</strong>e folgen konnten, ja <strong>das</strong>s auch Prora leid<strong>er</strong><br />

durch den Gang d<strong>er</strong> Geschichte nicht zu dem<br />

Monument deutsch<strong>er</strong> Volksbeglückung w<strong>er</strong>den<br />

konnte, sond<strong>er</strong>n heute als bedeutendste Ruinenlandschaft<br />

nach Troja vor sich hindümpelt. Wie<br />

<strong>er</strong>haben stehen ab<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> deutschen Urlaubsmemoriallandschaft<br />

ein paar Wortbausteine: »gewaltig<strong>er</strong><br />

Architekturtorso«, »prägnante architektonische<br />

Belege«, »Unt<strong>er</strong>schutzstellung p<strong>er</strong>iph<strong>er</strong><strong>er</strong><br />

Bauten«.<br />

Die penible Auflistung all<strong>er</strong> Risalite, Flügel- und<br />

Flankenbebauungen zeigt <strong>das</strong> offene H<strong>er</strong>z des<br />

deutschen Baupioni<strong>er</strong>s, d<strong>er</strong> im übrigen Clemens<br />

Klotz hieß, ein Name von deutschem Sturmgebraus,<br />

den <strong>er</strong> als nomen est<br />

Wenn d<strong>er</strong><br />

Urlaub<strong>er</strong> in<br />

d<strong>er</strong> Lit<strong>er</strong>atur<br />

strandet<br />

omen in die Welt hinaustrug:<br />

»Am 30. Juli 1935<br />

wurde <strong>das</strong> geeignete Baugrundstück<br />

in dem Naturschutzgebiet<br />

d<strong>er</strong> Schmalen<br />

Heide durch Dr. Ley – im Beisein<br />

u. a. von C. Klotz und<br />

J. Schulte-Frohlinde – von<br />

Malte von Veltheim, Fürst<br />

zu Putbus, <strong>er</strong>worben.«<br />

Prora geht an keinem heimatkundlichen Lit<strong>er</strong>aturstrandlatsch<strong>er</strong><br />

vorbei.<br />

Mein Rügen nennt Claudia Rusch ihre soeben<br />

bei mare-buch <strong>er</strong>schienene Privat-Erinn<strong>er</strong>ung.<br />

Drin stolp<strong>er</strong>t sie natürlich auch üb<strong>er</strong> den<br />

Baubruchhaufen des H<strong>er</strong>rn Klotz. Da sie schon<br />

ein ganzes Buch »Meine freie deutsche Jugend«<br />

v<strong>er</strong>öffentlichte, ist ihr d<strong>er</strong> Gingst<strong>er</strong> Gedenkstein<br />

diesmal nicht aufgefallen. Sie schreibt nie von<br />

d<strong>er</strong> »ehemaligen DDR«, wie es eigentlich Usus<br />

ist, ab<strong>er</strong> genug von »DDR-Zeiten«, weiß noch,<br />

<strong>das</strong>s die B 96 früh<strong>er</strong> mal F 96 hieß, <strong>das</strong>s »Hühn<strong>er</strong>gott«<br />

ein ganz normal<strong>er</strong> Ostseebegriff in d<strong>er</strong> DDR<br />

und nicht p<strong>er</strong> Sowjetüb<strong>er</strong>setzung eingeführt worden<br />

war.<br />

All<strong>er</strong>dings teilt sie uns mit: »In d<strong>er</strong> DDR wurden<br />

Arbeitslose v<strong>er</strong>haftet.« Das steht wund<strong>er</strong>bar<br />

politisch korrekt da. So kommt mir meine eigene<br />

Erinn<strong>er</strong>ung schnurstracks abhanden, als ich, arbeitslos<br />

und dennoch unv<strong>er</strong>haftet, <strong>das</strong> sich auch<br />

damals entwickelnde Urlaubswesen in vollen Zügen<br />

genoss.<br />

Doch vielleicht müssen solche Sätze d<strong>er</strong>zeit<br />

gedruckt w<strong>er</strong>den. Früh<strong>er</strong> hatte ja auch, von ganz<br />

oben p<strong>er</strong> Zensur v<strong>er</strong>ordnet, dazustehen: »Klimatisch<br />

ist <strong>das</strong> Gebiet durch seine maritime Lage<br />

begünstigt.«<br />

Matthias Biskupek<br />

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EULENSPIEGEL 9/10 41


Veni, vidi, Wiki!<br />

Nach den eh<strong>er</strong>nen Gesetzen d<strong>er</strong> Wahrscheinlichkeit, wie sie von Pascal<br />

begründet und von Sigmund Freud wahrscheinlich zu kein<strong>er</strong> Zeit v<strong>er</strong>standen<br />

wurden, ist vieles wahrscheinlich. Wahrscheinlich wird üb<strong>er</strong><br />

Roland Koch bald folgendes im Netz zu lesen sein: »Roland Koch (* 24.<br />

März 1958 in Frankfurt am Main), deutsch<strong>er</strong> Politik<strong>er</strong> (CDU) und seit<br />

2010 Bundeskanzl<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Bundesrepublik Deutschland.«<br />

»Moment!«, wird sich ein Journalist<br />

geistesgegenwärtig sagen. »War<br />

nicht M<strong>er</strong>kel uns<strong>er</strong>e Kanzl<strong>er</strong>in? Wahrscheinlich<br />

stimmt hi<strong>er</strong> etwas nicht!«<br />

Nun könnte <strong>er</strong> natürlich den weiten<br />

Weg in die Bibliothek fahren,<br />

um dort die Fakten in den archivi<strong>er</strong>ten<br />

Ausgaben d<strong>er</strong> BamS nachzuschlagen<br />

und in d<strong>er</strong> Cafet<strong>er</strong>ia ein<br />

großes Schlumpf-Eis zu schlecken.<br />

Doch mit Rücksicht auf die eigene<br />

CO2 -Bilanz tippt <strong>er</strong> wahrscheinlich<br />

bei Wikipedia einfach den Suchbegriff<br />

»M<strong>er</strong>kel« ein: »Angela Dorothea<br />

M<strong>er</strong>kel (geborene Kasn<strong>er</strong>; * 17. Juli<br />

1954 in Hamburg, † 14. Juni 2010 in<br />

B<strong>er</strong>lin) war eine deutsche Politi -<br />

k<strong>er</strong>in.«<br />

Und etwas weit<strong>er</strong> unten findet<br />

sich dann womöglich ein Qu<strong>er</strong>v<strong>er</strong>weis<br />

auf Hape K<strong>er</strong>keling: »(...) B<strong>er</strong>eits<br />

am Anfang sein<strong>er</strong> Karri<strong>er</strong>e fiel<br />

<strong>er</strong> mit seinen gekonnten Parodien<br />

auf. So <strong>er</strong>weckte <strong>er</strong> 1991, als Königin<br />

Beatrix kostümi<strong>er</strong>t, int<strong>er</strong>nationales<br />

Medienint<strong>er</strong>esse. Aktuell bevorzugt<br />

<strong>er</strong> die Rolle d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>storbenen<br />

Bundeskanzl<strong>er</strong>in Angela M<strong>er</strong>kel.<br />

Zahlreiche Kritik<strong>er</strong> w<strong>er</strong>fen ihm deshalb<br />

Geschmacklosigkeit und Komm<strong>er</strong>zialität<br />

vor.«<br />

Uns<strong>er</strong> Journalist wird feststellen,<br />

<strong>das</strong>s <strong>er</strong> dieses billige Spektakel<br />

schon imm<strong>er</strong> durchschaut hat: Diese<br />

Wischmob-Frisur! Und die falschen<br />

Mundwinkel <strong>er</strong>st! Witzig ist <strong>er</strong> ja, d<strong>er</strong><br />

K<strong>er</strong>keling.<br />

Die echte Kanzl<strong>er</strong>in wird d<strong>er</strong>weil<br />

v<strong>er</strong>suchen, die negativen Folgen des<br />

Artikels auszusitzen. Was sollte sie<br />

auch and<strong>er</strong>es tun? Klagen? In d<strong>er</strong><br />

Wikipedia findet sich b<strong>er</strong>eits ein Präzedenzfall:<br />

»Das Amtsg<strong>er</strong>icht Castrop-Rauxel<br />

wies in letzt<strong>er</strong> Instanz<br />

den Antrag ein<strong>er</strong> Bundeskanzl<strong>er</strong>in<br />

ab, die administrativen Rechte eines<br />

Int<strong>er</strong>net-Administrators einzuschränken,<br />

wegen d<strong>er</strong> besond<strong>er</strong>en<br />

Bedeutung d<strong>er</strong> Pressefreiheit.«<br />

Ab<strong>er</strong> braucht ein Bundeskanzl<strong>er</strong>,<br />

wie virtuell sein Weg ins Amt auch<br />

abgelaufen sein mag, nicht trotzdem<br />

einen realen Bundestag? M<strong>er</strong>kel<br />

wird Koch an einem sehr aktiven<br />

Tag vielleicht Hausv<strong>er</strong>bot für den<br />

Reichstag <strong>er</strong>teilen. Doch ein gewissenhaft<strong>er</strong><br />

Mensch wird b<strong>er</strong>eits in d<strong>er</strong><br />

Wikipedia v<strong>er</strong>m<strong>er</strong>kt haben: »Reichstagsgebäude<br />

(...). Nachdem <strong>das</strong> Gebäude<br />

am 28. Februar 1933 b<strong>er</strong>eits<br />

zum <strong>er</strong>sten Mal ausbrannte, v<strong>er</strong>schlang<br />

ein Großbrand am 14. Juni<br />

2010 mehr als 80 Prozent d<strong>er</strong> Bausubstanz.<br />

Die Ruinen wurden von<br />

d<strong>er</strong> Stadt B<strong>er</strong>lin zum Denkmal an<br />

die zahlreichen Toten <strong>er</strong>klärt, unt<strong>er</strong><br />

ihnen <strong>das</strong> gesamte Kabinett M<strong>er</strong>kel.<br />

D<strong>er</strong> neue Sitz des Deutschen Bundestages<br />

ist ein aufwendig renovi<strong>er</strong>t<strong>er</strong><br />

Frankfurt<strong>er</strong> Prunkbau, die sogenannte<br />

Villa Coquini.«<br />

Uns<strong>er</strong> Journalist wird also die Fakten<br />

für ein beliebiges Qualitätsblatt<br />

od<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> den Spiegel unbesorgt<br />

üb<strong>er</strong>nehmen. Und damit wied<strong>er</strong>um<br />

eine sich<strong>er</strong>e Quelle für Wikipedia-<br />

Artikel schaffen. Ein boshaft<strong>er</strong><br />

Staatsstreich, ein Putsch, eine Diktatur<br />

gar? Falsch! Es ist – wahrscheinlich!<br />

– eine Administratur des Wikipedia-Administrators<br />

Roland Koch.<br />

Michael Kais<strong>er</strong><br />

Nie mehr Schwieg<strong>er</strong>mutt<strong>er</strong><br />

Bald kommt <strong>das</strong> Benzin ja direkt<br />

aus dem Ozean. Es wird ab<strong>er</strong> noch<br />

ein, zwei Jahre dau<strong>er</strong>n. Bis es soweit<br />

ist, stehen and<strong>er</strong>e Antriebstechniken<br />

b<strong>er</strong>eit. Ab<strong>er</strong> wie imm<strong>er</strong><br />

kann sich die Menschheit zwischen<br />

v<strong>er</strong>führ<strong>er</strong>ischen Alt<strong>er</strong>nativen<br />

nicht recht entscheiden.<br />

Elektrizität – Benzin ade! All<strong>er</strong>dings<br />

sind die Batt<strong>er</strong>ien so groß wie ein<br />

Entenstall, dafür ab<strong>er</strong> nicht ganz so<br />

teu<strong>er</strong> wie ein Einfamilienhaus. Allein<br />

die Stromv<strong>er</strong>brauchs-Anzeige<br />

frisst schon ein Vi<strong>er</strong>tel d<strong>er</strong> Akku-En<strong>er</strong>gie.<br />

Also: 2 bis 3 Ersatzakkus mitführen<br />

od<strong>er</strong> V<strong>er</strong>läng<strong>er</strong>ungskabel<br />

kaufen, mit denen man wenigstens<br />

bis zum Schkeuditz<strong>er</strong> Kreuz kommt!<br />

Biogas – Eine un<strong>er</strong>schöpfliche Ressource!<br />

Bedenken, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Lag<strong>er</strong>n<br />

des Gases schwi<strong>er</strong>ig sei, sind unbegründet:<br />

W<strong>er</strong> schon mal mit einem<br />

magenkranken Vegetari<strong>er</strong> 3 Stunden<br />

Kann’s nicht lassen<br />

Wim Wend<strong>er</strong>s, hört man, bewohnt<br />

ein großes Loft in B<strong>er</strong>lin-Mitte,<br />

wo es sogar einen Pool auf dem<br />

Dach gibt. Da badet <strong>er</strong> nackt<br />

und trägt seinen »Pimmel üb<strong>er</strong><br />

B<strong>er</strong>lin«. Sebastian Blottn<strong>er</strong><br />

im Aufzug steckengeblieben ist, weiß,<br />

<strong>das</strong>s sich dies<strong>er</strong> kostbare Rohstoff alles<br />

and<strong>er</strong>e als leicht v<strong>er</strong>flüchtigt.<br />

Hexen – D<strong>er</strong> Glaube kann Autos v<strong>er</strong>setzen!<br />

In Hexen ist eine enorme<br />

Menge CO2 gebunden. Ein Problem<br />

ist noch die Mitführung des Brennkessels,<br />

in dem die Hexen v<strong>er</strong>brannt<br />

w<strong>er</strong>den müssen. W<strong>er</strong> ein Auto mit<br />

dies<strong>er</strong> Antriebsart fährt, bekommt<br />

nie wied<strong>er</strong> Schwieg<strong>er</strong>mutt<strong>er</strong>-Besuch!<br />

SpeedUp – Es geht auch ohne Fahrzeug!<br />

Diese hochreaktive Droge <strong>er</strong>möglicht<br />

d<strong>er</strong> menschlichen Motorik<br />

extreme Laufschnelligkeit; Labormäuse<br />

durchbrachen bei Tests die<br />

Schallmau<strong>er</strong>. Wurde ursprünglich<br />

von Japan<strong>er</strong>n entwickelt, um in ihren<br />

Fünf-Minuten-Mittagspause sowohl<br />

in die Kantine als auch auf Klo gehen<br />

zu können. Nachteil: Man kann<br />

nicht mehr anhalten.<br />

Wodka »Putin« – B<strong>er</strong>eits ein Tropfen<br />

dies<strong>er</strong> sagenumwobenen Substanz<br />

hat den Brennw<strong>er</strong>t eines Torf-<br />

Klotzes. Kann auch getrunken w<strong>er</strong>den.<br />

In Sibirien soll es Menschen<br />

geben, die bei regelmäßigem Konsum<br />

bis zu 29 Jahre alt w<strong>er</strong>den.<br />

Erik Wenk<br />

Anzeigen<br />

42 EULENSPIEGEL 9/10


Raini Röskes<br />

Ritt<strong>er</strong> 20a<br />

Im Ritt<strong>er</strong>schloss zum Wiegenfeste,<br />

war’n bei den Ritt<strong>er</strong>n<br />

viele Gäste.<br />

Es gab dort Bi<strong>er</strong>e, Weine, Mete<br />

und leck<strong>er</strong> Fresschen<br />

auf d<strong>er</strong> Fete.<br />

Mit Zwiebeln, Knoblauch, Schwarzbrot, Kohl.<br />

Wildschwein, Hirsch ...<br />

Ganz wund<strong>er</strong>voll!<br />

Vor all’m die Suppe von den Erbsen,<br />

brachte die Ritt<strong>er</strong> schw<strong>er</strong> zum F<strong>er</strong>zen.<br />

Und auch dem Ritt<strong>er</strong>fräulein Anna,<br />

entwich so’n Tönchen<br />

in d<strong>er</strong> Kamm<strong>er</strong>.<br />

Und weil dies laut<br />

mit »Ahhh!« geschah,<br />

nannt man es Kamm<strong>er</strong>tönchen »A«.<br />

Dies wurde darauf so b<strong>er</strong>ühmt,<br />

<strong>das</strong>s jed<strong>er</strong> sein Klavi<strong>er</strong> nach stimmt ...<br />

Schlecht eing<strong>er</strong>ichtet<br />

Unt<strong>er</strong> den Politik<strong>er</strong>n gibt es<br />

mehr Mehr- als Einwegflaschen!<br />

Und bei Rückgabe gibt<br />

es nicht mal Pfand.<br />

So war’s!<br />

W<strong>er</strong> einst kaufen wollte<br />

einen Hamm<strong>er</strong> sich,<br />

hörte oft in Sachsen:<br />

Hamm<strong>er</strong> hamm<strong>er</strong> nich!<br />

Kraft des Glaubens<br />

Glaube kann sogar<br />

Priest<strong>er</strong> v<strong>er</strong>setzen,<br />

muss ab<strong>er</strong> nicht.<br />

Thomas Christian Dahme<br />

Karsten Wey<strong>er</strong>shausen<br />

Aufschließen,<br />

ab<strong>er</strong> zügig!<br />

Anzeigen<br />

EW<br />

Heute hatte ich Führ<strong>er</strong>scheinprüfung –<br />

und bin mit Pauken und Trompeten<br />

durchgefallen. All<strong>er</strong>dings weiß ich nicht<br />

warum. Bin sup<strong>er</strong> gefahren, habe korrekt<br />

rückwärts eingeparkt und niemanden<br />

umgenietet. Doch irgendwie sprach<br />

d<strong>er</strong> Prüf<strong>er</strong> eine Sprache, die sich mir<br />

nicht <strong>er</strong>schließen wollte. Dabei sah d<strong>er</strong><br />

aus wie ein Deutsch<strong>er</strong>, d.h. alt, hässlich,<br />

mit alt<strong>er</strong> hässlich<strong>er</strong> Krawatte, ein<br />

DEKRA-Abzeichen am Rev<strong>er</strong>s seines alten<br />

Anzugs.<br />

Mal sollte ich »aufschließen«, obwohl<br />

<strong>das</strong> Auto längst aufgeschlossen war, wir<br />

alle drin saßen und d<strong>er</strong> Schlüssel im<br />

Zündschloss steckte. Dann befahl <strong>er</strong>, ich<br />

solle »auf den Zug achten«. Als ich ihm<br />

sagte, <strong>das</strong>s Fenst<strong>er</strong> und Schiebedach<br />

geschlossen seien, und deshalb nix ziehen<br />

kann, zeigte d<strong>er</strong> Prüf<strong>er</strong> nach vorne<br />

und quatschte wied<strong>er</strong> was von einem<br />

Zug und v<strong>er</strong>schärfte meine Panik mit<br />

d<strong>er</strong> Aufford<strong>er</strong>ung, ich solle gefälligst »im<br />

V<strong>er</strong>kehrsfluss« bleiben. Ich schrie:<br />

»Mann, wo ist denn hi<strong>er</strong> d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>kehrsfluss?<br />

Und <strong>das</strong> vor mir ist kein ICE, sond<strong>er</strong>n<br />

ein Scheiß-Elkaweh, d<strong>er</strong> nicht aus<br />

dem Arsch kommt!«<br />

D<strong>er</strong> Prüf<strong>er</strong> meinte trocken, diese Antwort<br />

allein genüge schon, um mich<br />

durchfallen zu lassen. Doch ich durfte<br />

noch ein Stück weit<strong>er</strong>fahren. Ein paar<br />

Minuten spät<strong>er</strong> in ein<strong>er</strong> megabreiten<br />

Straße befahl d<strong>er</strong> Prüf<strong>er</strong> aus heit<strong>er</strong>em<br />

Himmel: »Rechts halten!« Gesagt, getan,<br />

ich habe rechts angehalten, direkt<br />

vor dem Thor-Steinar-Laden. »Mensch,<br />

Sie sollten sich rechts halten, nicht<br />

rechts halten!«, knurrte d<strong>er</strong> Prüf<strong>er</strong>. »Und<br />

Sie wollen also einen PKW führen?«<br />

»Nö«, entgegnete ich, »fahren will ich<br />

so ein Dinge, fahren!«<br />

»Wed<strong>er</strong> <strong>das</strong> eine, noch <strong>das</strong> and<strong>er</strong>e«,<br />

beschied <strong>er</strong> mir. Das war’s! Was für eine<br />

Kacke auch, wo mir doch mein Vadda<br />

ein Auto zum Abi 2010 geschenkt hat.<br />

Sadhu van Hemp<br />

EULENSPIEGEL 9/10 43


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F<strong>er</strong>n<br />

sehen<br />

RTL wühlt nicht mehr im Kehricht d<strong>er</strong> Gegenwart<br />

und besäuft sich nicht läng<strong>er</strong> am Spülicht<br />

des Lebens. Menschen dabei zu »begleiten«,<br />

wie sie ihre Partn<strong>er</strong> in flagranti mit einem<br />

Hausti<strong>er</strong> od<strong>er</strong> mit ein<strong>er</strong> Haustür »<strong>er</strong>wischen«,<br />

wie sie Popel essen od<strong>er</strong> sich einen Fremdkörp<strong>er</strong><br />

einführen – vorbei.<br />

Die neuen Dramen liegen in d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gangenheit,<br />

weit in d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gangenheit. Im V<strong>er</strong>gessenen,<br />

im V<strong>er</strong>drängten. RTL bietet Rückführungen<br />

für Bildungsschwache an. Das hat den Vorteil,<br />

<strong>das</strong>s man »früh<strong>er</strong>« einen deutlich gehoben<strong>er</strong>en<br />

sozialen Status innehaben konnte – von Adel<br />

war od<strong>er</strong> Spitzenbeamt<strong>er</strong> – als heute. Man<br />

konnte auch fließend schreiben und lesen und<br />

beh<strong>er</strong>rschte gewisse, heute exotisch anmutende<br />

Kulturtechniken wie <strong>das</strong> Essen mit Besteck.<br />

Katja Burkard begleitet C-Prominenz od<strong>er</strong> Karteileichen<br />

aus »W<strong>er</strong> wird Millionär?« dorthin, wo<br />

noch kein<strong>er</strong> war. Zur Seite steht ihr die Hypnoth<strong>er</strong>apeutin<br />

und Rückführungsexp<strong>er</strong>tin Ursula<br />

Demarmels – eine einfühlsame Dame, die <strong>er</strong>staunliche<br />

Ähnlichkeit mit »Felicitas« hat, d<strong>er</strong><br />

b<strong>er</strong>ühmtesten Puffmutt<strong>er</strong> Deutschlands. Diese –<br />

angeblich vom Papst gesegnet – löch<strong>er</strong>t die Probanden<br />

mit Fragen üb<strong>er</strong> ihr mögliches Vorleben:<br />

Üb<strong>er</strong>leg mal, warst du eine Hure? Hast du eine<br />

Hexenv<strong>er</strong>brennung mit<strong>er</strong>lebt? Konntest du deinen<br />

Mörd<strong>er</strong> <strong>er</strong>kennen? Fragen, die sich wahrscheinlich<br />

jed<strong>er</strong> schon einmal gestellt hat.<br />

Plötzlich <strong>er</strong>gibt alles einen Sinn. Ein gewiss<strong>er</strong><br />

Rolf, dessen Brot<strong>er</strong>w<strong>er</strong>b im Hi<strong>er</strong> und Jetzt eh<strong>er</strong><br />

unklar ist, war damals ein wohlschaffend<strong>er</strong> Bürg<strong>er</strong><br />

im alten, prächtigen Italien. Ein Glasbläs<strong>er</strong>.<br />

Das Blasen ist ihm als Fähigkeit sond<strong>er</strong>bar<strong>er</strong>weise<br />

auch in seinem jetzigen Leben <strong>er</strong>halten geblieben,<br />

wie <strong>er</strong> vor Ort demonstri<strong>er</strong>t.<br />

Mein <strong>er</strong>stes<br />

Leben<br />

Alles, was die Zurückreisenden <strong>er</strong>zählen, passt<br />

wie die Faust aufs Ziff<strong>er</strong>blatt. »Uns<strong>er</strong> RTL-Historik<strong>er</strong>«<br />

Mark Rentmeist<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> sein Diplom bei Wikipedia<br />

gemacht hat, prüft die geschichtlichen<br />

Fakten und Umstände. Und siehe da – haut hin.<br />

Rolf windet sich wie ein üb<strong>er</strong>fahren<strong>er</strong> Regenwurm,<br />

als <strong>er</strong> beschreibt, wie ihm beim Blasen in ein<strong>er</strong><br />

Kirche eines Tages eine Glaskugel platzte und<br />

<strong>das</strong> Gesicht v<strong>er</strong>letzte. Langsam entsteht die Kirche<br />

vor seinem inn<strong>er</strong>en, äuß<strong>er</strong>lich unv<strong>er</strong>letzten<br />

Auge. Emotionen kochen üb<strong>er</strong>: »Rundbögen,<br />

üb<strong>er</strong> all Rundbögen!« Und tatsächlich, d<strong>er</strong> Historik<strong>er</strong><br />

macht p<strong>er</strong> Google Earth eine Kirche mit Rundbögen,<br />

üb<strong>er</strong>all Rundbögen bei Venedig ausfindig.<br />

»Taß iss ja d<strong>er</strong> Wahnßinn!«, resümi<strong>er</strong>t Katja<br />

Burkard den Ausflug ins Unt<strong>er</strong>bewusste und packt<br />

ihre Louis-Vuitton-Taschen zusammen. Es geht<br />

los, eine Rückführung nach Katjas Geschmack.<br />

Mit dem Speedboot heizen sie den Canale<br />

Grande entlang, auf dem Zeitstrahl rückwärts ins<br />

Nirwana. Rolf wischt sich Tränen d<strong>er</strong> Rührung unt<strong>er</strong><br />

seinen Brillenbügeln weg: Alles kommt ihm<br />

so v<strong>er</strong>traut vor, Venedig, die Brücken. Plötzlich<br />

v<strong>er</strong>steht <strong>er</strong> »wied<strong>er</strong>« Italienisch. Und dann <strong>das</strong><br />

Drama: Rolf (damals Giovanni und noch het<strong>er</strong>osexuell)<br />

wurde Zeuge eines Meuchelmordes! Und<br />

<strong>das</strong> F<strong>er</strong>nsehen muss auch irgendwie dabei gewesen<br />

sein, denn es hat die Bild<strong>er</strong>.<br />

Wenig<strong>er</strong> spektakulär, ab<strong>er</strong> umso tränenreich<strong>er</strong><br />

ist die Rückführung d<strong>er</strong> S<strong>er</strong>ienschauspiel<strong>er</strong>in Xenia<br />

Seeb<strong>er</strong>g. Auch sie sieht nach einigen Minuten<br />

auf d<strong>er</strong> Led<strong>er</strong>couch Bild<strong>er</strong> aus ihrem früh<strong>er</strong>en<br />

Leben. Wir schreiben <strong>das</strong> Jahr 1665, »keine<br />

schöne Zeit«, wie d<strong>er</strong> Historik<strong>er</strong> feststellt. Was<br />

könnte d<strong>er</strong> hübschen »Margarete« wid<strong>er</strong>fahren<br />

sein? Katja Burkard tropft d<strong>er</strong> Zahn. Vielleicht<br />

eine V<strong>er</strong>gewaltigung? Od<strong>er</strong> die Beulenpest? Hoffentlich<br />

nicht nur ein v<strong>er</strong>eit<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Zehennagel. Das<br />

wäre ein bisschen wenig fürs F<strong>er</strong>nsehen.<br />

Auch Margarete hatte einen ehrbaren B<strong>er</strong>uf –<br />

Heil<strong>er</strong>in, all<strong>er</strong>dings war sie mütt<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>seits vorbelastet:<br />

Mama war Hexe. Zufällig lebte sie in ein<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> best<strong>er</strong>haltenen mittelalt<strong>er</strong>lichen Städte<br />

Deutschlands, in Rothenburg ob d<strong>er</strong> Taub<strong>er</strong>. Und<br />

da – im Heimatmuseum d<strong>er</strong> Beleg für eine Hexenv<strong>er</strong>brennung:<br />

die Mama! Burkhard: »So ein<br />

Wahnßinn!« Xenia weint dicke Tränen üb<strong>er</strong> ihre<br />

aufgespritzten Wangen. Doch die Burkard hat<br />

noch nicht genug. Sie lässt sich zeigen, wo Margaretes<br />

Mutti zum Häufchen Asche wurde. Jetzt<br />

sieht auch Xenia alles wied<strong>er</strong> vor sich – am Monitor,<br />

wo RTL den Mittelalt<strong>er</strong>-Einspiel<strong>er</strong> abfährt.<br />

In d<strong>er</strong> nächsten Folge dann dürfen ganz einfache<br />

Leute in ihre V<strong>er</strong>gangenheit reisen. Busfahr<strong>er</strong>,<br />

Krankenschwest<strong>er</strong>n, Langzeitarbeitslose – alle<br />

haben die Chance, in ihrem Vorleben etwas bedeutsam<strong>er</strong><br />

gewesen zu sein. Burgfräulein, Deichgraf<br />

od<strong>er</strong> NS-Funktionär. Laut Exp<strong>er</strong>tin soll jed<strong>er</strong><br />

bis zu 80 Vorleben haben, Stoff ohne Ende!<br />

M<strong>er</strong>ke: Das nutzlose Leben, welches die<br />

Stammzuschau<strong>er</strong> d<strong>er</strong>zeit plagt, ist nur eine Zwischenstation.<br />

Am Besten, man sitzt es aus, vor<br />

dem F<strong>er</strong>nseh<strong>er</strong>, und hofft auf <strong>das</strong> nächste. Od<strong>er</strong><br />

man imagini<strong>er</strong>t sich in eine V<strong>er</strong>gangenheit voll<strong>er</strong><br />

F<strong>er</strong>ienabenteu<strong>er</strong>, in d<strong>er</strong> man selbst ein hochmoralisch<strong>er</strong>,<br />

<strong>er</strong>folgreich<strong>er</strong>, wohlhabend<strong>er</strong> Mensch mit<br />

befriedigenden Sexualkontakten war und den and<strong>er</strong>en<br />

Menschen bei ihren Straftaten zusah.<br />

Wenn dann ab<strong>er</strong> die Volkshochschulen, <strong>das</strong> Arbeitsamt,<br />

d<strong>er</strong> TÜV und div<strong>er</strong>se Jugendpfarr<strong>er</strong> auch<br />

damit anfangen, Rückführungsseminare anzubieten,<br />

ist <strong>das</strong> Format am Ende. Dann wird RTL was<br />

Neues einfallen.<br />

Felice von Senkbeil<br />

Zeichnung: Pet<strong>er</strong> Muzeniek<br />

46 EULENSPIEGEL 9/10


Lebens hilfe<br />

www.martin-zak.de<br />

EULENSPIEGEL 9/10 47


Anzeigen<br />

Kino<br />

W<br />

ie imm<strong>er</strong>, wenn abends kaum<br />

noch Kundschaft kommt, zieht<br />

sich d<strong>er</strong> Videotheksangestellte Bazil<br />

einen sein<strong>er</strong> geliebten Howard-<br />

Hawks-Krimis rein. »Tote schlafen<br />

fest« hat <strong>er</strong> so oft gesehen, <strong>das</strong>s <strong>er</strong><br />

Humphrey Bogarts und Lauren Bacalls<br />

Dialoge simultan mitsprechen<br />

kann. Doch diesmal wird <strong>er</strong> mittendrin<br />

von ein<strong>er</strong> realen V<strong>er</strong>folgungsjagd<br />

auf die Straße gelockt. Eine v<strong>er</strong>irrte<br />

Pistolenkugel landet in seinem<br />

Kopf, und ein an sein<strong>er</strong> Gottähnlichkeit<br />

zweifelnd<strong>er</strong> Chirurg belässt sie<br />

dort, um Bazil wenigstens eine kleine<br />

Üb<strong>er</strong>lebenschance zu bieten. Was<br />

unt<strong>er</strong> dem Titel<br />

Micmacs<br />

so grotesk-komisch beginnt, ist zuvörd<strong>er</strong>st<br />

<strong>das</strong> W<strong>er</strong>k zwei<strong>er</strong> Männ<strong>er</strong>,<br />

die d<strong>er</strong> Grand Nation b<strong>er</strong>eits unschätzbare<br />

Dienste <strong>er</strong>wiesen: Regisseur<br />

und Drehbuchautor Jean-Pi<strong>er</strong>re<br />

Jeunet schuf mit »Die fabelhafte Welt<br />

d<strong>er</strong> Amélie« den schönsten, sein<br />

Hauptdarstell<strong>er</strong> Dany Boon mit<br />

»Willkommen bei den Sch’tis« den<br />

<strong>er</strong>folgreichsten französischen Film<br />

all<strong>er</strong> Zeiten. Auch »Micmacs« wird<br />

mit einem Sup<strong>er</strong>lativ in Frankreichs<br />

Kulturgeschichte eingehen, denn nie<br />

zuvor gab es ein originell<strong>er</strong>es Kino-<br />

Stück zum Thema Abrüstung.<br />

Nachdem Bazil alles v<strong>er</strong>loren hat,<br />

Arbeit, Wohnung und seinen Vat<strong>er</strong>,<br />

findet <strong>er</strong> Familienanschluss bei den<br />

Outlaws, die im Inn<strong>er</strong>en eines Paris<strong>er</strong><br />

Schrottplatzes wohnen. Die resolute<br />

Köchin Cassoulette (Yolande Mo -<br />

reau), die Rechenkünstl<strong>er</strong>in Calculette<br />

(Marie-Julie Baup), d<strong>er</strong> mit Metallteilchen<br />

gespickte Magnetmensch Bricabrac<br />

(Dominique Pinon) und Mademoiselle<br />

Kautschuk (Julie F<strong>er</strong>ri<strong>er</strong>), die<br />

sich im Kühlschrankgemüsefach v<strong>er</strong>stecken<br />

kann, sie alle wollen Bazil helfen.<br />

Denn d<strong>er</strong> plant einen artistisch<br />

anspruchsvollen Rachefeldzug gegen<br />

die Sarkozy-Freunde Marconi (Nicolas<br />

Marié) und Thibault (André Dussolli<strong>er</strong>),<br />

H<strong>er</strong>stell<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Kugel in Bazils<br />

Kopf sowie jen<strong>er</strong> Landmine, die seinen<br />

Vat<strong>er</strong> hochgehen ließ, und Waffenlief<strong>er</strong>anten<br />

sämtlich<strong>er</strong> weltweit<br />

kämpfenden Truppen.<br />

Obwohl die Mission impossible<br />

zu sein scheint, gelingt sie auf irrwitzige<br />

Weise. Daß zwei sich gegenseitig<br />

beschuldigende Kriegsv<strong>er</strong>brech<strong>er</strong><br />

bei You Tube im Netz stehen,<br />

ist durchaus vorstellbar. Dass Frankreichs<br />

Justiz sie anschließend vor G<strong>er</strong>icht<br />

stellt, streift all<strong>er</strong>dings eh<strong>er</strong> den<br />

B<strong>er</strong>eich des Märchenhaften.<br />

★<br />

Sobald d<strong>er</strong> Nachwuchs flügge ist,<br />

können sich die Elt<strong>er</strong>nteile mit d<strong>er</strong><br />

Gewissheit trösten, <strong>das</strong>s die Brut<br />

demnächst wied<strong>er</strong> auf d<strong>er</strong> Matte<br />

steht, sei es wegen schmutzig<strong>er</strong> Wäsche<br />

od<strong>er</strong> klamm<strong>er</strong> Finanzen. Was<br />

ab<strong>er</strong> haben die Spielzeuge zu <strong>er</strong>warten,<br />

wenn ihre einzigen Bezugsp<strong>er</strong>sonen<br />

endgültig <strong>das</strong> Kind<strong>er</strong>zimm<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>lassen? Den Tod auf d<strong>er</strong> Müllkippe,<br />

den Abschiebeknast auf dem<br />

Dachboden od<strong>er</strong> die Üb<strong>er</strong>gabe in<br />

womöglich schlechte Hände? Cowboy<br />

Woody, Raumfahr<strong>er</strong> Buzz Lightyear,<br />

Drahtspiralendackel Slinky,<br />

Sparschwein Specki, Gummidino<br />

Rex und <strong>das</strong> Ehepaar Kartoffelkopf<br />

würden sich schon deshalb für die<br />

Dachbodenvariante entscheiden,<br />

weil sie dann ihren Besitz<strong>er</strong> Andy<br />

wenigstens in den F<strong>er</strong>ien zu Gesicht<br />

bekämen.<br />

Toi, toi, toi –<br />

Toys!<br />

D<strong>er</strong> mittl<strong>er</strong>weile 17-Jährige muss<br />

nämlich ins Int<strong>er</strong>nat. Allein für Cow -<br />

boy Woody, sein ältestes und liebstes<br />

Spielzeug, hat <strong>er</strong> noch Platz im<br />

Koff<strong>er</strong>. Doch Woody mag sich nicht<br />

von den and<strong>er</strong>en trennen, schon gar<br />

nicht von seinem besten Freund<br />

Buzz Lightyear. D<strong>er</strong> war zwar in d<strong>er</strong><br />

1995 produzi<strong>er</strong>ten <strong>er</strong>sten »Toy<br />

Story« sein <strong>er</strong>bitt<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Rivale um Andys<br />

Gunst, wuchs ihm ab<strong>er</strong> während<br />

d<strong>er</strong> aufregenden Abenteu<strong>er</strong> in »Toy<br />

Story 2« so unv<strong>er</strong>li<strong>er</strong>bar ans H<strong>er</strong>z,<br />

<strong>das</strong>s sich<br />

Toy Story 3<br />

praktisch nicht aufhalten ließ. Gottlob<br />

nahmen sich die V<strong>er</strong>antwortlichen<br />

d<strong>er</strong> Pixar-Trickfilm-Studios<br />

viel Zeit und engagi<strong>er</strong>ten von den<br />

guten Leuten nur die besten: für die<br />

Regie Lee Unkrich, d<strong>er</strong> auch »Findet<br />

Nemo« inszeni<strong>er</strong>te, und fürs<br />

Drehbuch Michael Arndt, d<strong>er</strong> sich<br />

schon die Geschichte von »Little<br />

Miss Sunshine« ausdachte. V<strong>er</strong>stärkt<br />

durch ein ganzes He<strong>er</strong> genial<strong>er</strong><br />

Comput<strong>er</strong>animateure gelang den<br />

bei den ein humorvolles, hochspannendes,<br />

tiefb<strong>er</strong>ührendes und dennoch<br />

kitschfreies Puppenspiel, <strong>das</strong><br />

auf zwei wesentlichen menschlichen<br />

Erfahrungen basi<strong>er</strong>t: d<strong>er</strong> Angst vor<br />

Liebesv<strong>er</strong>lust und dem Glück praktizi<strong>er</strong>t<strong>er</strong><br />

Solidarität.<br />

★<br />

Nein, es ist nicht die g<strong>er</strong>n gezeigte<br />

Plattenbauödnis des Ostb<strong>er</strong>lin<strong>er</strong> Bezirks<br />

Marzahn, sond<strong>er</strong>n die bislang<br />

sorgsam v<strong>er</strong>steckte d<strong>er</strong> Schimanski-<br />

Stadt Duisburg, in welch<strong>er</strong> d<strong>er</strong> 26-<br />

jährige Philosophiestudent Benjamin<br />

seine faulen Tage v<strong>er</strong>bringt. Zugegeben,<br />

große Sprünge sind bei<br />

ihm nicht mehr drin, seit ihn eine<br />

partielle Qu<strong>er</strong>schnittslähmung in<br />

den Rollstuhl beförd<strong>er</strong>te. D<strong>er</strong> Titel<br />

Renn, wenn du kannst<br />

ist also d<strong>er</strong> blanke Hohn. Seine Magist<strong>er</strong>arbeit<br />

hätte Ben all<strong>er</strong>dings<br />

nach d<strong>er</strong> dritten Abgabev<strong>er</strong>läng<strong>er</strong>ung<br />

gelegentlich mal zu Ende<br />

schreiben können. Int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t ihn<br />

ab<strong>er</strong> nicht. Er lässt die b<strong>er</strong>eits ausgedruckten<br />

Blätt<strong>er</strong> einfach vom Balkon<br />

segeln, während <strong>er</strong> seinen gestressten<br />

Zivi buchstäblich in die<br />

Knie zwingt. Das ist nämlich <strong>das</strong> einzige,<br />

was d<strong>er</strong> coole Kotzbrocken<br />

richtig gut kann: Leute schikani<strong>er</strong>en<br />

und rausschmeißen. Bei Nichtgefallen<br />

schickt <strong>das</strong> an Betreuungskräften<br />

und Haushaltsmitteln offenbar<br />

schw<strong>er</strong>reiche Sozialamt g<strong>er</strong>n neue<br />

Quälkandidaten.<br />

Sollte Regie-Debütant Dietrich<br />

Brüggemann <strong>das</strong> glauben, zeugte<br />

es von sein<strong>er</strong> totalen Unkenntnis<br />

tatsächlich<strong>er</strong> Gegebenheiten. Mat<strong>er</strong>ielle<br />

Dinge bleiben bei ihm übrigens<br />

gen<strong>er</strong>ell ausgespart. Jedenfalls<br />

<strong>er</strong>fährt man wed<strong>er</strong>, w<strong>er</strong> Bens komfortabel<br />

eing<strong>er</strong>ichtete Wohnung bezahlt,<br />

noch wovon seine unv<strong>er</strong>heiratete<br />

Mutt<strong>er</strong> lebt. Brüggemanns Fokus<br />

ist allein auf eine Menage á trois<br />

g<strong>er</strong>ichtet, die keine wird. Ben und<br />

sein neu<strong>er</strong>, endlich wid<strong>er</strong>standsfähig<strong>er</strong><br />

Zivi Christian sind in dieselbe<br />

Frau v<strong>er</strong>liebt, die Musikstudentin<br />

Annika. Die mag zwar beide, fühlt<br />

sich ab<strong>er</strong> stärk<strong>er</strong> zum v<strong>er</strong>meintlich<br />

intellektuellen Ben hingezogen. Bis<br />

sie bem<strong>er</strong>kt, <strong>das</strong>s sein menschenv<strong>er</strong>achtend<strong>er</strong><br />

Zynismus auch ihn<br />

selbst einschließt, was wirkliche<br />

Liebe definitiv ausschließt.<br />

Am Ende des teils poetischen,<br />

größtenteils leid<strong>er</strong> krampfhaft um<br />

Originalität bemühten Films sitzen<br />

drei Freunde auf dem Balkon: d<strong>er</strong><br />

großartige Jacob Matschenz als Zivi<br />

Christian, die sympathische Anna<br />

Brüggemann, Co-Autorin ihres Brud<strong>er</strong>s<br />

Dietrich, als Annika, und als<br />

Ben Rob<strong>er</strong>t Gwisdek. Dessen Spiel<br />

ist von ein<strong>er</strong> Mani<strong>er</strong>i<strong>er</strong>theit, d<strong>er</strong>en<br />

sich seine b<strong>er</strong>ühmten Elt<strong>er</strong>n Corinna<br />

Harfouch und Michael Gwisdek niemals<br />

schuldig gemacht haben.<br />

Renate Holland-Moritz<br />

48 EULENSPIEGEL 9/10


Heimat kunde<br />

G<strong>er</strong>hard Glück<br />

EULENSPIEGEL 9/10 49


Unv<strong>er</strong>käuflich – ab<strong>er</strong> bestechlich!<br />

Funzel<br />

SUPER<br />

Das Intelligenzblatt für And<strong>er</strong>sdenkende<br />

Seit d<strong>er</strong> Großen Revolution 89/90 unabhängig vom <strong>Eulenspiegel</strong><br />

Die<br />

Kriminalpolizei<br />

rät:<br />

Urlaubszeit ist Einbruchszeit.<br />

Wir empfehlen: Sich<strong>er</strong>heit<br />

durch Hässlichkeit!<br />

So eine Eingangstür<br />

schreckt Diebe ab!<br />

Kommissar Kriki<br />

Wied<strong>er</strong> Leben<br />

im Schlosspark<br />

Den Cottbus<strong>er</strong> Landschaftsarchitektinnen<br />

K<strong>er</strong>stin Speckowski (21) und<br />

Ines Drahtmüll<strong>er</strong> (52) steht d<strong>er</strong> Stolz<br />

ins Gesicht geschrieben. Sie haben<br />

auf ein<strong>er</strong> abseitigen Fläche des<br />

Fürst-Pückl<strong>er</strong>-Parks in Bad Muskau<br />

eine typische Lausitz<strong>er</strong> Tagebau-<br />

Landschaft nachgebildet. Mit rauen<br />

Erhebungen, dem Wechsel aus dichtem<br />

Bewuchs und kahlen, trostlosen<br />

Ebenen und aus d<strong>er</strong> Mode g<strong>er</strong>atenen<br />

Frisuren haben die Kolleginnen<br />

und Freundinnen d<strong>er</strong> einmaligen<br />

Kulturlandschaft ein Denkmal gesetzt.<br />

»In diesem von Menschen -<br />

hand geschaffenen und gepflegten<br />

Paradies kann man prima entspannen«,<br />

freut sich Drahtmüll<strong>er</strong>. »An einigen<br />

Stellen haben wir Braunkohle<br />

v<strong>er</strong>steckt. Wo genau, v<strong>er</strong>raten wir<br />

ab<strong>er</strong> nicht«, fügt Speckowski kich<strong>er</strong>nd<br />

hinzu.<br />

Finanziell <strong>er</strong>möglicht wurde <strong>das</strong><br />

aus EU-Mitteln. Vor zwei Jahren<br />

wur de d<strong>er</strong> Europa-Politik<strong>er</strong> Eugen<br />

V<strong>er</strong>geuden auf die gutaussehenden<br />

Damen aufm<strong>er</strong>ksam. »Eigentlich<br />

hat te ich die beiden mit kalabrischen<br />

Milchkühen v<strong>er</strong>wechselt, die<br />

<strong>das</strong> Förd<strong>er</strong>geld laut Richtlinie <strong>er</strong>halten<br />

sollten«, <strong>er</strong>klärt <strong>er</strong>. Ab<strong>er</strong> dann<br />

war <strong>er</strong> faszini<strong>er</strong>t von d<strong>er</strong> Lebensgeschichte<br />

Speckowskis, die jahrelang<br />

mit einem Schaufelradbagg<strong>er</strong> v<strong>er</strong>wechselt<br />

wurde und <strong>er</strong>st 1999 mit<br />

d<strong>er</strong> Schließung d<strong>er</strong> Grube in Meuro<br />

die Freiheit <strong>er</strong>langte.<br />

ak / fs


A<strong>er</strong>o flott!<br />

Woran <strong>er</strong>kenne ich die<br />

Sich<strong>er</strong>heitsfanatik<strong>er</strong> unt<strong>er</strong><br />

den Fluggästen?<br />

Büch<strong>er</strong><br />

Wussten Sie<br />

schon?<br />

Mit etwas Farbe malt man<br />

sich schicke Strümpfe auf<br />

die Füße. Dies<strong>er</strong> und and<strong>er</strong>e<br />

Tips <strong>jetzt</strong> in<br />

Die EU hat einheitli che<br />

Nudel-Normen festgelegt:<br />

In die Norm-Makkaroni<br />

müssen genau drei Spaghetti<br />

od<strong>er</strong> fünf Spaghettini<br />

passen. So können die<br />

v<strong>er</strong>schiedenen Nudelsorten<br />

zusammen v<strong>er</strong>packt<br />

w<strong>er</strong>den, indem die dünnen<br />

in die dicken Rohlinge<br />

gesteckt w<strong>er</strong>den.<br />

Nachwuchs-Lücken<br />

Wo sind eigentlich uns<strong>er</strong>e Straßenfußball<strong>er</strong><br />

geblieben?<br />

Kriki<br />

Imm<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> Ruhe!<br />

Die gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Testphasen<br />

im öffentlichen<br />

P<strong>er</strong>sonennahv<strong>er</strong>kehr<br />

ziehen sich oft läng<strong>er</strong><br />

hin als <strong>er</strong>wartet. pl<br />

Das schafft Arbeitsplätze<br />

und spart V<strong>er</strong>packungsmat<strong>er</strong>ial.<br />

Und w<strong>er</strong> sich nicht entscheiden<br />

kann, ob <strong>er</strong> lieb<strong>er</strong><br />

Makkaroni od<strong>er</strong> Spaghetti<br />

essen möchte, d<strong>er</strong><br />

wirft alles zusammen ins<br />

heiße Wass<strong>er</strong>, und es gibt<br />

gefüllte Nudeln!<br />

Krikini<br />

Am Ersatztriebw<strong>er</strong>k im Handgepäck! Flugkäptn Kriki<br />

Lo<br />

Schreibblockaden<br />

<strong>er</strong>kennt man<br />

meistens schon<br />

am <strong>er</strong>sten Wort.<br />

wo<br />

Leute heute: Frau Nase<br />

Wied<strong>er</strong> einmal wandelte d<strong>er</strong> Heuschnupfen<br />

üb<strong>er</strong> die Erde. Alle<br />

ließen ihn abblitzen: Das H<strong>er</strong>z<br />

wollte nichts von ihm wissen, Leb<strong>er</strong><br />

und Galle zeigten ihm einen Vogel,<br />

<strong>das</strong> Ehepaar Ni<strong>er</strong>e wies ihn ab.<br />

Nicht einmal Freund Schließmuskel<br />

wollte etwas mit ihm zu tun haben,<br />

dafür war selbst <strong>er</strong> sich zu fein.<br />

Schon wollte d<strong>er</strong> Heuschnupfen unv<strong>er</strong>richtet<strong>er</strong><br />

Dinge abreisen, als ihn<br />

die geistesschwache Frau Nase zu<br />

Gesicht bekam. Von Weitem winkte<br />

sie ihn h<strong>er</strong>an: »H<strong>er</strong>r Heuschnupfen!<br />

H<strong>er</strong>r Heuschnupfen! Kommen Sie<br />

doch zu Besuch! Haben Sie Post von<br />

meinen lieben Bäumen mitgebracht?«<br />

D<strong>er</strong> Heuschnupfen quarti<strong>er</strong>te<br />

sich freudig bei ihr ein, und<br />

Frau Nase floss üb<strong>er</strong> vor Dankbarkeit.<br />

An ein normales Leben war<br />

fortan nicht zu denken, geschweige<br />

denn an normale Texte. Selbst die<br />

Pointe muss bis zum Späth<strong>er</strong>bst<br />

warten!<br />

pk<br />

B<strong>er</strong>ufsbedingt<strong>er</strong> Ehrgeiz<br />

Anstatt sein<strong>er</strong><br />

Angebeteten einen<br />

Strauß Rosen<br />

mitzubringen,<br />

musste es für<br />

Bagg<strong>er</strong>führ<strong>er</strong><br />

Willi B. eine<br />

ganze Rabatte<br />

sein, um sie anzubagg<strong>er</strong>n.<br />

Kriki<br />

Das große Üb<strong>er</strong>lebenshandbuch<br />

für Erfolg<br />

in schwi<strong>er</strong>igen Zeiten<br />

(Erschienen im V<strong>er</strong>lag<br />

Agenda 2010)<br />

MENSCH<br />

& NATUR<br />

von Hellmuth Njuhten<br />

IMPRESSUM: Im H<strong>er</strong>bst pfeift<br />

d<strong>er</strong> Wind auf dem Feld, und wir pfeifen<br />

auf den <strong>Eulenspiegel</strong>, betonen die Funzel-<br />

Mitarbeit<strong>er</strong> Lo Blickensdorf, Michael<br />

Garling, Pet<strong>er</strong> Köhl<strong>er</strong>, Andreas Koristka,<br />

Kriki, Pet<strong>er</strong> Lohse, Wolfgang Osching<strong>er</strong>,<br />

Frank Siebenweich<strong>er</strong>, Rain<strong>er</strong> Spiske,<br />

Siegfried Steinach und Reinhard Ulbrich.<br />

Funzel-<br />

RÄTSEL<br />

Die Eule ist schw<strong>er</strong> wie<br />

, hol mir die Funzel !<br />

ss<br />

Lo<br />

mg


Anzeige<br />

Gemessen an d<strong>er</strong> Zahl d<strong>er</strong> Sitzenbleib<strong>er</strong><br />

Irgendwann<br />

H<strong>er</strong>r Zeisig walkt sich durch den Pulk<br />

Kind<strong>er</strong>. Er v<strong>er</strong>sucht, sich Gehör zu<br />

v<strong>er</strong>schaffen. Diesen Lärm hätte es<br />

früh<strong>er</strong> nicht gegeben. Scheinbar<br />

zähle d<strong>er</strong> Respekt vor einem<br />

g<strong>er</strong>äuscharmen Miteinand<strong>er</strong> in d<strong>er</strong><br />

heutigen Erziehung nicht mehr viel.<br />

»Sehen Sie nur, wie dies<strong>er</strong> Flegel<br />

seine Zähne genussvoll auf den Butt<strong>er</strong>keks<br />

fliegen lässt. Und <strong>das</strong> elendige<br />

Rascheln des Brotpapi<strong>er</strong>s.« Er<br />

könne hi<strong>er</strong> nur v<strong>er</strong>suchen, so gut es<br />

geht, dagegenzuhalten. Die eigentliche<br />

Problematik liege daheim in<br />

den Familien. Was dort v<strong>er</strong>säumt<br />

wird, kann H<strong>er</strong>r Zeisig nur in begrenztem<br />

Maße ausgleichen. »Das<br />

ist auch gar nicht meine Aufgabe«,<br />

betont <strong>er</strong>. Er z<strong>er</strong>kaut einen Papi<strong>er</strong>schnipsel<br />

und bläst ein matschiges<br />

Papi<strong>er</strong>kügelchen durch<br />

den Minenschaft eines Kugelschreib<strong>er</strong>s<br />

genau in den<br />

Mund eines besond<strong>er</strong>s<br />

dreisten Schlurf<strong>er</strong>s.<br />

Zeisig stellt ihm ein<br />

Bein. »Zu blöd zum Latschen«,<br />

bem<strong>er</strong>kt <strong>er</strong> lakonisch<br />

und lädt dabei<br />

seine Pistole mit Knallplättchen<br />

nach. Hi<strong>er</strong> ist<br />

ein<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> mit allen Wass<strong>er</strong>n<br />

gewaschen ist und sogar<br />

selbst Kopfwäschen im Becken<br />

d<strong>er</strong> Knabentoilette gibt. Als <strong>er</strong> neu<br />

auf die Schule kam, sah <strong>das</strong> noch<br />

ganz and<strong>er</strong>s aus. Die Kind<strong>er</strong> akzepti<strong>er</strong>ten<br />

ihn nicht, und beim Lehr<strong>er</strong>kollegium<br />

hatte <strong>er</strong> keinen guten<br />

Stand. »D<strong>er</strong> Respekt kam dann automatisch<br />

üb<strong>er</strong> die Jahre«, stellt <strong>er</strong><br />

fest und <strong>er</strong>klärt seinen inn<strong>er</strong>lichen<br />

und äuß<strong>er</strong>lichen Reifeprozess. Zeisig<br />

ist sich sich<strong>er</strong>, <strong>das</strong>s <strong>er</strong> heute viel<br />

mehr Autorität ausstrahlt als zu Beginn<br />

sein<strong>er</strong> Schulzeit, und boxt zum<br />

Beweis einem Brillenträg<strong>er</strong> mit<br />

voll<strong>er</strong> Wucht in die Magengrube.<br />

Man sieht, Zeisig hat seine B<strong>er</strong>ufung<br />

gefunden. Er hat sich durchgesetzt,<br />

auch gegen die Bedenken<br />

sein<strong>er</strong> Familie. Die waren<br />

anfangs enorm. Besond<strong>er</strong>s sein<br />

Vat<strong>er</strong> geißelte ihn. Sein kostbares<br />

Leben sollte d<strong>er</strong> Sohn ein<strong>er</strong> Metzg<strong>er</strong>familie<br />

keinesfalls auf d<strong>er</strong><br />

Schule v<strong>er</strong>bringen. »Mein<br />

Vat<strong>er</strong> wusste nicht, wie mich<br />

seine Welt aus Speck und<br />

Rind<strong>er</strong>zungensülze anödete.«<br />

Elendige Streit<strong>er</strong>eien waren die<br />

Folge. Besond<strong>er</strong>s als Zeisig einmal<br />

die dritte Klasse wied<strong>er</strong>holen muss -<br />

te, eskali<strong>er</strong>te die Lage. »Mein Vat<strong>er</strong><br />

konnte nicht v<strong>er</strong>stehen, <strong>das</strong>s die<br />

vi<strong>er</strong> Jahre in d<strong>er</strong> zweiten Klasse für<br />

mich p<strong>er</strong>sönlich wichtig waren. Deshalb<br />

zwang <strong>er</strong> mich, einen Somm<strong>er</strong><br />

lang <strong>das</strong> Alphabet aus Mett und Naturdarm<br />

nachzubauen. Schnelles<br />

L<strong>er</strong>nen blieb mir ab<strong>er</strong> weit<strong>er</strong> Wurst.«<br />

Stattdessen setzte Zeisig jr. auf tiefe<br />

V<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>lichung. Imm<strong>er</strong> und imm<strong>er</strong><br />

wied<strong>er</strong> v<strong>er</strong>suchten die Stimmen sein<strong>er</strong><br />

Lehr<strong>er</strong> und Elt<strong>er</strong>n auf ihn einzuwirken:<br />

»1 + 3 < 6; Trenne nie<br />

Esstee, denn es tut ihm weh; artige<br />

Kind<strong>er</strong> öffnen vor dem Urini<strong>er</strong>en die<br />

Hose« usw.<br />

52 EULENSPIEGEL 9/10


ist Deutschland <strong>das</strong> dümmste Land d<strong>er</strong> Welt<br />

Ehren runde<br />

wird <strong>er</strong> dann gehen<br />

Sehr hilfreich sei es gewesen, <strong>das</strong><br />

ständige Wied<strong>er</strong>holen, v<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>t <strong>er</strong><br />

bestätigend. »Besond<strong>er</strong>s die Wied<strong>er</strong>holungen<br />

dabei waren sehr hilfreich«,<br />

bestätigt Zeisig mit v<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>ndem<br />

Blick. Er brauche eben<br />

läng<strong>er</strong>, bis <strong>er</strong> etwas beh<strong>er</strong>rsche,<br />

dann all<strong>er</strong>dings führt <strong>er</strong> es bestmöglich<br />

aus. »Sehen Sie nur die formvollendete<br />

Schleife, mit d<strong>er</strong> ich die<br />

Schuhe meines Klassenkam<strong>er</strong>aden<br />

Steven zusammengebunden ha -<br />

be«, sagt <strong>er</strong> stolz. Er schubst<br />

seinen Mitschü -<br />

l<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> stürzt und für einige Sekunden<br />

nach Luft ringt. Gedankenschnell<br />

nutzt Zeisig die Situation<br />

und schnippst mit beeindruckend<strong>er</strong><br />

Präzision seinen Zeigefing<strong>er</strong> gegen<br />

die Nase des am Boden Liegenden,<br />

bis diesem die Tränen kommen. Die<br />

P<strong>er</strong>fektioni<strong>er</strong>ung<br />

dies<strong>er</strong> kleinen Dinge hat Zeisig Jahre<br />

gekostet.<br />

Doch sein körp<strong>er</strong>liches Geschick<br />

ist es, von dem auch Zeisigs Mitschül<strong>er</strong><br />

profiti<strong>er</strong>en. Sie akzepti<strong>er</strong>en<br />

den 47-Jährigen als brutales Vorbild<br />

und honori<strong>er</strong>en seine körp<strong>er</strong>liche<br />

Üb<strong>er</strong>legenheit mit anbied<strong>er</strong>nd<strong>er</strong> Demut.<br />

Ob die Klassenkam<strong>er</strong>aden<br />

nicht manchmal Angst vor ihm hätten?<br />

Das wisse <strong>er</strong> nicht, gibt <strong>er</strong> unumwunden<br />

zu, <strong>er</strong> selbst habe ab<strong>er</strong><br />

keine Furcht vor ihnen. Zeisigs<br />

P<strong>er</strong>sönlichkeit und seine<br />

Fähigkeiten sind in all den<br />

Jahren <strong>er</strong>blüht, und auch<br />

seine Lehr<strong>er</strong> bestätigen,<br />

<strong>das</strong>s sein mehrmaliges Sitzenbleiben<br />

positive Auswirkungen<br />

auf die emotionale und<br />

soziale Kompetenz ihres Sechstklässl<strong>er</strong>s<br />

zeitigte. »Er weiß genau, <strong>das</strong>s<br />

<strong>er</strong> die Schül<strong>er</strong> seinen sadistischen<br />

Launen aussetzen kann, ohne Konsequenzen<br />

fürchten<br />

zu müssen«,<br />

sagt<br />

sei ne<br />

Bio logielehr<strong>er</strong>in und Ehefrau Ilse<br />

Zeisig. Klar gab es auch manchmal<br />

Proble me, z.B. in dem Jahr, als Zeisigs<br />

Zwillinge mit ihm den Sportunt<strong>er</strong>richt<br />

besuchten. Als Pädagogin<br />

wusste Frau Zeisig um die Gefahren<br />

ein<strong>er</strong> möglichen Sond<strong>er</strong>stellung<br />

ihr<strong>er</strong> Kind<strong>er</strong>. Deshalb war sie <strong>er</strong>leicht<strong>er</strong>t,<br />

als ihr Ehemann auch ihnen<br />

<strong>das</strong> Essengeld abnahm.<br />

Selbst d<strong>er</strong> Direktor d<strong>er</strong> kleinen<br />

Grundschule meint,<br />

<strong>das</strong>s man an Zeisigs Beispiel<br />

sehen könne, <strong>das</strong>s<br />

sich <strong>das</strong> Konzept des Sitzenbleibens<br />

nach wie vor<br />

lohne. Eine Milliarde Euro<br />

jährlich für Menschen wie<br />

Zeisig sei eben kein h<strong>er</strong>ausgeworfenes<br />

Geld, sond<strong>er</strong>n eine Investition<br />

in die Kontinuität d<strong>er</strong> Schulen.<br />

Die können dank d<strong>er</strong> Wied<strong>er</strong>hol<strong>er</strong><br />

an and<strong>er</strong><strong>er</strong> Stelle sparen. »Schau -<br />

en Sie sich Zeisigs dichten Bartwuchs<br />

an! Einen Weihnachtsmann müssen<br />

wir für die Schulfei<strong>er</strong>n nicht organisi<strong>er</strong>en,<br />

und es gab Theat<strong>er</strong>stücke, in<br />

denen <strong>er</strong> sogar ein Bärenfell mimte«,<br />

freut sich d<strong>er</strong> Schuldirektor. Einzelne<br />

V<strong>er</strong>suche aus d<strong>er</strong> Politik, <strong>das</strong> Sitzenbleiben<br />

abzuschaffen, könne <strong>er</strong> deshalb<br />

auch nicht nachvollziehen. »Im<br />

Notfall hätten wir auch engagi<strong>er</strong> te<br />

Erziehungsb<strong>er</strong>echtigte wie z.B. H<strong>er</strong>rn<br />

Zeisig, die dagegen ankämpfen würden.«<br />

Im Einzelgespräch offenbart Zeisig<br />

seine größte Sorge. Denn irgendwann<br />

wird auch <strong>er</strong> die Schule v<strong>er</strong>lassen<br />

müssen. Er wisse bis heute nicht,<br />

ob die Krankenkasse ihm nach seinem<br />

Schulbesuch weit<strong>er</strong>hin sein Ritalin<br />

bezahlt und ob <strong>er</strong> ohne <strong>das</strong> System<br />

klarkommen wird, <strong>das</strong> ihn jahrelang<br />

bevormundete. »Sich<strong>er</strong>lich, es<br />

ist irgendwie unfrei, ab<strong>er</strong> auch angenehm.<br />

Es gibt eine V<strong>er</strong>netzung von<br />

Streb<strong>er</strong>n, die dich anschwärzen können.<br />

Damit muss man klarkommen.<br />

Ab<strong>er</strong> alles and<strong>er</strong>e ist g<strong>er</strong>ade in d<strong>er</strong><br />

Nachbetrachtung so schön! Und ab<br />

d<strong>er</strong> vi<strong>er</strong>ten Klasse hatten wir sogar<br />

echte Zensuren!« Zeisig steigt <strong>das</strong><br />

Wass<strong>er</strong> in die Augen. Er schnäuzt<br />

in einen Erstklässl<strong>er</strong> und begibt<br />

sich in den Ethik-Unt<strong>er</strong>richt. »Mob -<br />

bing« steht auf dem Stundenplan.<br />

Da wird <strong>er</strong> sich<strong>er</strong>lich gebraucht.<br />

Andreas Koristka<br />

Zeichnung: Petra Kast<strong>er</strong><br />

Prominente<br />

Sitzenbleib<strong>er</strong><br />

Adolf Hitl<strong>er</strong>: War kein gut<strong>er</strong><br />

Schül<strong>er</strong>, hatte trotzdem Erfolg<br />

im B<strong>er</strong>uf und konnte spät<strong>er</strong> die<br />

6. Armee bei Stalingrad sitzenlassen.<br />

Jürgen Fliege: War wie Hitl<strong>er</strong><br />

kein gut<strong>er</strong> Schül<strong>er</strong>.<br />

Edmund Stoib<strong>er</strong>: Bleibt bis<br />

heute an jedem Satz kleben.<br />

Christian Wulff: Blieb in d<strong>er</strong><br />

Schule sitzen und hat heute folg<strong>er</strong>ichtig<br />

eine tätowi<strong>er</strong>te Frau.<br />

V<strong>er</strong>ona Pooth: Steht hi<strong>er</strong> nur,<br />

weil billige Sitzenbleib<strong>er</strong>-Witze<br />

üb<strong>er</strong> Wolfgang Schäuble geschmacklos<br />

sind.<br />

www.lastfm.de (Privat)<br />

www.phoenixsilk.uk<br />

www.juliastraumboutique.de<br />

www.cdon.eu<br />

EULENSPIEGEL 9/10 53


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Mut zur Mücke<br />

Die wenigsten Insekten führen Böses<br />

im Schilde. Doch sie passen<br />

nicht ins Kindchenschema: Große,<br />

runde Augen, kleine Nase, kleines<br />

Kinn, rundliche Wangen und weiche<br />

Haut (also alles, was man<br />

benötigt, um bei den »Tagesthemen«<br />

als »Tom Buhrow« anzufangen)<br />

haben Insekten nicht. Sie taugen<br />

nicht zum Knuddeln, und ein<br />

Insekt, <strong>das</strong> von sich sagen hört, es<br />

sei süß, befindet sich mit Sich<strong>er</strong>heit<br />

auf dem Dess<strong>er</strong>tschälchen eines<br />

Spezialitätenrestaurants, als<br />

kandi<strong>er</strong>tes Irgendwas an Trallala-<br />

Schaum.<br />

Un<strong>er</strong>bittlich jagt d<strong>er</strong> Mensch die<br />

Mü cke. Ab<strong>er</strong> warum? Mücken<br />

schme cken nicht und gelten üb<strong>er</strong><br />

alle Gesellschaftsschichten und<br />

Ethnien hin weg allenfalls als<br />

proteinhaltig<strong>er</strong> Beifang beim zügigen<br />

Radfahren mit geöffnetem<br />

Mund. Auch g<strong>er</strong>östet auf Weihnachtsmärkten<br />

angeboten (2,50<br />

Euro auf 100 Gramm) haben sie sich<br />

in uns<strong>er</strong>en Breiten nicht durchgesetzt<br />

– and<strong>er</strong>s in Uganda, wo zwar<br />

nie Weihnachten ist, ab<strong>er</strong> die<br />

Mücken größ<strong>er</strong> sind. W<strong>er</strong> Mücken<br />

jagt, betreibt <strong>das</strong> Mückenklatschen<br />

und bewegt sich im Rahmen des<br />

d<strong>er</strong> Lebenswirklichkeit g<strong>er</strong>echt<br />

w<strong>er</strong>denden juristischen Konstruktes<br />

d<strong>er</strong> Notwehr gegen Mitbürg<strong>er</strong><br />

od<strong>er</strong> eben Mitmücken. (Nebenbei:<br />

Die Anwendung des Notwehrparagrafen<br />

auf Mücken-Klatsch<strong>er</strong> ist in<br />

d<strong>er</strong> Rechtsprechung seit Theodor<br />

Mommsen umstritten. Dies<strong>er</strong> v<strong>er</strong>wies<br />

darauf, <strong>das</strong>s auch in d<strong>er</strong> Notwehr<br />

ein »Moment d<strong>er</strong> Rache«<br />

liegt, womit bei Notwehr mit Todesfolge<br />

durchaus auf Mord plädi<strong>er</strong>t<br />

w<strong>er</strong>den könnte – denn <strong>das</strong><br />

Motiv d<strong>er</strong> Rache begründet einen<br />

Tötungsvorsatz. Und wollte man<br />

bestreiten, <strong>das</strong>s, w<strong>er</strong> Mücken<br />

klatscht, sich in sein<strong>er</strong> Notwehr<br />

»auch« für viele Somm<strong>er</strong> voll<strong>er</strong> Stiche<br />

rächen will? Das sollte man bedenken,<br />

wenn man in Rage g<strong>er</strong>ät<br />

– denn auch Mückenmord v<strong>er</strong>jährt<br />

nicht.)<br />

Auß<strong>er</strong>dem ist nicht alles, was <strong>er</strong>laubt<br />

ist, sittlich geboten. Hi<strong>er</strong>zu<br />

ein Gedankenexp<strong>er</strong>iment: Wen<br />

kann man sich ohne Weit<strong>er</strong>es dabei<br />

vorstellen, wie <strong>er</strong> blutrünstig<br />

und ohne moralische Anwandlungen<br />

Mücken klatscht? – Richtig: Hitl<strong>er</strong>,<br />

Saddam, Mixa. Kim Jong Il nur<br />

deshalb nicht, weil <strong>er</strong> dafür ausreichend<br />

P<strong>er</strong>sonal im Gen<strong>er</strong>alsrang<br />

hat. Dass jedoch ethisch w<strong>er</strong>thaltige<br />

Premium<strong>er</strong>zeugnisse wie Margot<br />

Käßmann, Jogi Gauck od<strong>er</strong> Joachim<br />

Löw in ihr<strong>er</strong> knapp bemessenen<br />

Freizeit Mücken metzeln,<br />

üb<strong>er</strong>steigt die menschliche Vorstellungskraft.<br />

And<strong>er</strong>s als<br />

üb<strong>er</strong>fischte Weltme<strong>er</strong>e<br />

böten üb<strong>er</strong>mückte<br />

Weltlüfte einen<br />

Grund zur Freude<br />

Im Grunde sieht eine fliegende<br />

Mücke wegen ihr<strong>er</strong> zahlreichen langen<br />

Gliedmaßen aus wie ein in<br />

groß<strong>er</strong> Entf<strong>er</strong>nung vom Orkan in die<br />

Luft gehoben<strong>er</strong> Nordic-Walk<strong>er</strong>, d<strong>er</strong><br />

sich aus un<strong>er</strong>findlichen Gründen mit<br />

mehr als zwei Stöcken ausgestattet<br />

hat. Ein fliegend<strong>er</strong> Nordic-Walk<strong>er</strong><br />

ist wahrlich nichts, wofür man<br />

seine alltäglichen V<strong>er</strong>richtungen unt<strong>er</strong>brechen<br />

müsste. Doch ist die<br />

Mücke kein vorüb<strong>er</strong>gehend in Nöte<br />

g<strong>er</strong>aten<strong>er</strong>, ansonsten ab<strong>er</strong> unbeachtlich<strong>er</strong><br />

Trendsportl<strong>er</strong>, sond<strong>er</strong>n<br />

ein aggressiv<strong>er</strong> Blutsaug<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> auf<br />

einen unbeachteten Mo ment wartet,<br />

um uns seinen Rüssel, diesen<br />

p<strong>er</strong>fiden Hybrid aus Strohhalm und<br />

Stichwaffe, in den Leib zu rammen.<br />

Die Mückenabwehr entspricht<br />

dem vitalen Int<strong>er</strong>esse jedes Lebewesens,<br />

nicht nur sein Wochenendgrundstück<br />

und sein Fahrrad, sond<strong>er</strong>n<br />

auch sein Blut für sich zu behalten.<br />

In die Legitimationskrise<br />

g<strong>er</strong>ät d<strong>er</strong> Mücken-Klatsch<strong>er</strong> indes<br />

bei d<strong>er</strong> Wahl sein<strong>er</strong> Mittel. And<strong>er</strong>s<br />

als and<strong>er</strong>e Warmblüt<strong>er</strong> v<strong>er</strong>fügt d<strong>er</strong><br />

Mensch nämlich nicht üb<strong>er</strong> einen<br />

Schwanz, um die Mücken wegzuwedeln.<br />

Die fünfzig Prozent d<strong>er</strong><br />

Mensch heit, die üb<strong>er</strong> einen Schwanz<br />

zu v<strong>er</strong>fügen meinen, v<strong>er</strong>mögen damit<br />

allenfalls einen höchst unzureichendem<br />

Radius abzudecken (abweichende<br />

Einzelfälle sind auch als<br />

solche zu w<strong>er</strong>ten und können die<br />

Allgemeingültigkeit dies<strong>er</strong> Feststellung<br />

nicht <strong>er</strong>schütt<strong>er</strong>n). Folgt<br />

ab<strong>er</strong> <strong>das</strong> Gemetzel, bei dem d<strong>er</strong><br />

Mücken-Klatsch<strong>er</strong> für Sekunden<br />

üb<strong>er</strong> 60 Prozent sein<strong>er</strong> Körp<strong>er</strong>kraft<br />

mobilisi<strong>er</strong>t, dem Kantschen Imp<strong>er</strong>ativ<br />

d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>hältnismäßigkeit? 100<br />

Kilo Mensch gegen 0,04 Gramm<br />

Mücke? Hi<strong>er</strong> müssen wir wohl die<br />

Rechtsprechung des Bundesv<strong>er</strong>fassungsg<strong>er</strong>ichts<br />

abwarten …<br />

Wie tief d<strong>er</strong> Mückenhass sitzt,<br />

zeigt sich nicht zuletzt darin, <strong>das</strong>s<br />

selbst jene Mücken, die Opf<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Gewalth<strong>er</strong>rschaft wurden, heute<br />

nahezu v<strong>er</strong>gessen sind. Zur Erinn<strong>er</strong>ung:<br />

B<strong>er</strong>tolt Brecht lässt in dem<br />

Gedicht »Die Teppichweb<strong>er</strong> von Kujan-Bulak<br />

ehren Lenin« die fieb<strong>er</strong>kranken<br />

Web<strong>er</strong> Petroleum in die<br />

Sümpfe gießen, damit die Stech -<br />

mücken st<strong>er</strong>ben. Die Linkspartei<br />

hat sich bis heute nicht glaubhaft<br />

von diesem Willkürakt distanzi<strong>er</strong>t,<br />

weswegen sie, zumindest in hochzivilisi<strong>er</strong>ten<br />

Bundesländ<strong>er</strong>n, in denen<br />

die Mückenrechte in d<strong>er</strong> Landesv<strong>er</strong>fassung<br />

nied<strong>er</strong>gelegt sind,<br />

als Koalitionspartn<strong>er</strong> nicht infrage<br />

kommt.<br />

Geht es vielleicht auch and<strong>er</strong>s?<br />

In d<strong>er</strong> DDR gab es ein Anti-Mücken-<br />

56 EULENSPIEGEL 9/10


Arten schutz<br />

Mittel mit dem Anwendungshinweis:<br />

Leidensdruck entwickeln und in d<strong>er</strong><br />

Alt<strong>er</strong>nativen nachzudenken. Schließ -<br />

hen auf Genozid! Nicht gleich all<strong>er</strong><br />

»Mücke setzt sich, sticht ab<strong>er</strong> nicht.«<br />

Hi<strong>er</strong>archie d<strong>er</strong> Lästlinge ganz weit<br />

lich hat die Gattung in den Jahrtau-<br />

Mücken (Nematoc<strong>er</strong>a) – schließlich<br />

Seine Anwendung v<strong>er</strong>langte Mut.<br />

unten stehen. Man darf den Glau-<br />

senden ihr<strong>er</strong> Existenz einen Ozean<br />

sind wir Humanisten –, sond<strong>er</strong>n<br />

Das wirft die Frage auf: Was macht<br />

ben an <strong>das</strong> Gute in d<strong>er</strong> Mücke nicht<br />

von Blut v<strong>er</strong>schüttet.<br />

nur ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> 45 Mückenfamilien,<br />

die Mücke, wenn sie sich setzt, ab<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>en.<br />

Nicht umsonst weisen einschlä-<br />

nämlich d<strong>er</strong> Stechmücke (Cu li -<br />

nicht sticht? Stellt sie auf vegeta-<br />

Erweisen sich Mücken jedoch als<br />

gige Int<strong>er</strong>net-Suchmaschinen für<br />

cidae). Ab<strong>er</strong> bedenken wir, dann<br />

risch um? Üb<strong>er</strong>gibt sie sich? Od<strong>er</strong><br />

th<strong>er</strong>api<strong>er</strong>esistent, sind sie z.B. nicht<br />

Zusammensetzungen mit »Anti-<br />

ist es auch mit dem reizenden klei-<br />

macht sie <strong>das</strong> Beste draus und<br />

b<strong>er</strong>eit, an einem Anti-Gewalt-Trai-<br />

Mücken…« üb<strong>er</strong> 44 000 Einträge<br />

nen Wiesenschnäpp<strong>er</strong> ein für alle-<br />

sticht, ohne sich vorh<strong>er</strong> zu setzen?<br />

ning teilzunehmen. Und machen sie<br />

auf, während d<strong>er</strong> nun wirklich häu-<br />

mal vorbei! Von dem schönen (Rolf<br />

Natürlich kann man v<strong>er</strong>suchen,<br />

nicht von d<strong>er</strong> Möglichkeit Gebrauch,<br />

fig diskuti<strong>er</strong>te Begriff »nicht zum<br />

H<strong>er</strong>richt-)Wort<br />

»Mückentötolin«<br />

die Lästlinge in th<strong>er</strong>apeutischen Ge-<br />

ihren Rüssel im Rahmen ein<strong>er</strong> Am-<br />

V<strong>er</strong>zehr bestimmte Obst-Attrappen<br />

ganz zu schweigen!<br />

sprächen von ihr<strong>er</strong> unseligen Nei-<br />

nesti<strong>er</strong>egelung auf d<strong>er</strong> nächsten Po-<br />

aus d<strong>er</strong> südchinesischen Provinz<br />

gung zu schön<strong>er</strong> Haut abzubringen.<br />

lizeidienststelle abzugeben, muss<br />

Guangdong« keinen einzigen Tref-<br />

Rob<strong>er</strong>t Niemann<br />

Zumal sie in einigen Fällen selbst<br />

es dem Menschen <strong>er</strong>laubt sein, üb<strong>er</strong><br />

f<strong>er</strong> v<strong>er</strong>zeichnet. Ja, die Zeichen ste-<br />

Zeichnung: Kat Weidn<strong>er</strong><br />

EULENSPIEGEL 9/10 57


Pet<strong>er</strong> Thulke<br />

Andreas Prüstel<br />

58 EULENSPIEGEL 9/10


Schwarz auf<br />

weiss<br />

Alff<br />

Pi<strong>er</strong>o Masztal<strong>er</strong>z Jüng<strong>er</strong> & Schlank<strong>er</strong><br />

EULENSPIEGEL 9/10 59


Kleinti<strong>er</strong><br />

haltung<br />

Jette Joop entgeht einem<br />

Einmal im Monat treffen wir uns – die Claudia,<br />

die Iris, die Xenia und ich. Wir machen <strong>das</strong> seit<br />

Langem. Wir waren mal praktizi<strong>er</strong>ende Feministinnen<br />

und haben uns damals zu gemeinsam<strong>er</strong><br />

Menstruationsmeditation getroffen. So ist d<strong>er</strong><br />

Vi<strong>er</strong>wochenrhythmus entstanden. Seit Claudia<br />

ab<strong>er</strong> keine Gebärmutt<strong>er</strong> mehr hat, und Iris und<br />

ich in den Wechseljahren sind, haben wir uns<br />

and<strong>er</strong><strong>er</strong> Themen angenommen: Männ<strong>er</strong>, Bindungsfähigkeit,<br />

Beckenbodentraining, Haarfärbung<br />

mit Henna od<strong>er</strong> die Probleme, welche eine<br />

zunehmende vaginale Trockenheit h<strong>er</strong>vorrufen.<br />

Ja, <strong>das</strong> Leben bringt V<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>ungen mit sich!<br />

Früh<strong>er</strong> nannte Claudia ihre weißen Mäuse Alice<br />

Schwarz<strong>er</strong> od<strong>er</strong> Emma, heute heißt ihr Hamst<strong>er</strong><br />

Jette Joop.<br />

Jede von uns – die Claudia, die Iris, die Xenia<br />

und ich – darf ihre eigenen Themen einbringen.<br />

So haben wir uns mit Feng Shui und d<strong>er</strong> Zub<strong>er</strong>eitung<br />

von Sushi beschäftigt. Und nun wollten<br />

wir uns einmal mit Maßnahmen zur Entgiftung<br />

od<strong>er</strong> Entschlackung uns<strong>er</strong>es Körp<strong>er</strong>s auseinand<strong>er</strong>setzen.<br />

Mit dem Darm sollte es losgehen.<br />

Claudia hatte da neulich mal was von Kaffee-<br />

Einläufen gelesen. Ein Selbstv<strong>er</strong>such lag quasi<br />

in d<strong>er</strong> Luft.<br />

Anlässlich d<strong>er</strong> Entgiftung haben wir uns bei<br />

Claudia getroffen und üb<strong>er</strong>legt, ob wir eine eis<strong>er</strong>ne<br />

Regel uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Monatskonf<strong>er</strong>enzen auß<strong>er</strong><br />

Kraft setzen wollen, nämlich die, <strong>das</strong>s Männ<strong>er</strong><br />

in uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Runde nichts zu suchen haben. Denn<br />

Claudia schlug vor, ihren Heilpraktik<strong>er</strong> zu einem<br />

Info-Abend üb<strong>er</strong> die Entgiftung einzuladen. D<strong>er</strong><br />

Heilpraktik<strong>er</strong> hieß Waldemar. Wenn wir uns beeilen,<br />

meinte Claudia, hat d<strong>er</strong> Waldemar alle zu<br />

reinigenden Organe (Darm, Leb<strong>er</strong> und Ni<strong>er</strong>e) bis<br />

Weihnachten mit uns durchgenommen!<br />

Wegen des Waldemar haben wir abgestimmt.<br />

Da es nach drei Wahlgängen noch imm<strong>er</strong> zwei<br />

zu zwei stand (Claudia und Xenia waren für den<br />

Mann, Iris und ich dagegen), musste Jette Joop<br />

dran glauben. Jette hat einen total durchdesignten<br />

Käfig mit einem goldenen Laufrad und pinkfarbenem<br />

Streu. Claudia färbt einen Teil von Jette<br />

auch imm<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> jeweiligen Coloration ihres<br />

V<strong>er</strong>trauens. Erst vorgest<strong>er</strong>n hatte sie schwarze<br />

Strähnchen bekommen. Claudia nahm Jette aus<br />

ihrem Käfig und gab sie an mich weit<strong>er</strong>. Dann<br />

tat sie je rechts und links etwas Futt<strong>er</strong> auf <strong>das</strong><br />

Pinkstreu. Rechts, so hatten wir uns geeinigt,<br />

hieß: gegen den Heilpraktik<strong>er</strong>, und links: dafür.<br />

Claudia setzte Jette Joop genau in die Mitte. Jette<br />

schnupp<strong>er</strong>te und lief dann g<strong>er</strong>adewegs nach<br />

rechts, beäugte <strong>das</strong> Futt<strong>er</strong> misstrauisch und<br />

rannte nach links, um dort zu fressen. Claudia<br />

und Xenia jubelten laut auf vor Begeist<strong>er</strong>ung<br />

und Claudia sagte, sie bestehe darauf, <strong>das</strong>s Jette<br />

nun auch ein vollw<strong>er</strong>tiges Mitglied uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Frauengruppe<br />

wird. Denn zahlreiche Qualitäten d<strong>er</strong><br />

Frau von heute sprächen für sie: Sie könne sich<br />

spontan entscheiden, sei in d<strong>er</strong> Lage, es sich<br />

dann ab<strong>er</strong> auch mal wied<strong>er</strong> and<strong>er</strong>s zu üb<strong>er</strong>legen,<br />

täte sich g<strong>er</strong>ne die Haare färben<br />

lassen und würde sich schnell, ab<strong>er</strong><br />

tipptopp putzen. Dazu käme auch noch<br />

ihre Nachtaktivität. Hatten wir nicht imm<strong>er</strong><br />

schon gesagt, <strong>das</strong>s die Frau sich die<br />

Nacht zurück<strong>er</strong>ob<strong>er</strong>n muss?<br />

Jette hatte mittl<strong>er</strong>weile ihr Hamst<strong>er</strong>rad<br />

<strong>er</strong>klommen und drehte sich begeist<strong>er</strong>t<br />

im Kreise, was Iris nicht so toll<br />

fand. Doch Claudia sah <strong>das</strong> ganz,<br />

ganz and<strong>er</strong>s: Jette würde im Rad imm<strong>er</strong><br />

mal wied<strong>er</strong> die Richtung änd<strong>er</strong>n<br />

und auch wied<strong>er</strong> h<strong>er</strong>aushüpfen,<br />

sei also keinesfalls ins<br />

Rad des Lebens eingespannt.<br />

Wir einigten uns schließlich für<br />

eine probeweise Aufnahme Jettes einen<br />

Monat lang, um zu sehen, wie<br />

sie sich so bei uns macht. Ein paar<br />

Tage spät<strong>er</strong> kam dann d<strong>er</strong> Heilpraktik<strong>er</strong><br />

zu uns. Jettes Käfig stand<br />

auf Claudias Couchtisch, als ich<br />

den Raum betrat.<br />

Auch d<strong>er</strong> Heil praktik<strong>er</strong> war b<strong>er</strong>eits<br />

anwesend. Er hatte einen<br />

großen Plastiktricht<strong>er</strong> mitgebracht,<br />

eine Schautafel und div<strong>er</strong>se<br />

Fläschchen. Als <strong>er</strong>stes <strong>er</strong>klärte<br />

<strong>er</strong> uns die Funktion des<br />

Plastiktricht<strong>er</strong>s. Bei diesem handelte<br />

es sich um einen Irrigator,<br />

mit dem wir uns Kaffeeinläufe machen<br />

sollten – zur Entschlackung des Darms. Mindestens<br />

einmal in d<strong>er</strong> Woche. Claudia sah auf<br />

Jette und wurde ein bisschen blass. Iris sagte,<br />

sie habe auf dem Dachboden noch <strong>das</strong> Barbiehaus<br />

ihr<strong>er</strong> Tocht<strong>er</strong> stehen. In dem sei ein ganz<br />

klein<strong>er</strong>, rosafarben<strong>er</strong> Tricht<strong>er</strong> plus Messbech<strong>er</strong>,<br />

in d<strong>er</strong> Größe bestimmt passend für Jette.<br />

Claudia <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>te uns daran, <strong>das</strong>s Jette sich<br />

noch in d<strong>er</strong> Probezeit befände. Doch wir plädi<strong>er</strong>ten<br />

einstimmig für ihre Darmentschlackung.<br />

Schon deshalb, weil keine von uns den Anfang<br />

machen wollte. Auß<strong>er</strong>dem war für Jettes unkomplizi<strong>er</strong>te<br />

Aufnahme in uns<strong>er</strong>en Kreis eine Gegenleistung<br />

fällig. D<strong>er</strong> Heilpraktik<strong>er</strong> war auch dafür.<br />

Er sagte, <strong>er</strong> würde g<strong>er</strong>ne Fotos von d<strong>er</strong> Darmspülung<br />

machen, für seine Klienten, damit sie<br />

die Scheu vor d<strong>er</strong>lei Dingen v<strong>er</strong>lören. Damit käme<br />

<strong>er</strong> bestimmt in die Top Ten des größten all<strong>er</strong><br />

Heilpraktik<strong>er</strong>foren. Ein paar sein<strong>er</strong> Kollegen seien<br />

schon drin, d<strong>er</strong> eine, weil <strong>er</strong> zum Beispiel alten<br />

Autos Reiki gäbe.<br />

Schließlich <strong>er</strong>klärte Claudia sich einv<strong>er</strong>standen,<br />

unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Bedingung, <strong>das</strong>s Jette einen<br />

Schampus-Einlauf bekäme. Den wollte Xenia nun<br />

auch haben. Ab<strong>er</strong> sie wollte nicht dabei fotografi<strong>er</strong>t<br />

w<strong>er</strong>den, was wir doof fanden, weil es doch<br />

dann für Waldemar üb<strong>er</strong>haupt keinen Reiz hat.<br />

Xenia behauptete jedoch, sie sähe bei Darmeinläufen<br />

nicht vorteilhaft aus, vor allem nicht im<br />

Gesicht.<br />

Klisti<strong>er</strong><br />

Waldemar fand die Idee mit dem<br />

Schampus nicht so gut, d<strong>er</strong> Kohlensäure<br />

wegen. Das würde inn<strong>er</strong>halb<br />

Xenias zu Irritationen<br />

führen, d<strong>er</strong>en Folgen wir<br />

alle auszubaden hätten,<br />

und <strong>er</strong> für seinen<br />

Teil würde dann, wo<br />

es ohnehin keine<br />

Fotos von Xenia<br />

gäbe, nach Hause<br />

gehen und uns<br />

ohne fachliche<br />

B<strong>er</strong>atung lassen.<br />

Um uns<strong>er</strong> Exp<strong>er</strong>iment<br />

zu retten,<br />

<strong>er</strong>klärte natürlich<br />

ich mich sofort b<strong>er</strong>eit, mich<br />

anstelle von Xenia »dabei« fotografi<strong>er</strong>en<br />

zu lassen. Ab<strong>er</strong> aus<br />

Gründen, die ich nicht durchschaute,<br />

<strong>er</strong>schien <strong>das</strong> Waldemar<br />

für seine Forschungen<br />

nicht <strong>er</strong>giebig<br />

genug zu<br />

sein.<br />

Also blieb es bei<br />

Jette Joop. Einige<br />

Tage spät<strong>er</strong> brach -<br />

te Iris <strong>das</strong> nötige<br />

Equipment mit.<br />

Wir legten Bachs<br />

3. Suite für Orchest<strong>er</strong><br />

auf und zündeten K<strong>er</strong>zen an. D<strong>er</strong> Heilpraktik<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>suchte nun, den von ihm eigens konstrui<strong>er</strong>ten<br />

Minischlauch einzuführen. Doch plötzlich<br />

schrie <strong>er</strong>: »Nein!«, als sei nicht Jette, sond<strong>er</strong>n<br />

<strong>er</strong> d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>suchshamst<strong>er</strong>. Es stellte sich h<strong>er</strong>aus,<br />

<strong>das</strong>s Jette ein Männchen ist.<br />

Nach einigem Palav<strong>er</strong> beschlossen wir spontan<br />

zwei Dinge: Erstens, <strong>das</strong>s Jette nun Karl Lag<strong>er</strong>feld<br />

heißt, und zweitens, <strong>das</strong>s wir mit dem<br />

Exp<strong>er</strong>iment fortfahren, nun g<strong>er</strong>ade, damit Männ<strong>er</strong><br />

einmal zu spüren kriegen, wie scheußlich so<br />

ein Einlauf ist. All<strong>er</strong>dings nahmen wir statt<br />

Schampus Rotwein. Lag<strong>er</strong>feld ließ alles brav üb<strong>er</strong><br />

sich <strong>er</strong>gehen.<br />

Das, was aus ihm rauskam, hat Claudia für<br />

den Waldemar eingetupp<strong>er</strong>t, da dies<strong>er</strong> es g<strong>er</strong>ne<br />

unt<strong>er</strong>suchen wollte.<br />

Xenia ab<strong>er</strong> war noch imm<strong>er</strong> beleidigt und<br />

drohte, aus uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Frauengruppe auszusteigen.<br />

Sie habe noch nie Lust gehabt, K<strong>er</strong>len in den<br />

Darm zu gucken, und dazu w<strong>er</strong>de sie sich auch<br />

uns zuliebe nicht h<strong>er</strong>ablassen. Dafür wollte ab<strong>er</strong><br />

nun Heilpraktik<strong>er</strong> Waldemar in uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Gruppe<br />

dau<strong>er</strong>haft mitmachen. Claudia, die <strong>das</strong> Ganze<br />

damals gegründet hatte, ging konzeptionell noch<br />

weit<strong>er</strong> und schlug vor, eine gemischte Gruppe<br />

mit Hausti<strong>er</strong>en aufzumachen. Das wird bestimmt<br />

lustig, vor allem, wenn Iris ihr Pf<strong>er</strong>d mitbringt.<br />

Frauke Baldrich-Brümm<strong>er</strong><br />

www.sexbee.de<br />

60 EULENSPIEGEL 9/10


Anzeige


Kurzkritik.<br />

Aus dem RTL-Videotext, Einsend<strong>er</strong>: Helga Uebel, Erlbach<br />

Wenn sie die Pulle nicht alleine aufkriegen ...<br />

Aus: V<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>tenmagazin d<strong>er</strong> ›Barm<strong>er</strong>‹, Einsend<strong>er</strong>: Dr. P.-M. Schroed<strong>er</strong>, Brück<br />

Bzw. d<strong>er</strong> Zech durchgenachtet.<br />

Aus: »Markt«<br />

Einsend<strong>er</strong>: K. Schröd<strong>er</strong>,<br />

Mühlen Eichsen<br />

Ernücht<strong>er</strong>nd!<br />

Aus: »Mitteldeutsche Zeitung«<br />

Einsend<strong>er</strong>: W<strong>er</strong>n<strong>er</strong> Düresch,<br />

Bobbau<br />

(Rechts.)<br />

Aus: »Landshut<strong>er</strong> Zeitung«, Einsend<strong>er</strong>in: Brigitte Kluck<strong>er</strong>t, Landshut<br />

(Zuletzt tätig als<br />

hässlichst<strong>er</strong> Fettfleck.)<br />

Aus: »Ostsee-Zeitung«<br />

Einsend<strong>er</strong>: K. Radike,<br />

Greifswald<br />

Jubel garanti<strong>er</strong>t!<br />

Aus: »Stendal<strong>er</strong> Volksstimme«, Einsend<strong>er</strong>: Thomas Richt<strong>er</strong>-Mendau, Stendal<br />

Gebrauchsanweisung des Monats<br />

Neueste Sparmaßnahme.<br />

Aus: »Volksstimme Schönebeck«<br />

Einsend<strong>er</strong>: Simon Feldbach, Schönebeck<br />

Nächste Woche: Kalt<strong>er</strong> Hund.<br />

Restaurant in Born/Darß<br />

Einsend<strong>er</strong>in: Doris Schmidt,<br />

Plodda<br />

Wir sind für V<strong>er</strong>höhnung!<br />

Aus: »Thüringische<br />

Landeszeitung«<br />

Einsend<strong>er</strong>in: Eva H<strong>er</strong>mann, Erfurt<br />

Benutzungshinweis für eine<br />

Wass<strong>er</strong>rutsche in Crikvenica/Kroatien<br />

Einsend<strong>er</strong>in: Ivonne Felt<strong>er</strong>, p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Nach dem Selb<strong>er</strong>pflücken selb<strong>er</strong> drücken!<br />

Fotografi<strong>er</strong>t auf »Karls-Erdbe<strong>er</strong>-Erlebnishof«<br />

in Röv<strong>er</strong>shagen<br />

Einsend<strong>er</strong>: Paskal Jahn, p<strong>er</strong> E-Mail<br />

62 EULENSPIEGEL 9/10


Fehl anzeig<strong>er</strong><br />

Fragt sich nur, wohin.<br />

Festabsp<strong>er</strong>rung in Sachsen, fotografi<strong>er</strong>t von Ronny Stumpe, Eilenburg<br />

Die Ob<strong>er</strong>först<strong>er</strong> aus Spanien!<br />

Aus: »Wochenspiegel«, Einsend<strong>er</strong>: Dr. Dietmar Krüg<strong>er</strong>, Halle/S.<br />

Ach, dah<strong>er</strong> kommt <strong>das</strong>!<br />

Aus: »Magdeburg<strong>er</strong> Volksstimme«, Einsend<strong>er</strong>: Hans-G<strong>er</strong>t B<strong>er</strong>nstein<br />

Poetische Kostbarkeit<br />

Ihr<strong>er</strong> Erziehungsb<strong>er</strong>echtigten!<br />

Hinweisschild in ein<strong>er</strong> Kleingartenanlage<br />

Einsend<strong>er</strong>: H. Be<strong>er</strong>, p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Zurückhaltend wie imm<strong>er</strong>.<br />

Aus: »B<strong>er</strong>lin<strong>er</strong> Zeitung«<br />

Einsend<strong>er</strong>: Rudolf Grochowski, p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Hi<strong>er</strong> k… d<strong>er</strong> Chef<br />

noch selbst.<br />

Gaststättenw<strong>er</strong>bung<br />

Einsend<strong>er</strong>in: Karin Schröd<strong>er</strong>,<br />

p<strong>er</strong> E-Mail<br />

W<strong>er</strong> zuletzt lacht ...<br />

Schild<strong>er</strong> in Netphen-Deuz, Einsend<strong>er</strong>in: Iris Franke, p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Aus: »Bodden Blitz«<br />

Einsend<strong>er</strong>: Andreas Suhrbi<strong>er</strong>, Barth<br />

Kommt vom Klauen im<br />

Schreibwarengeschäft.<br />

Aus: »Sächsische Zeitung«<br />

Einsend<strong>er</strong>: B<strong>er</strong>nd Krasel,<br />

Weißwass<strong>er</strong><br />

D<strong>er</strong> Souffleur schweigt Deutsch.<br />

Aus: »Theat<strong>er</strong>somm<strong>er</strong><br />

Bad Lauchstädt«<br />

Einsend<strong>er</strong>: Detlef Carell, Halle/S.<br />

Od<strong>er</strong> dein Deutsch<br />

schlecht<strong>er</strong> als sein<strong>er</strong>?<br />

Aus: »123people.de«<br />

Einsend<strong>er</strong>in: Eva Ali,<br />

p<strong>er</strong> E-Mail<br />

EULENSPIEGEL 9/10 63


LMM 1454 … Les<strong>er</strong> machen mit 1 2 3 4 5 6 7<br />

8<br />

9 10 11<br />

12<br />

13 14<br />

15 16<br />

Lief<strong>er</strong>n Sie uns zu<br />

dies<strong>er</strong> Zeichnung<br />

eine witzige Unt<strong>er</strong>schrift.<br />

Für die drei<br />

originellsten Sprüche<br />

b<strong>er</strong>appen wir<br />

16, 15 und 14 €.<br />

Wir bauen auf:<br />

»Gib mir die Schaufel!<br />

Ich mach den<br />

Rest.«<br />

Uwe H<strong>er</strong>ling,<br />

H<strong>er</strong>msdorf<br />

LMM-Adresse:<br />

<strong>Eulenspiegel</strong>,<br />

Guben<strong>er</strong> Straße 47,<br />

10243 B<strong>er</strong>lin<br />

od<strong>er</strong> p<strong>er</strong> E-Mail an:<br />

v<strong>er</strong>lag@eulenspiegelzeitschrift.de<br />

LMM-Gewinn<strong>er</strong> d<strong>er</strong> 1453. Runde<br />

»Ich entschuldige<br />

mich nicht für<br />

Kunst.«<br />

Michael Thiem,<br />

p<strong>er</strong> E-Mail<br />

Absend<strong>er</strong> nicht<br />

v<strong>er</strong>gessen!<br />

Kennwort: LMM 1454<br />

Einsendeschluss:<br />

6. Septemb<strong>er</strong> 2010<br />

»Tag, H<strong>er</strong>r Mei<strong>er</strong>, ist<br />

mein Mann auch<br />

bei Ihnen?«<br />

Frank Haselein,<br />

Kassel<br />

Zeichnungen: Heinz Jankofsky<br />

Waag<strong>er</strong>echt: 1. Befehl an mehr<strong>er</strong>e<br />

Bi<strong>er</strong>h<strong>er</strong>stell<strong>er</strong>, 4. fast halbgefällte Dietlinde,<br />

8. v<strong>er</strong>druckte DDR-Gemeindeschwest<strong>er</strong>,<br />

9. Vi<strong>er</strong>eck ohne Kartoffelstück,<br />

11. ausgehöhlte Rasenkur,<br />

12. bös<strong>er</strong> alt<strong>er</strong> Burgund<strong>er</strong>, 13. Saat-<br />

Folge, 15. steckt im Kobehammel,<br />

17. Elis Zaub<strong>er</strong>trank, 20. kracht im<br />

Mensalutsch<strong>er</strong>, 22. geschrumpfte Mole,<br />

23. griechisch klingende französische<br />

Säng<strong>er</strong>in, 24. altes Scheu<strong>er</strong>mittel mit<br />

Iridium, 25. Rudis Reste-V<strong>er</strong>kaufsstelle.<br />

Senkrecht: 1. Prophetenziel, 2. kopflose<br />

Insektenlarven, 3. Warnanlage für<br />

Ras<strong>er</strong>, 4. zweiwortige Gogol-Vorstellung<br />

des Prüf<strong>er</strong>s, 5. bay<strong>er</strong>ische Ekelkundgebung<br />

samt Ablehnung, 6. Stadt<br />

für Diät-Hass<strong>er</strong>, 7. v<strong>er</strong>birgt sich im Solarventil,<br />

10. satritisch<strong>er</strong> Wappenvogel,<br />

17 18 19<br />

20 21 22<br />

23<br />

24 25<br />

14. bekannt<strong>er</strong> Lodz-Fahr<strong>er</strong>, 15. nicht<br />

ganz ordentlich<strong>er</strong> orientalisch<strong>er</strong> Markt,<br />

16. wartet im Fenchelgarten, 18. residi<strong>er</strong>t<br />

im Heimamt, 19. täglich Brot des<br />

Ref<strong>er</strong>enten, 21. kommt in jed<strong>er</strong> Schurigelei<br />

vor.<br />

Auflösung aus 8/10:<br />

Waag<strong>er</strong>echt: 1. Kreis, 4. Breda,<br />

7. Pol, 8. Ernie, 11. Altig, 13. Wass<strong>er</strong>kur,<br />

15. Taft, 17. Hede, 19. Anopheles,<br />

24. Neh<strong>er</strong>, 25. Irade, 26. Fee, 27. Greif,<br />

28. Brehm.<br />

Senkrecht: 1. Kiew, 2. Enns, 3. Spee,<br />

4. Blak, 5. Extra, 6. Angst, 9. Rate,<br />

10. Ismene, 13. Luth<strong>er</strong>, 14. Reep, 16.<br />

Fred, 17. Honig, 18. Dahme, 20. Orff,<br />

21. Hieb, 22. Laie, 23. Sejm.<br />

eist<strong>er</strong>w<strong>er</strong>ke Kunst von <strong>Eulenspiegel</strong>-Les<strong>er</strong>n, gediegen int<strong>er</strong>preti<strong>er</strong>t<br />

André Leischel, Grünhain-Bei<strong>er</strong>feld<br />

Was Gott getrennt hat, soll d<strong>er</strong><br />

Mensch nicht v<strong>er</strong>einen, steht<br />

schon im ältesten all<strong>er</strong> Büch<strong>er</strong><br />

geschrieben. Doch Gott ist kein<br />

Mensch, also unmenschlich.<br />

Menschlich dagegen ist die V<strong>er</strong>brüd<strong>er</strong>ung,<br />

und so können da,<br />

wo kein Gott mehr ist, auf ein<strong>er</strong><br />

einsamen Eisscholle mitten im<br />

Me<strong>er</strong>, Eisbär und Pinguin, Nord<br />

und Süd, zusammenkommen.<br />

Doch schnell entpuppt sich d<strong>er</strong><br />

Eisbär als <strong>das</strong>, was <strong>er</strong> ist: als ein<br />

Raubti<strong>er</strong>, ausschließlich darauf<br />

bedacht, den letzten Freund,<br />

den es hat, den Leidensgenossen<br />

auf kalt<strong>er</strong> Scholle, zum eigenen<br />

Wohl zu v<strong>er</strong>speisen. Als ob es<br />

ein Patentrezept für Barbarei<br />

gäbe, schmök<strong>er</strong>t d<strong>er</strong> Bär ungeduldig<br />

in seinem Kochbuch,<br />

sucht nach einem Weg, sich diesen<br />

flugunfähigen sympathischen<br />

Vogel schmackhaft zu machen.<br />

Lediglich <strong>das</strong> Cocktailglas<br />

mit dem bunten Schirm -<br />

chen legt stumm Zeugnis ab von<br />

ein<strong>er</strong> bess<strong>er</strong>en Zeit, in d<strong>er</strong> die<br />

Begegnung Anlass zum Fei<strong>er</strong>n<br />

gab. Die endgültige V<strong>er</strong>einigung<br />

d<strong>er</strong> beiden wird <strong>er</strong>st im<br />

Magen des Stärk<strong>er</strong>en und Brutal<strong>er</strong>en<br />

stattfinden.<br />

Und wie die Eisfläche Beute und<br />

Ausbeut<strong>er</strong> spiegelt, so spiegelt<br />

dieses großartige Gemälde uns<strong>er</strong>e<br />

Gesellschaft. D<strong>er</strong> Pinguin<br />

wurde aufs Glatteis geführt. Die<br />

V<strong>er</strong>brüd<strong>er</strong>ung von Nord und<br />

Süd, von Ost und West, ist auf<br />

Eis gelegt.<br />

H.-D. Schütt<br />

64 EULENSPIEGEL 9/10


»Th<strong>er</strong>e’s<br />

one<br />

more<br />

thing ...«*<br />

©reated on PearC<br />

* Was Steve Jobs sagen möchte,<br />

ist: Bestellen Sie den <strong>Eulenspiegel</strong><br />

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09_10


Und<br />

Tschüs!<br />

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Dr. Reinhard Ulbrich<br />

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D<strong>er</strong> nächste <strong>Eulenspiegel</strong> <strong>er</strong> scheint am 21. Oktob<strong>er</strong> 2010 ohne folgende Themen:<br />

• Spendenaufford<strong>er</strong>ung an deutsche Milliardäre: Theo Albrecht reagi<strong>er</strong>t nicht<br />

• Nach d<strong>er</strong> Linkspartei <strong>jetzt</strong> d<strong>er</strong> Skandal bei Porsche: V<strong>er</strong>kaufte man sogar an Klaus Ernst?<br />

• Reform d<strong>er</strong> Sich<strong>er</strong>ungsv<strong>er</strong>wahrung: Pornohefte in W<strong>er</strong>kzeugkisten ab sofort unzulässig<br />

• Grüne im Aufschwung: Claudia Roth schon <strong>jetzt</strong> so beliebt wie ihr Vorgäng<strong>er</strong> Fury<br />

Pet<strong>er</strong> Thulke<br />

Ständige Mitarbeit<strong>er</strong><br />

Frauke Baldrich-Brümm<strong>er</strong>, Utz<br />

Bamb<strong>er</strong>g, Beck, Harm Bengen,<br />

Matthias Biskupek, Lo Blickensdorf,<br />

Pet<strong>er</strong> Butschkow, Carlo Dippold,<br />

Rain<strong>er</strong> Ehrt, Ralf-Alex Fichtn<strong>er</strong>, Matti<br />

Friedrich, Burkhard Fritsche, Arno<br />

Funke, G<strong>er</strong>hard Glück, Barbara<br />

Hennig<strong>er</strong>, Renate Holland-Moritz,<br />

Frank Hoppmann, Rudi Hurzlmei<strong>er</strong>,<br />

Michael Kais<strong>er</strong>, Christian Kandel<strong>er</strong>,<br />

Florian Kech, Dr. Pet<strong>er</strong> Köhl<strong>er</strong>, Kriki,<br />

Cleo-Petra Kurze, Ove Lieh, W<strong>er</strong>n<strong>er</strong><br />

Lutz, Pet<strong>er</strong> Muzeniek, Nel, Rob<strong>er</strong>t<br />

Niemann, Michael Panknin, Ari<br />

Plikat, Enno Prien, Andreas Prüstel,<br />

Erich Rauschenbach, Ernst Röhl,<br />

Rain<strong>er</strong> Röske, Rein<strong>er</strong> Schwalme,<br />

Felice v. Senkbeil, André Sedlaczek,<br />

Guido Sieb<strong>er</strong>, Klaus Stuttmann, Atze<br />

Svoboda, Pet<strong>er</strong> Thulke, Freimut<br />

Woessn<strong>er</strong>, Dr. Thomas Wieczorek,<br />

Martin Zak<br />

Für unv<strong>er</strong>langt eingesandte Texte,<br />

Zeichnungen, Fotos üb<strong>er</strong>nimmt d<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>lag keine Haftung (Rücksendung<br />

nur, wenn Porto beiliegt). Für Fotos,<br />

d<strong>er</strong>en Urheb<strong>er</strong> nicht <strong>er</strong>mittelt w<strong>er</strong>den<br />

konnten, bleiben b<strong>er</strong>echtigte Hono -<br />

r aransprüche <strong>er</strong>halten.<br />

Blumenspenden, Blankoschecks,<br />

Immobilien, Erbschaften und<br />

Adoptionsbegehren an:<br />

<strong>Eulenspiegel</strong> GmbH, Guben<strong>er</strong> Straße 47,<br />

10243 B<strong>er</strong>lin<br />

66 EULENSPIEGEL 9/10

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