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CHAG PURIM SAMEACH ! EINE REALPOLITISCHE ... - Israel Shalom

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Newsletter von Tiqvah Bat <strong>Shalom</strong> Jerusalem, 28.02.2010<br />

Homepage: http://www.israel-shalom.net<br />

Email: israel_j@netvison.net.il<br />

<strong>CHAG</strong> <strong>PURIM</strong> <strong>SAMEACH</strong> !<br />

Tiqvah<br />

Gedanken zu Purim - Dieses Jahr besonders:<br />

<strong>EINE</strong> <strong>REALPOLITISCHE</strong> SICHT AUF<br />

DAS BUCH ESTHER<br />

Es gibt viel zu schreiben, sehr viel in der letzten Zeit und viele Artikel liegen im virtuellen Ofen,<br />

aber eine kleine Reflektion auf das Buch Esther lässt sich nicht mehr lange verschieben, also hier<br />

ein paar aktuelle Gedanken über das Buch Esther, die nur zu relevant sind für unsere Zeit, für<br />

dieses Jahr…<br />

von Ulrich J. Becker, Kiryat Ono<br />

Dieses Wochenende werden wir, wie jedes Jahr, wieder die Geschichte von Esther, Mordechai,<br />

Haman und Achaschwerosch hören. Viele von uns werden sie in der Synagoge hören und die<br />

ganze Gemeinschaft, vor allem die Kinder, werden einen möglichst großen Krach machen, sobald<br />

der Name des damaligen Hitlers ‘Haman’ fällt. Das dies aber nicht nur theatralisches<br />

Kindergeschrei ist, sondern vielleicht einen tieferen Grund hat, kann man vielleicht aus dem Buch<br />

“The Dawn: Political Teachings of the Book of Esther” von Yoram Hazony von Mercaz Shalem<br />

lernen.<br />

Ich las dieses Buch vor ein paar Jahren und wollte ein paar Gedanken davon und ein paar eigene<br />

hier teilen, die vielleicht sehr relevant sind.


Hazony nimmt sich das Buch Esther und lässt mal die Märchenperspektive links<br />

liegen und versucht sich mit den feinsten Mitteln moderner Politikwissenschaft an<br />

den machtpolitischen Feuerwerken der Story. Das könnt ihr gerne selbst mal<br />

lesen, hier versuche ich, einiges zu unterstreichen. Ich gebe auch keine Zitate und<br />

mixte unerwähnt talmudische Quellen unter, wegen Zeitmangel, aber wenn ihr die<br />

Geschichte dieses Jahr lest, setzt euch doch vielleicht mal diese Brille auf und<br />

guckt was raus kommt…<br />

Wer entblößt wen?<br />

Am Anfang wird uns von irgendwelchen Festen und Saufereien und einer<br />

widerspenstigen Frau erzählt. Hat eigentlich doch nichts mit unser guten Esther und dem Rest zu<br />

tun, oder? Hätte man nicht schreiben können, ‘Und der König suchte eine neue Frau, nachdem<br />

ihn die alte zu sehr genervt hatte?’<br />

Nein! Denn diese Einleitungsstory ist schon eine Art Spiegel auf die ganze Geschichte und lässt<br />

uns verstehen, womit wir es hier realpolitisch zu tun haben.<br />

Der König war gerade erst König geworden und er war dabei, für einen großen Feldzug gegen die<br />

Griechen zu rüsten. Es gibt eine Diskussion, ob König Achaschwerosch nun Xerxes I oder einer<br />

der Artaxerxes’e war, auf jeden Fall war es ein persischer König im 5. bis 4. Jhd. .v.d.Z., der mit<br />

den Griechen Zoff hatte. Nebenbei sei bemerkt, dass Athen in dieser Zeit von den Persern einmal<br />

erobert wurde – wenn man das in Europa auch gerne mal vergisst zu erwähnen – und da im<br />

persischen Heer nach Quellen und der Wahrscheinlichkeit halber auch Juden waren (einige<br />

sprechen von Mordechai als General der persischen Armee), theoretisch ein früher intellektueller<br />

Einfluss von Judentum auf Griechentum möglich war.<br />

Aber zurück zur Geschichte. Da versucht also der König seine Vasallen auf den Krieg<br />

einzustimmen und gibt dafür ein gigantisches Fest mit allem Überfluss. Dies hat den Zweck, allen<br />

Gesandtschaften seines Reiches, dass nicht gerade arm an lokalen Revolten war, seine Macht zu<br />

propagieren und sie einzuschüchtern, gerade weil der König sich selbst nicht am sichersten fühlt.<br />

Er will sie überzeugen, dass er der Boss ist und alles im Griff hat und dass man besser auf ihn<br />

setzen sollte.<br />

Um es auf die Spitze zu treiben, will er den engsten Beratern und Eliten des Landes seine<br />

Allmacht auch über seine Frau demonstrieren und lässt ihr sagen, dass sie kommen solle, nackt,<br />

und all den besoffenen Regierungsmitgliedern ihre Schönheit zeigen. Die arme Frau zieht es aber<br />

vor, die Gefahr der Revolte auf sich zu nehmen und kommt nicht.<br />

Eine Art kleines Desaster für die machtpolitische Werbungskampagne des Königs. Er selbst steht<br />

jetzt entblößt und dumm da vor all denen, die er beeindrucken wollte, hier ist ein Beweis für die<br />

Grenzen seiner Allmacht. Er hat eben nicht alles im Griff und nicht alle beugen sich willkürlichem<br />

Despotismus. Kein Wunder, dass hier sofort nach drastischen Strafen gesucht wird, denn die<br />

potentielle Gefahr so einer kleinen, persönlichen Revolte (Vorsicht, ansteckend!) ist immens für<br />

Achaschwerosch und sein Reich.<br />

Aber der König rettet noch einmal die Situation: Er befragt die Leute, holt sich Rat ein, was zu<br />

machen ist. Hier haben wir also noch eine Art parlamentarischer Monarchie…<br />

Die Geschichte geht weiter mit dem Satz “nach diesen Begebenheiten“. In Wirklichkeit waren<br />

Jahre vergangen und der König kam von seinem – sagen wir mal – ‘durchwachsenen’ Feldzug<br />

zurück und konnte sich wieder den Haremsangelegenheiten widmen.<br />

Das Selbstbewusstsein des Königs war in der Zwischenzeit nicht gerade gewachsen und er<br />

begann langsam um die Macht fürchten. Was er bei seiner neuen Königin vor allem suchte, war<br />

eine Frau, die bereit war, ihren eigenen Willen zurückzustecken und seinen Willen zu<br />

verinnerlichen, zu wissen, was er will, noch bevor er es weiß.<br />

Die meisten Frauen, die man in die Bewerbungsgespräche als Königin schickt, fallen durch.<br />

Hier kommt Esther ins Spiel.<br />

Sie hat eine gute Erziehung genossen, ist schön und intelligent, hat aber ihre Eltern verloren und<br />

hat auch sonst nicht viel. Sie hat vor allem keine egoistischen Wünsche oder Vorstellungen,


sondern ergibt sich ganz in ihre Rolle. Als sie zum König geschickt wird, verlangt sie – im<br />

Gegensatz zu den anderen -, nichts von ihrem Ausbilder, außer was er selbst für richtig hält. Sie<br />

wird dem König vorgestellt und dieser merkt gleich, dass Esther weiß seine Interessen zu erfüllen,<br />

noch bevor er sie erklären muss. Esther hat sowohl bei ihrem Ausbilder, als auch beim König<br />

Gunst gefunden, indem sie deren Willen in den ihrigen Verwandelt, deren Wohl in ihr Ziel.<br />

Was ist so toll an Achaschwerosch, dass ihm Mordechai das Leben rettet?<br />

Eine ähnliche Tat verbringt auch Mordechai. Er erfährt von einem Mordkomplott gegen den König,<br />

geht petzen und rettet dem König das Leben. Warum tut er das? Ist es so ein toller König, ihn zu<br />

retten? Ist er nicht wie jeder andere auch? Aber hier kommt Mordechais Realpolitik ins Spiel. Er<br />

weiß, dass der König zwar nicht gut ist, aber dass es noch weitaus schlechter um die Juden<br />

stehen könnte, wenn ein böserer König käme. Er rettet dem König das Leben und macht damit<br />

[das Gleiche], was Esther bereits im Palast macht: Die Interessen des Königs an seiner statt<br />

vertreten, auch wenn er dies nicht angeordnet hat. Auf die lange Sicht, ist es genau das, was jeder<br />

Herrscher, Boss etc. sucht.<br />

Und hier ein out-of-Kontext-Tip, für alle, die gerne befördert werden wollen etc.. Ein Boss, der<br />

merkt, dass ein Angestellter von sich aus die Interessen des Boss’, der Firma, vertritt, ohne dass<br />

dieser darauf hinweisen muss, zur Arbeit antreiben etc., dann ist diese Person Gold wert für ihn.<br />

Wenn jemand aber nur seinen Interessen nachgeht und nur oberflächlich versucht, die Interessen<br />

des Bosses oder der Firma zu wahren, ist er wie jeder andere für den Boss.<br />

Aber dem König wird jetzt bewusst, dass seine vagen Umsturzängste, sehr, sehr konkret<br />

geworden sind und er beinahe weg gewesen wäre. Jetzt begibt er sich schon ins Terrain der<br />

verbreiteten Herrscherparanoia. Wem kann er noch vertrauen? Alle seine Berater sind potentielle<br />

Feinde. In dieser Situation der Anschlagsbedrohung auf sein Leben, entschließt er sich, aus der<br />

parlamentarischen Monarchie eine volle Militärdiktatur, einen waschechten Despotismus zu<br />

machen. Und damit er sich nicht selbst ständig ins politische Feuergefecht begeben muss,<br />

übergibt er alle Verantwortung und Gewalt einem Mann, den einige Quellen als General im<br />

Griechenfeldzug nennen: Haman. (Ja, hier und sowieso, sollte man immer auch an das heutige<br />

Persien, den König Chamenai und den Wesir Achmadinedschad denken).<br />

Dieser Haman aber ist an seiner eigenen Allmacht interessiert. Er scheint auch große Komplexe<br />

zu haben und verlangt die totale Ergebenheit aller ihm gegenüber. Sie müssen sich vor ihm in den<br />

Staub werfen.<br />

Bekannterweise gibt es viele Parallelen zwischen Esther und der Josefgeschichte in Ägypten.<br />

Auch er war elternlos, schlau und hübsch und verstand die Interessen seines Vorgesetzten besser<br />

zu erfüllen, als es dieser überhaupt gedacht hätte. Pharao hatte ihn nach einer Traumdeutung<br />

gefragt, er lieferte ihm gleich einen Regierungsplan für die nächsten 14 Jahre. Und so wurde<br />

Josef der Wesir und der König lud auch gerne die Familie von Josef ein, denn er war ein Mann mit<br />

gesundem Selbstbewusstsein und Sinn für den Nutzen von tüchtigen Leuten. Der Pharao zur Zeit<br />

Moses aber war ein kleiner Mann, zerfressen von Selbstwertkomplexen, so wie Haman und er<br />

konnte die Andersartigkeit der Juden und ihrer antidespotischen Gesetzesordnung nicht<br />

ertragen…<br />

Warum ist Mordechai so verrückt, sich nicht vor Haman zu verbeugen? Gefährdet er nicht sich<br />

selbst und sein ganzes Volk? Löst er nicht den Antisemitismus erst aus?<br />

Haman sieht genussvoll, wie sich alle vor ihm in den Staub werfen, nur dieser eine verdammte<br />

Jude steht demonstrativ da und will sich nicht erniedrigen lassen. Uns wird berichtet, dass Haman<br />

eine Art Götzendienst mit dem Verbeugen verband und sich Mordechai deswegen nicht verbeugen<br />

wollte, ich denke aber, dass der Götzendienst, vor dem sich Mordechai nicht verbeugen kann, der<br />

Despotismus Hamans selbst ist. Mordechai sitzt am Hof des Königs, sprich ist einer der vielen<br />

Lobbyisten und Politikmacher am Hof. Er weiß, dass die Tage der parlamentarischen Monarchie<br />

vorbei sind und ein absoluter Willkürherrscher vor ihm steht, jemand der sich über das Gesetz<br />

setzt und Egozentrismus betreibt. Und er weiß auch, dass das Judentum dem so entgegensteht,<br />

dass es oft das erste Opfer von solchen Diktatoren wird (Chavez lässt grüssen). Er beschließt bei<br />

sich, so wie Waschti, die schöne Blase der Allmacht zu zerplatzen.<br />

Was sollte es aber Haman kümmern, der das größte Reich der Welt beherrscht, der alles haben


kann, Macht, Geld, Frauen, Ländern, egal, wenn sich ein Mensch vor ihm nicht verbeugt? Da er<br />

eben so ein niedriges Selbstwertgefühl hat, bedeutet das alles für ihn! Alles ist nichts wert, wenn<br />

sich dieser Jude nicht verbeugt und meine Allmacht bezeugt. Er weiß aber auch, dass die Gesetze<br />

des Judentums gegen seinen Regierungsstil sprechen und so versucht er das gesamte jüdische<br />

Volk auszulöschen, um endlich ungestört Despot zu sein, siehe Hitler.<br />

Aber Mordechai macht mit seinem realpolitischen Streifzug weiter und versucht durch die eigene<br />

Stärke, die Schwäche Hamans am Hof zu zeigen. Haman hat auch Feinde, sie traün sich bloss<br />

nix, denn Haman scheint ihnen allmächtig. Es ist – noch – zu gefährlich offen gegen ihn zu<br />

stimmen.<br />

Risikoreiche Aktionen in der Vernichtungsnot<br />

In dieser Situation hilft nur ein großes Risiko: Esther, deren Ergebenheit Achaschwerosch kennt,<br />

soll versuchen unter Risiko ihres Lebens, gegen Haman Stimmung zu machen.<br />

Der König ist nicht wirklich daran interessiert, ob alle Juden in seinem Reich umgebracht werden<br />

oder nicht und was mit Mordechai los ist. Ihm geht es darum, eine ruhige Kugel zu schieben und<br />

dass sein Leben sicher ist und andere die Dinge leiten, so langer er die Prozente bekommt. Esther<br />

weiß also, dass eine direkte Konfrontation – Haman oder ich – unter Umständen schlecht für sie<br />

und das ganze Volk ausgehen kann, denn warum sollte sich der König den Stress machen, seinen<br />

bis jetzt problemlosen Verwalter zu konfrontieren?<br />

Esther ist daher so schlau, den König untergebenst anzuflehen, ihr eine Audienz mit ihm und<br />

Haman zu gewähren ohne zu sagen worum es geht. So kommt der König langsam ins Grübeln.<br />

Die Frau, die seine Interessen errät und für sie sorgt, wie kein anderer, will ihm nicht sagen worum<br />

es geht und es ist ein Treffen mit seinem Wesir. Er denkt nach. Sind vielleicht Komplotte im<br />

Gange? Er kann nicht schlafen. Er lässt aus den Regierungsprotokollen vorlesen und siehe da,<br />

Esther hatte ihm doch damals von dem Mordkomplott berichtet, den ihr der Lobbyist Mordechai<br />

angezeigt hatte. Er hatte diesen Mordechai, der sich doch auch so für ihn eingesetzt hatte und ihm<br />

ohne sein Zutun das Leben gerettet hatte, nicht belohnt.<br />

Während Haman nun kommt und eigentlich veranlassen will, dass ein 25 Meter hoher Galgen für<br />

den verdammten Juden, der sich nicht vor ihm verneigen will, gebaut wird, bittet der König ihn<br />

darum vor dem ganzen Hofe, Mordechai auf das höchste zu ehren.<br />

Die Politikmacher im Hof sehen jetzt, dass es sich vielleicht lohnen sollte, sich dem Mordechai<br />

anzuschließen, da dieser offenbar in der Gunst des Königs steigt und Haman fällt, wie auch<br />

dessen Frau korrekt feststellt. Sein Abstieg hat durch sein öffentliches schlechtes Machtimage<br />

begonnen.<br />

Das Blatt wendet sich – Nahafoch Hu<br />

Dann der Höhepunkt des Essens: Esther bittet den König um Hilfe gegen den, der sie (gute<br />

Interessenwahrerin) und ihr Volk vernichten will, Haman. Aber mehr noch, sie sagt dem König<br />

ausdrücklich, dass dieser Haman damit gegen die Interessen(!) des Königs handelt.<br />

Der König weiß erstmal noch nicht was er sagen soll. Was für ein Schlamassel. Er dachte, alles<br />

läuft gut, aber jetzt zoffen sich zwei, die er eigentlich als seine Interessenvertreter wollte. Er rennt<br />

raus, überlegt, kommt zurück, aber die Herrschaftsgier Hamans, auch über Esther, stimmt den<br />

König weiter in die richtige Richtung. Haman will die Königin des Königs vergewaltigen und das in<br />

seinem Haus? So jemand wahrt nicht die Interessen des Königs! Aber immer noch entschließt sich<br />

der König nicht, was zu tun ist (Sanktionen?), aber hier greift der machtpolitische Umschwung am<br />

Hof ein: Die Mordechaifraktion sieht sich jetzt so gestärkt, dass sie keine Angst mehr hat,<br />

öffentlich rauszurücken und so sind es plötzlich Bedienstete, die dem König von dem Galgen<br />

Haman’s für den königlichen Lebensretter Mordechai berichten. Das ist das Detail, was den König<br />

endgültig einsehen lässt, dass Haman die größere Plage ist and the rest is history.<br />

Und heute?<br />

Was ist daran aktuell? Im ganzen biblischen Buch Esther taucht, wie bekannt, der Name Gottes<br />

nicht ein einziges Mal auf. Hier sind es offenbar die Juden selbst, die verstanden haben, dass sie<br />

nur in aktiver Realpolitik (und Vertrauen auf ihre Gerechtigkeit) der Vernichtung entgehen können.


Es wird sogar gegen einzelne jüdische Gebote gehandelt, um das Leben des ganzen Volks zu<br />

retten. Entscheidend dabei war aber, klar zu machen, dass man eine ernstzunehmende Macht ist,<br />

dass man Einfluss hat, dass man auch am Hof was zu sagen hat und vor allem, dass die<br />

gegnerische Partei nicht so allmächtig ist, wie sie gerne hätte und dass wir keine Angst vor ihr<br />

haben. Die pragmatische, wenn auch weniger moralische Lehre der Geschichte ist, dass Macht zu<br />

Macht führt und Ohnmacht zu Ohnmacht, aber auch, dass Despotentum seine Schwächen hat<br />

und das mutiges Hoffen und Agieren für Gerechtigkeit belohnt wird.<br />

Die gegnerische Partei (die als Amalek – dem ewigen Antimoralischen identifiziert wird), ist nicht<br />

umzustimmen. Sie will die Vernichtung der Lehre, die ihre Vorgehensweise verurteilt und damit<br />

des Judentums. Aber die anderen, eher pragmatischen, kann man beeinflussen und klar machen,<br />

dass es besser ist, gegen Amalek und mit einem zu sein, als andersherum.<br />

In diesem Sinne, für alle die, die sich zum Esther Fasten nicht besonders verbunden fühlen oder<br />

für die es nicht mehr als eine geschichtliche Bedeutung für sie hat:<br />

Dieses Jahr hat es eine ganz besondere Bedeutung, denn ironischer Weise, ist es wieder Persien,<br />

das das israelische Volk bedroht und der jetzige Haman ist an keinem Ausgleich interessiert.<br />

Vielleicht können wir, indem wir zeigen, dass wir keine Angst haben, dass wir uns nicht vor ihnen<br />

beugen, dass sie nicht allmächtig sind, und wir aktiv Verbündete suchen und dafür sorgen, dass<br />

andere unsere Stärke sehen, dazu beitragen, dass inneriranisch oder international man vorzieht<br />

gegen die diktatorische Partei vorzugehen, sie zu bekämpfen und sie zu stürzen, und nicht uns.<br />

Wenn ich dieses Jahr faste, tue ich das auch in der Hoffnung, dass uns auch dieses Jahr<br />

Katastrophen aus Persien und Co. erspart bleiben.<br />

Der 2. Libanonkrieg ließ die Feinde <strong>Israel</strong>s eine Schwäche wittern, die allen Feinden neuen Mut<br />

und neue Kampfgier einimpfte. Hamas griff an, Syrien und Iran wurden angriffslustiger und die<br />

Antisemiten weltweit legten ungemein zu. Der Westen, einschließlich Amerika, gab den Libanon<br />

auf. Seitdem hat <strong>Israel</strong> aber mehrere Erfolge im Kampf gegen seine Gegner in der Region und<br />

vielleicht lassen sie auch den Westen wissen, dass es sich nicht lohnt, auf <strong>Israel</strong> zu verzichten,<br />

sondern eher gut für ihn ist, mit uns gegen die Despoten zu kämpfen.<br />

Und wenn wir den Namen ‘Haman’ bald wieder laut ausbuhen, tun wir symbolisch genau das: Wir<br />

sorgen für negatives Machtimage seinerseits und seinesgleichen.<br />

Und wenn wir so lange trinken, bis wir Haman nicht mehr von Mordechai, Böses nicht mehr von<br />

Gutem, unterscheiden können, so lasst uns hoffen, dass die anderen Völker dies wenigstens in<br />

vollkommen nüchternen Zustand können.<br />

In diesem Sinne möchte ich auch Herrn Obama, der ja nur zu gerne alte Präsidenten zitiert, an<br />

dieses Jeffersonzitat erinnern:<br />

“I have sworn upon the altar of God eternal hostility against every form of tyranny over the mind of<br />

man.“<br />

Möge es Frieden geben oder wenn schon Krieg, mögen wir ihn gewinnen und er schnell zu Ende<br />

sein.<br />

http://www.haolam.de/?site=artikeldetail&id=1172<br />

u<br />

Ein bedeutsames Fasten. Purim Sameach.<br />

<strong>PURIM</strong> AUF <strong>EINE</strong>N BLICK<br />

Die Mizwot, Erklärungen, Bräuche & der Tag vor Purim<br />

Die Mizwot von Purim


1. Die Rolle: Sowohl Männer als auch Frauen sind aufgefordert, der Lesung der Megilla zwei Mal<br />

zuzuhören; am Abend des 14. Adar und am darauffolgenden Purim-Tag. Auch Kinder sollte man<br />

dazu erziehen, diese Pflicht zu erfüllen, und die Synagoge zu besuchen. Viele folgen dem Brauch,<br />

jedes Mal wenn der Name Hamans erwähnt wird, Lärm zu machen oder "Ratschen" (lärmendes<br />

Spielzeug) zu wirbeln. Dieser Brauch stammt aus dem biblischen Gebot, "den Namen Amaleks<br />

auszulöschen", des ersten Gegners, der die Juden nach ihrem Auszug aus Ägypten angriff<br />

(Haman war Abkömmling der Familie Amaleks).<br />

2. Die Freunde: Purim ist ein Fest der Einheit und Freundschaft, durch die es gelungen war, das<br />

Wunder geschehen zu lassen. Dieser Einheit und Freundschaft wird gedacht, indem man<br />

Freunden und Angehörigen Speisen zum Geschenk macht. Um dieser Verpflichtung<br />

nachzukommen, sendet man ein Geschenk, das aus mindestens zwei verschiedenen Sorten<br />

eßfertiger Lebensmittel besteht, an mindestens eine Person. Diese Geschenke sollten durch einen<br />

Dritten überreicht werden, denn sie werden in der Megilla "Mischloach Manot" genannt (das<br />

Senden von Geschenken). Kinder in Kostümen sind ein toller Botendienst.<br />

3. Geschenke für Bedürftige: Man gibt mindestens zwei bedürftigen Menschen Geldgeschenke<br />

zu Purim. Wenn das nicht möglich ist, spendet man mindestens zwei Wohltätigkeits-<br />

Organisationen Geld. Um das Herz von Bedürftigen zu erfreuen, sollte man mehr Geld aufwenden<br />

als für alle anderen Purim-Aktivitäten (Maimonides, Mischne Tora, Hilchot Megilla 2:17)<br />

4. Das Festmahl: An Purim setzt man sich mit Familie und Freunden zu einem<br />

überschwänglichen Festmahl im Andenken an den Purim-Sieg über die Feinde des jüdischen<br />

Volkes. Und ja, es stimmt, an diesem Tag ist es eine Mizwa, zu „trinken, bis man nicht mehr<br />

unterscheiden kann zwischen ,Verflucht sei Haman‘ und ,Gesegnet sei Mordechai‘“ (Talmud,<br />

Traktat Megilla 7b; Schulchan Aruch, Orach Chajim § 695:2). Die Freude des Purimfestes soll uns<br />

helfen, die üblichen Beschränkungen und Grenzen zu überwinden und auf einer höheren<br />

spirituellen Ebene zu feiern. Üblicherweise beginnt die Mahlzeit am Nachmittag und dauert bis in<br />

die Abendstunden.<br />

Hinweis: Purim-Trinken heißt verantwortungsvoll trinken, also keine Drinks für Minderjährige, kein<br />

Alkohol am Steuer!<br />

5. Das Gebet: An Purim sprechen wir in jeder Amida, dem Stehgebet, sowie im Tischgebet<br />

(Benschen) einen Abschnitt über das Wunder, „Al ha-Nissim“. Beim Morgengebet gibt es eine<br />

besondere Toralesung in der Synagoge.<br />

Kurze Erklärungen zu Purim<br />

So ein Tag, so wunderschön wie heute<br />

Purim feiert die Rettung des jüdischen Volkes vor dem Plan des persischen Politikers Haman, „alle<br />

Juden vom Knaben bis zum Greis, Kinder und Frauen an einem einzigen Tag zu vertilgen, zu<br />

erschlagen, zu vernichten und ihre Habe als Beute zu plündern.“ (Esther 3:13) Purim wird stets am<br />

14. Adar gefeiert. Handelt es sich um ein Schaltjahr, wird Purim am 14. Tag des Monats Adar II<br />

gefeiert.<br />

Aufstieg und Fall des bösen Haman<br />

Haman war Premierminister des Perserkönigs Achaschwerosch, dessen Reich sich über 127<br />

Provinzen von Indien bis Äthiopien erstreckte. Durch Hamans Plan zur „Endlösung der<br />

Judenfrage“ sollte an einem einzigen Tag weltweit jeder einzelne Jude ermordet werden; dabei<br />

kam auch dem Raub jüdischer Vermögenswerte („Arisierung“) eine wichtige Rolle zu.<br />

Der weise Mordechai rief umgehend die jüdische Bevölkerung – Männer, Frauen und Kinder – zu<br />

Umkehr und Gebet auf. Erst dann fädelte seine Cousine, die jüdische Königin Esther, den Sturz<br />

Hamans bei einer exklusiven Cocktail-Party ein, bei der König Achaschwerosch und Haman<br />

anwesend waren. Den König bewegte sie dazu, den Juden per Dekret das Recht auf<br />

Selbstverteidigung gegen Übergriffe zuzugestehen. Der böse Haman selbst endete am selben<br />

Galgen, den er für Mordechai hatte errichten lassen.


Woher kommt der Name Purim?<br />

Den genauen Tag des Genozids wollte Haman, so hatte er sich in den Kopf gesetzt, durch einen<br />

Losentscheid (pers. Pur) bestimmen lassen – daher der Name Purim.<br />

An jenem 13. Adar 3405 (356 v.Z.) aber, „an dem die Judenfeinde gehofft hatten, über sie zu<br />

herrschen, da war es umgekehrt ... Es versammelten sich die Juden in ihren Städten ... um Hand<br />

anzulegen an denen, die ihr Unheil suchten ...“ Am selben Tag noch feierten die Juden einen<br />

umfassenden Sieg über ihre Feinde, und „an dem Tag darauf [14. Adar] ruhten sie und machten<br />

ihn zu einem Tag des Festmahls und der Freude“. (Esther 9:1-2; 17) In jenem Jahr wurde auch<br />

festgelegt, Purim jedes Jahr zu feiern.<br />

Woher wissen wir über diese Ereignisse?<br />

Die wundersamen Purim-Ereignisse hielt Mordechai im Buch Esther fest, das Teil der 24 Bücher<br />

der Bibel ist. In den Quellen der mündlichen Tora findet sich eine Fülle von Analysen,<br />

Kommentaren und Hintergrundreportagen zum Thema, darunter ein ganzer Traktat des Talmuds<br />

(Traktat Megilla).<br />

Wie lese ich die Megilla richtig?<br />

Die Botschaften der Megilla sind unter anderem das Anerkennen und Erkennen g-ttlichen Wirkens<br />

im Verborgenen; und das Stärken des Verbundes mit dem Schöpfer und Seinen Mizwot als<br />

Wunderpatent gegen Bedrohung von außen.<br />

„Wer die Megilla rückwärts liest, hat das Gebot nicht erfüllt“ (Megilla 17a; Schulchan Aruch, Orach<br />

Chajim § 690:6), sagen die Weisen sel. A.<br />

Rabbi <strong>Israel</strong> Baal Schem Tov erklärt: Wer die Megilla „rückwärts“ liest – als bloße Schilderung von<br />

Ereignissen in der Vergangenheit – hat den Inhalt des Purimfestes nicht erkannt. Die Geschichte<br />

der Megillat Esther in all ihren Facetten und Deutungsebenen ist vielmehr eine Anweisung für<br />

unsere Gegenwart.<br />

Bräuche zu Purim<br />

Zwei Erlösungen verbinden<br />

In einem hebräischen Schaltjahr wird – statt einem Schalttag wie im gregorianischen Kalender –<br />

ein ganzes Schaltmonat eingeschoben, und so gibt es Adar I (Adar Alef) und Adar II (Adar Bet).<br />

Warum wird in einem Schaltjahr Purim im Monat Adar II gefeiert, wo es doch heißt, Purim sei zu<br />

feiern „am 13. des zwölften Monats [= Adar I]“?<br />

Die Weisen sel. A. legten jedoch Adar II als Purimmonat fest, um „die Erlösung von Purim mit der<br />

Erlösung von Mizraim“ zu verbinden, d.h. mit dem Auszug aus Mizraim/Ägypten, den wir ein Monat<br />

später zu Pessach feiern.<br />

Festliche Kleidung<br />

Es ist üblich, zu Purim festliche Kleidung zu tragen, weil wir Purim „mit Freude, mit einem<br />

Festmahl und als Jom Tov (Festtag)“ begehen (Esther 9:19).<br />

Hamantaschen<br />

Die dreieckigen Hamantaschen, die zu Purim gegessen werden, weisen auf einen Midrasch hin,<br />

demzufolge Haman, als er die Verdienste der drei Ahnherren des jüdischen Volkes – Avraham,<br />

Jizchak und Jaakov – sah, seine Kraft verlor. Das jiddische Wort Hamantasch kann auf Hebräisch<br />

als „Haman wurde schwach“ gelesen werden.<br />

Die Füllung besteht üblicherweise aus Mohn, um an Esther zu erinnern. Sie aß im Palast von<br />

Achaschwerosch nur Samen (wie Mohn) und Hülsenfrüchte (wie Reis, Erbsen und Bohnen), um<br />

keine unkoscheren Lebensmittel zu sich zu nehmen.


Auch kann die aschkenasische Aussprache des Namens Haman als „HoMohn“ und Hinweis auf<br />

das mohngefüllte Gebäck verstanden werden.<br />

Warum heißt das zu Purim servierte Mohngebäck „Hamantaschen“, fragte R. Elieser Se’ev<br />

Rosenbaum von Kretschnif. Und er antwortete: Was befindet sich in den Taschen von Haman?<br />

Sind es doch die 10.000 Goldstücke, mit denen er König Achaschwerosch bestechen wollte, um<br />

grünes Licht für die Judenvernichtung zu erhalten (siehe Megilla 3:9). Mit unseren Hamantaschen<br />

zu Purim erwecken wir also das vollste Maß an materiellem Segen für das gesamte Volk <strong>Israel</strong>.<br />

Kreplach<br />

Der Grund, warum wir Kreplach drei Mal im Jahr essen – zu Purim, Hoschana Rabba und am<br />

Vortag von Jom Kippur: Weil diese Tage wie Feiertage sind, was das Festessen und die Freude<br />

betrifft; andererseits aber nicht vollwertige Feiertage sind, weil Arbeit und Geschäftsaktivitäten<br />

erlaubt sind. Das Element des Feiertages ist also verborgen, und so essen wir Fleisch wie an<br />

einem Feiertag, wie es heißt: „Es gibt keine Freude ohne Fleisch“, verstecken es aber in einer<br />

Teighülle.<br />

Maskerade<br />

Für den Brauch, zu Purim Masken und Kostüme zu tragen, gibt es mehrere Begründungen:<br />

In der Periode vom Erlass des königlichen Dekrets bis zum Sieg über die mordlüsternen<br />

Judenfeinde schien G-ttes Antlitz verborgen. Erst bei einer tiefergehenden Analyse der Ereignisse<br />

wird klar, dass – wie bei einer Maske – der äußere Schein trügt, und der Allmächtige die<br />

Ereignisse bis ins kleinste Detail lenkte.<br />

Im Buch Esther selbst wird G-ttes Name nur angedeutet, aber nie klar genannt. Auch dieser<br />

Umstand, dass G-ttes Einfluss nicht auf Anhieb zu erkennen ist, erinnert an eine Maske.<br />

Der Talmud schildert, dass eine der Verfehlungen des jüdischen Volkes, die zu dem<br />

lebensbedrohenden Erlass führte, das Bücken vor dem Götzen von Nebuchadnezar war (siehe<br />

Daniel, Kap 3). Die Juden vollführten jedoch nur dem äußeren Schein nach Götzendienst, im<br />

Herzen blieben sie dem Einen G-tt <strong>Israel</strong>s treu. Die Verkleidungen zu Purim beziehen sich auf<br />

diese Situation, wo die äußere Erscheinung die innere Wahrheit verdeckt.<br />

König Achaschwerosch befahl, Mordechai in königliche Gewänder zu kleiden und ihn in einer<br />

Ehrenparade durch die Straßen der Hauptstadt Schuschan zu führen.<br />

Durch die Verkleidungen sollen die Gefühle von mittellosen Menschen geschützt werden, die sich<br />

schämen, offen um Unterstützung zu bitten. Wenn sich Bedürftige verkleiden und nicht zu<br />

erkennen sind, ist es einfacher für sie, Spenden zu erbitten und zu empfangen.<br />

Der Tag vor Purim<br />

Das Fasten der Esther<br />

Vor dem Purim-Feiertag, am 13. Adar, war es den Juden in Persien durch ein königliches Dekret<br />

gestattet, jeden von Hamans Verbündeten zu bekämpfen, der versuchte, ihnen zu schaden. Sie<br />

begleiteten ihre Kämpfe mit Gebeten und Fasten. In Erinnerung an ihr Fasten ist es üblich, jedes<br />

Jahr am 13. Adar zu fasten. Das Fasten beginnt vor Sonnenaufgang und endet etwa 35 Minuten<br />

nach Sonnenuntergang.<br />

Machazit HaSchekel<br />

Am Taanit Esther (das Fasten der Esther) vor dem Nachmittagsgebet (Mincha) ist es überlich, die<br />

Zeremonie Machazit HaSchekel (halber Schekel) zu zelebrieren. In der Tora (Exodus 30:11-16)<br />

wird uns geboten, daß jeder Jude ab dem 20. Lebensjahr einmal jährlich einen halben Schekel für<br />

den Tempel spendet, um die Kosten der öffentlichen Opfer zu decken. Die Talmud-Weisen legten<br />

fest, daß diese Spenden während des Monats Adar zu leisten seien, des Monats, in dem wir Purim<br />

feiern.


Als Erinnerung an die halben Schekel, die zum Tempel gebracht worden waren, spenden die<br />

Juden auch heute noch eine ähnliche Summe für einen besonderen wohltätigen Zweck. Um das<br />

Konzept des halben Schekels aufrecht zu erhalten, haben spätere Gelehrte vorgeschlagen, daß<br />

die finanzielle Einheit, die normalerweise eine Hälfte bedeutet, verwendet werden soll, auch wenn<br />

die zeitgenössischen Währungen abweichen: zum Beispiel einen halben Euro (50 Cent Stück). Da<br />

die Tora in diesem Zusammenhang die Worte "halber Schekel" drei Mal nennt, geben wir drei<br />

Münzen, die den oben genannten entsprechen.<br />

VORWORT<br />

Das Buch Esther – Megillat Esther – gehört neben dem Pentateuch – Chumasch – und dem Buch<br />

der Psalmen – Tehillim – zu den meistgedruckten Texten der Bibel. Aus diesem Grund ist es mir<br />

eine besondere Freude dem deutschsprachigen Publikum diesen Band vorzustellen.<br />

Es handelt sich hierbei um eine neue Übersetzung der Megillat Esther und, meines Wissens nach,<br />

um die erste deutsche Übersetzung des Kommentars von Raschi hierzu.1<br />

Es erfüllt mich mit besonderer Ehrfurcht, gepaart mit einem Gefühl der Freude, dass dieser Band<br />

am Vorabend des neunhundertsten Todestages von Raschi erscheint.<br />

Das von mir geleitete Machon Raschi Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Werk Raschis<br />

auch denjenigen zugänglich zu machen, denen es bisher verschlossen geblieben ist.<br />

Zu diesem Zweck wurde das Buch Esther ausgewählt den Reigen einer Gesamtausgabe zu<br />

eröffnen.<br />

Der Talmud (Traktat Megilla 17a) legt fest, dass „derjenige, der die Megilla von rückwärts ließt, die<br />

Pflicht des Lesens der Megilla nicht erfüllt hat“. Die chassidischen Meister erklären die tiefere<br />

Bedeutung dieser Vorschrift folgendermaßen: Derjenige, der die im Buch Esther geschilderten<br />

Ereignisse als eine längst zurückliegende – „rückwärts“ – Episode in der jüdischen Geschichte<br />

betrachtet, hat den eigentlichen Sinn des Buches Esther verkannt. Die dem Buch Esther<br />

zugrundeliegende Botschaft – das Erkennen des g-ttlichen Wirkens im Verborgenen und das<br />

unbeugsame, hartnäckige Festhalten an der Tora – ist nicht nur geschichtlicher Natur, sondern<br />

besitzt Gültigkeit für alle Zeiten und Generationen.<br />

Möge es mein Verdienst sein durch die Veröffentlichung dieses Bandes zur Förderung und<br />

weiteren Verbreitung des Toralernens im deutschsprachigen Raum beigetragen zu haben.<br />

Tel Aviv, im Frühjahr 5764 / 2004<br />

Kapitel 1<br />

BUCH ESTHER<br />

1 Und es ereignete sich in den Tagen des Achaschwerosch – desselben Achaschwerosch, der<br />

herrschte von Hodu bis Kusch: einhundert und siebenundzwanzig Provinzen. 2 In jenen Tagen, als<br />

der König Achaschwerosch auf dem Thron seines Königreiches saß, der in Schuschan der<br />

Hauptstadt war. 3 Im Jahre 3 seiner Regentschaft gab er ein Trinkgelage für alle seine Fürsten


und seine Hofschranzen, das Heer von Persien und Medien, die Vornehmen und die<br />

Provinzfürsten vor ihm. 4 Dabei stellte er den Reichtum seines herrlichen Königreiches und die<br />

glänzende Pracht seiner Größe viele Tage lang zur Schau; einhundertachtzig Tage. 5 Und als<br />

diese Tage vorüber waren, gab der König für alles Volk, das sich in Schuschan, der Hauptstadt<br />

aufhielt, von groß bis klein, ein siebentägiges Trinkgelage im Hofgarten des königlichen<br />

Lustgartens. 6 Weiße, feine Baumwollstoffe und purpurblaue, bestickt mit Kordeln aus Leinen und<br />

rötlichem Purpur, auf Silberstangen und Marmorsäulen, goldene und silberne Lager auf einem<br />

Fußboden aus Bahath, Schesch, Dar und Sochereth. 7 Und man gab ihnen zu trinken aus<br />

goldenen Gefäßen, und die Gefäße unterschieden sich eines vom anderen und eine Menge<br />

königlichen Weines gab es, entsprechend der Freigiebigkeit des Königs. 8 Und das Zechen war<br />

gemäß dem Gesetz, ohne Zwang; denn so hatte es der König allen Hofmeistern seines Hauses<br />

verordnet, dem Wunsch jeden einzelnen Mannes zu entsprechen. 9 Auch Waschti, die Königin,<br />

gab ein Trinkgelage im königlichen Haus des Königs Achaschwerosch. 10 Am siebten Tag, als das<br />

Herz des Königs gut gestimmt war vom Wein, befahl er Mehuman, Bisetha, Charwonah, Bigtha<br />

und Abagtha, Sethar und Karkas, den sieben Kammernherren, die dem Angesicht des Königs<br />

Achaschwerosch aufwarteten, 11 Waschti, die Königin, vor den König zu holen, (nur) mit der<br />

Königskrone, um die Völkerschaften und die Vornehmen ihre Schönheit schauen zu lassen, denn<br />

sie war gutaussehend. 12 Aber die Königin Waschti weigerte sich auf des Königs Geheiß hin zu<br />

kommen, das ihr durch die Kammerherren überbracht worden war und der König schäumte über<br />

vor Wut und sein Zorn entbrannte in ihm. 13 Und der König sagte zu den Weisen, den Kennern<br />

der Zeiten – denn so war es die Art des Königs (jeden Fall vorzubringen) vor allen, die Gesetz und<br />

Recht kennen. 14 Und seine, ihm am nächsten Stehenden waren Karschenah, Schethar,<br />

Admathah, Tarschisch, Meress, Marsenah und Memuchan, die sieben Fürsten von Persien und<br />

Medien, die des Königs Antlitz schauten, die als erste Sitz im Königreich hatten – : 15 „Gemäß<br />

dem Gesetz, was hat mit der Königin Waschti zu geschehen, dafür dass sie der Aufforderung des<br />

Königs Achaschwerosch durch die Kammerherren nicht Folge geleistet hat?“ 16 Da sprach<br />

Memuchan vor dem König und den Fürsten: „Nicht gegen den König allein hat Waschti, die<br />

Königin, ein Unrecht begangen, sondern gegen alle Fürsten und alle Völkerschaften in allen<br />

Provinzen des Königs Achaschwerosch. 17 Denn das Wort der Königin wird ausgehen an alle<br />

Frauen, um ihre Ehemänner verächtlich zu machen in ihren Augen, indem sie sagen: ‚Der König<br />

Achaschwerosch befahl Waschti, die Königin, vor ihn zu holen und sie kam nicht.’ 18 Noch am<br />

heutigen Tag werden die Fürstinnen von Persien und Medien, die das Wort der Königin hörten,<br />

(genauso) zu allen Fürsten des Königs sprechen und viel Schande und Wut (zur Folge haben). 19<br />

Wenn es dem König gutdünkt, so ergehe ein königlicher Erlass von ihm und es werde verzeichnet<br />

in den Gesetzen Persiens und Mediens und werde nicht widerrufen, dass Waschti nicht vor dem<br />

König Achaschwerosch kam und ihre Königswürde gebe der König einer Geschlechtsgenossin,<br />

die besser ist als sie. 20 Und der Urteilsspruch des Königs, den er erlassen wird, wird in seinem<br />

ganzen Königreich gehört werden, obwohl es groß ist, und alle Frauen werden ihren Ehemännern<br />

Ehrerbietung bezeugen, vom Größten bis zum Unscheinbarsten“. 21 Und die Sache fand<br />

Wohlgefallen in den Augen des Königs und der Fürsten und der König handelte entsprechend<br />

dem Wort Memuchans. 22 Und er versandte Schriftstücke an alle Provinzen des Königs, an<br />

Provinz um Provinz in ihrer Schrift und an Volk um Volk in seiner Sprache, dass jeder Mann<br />

herrsche in seinem Hause und in der Sprache seines Volkes rede.<br />

Kapitel 2<br />

1 Nach diesen Ereignissen, als der Zorn des Königs Achaschwerosch sich gelegt hatte, gedachte<br />

er Waschtis und was sie getan hatte und was über sie verhängt worden war. 2 Da sagten die<br />

Hofpagen des Königs, seine Lakaien: „Man lasse dem König gutaussehende Jungfrauen suchen.<br />

3 Und der König ernenne Beamtete in allen Provinzen seines Königreiches damit sie jede<br />

gutaussehende Jungfrau einsammeln, nach Schuschan, der Hauptstadt, in den Harem, in die<br />

Obhut von Hege, des Kammerherrn des Königs, des Frauenwärters, und händige ihnen ihre<br />

Tinkturen aus. 4 Und das Mädchen, das Wohlgefallen finden wird in den Augen des Königs,<br />

herrsche an Stelle Waschtis.“ Und die Sache fand Wohlgefallen in den Augen des Königs und so<br />

machte er es.


(Während des Vortrags der Megilla wird der folgende Vers von den Zuhörern laut vorgelesen und<br />

dann vom Vortragenden wiederholt)<br />

5 Es gab einen jüdischen Mann in Schuschan, der Hauptstadt, und sein Name war Mordechai, der<br />

Sohn des Ja’ir, Sohn des Schim’i, Sohn des Kisch, ein Benjaminite,<br />

6 der aus Jerusalem verbannt worden war, zusammen mit der Verbannung, die ins Exil geführt<br />

wurde mit Jechoniah, dem König Judäas, welche Nebuchadnetzar, der König Babyloniens,<br />

verbannt hatte. 7 Und er hatte Hadassa aufgezogen, diese ist Esther, die Tochter seines Onkels,<br />

da sie weder Vater noch Mutter hatte. Und das Mädchen war wohlgestaltet und sah gut aus. Und<br />

als ihr Vater und ihre Mutter gestorben waren, nahm Mordechai sie seinerseits als Tochter an. 8<br />

Und es geschah, als der Befehl des Königs und sein Erlass vernommen wurden, und zahlreiche<br />

Mädchen in Schuschan, der Hauptstadt, versammelt worden waren, in die Obhut von Hege, da<br />

wurde auch Esther in das Haus des Königs gebracht, in die Obhut von Hege, des Frauenwärters.<br />

9 Und das Mädchen fand Wohlgefallen in seinen Augen und erlangte Gnade vor ihm und er<br />

beeilte sich ihr ihre Tinkturen und Zuteilungen zukommen zu lassen und ihr die sieben passenden<br />

Mägde aus dem Haus des Königs beizugeben und er verlegte sie und ihre Mägde in den besten<br />

Teil des Harems. 10 Esther gab ihre Volkszugehörigkeit und ihre Abstammung nicht preis, denn<br />

Mordechai hatte sie darauf verpflichtet, dass sie nichts darüber aussage. 11 Und Mordechai erging<br />

sich tagtäglich vor dem Hof des Harems, um sich über das Wohlbefinden Esters in Kenntnis zu<br />

setzen und was mit ihr geschehen würde. 12 Und wenn die Reihe an jedem Mädchen war zum<br />

König Achaschwerosch zu kommen, nach Ablauf der Behandlung für Frauen, die zwölf Monate<br />

dauerte, – denn derart war die vorgeschriebene Dauer der Behandlung mit Schönheitsmitteln:<br />

sechs Monate mit Myrrhenöl und sechs Monate mit Duftwässern und weiblichen<br />

Schönheitstinkturen – 13 dann pflegte das Mädchen damit zum König zu kommen; alles was sie<br />

nannte, wurde ihr mitgegeben, um mit ihr vom Harem zum Haus des Königs mitzukommen. 14 Für<br />

gewöhnlich kam sie am Abend und am Morgen kehrte sie zurück in den zweiten Harem, in die<br />

Obhut von Scha’aschgas, des königlichen Kammerherren, des Hüters der Nebenfrauen; sie kam<br />

nicht nochmals zum König, es sei denn, dass der König nach ihr verlangte. Dann wurde sie<br />

namentlich herbeigerufen. 15 Und als die Reihe kam an Esther, die Tochter des Awichajil, des<br />

Onkels von Mordechai, der sie als Tochter angenommen hatte, zum König zu kommen, verlangte<br />

sie nach nichts, außer dem was Hege, der königliche Kammerherr, der Frauenwärter, sagte. Und<br />

Esther fand Gunst in den Augen aller, die sie sahen. 16 Und Esther wurde zum König<br />

Achaschwerosch gebracht, in sein königliches Haus, im zehnten Monat, der der Monat Tewet ist,<br />

im Jahre 7 seiner Regentschaft. 17 Und der König liebte Esther mehr als all die Frauen und sie<br />

fand Gunst und Gnade vor ihm, mehr als all die Jungfrauen und er setzte ihr die Königskrone auf<br />

ihr Haupt und machte sie zur Königin an Stelle Waschtis. 18 Und der König gab ein großes<br />

Trinkgelage für alle seine Fürsten und seine Hofschranzen – das Gelage Esthers – und gewährte<br />

einen Steuernachlass für die Provinzen und gab Geschenke entsprechend der Freigiebigkeit des<br />

Königs. 19 Und als ein zweites Mal Jungfrauen versammelt wurden und Mordechai in der Pforte<br />

des Königs saß – 20 Esther hatte ihre Abstammung und ihre Volkszugehörigkeit nicht<br />

preisgegeben, so wie ihr Mordechai geboten hatte, denn Esther befolgte Mordechais Gebote,<br />

ganz so wie damals, als sie von ihm aufgezogen wurde – 21 in jenen Tagen, als Mordechai in der<br />

Pforte des Königs saß, erzürnten Bigthan und Theresch, zwei der Kammerherren des Königs, von<br />

den Schwellenhütern, und trachteten Hand anzulegen an den König Achaschwerosch. 22 Und<br />

Mordechai erfuhr von der Sache und sagte es der Königin Esther und Esther erzählte dem König<br />

davon im Namen Mordechais. 23 Die Sache wurde untersucht und für wahr befunden und beide<br />

wurden an einem Galgen aufgehängt. Und es wurde eingetragen in die Chronik, in der<br />

Anwesenheit des Königs.<br />

Kapitel 3<br />

1 Nach diesen Begebenheiten machte der König Achaschwerosch Haman, den Sohn des<br />

Hammedatha, des Agagiten, groß und erhob ihn und setzte seinen Sitz über alle Fürsten, die mit<br />

ihm waren. 2 Alle Diener des Königs, die in der Pforte des Königs waren, beugten das Knie und


warfen sich nieder vor Haman; denn dies hatte der König angeordnet im Bezug auf ihn. Aber<br />

Mordechai beugte sein Knie nicht und warf sich nicht nieder. 3 Da sagten die Diener des Königs,<br />

die in der Pforte des Königs waren, zu Mordechai: „Weshalb übertrittst du die Anordnung des<br />

Königs?“ 4 Nun geschah es, als sie es ihm tagtäglich sagten und er ihnen nicht Gehör schenkte,<br />

dass sie es Haman erzählten, um zu sehen, ob die Worte Mordechais standhalten würden, denn<br />

er hatte ihnen erzählt, dass er Jude war. 5 Und als Haman sah, dass Mordechai weder sein Knie<br />

vor ihm beugte, noch sich vor ihm niederwarf, da wurde Haman vom Zorn erfüllt. 6 Aber er<br />

erachtete es für gering in seinen Augen, Hand an Mordechai allein anzulegen, da sie ihm<br />

Mordechais Volkszugehörigkeit berichtet hatten. Und Haman trachtete danach alle Juden zu<br />

vernichten, die es im gesamten Königreich Achaschwerorschs gab, das Volk Mordechais. 7 Im<br />

ersten Monat, der der Monat Nissan ist, im Jahre zwölf des Königs Achaschwerorsch, warf man<br />

das „Pur“ – das ist das Los – vor Haman: von Tag auf Tag und von Monat auf Monat ,bis zum<br />

zwölften, der der Monat Adar ist. 8 Da sagte Haman zum König Achaschwerosch: „Es gibt da ein<br />

Volk, verstreut und verteilt unter den Völkerschaften in allen Provinzen deines Königsreiches und<br />

ihre Gesetze sind verschieden von denen jeden anderen Volkes und die Gesetze des Königs<br />

befolgen sie nicht. Dem König bringt es nichts ein, sie gewähren zu lassen. 9 Wenn es der König<br />

gutheißt, so werde geschrieben, sie zu vernichten und zehntausend Talente Silber werde ich<br />

abwiegen in die Hände derer, die die Arbeit verrichten, um sie in die Schatzkammern des Königs<br />

zu bringen. 10 Da streifte der König seinen Ring ab von seiner Hand und reichte ihn dem Haman,<br />

dem Sohn des Hammedatha, des Agagiten, dem Bedränger der Juden. 11 Und der König sprach<br />

zu Haman: „Das Silber sei dir gegeben und das Volk; mit ihm zu verfahren, wie es dir gefällt.“ 12<br />

Und die Schreiber des Königs wurden herbeizitiert im ersten Monat, am dreizehnten Tag<br />

desselben, und es wurde genauso niedergeschrieben wie Haman es diktierte: an die Satrapen des<br />

Königs, an die Statthalter jeder Provinz und an die Fürsten jeden Volkes. Provinz um Provinz<br />

entsprechend ihrer Schrift und Volk um Volk entsprechend seiner Sprache. Im Namen des Königs<br />

wurde es niedergeschrieben und besiegelt wurde es mit dem Ring des Königs. 13 Schriftstücke<br />

wurden gesandt durch Kuriere an alle Provinzen des Königs, um alle Juden zu vernichten,<br />

umzubringen und auszurotten, vom Jüngling bis zum Greis, kleine Kinder und Frauen, in einem<br />

Tag: am dreizehnten des zwölften Monats, der der Monat Adar ist, und ihre Habe als Beute zu<br />

plündern. 14 Eine Abschrift des Schreibers – auszugeben als Gesetz in jeder Provinz – wurde<br />

allen Völkerschaften bekanntgemacht, damit sie bereit seien für diesen Tag. 15 Die Schnellkuriere<br />

zogen eilig aus, auf Befehl des Königs und das Gesetz wurde gegeben zu Schuschan, der<br />

Hauptstadt, und der König und Haman setzten sich, um zu zeche; aber die Stadt Schuschan war<br />

verstört.<br />

Kapitel 4<br />

1 Und Mordechai wusste Bescheid über alles, das geschehen war, und Mordechai zerriss seine<br />

Gewänder und kleidete sich in Sack und Asche und ging hinaus mitten in die Stadt und erhob ein<br />

lautes und bitterliches Geschrei. 2 Und er kam bis vor die Pforte des Königs, denn man darf in die<br />

Pforte des Königs nicht im Sackgewand eintreten. 3 Und in jeder Provinz, überall wohin des<br />

Königs Befehl und Gesetz gelangte, war große Trauer bei den Juden und Fasten und Gewein und<br />

Wehklagen; in Sack und Asche legten sich viele. 4 Und es kamen die Mädchen Esthers und ihre<br />

Kammerherren und berichteten ihr und die Königin war sehr verängstigt und schickte Gewänder,<br />

um Mordechai einzukleiden und ihn seines Sackgewandes zu entkleiden. Er aber nahm nichts an.<br />

5 Da zitierte Esther Hathach herbei, (einen) von den Kammerherren des Königs, den er für sie<br />

abgestellt hatte, und befahl ihm bezüglich Modechais, um zu erfahren, was dies und weswegen<br />

dies sei. 6 Da ging Hathach hinaus zu Mordechai auf dem Stadtplatz, der sich vor der Pforte des<br />

Königs befand. 7 Und Mordechai berichtete ihm alles, das ihm widerfahren war und alles über die<br />

Menge Silber, die Haman zugesagt hatte an die königlichen Schatzkammern abzuwiegen für die<br />

Ausrottung der Juden. 8 Und die Abschrift des Schreibens mit dem Gesetz, das zu Schuschan<br />

gegeben worden war zu ihrer Vernichtung, gab er ihm mit, um (sie) Esther zu zeigen, und ihr zu<br />

berichten und ihr aufzuerlegen, vor den König zu kommen, um vor ihm für ihr Volk zu flehen und<br />

zu bitten. 9 Und Hathack kam und berichtete Esther die Worte Mordechais. 10 Und Esther sprach<br />

zu Hathach und trug ihm auf für Mordechai: 11 „Alle Diener des Königs und die Bevölkerung der


königlichen Provinzen wissen, dass es für jeden Mann und jede Frau, die unaufgefordert zum<br />

König in den inneren Hof kommen, nur ein Gesetz gibt: getötet zu werden. Mit Ausnahme<br />

desjenigen, dem der König das goldene Zepter reicht, damit er am Leben bleibe. Und ich wurde<br />

nicht gerufen, zum König zu kommen, schon dreißig Tage. 12 Und man berichtete Mordechai die<br />

Worte Esthers. 13 Da sagte Mordechai, der Esther zur Antwort zu geben: „Bilde dir nicht selber<br />

ein, dass du im Königshaus Zuflucht finden kannst, (als einzige) von allen Juden. 14 Denn wenn<br />

du hartnäckig schweigst in dieser Zeit, so wird den Juden Hilfe und Rettung erstehen von<br />

anderorts und du und deines Vaters Haus werden untergehen. Und wer weiß, ob du nicht (gerade)<br />

wegen einer solchen Zeit die Königswürde erlangt hast?“. 15 Da sagte Esther, dem Mordechai zur<br />

Antwort zu geben: 16 „Geh’, versammle alle Juden, die sich in Schuschan befinden, und fastet um<br />

mich. Weder esst noch trinkt drei Tage lang, Nacht und Tag. Auch ich und meine Mädchen werden<br />

genauso fasten und ich werde auch zum König kommen, gegen das Gesetz, und wenn ich<br />

umkomme, dann komme ich (eben) um.“ 17 Und Mordechai trat ab und tat ganz so, wie Esther<br />

ihm aufgetragen hatte.<br />

Kapitel 5<br />

1 Und es ereignete sich am dritten Tag, da kleidete sich Esther königlich und stellte sich in den<br />

inneren Hof des Königshauses, dem Haus des Königs gegenüber. Und der König saß auf seinem<br />

Königsthron im königlichen Haus, gegenüber dem Eingang des Hauses. 2 Und es ereignete sich,<br />

als der König die Esther, die Königin, im Hof stehen sah, da erlangte sie Gunst in seinen Augen<br />

und der König reichte Esther das goldene Zepter in seiner Hand entgegen. Und Esther kam näher<br />

und berührte die Spitze des Zepters. 3 Und der König sagte zu ihr: „Was ist dir, Königin Esther,<br />

und was ist dein Begehren? Selbst bis zur Hälfte des Königreiches – und es soll dir gegeben<br />

werden!“ 4 Da sagte Esther: „Wenn es dem König gefällt, dann möge der König und Haman heute<br />

zum Trinkgelage kommen, das ich ihm bereitet habe. 5 Da sagte der König: „Bringt Haman schnell<br />

her, um zu tun, was Esther gesagt hat.“ Und der König und Haman kamen zum Trinkgelage, das<br />

Esther vorbereitet hatte. 6 Und es sagte der König zu Esther beim Weintrinken: „Was ist dein<br />

Ersuchen? Es soll dir stattgegeben werden! Und was ist deine Bitte? Selbst bis zur Hälfte des<br />

Königreiches – und es soll geschehen.“ 7 Und Esther entgegnete und sagte: „Mein Ersuchen und<br />

meine Bitte: 8 Wenn ich Gunst gefunden habe in den Augen des Königs und wenn es dem König<br />

gefällt meinem Ersuchen stattzugeben und meine Bitte zu gewähren, dann komme der König und<br />

Haman zu dem Trinkgelage, das ich ihnen vorbereiten werde und morgen will ich dem Wort des<br />

Königs entsprechen. 9 Und Haman ging aus an diesem Tag, fröhlich und mit einem gutgestimmten<br />

Herzen. Aber als Haman Mordechai in der Pforte des Königs erblickte, und er sich nicht erhob<br />

noch rührte vor ihm, da wurde Haman voller Zorn gegen Mordechai. 10 Aber Haman hielt sich<br />

zurück und er kam nach Hause und schickte aus und brachte seine Lieblingsfreunde und Seresch,<br />

seine Frau. 11 Und es erzählte ihnen Haman von der Fülle seines Reichtums und der Vielzahl<br />

seiner Söhne und alles im Zusammenhang damit wie der König ihn groß gemacht und wie er ihn<br />

über die Fürsten und Diener des Königs erhoben hatte. 12 Und Haman sagte: „Auch ließ Königin<br />

Esther niemanden mit dem König zum Gastmahl kommen, das sie veranstaltete, nur mich und<br />

auch morgen bin ich zu ihr gebeten worden, zusammen mit dem König. 13 Und all dies bedeutet<br />

mir nichts, so oft ich den Mordechai, den Juden, sitzen sehe in der Pforte des Königs.“ 14 Und<br />

Seresch seine Frau und all seine Lieblingsfreunde sagten zu ihm: „Man fertige einen Galgen aus<br />

Holz, fünfzig Ellen hoch, und am Morgen sage dem König, dass man Mordechai an ihm aufhänge<br />

und komme mit dem König freudig zum Gastmahl.“ Die Sache gefiel dem Haman und er verfertige<br />

den Galgen.<br />

Kapitel 6<br />

1 In jener Nacht entfloh des Königs Schlaf und er hieß die Chronik der geschichtlichen Ereignisse<br />

zu bringen und sie wurde dem König vorgelesen. 2 Es fand sich eingetragen, dass Mordechai<br />

berichtet hatte über Bigthan und Theresch, zwei Kammerherren des Königs, von den


Schwellenhütern, die danach getrachtet hatten, Hand anzulegen an den König Achaschwerorsch.<br />

3 Da sagte der König: „Welche Ehre und Großtat ist dem Mordechai deswegen erwiesen worden?“<br />

Und die Pagen des Königs, seine Bediensteten, sagten: „Es wurde nichts für ihn getan.“ 4 Und der<br />

König sagte: „Wer ist im Hof?“, denn Haman war in den äußeren Hof des Königshauses<br />

gekommen, um dem König zu sagen, dass Mordechai an dem Galgen aufgehängt werde, den er<br />

für ihn vorbereitet hatte. 5 Und die Pagen des Königs sagten zu ihm: „Siehe, Haman steht im Hof.“<br />

Da sagte der König: „Er komme herein!“ 6 Und Haman kam und der König sagte ihm: „Was soll<br />

mit dem Mann geschehen, den der König zu ehren wünscht?“ Und Haman trachtete in seinem<br />

Herzen: „Wen, ausser mir, könnte der König zu ehren wünschen?“ 7 Und Haman sagte zum<br />

König: „Der Mann, den der König zu ehren wünscht – 8 Man bringe ein königliches Gewand, in<br />

das man den König gekleidet hatte, und ein Ross, auf dem der König geritten war und setze die<br />

Königskrone auf sein Haupt. 9 Und man händige das Gewand und das Ross einem der<br />

vornehmen Fürsten des Königs aus und man bekleide den Mann, den der König zu ehren wünscht<br />

und lasse ihn hoch zu Ross über den Stadtplatz führen und man rufe vor ihm aus: „So geschieht<br />

es dem Manne, den der König zu ehren wünscht!“ 10 Und der König sagte zu Haman: „Schnell!<br />

Nimm das Gewand und das Ross, so wie du gesagt hast, und mache es so mit Mordechai, dem<br />

Juden, der in der Pforte des Königs sitzt und lasse nichts aus von all dem, das du gesagt hast!“ 11<br />

Und Haman nahm das Gewand und das Ross und kleidete Mordechai an und führte ihn hoch zu<br />

Ross über den Stadtplat und rief vor ihm aus: „So geschieht es dem Manne, den der König zu<br />

ehren wünscht!“ 12 Und Mordechai kehrte zurück zur Pforte des Königs und Haman eilte nach<br />

Hause, trauernd und mit verhülltem Haupt. 13 Und Haman erzählte Seresch, seiner Frau, und all<br />

seinen Lieblingsfreunden was ihm widerfahren war. Und seine weisen Männer und Seresch, seine<br />

Frau, sagten zu ihm: „Falls Mordechai, vor dem du zu fallen begonnen hast, ein Judenstämmling<br />

ist, wirst du ihm nichts anhaben können, aber du, du wirst vollends vor ihm zu Fall kommen.“ 14<br />

Während sie noch mit ihm redeten, kamen die Kammerherren des Königs und beeilten sich<br />

Haman zum Gastmahl zu holen, das Esther vorbereitet hatte.<br />

Kapitel 7<br />

1 Und es kam der König und Haman, um mit Esther, der Königin, zu zechen. 2 Und der König<br />

sagte zu Esther auch am zweiten Tag des Gastmahles: „Was ist dein Ersuchen, Königin Esther,<br />

und es soll dir stattgegeben werden! Und was ist deine Bitte? Selbst bis zur Hälfte des<br />

Königreiches – und es soll geschehen!“ 3 Und Esther entgegnete und sagte: „Wenn ich Gunst<br />

gefunden habe in deinen Augen, oh König, und wenn es dem König gefällt, dann werde mir mein<br />

Leben gegeben auf meine Bitte und mein Volk auf mein Ersuchen hin. 4 Denn wir wurden<br />

verkauft, ich und mein Volk, vernichtet zu werden, umgebracht zu werden und unterzugehen.<br />

Wären wir nur als Sklaven und Sklavinnen verkauft worden … ich hätte geschwiegen, denn der<br />

Bedränger achtet nicht auf den Schaden für den König. 5 Da sagte der König Achaschwerosch<br />

und er sagte zu Esther, der Königin: „Wer ist das und wo ist er, der voller Übermut so etwas zu tun<br />

wagt?!“ 6 Und Esther sagte: „Ein Bedränger und ein Widersacher – dieser böse Haman!“ Und<br />

Haman erschrak vor dem König und der Königin. 7 Und der König erhob sich in seiner Wut vom<br />

Weingelage zum Hof- und Lustgarten und Haman bestand darauf, bei Königin Esther um sein<br />

Leben zu flehen, denn er sah, dass das Unheil gegen ihn vom König bestimmt war. 8 Und der<br />

König kam zurück vom Hof- und Lustgarten zum Ort des Weingelages und Haman (war)<br />

hingestreckt auf das Lager, auf dem sich Esther befand. Und der König sagte: „Willst du etwa<br />

auch der Königin Gewalt antun, bei mir im Haus!?“ Das Wort ging aus von dem König Mund und<br />

das Gesicht Hamans wurde verhüllt. 9 Da sagte Charwonah, einer der Kammerherren vor dem<br />

König,: „Auch – siehe! – da ist der Galgen, den Haman für Mordechai gemacht hat, der zum Wohl<br />

des Königs geredet hat, er ist im Haus Hamans aufgerichtet, fünfzig Ellen hoch!“ Und der König<br />

sagte: „Hängt ihn daran auf!“ 10 Und sie hängten Haman an den Galgen, den er für Mordechai<br />

vorbereitet hatte; und die Wut des Königs legte sich.<br />

Kapitel 8


1 An diesem Tag gab der König Achaschwerosch Esther, der Königin, das Haus Hamans, des<br />

Bedrängers der Juden, und Mordechai kam vor den König, denn Esther hatte gesagt, in welcher<br />

Beziehung er zu ihr stand. 2 Und der König streifte seinen Ring ab, den er Haman abgenommen<br />

hatte und gab in dem Mordechai und Esther bestellte Mordechai über das Haus Hamans. 3 Und<br />

Esther fuhr fort und sprach vor dem König und sie fiel nieder vor seinen Füßen und weinte und<br />

flehte in an, das Übel Hamans, des Agagiten, abzuwenden und sein Trachten, das er sich<br />

ausgedacht hatte gegen die Juden. 4 Und der König reichte Esther das goldene Zepter entgegen<br />

und Esther erhob sich und stand vor dem König. 5 Und sie sagte: „Wenn es dem König gefällt und<br />

wenn ich Gunst gefunden habe vor ihm und wenn die Sache recht ist vor dem König und ich gut in<br />

seinen Augen bin, dann möge geschrieben werden, zu widerrufen die Schriftstücke, das Trachten<br />

Hamans, des Sohnes des Hamedatha, des Agagiten, die er geschrieben hat, um die Juden, die in<br />

allen Provinzen des Königs sind, zu vernichten. 6 Denn wie könnte ich mitansehen das Unheil, das<br />

mein Volk treffen wird und wie könnt ich mitansehen die Vernichtung meiner Sippe?“ 7 Da sagte<br />

der König Achaschwerosch zu Esther, der Königin, und zu Mordechai, dem Juden: „Siehe – das<br />

Haus Hamans habe ich der Esther gegeben und sie haben ihn an den Galgen gehängt, weil er<br />

Hand anlegte an die Juden. 8 Und ihr – schreibt bezüglich der Juden, so wie es Gefallen findet in<br />

euren Augen und besiegelt mit dem Königsring; denn ein Schriftstück, das im Namen des Königs<br />

geschrieben und mit dem Ring des Königs besiegelt wurde, kann nicht widerrufen werden.“ 9 Und<br />

es wurden die Schreiber des Königs herbeizitiert zu diesem Zeitpunkt, im dritten Monat – das ist<br />

der Monat Siwan – am dreiundzwanzigsten desselben und es wurde alles genauso geschrieben<br />

wie Mordechai es diktierte: An die Juden und an die Satrapen und an die Statthalter und an die<br />

Fürsten der Provinzen, von Hodu bis Kusch, einhundert und siebenundzwanzig Provinzen. Provinz<br />

um Provinz entsprechend ihrer Schrift und Volk um Volk entsprechend seiner Sprache und an die<br />

Juden gemäß ihrer Schrift und gemäß ihrer Sprache. 10 Und er schrieb im Namen des Königs<br />

Achaschwerosch und besiegelte mit dem Ring des Königs und versandte durch Schnellkuriere zu<br />

Pferd; Reiter auf Rennkamelen, gezüchtet von Dromedaren, 11 dahingehend, dass der König den<br />

Juden in jeder Stadt in der sie sich befinden stattgegeben hat, sich zu sammeln und für ihr Leben<br />

einzustehen, um zu vernichten, umzubringen und auszurotten das gesamte Heer des Volkes oder<br />

der Provinz, die sie bedrängen, kleine Kinder und Frauen und ihre Habe als Beute zu plündern. 12<br />

In einem Tag, in allen Provinzen des Königs Achaschwerosch, am dreizehnten des zwölften<br />

Monats, der der Monat Adar ist. 13 Die Abschrift des Schreibens – auszugeben als Gesetz in jeder<br />

Provinz – wurde allen Völkerschaften bekanntgemacht und damit die Juden bereit seien für diesen<br />

Tag, um sich an ihren Feinden zu rächen. 14 Die Schnellkuriere, Reiter auf Rennkamelen, zogen<br />

eilig und hurtig aus auf Befehl des Königs und das Gesetz wurde gegeben zu Schuschan, der<br />

Hauptstadt.<br />

(Während des Vortrags der Megilla werden die beiden folgenden Verse von den Zuhörern laut<br />

vorgelesen und dann vom Vortragenden wiederholt)<br />

15 Und Mordechai ging fort vom König im königlichen Gewand – blau und weiß – und einer<br />

großen goldenen Krone und einem Umhang aus Leinen und Purpur und die Stadt Schuschan<br />

jauchzte und war fröhlich. 16 Bei den Juden war Licht und Freude und Fröhlichkeit und Ehre.<br />

17 Und in jeder Provinz und in jeder Stadt, (an jedem) Ort, den der Befehl des Königs und sein<br />

Gesetz erreichten: Freude und Fröhlichkeit für die Juden und Festmahl und Festtag. Und viele aus<br />

den Völkern des Landes wurden Juden, denn es fiel die Angst vor den Juden auf sie.<br />

Kapitel 9<br />

1 Und im zwölften Monat – das ist der Monat Adar – am dreizehnten desselben, als der Befehl des<br />

Königs und sein Gesetz in die Tat umgesetzt werden sollten, an dem Tag, an dem die Judenfeinde<br />

gehofft hatten über sie zu herrschen, da war es umgekehrt, da die Juden über ihre Hasser<br />

herrschten. 2 Es versammelten sich die Juden in ihren Städten, in allen Provinzen des Königs<br />

Achaschwerosch, um Hand anzulegen an denen, die ihr Unheil suchten und niemand konnte vor<br />

ihnen bestehen, denn es fiel die Angst vor ihnen auf alle Völker. 3 Und alle Provinzfürsten und<br />

Satrapen und Statthalter und diejenigen, die für den König Arbeiten verrichten, erhoben die Juden,


denn es fiel die Angst vor Mordechai auf sie. 4 Denn groß war Mordechai in Haus des Königs und<br />

sein Ruf ging durch alle Provinzen, weil der Mann Mordechai immer größer wurde. 5 Und die<br />

Juden schlugen alle ihre Feinde mit Schwerthieben und mit Erschlagen und Vernichtung und<br />

verfuhren mit ihnen nach ihrem Belieben. 6 Und in Schuschan, der Hauptstadt, erschlugen die<br />

Juden und vernichteten<br />

(Während des Vortrags der Megilla soll der Vortragende das Folgende in einem Atemzug<br />

vorlesen)<br />

fünfhundert Mann 7 und<br />

Parschandatha und<br />

Dalphon und<br />

Aspatha 8 und<br />

Poratha und<br />

Adalia und<br />

Aridatha 9 und<br />

Parmaschta und<br />

Arissai und<br />

Aridai und<br />

Waisatha 10 die zehn<br />

Söhne Hamans, des Sohnes des Hammedatha, Bedränger der Juden, erschlugen sie, aber nach<br />

der Beute streckten sie nicht ihre Hände. 11 An diesem Tag kam die Anzahl der Erschlagenen in<br />

Schuschan, der Hauptstadt, vor den König. 12 Da sagte der König zu Esther, der Königin: „In<br />

Schuschan, der Hauptstadt, erschlugen und vernichteten die Juden fünfhundert Mann und die<br />

zehn Söhne Hamans. Und in den restlichen Provinzen des Königs, was haben sie da angerichtet?<br />

Was ist dein Ersuchen? Es soll dir stattgegeben werden! Und was ist deine weitere Bitte? Es soll<br />

geschehen!“ 13 Und Esther sagte: „Wenn es dem König gefällt, dann sei es den Juden, die in<br />

Schuschan sind, auch morgen gestattet entsprechend dem heutigen Erlass zu handeln und die<br />

(Leichname der) zehn Söhne Hamans hänge man am Galgen auf.“ 14 Und der König befahl so zu<br />

tun und ein Erlass wurde in Schuschan ausgegeben und die zehn Söhne Hamans hängten sie auf.<br />

15 Da sammelten sich die Juden, die in Schuschan waren, auch am vierzehnten Tag des Monats<br />

Adar und sie erschlugen in Schuschan dreihundert Mann, aber nach der Beute streckten sie nicht<br />

ihre Hände. 16 Und die übrigen Juden, die in den Provinzen des Königs waren, versammelten sich<br />

und standen für ihr Leben ein und verschafften sich Ruhe von ihren Feinden und erschlugen von<br />

ihren Hassern fünfundsiebzigtausend – aber nach der Beute streckten sie nicht ihre Hände – 17<br />

am dreizehnten Tag des Monats Adar und ruhten am vierzehnten desselben und machten ihn zu<br />

einem Tag des Festmahls und der Freude. 18 Und die Juden, die in Schuschan waren,<br />

versammelten sich am dreizehnten desselben und am vierzehnten desselben und ruhten am<br />

fünfzehnten desselben und machten ihn zu einem Tag des Festmahls und der Freude. 19 Aus<br />

diesem Grund begehen die Landjuden, die in offenen Städten wohnen, den vierzehnten Tag des<br />

Monats Adar mit Freude und einem Festmahl und als Festtag und durch das Übersenden von<br />

Leckerbissen untereinander. 20 Und Mordechai schrieb diese Dinge auf und versandte Schreiben<br />

an alle Juden, die in den Provinzen des Königs Achaschwerosch waren, an die Nahen und an die<br />

in der Ferne, 21 um sie zu mahnen, dass sie den vierzehnten Tag des Monats Adar und den<br />

fünfzehnten desselben, Jahr für Jahr begehen sollen, 22 so wie die Tage, als die Juden Ruhe von<br />

ihren Feinden hatten und den Monat, der ihnen umgewandelt wurde von Kummer in Freude und<br />

von Trauer zum Festtag – sie zu Tagen des Festmahls und der Freude und des gegenseitigen<br />

Übersendens von Leckerbissen und Geschenken für die Armen zu machen. 23 Und die Juden<br />

nahmen auf sich, was sie angefangen hatten zu tun und das, was Mordechai ihnen geschrieben<br />

hatte. 24 Denn Haman, der Sohn des Hammedatha, des Agagiten, Bedränger aller Juden, hatte<br />

den Juden danach getrachtet, sie zu vernichten und warf das „Pur“ – das ist das Los – um sie in<br />

Angst zu versetzen und sie zu vernichten. 25 Und als sie vor den König kam, ließ er durch das<br />

Schreiben verlauten, dass sein böses Trachten, das er sich ausgedacht hatte gegen die Juden,<br />

auf sein Haupt zurückkomme und man hängte ihn und seine Söhne am Galgen auf. 26 Deshalb<br />

nannten sie diese Tage „Purim“, nach der Bezeichnung „Pur“; deshalb, wegen all der Worte<br />

(An dieser Stelle pflegt man mit der Megilla etwas zu rascheln)<br />

dieses Sendschreibens und wegen dem, was sie diesbezüglich gesehen hatten und was es ihnen


einbrachte, 27 (deswegen) bestätigten und nahmen die Juden auf sich und auf ihre<br />

Nachkommenschaft und auf alle, die sich ihnen anschließen, unwiderruflich diese zwei Tage zu<br />

begehen entsprechend ihrer Niederschrift und entsprechend ihrer bestimmten Zeit, alljährlich. 28<br />

Und dieser Tage soll gedacht werden und sie sollen begangen werden in jedem Geschlecht, in<br />

jeder Familie und in jedem Land und in jeder Stadt. Und diese Purimtage sollen nicht widerrufen<br />

werden unter den Juden und das Andenken an sie soll nicht zum Aufhören gebracht werden bei<br />

ihren Nachkommen. 29 Dann beschrieben Esther, die Königin, die Tochter des Awichail, und<br />

Mordechai, der Jude, die ganz Macht (der Ereignisse), damit erfüllt werde das zweite<br />

(An dieser Stelle pflegt man ebenfalls mit der Megilla etwas zu rascheln)<br />

Purimsendschreiben. 30 Schreiben wurden versandt an alle Juden, an<br />

einhundertsiebenundzwanzig Provinzen des Königreiches des Achaschwerosch, Worte des<br />

Friedens und der Wahrheit, 31 um diese Purimtage in ihrer bestimmten Zeit zu erfüllen, so wie<br />

Mordechai, der Jude, und Esther, die Königin, es ihnen auferlegt hatten und so wie sie sich selbst<br />

und ihren Nachkommen Fasttage und ihr (klagendes) Aufschreien auferlegt hatten. 32 Das<br />

Geheiß Esthers bestätigte diese mit Purim zusammenhängenden Dinge und es wurde<br />

niedergeschrieben im Buch.<br />

Kapitel 10<br />

1 Und es legte der König Achaschwerosch einen Tribut auf das Land und auf die Inseln im Meer. 2<br />

Und die gesamte Geschichte seiner Macht und seiner Stärke und ein genauer Bericht über die<br />

Größe Mordechais, den der König groß gemacht hatte, sind niedergeschrieben in der Chronik der<br />

Könige von Medien und Persien.<br />

(Während des Vortrags der Megilla wird der folgende Vers von den Zuhörern laut vorgelesen und<br />

dann vom Vortragenden wiederholt)<br />

3 Denn Mordechai, der Jude, war der Stellvertreter des Königs Achaschwerorsch und eine Größe<br />

unter den Juden und beliebt bei der Mehrheit seiner Brüder, das Gute suchend für sein Volk und<br />

Frieden suchend für seine ganze Nachkommenschaft.<br />

DAS <strong>PURIM</strong>-WUNDER<br />

von Dr. William Stern<br />

Wir feiern Purim, weil G-tt die Juden durch ein Wunder von dem damaligen Edikt der völligen<br />

Ausrottung gerettet hat.<br />

Nach dem natürlichen Stand der Dinge war jene persische Ära eine der sorgenlosesten in der<br />

jüdischen Diaspora-Geschichte. Die Juden spielten eine wichtige Rolle im Regierungswesen, war<br />

doch Mordechai, Vorsitzender des Sanhedrin (des jüdischen Gerichtshofes), auch ein<br />

Staatsbeamter, der unter den Versammelten "am Tore des Königs" saß (Esther 2, 21). Esther war<br />

die Gemahlin des Königs. In unserer ganzen Geschichte gibt es keinen Fall außer diesem, da eine<br />

Jüdin die Gattin eines Monarchen war, der über ganze damals zivilisierte Welt herrschte. Folglich<br />

duften sich die Juden damals zuversichtlicher in Sicherheit wähnen, als es je in unserem langen<br />

Exil möglich war.<br />

Was sich aber in Wirklichkeit abspielte, war das genaue Gegenteil: Gerade in jener Epoche<br />

vermeintlicher Sicherheit wurde das Dekret erlassen, alle Juden zu vernichten und<br />

niederzumetzeln, "jung und alt, Kinder und Frauen, alle an einem Tage" (Esther 3, 13). In der<br />

ganzen Geschichte ist dies der schlimmste Erlass, der je gegen Juden ergangen ist. Zu anderen


Zeiten waren sie über verschiedene Länder verstreut. "G-tt hatte uns etwas Gutes getan, dass Er<br />

uns unter die Völker verteilt hatte" (Talmud, Pessachim 87b); denn wenn die Vernichtung der<br />

Juden innerhalb gewisser Staatsgrenzen beschlossen wäre, würde ihnen in anderen Ländern<br />

nichts geschehen, und auch die verfolgten Juden würden vielleicht über die Grenzen fliehen und<br />

anderswo Zuflucht finden können.<br />

Sogar unter Pharao, als es völlig aussichtslos war, aus Ägypten zu entkommen, erstreckte sich<br />

der Erlass nicht auf alle Juden, sondern allein auf die männlichen – was schlimm genug war. Unter<br />

Achaschwerosch hingegen unterstanden sie alle seiner Herrschaft, und keiner konnte fliehen;<br />

denn:<br />

a) er regierte uneingeschränkt über die ganze bewohnte Welt;<br />

b) er wollte sie an "einem" Tage vernichten, und daher blieb ihnen ohnehin keine Zeit zur Flucht;<br />

c) das Edikt erfasste alle ohne Ausnahme.<br />

Wie war es möglich, dass sich die Dinge in einer Epoche scheinbarer jüdischer Sicherheit so<br />

furchtbar zuspitzen konnten? Die Antwort darauf gibt der Talmud (Megilla 12a): Weil sie an den –<br />

jeder jüdischer Sitte und Sittlichkeit abholden – Festlichkeiten des Achaschwerosch teilnahmen.<br />

Hieraus sollte klar hervorgehen, dass das Geschick der Juden auf der einen Seite und eine<br />

"naturgemäße" Entwicklung auf der anderen zwei grundverschiedene Dinge sind. G-ttliche<br />

Vorsehung, für die Juden, unterliegt nicht den Gesetzmäßigkeiten der Natur. Vielmehr hängt ihr<br />

Schicksal allein davon ab, ob sie die Tora und ihre Gebote erfüllen. So war es auch damals in<br />

Persien unlogisch, dass eine natürliche Entwicklung zu einem so schlimmen Edikt führen würde;<br />

doch das Vergnügen, das die Juden an der verbotenen Mahlzeit hatten, dies war es, was – ihrem<br />

speziellen Geschick gemäß – das Vernichtungsdekret heraufbeschwor.<br />

Und als Mordechai und Esther davon hörten, wäre es da an sich nicht "natürlich" gewesen, dass<br />

sie bei Achaschwerosch diplomatisch vorstellig geworden wären? Stattdessen jedoch gab Esther<br />

diesen Auftrag (Esther 4, 16): "Geh hin und versammle alle Juden ..., und fastet für mich drei Tage<br />

lang." Dies war der erste Schritt auf dem Wege zur schließlichen Aufhebung des Ediktes.<br />

Außerdem sagte sie (a.a.O.): "Auch ich und meine Mägde werden so fasten." Nachdem Esther<br />

dem König mehr als alle anderen Jungfrauen gefallen hatte (Esther 2, 17), würde ein drei Tage<br />

anhaltendes Fasten ihrer Schönheit großen Abbruch tun. Wie also ist ihr Entschluss zu verstehen?<br />

Die Antwort ist diese: Wie das Edikt der natürlichen Entwicklung zuwiderlief, genauso musste auch<br />

die Errettung auf nicht normale Weise erfolgen. Nein, die Juden konnten nur durch ihre eigene<br />

Umkehr und Reue gerettet werden, und eines der Mittel hierzu ist das Fasten. Wenn alle Juden in<br />

Schuschan fasten, ist es der Einzelperson nicht gestattet, sich davon auszuschließen; und so ist<br />

es selbstverständlich, dass "auch ich und meine Mägde so fasten" werden. Gewiss, es ist ein<br />

wichtiges Prinzip, dass man sich nicht auf Wunder verlassen soll. Wenn jedoch die Selbststärkung<br />

durch Tora und ihre Gebote ausreichend ist, dann genügt es, dass man sich nach den gegebenen<br />

Realitäten richtet.<br />

______________________________________________________________________________<br />

<strong>PURIM</strong> IST NICHT "NATÜRLICH"<br />

von Dr. William Stern<br />

Der derzeitige jüdische Monat ist der Adar, und Purim steht vor der Tür; und sobald der Adar<br />

beginnt, soll man fröhlicher sein (siehe u.a. Kizzur Schulchan Aruch 141, 1). Allein schon deshalb<br />

ist es angebracht, die tiefere Bedeutung von Purim zu überdenken.


Will man sich bemühen, G-tt wirklich zu "verstehen" und dabei auch die inneren Aspekte des<br />

Lebens als solche zu erforschen, dann ist als erster Schritt dafür der folgende unerlässlich: Wir<br />

können und dürfen nicht unser eigenes "Verstehen" als Vorbedingung für unsere Befolgung der G-<br />

ttlichen Gebote ansehen. In anderen Worten, wir können nicht (sozusagen) G-tt so ansprechen:<br />

"Lass uns erst einmal Deine Gesetze verstehen; dann werden wir sie befolgen."<br />

Als unser Volk am Sinai die Tora entgegennahm, da erklärten sie alle ausdrücklich (Exodus 24, 7):<br />

"Wir werden (zuerst) tun, dann werden wir (versuchen zu) verstehen." Diese Proklamation ist<br />

immer unser Prinzip geblieben, zu allen Zeiten und an jedem Ort. Der Jude muss die Mizwot<br />

einhalten, gleichgültig, ob er ihre tiefere Bedeutung versteht oder nicht; und seine "Erfahrung mit<br />

den Mizwot" wird schließlich auch die Fähigkeiten seines Verstandes entwickeln, wozu ihm dann<br />

auch G-ttliche Hilfe zur Seite stehen wird.<br />

Ähnlich ist ebenfalls die Einstellung unseres Volkes zu unserer Geschichte gewesen. Die Juden<br />

haben immer und überall eingesehen, dass man unsere Geschichte nicht aufgrund natürlicher<br />

Gesichtspunkte oder den Einflüssen von Naturkräften zufolge begreifen kann, sondern allein auf<br />

der Basis der G-ttlichen Vorsehung, welche über unserem Ermessen und jenseits unseres<br />

Begriffsvermögens liegt. Ein deutliches Beispiel hierfür ist das Purimfest. Achaschwerosch, ein<br />

absoluter Herrscher, hatte einen Erlass unterschrieben, gesiegelt und zur Ausführung kommen<br />

lassen, der die Vernichtung der gesamten jüdischen Bevölkerung in allen 127 Provinzen seines<br />

riesigen Reiches vorsah. Es schien auch nicht der Schimmer einer Hoffnung auf Rettung zu<br />

bestehen. Rein logisch konnten die Juden einfach nicht verstehen, warum ein so furchtbares<br />

Dekret über sie ausgesprochen worden war. Haman hatte sie angeklagt, dass sie ihren eigenen<br />

Gesetzen, ihrem eigenen Lebensweg folgten. Wenn dies aber stimmte, dann hätten sie doch<br />

gerade nicht in eine solche Gefahr versetzt werden dürfen, weil doch die Tora eine "Torat Chajim"<br />

ist – also ein Weg zum Leben und nicht zum Tode.<br />

Trotzdem blieben die Juden während des ganzen Jahres, in dem das Dekret wirksam war,<br />

standhaft in ihrem Glauben und in ihrer G-ttestreue. Dabei hätte es doch eigentlich der Logik<br />

entsprochen, dass sich nur ein möglicher Ausweg aus der Todesgefahr zeigte – nämlich genau die<br />

umgekehrte Richtung einzuschlagen, das heißt also, ihre Weltanschauung, ihren Lebensweg<br />

aufzugeben und in der nichtjüdischen Bevölkerung aufzugehen. Aber nicht ein einziger Jude und<br />

nicht eine einzige Jüdin wählte diese scheinbar "logische" Lösung des Problems.<br />

Im Gegenteil, ihre Errettung war wieder einmal nichts anderes als ein Wunder. Es handelte sich<br />

um eine Kette von Ereignissen, die ihr Geschick umkehrte – vom Untergang zu neuem Leben,<br />

dem physischen wie dem geistigen, und von Trauer zu Freude.<br />

Damit denn können die Worte der Estherrolle (9, 28) "Diese Tage sollen in Erinnerung gehalten<br />

und ausgeführt werden" besser verstanden werden: Die Erinnerung an unsere Beziehungen zu G-<br />

tt muss sofort zur Ausführung Seiner Vorschriften hinleiten. Dadurch, dass die Juden G-ttes<br />

Gebote einhalten, ungeachtet jeder Neigung in die umgekehrte Richtung, wie diese vom inneren<br />

Feinde (dem bösen Trieb) ausgelöst werden mag, bleiben sie mit G-ttes Tora und Seinen Mizwot<br />

behaftet und verbunden; und dadurch ist unser Volk unzerstörbar.<br />

______________________________________________________________________________<br />

<strong>PURIM</strong> UND ASSIMILATION<br />

von Dr. William Stern<br />

Eine der spezifisch für Purim geltenden Vorschriften ist die Mizwa von "Schallach Manot"; sie legt<br />

fest, dass wir an jemand anderen zwei Sorten von Lebensmitteln schicken sollen. Einer bekannten<br />

Erklärung zufolge geht diese Mizwa im Grunde darauf zurück, dass wir mit ihr für ein Vergehen


sühnen, welches eine Reihe von Juden zur Zeit der Purim-Ereignisse begangen haben.<br />

Wie die Estherrolle berichtet, ließ Achaschwerosch, der König von Persien, eine Anzahl<br />

großartiger Gelage und Festmahle geben, wobei das Essen und die Getränke natürlich nicht<br />

koscher waren. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die von seinen Vorgängern geraubten<br />

heiligen Geräte des Tempels in Jerusalem, die er nun in Gewahrsam hatte, benutzt und profaniert.<br />

Nichtsdestoweniger nahmen manche Juden an diesen Gelagen teil, und sie aßen auch die nichtkoscheren<br />

Speisen.<br />

Nun wird Purim bekanntlich in Erinnerung an den Sturz Hamans gefeiert; und Hamans Ende kam,<br />

nachdem die Juden ihr Vergehen aufrichtig bereut hatten und zu G-tt zurückgekehrt waren. Die<br />

Festlichkeiten schließen spezifisch die Mizwa von "Schallach Manot" ein, das Senden von<br />

Lebensmitteln; damit geben wir unserer eigenen G-ttergebenheit Ausdruck, insbesondere aber der<br />

getreuen Observanz Seiner Kaschrut-Gesetze.<br />

Weiterhin jedoch lässt sich noch eine tiefere Erklärung für diese Vorschrift geben, wie folgt:<br />

Persien war damals das mächtigste Reich der Erde. Es konnte sich einer Zivilisation rühmen, die<br />

als die fortschrittlichste der Zeit galt. Demgegenüber war die Lage der Juden eine, die sie fast zur<br />

Verzweiflung brachte. Das Heilige Land und der Tempel lagen in Trümmern. Manche konnten sich<br />

des Eindruckes nicht erwehren; als habe G-tt Sein Volk im Stich gelassen. Gewisse Leute hatten<br />

sogar Berechnungen angestellt, gestützt auf Aussagen der Propheten, denen zufolge das Exil<br />

hätte enden sollen, und doch war die versprochene Befreiung nicht eingetreten. Wie der Midrasch<br />

bemerkt, lieferten gerade diese Ansichten einen Grund mehr für Achaschwerosch, seine<br />

prunkhaften Gelage abzuhalten und es dabei zu wagen, die heiligen Tempelgeräte zu entweihen.<br />

Unter diesen Umständen meinten viele Juden, sie könnten diese Einladung des Herrschers über<br />

dieses mächtige Reich, gerichtet an Vertreter aller Nationen einschließlich der jüdischen, nicht von<br />

sich weisen. Die Versuchung war zu stark; und es schreckte sie auch nicht ab, dass diese<br />

pomphaften Festlichkeiten eine "neue Ära" völliger Assimilation einleiten sollten. Was sie<br />

besonders verleitete, das war die magnetische Losung: "Kein Zwang!" (Esther 1, 8). Auf diese<br />

Weise machten sie sich selbst noch zu Helfershelfern bei der Entweihung der heiligen Geräte des<br />

Tempels.<br />

Symbolisch nun stand diese Profanierung für die Entweihung der G-ttlichen Seele selbst, die doch<br />

das "Heiligtum" jeder einzelnen Person ist. Zweck und Aufgabe der Seele, als G-ttlicher Funke, ist<br />

es, die Umwelt mit dem Lichte der höchsten G-ttlichen Ideale zu erhellen. Nicht nur, dass diese<br />

schwachen Juden also die Mission ihrer Seele auf der Erde nicht erfüllt hatten – sie gaben durch<br />

ihre Teilnahme am Gelage sogar noch weiteren Ansporn für die Kräfte von Assimilation und<br />

Finsternis. Dadurch dass sie die "Speisen" eines Achaschwerosch zu sich nahmen, vergifteten sie<br />

gleichzeitig Körper und Seele.<br />

So erinnert Purim uns daran, dass wir uns von dem äußeren Glanz fremder Zivilisationen nicht<br />

betören lassen sollen; allen Reizen der Assimilation müssen wir aktiven Widerstand leisten.<br />

______________________________________________________________________________<br />

<strong>PURIM</strong>-NAMEN UND BEDEUTUNG<br />

von Dr. William Stern


Am Purim muss die Megillat Esther (die Estherrolle) zweimal vorgelesen werden, am Abend und<br />

dann wieder am Morgen. Dazu sagt die Mischna (Megilla 2, 1): "Wer die Megilla falsch herum<br />

(wörtlich: rückwärts) liest, hat seine Pflicht nicht erfüllt."<br />

Der Baal Schem Tov, der Begründer des Chassidismus, hat erklärt, dass dies auf einen Menschen<br />

Bezug nimmt, der beim Lesen der Megilla die falsche Meinung hegt, die darin erzählte Geschichte<br />

habe sich zwar in der Vergangenheit zugetragen, sie sei aber belanglos für heute (also: er liest sie<br />

tatsächlich "rückwärts", im Sinne von "rückblickend"), und daher erstrecke sich das Wunder von<br />

Purim nicht auch auf die Gegenwart. Wer so denkt, hat seine Pflicht nicht erfüllt; denn der Zweck<br />

des Vorlesens der Megilla besteht sehr maßgeblich darin, dass man lernt, wie man als Jude sich<br />

in der Gegenwart verhalten sollte.<br />

Dieser Gesichtspunkt ist erheblich für die Megilla in ihrer Gesamtheit, wie auch für jeden einzelnen<br />

Vers in ihr. Noch wichtiger jedoch ist dieses Prinzip, insbesondere, in Bezug auf den Vers, der<br />

davon spricht, wie das Purim-Fest seinen Namen erhalten hat. Denn überall ist gerade der Name<br />

einer Sache oder eines Gegenstandes ein Wegweiser auf den Kern, den wesentlichen Charakter.<br />

Wenn wir aber jenen Vers (Esther 9, 26), der so uns die innere Bedeutung von Purim übermittelt,<br />

in einer Weise lesen würden, als sei er nur für die Vergangenheit erheblich, dann würden wir an<br />

seiner ewigen Botschaft für <strong>Israel</strong> und für den Juden "vorbeilesen", wir würden sie völlig<br />

missverstehen.<br />

Der Vers lautet: "Darum nannten sie diese Tage Purim (das ist: Lose), wegen des Loses", welches<br />

Haman geworfen hatte, um damit festzusetzen, an welchem Tage die Juden vernichtet werden<br />

sollten.<br />

Das Wort "Pur" für "Los" ist kein hebräisches, sondern ein persisches Wort (s. Ibn Esra zu Esther<br />

3, 7). Deshalb wird es in der Megilla selbst ins Hebräische übersetzt (Esther 9, 24): "Pur das ist<br />

Goral (Los)." Warum also erhält dieses Fest einen persischen statt den gleichbedeutenden<br />

hebräischen Namen "Goralot"? Alle anderen Festtage, ohne Ausnahme, haben hebräische<br />

Namen.<br />

Zusätzlich ist zu betonen, dass andere Feste, die an Befreiungen erinnern, dieser Tatsache in<br />

ihrem Namen Ausdruck verleihen. Hier, bei Purim aber, wird durch den Namen die Befreiung nicht<br />

angedeutet, sondern er weist, im Gegenteil, auf die Gefahr hin, die den Juden drohte; das ist eben<br />

jene Lotterie, mit deren Hilfe Haman sie zerstören wollte.<br />

Und schließlich: In der ganzen Megilla ist der Name G-ttes nicht erwähnt; er ist "verhüllt".<br />

Als Antwort müssen wir auf das oben genannte Prinzip zurückkommen, nämlich dass das Wesen


einer Sache eben durch ihren Namen angedeutet ist. Auf das Wesen von Purim nun wird, erst<br />

einmal, mit dem Namen "Esther" hingewiesen; denn "Esther" ist "Verbergen", "Verhüllen". Esther<br />

geht auf "Hester" zurück – und das heißt, etwas zu "verhüllen". Daneben aber ist auch der<br />

umgekehrte Begriff von Enthüllung angezeigt, und zwar in dem Worte "Megilla"; denn diese<br />

bedeutet genau "Enthüllung". So denn ist unsere "Megillat Esther" die "Enthüllung des<br />

Verborgenen".<br />

Analog zu dem Namen des Buches lassen sich diese beiden Gegensätze, Verbergen (Esther) und<br />

Enthüllung (Megilla), auch im Zusammenhang mit dem Feste selbst herausschälen. Auf der einen<br />

Seite ist die Idee von Verhüllung im Namen "Purim" enthalten, einem persischen Worte und dazu<br />

einem Worte, das in direkter Verbindung mit der Verfolgung der Juden steht. Auf der anderen<br />

Seite ist dies ein Fest, das mehr als alle anderen mit Freuden und Frohlocken begangen wird, wo<br />

sogar der Genuss von Alkohol anempfohlen wird – eine Festlichkeit, deren Frohsinn alle Grenzen<br />

überschreitet.<br />

Für den Juden gilt in vielfacher Hinsicht, dass gerade in der tiefsten Verborgenheit für ihn die<br />

Enthüllung zu finden ist. Das ist in der Tat eine wichtige Lehre für die Gegenwart, da aus der<br />

augenblicklichen Verborgenheit die Enthüllung des messianischen Zeitalters erstehen wird.<br />

______________________________________________________________________________<br />

DAS "ANDAUERNDE FESTMAHL"<br />

von Dr. William Stern<br />

Nachdem in diesem Schaltjahr der 1. Adar (Adar Rischon) der "zusätzliche" Monat ist, wird Purim<br />

natürlich erst im 2. Adar gefeiert. Nichtsdestoweniger fällt in den augenblicklichen Monat "Klein-<br />

Purim" ("Purim Katan").<br />

Dazu legt R. Moses Isserles ("R'mo") in seiner Glosse zum Schulchan Aruch (Orach Chajim, Kap.<br />

697) fest, dass man Purim Katan in gehobener Stimmung und mit einer besseren Mahlzeit als<br />

gewöhnlich begehen soll; auf jeden Fall soll man zu den "normalen" Speisen noch etwas<br />

hinzufügen. Er zitiert den Vers aus den Sprüchen Salomons (15, 15): "Und wer guten Mutes ('Tov<br />

Lev' – wörtlich: 'von gutem Herzen') ist, hat ein andauerndes Festmahl." Damit will der "R'mo"<br />

offensichtlich darlegen, dass man jede Gelegenheit für Freude und Frohsinn, wenn immer sie sich<br />

einstellt, wahrnehmen soll.<br />

Zu diesem Verse aus den Sprüchen Salomons bemerkt sodann der Talmud (Baba Batra 145b),<br />

das der Ausdruck "Tov Lev" eine Person beschreibt, welche mit "Da'at Rechawa" (einem<br />

"ausgebreiteten Geist") ausgestattet ist. Nach Raschis Kommentar zum Verse ist dies ein Mensch,<br />

der mit seinem Los und seinem Anteil zufrieden ist. Sicherlich stehen diese beiden Auslegungen in<br />

enger Beziehung zueinander, in dem Sinne, dass ein "ausgebreiteter Geist" dazu führt, dass ein<br />

Mensch glücklich und zufrieden ist.<br />

Nun hätte man meinen können, ein solcher Gemütszustand hänge sehr davon ab, wie G-tt mit<br />

dem betreffenden Menschen verfährt. Wenn die G-ttliche Vorsehung ihm freundlich und<br />

sympathisch "gesinnt" ist und ihm daher alles gewährt wird, das er benötigt, dann hat er keine<br />

Sorgen; wenn aber die Vorsehung ihn auf andere Art behandelt, dann wären bei ihm Kummer und<br />

Sorgen zu erwarten.<br />

Dem Talmud zufolge kann dies jedoch nicht stimmen: Denn wer "Tov Lev" ist, hat ein<br />

"andauerndes Festmahl"; und nachdem dies, wie der Talmud lehrt, gleich einem "ausgebreiteten<br />

Geist" ist, muss diese Zufriedenheit für alle Umstände und Zustände gelten, in welcher Form auch<br />

immer sie auftreten.


Bezeichnend in gerade diesem Zusammenhang ist eine Erklärung des "Alten Rebben", des<br />

Begründers der Chabad-Lubawitsch-Bewegung: Im Machsor für Jom Kippur, und zwar im Ne'ila-<br />

Gebet, findet sich ein liturgischer Passus folgenden Inhaltes: "Die Bedürfnisse Deines Volkes sind<br />

groß, aber ihr Verständnis ist klein." Der "Alte Rebbe" hat dies so erklärt: "Warum also sind die<br />

Bedürfnisse Deines Volkes groß? Eben weil ihr Verständnis so klein ist." Wäre ihre Einsicht, ihr<br />

Geist "ausgebreitet" gewesen, dann hätte sich gar nicht erst eine Situation ergeben, in der die<br />

Bedürfnisse Deines Volkes sich als so groß erweisen!<br />

Dies genau ist, was die oben angeführte Talmud-Stelle lehrt: Ist jemand zufrieden (ist sein Geist<br />

"ausgebreitet"), dann ist er "Tov Lev", guten Mutes und guten Herzens, dann benötigt er nichts<br />

mehr – er hat alles, das er braucht.<br />

Eine solche Person nun, deren Geist "ausgebreitet" ist, lässt sich von materiellen Dingen dann<br />

nicht übermäßig beeindrucken. Alles Materielle ist schon der Definition nach beschränkt und<br />

eingeengt; folglich kann so etwas gerade einem "ausgebreiteten" Geist nicht imponieren. Dieser<br />

Mensch will vielmehr "in die Breite gehen" und der Tora und den Mizwot folgen, die nicht den<br />

Begrenzungen dieser Welt unterliegen. Sondern sie tragen den Stempel von Unendlichkeit, von<br />

wahrer Breite und Weite. Und für einen "ausgebreiteten" Geist ist nur dies von eigentlichem Wert<br />

und Interesse.<br />

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MEIN VOLK<br />

von Dr. William Stern<br />

Haman stand vor Achaschwerosch, dem mächtigen Herrscher über die 127 Provinzen des<br />

persischen Reiches, und unterbreitete dem König eine Reihe von "Gründen", weshalb er<br />

vorschlug, das jüdische Volk müsse vernichtet werden. "Da gibt es ein Volk," so sprach er,<br />

"welches verbreitet und verstreut unter den Völkern lebt ... Ihre Gesetze sind verschieden von<br />

denjenigen jedes anderen Volkes, und die Gesetze des Königs führen sie nicht aus. Deswegen"<br />

so schloss Haman, "lohnt es sich für den König nicht, sie existieren zu lassen" (Esther 3, 8-9). Der<br />

König stimmte ihm bei und erließ das verhängnisvolle Dekret zur Vernichtung <strong>Israel</strong>s.<br />

Später, als Esther den König anflehte, das Dekret rückgängig zu machen, da ließ sie sich – so<br />

müssen wir feststellen – gar nicht darauf ein, Hamans "Gründe" zu widerlegen. Sie erbat sich nur:<br />

"Möge doch mein Leben mir durch diese meine Bitte gewährt werden und mein Volk durch mein<br />

Ersuchen. Denn wir sind verkauft worden, ich und mein Volk, um erschlagen zu werden und<br />

unterzugehen" (Esther 7, 3-4). Diese Worte machten einen so tiefen Eindruck auf<br />

Achaschwerosch, dass sein Zorn sofort entbrannte und er wütend ausrief (ibid., Vers 5): "Wer ist<br />

dieser, und wo ist er, der sich untersteht, so etwas zu tun?!"<br />

Wie ist dieser plötzliche Umschwung in der Haltung des Königs zu verstehen? Nur ganz kurz<br />

vorher stimmte er mit Haman darin überein, dass es sich nicht "lohne", die Juden leben zu lassen.<br />

Zudem widersprach Esther keiner von Hamans Behauptungen. Sie bestritt nicht, dass – so Haman<br />

– die Juden "verbreitet und verstreut unter den Völkern leben". Sie focht seine Behauptung nicht<br />

an, dass "ihre Gesetze verschieden sind von denjenigen jedes anderen Volkes"; und sie leugnete<br />

auch nicht ab, dass die Juden die Gesetze des Königs nicht ausführten (wo immer diese gegen<br />

die Vorschriften der Tora verstießen). Das einzige, das sie zum Ausdruck brachte, war, dass die<br />

Juden ihr Volk waren (eine Tatsache, die dem König vordem nicht bekannt war).<br />

Doch in diesen einfachen Worten "mein Volk" liegt der Schlüssel für die außerordentliche<br />

Wirksamkeit ihrer Antwort. Was sie damit meinte, war dieses:<br />

"Du, o König, hast all die schönsten Frauen aus den 127 Provinzen deines Reiches kommen


lassen, um aus ihnen eine Königin auszuwählen. Noch ein zweites Mal versammeltest du die<br />

gefälligsten Jungfrauen deines riesigen Reiches. Und wer allein aus diesem gewaltigen Aufgebot<br />

fand Gunst in deinen Augen? – Eine Tochter des jüdischen Volkes. Und noch mehr: Diese jüdische<br />

Tochter gefiel dir nicht deshalb, weil sie persischem Gesetz und Brauchtum folgte; im Gegenteil,<br />

sie verhielt sich – selbst in ihren eigenen Palaste – wie eine wahre Tochter ihres Volkes. Sie<br />

handelte genau so wie Haman es beschrieben hat".<br />

Esthers Gedankengang ging ganz logisch weiter: "Haman sagt: 'Ihre Gesetze sind verschieden.'<br />

Das ist absolut wahr. 'Deine Königin isst nicht deine Speisen, und sie trinkt nicht deinen Wein. Dir<br />

ist bekannt, dass sie sieben Mägde zu ihrer Bedienung angestellt hat, eine für jeden Tag der<br />

Woche. Und warum? Damit sie nie vergesse, welchen Tag sie als den heiligen Schabbat zu<br />

begehen hat. Haman sagt: 'Die Gesetze des Königs führen sie nicht aus'. Auch das stimmt. Ich<br />

beuge mich nicht vor deinen Götzen, noch bin ich bereit, mich in irgendeiner Weise unanständig<br />

zu benehmen. Somit ist Hamans Schilderung der Lebensführung meines Volkes in jeder Hinsicht<br />

richtig. Aber seine Schlussfolgerung – nämlich, dass es sich für den König nicht "lohnt", sie leben<br />

zu lassen –, diese Schlussfolgerung ist ganz und gar falsch und boshaft. Indem du mich als<br />

Königin gewählt hast, damit hast du selbst Hamans Argument zurückgewiesen; du hast damit<br />

gezeigt, dass sich die Existenz meines Volkes ganz gewiss "lohnt". Unser unterschiedliches<br />

Verhalten, unsere nicht zu besiegende Treue unserem Glauben gegenüber: diese sind es, die<br />

unsere Einzigartigkeit und unseren Wert beweisen."<br />

In dieser Treue zu G-tt, Seiner Tora und ihren Vorschriften liegt das Geheimnis für den<br />

Fortbestand unseres Volkes begründet; und dies ist auch der einzige Weg für uns, um die Achtung<br />

der Umwelt und ihrer führenden Persönlichkeiten zu bewahren.<br />

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DIE "EINIGKEITS-GEBOTE" VON<br />

<strong>PURIM</strong><br />

von Dr. William Stern<br />

Von den spezifisch zu Purim gehörenden Vorschriften sind zwei leichter zu erfüllen und weniger an<br />

Bedingungen und Vorbereitungen gebunden als die übrigen. Diese zwei "leichteren" Vorschriften<br />

sind Mischloach Manot (das Senden von Nahrungsmitteln an Freunde oder Bekannte) und<br />

Mattanot La'ewjonim (wohltätige Spenden für Arme). Die Fähigkeit, diese zu erfüllen, ist für jeden<br />

"nahe bei der Hand" und unterliegt keinen Beschränkungen, und zwar schon deshalb, weil sie<br />

noch mehr als die anderen Gesetze das wesentliche Thema von Purim repräsentieren und vor<br />

Augen führen.<br />

In den Tagen des Königs Nebuchadnezzar von Babylon – der eine Generation vor den Purim-<br />

Ereignissen lebte – hatten viele Juden vor Götzenbildern niedergekniet, und zwar auf den Befehl


des Königs. Obwohl sie dieses aus Angst getan hatten, war es trotzdem eine große Sünde<br />

(Megilla 12a; siehe auch Manot Halevi zu Esther von R. S. Alkabets), denn Götzendienst bedeutet<br />

eine Ableugnung des Einzigen G-ttes.<br />

Das alle Juden einigende Prinzip ist der Glaube an den Einzigen G-tt. Daher ist das Endergebnis<br />

von Götzendienst, dass die Bande des jüdischen Volkes geschwächt werden. Nach dem<br />

Götzenkult zur Zeit von Nebuchadnezzar entstanden Spaltungen und Zwietracht. Deshalb konnte<br />

Haman später die Juden anklagen, "ein Volk, das zerstreut und geteilt ist ...", zu sein (Esther 3, 8);<br />

er deutete damit an, dass <strong>Israel</strong>, welches "ein" Volk – nämlich geeint – sein sollte, statt dessen<br />

innerlich gespalten war und in Zwietracht lebte.<br />

Mischloach Manot und Mattanot La'ewjonim sind die Antwort auf Haman. Sie sind unsere<br />

"Wiedergutmachung" für die Uneinigkeit des ersten Purims. Sie drücken Zusammengehörigkeit,<br />

Einheit und die brüderliche Liebe jedes einzelnen Juden zum anderen aus (Manot HaLevi, ibid.).<br />

Das gilt besonders von Mattanot La'ewjonim. Mischloach Manot – ein Geschenk – ist das<br />

Schicken von Esswaren an den Freund, mit dem man sich auf jeden Fall nahe verbunden fühlt.<br />

Aber das Geben von Almosen bedeutet, dass man einem Ewjon hilft. Ein Ewjon wird als "einer, der<br />

sich nach allen Dingen sehnt", definiert (Wajikra Rabba 34, 6; Midrasch Mischle 22; Raschi zu<br />

Deut. 15, 4; siehe auch Maimonides, Ende der Hilchot Megilla), das heißt: einer, der gar nichts<br />

besitzt, weder körperliche noch geistige Güter – jemand, der überhaupt mittellos ist. Jedoch,<br />

selbst als Niedrigster der Niedrigen ist er noch ein Jude; und am Purim drücken wir durch unsere<br />

Hilfe an ihn die Einheit und gegenseitige Abhängigkeit aller Glieder unseres Volkes aus.<br />

Leider ist es unserem Jezer Hara (Bösen Trieb) gelungen, diese beiden Mizwot zu unterdrücken.<br />

Trotz ihrer Wichtigkeit zu Purim und obwohl es leicht ist, sie zu befolgen, sind sie<br />

eigentümlicherweise die am meisten vernachlässigten Vorschriften! Dies ist besonders bei Kindern<br />

und Jugendlichen der Fall. In Wirklichkeit sollten auch Kindder unter Barmizwa – oder Batmizwa-<br />

Alter (Knaben unter 13 und Mädchen unter 12) ermutigt werden, diese Mizwot zu erfüllen – als ein<br />

wesentlicher Bestandteil ihrer jüdischen Erziehung. Selbstverständlich sind alle nach Barmizwa –<br />

und Batmizwa-Alter verpflichtet, sie zu erfüllen.<br />

Es ist die Pflicht aller, die Einfluss auf unsere Jugend haben, Knaben und Mädchen anzuhalten,<br />

die Gebote von Mischloach Manot und Mattanot La'ewjonim auszuführen. Lehrer und Erzieher<br />

können darauf hinweisen, wie leicht dieses ist. Es bedarf nur eines Stückchen Kuchen und einer<br />

Flasche Limonade, die Pflicht von Mischloach Manot zu erfüllen. Man benötigt nur zwei Groschen<br />

für zwei Arme, und die Mizwa von Mattanot La'ewjonim ist ausgeführt. Sie sind so leicht – und sie<br />

sind die Mizwot, die das wesentliche Leitmotiv von Purim betreffen: die Einheit unseres Volkes.<br />

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SIE KLOPFEN AN DIE TÜR!<br />

von Dr. William Stern<br />

Bald ist Purim; und so soll heute wieder einmal betont werden, dass das Wunder der Errettung<br />

unseres Volkes im damaligen Persien darauf beruhte, dass (s. Midrasch, Esther Rabba 9, 5)<br />

Mordechai 22.000 jüdische Kinder versammelte und sie die Tora lehrte. Auch heute ist das<br />

Geheimnis des jüdischen Fortbestandes dasselbe; er hängt ab von der Erziehung der jüdischen<br />

Jugend im Geiste der Tora und ihrer Vorschriften.<br />

Jedes Zeitalter hat für das Leben der Juden seine spezifischen Probleme; immer sind Lücken zu<br />

füllen. In jeder Generation erwächst uns die Aufgabe, unsere jüdischen Bemühungen auf ein ganz<br />

besonderes Gebiet zu konzentrieren, womit wir dann das spezifische Problem der Zeit zu lösen<br />

suchen. Im Auf und Ab unserer langen Geschichte haben sich unsere Führer nicht selten<br />

gezwungen gesehen, alle Quellen ihrer Weisheit anzuzapfen, um feststellen zu können, worin


genau die Verantwortung der jüdischen Führerschaft für ihre Generation bestand.<br />

Im Laufe der Zeit jedoch hat sich die Statur vieler unserer Führer vermindert, und man kann sich<br />

nicht mehr ausschließlich auf ihre Intuition verlassen, um das jeweilige "Problem des Augenblicks"<br />

aufzuspüren. In unseren Tagen kommt hinzu, dass unsere jüdische Pflicht und Verantwortung so<br />

schwerwiegend ist, dass G-tt selbst es (sozusagen) nicht riskieren kann, sich allein auf unsere<br />

Einsicht zu verlassen, dass wir die volle Tragweite unserer Verpflichtung erkennen und demgemäß<br />

handeln. Was wir zu tun haben, unterliegt daher nicht der Mutmaßung, sondern unsere Aufgabe<br />

ist völlig klar, ihre eigene "Botschaft" ist unmissverständlich: Es ist dies die Pflicht, unsere geistig<br />

ausgehungerte Jugend zu belehren.<br />

Unsere jungen Menschen hämmern an unsere Türen; sie überlassen es uns gar nicht mehr, erst<br />

einmal die Prioritäten auszuklügeln, die notwendig sind, um ein lebenskräftiges Judentum zu<br />

erhalten. Die Situation lässt sich mit dem Zustand eines Menschen vergleichen, dem eine<br />

bestimmte Summe für wohltätige Zwecke zur Verfügung steht, der sich aber zuerst einmal lange<br />

überlegt, wem und zu welchem Zwecke genau er Unterstützung geben soll. Wenn inzwischen<br />

jedoch ein hungriger Armer kommt und um Geld bettelt, damit er Brot für sich und seine Familie<br />

kaufen kann, müssen alle solchen theoretischen Spekulationen sofort aufhören. Zu dem Manne,<br />

der sich mit dem Problem der Geldverteilung noch weiter herumschlägt, können wir dann nur<br />

sagen: "Wozu diese weiteren Überlegungen? Hier ist der Mensch, dessen Leben du retten kannst;<br />

und dies ist nun ein 'Muss'."<br />

In einer solchen Lage befanden sich in früheren Zeiten jüdische Gemeinden oft; sie mussten sich<br />

genau überlegen, zu welchen Zwecken sie die ihnen anvertrauten Summen ausgeben konnten.<br />

Heute sollte derartige Zweifel nicht mehr existieren; denn diejenigen, die jüdische Erziehung so<br />

dringend benötigen (unsere Jugend), kommen von selber gelaufen und verlangen mit allem<br />

Nachdruck, das ihr geistiger Hunger gestillt werde. Indessen, nachdem vielen von ihnen jede<br />

jüdische Grundlage fehlt, sind sie häufig nicht einmal der Lage, ihre Bedürfnisse klar und präzise<br />

zu artikulieren.<br />

So sagen sie zum Beispiel nicht: "Wir brauchen eine Tora-Erziehung, angefangen mit Alef-Bet,<br />

und dann immer weiter fortschreitend." Nein, stattdessen schreien sie: "Unser Leben ist leer und<br />

sinnlos." Das Paradoxon ist also, dass ihnen die jüdische Erziehung fehlt, aufgrund derer sie<br />

überhaupt erkennen könnten, dass sie – im Unterbewusstsein – nur nach Judentum verlangen!<br />

Nur eines wissen sie, nämlich dass ihr Leben eine leere Hülle ist, ziellos und bedeutungslos. Jeder<br />

von ihnen ist sich bewusst, dass ihm viele Lebensjahre bevorstehen, und dass G-tt ihm<br />

verschiedene Fähigkeiten gegeben hat; er weiß aber überhaupt nicht, zu welchem Zwecke er<br />

diese herrlichen Gaben G-ttes lohneswert "angelegen" könnte. Was immer er bisher mit seiner<br />

Zeit und Energie getan hat, konnte ihn nicht wirklich zufriedenstellen.<br />

In der Tora-Erziehung allein liegt die Errettung des jüdischen Volkes und die Gewährleistung<br />

seines Fortbestandes. Dem Hämmern der Jugend an unsere Türen dürfen wir uns nicht taub<br />

stellen.<br />

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TAANIT ESTHER UND <strong>PURIM</strong>


Ein Kind bekam von seinen Eltern ein großes Set mit Buntstiften geschenkt, mit welchem es<br />

wunderbare Bilder malte.<br />

Eines Tages waren seine Eltern ein paar Stunden außer Haus. Das Kind nutzte diese Zeit und<br />

malte, doch nicht auf normales Papier, sondern auf alle Wände des Wohnzimmers, wunderbare<br />

Bilder. Als die Eltern nach Hause kamen, waren sie zutiefst bestürzt. Zuerst wurden nun die<br />

Zimmerwände von den Gemälden befreit, doch zugleich galt es zu überlegen in welcher Form<br />

man dem Kind verdeutlichen sollte, dass seine Handlung falsch war.<br />

Hierfür ergaben sich zwei Möglichkeiten:<br />

1 „Mein Kind, gib mir das Set mit Buntstiften. Diese wirst du erst wiedersehen, wenn du sie<br />

an dein eigenes Kind geben kannst.“ (oder du wirst sie niemals wiedersehen etc.) - du hast<br />

durch die Buntstifte gesündigt, du verlierst die Buntstifte.<br />

2 Das Kind nach der Schule an den Tisch zu setzen und ihm zu sagen: „Du hast das<br />

Geschenk, die Buntstifte, missbraucht und sieh dich um was passiert ist.“ Doch das Kind<br />

wird seine Buntstifte nicht verlieren, sondern man gibt ihm Papier und sagt zu ihm: „Hier ist<br />

Papier. Ich möchte, dass du in der nächsten Stunde Bilder malst, und zwar so schön du<br />

kannst. Diese Bilder kommen dann einem besonderen Zweck zu. Wir gehen zusammen<br />

zum Kinderkrankenhaus und hellen die Tage und die Leben der dortigen Kinder, mit diesen<br />

wundervollen Bildern, auf, welche du malen wirst.“<br />

Dies ist ebenfalls eine Art von „Bestrafung“ und mehr als das, es ist ein Tikkun der Aktion, die<br />

hervorgerufen wurde durch die so problematische Nutzung der Buntstifte. In der Purimgeschichte<br />

erleben wir etwas vergleichbares.<br />

Die Juden in Schuschan nahmen an Feiern von Achaschwerosch teil, und sie genossen diese.<br />

Doch sie hätten daran nicht teilnehmen und sich nicht erfreuen dürfen. Achaschwerosch war nicht<br />

dafür bekannt Feiern aus Spaß abzuhalten.<br />

Er prahlte mit geplünderten Gegenständen und stellte sie zur Schau, er stolzierte mit den Kleidern<br />

des Kohen Gadol herum, nicht als ein Kostüm, sondern genau den Kleidungsstücken aus dem<br />

Tempel, den G-tt <strong>Israel</strong>s verspottend.<br />

Kein Jude hatte das Recht an einer derartigen Party teilzunehmen und erst recht nicht zu lachen,<br />

zu scherzen und sich daran zu erfreuen. Die „Bestrafung“ dafür ist, gib mir das Essen und die<br />

Getränke. Du wirst dich dieser Sachen enthalten – für einen Tag.<br />

Deshalb das Fasten – Taanit Esther. Die andere Art ist in diesem Fall, ich werde dir befehlen zu<br />

essen und zu trinken und dich an Essen und Getränken zu erfreuen, auch im Übermaß, aber im<br />

Sinne einer Mizwa. Dies ist das Nutzen der Buntstifte für die Bilder im Kinderkrankenhaus – Purim.<br />

Und die Abwesenheit der Buntstifte - Taanit Esther, welches sein eigener Tikkun ist.<br />

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DER HEIMLICHE DREH<br />

von Yanki Tauber<br />

Es ist interessant, dass zu den Bräuchen um Chanukka und Purim auch ein sich drehendes<br />

Spielzeug gehört. An Chanukka ist es üblich, mit einem Dreidel zu spielen, das sich dreht und auf<br />

dem das Akronym des hebräischen Satzes „Ein großes Wunder ist hier geschehen“ steht. An<br />

Purim versetzen wir einen lauten Gegenstand namens Gragger in Drehung, um den Namen des<br />

bösen Haman hinaus zu schleudern. Bemerkenswert ist auch der Unterschied zwischen dem<br />

Dreidel und dem Gragger: Der eine wird von oben her gedreht, der andere von unten her.<br />

Haman ist „zur falschen Zeit am falschen Platz“An Chanukka verletzte G–tt alle Gesetze der<br />

Natur, um uns zu retten, als eine kleine Gruppe von Kämpfern eine der größten Heere auf Erden<br />

besiegte und eine Schale Öl acht Tage lang brannte. An Purim kam die Rettung in Gestalt von<br />

mehreren „glücklichen Zufällen“: König Achaschwerosch ist zornig über seine Frau und ersetzt sie<br />

durch Esther. Mordechai belauscht Verschwörer und rettet dem König das Leben. Haman ist „zur<br />

falschen Zeit am falschen Platz“, als Mordechais Tat dem schlaflosen König vorgelesen wird.<br />

Esther nutzt ihren Einfluss, um den König gegen Haman zu wenden ... und so weiter. Man merkt<br />

kaum, dass G–ttes Name im Buch Esther gar nicht erwähnt wird!<br />

Mit anderen Worten: An Chanukka kam die g-ttliche Erlösung „von oben“, an Purim „von unten“, in<br />

Gestalt normaler Ereignisse.<br />

An Chanukka feiern wir die Tatsache, dass unsere Hingabe an G–tt und seine Hingabe an uns alle<br />

natürlichen Bindungen übersteigt. An Purim feiern wir, dass diese Beziehung auch die<br />

gewöhnlichen, alltäglichen Dinge unseres Lebens erfasst.<br />

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DAMALS & HEUTE<br />

Basierend auf den Lehren des Lubawitscher Rebbe


Dieses wilde Monster ist in Wirklichkeit die liebe schüchterne Sara aus der zweiten Klasse. Die<br />

wunderschöne Königin Esther mit der juwelenbesetzten Krone ist in Wirklichkeit dein Bruder<br />

Mosche. Ist das, was da die Straße entlang geht, eine riesige dreieckige Hamantasche mit<br />

Mohnfüllung? Und wie ist dem kleinen Michael dieser üppige weisse Bart gewachsen?<br />

Warum verkleiden wir uns an Purim? Weil an Purim nichts so ist, wie es zu sein scheint. Dass die<br />

Königin Waschti in Ungnade fiel – war das einfach etwas, was eben passiert, wenn ein<br />

ausschweifender persischer Herrscher betrunken ist? Dass Mordechai hörte, wie ein Komplott<br />

geschmiedet wurde, den König zu ermorden – war das blosser Zufall? Wählte Achaschwerosch<br />

Esther als seine Königin aus, weil es sich gerade so ergab, dass sie die schönste Frau in seinem<br />

Reich war?<br />

War es einfach Pech, dass Haman genau in dem Moment zum König ging, als dieser sich<br />

vorlesen liess, wie Mordechai (durch die Aufdeckung des Mordkomplotts) ihm das Leben gerettet<br />

hatte? Lag es am Charme von Esther und an der Frivolität von Achaschwerosch, dass der König<br />

plötzlich seinen Lieblingsminister an den Galgen hängen liess?<br />

Das Purim-Fest wurde eingeführt, weil das jüdische Volk damals verstand, dass all diese<br />

Ereignisse von G-tt selbst veranlasst wurden, um Sein Volk zu retten. Er versteckte sich nur hinter<br />

einer Seifenoper im persischen Palast.<br />

Als G-tt an Pessach die Kinder <strong>Israel</strong>s aus Ägypten herausführte, war die ganze Umgebung – von<br />

Gize bis Gaza, von Memphis bis Mesopotamien – von den Wundern beeindruckt, die Er für sie<br />

bewirkt hatte.<br />

Als an Chanukka das Öl aus einem kleinen Krüglein acht Tage lang brannte, sah auch der<br />

skeptischste Hellenist, dass das ein Akt G-ttes war.<br />

Purim (was „Lose“ bedeutet) ist insofern einzigartig, als die wundersamste aller Rettungen in das<br />

Gewand von „Natur“, Glück und Zufall gehüllt war. G-tt war und blieb verborgen, und Sein Name<br />

erscheint der ganzen Megilla (Esther-Rolle) kein einziges Mal.<br />

Purim ist eine Maskerade. Das Buch Esther (was auch „ich werde verbergen“ bedeuten kann) ist<br />

zusammengerollt. Sogar die Füllung von Mohn (oder ist es Pflaumenmus?) schaut kaum aus dem<br />

Teig der Hamantaschen geraus, um gar nicht von der ganz verborgenen Fleischfüllung in den<br />

Kreplach zu reden.<br />

Es ist kein Paradox, dass Purim auch das freudigste Fest im jüdischen Kalender ist. Es ist schön,<br />

Wunder zu feiern – aber wie oft passiert einem schon ein Wunder? Viel erhebender ist die<br />

Einsicht, dass nichts so ist, wie es zu sein scheint, dass G-tt alle Fäden in der Hand hat, selbst<br />

wenn es so aussieht, als würden die Dinge „einfach so passieren“.<br />

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EIN GEFÜHL VON STOLZ<br />

Die Juden und die Purimgeschichte<br />

von Naftali Silberberg<br />

Das Wort Jude (Jehudi auf Hebräisch) ist vom Namen des vierten Sohnes von Jakob, Juda<br />

(Jehuda), abgeleitet. Jemanden mit diesem Namen zu benennen, würde eigentlich einfach<br />

bedeuten, dass diese Person ein Abkomme dieses spezfischen Stammes ist. Nun ist wohlbekannt,<br />

dass Jakob zwölf Söhne hatte, jeder von ihnen Vorfahre eines der zwölf Stämme <strong>Israel</strong>s, die<br />

zusammen unser großes Volk ausmachen. Warum wird dann das gesamte israelitische Volk als<br />

"Juden" bezeichnet?<br />

Das erste Individuum, das als "Jude" bezeichnet wurde, taucht im biblischen Buch Esther auf, in<br />

welchem die Geschichte des Purim erzählt wird: "Es gab einen jüdischen Mann in Shushan der<br />

Hauptstadt, dessen Name war Mordechai, Sohn von Yair … ein Benjaminit" (Esther 2,5).<br />

Eine genauere Betrachtung der Purimgeschichte enthüllt, dass die ganze schreckliche Geschichte<br />

einfach zu vermeiden gewesen wäre. Der ganze Zwischenfall war das Resultat von Mordechais<br />

starrköpfigem Festhalten an einem Verhaltenscodex, der eindeutig veraltet und den neuen Zeiten<br />

unangemessen war. Mordechai war ein ältlicher Rabbi, der sich noch an die Zeiten erinnerte als –<br />

mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor – der Heilige Tempel noch in Jerusalem stand und die Tora<br />

das oberste Gesetz war. Seine Brüskierung Hamans hätte zu dieser Zeit noch angemessen sein<br />

mögen. Aber die Dinge hatten sich dramatisch verändert. Das Volk <strong>Israel</strong>s war im Exil. Wie konnte<br />

Mordechai es wagen, sein ganzes Volk in Gefahr der Auslöschung zu bringen, indem er den<br />

Lieblingsminister des Königs brüskierte? Offensichtlich hatte jemand versäumt, diesen Weisen zu<br />

informieren, dass die Fähigkeit sich anzupassen der Schlüssel zum Überleben ist …<br />

Mordechai dachte anders; und es gab einen berühmten Präzdenzfall, der seinen "närrischen"<br />

Handlungen als Vorbild diente. Viele Jahre zuvor hatte ein mächtiger ägyptischer Herrscher<br />

gewünscht, Mordechais Ahnen Benjamin zu seinem Sklaven zu machen. Benjamins Bruder Juda<br />

wollte dies jedoch nicht zulassen. Stolz und verwegen näherte sich Juda, das königliche Protokoll<br />

völlig missachtend, dem Herrscher – der, ohne dass sie sich dessen bewusst waren, tatsächlich<br />

sein Bruder Joseph war – und forderte drohend Benjamins Freilassung.<br />

Juda ist die Verkörperung des Juden im Exil, der eine Balanceakt vollziehen muss: während er in<br />

Frieden mit seinen Nachbarn leben muss, die Gesetze und Bräuche des Landes befolgen und "für<br />

den Frieden der weltlichen Macht beten" muss, bezieht er aus seinen Überzeugungen den Mut,<br />

sich zur Verteidigung seiner Ideale aller Macht der Welt zu widersetzen. In den Worten von Rabbi<br />

Sholom Dov- Ber von Lubavitch: "Nur unsere Körper wurden ins Exil geschickt; nicht unsere<br />

Seelen!"


Mordechai "der Jude" war ein stolzer Schüler seines Großonkels Juda. Er wusste, dass das<br />

Gesetz der Tora es einem Juden verbietet, sich vor Haman zu beugen, und für ihn war dies sein<br />

letztes Wort. Und in der Tat wurden Judas und Mordechais Handlungen gerechtfertigt, als die<br />

Ereignisse ihren Lauf nahmen – keinem von beiden widerfuhr wegen ihres mutigen Verhaltens ein<br />

Leid.<br />

Indem er ein Beispiel gab, gelang es Mordechai, dieses Gefühl des Stolzes in die Herzen<br />

einzupflanzen. Als Haman seinen Erlass zu ihrer Vernichtung erließ, dachte kein einziger <strong>Israel</strong>it<br />

daran, seine Religion aufzugeben, um vor dem Tode verschont zu werden. In diesem Moment<br />

wurden wir alle zu "Juden".<br />

Der Name blieb. Denn unsere Jüdischkeit wurde während der folgenden 2.500 Jahren wiederholt<br />

geprüft. Unter unzähligen weltlichen Herrschern – sowohl freundlich als auch, was gewöhnlich der<br />

Fall war, feindlich gesinnten – kämpften wir gegen Freunde und Feinde, die uns ihren Willen auf<br />

Kosten unserer Beziehung zu G-tt aufzwingen wollten. Wieder und wieder bewiesen wir, dass wir<br />

G-tt treu blieben und verdienten den Namen Juden durch Ozeane von Blut und Tränen.<br />

Die große geschichtliche Erzählung endet ähnlich wie die Geschichte des Purims: wir sind hier um<br />

diese Geschichte zu erzählen und unsere Feinde sind es nicht… Die Freude des Purim ist größer<br />

als die jedes anderen Festtages, da sie die Geschichte eines Volkes erzählt, das nie zuließ, dass<br />

ihre Seele in Ketten gelegt wurde – die Geschichte der Juden.<br />

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VORGESCHMACK AUF MORGEN<br />

Das Geheimnis von Purim<br />

von Arnie Gotfryd<br />

Zugegeben, jeder jüdische Feiertag beruht auf derselben Geschichte ("Sie haben versucht uns<br />

umzubringen, G-tt hat uns gerettet, lasst uns essen!). Jedoch für jeden Feiertag wird diese<br />

Geschichte anders erzählt.<br />

Manche Wunder G-ttes sind atemberaubend spektakulär. Wie zum Beispiel, das Meer zu teilen,<br />

Manna vom Himmel fallen zu lassen und die Sonne in ihrem Lauf aufzuhalten. Das sind heroische<br />

Zurschaustellungen übernatürlicher Kräfte, die nur der Herr des Universums bewerkstelligen<br />

konnte. Es wirkt, als ob er ein großes Historienbild gemalt hätte und in der Mitte mit seinem<br />

Namen in einem fluoreszierenden Orange unterschrieben hätte: "Ich bin der Herr, euer G-tt."


Und dann gibt es Wunder wie Purim – unaufdringlich, bescheiden, ohne großes Getöse, völlig<br />

eingebettet in die Ebbe und Flut der Wandels von Natur und Gesellschaft. Wie ein anonymer<br />

Wandteppich webt die Schriftrolle Esthers – die Megilla – ein verwickeltes, lebensnahes Drama,<br />

das kein einziges Mal den Namen G-ttes erwähnt, so gut verborgen ist Seine Einwirkung in dieser<br />

Geschichte.<br />

Merkwürdig, nicht wahr? Ein Buch der Bibel und nicht eine einzige direkte Erwähnung G-ttes ?<br />

Warum ist das so? Vielleicht können wir diese Frage durch eine andere Frage beantworten.<br />

(Warum beantwortet ein Jude eine Frage mit einer anderen Frage? Warum nicht?)<br />

Wenn man zuhört, wie die Megilla an Purim gelesen wird, muss man achtgeben, kein Wort zu<br />

überhören. In der Tat entgeht einem hier alles, wenn einem auch nur ein einziges Wort entgeht.<br />

Das ist ganz anders als die Lesung der Tora, in der jedes Wort eine andere Mizwa ist. Aber warum<br />

ist die Megilla anders?<br />

Das Wunder des Purim ist kein bestimmtes singuläres Ereignis. Es liegt vielmehr darin, wie alle<br />

Details zusammenhängen.<br />

Wie wendete sich das Blatt zugunsten der Juden in der Geschichte von Purim? Es begann, als<br />

der König zufällig mitten in der Nacht erwachte. Hierdurch erfuhr er, dass Mordechai einen Plan,<br />

den König zu ermorden aufgedeckt hatte, aber nie dafür belohnt worden war. Dies veranlasste<br />

den König, Haman zu sich zu rufen, welcher in der Halle wartete, um Erlaubnis zu erhalten<br />

Mordechai dafür hinrichten zu lassen, dass er sich nicht vor ihm gebeugt hatte.<br />

Eine Folge von völlig alltäglichen Ereignissen läuft ab und das verblüffende Ergebnis ist, dass der<br />

Vizekönig Haman in Ungnade fällt und schließlich an demselben Galgen gehängt wird, welcher für<br />

Mordechai vorgesehen war. Mordechai wird zum Vizekönig ernannt, der Tag, der für die<br />

Vernichtung des gesamten jüdischen Volkes vorgesehen war wird zu dessen Nationalfeiertag und<br />

das Leben kehrt wieder in seine normalen Bahnen zurück.<br />

Aber wo ist das Wunder? In der Megilla, der gesamten Geschichte. Wir müssen auf jedes Wort<br />

hören, weil jedes Detail zählt.<br />

Für mich ist die Botschaft von Purim: Es gibt nichts Natürliches an der Natur. Zufällige Prozesse<br />

sind nichts weniger als zufällig, und die Natur ist nur G-ttes Weise, alles bis ins Detail zu regeln<br />

ohne dass es auffällt. Wir leben unser Leben, als ob dessen Ereignisse nicht untereinander<br />

verbunden wären, als ob G-tt ein passiver Zuschauer wäre, der vielleicht gerade noch irgendwo<br />

auf Wolke Neun dem Spiel zusieht, während wir in der wirklichen Welt im Flipper des Lebens<br />

herumgeschossen werden und hoffen, dass wir im Spiel bleiben. Das ist aber nicht, was wirklich<br />

passiert.<br />

In Wirklichkeit ist das Leben ein unaufhörlicher Dialog mit G-tt. Jedes kleinste Ereignis ist Teil<br />

eines interaktiven Gesamtplans, der ein bestimmtes Ziel hat und seiner eigene Logik folgt, jedoch<br />

subtil auf unserer Handlungen reagiert und die Welt als Konsequenz dieser Handlungen<br />

verändert.<br />

Diese Ebene g-ttlicher Intervention ist weitaus beeindruckender als die haarsträubenden,<br />

meeresteilenden Eingriffe abenteuerlicher Art. Sie ist subtiler, vielfältiger und tiefergehender als<br />

ein spektakuläres Wunder.<br />

Und es überlässt es unserer freien Wahl, zu glauben oder nicht, Erfolg zu haben oder nicht. Keine<br />

übermächtige Präsenz G-ttes, der einem im Nacken sitzt.<br />

Dies hilft uns bei der Antwort auf unsere erste Frage – warum wird sein Name nicht erwähnt? Die<br />

Kraft des Purim ist eine g-ttliche Eigenschaft, die so erhaben ist, dass sie sich der Definition durch<br />

jeglichen Namen widersetzt. So wenig wie wir das Wunder mit Händen fassen können, so wenig<br />

können wir die g-ttliche Eigenschaft mit Händen fassen, die es geschehen lässt.


Es lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: Megillat Esther. Der jüdische Name des biblischen<br />

Buches, das die Ereignisse dieses Festtags berichtet, enthält das Geheimnis der Kraft des Purim.<br />

"Esther" bedeutet Verbergung, die verborgene, namenlose Ebene der G-ttlichkeit jenseits unserer<br />

Verstandeskräfte. "Megilla" hat die entgegengesetzte Bedeutung - Offenbarung. Nehmen Sie<br />

beide zusammen und sie erhalten die paradoxe Realität des jüdischen Lebens – eine unmögliche<br />

Aufgabe, welche trotzdem erfüllt wird – das Wesen G-ttes in der alltäglichen Welt zu enthüllen.<br />

Das gibt uns den Schlüssel zur Lösung eines anderen Purim Rätsels.<br />

Maimonides schreibt, dass, wenn der Messias kommt, alle der 24 Bücher von Tanach null und<br />

nichtig werden mit Ausnahme der fünf Bücher Mose und der Megillath Esther. Warum ist dieses<br />

Buch anders als alle anderen Bücher?<br />

Das Anzeichen der Messianischen Ära (möge sie ohne Aufschub kommen!) ist die Erfüllung des<br />

Ziels, das G-tt mit der Schöpfung der Welt verfolgte: die profane Welt zu seinem Heim zu machen,<br />

in welchem sich sein Wesen enthüllen wird. Purim ist ein Vorgeschmack, eine Feier der Enthüllung<br />

des Wesen G-ttes. Indem wir durch unsere Purim-Feierlichkeiten auf dieses Wesen zu gehen,<br />

aktivieren wir heute die Offenbarungen des Wesens das uns für morgen verhießen ist. Lechaim!<br />

______________________________________________________________________________<br />

WIE KANN ICH<br />

GLÜCKLICH SEIN?<br />

Was wir von Purim für den Rest des Jahres lernen können<br />

Ich weiß, von einem Juden wird erwartet, immer glücklich zu sein, aber wenn ich auf mich und<br />

mein Leben schaue, sehe ich keinen guten Grund, um glücklich zu sein. Im Gegenteil, ich habe<br />

eine Menge Gründe unglücklich zu sein. Wird von mir erwartet, auf Befehl glücklich zu sein?<br />

Es ist wahr, wir stehen im Leben vor großen Herausforderungen und Gefühle der Verzweiflung<br />

sind verständlich. Aber wir können unser Leben in die Hand nehmen. Glück ist nie außerhalb<br />

unserer Reichweite.<br />

Der Grund dafür ist, dass glücklich zu sein der natürliche Zustand des Menschen ist. Sehen Sie<br />

einfach ein kleines Kind an. Kinder müssen keine Strategien lernen, um ein positives


Lebensgefühl zu bekommen, und sie brauchen keine Gründe, um glücklich zu sein. Sie brauchen<br />

einen Grund um traurig zu sein. Wenn ein Kind weint, dann fragen wir: "Was ist los ?" Wenn ein<br />

Kind lacht und spielt und durch den Raum tanzt, dann fragen wir nicht: "Was gibt es zu feiern,<br />

warum bist du glücklich ?". Glücklich zu sein ist der Grundzustand eines Kindes; wenn Kinder nicht<br />

glücklich sind, dann muss es dafür einen Grund geben, wie, dass ihre Windeln gewechselt werden<br />

müssen, dass sie hungrig, durstig oder müde sind, oder dass sie Aufmerksamkeit brauchen. Aber<br />

so lange alles mit ihnen in Ordnung ist, sind Kinder einfach glücklich, ohne einen Grund dafür zu<br />

brauchen. Irgendwann in unserem Leben ändern sich die Dinge. Wir werden älter und<br />

anspruchsvoller, schwerer zu befriedigen, und wir verlieren unsere kindliche Zufriedenheit.<br />

Abgestumpft von den Enttäuschungen des Lebens bekommen wir das Gefühl, dass wir einen<br />

Grund brauchen, um glücklich zu sein. Wenn Sie einen Erwachsenen mit einem breiten Lächeln<br />

herumlaufen sehen, dann fragen Sie ihn, "Was ist los mit Ihnen, warum lächeln Sie denn so?"<br />

Der Unterschied ist, dass ein Kind unbefangen ist. Kinder sind frei glücklich zu sein, weil sie ihrer<br />

selbst noch nicht bewusst sind. Erst wenn wir erwachsen und unserer selbst bewusster werden,<br />

werden wir auch egozentrischer. Wir haben Sorgen und Befürchtungen, unerfüllte Begehren und<br />

unrealisierte Träume. Keiner von uns kann ehrlich von sich sagen, dass er alles hat, was er will<br />

und wir können stets Gründe finden um unzufrieden zu sein. Aber ein Kind wird nicht von dem<br />

belastet, was es "nicht hat", deshalb hat es alles. Des Kindes Mangel an Selbstbezogenheit<br />

(Egozentrik) gibt ihm die Freiheit das Leben zu genießen und glücklich zu sein.<br />

So bald wir nicht mehr ständig daran denken, was wir brauchen, und uns stattdessen darauf<br />

konzentrieren, für was wir gebraucht werden – kehrt unsere natürliche Freude zurück. Je mehr wir<br />

um unser eigenes Glück besorgt sind, desto weiter sind wir davon entfernt, es zu finden. Sobald<br />

wir nicht mehr daran denken, was wir brauchen, sondern weswegen wir gebraucht werden – an<br />

das Gute, das wir für andere tun können, anstatt an das Gute, das wir für uns selbst tun können –<br />

kommt unsere kindliche Freude zurück und wir sind glücklich.<br />

Das ist der Sinn des freudigen Festtags Purim : er ist der richtige Zeitpunkt um Freunde zu<br />

beschenken, den Bedürftigen Almosen zu geben, Lechaim zu sagen, nicht immer so<br />

selbstbezogen zu sein, und G-tt dafür zu danken, dass man am Leben ist. Selbst in den<br />

finstersten Zeiten werden wir innere Freude erlangen, wenn wir uns auf unsere Aufgabe statt auf<br />

unser Ego konzentrieren.<br />

Das Glück ist nicht irgendwo dort draußen; es ruht in uns selbst, in dem Teil von uns, der für<br />

immer jung bleibt und für immer gibt – in unserer Seele.<br />

______________________________________________________________________________<br />

DREI RELEVANTE PUNKTE DES<br />

<strong>PURIM</strong> GEBÄCKS<br />

von <strong>Israel</strong> Rubin<br />

Jahreszeiten der Seele


Obwohl die Hamantasche seit tausenden von Jahren bekannt ist, war sie doch ein strittiger Punkt<br />

in höheren akademischen Zirkeln. War sie nur ein wohlschmeckender Snack? Hatte es den<br />

Anschein, dass die Hamantasche keine besondere Bedeutung besitzt. Wissenschaftler mühten<br />

sich, fanden jedoch nichts in der Hamantasche als Mohn?, Backpflaumen und verschiedene Arten<br />

Marmelade. Unglücklicherweise hat die Vereinigung der Hamantaschen es mit den<br />

Purimaktivitäten verhindert?, dass genauere Untersuchungen vorgenommen werden konnten.<br />

Neuere Untersuchungen haben kürzlich geheimnisvolle Ecken an der Hamantasche entdeckt.<br />

Hamantaschologisten nutzen nun diese Erkenntnisse, um der Menschheit zu dienen und unsere<br />

Lebensweisen zu verbessern.<br />

Das Problem begann, als eine vergleichende Studie über das Design von verschiedenen<br />

Nahrungsmitteln aufzeigte, dass die unterschiedlichsten Speisen keine Ecken besaßen. Eier,<br />

Früchte, Falafel, Latkes, Blintzes, Tzimmes, Matza Bällchen, Muffins, Hot Dogs und<br />

Fleischbällchen sind alle rund. Wenn diese Speisen aber keine Ecken besitzen und der<br />

Geschmack von über 5 Milliarden Menschen beeinflusst würde, so würde dies erhebliche<br />

Konsequenzen für die Nahrungsaufnahme dieser Menschen zur Folge haben.<br />

Die Suche nach der passenden Nahrung hat Forscher in Richtung der Hamantasche geführt und<br />

es übertraf alle ihre Erwartungen. Die Hamantasche hat nicht nur eine Ecke, sie hat 200 % mehr<br />

Ecken – und dies alles ohne zusätzliche Kosten. Drei für den Preis von einer! Unter allen<br />

Essensarten, die der Mensch kennt, besitzt nur die Hamantasche diese außergewöhnliche<br />

Konfiguration?.<br />

Es gibt aber mehr als eine Seite der Hamantasche, aber wir wollen nicht vom Thema abschweifen.<br />

Von dieser Stelle an werden wir unseren Untersuchung der Hamantaschologie auf drei<br />

grundlegende Bereiche beschränken: Mathematik, Bildung und Psychologie.<br />

Mathematik<br />

Die Hamantasche ist ein anerkanntes Symbol der höheren Mathematik. Eine aufrecht stehende<br />

Hamantasche bedeutet “darum”, wohingegen eine um 180° gedrehte Hamantasche “weil”<br />

bedeutet. So ist es nur logisch, dass die vielseitige Hamantasche mehr als eine Bedeutung besitzt,<br />

abhängig von der Perspektive des jeweiligen Betrachters. Darum sind es die drei Ecken, die für<br />

“darum” und “weil” stehen, weil der jeweilige Blickwinkel die Perspektive tiefgreifend verändert.<br />

Die Hamantasche selbst macht den Unterschied. So verwundert es nicht, dass die moderne<br />

Architektur sich dem Prinzip der Hamantasche angenommen hat und auf dessen Basis die<br />

geodäsische Kuppel entwickelte – die stärkste Konstruktion, die sich ein Mensch vorstellen kann.<br />

Der Architekt Buckminster Fuller wurde berühmt mit seinen geodäsischen Kuppeln, wobei<br />

“geodäsisch” nur ein kunstvoller Name für Dutzende von zusammengepressten Hamantaschen ist.<br />

Bildung<br />

Ich möchte die Schulen nicht alle aufzählen, doch ich kenne genügend von ihnen, deren abstrakte<br />

Systeme zur Produktion von “halbgebackenen” Schülern führen?. Die Hamantasche hingegen ist<br />

vollständig gebacken und verbirgt eine schwierige Geometrie in einem Stück Gebäck.<br />

Hamantaschen sind eine unbezahlbare Quelle für Lehrer zu erzieherischen Zwecken. So sind sie<br />

ein erfrischender Ersatz für den harten und zudem noch ungeniessbaren Kunststoffwinkelmesser.<br />

Das Gleiche gilt für Dreiecke, gleichschenklige, gleicharmige und sogar gleichwinklige. Die<br />

Hamantasche kann einen doppelten Zweck erfüllen, sowohl als handliches Dreieck im<br />

Klassenzimmer, wie auch als herzhafter Imbiss in der Cafeteria. Auf jeden Fall ist es Nahrung für<br />

die Gedanken.<br />

Psychologie<br />

Psychologen haben herausgefunden, dass das Leben eine lange Kette von Vereinbarungen und<br />

Enttäuschungen ist. Enttäuschungen bewegen sich in Kreisen, dies bewirkt, dass Menschen in<br />

ihrem Leben kein Ziel sehen. Ohne ein Ziel im Leben wandern die Menschen ziellos umher. Dies<br />

führt zu Selbstmorden und anderen Punkten ohne Wiederkehr. Die Hamantasche stellt in


ergreifender Weise dar, dass es ein Ziel im Leben gibt. Sie führt uns zu einem klaren und<br />

eindeutigen Ziel. Dann gibt es auch noch einen sehr feinen Sinn, welchen Psychologen als<br />

Sinnlosigkeit bezeichnen. Wie der Talmud treffend bemerkt, “eine Person sollte sich an Purim<br />

erfreuen und an den Punkt kommen, in der sie nicht mehr den Unterschied zwischen Haman und<br />

Mordechai erkennen kann.”<br />

Du wunderst dich möglicherweise. “Was ist der Zweck von all diesem Unsinn? Ist dies nicht ein<br />

bisschen übertrieben?” Wenn du bei diesem Gedanken angekommen bist, so ist das schon sehr<br />

gut. Denn wir sind nicht nur hier um Punkte zu zählen (Anm.: Der Originaltext basiert auf einem<br />

Wortspiel hinsichtlich dem engl. Wort “point”, welches hier in seinen vielfältigen Bedeutungen<br />

deutschen Schattierungen dargestellt wurde). Der hauptsächliche Zweck dieses Traktates ist es<br />

gewesen, auf die Hamantaschen hinzuweisen – diese an Purim zu nutzen, um die Mitzwah<br />

Mischloach Manot zu erfüllen. Dies ist eine sehr bedeutende Mitzwah, so dass wir keine andere<br />

Wahl haben, als diesen Punkt derart zu betonen. Um den Punkt nicht noch weiter zu bearbeiten:<br />

teile den Geist des Festes und fördere die Einigkeit, durch das Senden von mindestens<br />

unterschiedlichen Lebensmitteln, vorzugsweise unter Beteiligung einer Hamantasche, am<br />

Purimtag.<br />

Informationspunkte<br />

1.Wir wissen, wann sich die Purim-Geschichte ereignete, jedoch ist das exakte Datum, in dem die<br />

Hamantasche eingeführt wurde, nicht bekannt. Jedoch findet es der Autor sehr unwahrscheinlich,<br />

dass man den Versuchungen der Hamantasche lange widerstehen konnte.<br />

2. Etymologisch stammt das Wort Hamantaschen aus dem Jiddischen, Mohn Taschen. Anderen<br />

Quellen entsprechend ähnelt die Form dem Hut oder den Ohren Hamans.<br />

3. Purim ist ein freudiges Fest und kennzeichnet das jüdische Überleben, welches in Persien von<br />

der Auslöschung bedroht war. Es wird gefeiert durch das Lesen der Megillat Esther,<br />

ausgelassenem Verhalten, Mischloach Manot, Matanot Laewjonim, festlichen Mahlzeiten und<br />

besonderen Gebeten.<br />

4. Kreplach, die in der Suppe genutzt werden, sind ebenfalls dreieckig. In der Wirklichkeit<br />

begannen auch sie ihr Leben als Hamantaschen und entwickelten sich viele Jahre, bis sie<br />

schließlich lernten im Wasser zu leben.<br />

5. Das Wissen um das geometrische Design war im alten Persien so alltäglich, dass man den<br />

einfachsten Menschen auf der Straße hätte fragen können und dieser hätte es sofort übermitteln<br />

und erklären können.<br />

______________________________________________________________________________<br />

EIN VOLK<br />

Basierend auf den Lehren des Lubawitscher Rebbe


Die Geschichte von Purim, wie das Buch Esther sie erzählt, gibt uns eine klare Analyse des<br />

"jüdischen Problems".<br />

Da die Juden über 127 Provinzen und Länder verstreut lebten und ihr eigenes Land noch in<br />

Ruinen lag, gab es zwischen ihnen gewiss große Unterschiede, was Sitten, Kleidung und Sprache<br />

betraf, so wie es auch heute bei den Juden in den verschiedenen Ländern der Fall ist.<br />

Obwohl es Juden gab, die ihre jüdische Herkunft verbargen, erkannte Haman, der Feind der<br />

Juden, die wesentlichen Eigenschaften und Merkmale, die alle Juden, selbst gegen ihren Willen<br />

zu "einem Volk" machten, denn "ihre Gesetze unterscheiden sich von denen aller anderen<br />

Völker".<br />

Darum versuchte der heimtückische Haman, "alle Juden, junge und alte, Kinder und Frauen" zu<br />

vernichten. Zwar gab es auch in jener Zeit Juden, die sich streng an die Tora und an die Mizwot<br />

hielten, und andere, deren religiöse Bindung an ihr Volk schwach war oder die versuchten, in<br />

anderen Völkern aufzugehen; doch keiner konnte verhindern, dass er diesem "einen Volk"<br />

zugeordnet wurde. Hamans grausamer Erlass erfasste jeden Juden.<br />

Hamans hat es immer gegeben, aber wir haben sie, G-tt sei dank, überlebt. Worin liegt das<br />

Geheimnis unseres Überlebens? Das folgende Beispiel möge die Antwort geben. Wenn ein<br />

Wissenschaftler die Gesetze bestimmen will, denen ein bestimmtes Phänomen folgt, oder wenn er<br />

die Eigenschaften eines Elements entdecken möchte, muss er eine Reihe von Experimenten unter<br />

unterschiedlichen Bedingungen machen. Man kann keine Gesetzmäßigkeit aus einigen wenigen<br />

Versuchen ableiten, weil diese keine schlüssige Auskunft darüber geben, was wichtig,<br />

nebensächlich und unwichtig ist.<br />

Das gleiche Prinzip ist auf unser Volk anwendbar. Es ist eines der ältesten auf der Welt, und seine<br />

Geschichte beginnt mit der Offenbarung am Berg Sinai vor rund 3300 Jahren. Im Laufe der<br />

Jahrhunderte hat unser Volk unter äußerst unterschiedlichen Bedingungen und an verschiedenen<br />

Orten gelebt. Wenn wir untersuchen, warum unser Volk existiert und warum es so einzigartig stark<br />

ist, müssen wir zu dem Ergebnis kommen, dass der Grund nicht in seinen körperlichen oder<br />

geistigen Eigenschaften, nicht in seiner Sprache oder in seinen Sitten (im weitesten Sinne) und<br />

auch nicht in rassischen Gegebenheiten zu suchen ist (zu Beginn unserer Geschichte und auch im<br />

Mittelalter kam es z.B. dazu, dass ganze ethnische Gruppen und Stämme sich zum Judentum<br />

bekehrten und Teil unseres Volkes wurden.)<br />

Das entscheidende Merkmal, das unsere "verstreuten Menschen" eint und zu "einem Volk" macht,<br />

sind die Tora und die Mizwot, die jüdische Lebensweise, die unser Volk unzerstörbar macht, und<br />

zwar trotz aller Massaker und Pogrome und trotz aller Versuche fremder Kulturen, uns spirituell zu<br />

vernichten.<br />

Wir verdanken Purim eine uralte Lehre, die sich zu unserem Kummer erst vor kurzem wieder<br />

bewahrheitet hat: Keine Assimilation, selbst wenn sie sich über mehrere Generationen erstreckt,


kann uns vor den Hamans und vor den Hitlers schützen, und es nützt keinem Juden, wenn er<br />

versucht, das Band zu seinem Volk zu durchtrennen. Im Gegenteil: Unsere Erlösung und unsere<br />

Existenz hängen davon ab, dass unsere Gesetze "sich von denen aller anderen Völker<br />

unterscheiden".<br />

Purim erinnert uns daran, dass die Stärke unseres Volkes als Ganzes und die Stärke jedes Juden<br />

und jeder Juedin die enge Bindung an unser uraltes spirituelles Erbe ist. Dieses enthält das<br />

Geheimnis eines harmonischen und somit gesunden und glücklichen Lebens. In unserem<br />

spirituellen und profanen Leben darf nichts der Grundlage und dem Wesen unserer Existenz<br />

widersprechen; wir müssen alles so einrichten, dass daraus die höchste Harmonie entsteht und<br />

unsere körperliche und spirituelle Kraft vergrößert wird - beides geht im jüdischen Leben Hand in<br />

Hand.<br />

Mit den besten Wünschen für ein fröhliches Purim. Mögen wir bald eine Welt erleben, die<br />

frei von Hamans und Amalekitern aller Art ist!<br />

_____________________________________________________________________________<br />

DAS "MEM" VON <strong>PURIM</strong><br />

Basierend auf den Lehren des Lubawitscher Rebbe<br />

Haben Sie bemerkt, wieviel Mizwot mit dem Buchstaben Mem beginnen? Zuerst gibt es da den<br />

Mikra Megilla mit der Geschichte von Esther und Mordechai. Dann fallen einem natürlich auch<br />

Matanot le Ewjonim - Gaben an Bedürftige - und Mischloach Manot - das Verschenken von


Speisen und Süßigkeiten ein. Und das Mischte Purim - das feierliche Mahl an Purim - darf man<br />

auch nicht vergessen.<br />

Im hebräischen ist der Buchstabe Mem eng mit der Idee der Erlösung verbunden. Der Zahlenwert<br />

von Mem ist 40, was den vierzig Jahren entspricht, die die Kinder <strong>Israel</strong> durch die Wüste<br />

umherwanderten, bevor sie nach Erez <strong>Israel</strong>, ins heilige Land, einziehen konnten. Und Purim ist<br />

auch das Fest der Erlösung, an dem wir der Rettung vom bösen Haman gedenken, der alle Juden<br />

- Männer, Frauen und Kinder - ausrotten wollte.<br />

Haman beschuldigte die Juden, ein abgetrenntes, schwaches und zerteiltes Volk zu sein -<br />

"Mefusar" und "Mefuraf", ein Volk, zersplittert in kleine Gruppen, die nicht in Frieden miteinander<br />

leben. Die Juden jedoch bewiesen, dass Haman nicht Recht hatte. Sie zeigten ihre Messirut<br />

Nefesch - ihre Bereitschaft, mit dem Leben für ihr Judentum einzustehen - und zeigten ihre Liebe<br />

und innere Einheit zueinander. Sie waren, trotz allem, ein Volk geblieben!<br />

Und so zeigen die Gebote des Purimfestes, dass wir ein vereintes Volk sind: wir verschicken<br />

Geschenke - Mischloach Manot, wir helfen den Bedürftigen - Matanot le Ewjonim, wir versammeln<br />

uns im Minjan (noch ein Mem) und feiern zusammen beim Purimmahl.<br />

Unsere Einheit untereinander ist mit unserer Einheit mit G-tt verbunden, denn dies ist der innere<br />

Wesenskern jedes Juden: er kann und will nicht von G-tt getrennt sein. Und unser Glaube an G-tt<br />

beweist und belegt die Einheit G-ttes in dieser Welt, denn deshalb verstreute uns G-tt zwischen<br />

den Völkern, damit wir durch Tora und Mizwot überall G-ttes Einheit offenbaren.<br />

Zur Zeit der Ereignisse der Purimgeschichte war es die Einheit der Juden, welche sie vor Hamans<br />

üblen Plänen errettete und danach konnten sie ins heilige Land zurückkehren!<br />

Möge es auch bei uns so sein, dass unsere Einheit und Ahawat Jisrael - der Liebe zu jedem<br />

Juden - dazu führen, dass wir uns "Mismach Geula" sind, also an der Erlösung unseres Volkes zu<br />

Purim erfreuen, welche zur vollkommenen Erlösung an Pessach führt, an der wir mit drei weiteren<br />

Mems gesegnet werden: Moschiach1 Mijad Mamasch - Moschiach jetzt, in Wirklichkeit.<br />

______________________________________________________________________________<br />

<strong>PURIM</strong> - JÜDISCHE DIPLOMATIE<br />

Band 1, Seite 213-217<br />

Ein Vortrag des Lubawitscher Rebben zum Wochenabschnitt<br />

1.Das Purimfest dient den Gedenken an die Errettung des jüdischen Volkes von seiner – G“tt


ehüte – Vernichtung durch den Ewigen.<br />

Die damalige Periode gehörte – allen natürlichen Anzeichen zufolge – zu den glücklichsten Zeiten<br />

der Juden im Exil. Die Juden nahmen einen wichtigen Platz in der Regierung ein. Mordechai, der<br />

oberste Richter des Sanhedrins, war einer jener Staatsminister, die ihren ständigen Platz am<br />

Königshofe hatten. Esther war die Frau des Königs, wobei die Frau wie zum Körper des Mannes<br />

gehört. In der gesamten Geschichte des jüdischen Volkes finden wir – mit der Ausnahme von<br />

Königin Esther – keinen Fall, in dem eine jüdische Frau die Frau eines Königs ist, welcher die Welt<br />

beherrscht. Demzufolge ist es begreiflich, dass es im Exil keine Periode gab, in der Juden allen<br />

natürlichen Gegebenheiten nach so sicher existieren konnten, wie zur Zeit von Achaschwerosch.<br />

Tatsächlich jedoch sollte alles ganz anders kommen. Gerade als die Situation der Juden so sicher<br />

schien, kam es – G“tt behüte – zum Plan ihrer Vernichtung: „..zu vernichten, zu ermorden,<br />

auszulöschen alle Juden, von jung bis alt, Kinder und Frauen an einem Tag“. Dies ist der<br />

schlimmste Anschlag, welcher je auf die Juden verübt werden sollte, denn zu keiner anderen Zeit<br />

gab es den Plan alle Juden – G“tt behüte – zu vernichten, wie beim Plan in den Tagen des<br />

Acheschwerosch.<br />

Bei anderen Phasen des Exils waren die Juden nicht nur an einem Ort – „Gnade erwies der<br />

Heilige, gelobt ist er, <strong>Israel</strong>, dass er sie unter den Nationen verstreute“. Wenn – G“tt behüte – eine<br />

Nation den Plan hegte, die Juden untere ihrer Herrschaft zu vernichten, so blieben die Juden<br />

anderer Staaten unbeschädigt und selbst die Juden jenes Staates konnten in die anderen Staaten<br />

fliehen.<br />

Selbst in den Tagen von Pharao, als alle Juden unter seiner Herrschaft waren, und es keine<br />

Möglichkeit gab zu fliehen, so wie unsere Meister seligen Andenkens sagen, dass „selbst ein<br />

Sklave nicht von dort fliehen konnte“, selbst dort galt der Vernichtungsplan nicht allen, da Pharao<br />

nur die männlichen Kinder töten wollte.<br />

In den Tagen von Achaschwerosch jedoch, waren alle Juden unter seiner Herrschaft, es gab keine<br />

Möglichkeit zu entkommen, weil a) er ein Herrscher im Weltenrund war und es keinen Platz gab,<br />

an den man hätte fliehen können, weil b) er alle an einem Tag vernichten usw. wollte, es also<br />

keine Zeit zum Entkommen gab und weil c) der Plan war, alle Juden – G“tt behüte – zu vernichten<br />

usw.<br />

Wie konnte es gerade in einer Zeit, in der die Juden allen natürlichen Anzeichen zufolge so sicher<br />

waren, zu einem so schrecklichen Mordplan kommen? Die Gemara erzählt, dass der Grund für<br />

den Mordplan darin bestand, dass die Juden „am Gelage jenes Bösen Genuss hatten usw.“, d.h.<br />

dass sie am Festmahl des Achaschwerosch Genuss hatten.<br />

Daran erkennen wir, dass die Juden und die Natur zwei voneinander getrennte Dinge sind und das<br />

Schicksal der Juden nicht den Gesetzen der Natur unterworfen ist, sondern allein vom Halten von<br />

Tora und Mizwot abhängt. Daher spielt es keine Rolle, ob es gemäß den Gesetzen der Natur<br />

möglich schien, dass es zu einem solchen Anschlag kam oder nicht – da die Juden Genuss am<br />

Mahl jenes Bösen hatten, und sich so mit nicht koscheren Dingen vermischten, konnte es – G“tt<br />

behüte – zu einem solchen Mordplan kommen.<br />

2. Dieselbe Lehre tritt auch klar in der Weise zutage, in der die Juden erlöst und errettet wurden:<br />

das Aufheben des Plans geschah nicht auf natürlichem Wege, sondern durch Umkehr und<br />

Verbindung mit G“tt.<br />

Zu dem Zeitpunkt, an dem Mordechai und Esther von jenem Plan erfuhren, hätten sie – so scheint<br />

es – zuallererst sich in diplomatischer Mission um Achaschwerosch bemühen müssen. Die Megilla<br />

erzählt uns jedoch, dass Esther zuallererst Mordechai sagte „Geh, sammle die Juden, welche sich<br />

in Schuschan befinden, fastet um mich, esst nicht und trinkt nicht drei Tage lang Tag und Nacht“.<br />

Dies war ihr erster Schritt bei dem Aufheben des Mordplanes.


Noch mehr: Esther sagte zu Mordechai „auch ich und meine Begleiterinnen werden ebenso<br />

fasten“. Nun scheint Esthers Einfluss auf Achaschwerosch doch ein Ergebnis davon zu sein dass<br />

„sie Anmut und Gnade vor ihm fand, vor allen anderen Jungfrauen“. Und es versteht sich von<br />

selbst, dass durch ein dreitägiges, ununterbrochenes Fasten, Esthers Anmut – auf natürliche<br />

Weise – nicht größer wurde, sondern eher verringert wurde. Wie konnte dann ihr Fasten recht und<br />

billig sein?<br />

Die Antwort darauf ist: Ebenso, wie der Mordplan nicht auf natürliche Weise entstand, so würde<br />

auch die Erlösung nicht auf natürliche Weise kommen, sondern durch Buße und Umkehr, und das<br />

Fasten ist eines der Mittel zur Umkehr. Da eben alle Juden fasteten (und es dem einzelnen<br />

verboten war, sich davon zu befreien) ist es klar warum a) auch ich und meine Begleiterinnen<br />

ebenso fasten werden, auch wenn dadurch die (natürliche) Anmut verkleinert wird, man sich nicht<br />

auf ein Wunder verlassen darf und alles gemäß den Gepflogenheiten der Natur bewirkt werden<br />

soll, so handelt es sich dabei jedoch nur um eine Gepflogenheit, nicht um eine Ursache der<br />

Errettung. Die Ursache der Errettung liegt im Stärken von Tora und Mizwot, welches eine<br />

Schwächung der äußeren Hülle mehr als wettmacht.<br />

Es liegt nur am Verdecken und Verstecken (der g“ttlichen Gegenwart) in den Zeiten des Exils,<br />

dass sowohl das Aufheben des Mordplanes als auch die Errettung gemäß den Gepflogenheiten<br />

der Natur bekleidet erscheinen, die wahren Gründe jedoch sind Tora und Mizwot.<br />

Der Fakt, dass die Juden „am Gelage jenes Bösen Genuss hatten“ hatte den Mordplan bewirkt,<br />

Fasten und Umkehr bewirkten seine Aufhebung.<br />

3. Die Anweisung davon, insbesondere in den heutigen Zeiten ist wie folgt:<br />

Es gibt jene, die behaupten, dass die Hauptmittel zur Erhaltung des jüdischen Volkes in den Zeiten<br />

des Exils die Diplomatie und ähnliche, natürliche Weg seien. Als Beleg ihrer Auffassung nutzen sie<br />

gerne Esthers Bemühungen bei Achaschwerosch. Man muss jedoch wissen, dass sie nicht nur<br />

Auslegungen vertreten, die der Halacha zuwiderlaufen, darüber hinaus interpretieren sie die<br />

Megillat Esther nicht gemäß der Wahrheit. Sie leugnen damit, den Kern der Bedeutung der<br />

Existenz des Volkes <strong>Israel</strong>.<br />

Es steht „Ihr steht heute alle aufrecht“. Dazu sagen unsere Meister seligen Andenkens „auch wenn<br />

jedermann in der Welt zusammenbricht, so steht ihr alle aufrecht“. Die Juden haben eine andere<br />

Existenz. Die Existenz aller Völker folgt den Naturgesetzen, die Juden aber, ist nicht an die Natur<br />

gebunden, sondern an Tora und Mizwot.<br />

Wenn es zu einer Krise kommt, oder – G“tt behüte – wenn die Vernichtung droht, dann dürfen wir<br />

uns nicht auf Diplomatie und Lobbyarbeit bei den anderen Völkern verlassen. Nicht auf ihnen<br />

beruht unsere Existenz. Stattdessen muss jeder von uns in seinen eigenen Taten suchen, das<br />

verbessern, was verbessert werden muss und sich in der Ausübung von Tora und Mizwot stärken.<br />

Gerade dadurch unterstützt er die Bemühungen auf natürlichen Wegen und sorgt dafür, dass<br />

selbst in Situationen, welche für andere ausweglos sind, gilt „Ihr steht heute alle aufrecht“.<br />

Man darf sich nicht vor der Situation der Juden erschrecken, so wie wir sie mit unseren<br />

fleischlichen Augen, gemäß den Naturgesetzen, sehen. Es ist an uns, uns in Tora und Mizwot zu<br />

stärken, dann wird jede physische Hülle, die man bereitet, zu einem Werkzeug der wundersamen<br />

Errettung werden, welche über der Natur steht.<br />

4. Die Lehre, dass Juden nicht den Naturgesetzen unterworfen sind, gilt nicht nur für <strong>Israel</strong> als<br />

ganzes, sondern auch für jeden einzelnen.<br />

Ein Jude muss sich stets bewusst sein, dass all das, was er bewirkt, allein von G“tt abhängt, der<br />

nicht – G“tt behüte – den Naturgesetzen unterworfen ist.<br />

Nun stimmt es zwar, dass G“tt uns segnet „in allem, was du tun wirst“, dies ist aber nicht mehr wie<br />

eine Hülle, die Hauptsache ist der Segen G“ttes, welche durch die Verbindung durch das Lernen


der Tora und das Erfüllen der Gebote bewirkt wird. Wenn man diese Hauptbedingung erfüllt, dann<br />

wird man Erfolg habe – in welcher Hülle auch immer.<br />

5. Dadurch wird auch verständlich, was der Talmud Jeruschalmi schreibt: „jener, der auf das ewige<br />

Leben vertraut, sät“, d.h. dass das Aussähen ein Beweis des G“ttvertrauens ist, da man sich<br />

darauf verlässt dass G“tt die Saat aufgehen lassen wird.<br />

Dies erscheint zunächst schwer verständlich. Worin drückt sich hier der Glaube aus? Selbst – nur<br />

des Vergleiches willen – Leugner, welche nicht an den Heiligen, gelobt ist er, glauben, sehen doch,<br />

dass auf ganz natürliche Weise aus Samen Pflanzen wachsen?<br />

Die einfache Erklärung davon ist, dass der einfache Glaube eines Juden darin besteht, dass er<br />

selbst beim Sähen – einer Angelegenheit, die augenscheinlich nichts mit Glauben und Vertrauen<br />

in G“tt zu tun hat – weiß, dass er anders, als andere auf der Welt ist. Denn ebenso, wie <strong>Israel</strong> als<br />

Ganzes, so ist auch der Einzelne nicht den Naturgesetzen unterworfen. Und daher weiß er, dass<br />

auch wenn die Saat bei allen anderen in der Welt wegen den Naturgesetzen aufgeht, so wird sie<br />

doch bei ihm aufgrund seines Glaubens und G“ttvertrauens wachsen.<br />

6. Wie bei den Geschäftsleuten, so auch bei den Torastudenten. Der wahre Erfolg im Torastudium<br />

hat nichts mit den eigenen Talenten zu tun, sondern allein mit der Si’ata de Schmaja – dem<br />

Beistand des Himmels, welcher durch Ehrfurcht vor G“tt zustande kommt. Denn sie – die Ehrfurcht<br />

vor G“tt – führt dazu, dass man sich mit dem Lernen wirklich abmüht, und wahre Mühe wird Erfolg<br />

finden, der weit über dem liegen, was man in vorher investiert hat.<br />

Wenn die Hauptsache fehlt, dann helfen keine Talente und keine Bemühungen, denn die<br />

Hauptsache, das ist die Weisheit des Heiligen, gelobt ist Er. Wenn diese Hauptsache vorhanden<br />

ist, dann wird G“tt den Erfolg gewähren – einen Erfolg, der weit über die Natur hinausgeht.<br />

______________________________________________________________________________<br />

EIN REZEPT GEGEN MISSMUT UND<br />

MUTLOSIGKEIT<br />

von David Sacks<br />

Freude, so berichten alte jüdische Quellen, ist das Wunderelixier, mit dessen Hilfe alle Hürden des<br />

Lebens gemeistert werden können, wie schon Rabbi Nachman sagte: Menschen sind betrübt, weil<br />

nichts so läuft, wie sie es gerne hätten - und bemerken nicht, dass es nicht läuft, weil sie betrübt<br />

sind. Doch wie kann der realitätsbezogene Mensch in Zeiten, in denen die Welt so bedrohlich<br />

ausschaut, Freude empfinden?<br />

1. Weil es eine gute Methode ist, Dinge zu erledigen. Um den chassidischen Klassiker „Tanja“ zu<br />

zitieren: „So wie im Fall von zwei miteinander ringenden Menschen, die versuchen, einander zu<br />

Fall zu bringen; wenn sich der eine träge und schwerfällig bewegt, kann er leicht besiegt und zu<br />

Fall gebracht werden, auch wenn er stärker als sein Gegner sein sollte. Dasselbe gilt für den Sieg<br />

über den bösen Trieb: Man kann ihn ausschließlich überwältigen ... mit Wendigkeit, die von<br />

Freude und einem offenen Herzen stammt, das rein von jeglichem Anzeichen der Sorge und der<br />

Trübsal ist.“ Gilt für Wettkampf-Ringen, moralische Schlachten und alles dazwischen.<br />

2. Weil es eine gute Sache ist. Warum sollte Freude nur ein Instrument sein, ein Mittel zum


Zweck? Es ist eine gute Sache per se, eine angenehmere Form des Lebens. Und es ist gar nicht<br />

so schwer, sie zu erreichen. Man konzentriere sich auf all die guten Dinge, die man hat und an<br />

denen man Anteil hat, und darauf, wie echt und bleibend diese Dinge sind im Vergleich mit all den<br />

nicht-so-guten-Dingen. Und wenn die letzteren derzeit die Bühne des Lebens besetzen, gehören<br />

sie dort nicht hin. Wirf sie raus und bring die wahren Hauptdarsteller rein.<br />

3. Weil es eine fröhliche Zeit ist. Fröhlich zu sein erfordert manchmal Einsatz (siehe Punkt 2). Aber<br />

es gibt Zeiten, da liegt die Freude in der Luft, und alles was man tun muss, ist, sich dem zu öffnen.<br />

Wir befinden uns jetzt in einer solchen Zeit. Unsere Weisen sagen uns: „Wenn der Monat Adar<br />

beginnt, nimmt die Freude zu.“ Wie Haman am eigenen Leib erfuhr, ist das eine Zeit, in der dem<br />

jüdischen Volk gute Dinge zustoßen. Man muss gar nichts dafür tun - es reicht aus, sich nicht<br />

dagegen zu sträuben.<br />

4. Weil es ist, was ich bin. Dieser Punkt ist nicht wirklich ein „Grund“, sondern eher ein<br />

untrennbarer Teil unseres Seins. Die Kabbalisten lehren, dass unsere Seele „buchstäblich ein Teil<br />

G-ttes“ ist. Freude ist also letzten Endes keine Technik, die man zu beherrschen lernt, kein Ziel,<br />

das man erreicht, nicht einmal ein atmosphärischer Zustand, dem man sich hingibt. Es ist, was wir<br />

sind, vermöge unserer Verbindung mit dem Einen, dem „Kraft und Freude an Seiner Stätte“ sind (I<br />

Chronik 16:27). Warum sollten wir uns vor dem verstecken, was wir sind?<br />

Die Wissenschaft, so sagt man, beschreibt den Prozess, durch den etwas entsteht, während die<br />

Tora beschreibt, warum dieses Objekt existiert. Anders ausgedrückt, befasst sich die Wissenschaft<br />

mit der äußeren Hülle eines Phänomens, während die Tora die innere Dimension behandelt. Was<br />

also sagt die Tora über die Freude und das Lachen?<br />

Der Talmud (Schabbat 30b) hält fest, dass der große Gelehrte Rava seine Vorträge stets mit<br />

einem Scherzwort begann, „die Schüler wurden heiteren Gemüts“ – und waren besser in der<br />

Lage, den Ausführungen des Meisters zu folgen. Humor, so weiß man aus der Psychologie, ist<br />

das Wundermittel, das den Geist eines Menschen aus dem Gefängnis des begrenzten<br />

Bewusstseins führt. Begrenztes Bewusstsein ist der verständliche Impuls, Dinge ein bisschen zu<br />

wörtlich zu nehmen, der Glaube, dass sie nicht Teil eines größeren Bildes sind. Davon befreit,<br />

sieht der Mensch die Gesamtheit der Schöpfung vor sich. Er sieht G-ttes Gegenwart und Seine<br />

Hilfe in allem, was passiert, egal ob er es im Moment versteht oder nicht. Das ist die großartige<br />

Macht des Humors – jemanden aus Missmut und Mutlosigkeit herauszuholen an einen Ort, wo das<br />

Ungesehene – das große Bild – echt und greifbar wird. Und so erklärt der Kotzker Rebbe den Vers<br />

„In Freuden sollt ihr ausziehen“ (Jesaja 55:12): „Das Besondere an der Freude ist, dass sie über<br />

die Kraft verfügt, den Menschen aus all seinen Schwierigkeiten zu befreien.“<br />

Eine der großen Überraschungen für mich, als ich begann Tora zu lernen, war die zentrale<br />

Bedeutung der Freude in unserer Religion: Die chassidische Revolution hat die Freude zurück an<br />

die Spitze der jüdischen Werte gebracht. So wie viele dachte ich, dass die Tora im Grunde eine<br />

intellektuelle Disziplin ist, und erfuhr, dass es auch eine starke emotionale, eine menschliche<br />

Komponente gibt. Und die ist in der Tat unerlässlich für ein lebendiges Judentum, für ein gelebtes<br />

Leben. Wenn Freude bedeutet, Kontakt mit dem größeren Bild zu halten, dann ist Lachen die<br />

Reaktion auf diesen Kontakt und seine Offenbarungen. Auch im Comedy-Geschäft weiß man,<br />

dass der sicherste Weg, einen Lacher zu bekommen, das Nebeneinanderstellen von Erwartetem<br />

und Unerwartetem ist. Wenn wir überzeugt sind, dass die Welt auf eine ganz bestimmte Art<br />

funktioniert und das Gegenteil eintritt, ist das Resultat Gelächter. Auch über die messianische Ära<br />

heißt es, dass „sich unsere Münder mit Lachen füllen werden“ (Psalm 126). Warum? Weil Lachen<br />

in seiner tiefsten und reinsten Form unsere Reaktion auf die Erkenntnis ist, dass die Welt<br />

unendlich schöner und fabelhafter sein kann, als wir jemals für möglich hielten. Wenn wir das<br />

verstehen, dann sind wir jetzt schon bei der ultimativen Pointe, beim besten Witz aller Zeiten.<br />

______________________________________________________________________________


ESTHER, ACHASCHWEROSCH UND DER<br />

MONAT TEWET<br />

Basierend auf den Lehren des Lubawitscher Rebbe<br />

„Und Esther wurde zum König Achaschwerosch gebracht … im Monat Tewet“ (Esther 2:16) - ein<br />

Monat, in dem der Körper Vergnügen von einem Körper bekommt (Talmud, Megilla 13a).<br />

„Ein Körper, der Vergnügen von einem Körper bekommt“ - wegen der Kälte. Es wurde vom<br />

Himmel so arrangiert, dass man sie zu so einer Zeit zum König brachte, damit sie ihm<br />

begehrenswert erschien. (Raschi)<br />

Man könnte die Tora als das endgültige Geschichtsbuch, entworfen vom Autor der Geschichte<br />

selbst, ansehen. Man könnte sie ebenfalls als das endgültige Gesetzbuch betrachten, erlassen<br />

durch den obersten Gesetzgeber. So ist es auch, aber sie ist noch mehr: Die in ihr enthaltenen<br />

Gesetze und Ereignisse umfassen die Vielfalt von Bedeutungen und beschreiben das Wesen der<br />

menschlichen Seele, der Schöpfung und der Wirklichkeit, sowie der G-ttes Beziehung zu unserer<br />

Existenz. Nachmanides formuliert das so: „Die Tora diskutiert das Kurzlebige und weist auf das<br />

Überirdische hin“.<br />

So interpretieren unsere Weisen das Buch Esther als mehr als eine Chronik der Purim-Ereignisse.<br />

Es ist auch die Geschichte einer Beziehung: In der „überirdischen“ Fassung ist König<br />

Achaschwerosch der „König, dessen Anfang und Ende Seine sind“ und Esther, Seine Braut <strong>Israel</strong>.<br />

In diesem Lichte können wir besser verstehen, was der Talmud über den Monat, in dem Esther in<br />

den Palast des Achaschwerosch gebracht wurde, sagt.<br />

Dies ist nicht nur einer der vielen g-ttlichen arrangierten „Zufälle“ aus dem das Wunder von Purim<br />

besteht, es ist ebenfalls eine Beschreibung eines sehr wesentlichen Elements von G-ttes<br />

Verbindung mit Seinem Volk. Tewet, der kälteste Monat des Jahres, kennzeichnet eine Phase in<br />

der Beziehung mit dem Ewigen, in der „der Körper Vergnügen von einem Körper bekommt“.<br />

In menschlichen Beziehungen hat die Verbindung zwischen Mann und Frau eine spirituelle sowie<br />

eine physische Dimension. Es gibt die spirituelle Bindung von Verstand und Herz - die Erfüllung,<br />

die beide Partner durch die Intelligenz, Emotionen, Witz, Charakter des Anderen erlangen.<br />

Aber das „Vergnügen“ in einer Beziehung, im wahrsten Sinne des Wortes, findet sich in einem


physischen Aspekt, im Kontakt und der Vereinigung ihrer Körper.<br />

Das Gleiche gilt für die endgültige Beziehung zwischen Mann und Frau - der übernatürliche<br />

Prototyp, aus dem sich alle männlichen und weiblichen Beziehungen entfaltet haben, und der die<br />

Verbindung zwischen G-tt und <strong>Israel</strong> wiederspiegelt. Auch hier finden wir einen „spirituellen“ und<br />

einen „körperlichen“ Aspekt. Das stärkste Element der Beziehung ist wiederum das Element wo<br />

„der Körper Vergnügen von einem Körper bekommt“. Bestehend aus Körper und Seele beteiligen<br />

wir sie beide an unsere Beziehung zu G-tt.<br />

Wir dienen Ihm mit unserem geistigen Selbst: Mit unserem Torastudium schärfen wir unseren<br />

Verstand mit Seiner Weisheit. Im Gebet meditieren wir über seine Größe, und versuchen, Liebe<br />

und Ehrfurcht vor Ihm in unseren Herzen zu entwickeln.<br />

Auf diesen und anderen Wegen bemühen wir uns die Beherrschung des Verstandes über die<br />

Materie und die Vorherrschaft des Geistes über die Substanz auszuüben. Wir versuchen die<br />

körperlichen Triebe unterzuordnen, und die selbstannullierende Verbindung unserer Seele zu<br />

ihrem Schöpfer auszudrücken.<br />

Aber dieses ist nur eine Seite des Verhältnisses. Auch der Körper dient G-tt, nicht nur als<br />

Instrument der Seele, sondern mit seinen eigenen Ressourcen und seiner materiellen Identität.<br />

Das ist der physische Aspekt von unserer Beziehung mit dem Ewigen. Wir mögen G-tt zwar nicht<br />

im physischen Bereich erleben, wie wir ihm in der spirituellen Dimension erleben, aber mit unseren<br />

physischen Trieben beziehen wir uns auf Ihn in keineswegs weniger wichtiger Art und Weise – um<br />

Seinen Willen in der Schöpfung zu erfüllen.<br />

G-tt hat natürlich weder Seele noch Körper. Aber gerade weil er nicht teilbar oder definierbar in<br />

irgendeiner Weise ist, müssen wir zwischen zwei Dingen unterscheiden, wenn wir über Ihn denken<br />

und diskutieren bzw. ihn erleben: G-tt selbst und unsere Erkenntnis Seiner Realität.<br />

Wenn wir G-tt mit unserem Körper und körperlicher Identität dienen, drücken wir aus, worüber es<br />

bei unserer körperlichen Seite und dem Ego in Wirklichkeit geht: das unerfahrbare Wesen G-ttes.<br />

In diesem Zusammentreffen steckt das tiefste Vergnügen der Beziehung. Es mag sein, dass der<br />

Verstand G-ttes in der Tora ist, dass Sein Herz in den sehnsuchtvollen Klängen des Gebets pocht,<br />

aber Sein „Wunsch“ steckt in der Behausung, die wir Ihm aus unseren physischen Körpern und<br />

der Welt schaffen.<br />

Die Geschichte unserer Beziehung kannte spirituelle sonnige Zeiten. G-ttes Einmischung in unser<br />

Leben war offen spürbar. Der heilige Tempel stand in Jerusalem als Leuchtfeuer Seiner<br />

Manifestation in unserer Mitte. Die g-ttliche „Sonne“ schien hell und wir sonnten uns in ihren<br />

Strahlen.<br />

Aber am 10. Tewet des Jahres 3336 nach der Erschaffung (426 v.u.Z.) begann für uns ein Winter,<br />

aus dem wir noch rauskommen müssen.<br />

An diesem Tag haben die babylonischen Armeen Jerusalem belagert. Zweiundeinhalb Jahre<br />

später haben sie in die Stadtmauer eine Bresche geschlagen, zerstörten den Tempel und haben<br />

das jüdische Volk ins Exil getrieben. Galut, die geografische und spirituelle Verlagerung von <strong>Israel</strong>,<br />

begann.<br />

Die Sonne kam in der Zeit des zweiten Tempels für weitere vier Jahrhunderte raus, aber das war<br />

eine mehr zurückhaltende Offenbarung der G-ttlichkeit. Einige der offenkundigsten Zeichen g-<br />

ttlicher Gegenwart fehlten. Die Prophezeiung hörte auf. Der g-ttliche Bräutigam redete nicht mehr<br />

direkt zu seiner Braut. Schließlich wurde auch dieses von uns genommen.<br />

Seitdem sind wir draußen in der Kälte. Aber wenn der spirituelle Winter des Galuts die Erfahrung


unserer Beziehung zu G-tt verdunkelt, dann ist es Zeit für erhöhte physische Freude. Die kalten<br />

Nächte des Tewet verstärken nur den körperlichen Genuss aneinander. Wenn eine dunkle und<br />

kalte Welt das Licht G-ttes dämpft und unseren Verstand und unser Herz schwerfällig macht,<br />

betont das nur das grundsätzlichste und wesentlichste Element in unserer Beziehung: Die<br />

Verbindung zwischen dem körperlichen Selbst des Menschen und dem vollkommenen Wesen<br />

G-ttes.<br />

_____________________________________________________________________________<br />

VIER GRÜNDE FÜR DAS<br />

GLÜCKLICHSEIN<br />

von Yanki Tauber<br />

1. Grund<br />

Weil es ein guter Weg ist Dinge zu erledigen. Um den chassidischen Klassiker Tanja, von Rabbi<br />

Schneur Salman von Liadi (1745-1812), zu zitieren: „In dem Fall, dass zwei Menschen miteinander<br />

ringen, wobei jeder versucht den anderen nach unten zu drücken, wird derjenige, der mit Trägheit<br />

und Lethargie agiert, leicht besiegt werden, auch wenn er der Stärkere ist. So ist es auch, wenn<br />

man mit dem bösen Trieb kämpft, so kann man ihn besiegen … mit der Bereitwilligkeit, die von der<br />

Freude und einem Herz kommt, welches frei von Leid und Trauer ist, und davon gereinigt wurde.“<br />

2. Grund<br />

Weil es gut ist. Warum sollte Freude nur ein Werkzeug sein, ein Mittel zum Zweck? Für sich<br />

genommen ist es eine gute Sache, ein besserer Weg zu existieren. Und es ist nicht so schwer zu<br />

erreichen. Betrachte all die guten Dinge, die du besitzt und die Teil von dir sind, und um wie viel<br />

mehr sie real und beständig sind, im Vergleich mit den weniger guten Dingen. Auch wenn das<br />

letztere einen zentralen Platz in deinem Leben einnimmt, gehört es dort nicht hin. Befreie den<br />

Platz und übergib ihn den eigentlichen Akteuren.<br />

3. Grund<br />

Weil es eine fröhliche Zeit ist. Glücklich zu sein bedarf manchmal einiger Anstrengung, wie im<br />

Grund 2 (oben) angegeben. Aber es gibt Zeiten, in denen das Glück in der Luft liegt, das Einzige,


was man tun muss, ist, sich dem Glück zu öffnen und ihm zu erlauben, sich mit der Seele zu<br />

verbinden. Wir sind nun in einer solchen Zeit. Unsere Weisen sagen uns, dass „wenn der Monat<br />

Adar beginnt, die Freude ansteigt.“ Wie Haman es unglücklicherweise (für ihn) feststellen musste,<br />

ist es eine Zeit, in der dem jüdischen Volk gute Dinge passieren. Du musst eigentlich nichts tun,<br />

um dies zu erfahren – schließ es einfach nicht aus und verweigere dich nicht.<br />

4. Grund<br />

Weil es das ist, was du bist. Dies ist nicht wirklich ein „Grund“, so dass ich vermute, dass es<br />

eigentlich nur drei Gründe gibt, und nicht vier. Die chassidischen Weisen sagen uns, dass unsere<br />

Seele „buchstäblich ein Teil von G’tt“ ist. So ist die Freude schließlich nicht nur eine Technik,<br />

welche es zu meistern gilt, noch ein Ziel, welches es zu erreichen gilt. Es ist, was wir sind, auf<br />

Grund unseres Bundes mit dem Einen, dessen „Stärke und Freude in Seinem Platz“ (I Ketuwim<br />

16:27) sind. Warum sollte man sich vor etwas verstecken, was wir eigentlich sind?<br />

______________________________________________________________________________<br />

DIE KRAFT VON FÜNF SEKUNDEN<br />

von Simon Jacobson<br />

Wie viel Zeit vergeht vom Moment an, wo du einen Bissen in den Mund steckst und er zu Brei<br />

wird, der langsam seinen Weg durch die Speiseröhre nimmt um den Verdauungsprozess zu<br />

durchlaufen? Ich schätze vielleicht fünf bis zehn Sekunden.<br />

Wie viel Zeit und Energie bringen wir auf, um diese flüchtigen fünf Sekunden zu befriedigen – den<br />

kurzen Moment, den es braucht bis jedes Essen, sei es noch so delikat, in unserer Speiseröhre<br />

gleich geworden ist? Wie viele Trillionen Dollar werden von der Nahrungsmittelindustrie investiert<br />

um diese kurzen Sekunden zu befriedigen?<br />

Das waren einige der Gedanken, die durch meinen Kopf gingen, als ich in einem eleganten<br />

koscheren Restaurant in Midtown Manhattan sass. Ich weiss, dass dies etwas masochistisch<br />

klingen mag – so zu denken während dem ich gerade ein saftiges Stück Steak hinunter schlucke,<br />

nachdem soeben ein Sushi auf meiner Zunge zerging. Nun, so war ich eben aufgelegt – oder<br />

programmiert. Nicht etwa dass ich unter erheblichen Schuldgefühlen leiden würde, nein, das ist<br />

nicht mein Problem. Es ist einfach so, dass ich immer auch die einfachsten Erfahrungen<br />

überanalysieren muss.<br />

Die gleichen Gedanken tauchten wieder während eines festlichen Purim-Mahls auf, als ich an<br />

einem feinen Wein nippte und ein Stück vorzügliches Kalbskotelett genoss.


Das Judentum macht so ein großes Getue ums Essen, dass man sich fragen muss, ob dies nicht<br />

der Grund dafür ist, dass heute viele jüdische Menschen ihre Tradition für spirituell irrelevant und<br />

moralisch bankrott halten. Hamentaschen und Kreplach zu Purim. Latkes zu Chanukka. Blintzes<br />

zu Schawuot. Apfel mit Honig zu Rosch Haschana. Sogar am Jom Kippur – dem heiligsten Tag<br />

des Jahres – geht’s um Essen: Es ist ein Fasttag; wir sind darauf fixiert nicht zu essen. Und am<br />

Tag vor Jom Kippur sollen wir dafür gleich doppelt so viel essen! Dann ist da natürlich Pessach,<br />

mit seinem eigenen Menüplan und Spezialitäten, die über Generationen innerhalb einer Familie<br />

weitergegeben werden.<br />

Anscheinend gibt es da für jeden Feiertag ein anderes Essen ...<br />

Was hat es mit dieser jüdischen Obsession über Essen und Gastronomie auf sich? Was ist so<br />

spirituell an einem üppigen Mahl? Was ist an Küche so bedeutsam und ewig – und das für Essen<br />

das grad mal fünf Sekunden anhält, bevor es in den Verdauungsprozess einsteigen befördert<br />

wird?<br />

Purim wird spezifisch durch seine spezielle Mahlzeit definiert, durch die Se`udat Purim. Die Megilla<br />

stellt ausdrücklich fest, dass dieser Feiertag mit einer Mischte, einer festlichen Party zu begehen<br />

ist. Wir schicken Freunden Geschenke mit Essen, Mischloach Manot. Und natürlich sagen wir<br />

„LeChaim“, auf erlesenen Wein oder Wodka. Tatsächlich erklärt der „Lewusch“, dass Chanukka<br />

das Fest der Seele ist. Purim ist das Fest des Körpers. Daher wird Chanukka durch das Anzünden<br />

von Lichtern begangen – Licht repräsentiert den Geist, man feiert den geistigen Sieg des<br />

Jüdischen Volkes über die Griechen, welche ihre Seelen vernichten wollten, nicht ihre Körper.<br />

Purim andererseits feiert den Sieg über Haman der sie physisch vernichten wollte. Daher feiern<br />

wir, indem wir unsere Körper ernähren.<br />

Es gibt ein wunderschönes Gleichnis des Baal Schem Tow, welches diese Sache mit dem Essen<br />

und Trinken erklärt:<br />

Ein König bereitete sein Kind vor, den Thron zu erben. Damit der Sohn eines Tages ein<br />

einfühlsamer Führer sein würde, beschloss der König, ihn von zu Hause weg zu<br />

schicken. Denn der König erkannte, dass das Kind in seinem Palast in angenehmer<br />

Umgebung isoliert und beschützt war. Der Sohn wurde verdorben von all dem<br />

Reichtum und all der Dienerschaft, die sich um all seine Bedürfnisse kümmerte. Der<br />

bequeme Palast behinderte sein Wachsen und erlaubte ihm nicht zu zeigen, was<br />

wirklich in ihm steckte. Um ein großer Führer zu werden – so wusste der König – war<br />

es notwendig, ihn aus dem Palast weg zu schicken, so schmerzhaft dies auch war, und<br />

ihn unter dem gemeinen Volk, den Untertanen, wohnen zu lassen. Das würde ihm<br />

ermöglichen, seinen Weg als mitfühlenden und geeigneten Führer zu finden.<br />

Der traurige Tag kommt. Als der König sich von seinem weinenden Sohn<br />

verabschiedet, verspricht er ihm, mit ihm in Kontakt zu bleiben, und auch, dass in den<br />

allerschwierigsten Zeiten der Sohn immer die Möglichkeit haben wird, seinen Vater,<br />

den König, zu erreichen.<br />

Und so war es. Der Sohn wird in ein entferntes Land geschickt, wo ihn niemand<br />

erkennt. Er muss lernen, seinen eigenen Weg zu finden und sich ohne Beziehungen<br />

durchzusetzen. Mit der Zeit vergisst der Sohn nach und nach seine Vergangenheit und<br />

den Grund seiner Reise.<br />

Doch der weise König sah voraus, was geschehen würde. Ihm war klar, dass sein<br />

Sohn mit der Zeit seine Wurzeln vergessen würde, wenn er sich an die Art des<br />

fremden Landes, in dem er nun wohnt, anpasst. Um dem entgegenzuwirken, schickt<br />

ihm der König mehrmals im Jahr einen Brief, in dem er ihn erinnert: „Ich bin dein Vater,<br />

der König. Du wurdest in dieses ferne Land geschickt, um dich darauf vorzubereiten,<br />

ein großer Führer dieser Nation zu sein. Vergiss das niemals!“


Wenn der Sohn diesen Brief erhält, ist er ekstatisch und will feiern. Er erinnert sich an<br />

den Palast und sein zu Hause. Er vergegenwärtigt sich den Zweck seiner Aufgabe in<br />

diesem fremden Land.<br />

Er hat ein großes Bedürfnis, zu feiern und allen Nachbarn den wahren Grund seines<br />

Kommens kundzutun. Aber er besinnt sich. Er erkennt schnell, dass die örtliche<br />

Bevölkerung nicht verstehen wird und nicht zu schätzen weiss, woher er kommt, und<br />

dass er dazu bestimmt ist, ihr Führer zu werden. Sie würden ihm nicht glauben, ihn für<br />

verückt halten, ja sich vielleicht sogar feindlich verhalten.<br />

Doch sein Wunsch zu feiern ist übermächtig. Also denkt er sich einen Plan aus.<br />

Nachdem er den Brief bekommen hat, macht er eine Ankündigung in der ganzen<br />

Stadt, dass alle zum Essen und Trinken eingeladen sind. Natürlich sind alle Einwohner<br />

der Stadt begeistert. Sie nehmen die Einladung an. Einstweilen, während dem sie<br />

freudig ihr kostenloses Mahl feiern, feiert der Königssohn mit ihnen den Brief, den er<br />

von seinem Vater erhalten hat.<br />

G-tt ist der König, und jede/r von uns ist ein Kind des Königs. Unsere natürliche Umgebung, bevor<br />

wir auf die Welt kommen, ist der himmlische Palast, eine spirituelle Umgebung in der sich unsere<br />

Seelen total wohl fühlen. Aber um unsere wahren Fähigkeiten zu entfalten und zu leben, nimmt<br />

uns G-tt aus unserem bequemen Cocon heraus und schickt uns in eine fremde, materielle Welt.<br />

Eine Welt die hart und grausam sein kann.<br />

Und wir vergessen. Während dem wir uns an unsere materielle Existenz gewöhnen, vergessen wir<br />

unseren Ausgangspunkt und unsere Bestimmung – den Zweck unserer Reise auf die Erde.<br />

Doch G-tt schickt uns mehrmals im Jahr einen ‚Brief‘ – Er gibt uns die Feiertage als Erinnerung,<br />

dass wir von einem höheren Ort kommen, und dass wir dafür da sind die materielle Welt in einen<br />

G-ttlichen Wohnsitz zu verwandeln, ein zu Hause für unsere Seelen. Wenn wir diese Briefe<br />

erhalten, wollen wir natürlich feiern.<br />

Doch gibt es da ein kleines Problem. Unsere materiellen Körper und die Welt um uns herum sind<br />

nicht gerade dafür eingerichtet mit uns zu feiern; sie verstehen die geistige Wahrheit, die wir<br />

empfangen haben, nicht, oder wissen sie nicht zu schätzen. Sie sind so mit ihrer eigennützigen<br />

Welt der Materie ausgefüllt, dass sie uns gar nicht erlauben werden, frei unsere spirituelle Seite zu<br />

feiern.<br />

Also sagt uns G-tt: „Gib deinem Körper gutes Essen und Trinken am Feiertag. Versorge ihn mit<br />

Gratis-Menüs und Cocktails. Erlaube deinem Körper auf seine Art zu feiern, während du den<br />

‚Brief‘, welchen du von Mir an diesem großen Feiertag erhalten hast, feierst.“<br />

Das ist das Geheimnis des Essens. Der Körper des Essens ist die Nahrung und das<br />

Wohlbefinden, das sie unserem Körper gibt. Die Seele des Essens ist die G-ttliche Botschaft, die<br />

wir jeden Feiertag erhalten.<br />

Man kann essen und man kann essen. Du kannst dich in Mahlzeiten und Drinks stürzen, die grad<br />

mal so lang dauern, wie der Geschmack im Mund anhält und die Nahrung im Magen bleibt, bis -<br />

zur nächsten Mahlzeit. Oder du kannst durch eine Bracha das Essen segnen und heiligen, es bei<br />

Tisch essen, den du damit in einen heiligen Altar verwandelst, und dann die Kraft der spirituellen<br />

Botschaft in eine zeitlose Erfahrung verewigen.<br />

Fünf Sekunden können so oder so ablaufen: Die Speiseröhre hinunter in deinen Bauch. Oder<br />

hinauf zur Ewigkeit. Es liegt an dir.<br />

_____________________________________________________________________________


DIE KRAFT VON FÜNF SEKUNDEN<br />

von Simon Jacobson<br />

Wie viel Zeit vergeht vom Moment an, wo du einen Bissen in den Mund steckst und er zu Brei<br />

wird, der langsam seinen Weg durch die Speiseröhre nimmt um den Verdauungsprozess zu<br />

durchlaufen? Ich schätze vielleicht fünf bis zehn Sekunden.<br />

Wie viel Zeit und Energie bringen wir auf, um diese flüchtigen fünf Sekunden zu befriedigen – den<br />

kurzen Moment, den es braucht bis jedes Essen, sei es noch so delikat, in unserer Speiseröhre<br />

gleich geworden ist? Wie viele Trillionen Dollar werden von der Nahrungsmittelindustrie investiert<br />

um diese kurzen Sekunden zu befriedigen?<br />

Das waren einige der Gedanken, die durch meinen Kopf gingen, als ich in einem eleganten<br />

koscheren Restaurant in Midtown Manhattan sass. Ich weiss, dass dies etwas masochistisch<br />

klingen mag – so zu denken während dem ich gerade ein saftiges Stück Steak hinunter schlucke,<br />

nachdem soeben ein Sushi auf meiner Zunge zerging. Nun, so war ich eben aufgelegt – oder<br />

programmiert. Nicht etwa dass ich unter erheblichen Schuldgefühlen leiden würde, nein, das ist<br />

nicht mein Problem. Es ist einfach so, dass ich immer auch die einfachsten Erfahrungen<br />

überanalysieren muss.<br />

Die gleichen Gedanken tauchten wieder während eines festlichen Purim-Mahls auf, als ich an<br />

einem feinen Wein nippte und ein Stück vorzügliches Kalbskotelett genoss.<br />

Das Judentum macht so ein großes Getue ums Essen, dass man sich fragen muss, ob dies nicht<br />

der Grund dafür ist, dass heute viele jüdische Menschen ihre Tradition für spirituell irrelevant und<br />

moralisch bankrott halten. Hamentaschen und Kreplach zu Purim. Latkes zu Chanukka. Blintzes<br />

zu Schawuot. Apfel mit Honig zu Rosch Haschana. Sogar am Jom Kippur – dem heiligsten Tag<br />

des Jahres – geht’s um Essen: Es ist ein Fasttag; wir sind darauf fixiert nicht zu essen. Und am<br />

Tag vor Jom Kippur sollen wir dafür gleich doppelt so viel essen! Dann ist da natürlich Pessach,<br />

mit seinem eigenen Menüplan und Spezialitäten, die über Generationen innerhalb einer Familie<br />

weitergegeben werden.<br />

Anscheinend gibt es da für jeden Feiertag ein anderes Essen ...<br />

Was hat es mit dieser jüdischen Obsession über Essen und Gastronomie auf sich? Was ist so<br />

spirituell an einem üppigen Mahl? Was ist an Küche so bedeutsam und ewig – und das für Essen<br />

das grad mal fünf Sekunden anhält, bevor es in den Verdauungsprozess einsteigen befördert


wird?<br />

Purim wird spezifisch durch seine spezielle Mahlzeit definiert, durch die Se`udat Purim. Die Megilla<br />

stellt ausdrücklich fest, dass dieser Feiertag mit einer Mischte, einer festlichen Party zu begehen<br />

ist. Wir schicken Freunden Geschenke mit Essen, Mischloach Manot. Und natürlich sagen wir<br />

„LeChaim“, auf erlesenen Wein oder Wodka. Tatsächlich erklärt der „Lewusch“, dass Chanukka<br />

das Fest der Seele ist. Purim ist das Fest des Körpers. Daher wird Chanukka durch das Anzünden<br />

von Lichtern begangen – Licht repräsentiert den Geist, man feiert den geistigen Sieg des<br />

Jüdischen Volkes über die Griechen, welche ihre Seelen vernichten wollten, nicht ihre Körper.<br />

Purim andererseits feiert den Sieg über Haman der sie physisch vernichten wollte. Daher feiern<br />

wir, indem wir unsere Körper ernähren.<br />

Es gibt ein wunderschönes Gleichnis des Baal Schem Tow, welches diese Sache mit dem Essen<br />

und Trinken erklärt:<br />

Ein König bereitete sein Kind vor, den Thron zu erben. Damit der Sohn eines Tages ein<br />

einfühlsamer Führer sein würde, beschloss der König, ihn von zu Hause weg zu<br />

schicken. Denn der König erkannte, dass das Kind in seinem Palast in angenehmer<br />

Umgebung isoliert und beschützt war. Der Sohn wurde verdorben von all dem<br />

Reichtum und all der Dienerschaft, die sich um all seine Bedürfnisse kümmerte. Der<br />

bequeme Palast behinderte sein Wachsen und erlaubte ihm nicht zu zeigen, was<br />

wirklich in ihm steckte. Um ein großer Führer zu werden – so wusste der König – war<br />

es notwendig, ihn aus dem Palast weg zu schicken, so schmerzhaft dies auch war, und<br />

ihn unter dem gemeinen Volk, den Untertanen, wohnen zu lassen. Das würde ihm<br />

ermöglichen, seinen Weg als mitfühlenden und geeigneten Führer zu finden.<br />

Der traurige Tag kommt. Als der König sich von seinem weinenden Sohn<br />

verabschiedet, verspricht er ihm, mit ihm in Kontakt zu bleiben, und auch, dass in den<br />

allerschwierigsten Zeiten der Sohn immer die Möglichkeit haben wird, seinen Vater,<br />

den König, zu erreichen.<br />

Und so war es. Der Sohn wird in ein entferntes Land geschickt, wo ihn niemand<br />

erkennt. Er muss lernen, seinen eigenen Weg zu finden und sich ohne Beziehungen<br />

durchzusetzen. Mit der Zeit vergisst der Sohn nach und nach seine Vergangenheit und<br />

den Grund seiner Reise.<br />

Doch der weise König sah voraus, was geschehen würde. Ihm war klar, dass sein<br />

Sohn mit der Zeit seine Wurzeln vergessen würde, wenn er sich an die Art des<br />

fremden Landes, in dem er nun wohnt, anpasst. Um dem entgegenzuwirken, schickt<br />

ihm der König mehrmals im Jahr einen Brief, in dem er ihn erinnert: „Ich bin dein Vater,<br />

der König. Du wurdest in dieses ferne Land geschickt, um dich darauf vorzubereiten,<br />

ein großer Führer dieser Nation zu sein. Vergiss das niemals!“<br />

Wenn der Sohn diesen Brief erhält, ist er ekstatisch und will feiern. Er erinnert sich an<br />

den Palast und sein zu Hause. Er vergegenwärtigt sich den Zweck seiner Aufgabe in<br />

diesem fremden Land.<br />

Er hat ein großes Bedürfnis, zu feiern und allen Nachbarn den wahren Grund seines<br />

Kommens kundzutun. Aber er besinnt sich. Er erkennt schnell, dass die örtliche<br />

Bevölkerung nicht verstehen wird und nicht zu schätzen weiss, woher er kommt, und<br />

dass er dazu bestimmt ist, ihr Führer zu werden. Sie würden ihm nicht glauben, ihn für<br />

verückt halten, ja sich vielleicht sogar feindlich verhalten.<br />

Doch sein Wunsch zu feiern ist übermächtig. Also denkt er sich einen Plan aus.<br />

Nachdem er den Brief bekommen hat, macht er eine Ankündigung in der ganzen<br />

Stadt, dass alle zum Essen und Trinken eingeladen sind. Natürlich sind alle Einwohner<br />

der Stadt begeistert. Sie nehmen die Einladung an. Einstweilen, während dem sie


freudig ihr kostenloses Mahl feiern, feiert der Königssohn mit ihnen den Brief, den er<br />

von seinem Vater erhalten hat.<br />

G-tt ist der König, und jede/r von uns ist ein Kind des Königs. Unsere natürliche Umgebung, bevor<br />

wir auf die Welt kommen, ist der himmlische Palast, eine spirituelle Umgebung in der sich unsere<br />

Seelen total wohl fühlen. Aber um unsere wahren Fähigkeiten zu entfalten und zu leben, nimmt<br />

uns G-tt aus unserem bequemen Cocon heraus und schickt uns in eine fremde, materielle Welt.<br />

Eine Welt die hart und grausam sein kann.<br />

Und wir vergessen. Während dem wir uns an unsere materielle Existenz gewöhnen, vergessen wir<br />

unseren Ausgangspunkt und unsere Bestimmung – den Zweck unserer Reise auf die Erde.<br />

Doch G-tt schickt uns mehrmals im Jahr einen ‚Brief‘ – Er gibt uns die Feiertage als Erinnerung,<br />

dass wir von einem höheren Ort kommen, und dass wir dafür da sind die materielle Welt in einen<br />

G-ttlichen Wohnsitz zu verwandeln, ein zu Hause für unsere Seelen. Wenn wir diese Briefe<br />

erhalten, wollen wir natürlich feiern.<br />

Doch gibt es da ein kleines Problem. Unsere materiellen Körper und die Welt um uns herum sind<br />

nicht gerade dafür eingerichtet mit uns zu feiern; sie verstehen die geistige Wahrheit, die wir<br />

empfangen haben, nicht, oder wissen sie nicht zu schätzen. Sie sind so mit ihrer eigennützigen<br />

Welt der Materie ausgefüllt, dass sie uns gar nicht erlauben werden, frei unsere spirituelle Seite zu<br />

feiern.<br />

Also sagt uns G-tt: „Gib deinem Körper gutes Essen und Trinken am Feiertag. Versorge ihn mit<br />

Gratis-Menüs und Cocktails. Erlaube deinem Körper auf seine Art zu feiern, während du den<br />

‚Brief‘, welchen du von Mir an diesem großen Feiertag erhalten hast, feierst.“<br />

Das ist das Geheimnis des Essens. Der Körper des Essens ist die Nahrung und das<br />

Wohlbefinden, das sie unserem Körper gibt. Die Seele des Essens ist die G-ttliche Botschaft, die<br />

wir jeden Feiertag erhalten.<br />

Man kann essen und man kann essen. Du kannst dich in Mahlzeiten und Drinks stürzen, die grad<br />

mal so lang dauern, wie der Geschmack im Mund anhält und die Nahrung im Magen bleibt, bis -<br />

zur nächsten Mahlzeit. Oder du kannst durch eine Bracha das Essen segnen und heiligen, es bei<br />

Tisch essen, den du damit in einen heiligen Altar verwandelst, und dann die Kraft der spirituellen<br />

Botschaft in eine zeitlose Erfahrung verewigen.<br />

Fünf Sekunden können so oder so ablaufen: Die Speiseröhre hinunter in deinen Bauch. Oder<br />

hinauf zur Ewigkeit. Es liegt an dir.<br />

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WARUM MÄNNER AM <strong>PURIM</strong><br />

TRINKEN<br />

von Yanki Tauber


Eigentlich sollte ich jetzt über Purim schreiben, aber ich schaffe es einfach nicht. Es übersteigt<br />

meinen Horizont. Ich bin ein Mann, und Purim ist Frauensache. Mit der „Frau in mir“ Kontakt<br />

aufzunehmen, hilft mir auch nicht weiter. Ich versuchte zwar mit ihr zu sprechen, verstand aber<br />

nicht genau was sie mir sagen wollte. So bleibe ich mit dem „Mann in mir“ zurück, der von der<br />

ganzen Angelegenheit völlig verwirrt ist.<br />

Die erste Sache, die ich nicht verstehe ist, wie es den Frauen gelang Purim völlig an sich zu<br />

reissen. Ich meine, es stimmt, dass Esther, eine Frau, das jüdische Volk rettete, die Geschichte in<br />

der Megilla festhielt und sonst den Anlass zum jährlich stattfindenden Feiertag gab. Aber mal<br />

ehrlich, hatte Mordechai nicht auch einen Anteil daran? Warum heisst es dann einfach „Megillat<br />

Esther“? Ja, ja, ich weiss, Esther hat einen Riesenverdienst an der ganzen Sache. Aber sie hätten<br />

es doch wenigstens „Megillat Mordechai und Esther“ nennen können. Oder mindestens „Megillat<br />

Esther und Mordechai“. Warum erhält der jüdische Führer und Gelehrte nur eine Nebenrolle?<br />

Also, so wie ich die Geschichte verstehe, war Esther die Drahtzieherin der physischen Ereignisse.<br />

Was das Spirituelle anbelangt, war Mordechai die treibende Kraft. Es war Esther, die ihr Leben<br />

aufs Spiel setzte als sie sich dem König näherte, ihn dann auf Haman eifersüchtig machte und ihn<br />

veranlasste ein neues Dekret zu veröffentlichen, das den Juden das Recht gab, sich gegen sein<br />

erstes Dekret zu verteidigen. Aber warum war Esther mit ihrem Vorgehen erfolgreich? Weil<br />

Mordechai doch die Juden zu Gebet und Rückkehr anhielt. War nicht dies die eigentliche Ursache<br />

dafür, dass die Juden gerettet wurden?<br />

Ich meine, das ist doch das wichtigste im Judentum, sich auf das Spirituelle zu konzentrieren,<br />

nicht wahr? Man nehme beispielsweise Chanukka – da haben wir zwar wildes kriegerisches<br />

Geraufe, das Stürzen syrischer Kriegselefanten und triumphierende Siege, und dennoch ist es der<br />

spirituelle Aspekt, der alles andere verblassen lässt. Das physische Zeug geht beim Feiern nahezu<br />

unter.<br />

„Nun“, sagt die Frau in mir, „ihr habt euren Chanukka, und wir haben unseren Purim. Bei<br />

Chanukka geht es darum jüdisch zu handeln, bei Purim jüdisch zu sein.“<br />

Aber halt, ist nicht gerade das jüdisch sein? Auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln?<br />

„Das ist, was Antiochus dachte“, sagt die Frau in mir. „Antiochus sagte: ‚Handelst du jüdisch, so<br />

werden wir dich alle umbringen. Haltest du den Schabbat oder beschneidest du deine Kinder, so


ist du ein Feind des Staates. Benimmst du dich jedoch wie ein Grieche, dann ist alles OK. Sei<br />

hellenistischer Jude. Oder von mir aus sogar ein jüdischer Hellenist. Was du lieber willst.’ Haman<br />

jedoch scherte sich nicht darum, wie genau dein Judentum aussah. Es genügte jüdisch zu sein<br />

um umgebracht zu werden. Es ist nicht das, was du tust, denkst oder glaubst, sondern was du<br />

bist.“<br />

Haman? Ist denn jetzt Haman die Autorität wie man jüdisch sein soll?<br />

„Nein“, sagt die Frau in mir, „nicht wie man jüdisch sein soll. Es ist das Jude sein, das wir diese<br />

Woche feiern, nicht das Wie.“<br />

Verstehst du das? Also, ich werde die Frauen nie verstehen. Ich glaube, ich trinke lieber noch<br />

einen Schluck.<br />

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DER FEIERTAG, AN DEM WIR JUDEN<br />

WURDEN<br />

von Naftali Silberberg<br />

Was ist die Bedeutung des Wortes „Jude“? Woher kommt das Wort und was bedeutet es?<br />

Das Wort „Jude“ (Hebräisch Jehudi) leitet sich ab vom Namen Juda (Jehuda), Jakob’s 4. Sohn –<br />

folglich scheint jemand, der Jude genannt wird, ein Nachkomme dieses bestimmten Stammes zu<br />

sein. Dennoch, so ist es weithin bekannt, hatte Jakob 12 Söhne, die Stammväter der 12 Stämme<br />

<strong>Israel</strong>s, all jene, die unsere großartige Nation formen. Warum aber ist dann die gesamte<br />

israelitische Nation als „Juden“ bekannt?<br />

(Die kontroverse Antwort hierauf ist, dass die Mehrheit der heutigen Juden Nachfahren der<br />

Stämme Judah und Benjamin sind – die beide Stämme, die das „Königreich Judäa“ darstellten.<br />

Die anderen 10 Stämme, die Mitglieder des „Nördlichen Königreichs“, wurden in unbekannte<br />

Länder vertrieben. Dennoch muss es durchaus einen tieferen Sinn dafür geben, dass das<br />

Auserwählte Volk nahezu 2500 Jahre so genannt wurde!)<br />

Vielleicht kann man diese Frage beantworten, wenn man die allererste Person analysiert, die<br />

„Jude“ genannt wurde. Zum ersten mal erscheint dieses Wort im biblischen Buch Esther, das die<br />

Geschichte von Purim wiedergibt: „Es gab einen jüdischen Mann in der Hauptstadt Schuschan,<br />

sein Name war Mordechai, Sohn des Yair … ein Benjamite“ (Esther 2:5).


Das ist richtig: der erste „Jude“ war vom Stamme Benjamin!<br />

Eine objektive Betrachtung der Geschichte von Purim offenbart, dass die gesamte Furcht<br />

erregende Episode hätte verhindert werden könnenEine objektive Betrachtung der Geschichte von<br />

Purim offenbart, dass die gesamte Furcht erregende Episode hätte verhindert werden können. Der<br />

gesamte Vorfall war das Resultat von Mordechai’s hartnäckiger Befolgung eines<br />

Benehmenskodexes, der zu seiner Zeit klar überholt und unangebracht gewesen war. Mordechai<br />

war ein älterer Rabbi, der sich dennoch auf Tage zurückberief, die mehr als ein halbes<br />

Jahrhundert zurück lagen – als der Heilige Tempel in Jerusalem stand und das Gesetz der Tora<br />

herrschte. Dass er Haman vor den Kopf stieß hätte in jener Generation angemessen sein können.<br />

Allerdings hatten sich die Gegebenheiten drastisch verändert. Das Volk <strong>Israel</strong> befand sich im Exil.<br />

Wie konnte Mordechai nur wagen, das gesamte Volk in die Gefahr zu bringen, ausgelöscht zu<br />

werden indem er den Lieblingsminister des Königs beleidigte? Offenbar hatte es jemand<br />

versäumt, in dieser Geschichte zu erwähnen, dass die Fähigkeit, sich anzupassen der Schlüssel<br />

zum Überleben ist ...<br />

Mordechai jedoch dachte anders und er hatte einen berühmten Vorgänger, der seine „dummen“<br />

Taten unterstützte. Viele Jahre zuvor wollte ein mächtiger ägyptischer Führer seinen Vorfahren<br />

Benjamin versklaven. Benjamin’s Bruder Juda würde so etwas jedoch nicht hinnehmen. In seinem<br />

stolzesten und selbstdefinierenden Moment ignorierte er jegliches königliche Protokoll,<br />

konfrontierte wütend den mächtigen Herrscher - der sich den Unwissenden als ihr Bruder Josef<br />

entpuppte – und bestand auf die Freilassung Benjamins.<br />

Juda ist die Verkörperung der exilierten <strong>Israel</strong>iten, die auf einem schmalen Grat gehen müssen:<br />

Während er in Frieden mit seinen Nachbarn leben muss, den Gesetzen und Bräuchen des Landes<br />

folgen muss und „für den Frieden des Regimes beten“ muss, hat er dennoch den Mut seiner<br />

Überzeugung, gegen alle Kräfte sich zu erheben, um seine Ideale zu verteidigen. Um es mit den<br />

Worten von Rabbi Scholom DovBer von Lubawitsch zu sagen: „Nur unsere Körper wurden exiliert<br />

– nicht unsere Seelen!“<br />

Mordechai „der Jude“ war ein stolzer Student seines Großonkels Juda. Er wusste, dass die Tora<br />

einem Juden verbietet, sich vor Haman (und damit auch der Statue, die an seiner Kette hing) zu<br />

verbeugen – für ihn war es das letzte Wort. Juda’s und Mordechai’s Taten wurden durch die<br />

folgenden Ereignisse nur bestätigt - ihnen geschah aufgrund ihrer mutigen Handlungsweise<br />

beiden nichts.<br />

Juda ist die Verkörperung der exilierten <strong>Israel</strong>iten, die auf einem schmalen Grat gehen<br />

müssenDadurch, dass er als Beispiel voranging, schaffte es Mordechai, diesen Stolz in den<br />

Herzen der Massen einzupflanzen. Als Haman sein Dekret der Vernichtung ausstellte, dachte nicht<br />

ein <strong>Israel</strong>it daran, seine Religion zu verlassen, um dem Tode zu entgehen. In jenem Augenblick<br />

wurden wir alle „Juden“. Demzufolge ist in dem Buch Esther zum ersten Mal die Rede vom<br />

„jüdischen“ Volk.<br />

Der Name verblieb, da die nächsten 2.500 Jahre unser „Jüdischsein“ wiederholt in Frage stellen<br />

würde. Unter unzähligen Regimen – freundlichen, aber zum größten Teil auch feindlichen,<br />

kämpften wir gegen Freund und Feind, die uns auf Kosten unserer Beziehung zu G-tt ihren Willen<br />

aufzwingen wollten. Wieder und wieder erwiesen wir uns G-tt gegenüber als wahrhaftig und<br />

verdienten uns den Namen „Juden“ durch Ozeane von Blut und Tränen.<br />

Die großartige Geschichte endet auf dieselbe Art wie Purim: Wir alle sind hier, um die Geschichte<br />

zu erzählen - unsere Feinde nicht. Die Freude an Purim ist größer als an jedem anderen Feiertag,<br />

weil dort die Geschichte eines Volkes erzählt wird, das sich seine Seele nicht fesseln ließ – die<br />

Geschichte des Juden.<br />

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WÜRFELSPIEL


von Yanki Tauber<br />

Zahlreiche Faktoren spielten bei der Errettung der Juden vor Haman’s Anordnung eine Rolle –<br />

nicht zuletzt Mordechais Aufruf zur Buße und Esthers Einsatz für ihr Volk. Dennoch bezieht sich<br />

der Name für das Fest auf ein scheinbar kleines Detail: die Tatsache, dass Haman den Tag zur<br />

Auslöschung der Juden mit einem Los auswählte (das persische Wort für „Los“ ist „Pur“).<br />

Offensichtlich ist die Bedeutung von Haman’s Los für das Purimfest unbestreitbar.<br />

Warum ließ Haman Lose ziehen? Weil er versuchte den seiner Meinung nach teuflischen Kreis,<br />

der ihn und seinesgleichen seit der Entstehung des jüdischen Volkes 1.000 Jahre zuvor plagte, zu<br />

brechen. Viele mächtige Männer, vom Pharao bis Nebukadnezar und nicht zuletzt Haman’s eigene<br />

Vorfahren, die Amalekiter, hatten versucht, dieses Volk zu vernichten. Angenommen, die Juden<br />

haben einen großen, mächtigen G-tt, aber leider auch die dumme Angewohnheit, Ihn mit ihren<br />

Sünden zu verärgern – so braucht man scheinbar doch nur auf einen günstigen Moment zu<br />

warten. Aber immer, im allerletzten Moment, tun die Juden Buße und wieder und wieder<br />

versöhnen sie sich mit ihrem G-tt und Er errettet sie.<br />

Haman wusste, dass die Juden schon wieder gesündigt hatten, da sie Nebukadnezar’s Götzen<br />

angebetet und am Achaschwerosch-Fest teilgenommen haben, aber wer weiß, wie lange ihre<br />

Entfremdung von G-tt dieses Mal anhalten würde?<br />

Solange unsere Pläne von der Tugendhaftigkeit oder Frevel abhängen, so schloss Haman,<br />

werden wir nur eine Wiederholung desselben alten Szenarios haben. Wir brauchen eine<br />

grundlegendere Angehensweise. Kann es wirklich wahr sein, dass G-tt sich um dieses Volk mehr<br />

sorgt als um andere? Kann es wirklich wahr sein, dass er wirklich von „guten“ Taten erfreut und<br />

von „schlechten“ verärgert? Sicherlich steht G-tt über all dem. Es mag auf einer Seite eine Ebene<br />

der Realität geben, auf der Güte belohnt und Bösartigkeit bestraft werden, aber auf höherer<br />

Ebene sind diese doch offensichtlich bedeutungslos. Auf dieser Ebene stören einem unendlichen<br />

G-tt die Abläufe in der materiellen Welt nicht und der Premierminister des mächtigsten Imperiums<br />

der Welt kann mit einer kleinen, zerstreuten Minderheit tun und lassen, was er will.<br />

Also ließ Haman Lose ziehen, in der Hoffnung, er würde sich mit der Realitätsebene „verbinden“,<br />

die über den Gesetzen von Gut und Böse stünden – zu der Ebene, auf der – wie er glaubte – es<br />

nur um das Haben geht, frei von moralischen Regeln wie das Würfelspiel.<br />

Was Haman jedoch nicht begriff ist, dass das Volk <strong>Israel</strong> G-ttes auserwähltes Volk ist, das sogar<br />

auf der Ebene g-ttlicher „Auserwähltheit“ ist, was über allen logischen Kriterien steht; G-tt wünscht<br />

sie sich und beschützt sie. Es ist wahr, dass G-tt über all dem steht, aber genau dieser G-tt hat –<br />

aus keinem anderen Grunde als dass es Sein Wunsch war – das Volk <strong>Israel</strong> erwählt.<br />

Der Jude weiß dies im tiefsten Inneren seiner Seele, auch wenn sein benehmen nach außen<br />

manchmal von dieser Selbsterkenntnis abweichen kann. Dies ist der Grund, warum wir immer zu<br />

G-tt zurückkehren und G-tt uns am Ende immer vergibt.<br />

Diese ist die Essenz des Wunders von Purim und dem Wunder des „Volk <strong>Israel</strong>s“.


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ÖL UND WEIN<br />

Ein auf den Kopf gestelltes Festival<br />

von Yanki Tauber<br />

Öl durchsetzt die gesamte Substanz einer Sache<br />

Wenn Wein hineinkommt, so treten Geheimnisse hervor<br />

Schulchan Aruch, Jore Dea 105:5<br />

Talmud, Eruwin 65a<br />

Öl ist in. Öl vermeidet Oberflächlichkeit – man wird es nie sehen, wie es sich um ein Foto bemüht.<br />

Wenn Öl mit etwas in Kontakt gerät, durchträngt es dies bis zum Kern, es durchdringt es<br />

vollkommen.<br />

Wenn man es entzündet, so ist es der Meister der Untertreibung. Geräuschlos verbrennt es –<br />

nicht wie die Öllampe, das vulgäre Knacken von Feuerholz oder das schwache Brutzeln von<br />

Kerzenwachs. Sein Licht bricht nicht durch die Tür und planiert die Dunkelheit, stattdessen<br />

überredet es das Glimmern mit einer spirituellen Lumineszenz zu schimmern.<br />

Wein ist ein Reporter der Regenbogenpresse. Wein torkelt am Wachmann des Verstandes vorbei,<br />

um die Lippen zu lockern, die Gedärme zum Überlaufen zu bringen und das Herz auf den Kopf zu<br />

stellen. Wein schmiert die intimsten Geheimnisse auf die Titelblätter des Lebens.<br />

Chanukka ist Öl, Purim ist Wein.<br />

Chanukka ist der Triumph der jüdischen Seele. Die Griechen maßen dem jüdischen Körper keine<br />

Bedeutung bei; es war <strong>Israel</strong>’s Seele, die sie begehrten, indem sie den Verstand mit ihrer<br />

Philosophie zu indoktrinieren und ihren Geist mit ihrer Kultur einzufärben versuchten. Der Jude<br />

kämpfte nicht für die Freiheit seines materiellen Selbst Willen, sondern um seine spuirituelle<br />

Identität von der hellenistischen Herrschaft zu befreien.<br />

Haman und Co. kümmerten sich nicht um derartige Feinheiten. Sie verfolgten ein einfaches Ziel:<br />

die körperliche Zerstörung eines jeden Juden der Welt. Purim erinnert an die physische Errettung<br />

der jüdischen Existenz.<br />

Chanukka wird mit Öl begangen. Chanukka feiert das Innere der jüdischen Seele, die Essenz, die<br />

jeden Schlupfwinkel, jedes Versteck jüdischen Lebens durchdringt und heiligt. Chanukka feiert das<br />

heimliche Glühen des Geistes, der anstatt die Dunkelheit zu konfrontieren, diese infiltriert und sie<br />

von innen heraus verändert.<br />

An Purim schenken wir Wein aus. Purim ist eine laute Party, eine prunkende Parade, eine<br />

gebräuchliche Zauberposse. Purim feiert die Tatsache, dass der Jude mehr als nur eine Seele ist<br />

– er ist auch ein Körper. Purim feiert die Tatsache, dass unsere Jüdischkeit nicht nur eine innere


Geistlichkeit darstellt, sondern auch eine greifbare Realität; dass diese nicht nur unsere Wesen<br />

von innen durchdringt, sondern auch externe Auswirkung auf unser materielles Leben hat.<br />

<strong>PURIM</strong>, <strong>PURIM</strong>, <strong>PURIM</strong><br />

Hast du einen Helden? Ich habe eine Heldin und das ist ihre Geschichte:<br />

Die Purim-Geschichte handelt von Königen und Königinnen, von Helden und Bösen, das weisst<br />

du. Und mitten drin steht eine junge sehr mutige Frau – Esther!<br />

Esther war zuerst keine Prinzessin. Sie war eine gewöhnliches Mädchen, so wie ich. Aber dann<br />

wurde sie die Königin von Persien! Ausser Mordechai wusste aber niemand, dass sie jüdisch war.<br />

Dann hörte Esther, dass der bösen Haman alle Juden töten wollte! Das jüdische Volk war in<br />

Gefahr. Um sich musste Esther aber nicht Angst haben. Niemand wusste ja, dass sie jüdisch war.<br />

Sie hätte ohne weiteres ein schönes – und sicheres – Leben im Palast haben können.<br />

Jetzt aber musste sie wählen! Sollte sie sagen, dass sie jüdisch ist und ihr Leben in Gefahr<br />

bringen oder lieber schweigen? Was hättest du gemacht?<br />

Esther beschloss alles zu tun, um ihr Volk zu retten! „Ich muss mit dem König sprechen“, dachte<br />

sie. „Er darf nicht zulassen, dass Haman die Juden tötet!“<br />

Aber zum König dürfte man nur gehen, wenn man eingeladen war. Ohne Einladung vor dem König<br />

zu kommen – dafür konnte man getötet werden! Würdest du, Avi, einfach so zum König gehen<br />

und das Leben riskieren?<br />

Esther aber ging. Und als der König hörte, dass Esther jüdisch war und Haman alle Juden töten<br />

wollte, wurde er sehr wütend. „Absolut nicht!“, befiehl er und stoppte Hamans bösen Plan. Das<br />

jüdische Volk war gerettet.<br />

Gerettet – weil Esther, eine junge jüdische Frau, sich für das einsetzte, was ihr wichtig war.<br />

Laut und klar sagte Esther, dass sie zum jüdischen Volk gehöre. Und damit riskierte sie ihr Leben!<br />

Findest du nicht, dass Esther eine richtige Heldin war?<br />

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DER <strong>PURIM</strong>-FISCH<br />

Mosche, der Fischer, schaute ins Wasser. „Wo sind die Fische? Ich brauche Fische für unser<br />

Purimfest.“ Erneut warf er sein Netz und holte es ein – vergeblich. Als es dämmerte, zog Mosche<br />

sein Netz zum letzten Mal aus dem Wasser. Diesmal sah er etwas darin glitzern: einen<br />

wunderschönen Fisch. Da kam ihm eine Idee. Die Hälfte seines Fanges stand nämlich dem<br />

Grundherrn zu; also musste er diesen Fisch hergeben. Das war eine Zwickmühle. Er konnte nicht<br />

auf den Fisch verzichten, denn er wollte unbedingt Purim feiern. Aber es war ebenso unmöglich,<br />

den Grundherrn zu hintergehen. Schließlich beschloss er, diesen Fisch zu behalten und den<br />

gesamten Fang des morgigen Tages dem Grundherrn zu überlassen.<br />

Zufrieden ging er mit dem silbernen Fisch nach Hause. Aber er war nicht allein. Peter, der Gärtner,<br />

stand hinter einer Hecke und dachte: „Dieser Mosche, den der Grundherr für ehrlich hält, macht<br />

sich mit dem Fisch des Grundherrn aus dem Staub. Diese Juden glauben immer, sie könnten<br />

andere überlisten – aber wer zuletzt lacht, lacht am besten!“ Peter schnitt die Hecken vor der Villa,<br />

als der Grundherr seinen Nachmittagsbummel machte. Peter tat so, als spreche er mit sich selbst;<br />

aber er achtete darauf, dass sein Herr ihn hörte: „Unerhört – Mosche behält den riesigen Fisch für<br />

sich und gibt seinem Herrn nichts!“<br />

„Was sagst du da?“, fragte der Grundherr. „Mosche hat mir heute keinen Fisch gebracht; aber ich<br />

dachte, er hat nichts gefangen.“<br />

„Ich habe gesehen, wie er vor etwa einer Stunde einen großen Fisch nach Hause getragen hat“,<br />

erwiderte Peter und verbarg seine Häme.<br />

„Wenn das stimmt, werde ich es bald wissen“, sagte der Grundherr wütend und ließ Mosche sofort<br />

von einem Diener holen. „Was ist mit meinem Fisch geschehen, Mosche? Belohnst du so mein<br />

Vertrauen?“<br />

„Herr, ich kann es Euch erklären“, stammelte Mosche verängstigt. „Heute ist unser Fest Purim,<br />

und ich brauche einen Fisch für unsere Mahlzeit. Ich wollte Euch nicht bestehlen, sondern Euch<br />

morgen meinen gesamten Fang überlassen.“<br />

„Eure Feiertage kümmern mich nicht“, schrie der Grundherr zornig. „Es ist mein Fisch!“<br />

„Bitte lasst mich erklären. Jeder Monat steht unter einem Sternzeichen. Dieser Monat steht im


Fisch. Er erinnert uns daran, dass G-tt so wie ein Fisch niemals die Augen schließt – er wacht<br />

immer über sein Volk und schützt es vor Leid. Vor langer Zeit an Purim rettete er uns vor dem<br />

bösen Haman. Bitte vergebt mir dieses eine Mal und schenkt mir den Fisch. Ich werde es Euch<br />

vergelten.“<br />

Der Grundherr ließ sich überreden. „Du darfst den Fisch behalten. Aber wenn das noch einmal<br />

vorkommt, lasse ich dich hängen!“ Er zeigte auf eine große Eiche. Einige Tage später trafen sich<br />

alle Grundherren des Distrikts. Jeder hatte eine Klage. Der eine hatte ein Vermögen im Spiel<br />

verloren und war jetzt verschuldet. Ein anderer konnte den Umbau seiner Villa nicht bezahlen.<br />

Einem Dritten fehlte das Geld für die Vergoldung seiner Kutsche. Einer sagte: „Wer ist daran<br />

schuld? Natürlich die Juden. Sie verwalten unsere Güter, Gasthöfe und Finanzen. Sie ruinieren<br />

uns!“ Ein anderer meinte: „Meine Juden sind genauso. Sie sind faul und arbeiten nie.“ Dann<br />

meldete sich unser Grundherr: „Mein Mosche behielt einen ganzen Fang für sich, weil er<br />

irgendeinen Feiertag begehen musste.“ Ein Adliger schlug vor: „Wir sollten diese Schmarotzer ein<br />

für allemal vertreiben. Alle stimmten ihm zu und erwarteten das Ende ihrer Probleme.<br />

Plötzlich wurde das große Tor geöffnet. Dort stand unerwartet der Königssohn in seinem<br />

glänzenden saphirblauen Gewand.<br />

„Hoheit“, fragte ein Adliger, „wollt Ihr unser Dekret gegen die Juden unterzeichnen?“<br />

Der Prinz las das Dokument. „Soll das ein Witz sein?“, fragte er. „Für diese angeblichen<br />

Verbrechen wollt ihr die Juden verbannen? Ihr seid verrückt. Auf wen wollt ihr euch denn<br />

verlassen? Auf die Polen, die euch verabscheuen, oder auf eure Diener, die euch bestehlen? Mit<br />

diesem Dekret schadet ihr euch selbst, denn ihr werdet keine Diener finden, die so treu und<br />

tüchtig sind wie die Juden!“ Ein Murmeln ging durch den Saal. „Ihr erlaubt doch?“, sagte der Prinz<br />

und riss das Papier in Stücke. Dann verließ er grußlos den Saal und ließ die verlegenen Adligen<br />

zurück, die einander verdutzt anschauten.<br />

Verwirrt kehrte der Grundherr nach Hause zurück. Wie konnte der Prinz so schnell auftauchen und<br />

verschwinden? War er vom Himmel gekommen? Als er zu Hause ankam, ließ er Mosche rufen.<br />

„Ich habe heute euren G-tt gesehen. Er kam zu unserem Treffen, um euch zu beschützen.“<br />

„Was meint Ihr damit, Herr?“, fragte Mosche. Der Grundherr erzählte ihm von dem Dekret und der<br />

seltsamen Erscheinung. „O nein, Herr“, sagte Mosche. „G-tt kann man nicht sehen.“ Dann fügte er<br />

zögernd hinzu: „Vielleicht kam Mordechai, um uns zu retten, so wie er es vor langer Zeit an Purim<br />

tat.“<br />

„Wie dem auch sei, es scheint, euer Fest hat euch Glück gebracht – und dein Purim-Fisch!“<br />

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ÜBERRASCHUNG AN <strong>PURIM</strong>


Ein armer Dorfbewohner kam einmal an Purim nach Kosnitz, um die Vorlesung des Buches Esther<br />

(Megila) in der Synagoge zu hören. Die Rolle wurde von Reb Jisrael gelesen, dem Magid von<br />

Kosnitz. Der einfache Dorfbewohner hörte der Geschichte von der Megila aufmerksam zu. Nach<br />

der Lesung ging der Magid zu dem Dorfbewohner und fragte ihn: „Kommst du nicht aus dem Dorf,<br />

das zu meinem Gebiet gehört? Warum hast du mir kein Mischloach Manot mitgebracht?<br />

Der Dorfbewohner wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte nicht einmal genug Brot für seine<br />

sechs Kinder. Woher hätte er das Geld nehmen sollen, um Mischloach Manot für den Magid zu<br />

kaufen? Aber Reb Jisrael war gleich wieder besänftigt und lud den Mann zum Purimfest ein.<br />

Nachdem der Dorfbewohner im Haus des Magids gegessen und getrunken hatte und weil er sich<br />

über die Ehre freute, eingeladen worden zu sein, wurde er mutig. Er ging zu einem reichen<br />

Weinhändler, klopfte an die Tür und sagte: „Fröhliches Purim! Wären Sie so nett, mir eine Flasche<br />

Wein auf Kredit zu geben? Ich werde sie bestimmt bezahlen, und wenn nicht – heute ist doch<br />

Purim, oder?“<br />

Der Händler war einverstanden, und der Dorfbewohner ging in ein Obstgeschäft, wo er um Äpfel<br />

bat. Mit Wein und Äpfeln in der Hand kehrte er zum Magid zurück. „Rebbe, ich habe Ihnen<br />

Mischloach Manot gebracht!“, sagte er. „Gut gemacht“, sagte der Magid. „Und denk daran, es an<br />

jedem Purim zu bringen!“<br />

Auf dem Weg nach Hause überfiel den Mann jäh die Realität. „Meine Familie hungert“, sagte er zu<br />

sich selbst. „Dagegen muss ich etwas tun!“ Er ging zum Wodkahändler und wandte seine erprobte<br />

Methode an. Dann benutzte er sie, um einen Laib Brot und ein paar fette Heringe zu ergattern. Mit<br />

diesen Köstlichkeiten unterm Arm rannte er den ganzen Weg nach Hause. „Heute ist Purim!“, rief<br />

er, als er sein Haus betrat. Er breitete die königlichen Speisen auf dem wackeligen Tisch aus und<br />

sagte: „Esst, trinkt und seid fröhlich, denn heute ist Purim!“ Die Familie aß nach Herzenslust, dann<br />

sprangen alle auf und tanzten in der Küche herum. Erst ein lautes Klopfen an der Tür dämpfte ihre<br />

Begeisterung.


„Nicht öffnen“, flüsterte der Mann seiner Frau zu. „Es ist wahrscheinlich ein Bauer, der uns die<br />

Freude verderben will.“ Aber es klopfte weiter. „Keine Sorge“, meinte die Frau. „Ich glaube, das ist<br />

nur der alte Iwan, der uns Kartoffeln verkaufen möchte.“ Sie öffnete und erschrak. Der alte Mann<br />

blutete überall. Sie führten ihn ins Haus und wuschen und verbanden behutsam seine Wunden.<br />

Dann boten sie ihm Brot und Wodka an.<br />

„Ihr habt mir das Leben gerettet“, murmelte er. Dann erzählte er ihnen, sein einziger Sohn habe<br />

ihn geschlagen und aus seinem eigenen Haus geworfen. Wenn sie ihm nicht geholfen hätten,<br />

wäre er gewiss draußen verblutet. Nachdem er sich eine Weile ausgeruht hatte, sagte er: „Da<br />

mein einziger Sohn ein grausamer Mörder ist und ihr Mitleid mit mir gehabt habt, werde ich euch<br />

etwas zeigen: Das Geld, das ich gespart habe und vor meinem Tod meinem Sohn geben wollte.<br />

Jetzt gehört es euch, als Geschenk von mir.“<br />

Der Dorfbewohner folgte dem humpelnden Bauern in den Wald. Der zeigte ihm einen Baum, unter<br />

dem sich das Geld befand. Einige Tage später starb der Bauer. Der Dorfbewohner ging zu dem<br />

Baum, grub die Erde auf – und war plötzlich ein reicher Mann. Von da an besuchte er den Magid<br />

an jedem Purim und gab ihm Mischloach Manot mit offenen Händen und frohem Herzen.<br />

______________________________________________________________________________<br />

KREPLACH - EIN BACKREZEPT FÜR<br />

<strong>PURIM</strong><br />

An Purim essen wir Kreplach (Teigwaren mit Füllung), weil in ihnen etwas verborgen ist – so wie<br />

das Wunder von Purim ein verborgenes war. Obwohl G-tt die Ereignisse lenkte, ging nämlich<br />

scheinbar alles mit natürlichen Dingen zu.<br />

Teig:<br />

400g Mehl<br />

2 Eier<br />

½ TL Salz<br />

3 EL Öl<br />

Füllung:<br />

250g Hackfleisch<br />

1 kleine Zwiebel<br />

1 TL Salz<br />

Teig:<br />

Für den Teig die Zutaten in einer großen Schüssel mischen. Wasser nach Bedarf zufügen.


Kneten. Auf bemehlte Unterlage dünn ausrollen. In etwa 7,5 cm große Quadrate schneiden.<br />

Füllung:<br />

Für die Füllung die Zwiebel in Öl anbraten. Hackgleisch 5 min auf allen Seiten braun braten.<br />

Beiseitestellen und abkühlen lassen. Ei, Salz und Pfefferb zugeben und gut mischen.<br />

In der Mitte der Teigquadrate einen TL Füllung geben. Teig zu einem Dreieck falten. Mit<br />

angefeuchteten Finger über die geschlossenen Kreplach streichen, um die Enden gut zu<br />

verschliessen. Anschliessend kochen oder braten.<br />

Zum Kochen:<br />

Die Kreplach in siedendem Salzwasser kochen, bis sie an der Oberfläche schwimmen.<br />

Zum Braten:<br />

die Kreplach bevor sie in Suppe gegeben werden, von allen Seiten in heißem Öl braten.<br />

Menge: 18 Kreplach<br />

Illustrierte Anleitung:<br />

1. SQUARES: On floured board roll dough out as thin as possible<br />

without tearing<br />

2. Cut rolled out dough into 3-inch<br />

squares. Place a teaspoon of filling<br />

carefully in center.<br />

3. Bring point 1 up to point 4 and<br />

seal edges. Moisten edges with tip<br />

of finger dipped in cold water to<br />

keep seams closed.


1. ROUNDS: On floured board roll<br />

dough out as thin as possible<br />

without tearing<br />

2. Cut 3-inch circles with round<br />

cookie cutter. Place a teaspoon of<br />

filling carefully in the center.<br />

3. Lift sides 1-2 and 3-4 to meet in<br />

center over filling and press edges<br />

together.<br />

4. Fold down top of 3-4-2 to<br />

middle and pinch edges together<br />

forming a triangle. Moisten edges<br />

with tip of finger dipped in cold<br />

water to keep seams closed.<br />

HAMANTASCHEN - EIN<br />

BACKREZEPT FÜR <strong>PURIM</strong><br />

Auf Hamantaschen, das klassische Purimgebäck, freuen sich alle, alt und jung. Es gibt viele Arten<br />

von Hamantaschen; man kann sie aus einem guten süssen Hefeteig, aus Blätterteig oder<br />

gewöhnlichem Keksteig herstellen, und die Füllungen lassen sich beliebig kombinieren.


Pflaumenmus und Mohn sind traditionell, aber man kann jede Art von Marmelade benutzen.<br />

Zutaten für 48 Hamantaschen:<br />

4 Tassen Mehl<br />

4 Eier<br />

¾ Tasse Zucker<br />

1 Tasse weiche Margarine<br />

1 EL Orangensaft<br />

1 TL Vanille-Extrakt<br />

2 TL Backpulver<br />

Prise Salz<br />

1 TL Orangenschale<br />

Füllungen:<br />

450 g vorbereitete Mohnfüllung oder<br />

450 g dickes Pflaumenmus (Lekvar, Powidl) oder<br />

450 g Erdbeer oder Aprikosenmarmelade<br />

Alle Zutaten in eine große Schüssel geben und durchkneten. Je nach Konsistenz des Teigs bei<br />

Bedarf etwas Saft oder Mehl zugeben. Eine Kugel formen und in vier Teile teilen. Dünn ausrollen<br />

und mit einem Glas o.ä. Kreise ausstechen. In die Mitte jedes Kreises 1/2 bis 2/3 TL Füllung<br />

geben. Um ein Dreieck zu bilden, zuerst von rechts oben und von links oben den Teig über die<br />

Füllung legen, bis sich die umgeklappten Teile in der Mitte treffen, dann von unten das Dreieck<br />

schliessen.<br />

Backofen auf 175°C vorheizen. Vor dem Backen den Te ig mit geschlagenem Ei bepinseln. Die<br />

Hamantaschen auf ein gefettetes Backblech legen und etwa 20 Minuten backen.<br />

http://www.de.chabad.org/library/article_cdo/aid/461468/jewish/Gedanken-zu-Purim.htm<br />

http://www.de.chabad.org/generic_cdo/aid/465321/jewish/Purim.htm<br />

http://www.de.chabad.org/library/article_cdo/aid/465322/jewish/Purim-auf-einen-Blick.htm

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