BISCH DU SCHWUL ODER WAS? - HAZ
BISCH DU SCHWUL ODER WAS? - HAZ
BISCH DU SCHWUL ODER WAS? - HAZ
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<strong>BISCH</strong> <strong>DU</strong> <strong>SCHWUL</strong><br />
<strong>ODER</strong> <strong>WAS</strong>?<br />
Heteros in angeblichen Gay-Domänen<br />
Coiffeur, Flugbegleiter, Tänzer ...<br />
NahostKonflikt am 16. Pink Apple Festival<br />
<strong>HAZ</strong>-Live: unser Nationalrat Martin Naef im Interview<br />
nr. 1 i März-mai 2013
Den Feiert Spiess und umdrehen macht mit! –<br />
----------------------------- gegen Fabien Vorurteile<br />
Gysel -----------------------------<br />
----------------------------- Fabien Gysel -----------------------------<br />
Natürlich gibt es uns zuhauf: in der Kultur und im Journalismus.<br />
Sonst wäre dieses Heft schwierig zu realisieren und Zeitungsartikel<br />
über Homosexualität wären wohl seltener zu lesen.<br />
Schwule gibt es aber auch als Bauarbeiter oder Fussballer, nur<br />
sind sie dort eher unbeliebt.<br />
Wie geht es denn umgekehrt den Heteros, die in Bereichen arbeiten,<br />
wo Schwule übervertreten sind? Müssen sie sich verstecken,<br />
um nicht diskriminiert zu werden? Wohl kaum. Das ist auch gut<br />
so. Wir wollten Genaueres darüber erfahren und haben in dieser<br />
Frühlingsausgabe den Spiess umgedreht: die Flugbegleiter<br />
Beat und Lukas, der Coiffeur Ömer und der Balletttänzer Daniel<br />
schildern, wie integriert sie sich in ihrem Arbeitsumfeld als vermutete<br />
Minderheit in einer angeblichen Gay-Domäne fühlen.<br />
Was wie ein Scherz klingt, ist durchaus ernst gemeint. Denn auch<br />
diese Männer haben ihr Coming-out machen müssen, da der<br />
berufliche Weg, den sie eingeschlagen haben, immer noch zu oft<br />
als unmännlich wahrgenommen wird. In diesem Sinn kann man den<br />
Ausdruck „schwule Berufe“ durchaus als homophob verstehen.<br />
Unsere Gesprächspartner bringen ausserdem zum Ausdruck,<br />
dass man zuerst mit der Verschiedenheit konfrontiert werden<br />
muss, bevor man darüber urteilen kann. Das betrifft natürlich<br />
nicht nur die sexuelle Orientierung – auch wir sollten uns daran<br />
erinnern. Vorurteile sind meistens mit Angst verbunden. Angst<br />
vor dem Ungewissen. Angst vor den eigenen Unsicherheiten.<br />
Bevor ich noch zum Moralprediger werde, möchte<br />
ich den Menschen, die seit zwei Jahren beim neuen<br />
<strong>HAZ</strong> Magazin mitgewirkt haben, herzlich danken.<br />
Ihr freiwilliges Engagement ist wertvoll und vorbildhaft.<br />
Die Qualität und die originellen Themen<br />
dieses Heftes sind ihr Verdienst. Neu erscheint<br />
es nicht mehr fünf, sondern vier Mal im Jahr,<br />
dafür aber umfangreicher.<br />
Freut euch aufs Pink Apple Festival und<br />
bleibt safe im Sinne von „Break The<br />
Chains“!<br />
Fabien Gysel<br />
Chefredakteur<br />
<strong>HAZ</strong>-Vorstand<br />
Inhalt<br />
03 „Machsch en huere guete<br />
Wiiberjob, Mann!“<br />
05 Krankenschwester oder<br />
Polizistin<br />
06 „Aus dir wird doch ein guter<br />
Coiffeur!“<br />
09 Ein Frauenberuf in der Schweiz,<br />
nicht im Süden<br />
10 Tänzer: ein Beruf für Freigeister<br />
12 DVD-Tipp: Billy Elliot und<br />
Stadt Land Fluss<br />
14 Das sind auch Menschen<br />
Die Kolumne von Michi Rüegg<br />
14 Agenda<br />
15 „Break The Chains“ ist zurück!<br />
16 Pink Apple: Israel als<br />
Versprechen<br />
18 <strong>HAZ</strong>-Live mit Martin Naef:<br />
„Es hat geholfen dass wir offen<br />
schwule Parlamentarier haben“<br />
20 Buchtipp: Was vom Tage<br />
übrigblieb<br />
22 CD-Tipp: Jake Bugg<br />
impressum Nr. 1 / März 2013 <strong>HAZ</strong>-<br />
Magazin, <strong>HAZ</strong>, Postfach 3121, 8021 Zürich<br />
redaktion@hazmagazin.ch Redaktionsteam:<br />
Karin Grundboeck, Fabien<br />
Gysel, Serge Kuhn, Marguerite Meyer,<br />
Martin Mühlheim, Alex Rudolf Lektorat:<br />
Tina B. Zimmermann Fotografen:<br />
Lorenz Cugini, Markus Tschaggelar<br />
Cover: Lorenz Cugini Illustrationen/<br />
Layout: Brigitte Schüepp mit navneloes.<br />
ch Aufl.: 2500 Ex. Nächste Nummer:<br />
Mitte Juni 2013 Redaktionsschluss:<br />
Ende Mai 2013 Kontakt Inserate: info@<br />
haz.ch Inse rate-Annahmeschluss:<br />
Ende Mai 2013 Druck: ROPRESS Zürich<br />
(klima neutral) Homepage: www.<br />
haz.ch<br />
l Den Spiess umdrehen – gegen Vorurteile l
„Machsch en huere guete<br />
Wiiberjob, Mann!“<br />
----------------------------- Von Serge Kuhn -----------------------------<br />
Lange Gespräche unter guten Kollegen an fernen Gestaden? Die Luftfahrt-Branche stellt man<br />
sich als Aussenstehender wohl zu idyllisch vor. Die beiden heterosexuellen Flugbegleiter, die<br />
das <strong>HAZ</strong> Magazin befragte, schildern ein berufliches Umfeld, in dem Privates wenig Platz hat.<br />
Für den einen hat sich das Bild von Schwulen durch die Arbeit gewandelt.<br />
Ein Flugbegleiter der PrivatAir<br />
Nur ansatzweise<br />
vorhandene<br />
Vertrautheit<br />
Als er vor zehn Jahren als<br />
Flugbegleiter anfing, hielt<br />
Beat Urech Schwule noch eher<br />
für feminin wirkend, anders als<br />
heute, erklärt der 39-Jährige:<br />
„Ich habe gesehen, dass es den<br />
typischen Schwulen nicht gibt.“<br />
Ein weiteres Klischee habe sich<br />
für ihn ebenfalls erledigt: Dass<br />
Hetero-Frauen automatisch einen<br />
besseren Draht zu Schwulen<br />
hätten als Hetero-Männer. Vertrautheit<br />
allerdings kommt in<br />
den ständig wechselnden Teams<br />
nur partiell auf.<br />
„Man ist nicht mehr so lange gemeinsam<br />
unterwegs wie früher“, sagt Lukas Schindler 1 ,<br />
der seit 25 Jahren in der Branche tätig ist. Er<br />
weiss nach eigenen Angaben denn auch gar<br />
nicht genau, ob sein Beruf so typisch schwul<br />
ist, wie dies gemeinhin angenommen wird.<br />
„Überproportional“ im Vergleich zur Gesamtbevölkerung<br />
sei wohl der Anteil der schwulen<br />
Flugbegleiter wohl schon, mutmasst Schindler.<br />
Ausserdem gebe es auch einige lesbische<br />
Stewardessen.<br />
Konkreter ist die Schätzung von Beat Urech,<br />
der von 70 Prozent Schwulen ausgeht unter den<br />
wenigen männlichen Flight Attendants. Laut<br />
l „Machsch en huere guete Wiiberjob, Mann!“ l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 3 l
Eine TUIfly-Crew<br />
ihm, der neben seinem Job bei der Swiss Seifen<br />
herstellt und im Internet vertreibt, ist die<br />
Atmosphäre im beruflichen Umfeld tolerant<br />
und offen, wobei er Berufliches und Privates<br />
klar trennt. Bisweilen erleichtere gerade die nur<br />
ansatzweise vorhandene Vertrautheit mit den<br />
Kolleginnen und Kollegen persönliche Gespräche,<br />
sagt Lukas: „Wenn man Zeit findet, redet<br />
man frei miteinander – im Wissen darum, dass<br />
es lange dauern kann, bis es sich wieder ergibt.“<br />
Solventer Partner empfehlenswert<br />
Für die mutmasslich starke Präsenz von Schwulen<br />
in seiner Branche hat Lukas zwei Erklärungen.<br />
Früher sei es wohl eine Möglichkeit<br />
für „Schwule aus den Dörfern“ gewesen, ihr<br />
Leben freier zu gestalten. Heute gebe es dafür<br />
auch ökonomische Gründe: „Wer eine Familie<br />
ernähren muss, sieht sich nach ein paar Jahren<br />
eher nach einem anderen Job um.“ Schwule<br />
ohne Familie hätten wohl weniger Druck, den<br />
Beruf aufzugeben. Weil Löhne und Rentenbedingungen<br />
aber so prekär geworden seien,<br />
sei ein finanziell besser gestellter Partner in<br />
jeder Konstellation empfehlenswert, sagt Lukas<br />
nur halb im Scherz. Er selber lebt mit seiner<br />
Familie weitab vom teuren Agglomerationsgürtel<br />
der Städte. Seine Frau ist Teilzeit berufstätig.<br />
„Wer so denkt, fängt gar nicht erst an“<br />
Auch er arbeitet Teilzeit. Wie problemlos dies<br />
möglich ist, zählt er zu den grossen Vorteilen<br />
seines Berufes. Ausserdem findet<br />
er die Zusammenarbeit mit<br />
den wechselnden Besatzungen<br />
und den Umgang mit den Fluggästen<br />
spannend.<br />
Es komme vor, dass er von Passagieren<br />
auf zweifelhafte Weise<br />
gelobt werde: „Machsch en huere<br />
guete Wiiberjob, Mann!“, erzählt<br />
Lukas lachend. Wer sich an<br />
solchen Vorkommnissen störe<br />
oder Probleme damit habe, dass<br />
Flight Attendant bisweilen als<br />
schwuler Beruf mit mässig viel<br />
Prestige angesehen werde, der<br />
sei im falschen Job: „Wer so<br />
denkt, fängt gar nicht erst an.“<br />
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1<br />
Name von der Redaktion geändert<br />
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Prekäre<br />
Löhne und<br />
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Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich<br />
l „Machsch en huere guete Wiiberjob, Mann!“ l
Krankenschwester oder Polizistin<br />
----------------------------- Von Karin Grundböck -----------------------------<br />
Gibt es typisch lesbische Berufe? Während einem bei Schwulen sofort gängige Klischees in<br />
den Sinn kommen, ist die Antwort bei Lesben schwieriger. Ein gemeinsamer Nenner scheint<br />
jedoch die Krankenpflege zu sein. Eine kurze Umfrage des <strong>HAZ</strong> Magazins bei rund 30 lesbischen<br />
Frauen unterschiedlichen Alters zeigt, dass es vor allem Berufe gibt, die hauptsächlich<br />
von Frauen ausgeführt werden.<br />
Auf die Frage „Welche ʼtypisch lesbischen‘<br />
Berufe kommen Euch spontan in den Sinn?“<br />
werden folgende Berufe am häufigsten genannt:<br />
Krankenschwester, Lehrerin und Polizistin.<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass<br />
den befragten Frauen vor allem Berufe im Sozialwesen<br />
in den Sinn kommen sowie handwerkliche<br />
und technische Berufe (Malerin, Schreinerin,<br />
Ingenieurin, Maschinenbau, Informatik).<br />
Auch die Bereiche Sport und Physiotherapie<br />
werden mehrmals erwähnt.<br />
Alle befragten Frauen verneinen jedoch, dass<br />
es analog zu Schwulen wirklich „typisch lesbische<br />
Berufe“ gibt und die sexuelle Orientierung<br />
einen Einfluss auf die Berufswahl hat. „Viele<br />
Frauen wissen im Alter von 16 Jahren ja noch<br />
gar nicht, wohin die Reise mal gehen wird“,<br />
betont eine der Befragten.<br />
Was bedeutet „typisch“?<br />
Einerseits sticht hervor, dass die genannten<br />
Berufe im Sozialbereich oder im medizinischen<br />
Bereich insgesamt einen höheren Frauenanteil<br />
aufweisen. Dies gilt auch für den Lehrberuf.<br />
Andererseits werden auch Berufe genannt, die<br />
nach wie vor als „typisch männlich“ gelten wie<br />
handwerkliche Berufe oder die Arbeit bei der<br />
Polizei.<br />
Wobei schon die Frage nach „was ist eigentlich<br />
typisch männlich“ zum Nachdenken anregt.<br />
„Typisch in dem Sinne, dass der prozentuale<br />
Anteil von Lesben in Männerberufen viel höher<br />
ist? Lautet die Schlussfolgerung daraus, dass<br />
lesbische Frauen vor allem ʼMännerberufe‘ wählen,<br />
weil sie selber ʼmännlicher‘ sind? Oder haben<br />
lesbische Frauen einfach weniger Hemmungen,<br />
einen ʼMännerberuf‘ zu wählen?“, überlegt eine<br />
Teilnehmerin.<br />
Fragwürdige Kategorien<br />
Kategorisierungen werden generell als problematisch<br />
eingestuft. „Es gibt sie nur, weil der<br />
Mensch sie konstruiert hat – sie sind nicht naturgegeben“,<br />
meint eine andere Teilnehmerin. Das<br />
Problem beginnt bereits mit der Benennung und<br />
Definition von Kategorien: „Wir klassifizieren<br />
typisch lesbische Berufe, indem wir schwul mit<br />
weiblich und lesbisch mit männlich konnotieren.<br />
Das setzt voraus, dass wir immer noch annehmen,<br />
es gebe typisch männliche und typisch<br />
weibliche Berufe. Beides ist bedenklich und<br />
muss hinterfragt werden.“<br />
Die unterschiedlichen Antworten zeigen: Eine<br />
allgemeingültige Einschätzung auf diese Fragen<br />
gibt es wohl nicht. Eine der befragten Frauen<br />
bringt es auf den Punkt: „Wahrscheinlich spielt<br />
die Sozialisierung die grössere Rolle als die<br />
sexuelle Orientierung. Denn gibt es DIE Lesbe?<br />
Wenn ich mir überlege, in welchen Berufen<br />
meine lesbischen Bekannten tätig sind dann<br />
geht das in ziemlich alle Richtungen.“<br />
l Krankenschwester oder Polizistin l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 5 l
„Aus dir wird doch ein guter Coiffeur!“<br />
----------------------------- Von Fabien Gysel -----------------------------<br />
In vielen Köpfen bleibt das Haareschneiden der schwule Beruf par excellence. Während seiner<br />
Lehre hat sich Ömer Gülen damit schwergetan. Seit bald zwei Jahren lebt der 21-jährige<br />
Vorarlberger mit türkischen Wurzeln in Zürich. Inzwischen steht der stilsichere Hetero diesem<br />
Berufsimage viel lockerer gegenüber.<br />
Senata Wagner<br />
Ömer im Salon Ghel<br />
ls Junge wollte ich eigentlich Auto-<br />
„Aoder Elektromechaniker werden, einen<br />
ʼDreckberuf für starke Männer‘ ausüben“,<br />
erzählt Ömer mit seinem erkennbaren Vorarlberger<br />
Akzent. „Daraus wurde nichts, weil mein<br />
Vater wollte, dass ich studiere, was ich wiederum<br />
nicht wollte.“<br />
Ömer war schon als Teenager immer durchgestylt<br />
und farbig frisiert. Fürs Haareschneiden<br />
habe er sich jedoch durch einen Zufall entschieden,<br />
wie er sagt: „Vor dem<br />
Ausgehen sind meine Freunde<br />
oft zu mir nach Hause gekommen,<br />
um sich die Haare stylen<br />
zu lassen. Mein Vater hat mir<br />
dann einmal gesagt: ʼAus dir<br />
wird doch ein guter Coiffeur!‘“<br />
Darauf hat der Junior zuerst<br />
ablehnend reagiert: „Im Vorarlberg<br />
ist das schwule Klischee<br />
rund um diesen Beruf immer<br />
noch sehr präsent. Ich wollte<br />
nicht, dass alle glauben, ich sei<br />
schwul.“<br />
Wenn sie<br />
denken, ich<br />
sei schwul,<br />
habe ich gar<br />
kein Problem<br />
damit<br />
Nachdem sein Vater ihm aber von seinen<br />
Onkeln erzählte, die in Istanbul Coiffeure und<br />
hetero seien, beschliesst Ömer ein paar Tage<br />
später, in einen Salon schnuppern zu gehen.<br />
Schnell merkt er, dass ihm der Job gut gefällt<br />
und er wird als Lehrling angestellt. Nach seiner<br />
Lehre und einem halben Jahr Bundesheer<br />
zieht Ömer von Feldkirch nach Zürich, wo er<br />
seit eineinhalb Jahr lebt und arbeitet. „Feldkirch<br />
war mir zu konservativ und langweilig. Hier<br />
hingegen sieht man verschiedene Frisuren- und<br />
Klamottenstile. Das hilft mir bei der kreativen<br />
Arbeit. In Zürich gibt es zudem einige gute Friseure,<br />
was mich zusätzlich pushtʼ, Gas zu geben<br />
in meiner Sache.“<br />
Keine Vorurteile mehr<br />
Den eingeschlagenen Weg aufzugeben, wegen<br />
dem schwulen Image des Berufes, war nie<br />
ein Thema: „Warum soll ich einen Beruf, der<br />
mir gefällt, nicht machen, nur weil Leute Vorurteile<br />
haben? Wenn sie von mir denken, ich sei<br />
schwul, habe ich gar kein Problem damit. Ich<br />
muss mich doch nicht rechtfertigen. Und wenn<br />
l 6 l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich<br />
l „Aus dir wird doch ein guter Coiffeur!“ l
man mich danach fragt, antworte ich, dass ich<br />
hetero bin, ganz einfach.“<br />
Während seiner Lehre ist Ömer an Friseurwettbewerben<br />
als Hetero besonders aufgefallen. Ob<br />
er damit in seiner Heimat einen Trend eingeleitet<br />
hat? „Meine Sichtbarkeit als Coiffeur hat das<br />
Eis gebrochen und einige Heteros aus meinem<br />
Bekanntenkreis haben dann ebenfalls eine<br />
Friseurlehre angefangen“, analysiert der selbstbewusste<br />
Österreicher. Ganz allgemein habe das<br />
Thema Schönheit bei Männern an Wichtigkeit<br />
gewonnen – „auch wenn immer noch viele<br />
nicht gerne zugeben, dass sie etwas für ihr Äusseres<br />
tun“, beobachtet der junge Haarstylist, der<br />
nun auch seinen Hetifreunden gerne mal einen<br />
Kosmetiktipp mit auf den Weg gibt.<br />
Seitdem Ömer in Zürich lebt, geht er mit<br />
Schwulen viel lockerer um als früher: „Im<br />
Vorarlberg ist die Gay-Szene getarnter –<br />
man kennt kaum Schwule, wenn man keiner ist.<br />
Hier ist die Szene viel lebendiger. So habe ich<br />
festgestellt, dass Schwule ganz normale Menschen<br />
sind wie andere auch. Ein cooler Freund<br />
von mir ist schwul. Ich habe also gelernt, dass<br />
man über einen Menschen nicht urteilen sollte,<br />
wenn man ihn nicht kennt. Wir leben im 21.<br />
Jahrhundert: Eigentlich sollte es gar keine Rolle<br />
mehr spielen, ob man schwul oder hetero ist.“<br />
Auch von Männern angemacht<br />
Nach seiner Ankunft in Zürich gab es für Ömer<br />
dennoch eine Phase der Hemmung und der<br />
Verunsicherung im Kontakt<br />
mit Schwulen: „Als mich ein<br />
schwuler Kunde zum ersten<br />
Mal gefragt hat, ob ich mit<br />
ihm etwas trinken gehen würde,<br />
habe ich aus lauter Nervosität<br />
zugesagt, mich aber dann<br />
gefragt, ob es richtig war.“<br />
Seine Kollegen hätten ihn dann<br />
aber aufgemuntert. Der Abend<br />
mit dem Kunden wurde „ganz<br />
nett“ und sogar einmal wiederholt.<br />
Dass der gutaussehende<br />
Südländer auch manchmal<br />
von Männern angemacht wird,<br />
erstaunt nicht. Ömer meint<br />
Meine Sichtbarkeit<br />
als<br />
Coiffeur hat<br />
das Eis<br />
gebrochen<br />
dazu: „Es steht ja nicht auf meiner Stirn<br />
geschrieben, dass ich hetero bin. Ich erkläre es<br />
ihnen dann halt.“<br />
So logisch und vernünftig Ömers Gedankenfluss,<br />
so irrational die vermutliche Reaktion<br />
seines Vaters, falls der talentierte Coiffeur<br />
homo wäre: „Easy wäre es sicher nicht, da er<br />
Vorurteile gegenüber Schwulen hat, keine kennt<br />
und mit ihnen nichts zu tun haben will.“ Ömers<br />
Vater hatte am Anfang sogar Angst, sein Sohn<br />
könnte in Zürich „schwul werden“, da ein Teil<br />
seines Arbeitsumfelds aus Schwulen besteht –<br />
darunter auch sein Chef, die „Vorbildsfigur“.<br />
Angst aus purer Ignoranz, meint der Sohn,<br />
der dazu einen erfrischend ehrlichen Vergleich<br />
zum Rassismus wagt. Er selbst habe sich nämlich<br />
früher von Schwarzafrikanern gefürchtet.<br />
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l „Aus dir wird doch ein guter Coiffeur!“ l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 7 l
„Damals dachte ich, dass sie gefährlich sind,<br />
weil ich keine kannte. Inzwischen habe ich<br />
mehrere kennengelernt und gemerkt, dass auch<br />
sie ganz nette Leute sind.“<br />
„Spässle“ in der verkehrten Welt<br />
In Weiterbildungskursen fühlt sich Ömer als<br />
Heterosexueller oft wie ein Aussenseiter. „Dann<br />
reden die Schwulen fast nur unter sich, als würden<br />
sie alle zusammengehören. Ich bemühe<br />
mich dann darum, dass ich mit ihnen doch noch<br />
ein paar Worte austauschen kann“, schmunzelt<br />
er. Ausgeschlossen fühlte sich Ömer jedoch<br />
nie – schon gar nicht an seinem Arbeitsplatz<br />
(Ghel), obwohl er auch dort unter Frauen<br />
und Schwulen eine Minderheit bildet. Natürlich<br />
fliegen manchmal die „Spässle“ im Coiffeursalon<br />
kreuz und quer. „Ömer, wann schläfst<br />
du eigentlich mal mit mir?“, kriegt er manchmal<br />
von Kollegen zu hören. „Das ist alles mit<br />
Humor gemeint. Wir wissen alle, was Sache<br />
ist“, relativiert er. Dass er dabei gestichelt wird,<br />
weil das Mehrheits verhältnis im Vergleich zur<br />
Aussenwelt um gekehrt ist, findet der junge<br />
Haarschneider „okay“. Ausserdem rede er in<br />
Sachen Mode, Gym oder Clubbing genauso gut<br />
mit wie seine schwulen Kollegen, da ihm diese<br />
Themen gleich wichtig seien.<br />
Als Angestellter in einem schwul geführten<br />
Laden dachte Ömer am Anfang dennoch, er<br />
müsse sein Verhalten anpassen, damit er erfolgreich<br />
sein könne – „auch damit sich die Kundinnen<br />
sicherer und nicht von einem Macho behandelt<br />
fühlen“. Die Kundschaft achte jedoch vor<br />
allem auf den Charakter und kehre wegen dem<br />
guten Haarschnitt zu einem Coiffeur zurück,<br />
habe er gemerkt. „Ich bin aber bestimmt offener<br />
und softer geworden, seitdem ich in Zürich<br />
lebe“, beschreibt der Vorarlberger, der früher<br />
angeblich „a bissle den Macho-Typ“ innehatte.<br />
Ein aussterbendes Klischee?<br />
Das Klischee „Coiffeur gleich schwul“ ist<br />
heutzutage nicht mehr so omnipräsent wie früher,<br />
denkt Ömer: „Ich kenne in Zürich viele<br />
Heterofriseure.“ Dennoch hätten die jüngeren<br />
Heteros unter den Coiffeuren immer noch das<br />
Gefühl, sich für ihre Berufswahl rechtfertigen<br />
zu müssen: „Als Teenager ist man unsicherer.<br />
Das war bei mir auch so.“<br />
Den Ursprung des Klischees sieht Ömer in der<br />
Tatsache, dass es bis vor ein paar Jahrzehnten<br />
nur Damencoiffeusen und Herrencoiffeuren<br />
gab, die in getrennten Geschäften arbeiteten.<br />
Die schwulen Coiffeure waren dann die ersten,<br />
die im Frauenbereich tätig wurden. „Heutzutage<br />
tunʼs aber auch Heteros gerne und daher denken<br />
manche, die seien auch schwul.“ Für Ömer ist<br />
das Verschwinden des Klischees nur eine Frage<br />
der Zeit. „Je mehr Heterocoiffeure es geben<br />
wird, desto weniger werden die Leute behaupten,<br />
dass es ein rein schwuler Beruf ist.“<br />
l 8 l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich<br />
l „Aus dir wird doch ein guter Coiffeur!“ l
Ein Frauenberuf in der Schweiz,<br />
nicht im Süden<br />
----------------------------- Von Fabien Gysel -----------------------------<br />
Das trügerische Schwulenklischee, welches das Haareschneiden mit sich herumträgt, verbirgt<br />
eigentlich die einzige statistisch eklatante Realität: In der Schweiz wird dieser Beruf fast<br />
ausschliesslich von Frauen ausgeübt. Ein wichtiger Grund dafür sei der tiefe Grundlohn in der<br />
Branche, meint Roger Rogenmoser, Inhaber zweier Coiffeursalons in Zürich und Baar (ZG). In<br />
südlichen Ländern ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichener.<br />
Roger Rogenmoser<br />
Frankreich weise das Haareschneiden ein ausgeglicheneres<br />
Verhältnis Frau-Mann aus und in<br />
der Türkei seien die Männer sogar dominierend,<br />
unterstreicht der 34-jährige Ausbildner.<br />
% Frauen, 4% Männer“, betont Roger.<br />
„96 In unserem Land geht man also vor<br />
allem zur Coiffeuse. Das sei auch in Deutschland<br />
und Österreich nicht anders. Unter den<br />
wenigen Männern würden Schwule etwa einen<br />
Drittel ausmachen: immerhin eine deutliche<br />
Übervertretung. Diese Berufsgattung aber als<br />
schwulen Beruf zu bezeichnen, stört den schwulen<br />
Fachmann. Verständlich, denn das Klischee<br />
impliziert die homophobe Vorstellung, dass ein<br />
Frauenberuf nichts für „wahre Männer“ ist, sondern<br />
nur für die angeblich „halben“.<br />
Ausgerechnet in Ländern, wo der Machismo<br />
mehr Ansehen geniesst, ist die Männerquote<br />
in dieser Berufsgattung höher. In Italien oder<br />
Während sich die Anziehungskraft des Berufes<br />
in südlichen Ländern mit der Stilsicherheit<br />
des Macho-Mannes erklären lassen könnte, sind<br />
die Macho-Vorbehalte in der wohlhabenden<br />
Schweiz von materielleren Fragen geprägt.<br />
Der niedrige Grundlohn nach Lehrabschluss<br />
verursache den Eindruck, als Coiffeur sei es<br />
unmöglich eine Familie zu ernähren, vermutet<br />
Roger. „Ich kann jedoch als Sohn eines Coiffeurs<br />
und Freund vieler Heterosexueller in der<br />
Branche bestätigen, dass man als Coiffeur mit<br />
Geschäftssinn und vielseitigen Kenntnissen<br />
sehr gut verdienen kann“, entgegnet er. Und<br />
ergänzt: „In den nächsten drei Jahren werden<br />
die Grundlöhne Schritt für Schritt um 400 Franken<br />
ansteigen. Ein schlechter Coiffeur wird aber<br />
trotzdem nicht reich.“<br />
Was führt denn heterosexuelle Männer dazu,<br />
diesen Job zu wählen? „Die meisten Heteros<br />
in unserem Beruf kommen aus Coiffeurfamilien<br />
oder finden den Beruf wegen der schönen<br />
Frauen toll“, meint Roger. „Ob hetero oder<br />
schwul: Ein Mann in einer Frauendomäne<br />
steht grundsätzlich im Mittelpunkt und kommt<br />
als Aussenseiter meist sehr gut an.“ In seinen<br />
Salons favorisiert der Chef von Headcase<br />
weder Schwule noch Männer im Allgemeinen:<br />
„Im Vordergrund steht die Persönlichkeit, der<br />
Wille und das Talent.“<br />
l Ein Frauenberuf in der Schweiz, nicht im Süden l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 9 l
Tänzer: ein Beruf für Freigeister<br />
----------------------------- Von Alex Rudolf -----------------------------<br />
Dank dem Balletttanzen wusste Daniel Mulligan schon früh, dass er nicht schwul ist. Überhaupt<br />
findet der 25-Jährige seinen Beruf nicht sonderlich feminin, es gebe ja auch Macho-<br />
Tänzer, unabhängig von der sexuellen Orientierung. Der junge Londoner, der auf der Zürcher<br />
Opernbühne tanzt, im Porträt.<br />
Eine Mezzosopranistin übt immer und<br />
immer wieder dieselbe Strophe, Techniker<br />
essen Sandwichs und via Lautsprecher werden<br />
Menschen ausgerufen, die in wenigen Minuten<br />
irgendwo zu sein haben. In der Kantine<br />
des Opernhauses Zürich herrscht Umtriebigkeit.<br />
Mittendrin drückt eine junge, hübsche Polin<br />
ihrem jungen, hübschen Freund einen<br />
Abschiedskuss auf den Mund. Der Empfänger<br />
heisst Daniel Mulligan, ist Balletttänzer und<br />
nicht schwul – trotz seines Berufs. „Wenn ich<br />
auf Partys erzähle, dass ich<br />
Balletttänzer bin, dann sind<br />
die meisten Leute fasziniert<br />
und beginnen viele Fragen zu<br />
stellen“, sagt Daniel, nachdem<br />
„Fiftyfifty“<br />
Daniel Mulligan (rechts)<br />
seine Freundin den Saal verlassen<br />
hat. Negative oder klischierte<br />
Reaktionen erlebe er<br />
fast nie.<br />
Ist denn dieses Klischee des<br />
flamboyanten, schwulen Bal<br />
letttänzers aus der Luft gegriffen? Besteigen in<br />
Tat und Wahrheit alle nach Beendigung der Proben<br />
zum Schwanensee ihre Harley Davidsons<br />
und düsen ins nächste Fussballstadion? Daniel<br />
lacht. Es gebe schon viele schwule Balletttänzer.<br />
Da er die Mehrheit seines Freundeskreises<br />
beim Job kennengelernt habe, seien darunter<br />
auch viele Schwule. „Fifty-fifty“, beziffert er<br />
das Schwulen-/Hetero-Verhältnis – was für<br />
einen Heteromann zugegebenermassen hoch<br />
erscheint. Aber dass es ein Schwulenberuf<br />
sein soll, findet er nicht – es sei einer für Freigeister.<br />
Roommate als Partner wahrgenommen<br />
„Wenn man sich im Metier auskennt, dann weiss<br />
man, dass es auch sehr machoide Tänzer gibt.<br />
Genauso gibt es eher feminine.“ Was jedoch<br />
auch wieder nichts über ihre sexuelle Orientierung<br />
aussage, schiebt Daniel nach. Dass sich<br />
die Mehrheit der Menschheit nicht im Metier<br />
auskennt, dies hat er natürlich auch schon<br />
erfahren müssen. „Eine Weile lang lebte ich<br />
mit einem schwulen Ballettkollegen zusammen<br />
in einer Wohngemeinschaft. Für einige Leute<br />
war klar, dass wir ein Paar sind. Als diese dann<br />
erfuhren, dass ich in den festen Händen einer<br />
Frau war, gab es schon überraschte Reaktionen“,<br />
erzählt er locker. Man kauft ihm ab,<br />
dass es ihm nichts ausmacht, für schwul gehalten<br />
zu werden.<br />
Seit sechs Jahren, zuerst im Junior Ballett und<br />
ab 2009 als Mitglied des Balletts Zürich tätig,<br />
lebt der gebürtige Londoner in der Limmatstadt.<br />
Seine Mutter, eine Ballettlehrerin, förderte ihn<br />
und seinen Bruder bereits im Kleinkindalter.<br />
„Schon mit zweieinhalb Jahren war ich schon<br />
in der Ballettschule. Um Profi zu werden, muss<br />
l 10 l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich<br />
l Tänzer: ein Beruf für Freigeister l
Daniel (rechts)<br />
Daniel<br />
man sehr früh anfangen“, sagt er. Daher sei es<br />
nur logisch, dass sich nicht per se Schwule für<br />
diesen Beruf entscheiden. „Damals wusste ich<br />
noch nicht mal, was Homosexualität ist. Die<br />
Freude an Bewegung und Musik stand im Vordergrund“,<br />
erklärt Daniel mit seinem schwungvollen<br />
britischen Akzent.<br />
Wenn Heteros zum Coming-out ermutigen<br />
Mit elf nahm er das Studium an der Royal<br />
Ballet School auf, was auch den Wegzug aus<br />
der mütterlichen Wohnung bedeutete. „Zuerst<br />
traute ich mich nicht, meinen Klassenkameraden<br />
zu erzählen, dass ich bald Tanz studieren<br />
würde. Doch als ich mich dann überwunden<br />
hatte, stellte sich heraus, dass niemand damit<br />
ein Problem hatte“. Jugend und Adoleszenz<br />
in einer Ballettschule zu verbringen, brachte<br />
Daniel – neben einem perfekten Plié – auch die<br />
frühe Erkenntnis ein, dass er nicht schwul ist.<br />
„Schon damals wusste oder ahnte man, wer von<br />
den Klassenkameraden später auf Männer stehen<br />
könnte“, erklärt er. Einige Heteros hätten<br />
ihre schwulen Tanzkollegen gar zum Comingout<br />
ermutigt.<br />
Sein Leben in Zürich gefällt ihm. Fünf Tage die<br />
Woche trainiert er. An manchen Tagen kommen<br />
dann am Abend noch Aufführungen hinzu.<br />
Keine Belastung für Daniel. „Ich fühle mich<br />
enorm privilegiert diesen Beruf ausüben zu<br />
dürfen“, erklärt er fast demütig. Trotz seines<br />
grossen Pensums bleibt er dem Nachtleben<br />
nicht gänzlich fern – auch nicht dem einschlägig<br />
schwulen: „Meine Freundin und ich gehen<br />
manchmal mit Kollegen in Gaybars. Dort werde<br />
ich schon ab und zu angemacht, was mich aber<br />
nicht stört.“ Er könne aber schon verstehen,<br />
dass manche heterosexuellen Männer nicht<br />
gerne in Schwulenklubs gehen. Für einen<br />
Hetero sei es halt schon ungewohnt, von einem<br />
Mann angetanzt zu werden, meint er grinsend.<br />
Schwulsein hilft nicht weiter<br />
Dass er sich zum weiblichen Geschlecht hingezogen<br />
fühlt, hat Daniel weder Vor- noch Nachteile<br />
eingebracht. Bei der Entscheidung, einen<br />
Balletttänzer einzustellen oder nicht, komme<br />
es auf sehr viele Faktoren an, wie Technik und<br />
artistische Umsetzung der Choreografie. „Dass<br />
es jemand wegen seines Schwulseins leichter<br />
oder schwerer bei der Suche nach einem Tanzjob<br />
hat, davon habe ich noch nie gehört“, meint<br />
er. Beim Balletttanzen gehe es um Individualität.<br />
„Jeder wird als das genommen, was er ist“.<br />
Wäre er als Hetero auch so unkompliziert und<br />
offen im Umgang mit Schwulen, wenn er nicht<br />
Balletttänzer wäre? Er nickt langsam, überlegt<br />
dabei: „Als Kind spielte ich Cello und Klavier.<br />
Ich musste mich also schon sehr früh zwischen<br />
einer Tanz- und einer Musikkarriere entscheiden.<br />
Daher denke ich, dass ich so oder so in<br />
einem musischen Beruf gelandet wäre – und<br />
diese sind ja bekannterweise sehr gayfriendly.“<br />
In der Kantine ist es ruhig geworden. Alle scheinen<br />
auf der Bühne, oder wo auch immer sie der<br />
Lautsprecher hinbeordert hat, zu sein. Daniel<br />
zupft seinen beigen Strickpullover zurecht, streift<br />
sich die Jacke über und verabschiedet sich. Er<br />
muss an den Flughafen. Das Wochenende verbringt<br />
er bei seiner Familie in England.<br />
l Tänzer: ein Beruf für Freigeister l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 11 l
Natürlich künstlich<br />
----------------------------- Von Martin Mühlheim -----------------------------<br />
Warum sollte ein schwuler Tänzer weniger überraschend sein als ein schwuler Landwirt?<br />
Beisst sich Naturnähe mit dem künstlich-künstlerischen Flair, dass Homosexuelle vermeintlich<br />
auszeichnet?<br />
Billy Elliot: ein Kuss zum Abschied<br />
Einfühlsame Unschärfe<br />
Drehbuchautor Lee Hall löst das Dilemma mit<br />
gezielter erzählerischer Unbestimmtheit. Als<br />
ein Mädchen aus der örtlichen Ballettklasse<br />
Billy im Umkleideraum anbietet, ihm ihre<br />
fanny zu zeigen, lehnt dieser ohne nennenswertes<br />
Zögern ab. Gleichzeitig erwidert Billy<br />
aber auch die Avancen eines verliebten Jungen<br />
aus der Nachbarschaft nicht; als Reaktion auf<br />
einen vorsichtigen Kuss auf die Wange gibt<br />
Billy bloss mit gerunzelter Stirne zu bedenken:<br />
„Just because I like ballet<br />
doesn’t mean I’m a poof, you<br />
know.“<br />
Ist der<br />
Junge nun<br />
hetero,<br />
homo oder bi?<br />
Die Macher von Billy Elliot – einem Film<br />
über einen elfjährigen Arbeiterjungen,<br />
der zum Entsetzen von Vater und Bruder Balletttänzer<br />
werden möchte – standen vor einer<br />
schwierigen Aufgabe: Stellt sich im Lauf der<br />
Geschichte heraus, dass der kleine Billy schwul<br />
ist, dann zementiert man womöglich ein Vorurteil,<br />
demgemäss sich „nur Schwuchteln“<br />
mit Ballett abgeben; betont man hingegen auf<br />
Teufel komm raus, wie hetero der kleine Billy<br />
ist, dann könnte es scheinen, Schwulsein sei<br />
generell unerwünscht.<br />
Es lohnt sich, hier genau hinzuhören:<br />
Billy sagt nicht, er sei<br />
nicht schwul; er stellt lediglich<br />
klar, dass sein Interesse an Ballett<br />
keinen Schluss auf seine<br />
sexuelle Orientierung zulässt.<br />
Ist der Junge nun hetero, homo<br />
oder bi? Billy Elliot gibt hierauf<br />
keine eindeutige Antwort –<br />
was für einmal kein Zeichen<br />
von Feigheit ist, sondern ein<br />
Beweis für grosses geschlechterpolitisches<br />
Feingefühl.<br />
Natürliche Liebe?<br />
Wie Billy Elliot ist Stadt Land<br />
Fluss, der erste abendfüllende<br />
Spielfilm des in Ungarn geborenen<br />
Regisseurs Benjamin Cantu,<br />
im Arbeitermillieu angesiedelt –<br />
allerdings nicht im städtischindustriellen<br />
Nordengland, sondern<br />
auf dem Land, nahe bei<br />
Berlin. Ausserdem handelt es<br />
sich hier um eine klassische<br />
Coming-out-Geschichte (inklusive<br />
der fast obligatorischen<br />
Schwimmszene am See, in deren<br />
Verlauf sich die angefeuchteten<br />
Protagonisten schmachtende<br />
Blicke zuwerfen dürfen).<br />
Der Reiz von Filmen über<br />
Schwule und Landwirtschaft<br />
liegt möglicherweise darin, dass<br />
parallel zum Umgang dieser<br />
l 12 l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich<br />
l Natürlich künstlich l
Figuren mit der Natur auch die Natürlichkeit<br />
ihrer Gefühle zur Debatte gestellt werden kann.<br />
Explizit war dies bei Brokeback Mountain<br />
der Fall, der 2005 mit dem Slogan „Love Is<br />
a Force of Nature“ beworben wurde. Ein verführerischer<br />
Trugschluss würde in etwa wie<br />
folgt lauten: Wenn selbst Männer, die nicht<br />
von der städtischen Zivilisation verdorben sind,<br />
auf andere Naturburschen stehen – tja, dann<br />
ist wahrscheinlich auch Homosexualität ganz<br />
natürlich.<br />
Gewiefte Umkehrung<br />
Ein Trugschluss wäre das allerdings schon<br />
deshalb, weil Landwirtschaft eben nicht natürlich<br />
ist, sondern etwas Menschlich-Künstliches.<br />
Nicht ohne Grund sprechen wir nämlich von<br />
Kulturland: Das Wort Kultur selbst stammt vom<br />
Lateinischen cultura ab, und dieses heisst übersetzt<br />
unter anderem Ackerbau.<br />
Eine der Stärken von Stadt<br />
Land Fluss ist deshalb, dass er<br />
keine verkitschte Natürlichkeit<br />
konstruiert, sondern in halbdokumentarischem<br />
Stil einen<br />
Landwirtschaftsbetrieb zeigt,<br />
dessen Erdigkeit auch industriell<br />
ist. In gewisser Weise<br />
bietet Cantus Film dem Publikum<br />
sogar die Umkehrung<br />
einer uralten Tradition: Während<br />
sogenannt bukolische Texte<br />
ihre Figuren oft in eine idealisierte<br />
Natur führen, um dort<br />
ʼurbane’ Konflikte zu lösen, so<br />
finden die Landjungen Marko<br />
und Jacob in Stadt Land Fluss<br />
erst dank eines Ausflugs in die<br />
Grossstadt Berlin den Mut,<br />
mit ihren Gefühlen füreinander<br />
offener umzugehen. Ist ihr<br />
Verlangen nun natürlich oder<br />
künstlich? Wen kümmert’s:<br />
Gelernt haben die beiden die<br />
Kunst zu lieben.<br />
Keine<br />
verkitschte<br />
Natürlichkeit<br />
Stadt Land Fluss<br />
---------------------------------------------------------------------------<br />
Billy Elliot (UK/F 2000, R: Stephen Daldry, DVD: Universal)<br />
Stadt Land Fluss (D 2011, R: Benjamin Cantu, DVD: Salzgeber)<br />
---------------------------------------------------------------------------<br />
l Natürlich künstlich l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 13 l
Das sind auch<br />
Menschen<br />
------------------ Von Michi Rüegg ------------------<br />
Es war auf einer All-Gay-Poolparty. Das Bassin<br />
35 Grad warm, befüllt mit zwei Tonnen Wasser<br />
und einem guten Dutzend füdliblutter Typen,<br />
die sich darin räkelten. Und ich suchte mir zielstrebig<br />
den einzigen Hetero aus. Freundlicherweise<br />
hatte er einen breiten Horizont und fummelte<br />
dann doch etwas mit mir.<br />
An manchen Orten vermutet man Heteros einfach<br />
nicht. Das heisst aber nicht, dass es sie<br />
nicht gibt. Sie hausieren einfach nicht mit ihrer<br />
Sexualität. Sie gehen nicht zu jedem und sagen:<br />
Hey, ich bin im Fall hetero, hast du ein Problem<br />
damit? Man muss das respektieren. Und doch<br />
ist man manchmal einfach froh, wenn man ihr<br />
Geheimnis kennt. Damit eben keine Missverständnisse<br />
entstehen. Man will ja niemanden<br />
diskriminieren.<br />
So fragte meine Mutter vor einer Weile, ob denn<br />
der Roger – ein guter Freund von mir – auch<br />
einen Partner habe. Nein, meinte ich. Er ist<br />
seit 20 Jahren mit Regula zusammen. Das war<br />
Mama dann etwas peinlich. Dabei ist es doch<br />
etwas ganz Normales, wenn Männer Frauen lieben.<br />
Viele von uns sind in derartigen Verhältnissen<br />
gross geworden. Was uns heute befremdet,<br />
war einst unser Alltag. Wir sollten<br />
das nicht vergessen.<br />
Solange sich Heterosexuelle<br />
normal benehmen, stören sie<br />
auch in der Gesellschaft nicht.<br />
Nur das übertriebene Gegrunze,<br />
das breitbeinige Gehen bei<br />
Männern und die Arschwackelei<br />
bei den Frauen, das sollen sie<br />
doch bitte zu Hause machen. Ich<br />
will so etwas in der Öffentlichkeit<br />
nicht sehen.<br />
Michi Rüegg<br />
AGENDA<br />
SA 23.03.13<br />
Nacht der Blumen<br />
Im Hive, ab 22.00Uhr<br />
FR 29.03.13<br />
Kiki<br />
In der Pfingstweide,<br />
ab 23.00 Uhr<br />
SA 30.03.13<br />
Easter Wonderland<br />
Im X-Tra, ab 22.00 Uhr<br />
SO 31.03.13<br />
Cube Party<br />
Im Club Bellevue, ab 21.00 Uhr<br />
SO 31.03.13<br />
9 Jahre Boyahkasha<br />
Im Plaza Club, ab 22.00 Uhr<br />
SO 07.04.13<br />
<strong>HAZ</strong>-Frühlingswanderung<br />
Ort: noch offen<br />
Leiter: Thomas<br />
SA 20.04.13<br />
Offstream<br />
Im Exil, ab 23.00 Uhr<br />
MI 01.05.13 –<br />
DO 09.05.13<br />
Pink Apple Festival<br />
Im Kino Movie<br />
(10.–12.05.13 in Frauenfeld)<br />
SO 05.05.13<br />
<strong>HAZ</strong>-Frühlingswanderung<br />
im Thurgau<br />
Leiter: Andreas<br />
SA 18.05.13 –<br />
SO 19.05.13<br />
<strong>HAZ</strong>-Pfingstwanderwochenende<br />
im Tessin<br />
Leiter: Thomas<br />
Details zu den Outdoor-Events<br />
der <strong>HAZ</strong> unter www.haz.ch/outdooraktuell.<br />
l 14 l Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l Das sind auch Menschen l
„Break The Chains“ ist zurück!<br />
Letztes Jahr überraschten die Schweizer Checkpoints mit ihrer ersten nationalen Gesundheitskampagne:<br />
„Break The Chain“, ausgeführt im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit<br />
(BAG) und in Zusammenarbeit mit allen Schwulenorganisationen und der Aids-Hilfe Schweiz.<br />
Nun ist sie zurück und schreibt sich jetzt im Plural, da es mehrere Infektionsketten gibt.<br />
Das Ziel ist gleich geblieben:<br />
Im April sorgen wir dafür,<br />
dass keine HIV-Neuinfektionen<br />
entstehen und im Mai gehen<br />
wir zum HIV-Test. So wird der<br />
Sex für jeden Einzelnen und<br />
uns alle sicherer.<br />
HIV-Neuinfektionen im Hoch<br />
Die neusten Zahlen des BAG<br />
zeigen, dass die HIV-Neuinfektionen<br />
in der Schweiz weiter<br />
zunehmen, am stärksten unter<br />
schwulen Männern. Genau deshalb<br />
wurde 2012 „Break The<br />
Chain“ zum ersten Mal durchgeführt.<br />
Gemäss der Umfrage GaySurvey<br />
der Universität Lausanne<br />
vom Sommer 2012 kennen<br />
knapp 80% der schwulen Männer<br />
im Grossraum Zürich die<br />
Kampagne. 54,7% fühlten sich<br />
durch sie angesprochen und<br />
kannten ihre Botschaften. Die<br />
Zahl der durchgeführten HIV-<br />
Erste 3 Monate<br />
20 bis 100 mal<br />
ansteckender<br />
Tests nahm nach Abschluss<br />
der Kampagne um 17,9% zu.<br />
Diese Zunahme der Tests ist<br />
ein Grund für die Zunahme<br />
der HIV-Neudiagnosen, erklärt<br />
Roger Staub vom BAG.<br />
Klar, die Safer-Sex-Regeln funtionieren.<br />
Doch „Break the<br />
Chains“ reagiert auf neue Realitäten.<br />
Es gibt heute effektive<br />
und gut verträgliche HIV-Therapien<br />
und die Feststellung<br />
der Eidgenössischen Kommission<br />
für Aids-Fragen – das<br />
sogenannte EKAF-Statement –,<br />
laut der erfolgreich therapierte<br />
Menschen unter bestimmten<br />
Voraussetzungen nicht mehr<br />
ansteckend seien. Die Todesangst<br />
sitzt uns nicht mehr im<br />
Nacken und so ist das Kondom<br />
vielleicht nicht mehr<br />
ganz immer mit dabei. Etwa<br />
wenn man verliebt ist. Oder<br />
wenn Alkohol / Drogen dabei<br />
ist / sind. Deshalb können über<br />
die „Break The Chains“-App<br />
auch individuell passende Einsätze<br />
gewählt werden. „Es<br />
geht um einen zusätzlichen<br />
Effort, den jeder einen Monat<br />
lang einhalten kann“, sagt<br />
Andreas Lehner, Projektleiter<br />
beim Checkpoint Zürich.<br />
Mitmachen ist Ehrensache<br />
Alle Schwulenorganisationen<br />
haben dieses Jahr ihre aktive<br />
Unterstützung für „Break The<br />
Chains“ zugesagt und bieten<br />
im April genauso wie die Gay-<br />
Betriebe spezielle Angebote.<br />
Dazu sind schweizweit über 50<br />
ehrenamtliche Botschafter für<br />
das Projekt und seine Ziele im<br />
Einsatz.<br />
Gutfinden reicht nicht. Mitmachen<br />
ist angesagt. Also los, App<br />
über www.BreakTheChains.ch<br />
runterladen, Einsatz wählen,<br />
Freunde einladen, im April<br />
den Einsatz einhalten, Spass<br />
haben mit den Angeboten und<br />
im Mai zusammen zum HIV-<br />
Test gehen!<br />
l „Break The Chains“ ist zurück! l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 15 l
Israel als Versprechen am<br />
Pink Apple<br />
----------------------------- Von Serge Kuhn -----------------------------<br />
Zürcher Schwulengeschichte, queeres Filmschaffen aus Südafrika und eine Debatte um<br />
Queerness im Mainstream: Dies unter anderem bietet das 16. Pink Apple (1.-9. Mai in Zürich,<br />
10.-12. Mai in Frauenfeld). Einen Schwerpunkt bildet auch die Lage schwuler Palästinenser.<br />
Im heimatlichen<br />
Westjordanland<br />
in<br />
Lebensgefahr<br />
Out in the Dark<br />
Das schwullesbische Filmfestival<br />
in Zürich und<br />
Frauenfeld zeigt zwei packende<br />
Streifen, die so gar nicht den<br />
Schablonen entsprechen, mit<br />
denen europäische Medien oftmals<br />
über den Nahost-Konflikt<br />
berichten. Für schwule Palästinenser<br />
ist Israel nicht in erster<br />
Linie dämonisierte Besatzungsmacht,<br />
sondern ein Versprechen –<br />
wenn auch eines, das selten<br />
eingelöst wird.<br />
Louie, einer der Protagonisten im Dokfilm The<br />
Invisible Men von Yariv Mozer, lebt seit zehn<br />
Jahren illegal in Tel Aviv. Er liebt die Stadt,<br />
obwohl auch Familienangehörige dort sind, die<br />
ihm nach dem Leben trachten.<br />
Wie viele andere Schwule wäre Louie im heimatlichen<br />
Westjordanland erst recht in Lebensgefahr<br />
– weil irgendein Verwandter meint, die<br />
„Familienehre“ verteidigen zu müssen. So finden<br />
immer wieder schwule Palästinenser den<br />
Weg zu israelischen Menschenrechtlern. Aufgrund<br />
der Gesetzeslage ist deren Angebot an die<br />
Flüchtlinge dürftig: Wer nicht illegal in Israel<br />
leben möchte, muss das Land in den allermeisten<br />
Fällen verlassen – etwa Richtung Europa.<br />
Zwischen den Fronten<br />
Out in the Dark von Michael Mayer behandelt<br />
dasselbe Thema wie The Invisible Men, ist aber<br />
ein Spielfilm. Die Liebesgeschichte zwischen<br />
dem palästinensischen Studenten Nimr (Nicholas<br />
Jacobs) und dem israelischen Anwalt Roy<br />
(Michael Aloni) droht dem Nahost-Konflikt<br />
zum Opfer zu fallen.<br />
Eine üble Rolle spielen dies- und jenseits des<br />
Grenzzaunes die Sicherheitsorgane. Die Israelis<br />
wissen in Out in the Dark um die Erpressbarkeit<br />
von schwulen Palästinensern – und die Widersacher<br />
im Westjordanland kaschieren blanke<br />
Homophobie als Angst vor Mossad-Spionen.<br />
In The Invisible Men sagt der 24-jährige Abdu:<br />
„Die Palästinenser hassen uns, weil wir schwul<br />
sind, die Israelis wollen uns nicht, weil wir<br />
Palästinenser sind.“ Er hofft auf ein neues<br />
Leben in Frankreich. Der 32-jährige Louie,<br />
der Tel Aviv eigentlich nicht verlassen möchte,<br />
reagiert zurückhaltend auf die Möglichkeit, in<br />
die Schweiz zu gelangen. The Invisible Men<br />
und Out in the Dark sind starke Streifen, die<br />
das schwere Schicksal von Menschen zeigen,<br />
die im Nahost-Konflikt weder in Palästina noch<br />
in Israel Heimat finden können.<br />
Nepalesisches Frauenpaar<br />
Während weibliche Flüchtlinge in den zwei<br />
Nahost-Filmen nicht vorkommen, geht es in<br />
l 16 l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich<br />
l Israel als Versprechen am Pink Apple l
SoonGava – Dance of the Orchids, dem ersten<br />
nepalesischen Film mit einer LGBT-Thematik,<br />
um ein Frauenpaar. Die Tänzerin Diya (Diya<br />
Maskey) und die Studentin Kiran (Schönheitskönigin<br />
Nisha Adhikari) verlieben sich und<br />
sehen einer gemeinsamen Zukunft optimistisch<br />
entgegen.<br />
SoonGava<br />
Entsetzt müssen sie feststellen, dass die gesellschaftlichen<br />
Konventionen viel starrer und ihre<br />
vermeintlich liebevollen Familien viel unbarmherziger<br />
sind, als sie dies für möglich gehalten<br />
hätten. SoonGava erzählt mit wenig Pathos und<br />
durchaus temporeich aus einem Land, dessen<br />
Aufbruchsversuche und –kämpfe im Westen nur<br />
selten wahrgenommen werden.<br />
Reihe zur Schwulengeschichte<br />
Neben den erwähnten Filmen sind auch bereits<br />
diverse Rahmenveranstaltungen des diesjährigen<br />
Pink Apple bekannt. Zur legendären<br />
Zürcher Schwulenorganisation „Der Kreis“<br />
ist eine kleine Reihe geplant, unter anderem<br />
spricht Regisseur Stefan Haupt über sein gleichnamiges<br />
Filmprojekt.<br />
Nicht zuletzt um Originalaufnahmen der Zeitzeugen<br />
Röbi Rapp und Ernst Ostertag in den<br />
Film einbauen zu können, hat sich Haupt<br />
entschieden, seinen Film als Dokufiktion zu<br />
entwickeln. In einem Ateliergespräch wird<br />
Haupt unter anderem erläutern, wie er fiktive<br />
und dokumentarische Szenen zu verbinden<br />
plant.<br />
Ist der ESC „oh so queer“?<br />
Der in den USA tätige Wissenschafter Peter<br />
Rehberg widmet sich in der Festivalsparte „It’s<br />
oh so queer“ dem Eurovision Song Contest und<br />
erläutert unter anderem, welche Bedeutung<br />
„Queerness“ für einen Mainstream-Anlass wie<br />
den ESC hat. Ein weiterer Dokfilm aus Israel<br />
handelt von einer Gruppe Queers, die es in die<br />
ESC-Endausscheidung schaffen möchten.<br />
Erwartet wird schliesslich die südafrikanische<br />
Künstlerin Zanele Muholi, deren Schaffen<br />
mit Filmen sowie einer Fotoausstellung in der<br />
Galerie Widmer und Theo doridis in Zürich präsent<br />
sein wird. Das Pink Apple-Programm ist ab<br />
Anfang April auf www.pinkapple.ch abrufbar.<br />
Der Vorverkauf startet am 23. April.<br />
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l Israel als Versprechen am Pink Apple l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 17 l
„Es hat geholfen, dass wir offen<br />
schwule Parlamentarier haben“<br />
----------------------------- Ein Interview von Fabien Gysel -----------------------------<br />
Er ist unsere Stimme im Bundesbern. Seit über einem Jahr ist Martin Naef Nationalrat, nachdem<br />
der <strong>HAZ</strong>-Vorstandsmann während einem Jahrzehnt als Kantonsrat politisiert hat. Nach<br />
dem „Ja“ zur Stiefkindadoption zieht der ehemalige Parteipräsident der Zürcher SP eine erste<br />
Bilanz. Er wünscht sich von den Bürgerlichen mehr Offenheit bei der Gesetzgebung gegen<br />
Diskriminierungen, freut sich aber über die homo-freundliche Aussenpolitik der Schweiz.<br />
Martin Naef<br />
Bis wann dürfte die Gesetzesänderung in<br />
Kraft treten?<br />
Der Bundesrat wird nun relativ schnell eine Vorlage<br />
ausarbeiten. Sie kommt dann wieder ins Parlament<br />
und untersteht dem Referendum. In der<br />
Schweiz dauert vieles ziemlich lange, dafür „verheben“<br />
diese Lösungen dann auch. Ich will aber<br />
die Vorlage in einem Jahr auf dem Tisch sehen.<br />
Kreuzfahrt mit Olivia Lesbian Travel<br />
Martin, wie der Nationalrat im Dezember<br />
hat nun auch der Ständerat<br />
die Stiefkind adoption für gleichgeschlechtliche<br />
Part ner(innen) gutgeheissen. Inwiefern<br />
konntest du zu diesem Erfolg beitragen?<br />
Es hat sicher ganz einfach geholfen, dass wir<br />
offen schwule Parlamentarier haben – neben<br />
mir beispielsweise auch Daniel Stolz (FDP/BS)<br />
im Nationalrat oder der Baselbieter Ständerat<br />
Claude Janiak (SP).<br />
In beiden Kammern schien der Konsens<br />
bei diesem Thema breit.<br />
Der Eindruck trügt, was den Ständerat betrifft.<br />
Eigentlich dachte ich, das „Ja“ in der kleinen<br />
Kammer sei eine Formsache – schliesslich kam<br />
die Motion sogar für die Volladoption aus diesem<br />
Rat. Und doch hat es sich die CVP nicht<br />
nehmen lassen, wieder einen Minderheitsantrag<br />
auf Ablehnung zu stellen – also die Partei,<br />
die sich immer wieder als „Familienpartei“<br />
bezeichnet…<br />
Eine vollständige Gleichstellung in Bezug<br />
auf das Adoptionsrecht wurde wegen mangelnden<br />
Erfolgschancen aus der Motion<br />
gestrichen...<br />
Hier spielt die Zeit für uns, auch mit Blick auf die<br />
Entwicklungen im übrigen Europa. Wichtig ist,<br />
dass wir vonseiten der Schwulen- und Lesbenorganisationen<br />
weiter hartnäckig und öffentlich<br />
Druck machen. Die Linken kämpfen seit Jahren<br />
für diese Anliegen – für Mehrheiten braucht es<br />
aber auch die CVP und besonders die FDP, die<br />
sich als Liberale eigentlich zuvorderst für Freiheit<br />
und gegen Diskriminierung einsetzen sollten.<br />
Du sitzt in der aussenpolitischen Kommission<br />
des Nationalrates. In Frankreich<br />
hat das Parlament kürzlich die Gleichstellung<br />
in Sachen Ehe und Kinderadoption<br />
beschlossen. Die Debatte war hitzig...<br />
Sie war hitzig und dauerte im Parlament eine<br />
ganze Woche! Die Rechte dachte aber, sie könne<br />
bei Demonstrationen weit mehr Leute auf die<br />
Strasse bringen.<br />
Besteht in der Schweiz ebenfalls die Gefahr,<br />
dass Gruppierungen mit homophoben<br />
Slogans auf die Strasse gehen, um gegen<br />
l 18 l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich<br />
l „Es hat geholfen, dass wir offen schwule Parlamentarier haben“ l
die künftigen Adoptionsbestimmungen zu<br />
protestieren?<br />
Von wenigen Entgleisungen abgesehen (Evangelikale,<br />
Darbellay, Mörgeli, usw.) wird bei uns<br />
die Debatte sehr sachlich geführt.<br />
Was kannst du aussenpolitisch im LGBT-<br />
Bereich bewegen?<br />
Ich sehe meine Aufgabe vor allem darin, den Bundesrat<br />
in seiner Menschenrechtspolitik immer<br />
wieder aufzufordern, sich für LGBT-Rechte einzusetzen:<br />
in allen Auslandskontakten, aber auch<br />
in den internationalen Gremien wie dem UNO-<br />
Menschenrechtsrat. Bei diplomatischen Kontakten<br />
hatte unsere ehemalige Aussenministerin<br />
Micheline Calmy-Rey diese Thematik zu einer<br />
Priorität gemacht. Ihr Nachfolger Didier Burkhalter<br />
verfolgt diese Strategie weiter und ich bin<br />
sehr froh darüber. Mit Ausnahme von den USA<br />
und Norwegen gibt es kein anderes Land, das<br />
sich dabei so sehr einsetzt wie die Schweiz.<br />
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AAAA<br />
AFTERWORKAPÉROATARON<br />
Gleichzeitig bietet die Schweiz nicht einmal<br />
Asyl, wenn Menschen in ihrem eigenen<br />
Land wegen ihrer sexuellen Orientierung<br />
verfolgt werden.<br />
In diesem Bereich stellt sich das Parlament<br />
taub und hat linke Vorstösse abgelehnt. Es wird<br />
derart juristisch argumentiert, dass mir als Jurist<br />
die Haare zu Berge stehen. Von Schwulen<br />
aus dem Iran zum Beispiel wird verlangt, dass<br />
sie eine individuelle, konkrete Gefährdung geltend<br />
machen können. Ist es aber „nur“ eine allgemeine<br />
Gefährdung, so müssen Gesuchsteller<br />
in Länder zurück, wo ihnen Folter oder gar die<br />
Todesstrafe drohen. Das darf doch nicht wahr<br />
sein!<br />
Diskriminierungen gegen Lesben, Schwule,<br />
Bisexuelle und Transmenschen gibt es<br />
auch in der Schweiz, wenn auch weniger<br />
schlimme.<br />
Leider sind wir in der Anti-Diskriminierungsgesetzgebung<br />
vor allem im LGBT-Bereich<br />
nicht so weit wie andere Länder. Ich spreche<br />
Themen an wie das Arbeits- und Mietrecht,<br />
aber auch die Bestrafung von „hate crimes“.<br />
Ich bin glücklich, dass ich für mein Postulat<br />
für einen umfassenden Bericht zum Diskriminierungsschutz<br />
eine Mehrheit im Nationalrat<br />
gefunden habe. Wichtig scheint mir auch,<br />
dass die Politik Signale gibt gegen Gewalt<br />
und Ausgrenzung, welche im Alltag stattfinden.<br />
IN EINER GEMÜTLICHEN ATMOSPHÄRE DEN<br />
ARBEITSTAG AUSKLINGEN LASSEN<br />
UND AUF DEN FEIERABEND MIT EINEM GUTEN<br />
GLAS WEIN <strong>ODER</strong> BIER ANSTOSSEN.<br />
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Wie geht es mit deinem Postulat weiter?<br />
Der Bericht des Bundesrates soll aufzeigen,<br />
wo konkret Handlungsbedarf besteht. Bisher<br />
hat sich die Regierung und die Mehrheit im<br />
Parlament immer herausgeredet, es sei ja alles<br />
in Ordnung. Es gibt aber immer wieder auch<br />
gesetzliche Diskriminierungen, die im Parlament<br />
einfach akzeptiert werden, zum Beispiel<br />
beim Bürgerrecht: Hier gibt es ein erleichtertes<br />
Einbürgerungsverfahren für Ehepartner, nicht<br />
aber für eingetragene Partner(innen). Ich habe<br />
mich in der Frühlingssession auch dagegen<br />
gewehrt – doch die bürgerliche Mehrheit blieb<br />
stur.<br />
l „Es hat geholfen, dass wir offen schwule Parlamentarier haben“ l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 19 l
Queeres Lesen<br />
----------------------------- Von Martin Mühlheim -----------------------------<br />
Kazuo Ishiguros preisgekrönter Roman Was vom Tage übrigblieb (OT: The Remains of the Day,<br />
1989) erzählt die Geschichte einer unerfüllten heterosexuellen Liebe. Liest man Ishiguros Text<br />
aber sozusagen verqueert, dann entdeckt man plötzlich Spuren homoerotischen Begehrens.<br />
Emma Thompson und Anthony Hopkins in The Remains of the Day<br />
Im Namen<br />
des Pflichtbewusstseins<br />
zu viel<br />
geopfert<br />
Ishiguros Roman spielt in prototypisch<br />
englischem Umfeld:<br />
Der Butler Stevens dient schon<br />
seit Jahrzehnten auf Darlington<br />
Hall, einem traditionsreichen<br />
Herrenhaus, das allerdings seit<br />
kurzem einem amerikanischen<br />
Neureichen gehört. Vielleicht<br />
aufgrund dieser Veränderung<br />
erinnert sich Stevens zurück<br />
an seine bisherige Karriere<br />
als perfekter Diener – und<br />
erkennt, dass er im Namen<br />
des Pflichtbewusstseins wohl<br />
zu viel geopfert hat.<br />
Blinde Selbstlosigkeit<br />
Stevens’ Idealvorstellung war<br />
es nämlich immer, als Butler<br />
alle persönlichen Wünsche hinter<br />
diejenigen seines Herrn zurück<br />
zustellen: Man solle bei<br />
Antritt einer Stelle kritisch prüfen, ob man<br />
einem würdigen Herren diene, diesem aber<br />
danach bedingungslos gehorchen, selbst wenn<br />
man seine Entscheide im Einzelfall missbilligt.<br />
Die Tragik im Leben von Stevens ist, dass<br />
sein früherer Herr, Lord Darlington, sich in der<br />
Zwischenkriegszeit zwar mit guten Absichten<br />
für gute Beziehungen zwischen Deutschland<br />
und Grossbritannien einsetzte, so aber immer<br />
mehr zum englischen Helfer der Nationalsozialisten<br />
wurde. Vor einer wichtigen Konferenz<br />
auf Darlington Hall bittet der Herr seinen<br />
Butler dann sogar, zwei jüdische Bedienstete<br />
zu entlassen, um die deutschen Gäste nicht vor<br />
den Kopf zu stossen. Stevens hält diesen Entscheid<br />
für falsch, behält dies aber für sich und<br />
folgt Lord Darlingtons Anweisungen.<br />
Eine gescheiterte Liebe<br />
Die Haushälterin auf Darlington Hall, Miss<br />
Kenton, ist entsetzt und interpretiert Ste<br />
l 20 l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich<br />
l Queeres Lesen l
vens’ Verhalten als Zeichen<br />
der Gleichgültigkeit oder gar<br />
Zustimmung. Dieser versäumt<br />
es – wie so oft im Verlauf<br />
des Romans –, Miss Kenton<br />
sein Handeln zu erklären; so<br />
sehr hat sich Stevens hinter<br />
seiner selbstverleugnenden Rolle<br />
verschanzt, dass er sogar vor<br />
kleinen Intimitäten zurückschreckt;<br />
Emotionen zuzulassen<br />
bedroht sein ganzes Ich-<br />
Verständnis. Erst Jahre später<br />
gesteht Stevens sich ein, dass<br />
er auf diese Weise die Chance<br />
auf ein glückliches Leben mit<br />
Miss Kenton fahrlässig und<br />
unwiderruflich verspielt hat.<br />
Stevens’ verspätete Einsicht ist<br />
herzzerreissend, gerade auch<br />
für eine queere Leserschaft:<br />
Der Wunsch, eine gesellschaftlich<br />
vorgegebene Rolle perfekt<br />
zu erfüllen, auch auf Kosten<br />
der persönlichen Bedürfnisse –<br />
wie viele gleichgeschlechtlich<br />
begehrende Menschen blicken<br />
auf ähnliche Geschichten der<br />
Selbstverneinung zurück?<br />
Unterschwellige Homoerotik<br />
Man kann aber auch über<br />
Analogien hinausgehen und fragen,<br />
welches uneingestandene<br />
Begehren Stevens dazu bewegt,<br />
das vermeintliche Glück<br />
heterosexueller Zweisamkeit für<br />
den Dienst an einem Herrn zu<br />
opfern, der sein Leben lang<br />
Junggeselle bleibt. Steht dem<br />
Verzicht auf heterosexuelle<br />
Erfüllung eine verborgene und<br />
vage homoerotische Lust gegenüber?<br />
Stevens’ ganzes Leben<br />
richtet sich danach, die Wünsche<br />
eines Mannes zu erfüllen –<br />
und es ist diese Beziehung, die<br />
er einem Leben mit Miss Kenton<br />
vorzieht.<br />
Um Missverständnisse zu vermeiden:<br />
Was vom Tage übrigblieb<br />
ist kein verkappt schwuler<br />
Roman; Stevens und Lord<br />
Darlington haben’s nicht insgeheim<br />
miteinander getrieben.<br />
Der Punkt ist vielmehr, dass<br />
die scheinbar eindeutig heterosexuelle<br />
Begehrensstruktur auch<br />
von gleichgeschlechtlichen Lust-<br />
formen durchdrungen ist. Ganz<br />
gemäss einem queeren Verständnis<br />
erweist sich das Begehren<br />
bei genauerem Hinsehen<br />
eben nicht als gradlinig hetero<br />
oder homo, sondern als vielgestaltig,<br />
verschlungen und<br />
rätselhaft.<br />
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Kazuo Ishiguro. Was vom Tage übrigblieb. Btb-Verlag, 2007.<br />
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Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich l 21 l
Jake Bugg: Newcomer in alter<br />
Lederjacke<br />
----------------------------- Von Marguerite Meyer -----------------------------<br />
Er verströmt diese süsse „Toughness“, die ein englischer Teenager mit Röhrenjeans, Lederjacke<br />
und verwuschelter Britpop-Frisur nun mal verströmt. Jake Bugg hat erst zarte 19 Jährchen<br />
auf dem Buckel - könnte aber genauso gut in den sechziger Jahren Musik gemacht haben.<br />
Seine Stimme ist mal sanft, mal up-beat, aber<br />
immer mit diesem unverkennbaren Raspeln.<br />
Er erinnert ein bisschen an Bob Dylan oder an<br />
Oasis. Was nicht heisst, dass er nicht seinen<br />
eigenen Stil gefunden hätte, irgendwo zwischen<br />
Britpop, Country und Folk.<br />
Der Junge aus Nottingham, aufgewachsen in einer<br />
Working-Class-Siedlung, nennt für sein Alter<br />
ungewöhnliche Vorbilder: Buddy Holly, The<br />
Weavers, Robert Johnson, Jimi Hendrix, Don<br />
McLean. Letzteren hat er der TV-Serie “Simp<br />
sons” zu verdanken, sagt er. Mit zwölf habe er<br />
in einer Episode den Song “Vincent” gehört –<br />
das habe ihn neugierig gemacht. Danach hat<br />
er den Sound der Altmeister aufgesogen. Das<br />
merkt man seinem Debüt an. Es ist herrlich altmodisch,<br />
ohne den Bezug zu heute zu verlieren.<br />
Auftritt am Glastonbury: Check!<br />
Jake Bugg wollte weg aus der Vorstadt-Tristesse,<br />
die er nun besingt. Profi-Fussballer wollte er<br />
mal werden, wie alle Jungs aus der Region, sagt<br />
er. Er hat sich für die Musik entschieden. Weit<br />
gebracht hat ihn die Entscheidung auf jeden<br />
Fall: Er trat am legendären Glastonbury Festival<br />
auf, danach hatte er einen Plattenvertrag in<br />
der Tasche und eine USA-Tour mit Noel Gallagher<br />
und Snow Patrol. Sein rockiges “Lightning<br />
Bolt” war an den Olympischen Spielen zu<br />
hören. Wie ein Blitz ist Bugg hochgeschossen.<br />
Aber bei allem Erfolg scheint er zu wissen, was<br />
gute Musik ausmacht. Seine Songs schreibt er<br />
selber. Bei allen musikalischen Höhenflügen<br />
will er am Boden bleiben, und sich selber treu.<br />
Und so heisst sein Debüt-Album ganz einfach:<br />
Jake Bugg.<br />
Dido<br />
Girl Who Got Away<br />
Konstantin Wecker<br />
Wut und Zärtlichkeit<br />
Macklemore &<br />
Ryan Lewis<br />
The Heist<br />
Weniger Moll, mehr Dur. Die<br />
Elfe versucht den Sprung zwischen<br />
dem Samtweichen und<br />
spielerischen Beats. Interessant,<br />
aber man wünscht sich mehr von<br />
der alten Dido zurück. Für Kissen-Kuschler.<br />
MMe<br />
Wie immer seziert der Beobachter<br />
Wecker, was auf der<br />
Welt geschieht, ob Privates oder<br />
Politik. Bissig, scharf, süffisant.<br />
Für Revoluzzer und Augenaufmacher.<br />
MMe<br />
HipHop-Hoffnung. Smarte Texte,<br />
fantastische Beats. Und “Same<br />
Love” ist wohl das schönste<br />
musikalische Plädoyer eines Rappers<br />
für die Homo-Ehe. Für Anti-<br />
Gangster und Reimfreunde. MMe<br />
l 22 l<br />
Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich<br />
l Jake Bugg: Newcomer in alter Lederjacke l
Vorname:<br />
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