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Anaesthesi 13klein 1sp - Eritrea-Hilfswerk in Deutschland e.V.

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März 2013: EHD Anästhesiee<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> <strong>Eritrea</strong><br />

Professor Götz Geldner erklärt Pflegepersonal und Anästhesisten die Funktion gespendeter Geräte.<br />

Fotos: Mart<strong>in</strong> Zimmermann<br />

Entwicklungshilfe: Mitarbeiter des Ludwigsburger Kl<strong>in</strong>ikums br<strong>in</strong>gen seit 20 Jahren ausgediente, aber technisch <strong>in</strong>takte Betäubungsgeräte nach<br />

<strong>Eritrea</strong>. Der größte Erfolg des Projekts: <strong>in</strong>zwischen gibt es 60 ausgebildete Anästhesiepfleger <strong>in</strong> Asmara. E<strong>in</strong>e Visite im Orotta-Hospital.<br />

Von Markus Klohr<br />

Asmara - Götz Geldner ist noch ke<strong>in</strong>e vier Tage im Lande – und schon muss er deutlich mehr Leben retten als erwartet. Asmara, Hauptstadt<br />

des ostafrikanischen Staates <strong>Eritrea</strong>, Orotta-Hospital, Mitte März: der Intensivmediz<strong>in</strong>er Geldner aus Ludwigsburg ist 5000 Kilometer<br />

weit gereist und will an diesem Mittwochvormittag eigentlich nur tra<strong>in</strong>ieren. Se<strong>in</strong>e Gruppe hat zehn Anästhesie- und Beatmungsgeräte<br />

mitgebracht, die <strong>in</strong> Orotta und weiteren Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong>stalliert werden. Geldner soll erklären, wie sie funktionieren. Doch das funktioniert<br />

an diesem heißen, sonnigen Vormittag erst mal nicht.<br />

E<strong>in</strong>e hochschwangere junge Frau ist <strong>in</strong>s Krankenhaus gekommen mit extrem aufgedunsenen Gliedmaßen und Gesichtszügen – „offensichtlich<br />

schwer herzkrank“, konstatiert Geldner. Es muss schnell gehen. Der Chefarzt der Intensivstation am Kl<strong>in</strong>ikum Ludwigsburg wird zum Geburtshelfer.<br />

Beim Kaiserschnitt erlebt er e<strong>in</strong>e Überraschung. Der eritreische Gynäkologe hebt das K<strong>in</strong>d aus dem Bauch und bemerkt sofort, dass dort noch e<strong>in</strong><br />

zweites beheimatet ist. Zeit, sich zu wundern, hat er nicht. Die Neugeborenen atmen nicht. Götz Geldner steckt den Babys kle<strong>in</strong>e Röhrchen <strong>in</strong> die<br />

Nase und pustet sie wieder zurück <strong>in</strong>s Leben. „Dass das Zwill<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d“, sagt der Mediz<strong>in</strong>er, „hätte man eigentlich früher wissen können.“<br />

Land im Dauerkriegszustand<br />

Willkommen <strong>in</strong> <strong>Eritrea</strong>, e<strong>in</strong>em der ärmsten Länder der Erde. E<strong>in</strong> Staat im Dauerkriegszustand mit dem großen, gehassten Nachbarn Äthiopien,<br />

der begierig auf den schmalen Küstenstreifen am Roten Meer blickt und das Land schon e<strong>in</strong>mal annektiert hat. E<strong>in</strong> Staat, <strong>in</strong>dem westliche Begriffe<br />

wie Wirtschaftswachstum, Demokratie, Straßenbau oder Bürokratie ke<strong>in</strong>e Bedeutung haben. Und e<strong>in</strong> Staat, <strong>in</strong> dem re<strong>in</strong> rechnerisch auf<br />

20 000 Menschen nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Arzt kommt, <strong>in</strong> dem es für gut drei Millionen K<strong>in</strong>der nur zwölf K<strong>in</strong>derärzte gibt.Götz Geldner, 48, kräftig gebaut,<br />

wirkt <strong>in</strong>mitten der eher zierlichen eritreischen Pfleger wie e<strong>in</strong> mitteleuropäisches Ausrufezeichen. „Ich habe früher null Bezug zu <strong>Eritrea</strong> gehabt“,<br />

sagt der Mediz<strong>in</strong>er. Urplötzlich, bei se<strong>in</strong>em Amtsantritt als Chefarzt der<br />

Intensivstation <strong>in</strong> Ludwigsburg vor sechs Jahren, wurde ihm erklärt, was<br />

zur Stelle gehört, obwohl es nicht <strong>in</strong> der Stellenbeschreibung stand. Dass<br />

es zwischen Ludwigsburg und <strong>Eritrea</strong> enge Beziehungen gibt – und zwar<br />

schon seit Jahren. Geldners Vorgänger Diethelm Spilker hatte 1993 auf<br />

Vermittlung zweier eritreischer Pfleger, die im Kl<strong>in</strong>ikum arbeiteten, erste<br />

Kontakte geknüpft. Es folgte e<strong>in</strong> aufwendiger Transport mediz<strong>in</strong>ischer<br />

Geräte und der alten Krankenhausküche nach <strong>Eritrea</strong>. Mit Spilkers Amt<br />

hat Geldner auch dessen Ehrenamt geerbt.<br />

Viele nutzlose Spendergeräte<br />

Seitdem sammelt er Anästhesiegeräte wie andere Leute Briefmarken.<br />

Und er freut sich diebisch, wenn er e<strong>in</strong> deutsches Krankenhaus f<strong>in</strong>det,<br />

das sich überreden lässt, alte, aber funktionsfähige Geräte für <strong>Eritrea</strong> zu<br />

spenden.<br />

„Doktor Traudl“ überzeugt sich: Den Zwill<strong>in</strong>gen geht es gut.


Bisher wurden die Menschen <strong>in</strong><br />

<strong>Eritrea</strong> teilweise noch mit Lachgas<br />

betäubt. Oder mit Geräten, die,<br />

wenn e<strong>in</strong>e Kle<strong>in</strong>igkeit nicht mehr<br />

funktionierte, <strong>in</strong> der Abstellkammer<br />

gelandet s<strong>in</strong>d.<br />

Gut geme<strong>in</strong>t sei eben nicht immer<br />

gut gemacht. „Es gibt hier drei Lagerhallen<br />

voll mit modernen Geräten“,<br />

sagt Geldner, „das ist gespendeter<br />

Mediz<strong>in</strong>schrott.“ Zum<br />

Teil seien die Geräte so modern,<br />

dass niemand sie hier bedienen<br />

könne, oder so alt, dass es ke<strong>in</strong>e<br />

Ersatzteile mehr dafür gibt. Zum<br />

Beispiel gebe es durchaus Ultraschallgeräte<br />

im Land. Aber das<br />

Beispiel der Zwill<strong>in</strong>ge habe gezeigt,<br />

dass nicht jeder Arzt hier sie richtig<br />

bedienen könne. „Ich reise nach<br />

<strong>Eritrea</strong>, um zu schauen, was gebraucht<br />

wird und wie die Sachen,<br />

die wir herbr<strong>in</strong>gen, ankommen.“<br />

Nach deutschen Maßstäben<br />

seien die Geräte, die er herbr<strong>in</strong>gt,<br />

Ausschuss. Hier könnten sie helfen,<br />

Leben zu retten. Als er vor<br />

vier Jahren zum ersten Mal die Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong> <strong>Eritrea</strong> besucht habe, „da haben die Menschen im Aufwachraum geschrien vor Schmerzen“. Jetzt<br />

geht es dort deutlich ruhiger zu.<br />

Doktor Traudl untersucht die Zwill<strong>in</strong>ge<br />

Zwei Tage später. Emsiges Treiben <strong>in</strong> der Neugeborenenstation des Orotta-Hospitals. E<strong>in</strong>e Frau sitzt auf dem Krankenhausflur und will ihrem<br />

K<strong>in</strong>d die Brust geben. Zwei eritreische Pfleger<strong>in</strong>nen huschen aufgeregt um sie herum. Traudl Elsholz, 59, schreitet vorbei, grüßt e<strong>in</strong>e Pfleger<strong>in</strong><br />

kurz und freundlich. „Doktor Traudl“, sagen die E<strong>in</strong>heimischen ehrfurchtsvoll zu ihr. Doktor Traudl steuert auf e<strong>in</strong>e ältere Dame zu. Liebevoll hält<br />

die verschleierte Frau e<strong>in</strong> Bündel im Arm – ihren Enkel, e<strong>in</strong>en der beiden Zwill<strong>in</strong>gsbuben, die am Mittwoch unter so dramatischen Umständen<br />

geboren wurden. Die Oma erlaubt der Anästhesist<strong>in</strong> und Intensivärzt<strong>in</strong> aus Westfalen, den zweiten Enkel aus dem Bett zu holen. Als der Neugeborene<br />

beg<strong>in</strong>nt, an ihrem F<strong>in</strong>ger zu saugen, entspannen sich die Gesichtszüge der deutschen Ärzt<strong>in</strong>. „Der Saugreflex ist da, das ist sehr schön“,<br />

sagt Traudl Elsholz. Jetzt will sie e<strong>in</strong>en Punkt klären, der für ihre eritreischen Kollegen e<strong>in</strong> bl<strong>in</strong>der Fleck zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t. Die Mutter soll ihre Säugl<strong>in</strong>ge<br />

möglichst selbst stillen. „Die<br />

Pulvermilch wird die Familie nicht<br />

bezahlen können“, sagt Traudl Elsholz.<br />

Und wenn doch, dann könne<br />

das nitrathaltige Wasser den K<strong>in</strong>dern<br />

schwer schaden.<br />

„Ausbildung ist das E<strong>in</strong>zige, was<br />

bleibt“<br />

Seit zweie<strong>in</strong>halb Jahren lebt die resolute<br />

Ärzt<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Eritrea</strong>s Hauptstadt.<br />

Sie unterrichtet am Medical College,<br />

hat das Curriculum für die<br />

Mediz<strong>in</strong>studenten <strong>in</strong> ganz <strong>Eritrea</strong><br />

verfasst und kümmert sich um die<br />

praktische Ausbildung der Ärzte<br />

und Pfleger. „Ausbildung“, sagt<br />

Traudl Elsholz, „ist das E<strong>in</strong>zige, was<br />

bleibt, wenn wir wieder gehen.“ Sie<br />

hält ihre Aufgabe für „e<strong>in</strong>e der s<strong>in</strong>nvollsten<br />

überhaupt“. Das habe sie<br />

dazu bewogen, ihrem Job <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

südfranzösischen Krankenhaus für<br />

e<strong>in</strong>ige Jahre den Rücken zu kehren.<br />

Mit von der Partie beim Hilfse<strong>in</strong>satz: Drägertechniker Ralf Schuhmacher und Tewelde Tesfai, Anästhesiepfleger<br />

am Kl<strong>in</strong>ikum Ludwigsburg<br />

Im Asmara College of Health Science erklärt Geldner den E<strong>in</strong>satz neuer Narkosegase und diskutiert mit dem<br />

e<strong>in</strong>heimischen Personal über Vor- und Nachteile verschiedener Narkosegase.


Mit dem „Fabius“ Anästhesiegerät, von denen jüngst 4 Stück nach <strong>Eritrea</strong> geliefert wurden, dessen Funktion Geldner dem eritreischen Personal erklärt,<br />

wird die Anästhesie zunächst <strong>in</strong> den Kl<strong>in</strong>iken der Hauptstadt auf e<strong>in</strong>e neue, höhere Stufe gehoben.<br />

Den Respekt ihrer Kollegen musste sich die 59-Jährige verdienen. „Eritreer s<strong>in</strong>d sehr stolze Menschen – zu Recht, wenn man ihre uralte Kultur<br />

kennt.“ Wer als deutscher Mediz<strong>in</strong>er mit dem erhobenen Zeigef<strong>in</strong>ger unterwegs sei, „der kann hier ganz schnell gegen Wände laufen“. Ihr Rezept<br />

ist recht simpel: „Vorleben, selber pünktlich se<strong>in</strong>, zur Not auch mal selbst e<strong>in</strong>en OP-Saal putzen.“ Auf diesem Wege ließen sich die Eritreer<br />

auch mal Kritik gefallen. „Ich glaube“, sagt Doktor Traudl, „so etwas nennt man <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz.“<br />

Hilfsprojekte spannen sich wie e<strong>in</strong> Netz übers Land<br />

Es gibt e<strong>in</strong>e Klammer, die die westfälische Anästhesist<strong>in</strong> Traudl Elsholz und den Ludwigsburger Chefarzt Götz Geldner verb<strong>in</strong>det: das <strong>Eritrea</strong><br />

<strong>Hilfswerk</strong> <strong>Deutschland</strong> mit Sitz <strong>in</strong> Ploch<strong>in</strong>gen. Anders als die großen, bekannten Entwicklungshilfeorganisationen wirbt das personell schlank<br />

ausgestattete EHD weniger mit Patenschaften und traurigen K<strong>in</strong>deraugen, dafür eher mit komplexen Fachprojekten. Sie spannen sich wie e<strong>in</strong><br />

Netz über das bitterarme ostafrikanische Land.Da gibt es e<strong>in</strong>erseits das Kl<strong>in</strong>ikum Ludwigsburg mit Götz Geldner und se<strong>in</strong>em Team. Es br<strong>in</strong>gt<br />

dr<strong>in</strong>gend benötigte Anästhesiegeräte <strong>in</strong>s Land und erläutert deren Benutzung. E<strong>in</strong> mitgereister Dräger-Techniker erklärt, wie kle<strong>in</strong>e Defekte schnell<br />

behoben werden können. Das EHD hat die zehn Geräte verpacken lassen und 15 000 Euro Gebühr für die vier Tonnen Luftfracht übernommen.<br />

Zudem f<strong>in</strong>anziert die Else Kröner-Fresenius-Stiftung auf Antrag des EHD den Daueraufenthalt von Traudl Elsholz und unterstützt die Arbeit am<br />

College mit Lehrmaterial. Der wohl größte Erfolg des Projekts: es gibt <strong>in</strong> Asmara <strong>in</strong>zwischen 60 ausgebildete Anästhesiepfleger. Weitere Pfleger<br />

im Bereich Intensivmediz<strong>in</strong> und Anästhesieärzte sollen folgen.<br />

Praktiker und Techniker machen den Unterschied – Modernisierung der Anästhesie<br />

Der EHD-Vorsitzende Mart<strong>in</strong> Zimmermann begleitet Geldner und dessen Reisegruppe und hat der Stuttgarter Zeitung angeboten, sich e<strong>in</strong> Bild<br />

vom Wirken se<strong>in</strong>es Hilfsnetzes zu machen.<br />

Das Zusammenspiel mediz<strong>in</strong>ischer Praktiker mit Technikern, die ihre eritreischen Kollegen bei ihrem E<strong>in</strong>satz weiterbilden, mache die Ludwigsburger<br />

Lieferungen so wertvoll. „Es wäre völlig s<strong>in</strong>nlos, Elektroschrott nach <strong>Eritrea</strong> zu transportieren“, sagt Zimmermann. Und weil auch die besten<br />

ausrangierten Geräte mal <strong>in</strong>s Alter kommen, hat das EHD jetzt mit Unterstützung der Firma Dräger vier neue, hochmoderne Fabius-Anästhesiegeräte<br />

geliefert, die der mitgereiste Drägertechniker Ralf Schuhmacher, der Ludwigsburger Anästhesiepfleger Tewelde Tesfai und Geldner<br />

<strong>in</strong> Betrieb nehmen und den eritreischen Kollegen erklären, wie sie damit arbeiten können. „Das ist e<strong>in</strong> erster Schritt um die Anästhesie <strong>in</strong><br />

<strong>Eritrea</strong> weiter zu modernisieren“, betont der Vorsitzende des EHD.<br />

Visite bei der Mutter der neugeborenen Zwill<strong>in</strong>ge. Sie ist schwer mitgenommen, ihre Augen sitzen <strong>in</strong> tiefen Höhlen, die Frau wirkt apathisch.<br />

„Ihre K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d gesund und sehr stark“, lässt Traudl Elsholz e<strong>in</strong>en Pfleger übersetzen. Sie zeigt der Mutter Fotos ihrer beiden zwei Tage alten<br />

Söhne. Die Frau blickt ungläubig auf die Bilder. Als der Vater und der Großvater die Fotos sehen, strahlen sie um die Wette und nehmen Glückwünsche<br />

entgegen.<br />

Die gute Botschaft kommt wenig später. „Sie hat wohl genügend Milch“, sagt Traudl Elsholz. Das gibt der jungen Familie die Chance auf e<strong>in</strong><br />

Stück Normalität. Wie lange sie währen wird, weiß niemand. Der Herzfehler der Mutter kann mit Medikamenten behandelt werden. Aber e<strong>in</strong>e<br />

Operation ist wohl mit den derzeitigen mediz<strong>in</strong>ischen Mitteln im Land nicht machbar.<br />

Fälle wie dieser machen Götz Geldner nachdenklich. Er wolle nichts relativieren, sagt der Ludwigsburger Chefarzt beim Rundgang durch e<strong>in</strong><br />

Krankenhaus <strong>in</strong> Asmara, „aber ich glaube, uns ist manchmal nicht ganz bewusst, was für e<strong>in</strong> hohes mediz<strong>in</strong>isches Versorgungsniveau wir <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> haben“.

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