Ausgewählte Arten der Ambiguität und ihre Übersetzbarkeit - EPA
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316 Erzsébet Forgács<br />
4.2. Syntaktische <strong>Ambiguität</strong><br />
4.2.1. Die syntaktische <strong>Ambiguität</strong> kann einerseits damit erklärt werden, dass wir mit<br />
einer <strong>und</strong> <strong>der</strong>selben sprachlichen Form verschiedene syntaktische Relationen ausdrücken<br />
können, an<strong>der</strong>erseits damit, dass eine syntaktische Relation durch<br />
sprachliche Formen, Konstruktionen formuliert werden kann. 22<br />
verschiedene<br />
Die syntaktische <strong>Ambiguität</strong> resultiert im nächsten Witz daraus, dass die Abhängigkeitsbeziehungen<br />
im Satz nicht eindeutig sind: Einer Oberflächenstruktur können<br />
mehrere Tiefenstrukturen entsprechen: 23<br />
22<br />
23<br />
Koller (1992:140) nennt als Beispiel die possessive Relation, die mit Genitiv, aber auch mit<br />
Dativ <strong>und</strong> mit einer Präpositionalkonstruktion (von + Dat.) ausgedrückt werden kann. Auf<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite kann eine Genitivkonstruktion nicht nur eine possessive Relation<br />
ausdrücken, d.h. Genitivus possessivus sein: Die Konstruktion die Bil<strong>der</strong> des Bankiers X<br />
kann bedéuten, dass ,die Bil<strong>der</strong> dem Bankier gehören', dass ,er die Bil<strong>der</strong> gemalt hat' o<strong>der</strong><br />
dass ,die Bil<strong>der</strong> ihn darstellen' (vgl. ebd., 140ff.). Der Genitiv kann auch noch weitere<br />
syntaktische Bedeutungen haben: Der Genitivus qualitatis drückt eine Eigenschaft, ein<br />
Charakteristikum aus, z.B.: ein Mann mittleren Alters, eine Ware guter Qualität; <strong>der</strong><br />
Genitivus partitivus bezeichnet eine Menge, z.B.: ein Glas roten Weines. Vgl. noch die<br />
Genitivkonstruktion die Liebe <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> als Genitivus subiectivus (,die Kin<strong>der</strong> lieben<br />
jmd., z.B. die Eltern') <strong>und</strong> als Genitivus obiectivus (,die Kin<strong>der</strong> werden von jmd., z.B. von<br />
den Eltern, geliebt') (vgl. engl, children's love of their parents vs. children's love by their<br />
parents; russ. JuodoGb Semeä vs. juoőoab K SetnfiM).<br />
Vgl. noch die Genitivkonstruktion im folgenden Satz: Die Wahl des Vorsitzenden fand<br />
Zustimmung. = 1. ,ein neuer Vorsitzen<strong>der</strong> wurde gewählt <strong>und</strong> das fand Zustimmung'; 2. ,<strong>der</strong><br />
Vorsitzende hat eine Wahl getroffen <strong>und</strong> das fand Zustimmung' (vgl. Bußmann 1990: 75).<br />
Der Dativ kann ebenfalls mehrere Bedeutungen haben. Die Pointe beruht im folgenden<br />
Witz darauf, dass <strong>der</strong> Bettler anscheinend nicht merkt, dass mir als ethischer Dativ intendiert<br />
wird:<br />
Die alte Dame legt dem Bettler fünf Mark in den Hut <strong>und</strong> ermahnt ihn: „Dass Sie mir<br />
dafür aber keinen Schnaps kaufen!" - „Ihnen?!"<br />
Die syntaktische <strong>Ambiguität</strong> darf mit <strong>der</strong> kommunikativ-pragmatischen <strong>Ambiguität</strong> nicht<br />
verwechselt werden: Bei dieser letzteren sind die Konnexionen nicht mehrdeutig. Es geht<br />
hier darum, dass die kommunikative Absicht, die Intention des Textproduzenten, d.h. <strong>der</strong><br />
illokutive Akt des Sprechakts verkannt wird (z.B. eine Auffor<strong>der</strong>ung wird als Frage<br />
verstanden). (Zur kommunikativ-pragmatischen <strong>Ambiguität</strong> vgl. Forgács 1994.)<br />
Vgl. Pinkal (1991: 264): „Bei Präpositionalphrasen ist oft die Stelle nicht eindeutig vorgegeben,<br />
an <strong>der</strong> sie in die Konstituentenstruktur des Satzes eingehängt werden müssen<br />
('attachment ambiguity')". Als Beispiel nennt er Folgendes: Hans traf den Mann mit dem<br />
Aktenkojfer. (= ung. 1. ,Hans találkozott az aktatáskás férfival'; 2. ,Hans eltalálta (megütötte)<br />
az aktatáskával a férfit').<br />
Auf die strukturelle <strong>Ambiguität</strong> <strong>der</strong> Komposita kann hier nicht eingegangen werden, obwohl<br />
die Funktionsweise sehr viel Ähnlichkeiten aufweist. Im folgenden Witz wird z.B. das<br />
Wort Handspiegel nicht als .kleiner Spiegel, den man in <strong>der</strong> Hand halten kann' interpretiert,<br />
son<strong>der</strong>n als ,Spiegel, in dem man die Hand betrachten kann':<br />
- „Ich möchte einen hübschen Spiegel!" - sagt die K<strong>und</strong>in.<br />
- „Soll es ein Handspiegel sein?" - fragt die Verkäuferin.<br />
- „Nein, für das Gesicht."<br />
Zur <strong>Ambiguität</strong> <strong>der</strong> Komposita vgl. Forgács 1995.