Elke Scherstjanoi: Gutachten über Ilse Stöbe - Institut für ...
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versuchte sich als freie Journalistin und reiste viel. In der Tschechoslowakei und vermutlich<br />
auch in Polen und anderswo traf sie 1932-35 mehrmals mit Herrnstadt zusammen; sie<br />
unternahmen mit Freunden (u. a. 1932 mit Helmut Kindler) Ausflüge und Wanderungen.<br />
Hier fand <strong>Ilse</strong> <strong>Stöbe</strong> auch Stoff <strong>für</strong> journalistische Arbeiten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass<br />
einige erschienene Artikel von ihr nicht namentlich gezeichnet und daher unbekannt<br />
geblieben sind. Zentrales Thema ihrer Beiträge war die Minderheiten- und<br />
Nationalitätenpolitik in Polen und der Tschechoslowakei. Bekannt sind beispielsweise ein<br />
früher Artikel im Beiblatt „Deutschtum im Ausland“ des Berliner Tageblatts vom 14. 6. 1933<br />
<strong>über</strong> die Wurzeln und den Fortbestand protestantischer deutscher Siedlungen in der Hohen<br />
Tatra sowie einer in der Neuen Zürcher Zeitung vom 25. 2. 1934 <strong>über</strong> Natur und<br />
Bevölkerung der Hohen Tatra. Bemerkenswert ist ein Artikel <strong>über</strong> das Judentum in Polen,<br />
der als dritter Teil der erwähnten Artikelserie zu den Minderheiten in Polen im August 1938<br />
in der Thurgauer Zeitung erschien. 62 Helmut Kindler verwahrte ein Manuskript auf, das <strong>für</strong><br />
ein Literaturlexikon bestimmt war: „Die Literatur der Zigeuner“. 63 Anfang 1935 weilte <strong>Ilse</strong><br />
<strong>Stöbe</strong> in der Schweiz und verfasste einen Artikel zur bevorstehenden Ski-Weltmeisterschaft<br />
in Mürren.<br />
<strong>Ilse</strong> <strong>Stöbe</strong>s intensive Arbeitssuche war bereits in dieser Zeit mit geheimdienstlicher<br />
Tätigkeit verbunden; seit Dezember 1932 wurde sie von der sowjetischen Militäraufklärung<br />
als Informant mit dem Decknamen „F“, später mit dem Decknamen „Arnim“, ab 1935 als<br />
„Alta“ geführt. Der Personalbogen vermerkt, dass sie im April 1931 von „Rita“ (d. i.<br />
Herrnstadt) angeworben wurde. Zwischenzeitlich wurde sie 1934 von der Wiener<br />
Residentur geführt. 64 Kindler schreibt, dass sich Herrnstadt und <strong>Stöbe</strong> ihm 1935 in<br />
Warschau als geheimdienstlich agierende Kommunisten offenbarten und ihn in die<br />
Untergrundarbeit einbeziehen wollten – auf einem journalistischen Posten in Bukarest. 65<br />
(Zur Agententätigkeit siehe unten Punkt IV)<br />
Im August/September 1935 fiel <strong>Ilse</strong> <strong>Stöbe</strong> als mittlerweile „häufiger Gast“ in Prag auf. „Die<br />
schöne Dame aus Berlin“ gab Anlass zu einem Presseartikel in den Lidové Listy vom<br />
5.9.1935, den auch andere Blätter <strong>über</strong>nahmen. Man vermutete in ihr eine Gestapo-<br />
Agentin, die in den spektakulären Fall eines realen Gestapo-Agenten (Fall Berthold)<br />
verwickelt sei. Einige Forscher behaupten sogar, sie sei kurz in Prag verhaftet gewesen. 66<br />
Nach Intervention <strong>Stöbe</strong>s mussten die Lidové listy zwar die Anschuldigung öffentlich<br />
62 Siehe Anm. 10. Siehe auch GDW, Nachlass Heinrich Scheel. Einige Artikel sind abgedruckt bei<br />
Coppi/Kebir, <strong>Stöbe</strong>, S. 204-215.<br />
63 Mit einem Auszug bei Kindler, Abschied, S. 247f.<br />
64 Personalbogen bei der Militäraufklärung der Roten Armee, ZAMO f. 23, op. 7277, d.2, Bl. 1-3, hier<br />
Bl. 1.<br />
65 Siehe Kindler, Abschied, S. 142-144.<br />
66 Das geht auf ein Vernehmungsprotokoll Kindlers vom 5. 1. 1944 zurück (BA, R 3017/8 J 37/44, Bl. 1-<br />
10.), dessen Inhalt aber von ihm angezweifelt wurde. Siehe Briefwechsel Sahm-Kindler, BA, N 1447,<br />
148.<br />
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