Reformperspektiven der Berufsbildung in Griechenland
Reformperspektiven der Berufsbildung in Griechenland
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ALEXANDRA IOANNIDOU UND STAVROS STAVROU | REFORMPERSPEKTIVEN DER BERUFSBILDUNG IN GRIECHENLAND<br />
chische Jugend zu machen. Die Beteiligungsquote an<br />
beruflicher Bildung und Ausbildung liegt wie beschrieben<br />
bei unter 30 Prozent, während <strong>der</strong> EU-Durchschnitt<br />
50 Prozent beträgt (vgl. Cedefop 2011). Vergleicht man<br />
die Ausbildungsquote mit Deutschland (57 Prozent), den<br />
Nie<strong>der</strong>landen (68 Prozent) und <strong>der</strong> Schweiz (64 Prozent),<br />
fällt die Diskrepanz mit doppelt so hohen Quoten noch<br />
weitaus stärker aus.<br />
Die fehlende Attraktivität <strong>der</strong> beruflichen Bildung und<br />
Ausbildung ist unter an<strong>der</strong>em auf die unklare und teilweise<br />
chaotische Reglementierung des Zugangs zu bestimmten<br />
Berufen zurückzuführen und auf die kurz aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>folgenden,<br />
fragmentarischen und wenig durchdachten<br />
Reformbemühungen, die ke<strong>in</strong>e Plansicherheit<br />
geben. Berufsprofile und Curricula berücksichtigen kaum<br />
den Bedarf und die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Wirtschaft. Dass<br />
die Qualifikationen <strong>der</strong> <strong>Berufsbildung</strong>sabsolvent_<strong>in</strong>nen<br />
den Bedürfnissen <strong>der</strong> Wirtschaft nicht entsprechen, ist<br />
e<strong>in</strong> weiterer Hauptgrund für die fehlende Attraktivität<br />
<strong>der</strong> <strong>Berufsbildung</strong>. 5<br />
Fraglich ist, ob Werbespots und »smarte« Kampagnen<br />
die mangelnde Attraktivität <strong>der</strong> <strong>Berufsbildung</strong> erhöhen<br />
können. Günstiger wäre die Verbreitung erfolgreicher<br />
Berufsbiografien, die auf e<strong>in</strong>er soliden <strong>Berufsbildung</strong><br />
basieren. Hier gilt es, jene kritische Schwelle bei den<br />
Jugendlichen zu überw<strong>in</strong>den, bei <strong>der</strong> noch überholte<br />
Vorstellungen und Vorurteile gegen »technische« Berufe<br />
auf <strong>der</strong> mittleren Ebene vorherrschen (»anspruchslose«,<br />
»langweilige«, »harte«, »dreckige« Arbeit, »ohne Aufstiegsperspektiven«<br />
u. Ä.). Dies kann nur durch e<strong>in</strong>en<br />
unmittelbaren Kontakt mit <strong>der</strong> Praxis erreicht werden.<br />
Auf mittel- und langfristige Sicht wäre e<strong>in</strong> Umdenken<br />
h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Gleichwertigkeit von allgeme<strong>in</strong>er und<br />
beruflicher Bildung erfor<strong>der</strong>lich. Dieses Umdenken muss<br />
nicht nur <strong>in</strong> den Köpfen von Schüler_<strong>in</strong>nen und Eltern<br />
stattf<strong>in</strong>den, son<strong>der</strong>n auch und vor allem bei Lehrer_<br />
<strong>in</strong>nen, leitenden Beamt_<strong>in</strong>nen und Berufsberater_<strong>in</strong>nen,<br />
die Berufsentscheidungen vorbereiten und mit bee<strong>in</strong>flussen.<br />
Zudem sollte sich die Gleichwertigkeit von allgeme<strong>in</strong>er<br />
und beruflicher Bildung <strong>in</strong> den Abschlüssen, <strong>der</strong><br />
Durchlässigkeit des Bildungssystems sowie im Nationalen<br />
Qualifikationsrahmen wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />
5. M<strong>in</strong>isterium für Bildung, Lebenslanges Lernen und Religionsangelegenheiten<br />
(2011a): Studie zur Situation <strong>in</strong> den EPAL/EPAS.<br />
4.6 Verbesserung <strong>der</strong> Qualität<br />
Unmittelbar verbunden mit <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Attraktivität<br />
ist auch e<strong>in</strong>e wesentliche Verbesserung <strong>der</strong> Qualität<br />
<strong>der</strong> (teils veralteten) Infrastruktur, <strong>der</strong> (zumeist überholten)<br />
Curricula und Ausbildungsordnungen, <strong>der</strong> (bisher<br />
kaum stattf<strong>in</strong>denden) Fortbildung <strong>der</strong> Ausbil<strong>der</strong>_<strong>in</strong>nen,<br />
<strong>der</strong> (nicht existenten) Evaluierung des Unterrichts und <strong>der</strong><br />
(noch zu def<strong>in</strong>ierenden) Lernergebnisse. <strong>Griechenland</strong><br />
war bis vor Kurzem e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> wenigen Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> Europa<br />
ohne jegliche Form externer Evaluierung von Lehre und<br />
Unterricht. Das »Gesetz zur Stärkung <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Lehrenden<br />
und zur Festlegung von Regeln für die Evaluation<br />
und Bewertung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildung« von 2010 ist lei<strong>der</strong><br />
auf erheblichen Wi<strong>der</strong>stand bei den Lehrkräften und ihren<br />
Gewerkschaften gestoßen; sie unterstellen <strong>der</strong> Regierung<br />
und den Schulbehörden »autoritäre Praktiken«<br />
und »Bestrafungslogik«. Das Gesetz zielt darauf ab, die<br />
Unterrichtsqualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Primar- und Sekundarstufe zu<br />
sichern und, verbunden damit, die Qualität <strong>der</strong> Lehrerausbildung<br />
zu verbessern, außerdem Qualitätsstandards<br />
zu setzen und Selbstevaluationsverfahren <strong>in</strong> allen Schule<strong>in</strong>heiten<br />
e<strong>in</strong>zuführen.<br />
Für die <strong>Berufsbildung</strong> s<strong>in</strong>d die Richtl<strong>in</strong>ien, Kriterien und<br />
Indikatoren des European Quality Assurance Framework<br />
for Vocational Education and Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g (EQAVET)<br />
von zentraler Bedeutung. Der »Nationale Referenzrahmen<br />
für Qualität im Lebenslangen Lernen«, π 3 , berücksichtigt<br />
zum e<strong>in</strong>en all diese Elemente und zum an<strong>der</strong>en<br />
den Bereich <strong>der</strong> nichtformalen Bildung, wozu auch<br />
die postsekundäre Berufsausbildung (IEK) gehört (vgl.<br />
M<strong>in</strong>isterium für Bildung, Lebenslanges Lernen und Religionsangelegenheiten<br />
(2011b). Die konsequente und<br />
vollständige Umsetzung des Gesetzes von 2010 sowie<br />
des Nationalen Referenzrahmens bleiben mith<strong>in</strong> große<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen für die nächste Zukunft.<br />
4.7 Engere Verzahnung von Erst- und Weiterbildung<br />
Die Verzahnung zwischen beruflicher Erstausbildung und<br />
Weiterbildung im Zuge des lebenslangen Lernens ist e<strong>in</strong>e<br />
weitere Herausfor<strong>der</strong>ung. Weiterbildung wird nämlich oft<br />
gebraucht, um Qualifikationslücken, die die allgeme<strong>in</strong>e<br />
und berufliche Bildung h<strong>in</strong>terlassen haben, zu füllen, statt<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten <strong>in</strong>folge des technischen Fortschritts<br />
zu aktualisieren. Außerdem werden seit Jahren bei<br />
Weiterbildungskursen, die das ESF großzügig mitf<strong>in</strong>an-<br />
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