Reformperspektiven der Berufsbildung in Griechenland
Reformperspektiven der Berufsbildung in Griechenland
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ALEXANDRA IOANNIDOU UND STAVROS STAVROU | REFORMPERSPEKTIVEN DER BERUFSBILDUNG IN GRIECHENLAND<br />
statt, wobei die leistungsschwachen Schüler_<strong>in</strong>nen –<br />
meist aus unteren sozialen Schichten – e<strong>in</strong>e Berufsausbildung<br />
aufnahmen bzw. dorth<strong>in</strong> »aussortiert« wurden.<br />
Diese Entwicklung trug dazu bei, dass sich das Ansehen<br />
<strong>der</strong> beruflichen Bildung weiter verschlechterte, sich Vorurteile<br />
verstärkten und e<strong>in</strong> Teufelskreis zulasten dieser<br />
Bildungsform entstand. Es ist bezeichnend, dass die Teilnahme<br />
Jugendlicher an <strong>der</strong> beruflichen Bildung zwischen<br />
2002 und 2009 um 44 Prozent zurückgegangen ist (von<br />
160.000 auf 108.000 Jugendliche, vgl. KANEP/GSEE<br />
2011: 35).<br />
Obwohl man bald den Mangel an gut ausgebildeten<br />
Fachkräften unterhalb <strong>der</strong> Hochschulebene erkannte und<br />
deshalb die Gründung von Zentren für höhere technische<br />
und berufliche Bildung (KATEEs) beschloss, än<strong>der</strong>te<br />
sich nichts. Gleichzeitig wurde <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> Hochschulbildung<br />
aufgrund <strong>der</strong> e<strong>in</strong>seitigen Orientierung von<br />
Schüler_<strong>in</strong>nen und Eltern aufgebläht, was eklatante Folgen<br />
hat: Während im öffentlichen Dienst im Zuge <strong>der</strong><br />
krisenbed<strong>in</strong>gten Kürzungen im Staatshaushalt bis 2015<br />
ca. 150.000 Stellen gestrichen werden sollen und eher<br />
unwahrsche<strong>in</strong>lich ist, dass Hochschulabsolvent_<strong>in</strong>nen<br />
dort beschäftigt werden können, ist die Privatwirtschaft<br />
aufgrund <strong>der</strong> Wirtschaftskrise und fehlen<strong>der</strong> Investitionen<br />
nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, Stellen für hochqualifizierte Fachkräfte<br />
anzubieten.<br />
Es verwun<strong>der</strong>t demnach nicht, dass seit 2010 Schätzungen<br />
zufolge über 100.000 Wissenschaftler_<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>s<br />
Ausland auswan<strong>der</strong>ten, um dort Arbeit zu f<strong>in</strong>den. Es<br />
handelt sich um e<strong>in</strong> für <strong>Griechenland</strong> beispielloses bra<strong>in</strong><br />
dra<strong>in</strong>, das die wirtschaftliche Erholung des Landes zusätzlich<br />
erschweren dürfte, auch wenn Erhebungen des Statistischen<br />
Bundesamtes zufolge knapp die Hälfte <strong>der</strong> jungen<br />
Auswan<strong>der</strong>er_<strong>in</strong>nen nach e<strong>in</strong>em Jahr <strong>in</strong> ihr Heimatland<br />
zurückkehrt. 2<br />
2.2 Schulische <strong>Berufsbildung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sekundarstufe II:<br />
Die Berufslyzeen (EPAL) und die Berufsschulen (EPAS)<br />
EPAL: Der Besuch dieser Schulform dauert drei Jahre. Die<br />
vermittelten Berufs<strong>in</strong>halte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Klasse <strong>in</strong> drei<br />
Berufszyklen (Technologie, Dienstleistungen, Schiffstechnik/Schiffsfahrt)<br />
unterteilt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten <strong>in</strong> Berufsgruppen<br />
(u. a. Masch<strong>in</strong>enbau, Kfz-Technik, Elektrotechnik,<br />
2. Die Zeit, Nr. 28, 4.7.2013: 63.<br />
Elektronik, Informatik und Landwirtschaft) und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
dritten Klasse <strong>in</strong> 19 Fachrichtungen (u. a. Nahrungsmitteltechnologie,<br />
Kfz-Mechaniker, Kfz-Elektriker und Elektro<strong>in</strong>stallation).<br />
In <strong>der</strong> ersten Klasse werden alle Schüler_<strong>in</strong>nen<br />
<strong>der</strong> drei Berufszyklen <strong>in</strong> allen Fächern geme<strong>in</strong>sam<br />
unterrichtet. Die allgeme<strong>in</strong>bildenden Fächer s<strong>in</strong>d<br />
verb<strong>in</strong>dlich für jede/n; darüber h<strong>in</strong>aus kann <strong>der</strong>/die Schüler_<strong>in</strong><br />
aber e<strong>in</strong>en Berufszyklus auswählen, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>en/<br />
ihren Qualifikationen und Neigungen am ehesten entspricht.<br />
In <strong>der</strong> zweiten und dritten Klasse werden die allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />
Fächer durch Berufsgruppenfächer und<br />
Fachrichtungen ergänzt. Die Lehrprogramme be<strong>in</strong>halten<br />
außerdem Laborübungen.<br />
Die Anzahl <strong>der</strong> Berufsgruppen und Fachrichtungen, die<br />
<strong>in</strong> jedem EPAL angeboten werden, hängt von den örtlichen<br />
sozio-ökonomischen Bed<strong>in</strong>gungen und Bedürfnissen,<br />
<strong>der</strong> Zahl und den Präferenzen <strong>der</strong> Schüler_<strong>in</strong>nen ab.<br />
Außerdem unterbreiten die städtischen Ausschüsse und<br />
das Pädagogische Institut, die Regionalausschüsse und<br />
<strong>der</strong> Leiter des Büros für Sekundarbildung hierfür Vorschläge.<br />
EPAL-Absolvent_<strong>in</strong>nen erhalten e<strong>in</strong>en Abschluss,<br />
<strong>der</strong> dem des Allgeme<strong>in</strong>en Lyzeums entspricht. Sie können<br />
direkt <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt übergehen o<strong>der</strong>, wenn<br />
sie die »Panhellenischen Prüfungen« – die Hochschulzulassungsprüfungen<br />
– bestanden haben, e<strong>in</strong> Studium<br />
an e<strong>in</strong>er Universität o<strong>der</strong> Fachhochschule aufnehmen.<br />
Nach erfolgreichem Abschluss <strong>der</strong> ersten Klasse des Allgeme<strong>in</strong>en<br />
Lyzeums (GEL) o<strong>der</strong> des Berufslyzeums haben<br />
die Schüler_<strong>in</strong>nen die Möglichkeit, zwischen den beiden<br />
Schultypen zu wechseln (»horizontale Mobilität«).<br />
EPAS: In den Berufsschulen dauert <strong>der</strong> Schulbesuch zwei<br />
Jahre. In die erste Klasse können sich Schüler_<strong>in</strong>nen im<br />
Alter von 16 bis 18 Jahren ohne Prüfung e<strong>in</strong>schreiben,<br />
wenn sie e<strong>in</strong>e Zulassung für die zweite Klasse <strong>der</strong> Berufslyzeen<br />
(EPAL) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Lyzeen (GEL) besitzen.<br />
Auf den EPAS können die Schüler_<strong>in</strong>nen sowohl<br />
Fachzyklen auswählen, die <strong>in</strong> etwa jenen <strong>der</strong> EPALs entsprechen,<br />
als auch praktische Lehre<strong>in</strong>heiten, welche die<br />
EPALs nicht anbieten. Generell werden EPAS-Absolvent_<br />
<strong>in</strong>nen auf dem Arbeitsmarkt als Fachkräfte e<strong>in</strong>gestellt.<br />
Die Lehr<strong>in</strong>halte umfassen technische und berufsvorbereitende<br />
Fächer sowie Laborübungen. In den EPAS werden<br />
<strong>in</strong>sgesamt 32 Fachrichtungen angeboten, u. a. für<br />
Brenn- und Erdgastechnik, CNC-Werkzeugmasch<strong>in</strong>en,<br />
Elektro <strong>in</strong>stallationen, Landmasch<strong>in</strong>en, Bauwerke, Tisch-<br />
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