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460 IV. Determinanten und Mechanismen des Verhaltens<br />
Der Schutz vor Feinden, der im letzten Fall sicher entscheidend ist, bestimmt auch<br />
das Verhalten sowie die räumliche Struktur von Herden und Kolonien. 1 Im Inneren<br />
einer solchen Ansammlung wird sich im Normalfall kein Feind unentdeckt aufhalten<br />
können. Als ansitzender oder sich anpirschender Jäger wird er in aller Regel von der<br />
Peripherie her angreifen. Insofern bedeutet das Umgebensein von Artgenossen,<br />
einen passiven Schutzschild um sich zu haben - und wir verstehen unschwer, warum<br />
an die Peripherie gedrängte Herdenmitglieder versuchen, wieder in die Mitte zu<br />
gelangen, und warum in Brutkolonien zentrale Plätze - trotz der oft häufigeren<br />
Auseinandersetzungen mit Nachbarn - gegenüber am Rande und isolierter liegenden<br />
bevorzugt werden.<br />
Der Zusammenschluß zu Herden und zu Kolonien kann - zum Teil über die soziale<br />
Stimulation, das heißt über die Beobachtung des Verhaltens anderer - zu einer<br />
Synchronisation des Verhaltens der in enger Nachbarschaft lebenden Individuen<br />
führen, besonders bei deren Fortpflanzungsaktivitäten ("Fraser-Darling-Effekt").<br />
Es ergibt sich eine weitgehende Übereinstimmung in den Eiablegezeiten bzw. dem<br />
Geburtszeitraum. Mit dieser Form der Synchronisation beschränkt die Kolonie ihr<br />
unfreiwilliges Angebot von besonders leicht erwerbbarer Beute (Eiern und Jungtieren)<br />
an ihre Feinde sowohl räumlich wie zeitlich sehr stark.<br />
Alle Beutegreifer zusammen können pro Zeiteinheit nur eine bestimmte maximale<br />
Menge an Nachkommen der kolonialen Art wegfangen. Je kürzer die kritische<br />
Zeitspanne ist, in der leicht Beute gemacht werden kann, um so geringer wird der<br />
Gesamtverlust, den die Kolonie durch Räuber erleidet (Abb. 2).<br />
Abb. 2: Einfluß gleichzeitiger Bruten auf die Überlebensrate der Küken bei Vogelarten,<br />
die in Kolonien brüten (Fraser-Darling-Effekt)<br />
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Bei einer pro Zeiteinheit gleich bleibenden "Ernterate" der Beutegreifer erleidet das<br />
einzelne Paar (und die Kolonie insgesamt) bei schlechter Synchronisation und dadurch ausgedehnter<br />
Brutzeit höhere Verluste.<br />
Nach: E. O. WILSON: Sociobiology. The New Synthesis. Cambridge (Massachusetts)/London 1975, S, 41.<br />
Vor allem aber (und dies ist evolutiv entscheidend) wird die Überlebenschance der<br />
Nachkommen von solchen Elternpaaren erhöht, die sich einen günstigen -zentralen<br />
Platz in einer ausreichend großen Kolonie sichern konnten und sich mit ihrer<br />
1 W. D. HAMILTON: Geometry for the selfish herd. Journal ofTheoretical Biology 31 (1971),<br />
S. 295-311. - W. WICKLER / U. SEIET: Das Prinzip Eigennutz. Hamburg 1977.