1,60 08 | 13 - Draußen
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~Das Straßenmagazin für Münster und das Münsterland | www.strassenmagazin-draussen.de<br />
<strong>08</strong> | <strong>13</strong><br />
1,<strong>60</strong><br />
Grafenkunst oder Kunstgraf? | Stadtbücherei Münster geht mit<br />
der Zeit | Erfahrungsberichte von der Nordsee bis zum Bosporus
X & Y Design · Münster<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
der „Löffelspringer“, unser Sommertitelbild des Künstlers<br />
Lo Graf von Blickensdorf, zwingt mich als Betrachter in eine<br />
ungewohnte Sichtweise. Die Miniaturfiguren, die gewöhnlich<br />
Modelleisenbahnen stehendes Leben einhauchen, bringen mich<br />
dazu, genauer hinzusehen. Anstatt mich mit dem großen Ganzen<br />
zu befassen, muss ich mein Augenmerk auf die Winzigkeit<br />
richten. Ein Blick auf die kleinen Leute, drängt es sich mir auf.<br />
Oder eine Möglichkeit, Kindern, die in Deutschland von Armut<br />
betroffen sind - jedes vierte bis sechste Kind je nach Studie -,<br />
kostengünstig einen spielerischen Badespaß zu ermöglichen,<br />
wenn das Geld für den Freibadeintritt hinten und vorne nicht<br />
reicht oder das eigene Planschbecken nicht gefüllt werden darf?<br />
Besser nicht.<br />
Der Blick auf den Prinzipalmarkt (Foto im Artikel) vervollständigt<br />
meinen Perspektivwechsel: die Lambertikirche aus dem<br />
Blickwinkel der kleinen Leute. So habe ich das Gotteshaus mit<br />
den Täuferkäfigen noch nie gesehen. Einen solchen Wechsel in<br />
der Wahrnehmung wünschte ich mir des Öfteren bei verantwortlichen<br />
Politikern. Nicht nur das Globale im Blick zu haben,<br />
wie die Wirtschaft oder den Sozialstaat, sondern auch ein<br />
Verständnis für das Kleine, den Einzelnen, die Betroffenen zu<br />
entwickeln. Das würde die Vermittlungsproblematik der Politik<br />
entscheidend verbessern und so manches Gesetz wäre womöglich<br />
zweckmäßiger konzipiert.<br />
Auch für unsere Verkäuferinnen und Verkäufer wünschte ich mir<br />
manchmal mehr Verständnis. Beschwerden über ihr Verhalten<br />
beim Verkauf gehen gelegentlich bei uns ein. Wir versuchen<br />
als Redaktion in solchen Fällen zu vermitteln und meistens<br />
gelingt es, eine Lösung zu finden. Aber letztens klingelte in der<br />
Redaktion das Telefon, der Verantwortliche eines Supermarktes<br />
klagte über Kundenbeschwerden. Als wir nachfragten, welches<br />
Verhalten Stein des Anstoßes gewesen sei, machte die Antwort<br />
uns sprachlos: Die Verkäuferin lächle so aufdringlich freundlich.<br />
Perspektivwechsel würde ich vorschlagen oder erfrischenden<br />
Sprung in den Löffel.<br />
Carsten Scheiper<br />
~-Redakteur<br />
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X & Y Design · Münster<br />
X & Y Design · Münster<br />
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Kto 34205427<br />
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3
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Impressum<br />
Herausgeber<br />
„~“ e. V.<br />
Berliner Platz 8<br />
48143 Münster<br />
Redaktionsteam<br />
Juliane Büker<br />
Michael Heß<br />
Melanie Kemper<br />
Sabrina Kipp<br />
Jonas Lichtenstein<br />
Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.)<br />
Sabine Sitte<br />
Horst Gärtner<br />
Tel.: 0251 / 49 09 11 8<br />
redaktion@strassenmagazin-draussen.de<br />
Streetwork<br />
Sabrina Kipp<br />
s.kipp@strassenmagazin-draussen.de<br />
Internetseite<br />
www.strassenmagazin-draussen.de<br />
Administrator: Cyrus Tahbasian<br />
Texte<br />
Lena Fiebig, Horst Gärtner, Hannes<br />
Hennemann, Michael Heß, Sascha Benedikt<br />
Idziaszek, Sabrina Kipp, Lena Klimkeit,<br />
Eva Mainz, Annette Poethke, Carsten<br />
Scheiper, Urs-Adrian von Waffen, Susanne<br />
Wasielewski, Rita Westerheide, Lars Züllow<br />
Fotos<br />
Lo Graf von Blickensdorf, Lena Fiebig,<br />
Michael Heß, Hannes Hennemann, Sascha<br />
Benedikt Idziaszek, Sabrina Kipp, Lena<br />
Klimkeit, Anna Kopetsch, LWL-Archäologie<br />
für Westfalen/E.Manz, pixelio.de/ birgitH/<br />
Thommy Weiss, SWR/Pressestelle/<br />
Fotoredaktion_Ge, Susanne Wasielewski<br />
Titelfoto<br />
Lo Graf von Blickensdorf<br />
Layout und Titelgestaltung<br />
Juliane Büker<br />
j.bueker@strassenmagazin-draussen.de<br />
Jonas Lichtenstein<br />
Gestaltungskonzept<br />
Lisa Schwarz/Christian Büning<br />
Druck<br />
Gutverlag Druck & Medien<br />
Auflage 9.000<br />
Unterstützt durch<br />
Siverdes-Stiftung<br />
Bankverbindung<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Konto-Nr. 33 878<br />
BLZ 400 501 50<br />
Paten-Spenden-Konto<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Konto-Nr. 34205427<br />
BLZ 400 501 50<br />
Wir danken allen Spendern!<br />
Artikel, die namentlich gekennzeichnet<br />
sind, geben nicht unbedingt die<br />
Meinung der Redaktion wieder.<br />
Bitte beachten Sie unsere<br />
Anzeigenkunden.<br />
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Inhalt<br />
Editorial<br />
Perspektive wechseln<br />
Biste was - kriegste was<br />
Als Graf ist jeder Tag eine bunte Wundertüte<br />
Eine Gasmaske auf dem Wohnzimmertisch<br />
Eindrücke aus den Tagen der Proteste in Istanbul<br />
Kurz vor dem Nichts<br />
Gemeinsam gegen die Flut<br />
Das Haus der Medien<br />
Münsters Stadtbücherei stellt sich dem Zeitgeist<br />
Vegane Ernährung<br />
Die neue Art zu Essen auf dem Prüfstand<br />
Wichtiges Ehrenamt<br />
Sven Kuntze spricht aus Erfahrumg<br />
„Unsere Existenz ist akut bedroht“<br />
Interview mit der Gastwirtin Carmen Preston<br />
Die Tafel an der Kreuzung<br />
Deportationsgedenktafel an der Warendorfer Straße<br />
Großer Kleingarten mit tollem Teich<br />
Ehepaar entdeckt Gartenleidenschaft im Alter<br />
Das Mädel im Moor<br />
~ - Autorin wird Volontärin in Ostfriesland<br />
Columne: „~“ auf Cuba<br />
Alternativlose Alternative<br />
Neues aus dem Strafrecht<br />
Verteidigungswille bei Notwehr<br />
Lesen<br />
Wolfgang Hetzer: „Finanzkrieg“<br />
Rezepte<br />
Vegetarisch im Sommer<br />
Schlussakkord<br />
Herzerfrischendes von kleinen und großen Menschen<br />
Das Löffelchen aus Musik<br />
Löffelpoesie von der Strasse<br />
Mit dem Mittagsbrei entsorgt<br />
#<br />
Der Löffel aus der Latrine<br />
5
Bericht | Text: Sabrina Kipp | Fotos: Lo Graf von Blickensdorf<br />
Biste was – kriegste was<br />
Als Graf ist jeder Tag eine bunte Wundertüte!<br />
Etagenadliger Inspiration entsprang<br />
unser Sommertitelbild zur Löffelaktion,<br />
womöglich im Tortenrausch: Lo Graf<br />
von Blickensdorf gewährt einen erfrischenden<br />
Blick auf die ungeahnten<br />
sommerlichen Möglichkeiten des Löffel<br />
en miniature und unser ~-Redakteurin<br />
Sabrina eine Audienz via Internet.<br />
Der gebürtige Münsteraner und Wahlberliner<br />
ist ein wahrer Tausendsassa.<br />
Ein Pinsel schwingender, edle Gebäckteilchen<br />
fotografierender, humorvoller<br />
Wortakrobat der als Graf selbst zum<br />
Kunstobjekt wurde.<br />
~: Wie werden Sie am liebsten<br />
angesprochen? Herr Graf, Lo, Herr von<br />
Blickensdorf?<br />
Graf von Blickensdorf: Hochwohlgeboren.<br />
Nein, Spaß beiseite. Das ist mir eigentlich<br />
egal. In der Regel werde ich mit<br />
„Herr Graf“ angesprochen, aber wenn<br />
man ganz korrekt sein will, ist „Herr Graf“<br />
falsch, denn das ist eine Verdoppelung.<br />
Also so wie „Herr Herr“.<br />
~: Sind Sie immer der Graf, oder<br />
gibt es auch noch einen privaten Lo –<br />
und wie sieht der aus?<br />
Graf von Blickensdorf: Den privaten Lo<br />
gibt es nicht mehr. Was anfangs mehr wie<br />
ein Kunst-Experiment am eigenen Leibe<br />
gedacht war, hat sich verselbständigt.<br />
Nun bin ich 24 Stunden am Tag „Graf“<br />
– der Graf ist zur Kunst geworden. Ich<br />
putze mir die Zähne mit einer goldenen<br />
Zahnbürste, trage des Nachts einen<br />
Seidenpyjama mit eingesticktem, selbst<br />
entworfenem Familienwappen, und über<br />
meinem Bett hängt eine Krone.<br />
~: Nicht mal unter alten Freunden?<br />
Wie reagieren die auf den Grafen?<br />
Graf von Blickensdorf: Meinen alten<br />
Freunden fällt natürlich auf, dass ich<br />
mich verändert habe. Sie begrüßen das,<br />
weil ich mich zum Positiven verändert<br />
habe. Jeder Mensch verändert sich ja<br />
im Laufe seines Lebens. Was für manche<br />
Leute eine Therapie beim Psychologen<br />
ist, ist bei mir eben mein Grafensein. Ich<br />
habe das Gefühl, ich bin bei mir selbst<br />
angekommen. Es schlummern in jedem<br />
Menschen tolle Dinge – man muss sie nur<br />
entdecken und wie einen Schatz bergen.<br />
Egal, wie alt man ist. Es ist nie zu spät,<br />
sich zu ändern.<br />
~: Vermissen Sie manchmal den<br />
„alten“ Lo?<br />
Graf von Blickensdorf: Nein. Denn ich<br />
war ein schüchterner und verhuschter<br />
Künstler, der sich nie getraut hätte, vor<br />
mehr als drei Personen eine Rede zu<br />
halten. Heute trete ich vor bis zu 800<br />
Zuhörern auf, gehe in Talk-Shows und<br />
gebe Interviews. Und das alles ohne<br />
Lampenfieber. Das hätte ich noch vor ein<br />
paar Jahren nie gedacht. Und es macht<br />
mir auch noch Riesenspaß.<br />
~: Ursprünglich kommen Sie aus<br />
der Hausbesetzer-Szene – wie wohnt ein<br />
Graf heute? Haben Sie jetzt ein Schloss<br />
besetzt?<br />
Graf von Blickensdorf: Gute Idee:<br />
Schlossbesetzer. Nein, ich besetze nicht<br />
mehr, ich bin etwas altersmilde geworden.<br />
Ich gehöre jetzt zum Etagenadel.<br />
Aber nach wie vor unterstütze ich Hausbesetzer,<br />
denn sie schützen bezahlbaren<br />
Wohnraum vor Abriß und Spekulanten<br />
– und der wird immer wichtiger. Wir<br />
Hausbesetzer haben in den 80er Jahren<br />
hier in Berlin ganze Straßenzüge mit<br />
wundervollen alten Jugendstilhäusern<br />
vor dem Abriß gerettet. Heute sind diese<br />
Straßen mit ihren Häusern Schmuckstücke,<br />
und der Berliner Senat wirbt sogar<br />
damit.<br />
~: Was hat sich im alltäglichen<br />
6
Leben geändert, seit Sie sich den Grafentitel<br />
zugelegt haben?<br />
Graf von Blickensdorf: Mein Leben ist<br />
bunter und interessanter geworden. Jeder<br />
Tag ist wie eine bunte Wundertüte für<br />
mich. Ich bin plötzlich gefragt. Obwohl<br />
ich immer dazu sage, dass das „Graf von“<br />
nur mein Künstlername ist. Trotzdem<br />
werde ich zu Botschaftsempfängen,<br />
Modenschauen und Fernsehtalkshows<br />
eingeladen. Und sogar der berühmte<br />
Regisseur Rosa von Praunheim hat einen<br />
Portraitfilm über mich gedreht. Wahrscheinlich,<br />
weil ich jetzt ein sogenannter<br />
„Promi“ bin. Auf der Straße muss ich<br />
sogar Autogramme geben. Einmal sogar<br />
einer jungen Frau auf den Bauch, das war<br />
besonders schön.<br />
~: Wie erklären Sie sich diesen<br />
Hype um die Grafenfigur? Ist das typisch<br />
deutsch, oder würde das in anderen<br />
Ländern auch funktionieren?<br />
Graf von Blickensdorf: Ich glaube, dass<br />
im Menschen, geprägt durch Märchen<br />
von Prinzen auf weißen Pferden, ein<br />
wenig Adelsromantik steckt. Und wer hat<br />
noch nicht davon geträumt, eine schöne<br />
Prinzessin oder ein schöner Prinz zu sein?<br />
Und zwar länderübergreifend.<br />
~: Sie haben viele Jahre bei<br />
der Berliner Stadtzeitung gearbeitet.<br />
Muss auch ein Graf noch arbeiten im<br />
klassischen Sinne, oder können Sie sich<br />
ganz auf Ihre Künste konzentrieren?<br />
Graf von Blickensdorf: Ich arbeite mehr<br />
denn je. Ich habe das Buch „Werden Sie<br />
doch einfach Graf! Biste was – kriegste<br />
was“ geschrieben, mache Ausstellungen,<br />
bin auf Lesereisen durch ganz Deutschland<br />
und muss meine ganzen Pressetermine<br />
koordinieren.<br />
~: Ist Ihre Kunst begehrter, seit sie<br />
von einem Grafen ist?<br />
Graf von Blickensdorf: Ja, aber noch<br />
begehrter ist die Kunstfigur „Lo Graf von<br />
Blickensdorf“. Ich komme gerade von der<br />
Fashion Week, und dort wollte sich jeder<br />
mit mir zusammen fotografieren lassen.<br />
Dadurch habe ich nicht mehr soviel Arbeit,<br />
als wenn ich ein Ölbild von 1 Meter<br />
mal 1 Meter male. Und meine Hände<br />
bleiben sauber dabei.<br />
~: Wie lassen Sie sich zu Ihrer<br />
Kunst inspirieren? Wie wird z.B. aus<br />
einem Donut oder einem Stück Torte ein<br />
Kunstwerk? Woher kommt die Liebe zu<br />
den Miniaturen?<br />
Graf von Blickensdorf: Die Miniaturfiguren<br />
habe ich irgendwann im Jahre 2000<br />
entdeckt und experimentiere seitdem<br />
damit herum. Ich komme mir immer wie<br />
ein Theaterregisseur vor, der mit seinen<br />
kleinen Schauspielern arbeitet. Ich stecke<br />
sie in kleine Objektkästen, die als Bühne<br />
fungieren, und dort tun sie lustige Dinge,<br />
wie zum Beispiel der „Seifenopa“, der auf<br />
einem Stück Seife sitzt. Eines Tages fiel<br />
mir auf, dass ich so viele Figuren übrig<br />
habe, die ich nicht so richtig gebrauchen<br />
konnte. Da hatte ich die Idee, sie in Berlin<br />
(und wenn ich in Münster bin, auch hier)<br />
auf Straßen und Plätzen zu installieren.<br />
Die kleinsten Stadt-Skulpturen der Welt.<br />
Und niemand weiß, dass sie von mir<br />
sind. Die vorübergehenden Passanten<br />
sind immer ganz erstaunt, wenn sie<br />
einen kleinen Zeitung lesenden Mann auf<br />
einem Verkehrsschild sehen. Oder einen<br />
Bergsteiger, der an einer Straßenlaterne<br />
hochkraxelt. Dann rätseln sie, was das<br />
wohl zu bedeuten hat. Da immer mehr<br />
Geheimnisse erforscht und gelüftet werden,<br />
sorge ich für Nachschub und schaffe<br />
somit neue Geheimnisse.<br />
~: Sie sind vor über 30 Jahren nach<br />
Berlin gezogen. Fühlen Sie sich dennoch<br />
mit Ihrer Geburtsstadt Münster verbunden?<br />
Graf von Blickensdorf: Aber selbstverständlich!<br />
Wie kann man die lebenswerteste<br />
und auch liebenswürdigste Stadt<br />
der Welt vergessen? Ich habe ja auch<br />
noch Familie und Freunde in Münster.<br />
Außerdem ist Münster die einzige Stadt<br />
der Welt, in der ich geboren bin. #<br />
Nicht nur für Mathilde, Ottilie,<br />
Marie und Liane, der Hinweis<br />
auf den gräflichen Tortenblog.<br />
Dieser Blog dient vor allen Dingen<br />
der Förderung des Adels, der Kultur<br />
des Torteessens und des Humors.<br />
blaues-blut.blogspot.com<br />
Aber bitte mit Sahne.<br />
7
Bericht | Text und Fotos: Lena Klimkeit<br />
Eine Gasmaske auf dem Wohnzimmertisch<br />
Eindrücke aus den Tagen der Proteste in Istanbul<br />
8<br />
Wenn plötzlich eine Gasmaske auf dem<br />
Wohnzimmertisch liegt, hat sich etwas<br />
verändert. ~-Autorin Lena Klimkeit<br />
studiert ein Semester in Istanbul<br />
und berichtet von ihren Eindrücken<br />
während der Proteste gegen die Regierung<br />
von Ministerpräsident Recep Tayyip<br />
Erdogan.<br />
Gerade wird unser Tisch im Restaurant<br />
im Kadiköyer Stadtzentrum abgeräumt,<br />
da fangen die Menschen um uns herum<br />
an, zu klatschen. Einige pfeifen,<br />
andere bringen mit ihrem Besteck die<br />
Gläser zum Klingen. Aus der Ferne sind<br />
hupende Autos zu hören, Kochtöpfe<br />
werden geschlagen. Es ist Punkt neun<br />
Uhr. Seit dem Beginn der Proteste gibt<br />
es in Istanbul neben dem fünffachen<br />
Gebetsruf des Muezzins eine neue, den<br />
Alltag strukturierende Zeit. Um neun Uhr<br />
wird solidarisch protestiert. Das Klimpern<br />
der Kochtöpfe und Rufe wie «Erdoğan,<br />
istifa!» («Erdogan, tritt zurück!») haben<br />
sich im Alltag eingenistet.<br />
Ende Januar habe ich mein Erasmus-<br />
Semester in Istanbul begonnen. Ich zog<br />
auf die asiatische Seite der Stadt, 20<br />
Fährminuten entfernt vom europäischen<br />
Istanbul, 20 Minuten entfernt vom<br />
politischen und touristischen Zentrum.<br />
Ich zog in eine Wohngemeinschaft mit<br />
zwei Kurden und einer Türkin und war<br />
gespannt auf Gespräche über Land und<br />
Leute, über Kultur und Politik. Doch<br />
erstaunlicherweise hielten sich diese<br />
Gespräche in Grenzen. Niemand schien<br />
darauf so richtig Lust zu haben – oder war<br />
es Scheu? Die tätowierte Unterschrift des<br />
Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk<br />
auf dem Unterarm einer jungen Frau und<br />
die im Wind wehende Türkei-Flagge am<br />
Balkongitter des Nachbarhauses blieben<br />
jedenfalls einige der wenigen politischen<br />
Statements, die ich in meinen ersten Monaten<br />
im Istanbuler Alltag entdeckte. Seit<br />
Ende Mai hat sich alles verändert. Am Tag<br />
der ersten großen Auseinandersetzungen<br />
zwischen Demonstranten und Polizei saß<br />
ich mit einem Freund beim Kaffee zusammen,<br />
als er von seiner Freundin angerufen<br />
wurde. Sie war am Taksim-Platz<br />
und erzählte, dass es eine Demonstration<br />
gäbe. Er sagte, dass er im Hintergrund<br />
Schreie gehört habe.<br />
Demonstriert wurde an diesem 31. Mai,<br />
weil die Polizei in der Früh ein Protest-<br />
Camp im Gezi-Park, nahe des zentral<br />
gelegenen Taksim-Platzes, gewaltsam<br />
geräumt hatte. Das Protest-Camp richtete<br />
sich gegen ein Bauvorhaben: Auf<br />
dem Gelände des Gezi-Parks, einer der<br />
wenigen Grünflächen im Zentrum Istanbuls,<br />
sollte ein Shoppingcenter errichtet<br />
werden. Nicht nur dieses Vorhaben war<br />
es, was schließlich die Protestwelle im<br />
ganzen Land auslöste: Die Demonstrationen<br />
richten sich mittlerweile gegen den<br />
als zunehmend autoritär empfundenen<br />
Regierungsstil des islamisch-konservativen<br />
Ministerpräsidenten Recep Tayyip<br />
Erdogan.<br />
Als ich am Abend zu Hause die<br />
Nachrichten im Internet las, war ich<br />
schockiert. Die ersten Bilder erreichten<br />
mich auf Facebook, dann entdeckte<br />
ich sogar einen Beitrag der Tagesschau,<br />
der über die massive Gewalt seitens der<br />
Polizei mithilfe von Wasserwerfern und<br />
Tränengas berichtete. Ich hatte von dem<br />
Protest-Camp im Gezi-Park und dem<br />
Bauvorhaben der Regierung an besagtem<br />
Freitag das erste Mal etwas gehört. Ich<br />
war nicht in der Lage, die Situation auch<br />
nur ansatzweise einzuschätzen. Als eine<br />
Freundin sich auf den Weg nach Taksim<br />
machen wollte, rief ich sie zur Vorsicht<br />
auf – ich wollte zu Hause bleiben und<br />
mich informieren, wusste ich doch noch<br />
gar nicht, worum es genau ging. Wenig<br />
später kehrte sie zurück: Das Tränengas<br />
hatte sie und ihren Freund bereits wenige<br />
Fußminuten vom Fähranleger erreicht.<br />
In den darauffolgenden Tagen wusste<br />
ich nichts zu tun, außer die Nachrichten<br />
zu verfolgen, mich zu informieren, die<br />
Geschehnisse zu verstehen versuchen.<br />
Meine Eltern baten mich, nicht an den<br />
Demonstrationen teilzunehmen und<br />
auch meine Mitbewohner rieten mir,<br />
mich von Taksim fernzuhalten. Zu unübersichtlich<br />
war die Situation – und ich<br />
begann zu mich fragen, welche Position<br />
ich als Ausländerin in diesen Protesten<br />
habe. Ich unterstütze die Demonstrationen,<br />
war mir aber nicht sicher, wofür ich<br />
als deutsche Erasmus-Studentin auf die<br />
Straße gehen sollte.<br />
Zwar beeinflussen aktuelle politische<br />
Entscheidungen auch meinen Alltag,<br />
beschränken die persönliche Freiheit<br />
und verärgern. Doch mich beeinflusst<br />
das alles nur temporär, anders als die<br />
Menschen um mich herum – für sie hat<br />
dieses Aufbegehren eine große Bedeutung,<br />
denn jede Reaktion der Regierung<br />
wird schließlich ihr Leben beeinflussen.<br />
Angefangen beim Alkoholgesetz, das<br />
den Verkauf von alkoholischen Getränken<br />
zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr<br />
morgens untersagt. Das Kuss-Verbot<br />
in den öffentlichen Verkehrsmitteln in
Ankara. Der Bau einer riesigen Moschee<br />
auf der höchsten Erhebung Istanbuls.<br />
Die Umstrukturierung verschiedener<br />
Stadtteile. Ich fragte mich, ob ich gar eine<br />
„Mitschuld“ trage, den Bau-Boom und<br />
andere Veränderungen fördere. Schließlich<br />
bin ich doch auch wie viele dem Ruf<br />
der aufstrebenden Stadt gefolgt.<br />
Ich entschied mich schließlich, nicht<br />
zu den Demonstrationen zu gehen, ich<br />
hatte einfach Angst vor der Willkür der<br />
Polizei - spätestens, als ich von den<br />
Verhaftungen ausländischer Studenten<br />
hörte. Ich redete stattdessen viel mit<br />
meinen Mitbewohnern und versuchte,<br />
ihre und meine Eindrücke mit Freunden<br />
und Familie in Deutschland zu teilen.<br />
Eines frühen Abends besuchte ich dann<br />
doch den Platz, sah die Barrikaden, die<br />
Banner, die friedlichen Demonstranten,<br />
die Touristen mit ihren Kameras, die<br />
zerstörten Übertragungswagen der türkischen<br />
Fernsehsender, das geschmückte<br />
Atatürk-Denkmal. Trotz meiner Anspannung<br />
fing mich die Stimmung direkt auf:<br />
Sie war fröhlich und gelöst, obwohl jeder<br />
wusste, dass dieser Platz nicht auf ewig<br />
eine Zone der Freiheit bleiben würde.<br />
Die Straßenverkäufer boten die beliebten<br />
Sesamkringel, mit türkischen<br />
Hackbällchen gefülltes Brot, Melonen,<br />
Flaggen und sogar Bier an. Doch schon<br />
einige Tage darauf wurde der Platz und<br />
der Park wieder geräumt. An diesem<br />
Abend musste ich nicht einmal die Nachrichten<br />
lesen, um zu ahnen, was passiert<br />
war: Selbst in Kadiköy, weit entfernt<br />
vom Ort der Geschehnisse, waren viele<br />
Menschen auf der Straße. Ihre verzweifelten<br />
Rufe reichten bis spät in die Nacht<br />
hinein. So einen Ärger hatte ich in den<br />
Solidaritätsdemonstrationen vorher nicht<br />
wahrgenommen.<br />
Mittlerweile wachsen in den wenigen<br />
Beeten auf dem Taksim-Platz weiß-rote<br />
Blumen, die Wände der Häuser sind frisch<br />
gestrichen, am Rande des Platzes sind<br />
Polizisten postiert. Normalität wird vorgegaukelt,<br />
die täglich wiederkehrenden<br />
Demonstrationen oder Solidaritätsbekundungen<br />
beweisen das Gegenteil. Gerade<br />
ist nichts normal in der Türkei, auch<br />
nicht in Istanbul, wo am Taksim wieder<br />
der Verkehr fließt und viele Menschen in<br />
den Clubs auf der Istiklal, der großen Einkaufs-<br />
und Ausgehstraße, feiern gehen.<br />
Die Stimmung ist anders, ich nehme<br />
Istanbul als einen Ort wahr, an dem<br />
zur Zeit zwei Welten nebeneinander<br />
stattfinden. Da sind einmal die Touristen,<br />
die abends auf dem Touri-Dampfer<br />
zum Paradise-Restaurant schippern.<br />
Parallel dazu laufen Demonstranten mit<br />
Atemschutzmasken zum Anleger, um die<br />
letzte Fähre zu den Demonstrationen<br />
zu erwischen. Auf der einen Seite des<br />
Goldenen Horns liegt Tränengas in der<br />
Luft, dicke Rauchschwaden hängen über<br />
dem Taksim-Platz. Gleichzeitig laufen im<br />
Stadtteil auf der anderen Seite der Stadt<br />
die Touristen wie an jedem Tag durch die<br />
Straßen, Moscheen und Museen. In Kadiköy<br />
erlebe ich das Leben wie jeher – ruhiger,<br />
alltäglicher, untouristischer. Doch<br />
dann bietet mir der Straßenverkäufer<br />
eine Gasmaske für 50 Kurus, umgerechnet<br />
etwa 20 Cent, an, die Bewohner packen<br />
weiterhin ein Mal am Tag ihre Pfannen<br />
und Töpfe aus, um sie am Fenster zu<br />
schlagen. Die Kiosks verkaufen auch nach<br />
22 Uhr wieder Alkohol, Menschen stoßen<br />
in der Abendwärme – vielleicht auch<br />
augenzwinkernd auf Erdogan? – an. Auf<br />
meinem Wohnzimmertisch liegt eine<br />
Gasmaske, an der Wand eines Bekannten<br />
hängt auch eine. Die sonst so ruhige und<br />
gemächliche Fährfahrt wird nun oftmals<br />
begleitet von skandierenden Fahrgästen.<br />
Sie singen aber nicht nur, sie lachen und<br />
unterhalten sich auch. Ein gemeinsamer<br />
Gedanke scheint sie zu leiten. Und auch<br />
von meinen Mitbewohnern weiß ich: So<br />
eine Türkei wie die gegenwärtige kennen<br />
sie nicht. Viele Türken gehen das erste Mal<br />
auf die Straße. Und sie tun es zusammen.<br />
Dass dieser gemeinsame Gedanke aber<br />
längst nicht alle eint, wird abseits von<br />
Kadiköy oder Taksim nur allzu deutlich. Im<br />
Stadtteil Kasimpasa zum Beispiel bleibt es<br />
um neun Uhr abends ruhig. Hier scheint<br />
so gut wie niemand auch nur solidarisch<br />
zu protestieren. Der Stadtteil gilt als konservativ,<br />
von den Wohnhäusern aus blickt<br />
man auf die prächtigsten Moscheen der<br />
Stadt. In Kasimpasa ist Ministerpräsident<br />
Erdogan geboren worden. Hier ist die<br />
Stadt still. Mir wird bewusst, dass der<br />
Protest konzentriert ist und lange nicht<br />
alle Istanbuler auf die Straße holt. Auch<br />
meine Sprachlehrerinnen äußern sich<br />
zurückhaltend: Natürlich sollte es erlaubt<br />
sein, die eigene Meinung zu äußern,<br />
9
sagen sie. Die Gewalt sei furchtbar. Eine<br />
klare Position jedoch beziehen sie nicht.<br />
Klare Position bezieht aber mein<br />
Dozent am Institut für Kommunikation<br />
der Istanbuler Universität. Als er nach<br />
unserem Befinden fragt und danach, ob<br />
unsere Eltern besorgt seien über das, was<br />
in Istanbul passiert, sagt er: „Ich möchte<br />
nie wieder diese Bilder von CNN und BBC<br />
sehen.“ Das Videomaterial sei mit Bildern<br />
aus Kriegsgebieten vermengt worden,<br />
das, was er sah, sei nicht Istanbul. Die<br />
Demonstrationen schadeten außerdem<br />
dem Image der Türkei im Ausland. Er als<br />
Dozent an einem journalistischen Institut<br />
sei erschüttert darüber – schließlich<br />
lernten wir doch hier, was guter Journalismus<br />
bedeute. Meine Kommilitonin und<br />
ich waren entsetzt, wussten nicht, was<br />
wir erwidern sollten. Konnten wir doch<br />
via Live-Streams verfolgen, dass sich der<br />
Taksim-Platz an den schlimmsten Tagen<br />
in einen Gewaltschauplatz verwandelte,<br />
Anzeige<br />
„Was mich interessiert sind nicht bewegliche Körper,<br />
sondern bewegliche Gehirne. Was mich interessiert<br />
ist die Wiederherstellung der menschlichen Würde<br />
in jeder einzelnen Form.“<br />
Dr. Moshe Feldenkrais<br />
ich selbst habe das Tränengas in der Nase<br />
gespürt, Freunde berichteten von Zusammenstößen<br />
mit der Polizei. Dass sogar<br />
provisorisch errichtete Krankenstationen<br />
angegriffen wurden, ist spätestens seit<br />
dem Besuch von Grünen-Chefin Claudia<br />
Roth in Istanbul und ihren Erlebnissen<br />
am Abend der Räumung des Gezi-Parks<br />
am 15. Juni kein Geheimnis mehr.<br />
Der Protest begegnet mir in diesen Tagen<br />
überall. Aber ebenso die zweigeteilte<br />
Stimmung in der Stadt, die komplett<br />
gegensätzlichen Meinungen der Bürger.<br />
Die vergangenen Tage haben gezeigt,<br />
wie schnell die Stimmung kippen, wie<br />
schnell Unvorhergesehenes passieren<br />
kann. Fest steht, dass die Demonstranten<br />
weitermachen – im stillen Protest, mit<br />
humoristischen Parolen auf der Straße<br />
oder mit der Lautstärke ihrer Kochtöpfe<br />
von Zuhause aus. Dieser Teil der Türken<br />
wird sicherlich nicht alle von ihrer Kritik<br />
überzeugen können, er wird wohl keinen<br />
„Umsturz“ herbeiführen.<br />
Vergessen werden alle Türken<br />
aber weder das Entstehen einer<br />
türkischen Protestkultur,<br />
die feierliche Stimmung im<br />
Gezi-Park noch die Polizeigewalt<br />
und die Reaktionen der<br />
Regierung.<br />
eigene Meinung zu äußern und an bestehenden<br />
Verhältnissen Kritik zu üben,<br />
haben die Türken bereits bewiesen. Wenn<br />
daraus ein politischer Diskurs entsteht<br />
und womöglich die Parteienlandschaft<br />
durch neue, mehrheitsfähige Parteien<br />
ergänzt wird, wäre das ein bedeutender<br />
und der wünschenswerteste Verdienst. #<br />
Feldenkrais-Praxis Vera Lämmerzahl<br />
Ludgeristraße 114 Tel.: 0251-796707<br />
Ich persönlich hoffe, dass<br />
aus dem Protest langfristig etwas<br />
hervorgeht: Den Mut, die<br />
10
Bericht | Text und Foto: Hannes Hennemann<br />
Kurz vor dem Nichts<br />
Gemeinsam gegen die Flut<br />
Die Hochwasser - Katastrophe in<br />
Deutschland betrifft die ganze Nation.<br />
Hilfe wird überall benötigt. Wer spenden<br />
kann, hilft finanziell, andere helfen<br />
durch Arbeitskraft. ~ - Autor<br />
Hannes Hennemann füllt einen Tag lang<br />
Sandsäcke im „Kieswerk Menneke“ in<br />
Niedersachen.<br />
Um <strong>13</strong>:00 Uhr treffe ich am Mittwoch<br />
in dem Kieswerk an. Während der Anmeldung<br />
bei der örtlichen freiwilligen<br />
Feuerwehr sehe ich auf der Liste, dass ich<br />
die 403. Person bin, die sich heute zum<br />
Helfen eingetragen hat. Das Kieswerk ist<br />
seit einer Woche täglich ab 09:00 Uhr<br />
für die freiwilligen Helfer geöffnet, um<br />
19:00 Uhr werden die Schaufeln beiseite<br />
gelegt. In den zehn Stunden kommen<br />
immer wieder Freiwillige dazu, andere<br />
verabschieden sich. Verpflegung wird<br />
von der freiwilligen Feuerwehr gestellt:<br />
Es gibt Getränke und eine Grillstation für<br />
Würstchen; Sonnencreme ist ebenfalls<br />
reichlich vorhanden.<br />
Es sind die tragischen Tage, in denen<br />
sich Deutschland von einer sympathischen<br />
Seite zeigt; das Wort Solidarität<br />
rückt in der Vordergrund. Das zeigt sich<br />
in der bunten Klientel, das die Schaufeln<br />
schwingt. Neben den Mittesiebzigjährigen<br />
aus der Umgebung, die acht Stunden<br />
am Stück arbeiten, sind auch kleine<br />
Familien dabei. Die ganz jungen Kinder<br />
binden die Sandsäcke zu oder spielen<br />
auf den Sandbergen, während ihre Eltern<br />
schippen. Nicht nur Ortsangehörige<br />
kommen zum Helfen, auch Jugendliche<br />
aus Hannover, die „sonst eh nur zu<br />
Hause rumgehangen hätten“, trampen<br />
her, um mit anzupacken. Der exotischste<br />
Helfer kam aus Frankreich und war auf<br />
Urlaubsreise nach Dänemark, als er<br />
mitbekam, dass Hilfe benötigt wird. Am<br />
frühen Morgen sind auch die örtlichen<br />
Schulen vor Ort. 800 Schüler schwitzen<br />
gemeinsam in der Sandgrube statt an<br />
der Schulbank. Scheinbar findet in der<br />
Sandgrube jeder seine soziale Nische. Frei<br />
nach dem Motto „immer gut aussehen<br />
beim Arbeiten“, richten sich links von mir<br />
die Jugendlichen ihre Haare – das Foto<br />
für Facebook darf nicht fehlen. Dennoch<br />
schweigt heute selbst der hartnäckigste<br />
Facebook-Feind, denn die meisten Helfer<br />
sind über die Profilseite des Landkreises<br />
Niederachsen informiert worden. „Die<br />
Zahl der Helfenden ist viel höher als noch<br />
2002, die meisten organisieren sich über<br />
Facebook-Gruppen“, berichtet Marco von<br />
der freiwilligen Feuerwehr. Neben den<br />
selbst organisierten Helfern finden sich<br />
Helfer des „Rapid Relief Team“ – eine<br />
Gruppe Freikirchlicher, die global bei<br />
Katastrophen hilft – und Soldaten der<br />
Bundeswehr.<br />
Es ist eben diese bunte Mischung an<br />
Helfern, die für eine harmonische und<br />
ausgelassene Stimmung sorgt. Jeder hilft,<br />
wo er kann. Wer altersbedingt keine<br />
körperlichen Kapazitäten hat, bringt<br />
Kuchen und Eis in die Sandgrube. Andere<br />
spenden von Zuhause. Ein freiwilliger<br />
Feuerwehrmann neben mir arbeitet mit<br />
einem Spasmus im rechten Arm: Die Motorik<br />
fällt ihm sichtlich schwerer, was ihn<br />
jedoch nicht zu stören scheint.<br />
Die meisten der Helfer haben sich<br />
von der Arbeit beurlauben lassen. Einen<br />
freien Tag gibt es nicht, auch nicht für<br />
die naheliegenden Anwohner, deren<br />
Existenz bei einem Deichbruch jederzeit<br />
weggespült werden kann. Zusammen mit<br />
mir arbeitet Yvonne, ihr Haus wäre im<br />
schlimmsten Fall auch betroffen. Sie ist<br />
den vierten Tag am Stück in der Sandgrube<br />
– ebenso wie viele andere aus ihrer<br />
Gemeinde. Die gelernte technische Zeichnerin<br />
nutzt ihre Überstunden, um in der<br />
Grube Sandsäcke zu füllen. Hochwasser<br />
ist für sie nichts Neues, 2002, 2006 und<br />
2011 hat sie Ähnliches erlebt – dieses Mal<br />
ist es bedrohlicher. Am Abend wird sie<br />
dennoch in ihr Bett in Hohnstorf an der<br />
Elbe fallen: „Ich bin optimistisch, dass<br />
die Dämme halten“, sagt sie lachend.<br />
Die Dämme in Hohnstorf haben gehalten<br />
– hier waren die Einwohner vorbereitet,<br />
und die Hilfsbereitschaft war groß. Dass<br />
nicht alle Orte dasselbe Glück wie Yvonnes<br />
Heimatdorf hatte, zeigten wochenlang<br />
die Bilder in den Medien. Doch mit dem<br />
Ende der Katastrophe und der 8 Milliarden<br />
Euro Hilfe des Bundes verschwindet<br />
gleichzeitig die mediale Aufmerksamkeit.<br />
Die Hilfsbereitschaft endet jedoch nicht:<br />
Die eigentlichen Arbeiten dauern noch<br />
an und nennen sich Aufräumarbeiten.<br />
Viele Existenzen stehen vor dem Nichts,<br />
und Hilfe wird in jeder Form benötigt.<br />
Wer mitanpacken möchte, durchsucht am<br />
besten das Internet und findet kleinere<br />
lokale Aufrufe. Eine andere Möglichkeit<br />
ist die Homepage www.flut-hilfe-sofort.<br />
de, auf der auch jetzt noch jegliche Form<br />
der Hilfe angeboten werden kann. #<br />
11
Bericht | Text und Fotos: Michael Heß<br />
Das Haus der Medien<br />
Münsters Stadtbücherei stellt sich dem Zeitgeist<br />
Die Stadtbücherei am Alten Steinweg gilt<br />
unbestritten als kultureller Leuchtturm<br />
in Münster. Aber auch um kulturelle<br />
Leuchttürme macht der Zeitgeist keinen<br />
Bogen. Elektronische Medien sind auf<br />
dem Vormarsch, und der finanzielle<br />
Rahmen ist zu beachten. Mit dem<br />
stellvertretenden Büchereileiter Gunter<br />
Riemers unterhielt sich ~-Redakteur<br />
Michael Heß über Erwartungen,<br />
Mitarbeiter und Veränderungen.<br />
Es gibt städtische Ämter mit einer<br />
höheren Mitarbeiterzahl als die Stadtbücherei.<br />
Aber es gibt, das Bürgeramt<br />
eingeschlossen, kein anderes Amt mit<br />
einer höheren Besucherzahl. Die 74 Beschäftigten<br />
in der Hauptstelle am Alten<br />
Steinweg plus der Nebenstellen wie bsw.<br />
in der Aaseestadt, im Hansaviertel und in<br />
Gievenbeck plus des Bücherbusses plus<br />
zwei Auszubildende begrüßten im letzten<br />
Jahr 949.861 Besucher. Das ist am Vorjahr<br />
gemessen stabil und meint außerdem,<br />
dass jeder Münsteraner die Stadtbücherei<br />
übers Jahr im Schnitt mehr als dreimal<br />
besuchte. Sie können auf etwa 200.000<br />
Bücher sowie 50.000 andere Medien<br />
zugreifen.<br />
Das ist überaus respektabel, und auch<br />
beim jüngsten Leistungsvergleich der<br />
bundesdeutschen Bibliotheken BIX (das<br />
Kürzel steht für “Bibliotheksindex”)<br />
erreichte das Haus am Steinweg 3,5 von<br />
4 möglichen Sternen und untermauerte<br />
damit seine mitführende Position im<br />
Lande. Auf ihre Bücherei können Münsters<br />
Bürger wirklich stolz sein. Die Stadtverwaltung<br />
und die lokale Politik dürfen<br />
sich dem gerne anschließen, es besteht<br />
dennoch Handlungsbedarf.<br />
Nicht allein der Zeitgeist setzt dem<br />
Hause zu, sondern auch die finanzielle<br />
Misere der Stadt. Der Gesamtetat des<br />
Hauses betrug 2012 rund 4,14 Mio Euro,<br />
wozu die Stadt 3,88 Mio Euro beisteuerte.<br />
Der Rest von 2<strong>60</strong>.000 Euro kam aus<br />
anderen Quellen, Eigenerwirtschaftung<br />
inbegriffen. Die Ausleihe bestimmter Medien<br />
kostet einen Euro, die Fristen sind<br />
beschränkter als früher, das Mahnwesen<br />
ist deutlich gestrafft. Alles zusammen<br />
sicherte 1,88 Mio Ausleihen und mehr als<br />
48.000 Stunden Internetzugang für lau<br />
(wer es bildhafter mag: das sind beinahe<br />
fünfeinhalb Jahre am Stück!). Für Medien<br />
wurden insgesamt 432.323 Euro ausgegeben,<br />
davon 31.290 Euro für Medien wie<br />
CDs, DVDs, e-Books. So sieht Bürgernähe<br />
konkret aus.<br />
Genug der Statistik - also der Zeitgeist.<br />
Sichtbarstes Zeichen, mit diesem Geist zu<br />
gehen, war die Umstellung des Services<br />
zum Jahresanfang. Am Montag findet<br />
seitdem nur noch ein eingeschränkter<br />
Service mit vier Mitarbeitern im Besucherbereich<br />
statt. Dafür öffnet die<br />
Bücherei am Sonnabend seine Pforten<br />
bis 18 Uhr. Der Erfolg gibt recht: “Wir<br />
haben samstags begeisterte Kunden,<br />
die das Haus auch bis 18 Uhr nutzen”,<br />
schildert Gunter Riemers (im Bild) die<br />
Situation. Der 58-jährige Rheinländer<br />
und studierte Bibliothekar hat daran<br />
als stellvertretender Amtsleiter großen<br />
Anteil. Insbesondere Schüler nutzen nun<br />
die Recherchemöglichkeiten am Wochenende,<br />
da sie in der Woche aufgrund der<br />
gewachsenen Lernanforderungen kaum<br />
noch Zeit finden. Aber auch Erwachsene<br />
nutzen die Möglichkeiten einschließlich<br />
der circa 30 Computerplätze intensiv.<br />
Oder auch: Tue Gutes und sprich darüber.<br />
Der 2007 gegründete, sehr rührige<br />
Freundeskreis der Stadtbücherei unter<br />
Vorsitz von Gertraud Horstmann ist mit<br />
seinen Projekten wie dem Leseluchs für<br />
Kinder zuerst zu nennen. Was zu ständig<br />
steigenden Ausleihen in der Kinderbücherei<br />
führt. Im Hause selbst gab es 2012<br />
knappe 300 Führungen mit 6.781 Teilnehmern<br />
und 223 weitere Veranstaltungen<br />
wie Lesungen oder Podiumsdebatten mit<br />
6.381 Besuchern.<br />
Alles das ist ohne das Engagement der<br />
Mitarbeiter nicht denkbar. Seit Jahren<br />
tragen sie die wiederholten Kürzungen<br />
und Umorganisationen klaglos mit. “Die<br />
Dankbarkeit der Kunden kommt bei den<br />
Kollegen an”, sagt Gunter Riemers, der<br />
neben seinen administrativen Aufgaben<br />
auch im Besucherbereich mitarbeitet.<br />
Die Montag-Sonnabend-Umstellung<br />
betreffend “haben wir versucht, ein<br />
Modell mit zwei freien Tagen für die Kollegen<br />
hinzubekommen“. Manche haben<br />
auch drei Tage am Stück frei, aber eines<br />
bleibt doch: die Bereitschaft, auch mal<br />
am Wochenende bis 18 Uhr zu arbeiten.<br />
Wer die Bücherei nutzt, weiß das stets<br />
freundliche Engagement der Mitarbeiter<br />
sehr zu würdigen.<br />
Dennoch ist nicht nur Sonnenschein.<br />
Die Schatten sind dezent, kommen aber<br />
näher. Noch vor fünf Jahren war die<br />
Münsteraner Bücherei gemeinsam mit<br />
12
den Bibliotheken in Dresden und Würzburg<br />
wirklich führend im Lande. Man<br />
wechselte sich auf den ersten Plätze in<br />
trauter Eintracht ab, der Rest von Flensburg<br />
bis Garmisch musste sich damit zufrieden<br />
geben. Das ist Geschichte, denn<br />
beim jüngsten Landesvergleich landete<br />
das Haus zwischen Lambertikirche und<br />
Asche nur noch im oberen Mittelfeld. Mit<br />
dreieinhalb von vier möglichen Sternen.<br />
Es klingt immer noch sehr gut, war aber<br />
eben auch schon mal besser. Seit Jahren<br />
bei Rücknahme und Ausleihe. Gerne<br />
nutzen die Besucher die Möglichkeit<br />
der Rücknahme am Abendschalter bis<br />
23 Uhr. Das Selbstverbuchen zeigt auch<br />
unerwartete positive Effekte wie das<br />
Mehr an Diskretion. Keiner kann mehr<br />
sehen, was den Ausleiher interessiert.<br />
Ein paar Nummern größer fällt der Trend<br />
bei der Zweigstelle in der Aaseestadt aus,<br />
die sich allmählich zu einem faktischen<br />
Stadtteilzentrum entwickelt. Überhaupt<br />
sei die Arbeit mit Freiwilligen in den<br />
den Arbeitstischen, Hörspielstationen<br />
und Buchregalen den ganzen Tag im<br />
Haus verbringen. Man kann den eigenen<br />
Laptop mitbringen und den kostenlosen<br />
Hotspot nutzen. Man kann Räume belegen<br />
für Lernkurse und Versammlungen.<br />
Und es soll sogar Leute geben, denen die<br />
Bücherei ihr zweites Büro geworden ist.<br />
Es geht problemlos, auch wenn die tägliche<br />
Zeit zum Surfen im Hause auf zwei<br />
Stunden beschränkt ist. Andere müssen<br />
auch dürfen wollen.<br />
warnt Monika Rasche als Leiterin der<br />
Bücherei, unterstützt vom Freundeskreis,<br />
intensiv vor weiteren Etatkürzungen.<br />
Diese gefährdeten schleichend, aber stetig<br />
die Qualität beim Service. Sind Besucher<br />
erst einmal weg, kommen sie selten<br />
wieder. “Bibliotheken sterben langsam”,<br />
bezeichnet Gunter Riemers den Prozess.<br />
Die Methodik des jüngsten BIX hinterfragt<br />
er sachlich, anerkennt aber die Tendenz<br />
im Kern ebenso. Da die meisten Mittel<br />
im Etat vertraglich gebunden sind, liefen<br />
weitere Kürzungen automatisch auf<br />
Minderungen im Personalbestand hinaus.<br />
Was neben einem verschlechterten<br />
Service vor allem hieße: Schließungen<br />
von Zweigstellen; die am Aasee und am<br />
Hansaring zuvörderst. Münsters Politik ist<br />
wirklich gefragt.<br />
Auch der Bau selbst wartet mit unangenehmen<br />
Überraschungen auf. Chemische<br />
Prozesse bewirken die allmähliche<br />
Lösung des Verputzes im Innenbereich.<br />
Aufgespannte Netze sollen die Besucher<br />
und Mitarbeiter vor abfallenden Stücken<br />
schützen. Sie bewirken eine eigene Ästhetik,<br />
und mancher Besucher mag sie<br />
für gewollte Kunst am Bau halten. Das<br />
eigentliche Problem harrt trotzdem einer<br />
Lösung. Schwierig.<br />
Die Bücherei gibt derweil eigene Antworten.<br />
Wie die Buchungsmöglichkeiten<br />
per Internet. Zur Serviceumstellung gehört<br />
auch die ausgeweitete Selbstbedienung<br />
Filialen ein beidseitiger Lernprozess.<br />
“Auch wir als hauptberufliche Bibliothekare<br />
lernen daraus”, reflektiert Gunter<br />
Riemers und gibt dem Engagement der<br />
Volunteers beste Noten. Die notwendige<br />
Sachkenne erwerben sie in Schulungen<br />
durch Mitarbeiter der Stadtbücherei. Das<br />
Beispiel Aaseestadt zeigt, wie sehr viele<br />
Bürger den Wert einer gut ausgestatteten<br />
Bücherei für den Erwerb soziokultureller<br />
Kompetenzen wie Lesen und Schreiben<br />
begreifen und sich aktiv einbringen. Seit<br />
März ermöglichen 15 neue Freiwillige<br />
erweiterte Öffnungszeiten. Dank der Zuschüsse<br />
von Sparkasse und Land konnte<br />
endlich die Selbstbuchung eingerichtet<br />
werden.<br />
Nochmals der Zeitgeist. Er zeigt interessante<br />
Trends wie den, dass immer weniger<br />
Sachbücher ausgeliehen werden.<br />
Wegen der übermächtigen Konkurrenz<br />
von Wikipedia und Co. “haben wir die<br />
Lexika eingelagert oder verkauft”, so<br />
Gunter Riemers. Was früher eine imposante<br />
Regalreihe füllte, ist verschwunden.<br />
Ebenso ehemalige Klassiker wie<br />
die Schwacke-Liste. Die elektronischen<br />
Medien expandieren, und vorbehaltlich<br />
der Lösung noch bestehender rechtlicher<br />
Probleme kann sich Gunter Riemers<br />
künftig auch die Ausleihe von Filmen per<br />
Internet vorstellen. Die Stadtbücherei<br />
ist heute mehr als ein Ort der Ausleihe.<br />
Man kann zwischen dem Café Colibri,<br />
dem Lesesaal, den Computerplätzen,<br />
Und dann gibt es noch den neuen<br />
Bücherbus. Das sehr betagte vormalige<br />
Gefährt tat den letzten Schnaufer, ein<br />
neuer Bus musste also her, um im festen<br />
Takt die Außenbezirke der Stadt zu bedienen.<br />
Gut, ein echter Bus ist es nicht<br />
mehr. Sondern ein LKW mit Auflieger,<br />
aber der hat es in sich und bietet fast<br />
alles, was auch die Hauptstelle samt<br />
Filialen hergeben. Schön bunt bemalt<br />
ist er außerdem. Aus einem Wettbewerb<br />
von elf Vorschlägen heraus machte der<br />
Entwurf der 25-jährigen Designstudentin<br />
Elfe Marie Luise Opiela das Rennen. Herzlichen<br />
Glückwunsch, und demnächst rollt<br />
Münsters kunterbunter Bücherbus wieder<br />
auf den Straßen. Eine schwierige Geburt<br />
kommt zum glücklichen Ende.<br />
Viele Bausteine tragen zum Erfolg der<br />
Stadtbücherei bei. Engagierte Mitarbeiter<br />
und ein aktuelles Mediensortiment, das<br />
Café Colibri und der Freundeskreis, interessante<br />
Architektur und ansprechende<br />
Veranstaltungen. Man kann dem Kulturleuchtturm<br />
nur alles Gute wünschen und<br />
weiß diesen Wunsch in den besten Händen.<br />
Aber das Damoklesschwert namens<br />
Etatkürzungen schwebt eben auch über<br />
dem Haus am Alten Steinweg. Die Politik<br />
ist gefragt. #<br />
www.muenster.de/stadt/buecherei<br />
<strong>13</strong>
Bericht | Text und Fotos: Lena Fiebig<br />
Vegane Ernährung<br />
Die neue Art zu Essen auf dem Prüfstand<br />
Es ist ein Trend! Alle Welt scheint sich<br />
seit Neuestem vegan zu ernähren.<br />
Schlägt man die aktuellen Frauen- und<br />
Ernährungszeitschriften auf, fallen<br />
einem haufenweise vegane Rezepte<br />
oder Tipps zu einer veganen Ernährung<br />
in den Schoß. Auch immer mehr Cafés<br />
in Münsters Innenstadt bieten vegane<br />
Köstlichkeiten in ihrem Standardsortiment<br />
an. Der Verzicht auf tierische<br />
Produkte – die neue Ernährung unserer<br />
Gesellschaft? Höchste Zeit nachzufragen,<br />
ob Vegan leben gesund ist, wirklich<br />
schlank macht und auch einen Beitrag<br />
für die Umwelt leistet. Wir haben mit<br />
einem Ernährungsberater und einem<br />
überzeugten Veganer gesprochen, um<br />
der neuen Mode „Veganismus“ auf die<br />
Schliche zu kommen.<br />
In Deutschland leben rund sechs Millionen<br />
Vegetarier, davon ernähren sich<br />
viele vegan. Das bedeutet, dass diese<br />
Menschen keine Lebensmittel essen,<br />
die von Tieren stammen. Neben Fleisch<br />
und Fisch fallen für Veganer auch Eier,<br />
Milchprodukte und Honig weg. Das hört<br />
sich für einen typischen Fleischesser erst<br />
mal seltsam an und die erste Assoziation<br />
von unter-und mangelernährten Menschen,<br />
die nur aus Haut und Knochen<br />
bestehen, lässt sich bestimmt nur schwer<br />
korrigieren. Doch Studien aus den USA<br />
beweisen, dass Veganer nicht an einer<br />
Mangelernährung leiden. Im Gegenteil:<br />
Veganer gehören zwar wirklich zu den<br />
schlankeren Personen, beugen mit ihrer<br />
Essensumstellung aber auch Krankheiten<br />
wie Diabetes, Krebs und Herzerkrankungen<br />
vor. Gründe für eine vegane Ernährung<br />
können viele sein: Ethische, Protest<br />
gegen Massentierhaltung, Allergien oder<br />
einfach um sich bewusster und gesünder<br />
zu ernähren.<br />
Veganer aus Überzeugung<br />
Moritz Golombek hat sich erst vegetarisch<br />
ernährt und ist dann 2010 auf<br />
vegane Lebensmittel umgestiegen. Der<br />
Abiturient des Annette-von-Droste-<br />
Hülshoff Gymnasiums in Münster hat<br />
sich aus tierethischen Gründen vom<br />
Fleischverzehr verabschiedet. Nach einer<br />
ausgiebigen Recherche im Internet über<br />
alternative Ernährungsformen und der<br />
Erkenntnis der schlimmen Bedingungen<br />
unter denen tierische Produkte<br />
hergestellt werden, entschied er sich<br />
schließlich für die vegane Ernährung.<br />
Alltägliche Lebensmittel kauft er in den<br />
handelsüblichen Supermärkten, die sogar<br />
Fleischalternativen anbieten. „ Mein Leben<br />
hat sich durch die Umstellung auf vegane<br />
Lebensmittel nicht groß verändert“,<br />
sagt er. „Ich achte mehr auf Ernährung,<br />
allein schon deswegen, weil man sich<br />
damit mehr auseinander setzen muss.“<br />
Durch Treffen mit anderen Veganern hat<br />
er Tipps zu dem Thema und neue Leute<br />
kennengelernt. Moritz ist ein Beispiel<br />
für die These, dass vegane Ernährung<br />
gesund ist und sogar Krankheiten vorbeugt<br />
beziehungsweise heilt. Er hatte vor<br />
seiner Umstellung auf tierfreie Produkte<br />
mit stärkerer Akne zu kämpfen. Diese ist<br />
jetzt komplett verschwunden. „Ich fühle<br />
mich auch viel besser. Vorher war ich<br />
ungefähr fünf Mal im Jahr krank, jetzt ist<br />
es viel seltener geworden.“ Eine logische<br />
Schlussfolgerung vor allem aufgrund der<br />
gesünderen Lebensweise, die eine vegane<br />
Ernährung mit sich bringt.<br />
„Im gutdeutschen Restaurant<br />
werden es meist<br />
Pommes und Salat.“<br />
14
Wer sich wie Moritz schon in jungen<br />
Jahren zu so einem Schritt der Lebensund<br />
Essensumstellung entscheidet, muss<br />
auch sein persönliches Umfeld miteinbeziehen,<br />
beziehungsweise davon überzeugen.<br />
Moritz erzählt, dass auch seine<br />
Freunde sich erst daran gewöhnen und<br />
Vorurteile abbauen mussten. „In einer<br />
Stadt wie Münster finde ich es aber nicht<br />
schwer, sich vegan zu ernähren“, stellt er<br />
fest. „ Jeder Supermarkt hat ein veganes<br />
Sortiment, viele Cafés bieten vegane<br />
Sachen an, und auch in Eisdielen gibt es<br />
veganes Eis.“ Doch die neue Art zu essen<br />
war anfangs schwer, doch mit der Zeit hat<br />
er seine Gewohnheiten entwickelt und<br />
jetzt ist es kein Problem mehr stressfrei<br />
einkaufen zu gehen. Problematisch wird<br />
es nur bei einem Familienessen, erklärt<br />
Moritz: „ Wenn man mit Oma und Opa<br />
ins gutdeutsche Restaurant geht, dann<br />
werden es meist Pommes und Salat“.<br />
Tipps vom Ernährungsberater<br />
Moritz Beispiel zeigt, dass es sich<br />
durchaus auszahlen kann auf tierische<br />
Lebensmittel zu verzichten, da die<br />
Gesundheit und die Lebensqualität bei<br />
ihm nicht groß beeinflusst wurden,<br />
und wenn, dann im positiven Sinne.<br />
Rainer Bergmann führt eine Praxis für<br />
Gesundheits- und Ernährungsberatung<br />
in Münster und kann aus Expertensicht<br />
sagen, ob eine vegane Lebensweise<br />
gesund ist oder nicht: „Wenn man sich<br />
richtig vegan ernährt, fehlt dem Körper<br />
nichts“, sagt er. „Man muss viel Gemüse<br />
zu sich nehmen, bis zu 750 Gramm täglich,<br />
davon mindestens 200 Gramm roh,<br />
100 Gramm rohes Obst, Vollkornprodukte<br />
und kaltgepresste Öle. Wer einfach nur<br />
Fleisch, Fisch und Milchprodukte weglässt<br />
und ansonsten nur Fast Food und<br />
Fertiggerichte zu sich nimmt, der lebt<br />
natürlich nicht gesünder.“ Bergmann<br />
empfiehlt die Nahrung möglichst vitalstoffreich<br />
zu essen, also so natürlich wie<br />
möglich zu belassen. Bei bestimmten<br />
ernährungsbedingten Krankheiten rät er<br />
zu einer vollwertig-veganen Kost, aber<br />
meist reicht es, sich vollwertig-tierischeiweiß-frei<br />
zu ernähren.<br />
Insgesamt ist die Veränderung zu einer<br />
veganen Lebensweise eine Frage der<br />
richtigen Durchführung. Eine gute und<br />
ausgewogene Nahrungszusammenstellung<br />
ist sehr wichtig, um Mangelerscheinungen<br />
vorzubeugen. Sollte man doch<br />
Probleme mit Eisenmangel oder dem<br />
Fehlen von Vitamin D und B 12 haben, ist<br />
es möglich angereicherte Lebensmittel<br />
als Ergänzung zu sich zu nehmen. Vor allem<br />
Vitamin B12 kommt nur in tierischen<br />
Produkten vor und wird dem Körper<br />
somit am ehesten fehlen. Doch für solche<br />
Fälle gibt es sogar eine Vitamin-B12-<br />
Zahnpasta, mit der man beim Zähneputzen<br />
den täglichen Bedarf abdecken kann.<br />
Veganer ernähren sich meist bewusster,<br />
was eine gesunde Lebensweise mit sich<br />
bringt: Viel Sport, eine ausgewogene<br />
Ernährung, kein Nikotin oder sonstige<br />
Schadstoffe, die dem Körper nicht gut<br />
tun. Das bedeutet nicht, dass Fleischesser<br />
sich generell ungesund ernähren, doch<br />
wer bewusst auf seine Ernährung achtet,<br />
lebt auch bewusster und fühlt sich<br />
dementsprechend besser. Wer spezielle<br />
Fragen zu einer gesunden Ernährung hat,<br />
sollte einen Ernährungsberater um Rat<br />
fragen, da Allgemeinmediziner noch<br />
eine zusätzliche Fortbildung absolviert<br />
haben müssen, um auf dem Gebiet der<br />
Ernährung eine gute Auskunft geben zu<br />
können. Vegan hin oder her, jeder sollte<br />
essen wie es ihm am besten schmeckt<br />
und bekommt. Doch wenn schon gerade<br />
alle auf den Zug der veganen Ernährung<br />
aufspringen, könnte man es ja durchaus<br />
mal ausprobieren und dann entscheiden<br />
mit welcher Ernährungsform man sich<br />
selbst am wohlsten fühlt. #<br />
15
Berichte | Texte: Rita Westerheide | Foto: SWR/Pressestelle/Fotoredaktion_Ge<br />
Wichtiges Ehrenamt<br />
Sven Kuntze spricht aus Erfahrung<br />
Sven Kuntze, Jahrgang 1942, studierte<br />
Soziologie, Psychologie und Geschichte.<br />
Viele Menschen kennen ihn als ehemaligen<br />
Mitarbeiter des WDR in Bonn,<br />
New York und Washington, ab 1993 als<br />
Moderator des „ARD-Morgenmagazins“.<br />
Nach dem Regierungsumzug wurde er<br />
Hauptstadtkorrespondent. Seit 2007 ist<br />
er im „Ruhestand“ und immer noch als<br />
freier Journalist und Moderator tätig.<br />
~: Herr Kuntze, im Jahr 2010 erhielten<br />
Sie den Katholischen Medienpreis<br />
in der Kategorie „Elektronische Medien“<br />
für Ihren Film „Gut sein auf Probe – Ein<br />
Egoist engagiert sich“. Wie ist diese Idee<br />
entstanden?<br />
Sven Kuntze: Im Rahmen der ARD-<br />
Themenwoche entstand zuvor der Film<br />
„Alt sein auf Probe“, wofür ich mich für<br />
drei Monate in der Seniorenresidenz<br />
„Rosenpark“ in Zollstock, einem Kölner<br />
Arbeiterviertel, einquartiert hatte. Da<br />
dieser Film ein voller Erfolg war, fragte<br />
der WDR bezüglich einer weiteren Reportage<br />
an. So ist dann der Film „Gut sein<br />
auf Probe“ entstanden.<br />
~: Welche Erfahrungen haben Sie<br />
persönlich mit dem Ehrenamt gemacht?<br />
Sven Kuntze: Das es ein gegenseitiges<br />
Geben und Nehmen ist. Man sollte<br />
sich zunächst die Frage stellen: „Wofür<br />
möchte ich mich auf Dauer engagieren,<br />
was will ich vom Ehrenamt?“ Das Geld<br />
sollte dabei nicht im Vordergrund stehen.<br />
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich zu<br />
engagieren: Ist man gut in organisatorischen<br />
Dingen, lässt sich mit Sicherheit<br />
dort etwas finden, z. B. die „Aidsgala“.<br />
Ist man auf der Suche nach sozialem<br />
Anschluss, ist man sicherlich gut in der<br />
Beschäftigung mit Obdachlosen aufgehoben.<br />
Dort werden von Betroffenen<br />
interessante Lebensgeschichten erzählt.<br />
Auf jeden Fall bin ich der Meinung, dass<br />
einem das Ehrenamt etwas bringen muss.<br />
~: Ist die ehrenamtliche Arbeit die<br />
Arbeit der Zukunft?<br />
Sven Kuntze: Nein, nicht Arbeit! Da die<br />
Bundesrepublik Deutschland weltweit<br />
das Land mit den meisten Ehrenämtern<br />
ist – um nur wenige zu nennen:<br />
Feuerwehr, Mitarbeit in der politischen<br />
Partei, Caritasverbände etc. -, denke ich,<br />
dass die Zukunft ohne ehrenamtliche<br />
Mitarbeit nicht auskommen wird. Luxus<br />
wird das „Tragen“ der alten Leute sein,<br />
um das mal vorsichtig zu formulieren. In<br />
16
früheren Jahren wurden die Menschen<br />
nicht so alt wie heute. Ich sehe es so,<br />
dass die Generation der 30er und 40er<br />
Jahre sich heute um die alten Menschen<br />
kümmern sollte. Wir müssen uns selbst<br />
kümmern. Die ehrenamtliche Tätigkeit<br />
muss Funktionen übernehmen, die sich<br />
die Gesellschaft nicht mehr leisten kann.<br />
~: Was darf für diese Arbeit erwartet<br />
werden?<br />
Sven Kuntze: Fifty-Fifty. Im Zusammenhang<br />
sollte man sich wohlfühlen mit<br />
dem, was man tut. Dankbarkeit spürbar<br />
zu erfahren, ist eine gute und wichtige<br />
Erfahrung. Es hängt von jedem Einzelnen<br />
selbst ab, was er erwartet. Die Tätigkeit<br />
sollte schon sorgfältig ausgesucht werden.<br />
Ansonsten sollte man wieder gehen<br />
und sich etwas anderes suchen.<br />
~: Sie haben auch Erfahrungen mit<br />
Obdachlosen gemacht. Wie und wo ist es<br />
dazu gekommen? Wie war das genau?<br />
Sven Kuntze: Da der WDR das Projekt ja<br />
finanziert hat, kam natürlich die „Oase“<br />
in Köln als eine gute Adresse infrage. Die<br />
Dreharbeiten fanden im Winter statt.<br />
Dort gab es eine Baracke, in der es gut zu<br />
essen gab, es herrschte eine gemütliche<br />
und muffige Atmosphäre. Mit vielen betroffenen<br />
Menschen haben wir seinerzeit<br />
sprechen können. Aufgrund vieler Erzählungen<br />
der eigenen Lebensgeschichten<br />
war auch absehbar, dass „diese<br />
Menschen“ Schwierigkeiten bekommen<br />
werden, wieder in ein normales Leben<br />
zurückzukehren. Die Basis ist nun mal der<br />
Job, und hier wird auch „Gehorsam“ und<br />
Zuverlässigkeit gefordert. Durch meine<br />
langen beruflichen Aufenthalte in Amerika<br />
vergleiche ich auch immer – und wir<br />
gucken ja von hier auch immer wieder<br />
dorthin. Die Amerikaner sind brutaler.<br />
Dort sterben obdachlose Menschen auf<br />
der Straße. Als „Einwandererland“ geht<br />
das ja wahrscheinlich auch gar nicht<br />
anders.<br />
paar Stunden haben wir immer nette<br />
Atmosphären schaffen und interessante<br />
Gespräche führen können, ohne zu<br />
belehren. (Sicherlich macht es auch<br />
einen Unterschied, ob nun ein gesamtes<br />
Kamerateam vor Ort ist oder man als<br />
Privatperson kommt.) Allerdings war<br />
auch immer wieder herauszuhören, dass<br />
sich so mancher Obdachloser gar nicht<br />
so unwohl fühlt, wenn er überwiegend<br />
auf den Rheinwiesen lebt. Einem jungen<br />
Mann haben wir (das Team) einen<br />
Job vermitteln können. Doch nach drei<br />
Wochen war er schon wieder „draußen“.<br />
Ich denke, dass mit etwas gutem Willen<br />
(ohne den ist es nicht zu schaffen) der<br />
Mensch „auf den Weg der guten Tugend“<br />
zurückgebracht werden kann.<br />
~: Was dürfte aus Ihrer Sicht<br />
geschehen, damit nicht immer mehr<br />
Menschen in diesen Teufelskreis geraten?<br />
Sven Kuntze: Schwierig! Jeder Mensch hat<br />
sein eigenes Schicksal. Leben bedeutet<br />
M<br />
in<br />
der Regel: Acht Stunden Arbeit, dieser<br />
Y<br />
geregelten Arbeit muss nachgegangen<br />
werden, ein Freundeskreis will aufgebaut<br />
CM<br />
werden. Manche Menschen schaffen das<br />
nie. Es gibt zwei Sorten Menschen: MYDie,<br />
die nicht wollen, und die, die nicht kön-<br />
CY<br />
nen. Es sollte jedoch immer wieder von<br />
sozialen Organisationen und Vereinen<br />
CMY<br />
versucht werden, betroffene Menschen<br />
„zurückzubringen“. Es gibt bei<br />
Kuns<br />
keinen Anspruch auf eine Wohnung im<br />
Zentrum. In den Randgebieten der Städte<br />
sind teilweise genügend Wohnungen<br />
zu finden – zumindest hier in Berlin.<br />
Der Staat muss sich zurückziehen, er<br />
wird schwächer und kann das finanziell<br />
nicht mehr leisten. In Griechenland z. B.<br />
sind die Zustände anders. Dort ist es ein<br />
wirtschaftliches Problem. Bei uns sind ja<br />
glücklicherweise nicht so viele Menschen<br />
betroffen. Wir werden in Zukunft alles<br />
C<br />
selbst in die Hand nehmen müssen.<br />
~: Herr Kuntze, ich danke Ihnen für<br />
dieses informative Gespräch und wünsche<br />
Ihnen alles Gute. #<br />
MS_Anz_draußen_42,7x126_sw_RZ.pd<br />
Anzeige<br />
~: Welche persönlichen Erfahrungen<br />
haben Sie mitnehmen können?<br />
Sven Kuntze: Die Dreharbeiten haben<br />
ein halbes Jahr in Anspruch genommen.<br />
Innerhalb von drei bis vier Monaten<br />
habe ich immer wieder Kontakt zu den<br />
obdachlosen Menschen gehabt. Für ein<br />
Infos zum Volksentscheid der Gastwirte in NRW unter<br />
„Raucherparty“ auf Facebook und<br />
www.NRWgeniesst.de<br />
17
Bericht | Text und Foto: Sabrina Kipp | Grafik: Thommy Weiss / pixelio.de<br />
„Unsere Existenz ist akut bedroht”<br />
Interview mit der Gastwirtin Carmen Preston<br />
Es hat sich herum gesprochen: Die<br />
Gastwirte in NRW streben die Abschaffung<br />
des am 1. Mai in Kraft getretenen<br />
“Nichtraucherschutzgesetzes” an. Dieses<br />
verbietet unter anderem das Rauchen in<br />
den Lokalen, was seitdem zu massiven<br />
Umsatzverlusten führt. Über den Sachstand<br />
unterhielt sich ~-Redakteurin<br />
Sabrina Kipp mit Gastwirtin Carmen<br />
Preston (im Bild).<br />
~: Stellen Sie sich unseren Lesern<br />
bitte kurz vor.<br />
Carmen Preston: Vom Vater her Britin,<br />
59 Jahre jung und seit 40 Jahren in der<br />
Gastronomie tätig. Heute als Inhaberin<br />
des Lokals “Kreuzeck” im Kreuzviertel.<br />
~: Was bringt Münsters Wirte denn<br />
so auf die Palme?<br />
Carmen Preston: Viele Wirte haben seit<br />
2007 erhebliche Summen in den Einbau<br />
von separaten Nichtraucher- oder<br />
Raucherräumen investiert. Fast immer<br />
auf private Kosten, denn Darlehen für<br />
die Gastronomie sind seit Jahren nicht<br />
mehr zu bekommen. Das soll nun alles<br />
nicht mehr gelten. Die Investitionen<br />
sind entwertet, und das bedroht die<br />
soziale Existenz der Wirte. Vielleicht<br />
gab es Beschwerden irgendwo in NRW.<br />
Sie waren die Ausnahme, die die Regel<br />
bestätigten. Weder bei den Ordnungsämtern,<br />
der Polizei oder der DEHOGA gab<br />
es Beschwerden in nennenswerter Zahl.<br />
Alle Beteiligten konnten mit der Regelung<br />
spezieller Räume sehr gut leben. Raucher<br />
und Nichtraucher sind doch nicht in die<br />
Lokale gekommen, um sich zu zoffen!<br />
~: Aber die Landesregierung nicht?<br />
Carmen Preston: So müssen wir es sehen<br />
- und die rot-grüne Landtagsmehrheit<br />
auch nicht. Es ist unverständlich, warum<br />
eine taugliche Regelung ohne sachlichen<br />
Grund aufgehoben wurde. Erst recht,<br />
wenn es eine Merkwürdigkeit vor der<br />
entscheidenden Abstimmung gab.<br />
~: Als da wäre?<br />
Carmen Preston: Vor der entscheidenden<br />
Abstimmung gaben 18 grüne und<br />
rote Abgeordnete eine Erklärung ab.<br />
Sie drückten ihre Bedenken gegen das<br />
Gesetz aus, folgten letztendlich aber dem<br />
Fraktionszwang. Das heißt, sie hatten so<br />
abzustimmen wie bekannt, auch wenn<br />
es persönliche Bedenken gab. Ohne diese<br />
18 Abgeordneten hätte der Gesetzentwurf<br />
der Regierung keine Mehrheit gefunden<br />
und würde es keine Bedrohung unserer<br />
sozialen Existenz geben.<br />
~: So viel zum Thema Handlungsfreiheit<br />
von Abgeordneten. Welche Negativfolgen<br />
gibt es konkret?<br />
Carmen Preston: Das drohende soziale<br />
Aus für viele Wirte bei Umsatzverlusten bis<br />
zu 50 Prozent. Viele Wirte waren immer<br />
selbständig und können keine Leistungen<br />
wie Arbeitslosengeld beziehen. Dafür<br />
droht Hartz IV. Daneben fühlen<br />
sich die Anwohner in den Abendstunden<br />
durch die Gespräche der<br />
Gäste vor den Lokalen genervt.<br />
~: Die Gäste arrangieren sich<br />
mit den neuen Gegebenheiten?<br />
Carmen Preston: Höchstens<br />
insofern, als sie jetzt immer vor<br />
die Tür gehen mit den Folgen<br />
wie beschrieben. In den Lokalen<br />
selbst wird jede Kommunikation<br />
unmöglich gemacht. Gerade deshalb<br />
kommen doch viele Menschen ins Lokal!<br />
Wenn aber ständig jemand nach draußen<br />
geht kann, man nicht klönen, Karten<br />
spielen oder Fußball schauen. Unsere<br />
Existenz ist akut bedroht. Stellen sie sich<br />
einmal ein Kino vor, in dem Cola und<br />
Popcorn nur außerhalb der Kinosäle konsumiert<br />
werden dürfen. Jedes Kino kann<br />
dichtmachen.<br />
~: Im Sommer ist es schön draußen.<br />
Carmen Preston: Sicher, aber die wenigsten<br />
Gäste haben im Winter Bock, sich<br />
einen Mantel überzuziehen und kalte<br />
Füße zu holen. Dann kommen sie gar<br />
nicht mehr und rauchen und trinken zu<br />
Hause.<br />
~: Was haben Sie bisher erreicht?<br />
Carmen Preston: Um ein Volksbegehren<br />
starten zu können, sind in ganz NRW<br />
3.000 Unterschriften nötig und ein alternativer<br />
Gesetzentwurf. Der ist fertig und<br />
besagt in nur zwei Paragrafen, dass die<br />
Situation wie bis zum 30. April mit sofortiger<br />
Wirkung wieder gelten solle. Auch<br />
die 3.000 Unterschriften sind im Kasten,<br />
davon sind allein 1.300 Unterschriften<br />
aus Münster. Herzlichen Dank dafür!<br />
~: Wie geht es nun weiter?<br />
Carmen Preston: Im nun anstehenden<br />
Volksbegehren müssen wir in maximal<br />
zwölf Monaten in ganz NRW 1,1 Millionen<br />
Unterschriften sammeln. Dann könnte die<br />
Landesregierung einlenken und unserem<br />
Ansinnen folgen. Bleibt sie aber immer<br />
noch hart, kommt es zum Volksentscheid.<br />
Der läuft im Prinzip ab wie eine Wahl<br />
mit Wahllokalen und -kabinen in allen<br />
Gemeinden. Beteiligen sich mindestens<br />
15 Prozent der Wahlberechtigten am<br />
Entscheid und haben wir die Mehrheit<br />
der Stimmen, tritt die bis zum 30. April<br />
gültige Regelung wieder in Kraft. Doch<br />
wir setzen schon auf frühere Einsicht in<br />
Düsseldorf. #<br />
18
Bericht | Text und Foto: Michael Heß<br />
Die Tafel an der Kreuzung<br />
Eine Tafel an der Warendorfer Straße gedenkt der Deportationen Münsteraner Juden<br />
Stätten der Erinnerung an die Verbrechen<br />
der Nazis gibt es in Münster<br />
erfreulich viele. Die bekannten Orte wie<br />
die Villa Ten Hompel ergänzen unauffälligere<br />
Plätze. Einer von ihnen befindet<br />
sich unweit der Villa. ~-Redakteur<br />
Michael Heß schreibt über die an die<br />
Judendeportationen erinnernde Gedenktafel<br />
an der Warendorfer Straße.<br />
“Noch hielt der Wagen nicht richtig, da<br />
wurden die Türen aufgerissen. Schläge<br />
hagelten auf uns nieder. Willenlos mussten<br />
wir alles über uns ergehen lassen.”<br />
Der damals 22-jährige Elektriker Siegfried<br />
Weinberg schildert Jahre nach dem Krieg<br />
bildhaft die Umstände der ersten Deportation<br />
von Juden am <strong>13</strong>. Dezember 1941.<br />
Bereits im Herbst 1944 wird er als Autor<br />
des sogenannten “Weinberg-Reports” zu<br />
den ersten Zeugen der nationalsozialistischen<br />
Vernichtungspolitik gehören. Was<br />
im Gegenzug bedeutet, dass die Untaten<br />
und viele Täter schon in der nazimilden<br />
frühen Bundesrepublik bekannt waren.<br />
Von den 390 Deportierten an diesem <strong>13</strong>.<br />
Dezember kommen 105 aus Münster. Auf<br />
Bequemlichkeit hatten die Opfer auf der<br />
vorletzten “Reise” ihres Lebens zu verzichten;<br />
acht bis zehn Personen nutzen<br />
ein Abteil der Dritten Klasse; über Osnabrück<br />
und Bielefeld geht der Transport<br />
ins Rigaer Ghetto als Sammelstelle für die<br />
Vernichtungslager.<br />
Der ersten Deportation folgten noch<br />
drei weitere. Am 27. Januar 1942 kommt<br />
es zum zweiten Transport von elf Münsteraner<br />
Juden nach Riga, am 31. März<br />
ist das Warschauer Ghetto für erneut elf<br />
Juden das Ziel. Münsters letzte 50 alte<br />
und kranke Juden werden schließlich am<br />
31. Juli nach Theresienstadt in Böhmen<br />
(heute Terezin) verschleppt. Damit ist die<br />
Hauptstadt des NSDAP-Gaues Westfalen-<br />
Nord offiziell “judenfrei”, doch werden<br />
noch 1944 sog. “Mischlinge” und jüdische<br />
Eheleute deportiert. Zum dritten<br />
Male nach <strong>13</strong>50 und 1554 ist die jüdische<br />
Gemeinde vernichtet. Von den 299 verschleppten<br />
Juden überleben nur 24 das<br />
Dritte Reich. Nur sehr wenige Juden wie<br />
die Familien Goldenberg (Münster) und<br />
Spiegel (Warendorf) kehren nach 1945<br />
zurück.<br />
Als Sammelpunkt für die Transporte aus<br />
Münster und den umliegenden Gemeinden<br />
dient die heute nicht mehr existierende<br />
Gastwirtschaft Gertrudenhof (an<br />
der Kreuzung von Kaiser Wilhelm-Ring<br />
und Warendorfer Straße gelegen). Von<br />
dort treibt man die Opfer zum alten Güterbahnhof.<br />
Das konnte nicht unbemerkt<br />
bleiben. Von Protesten Münsteraner, und<br />
seien sie noch so verdeckt erfolgt, ist aber<br />
nichts bekannt. Fünfzig Jahre später, im<br />
Dezember 1991, bewertet Pfarrer Jürgen<br />
Hülsmann das Verhalten der Münsteraner<br />
deutlich: “Denn sie wussten, was Recht<br />
ist, und ließen trotzdem das Unrecht<br />
geschehen.” Es bleibt dem damaligen<br />
Oberbürgermeister Jürgen Twenhöven<br />
vorbehalten, die Opfer offiziell um<br />
Entschuldigung zu bitten und den <strong>13</strong>.<br />
Dezember 1941 als “schwarzen Tag” für<br />
die Stadtgeschichte zu brandmarken.<br />
Die Deportationen waren bekannt. In<br />
der Münsterschen Zeitung nach dem <strong>13</strong>.<br />
Dezember 1941 findet sich dazu allerdings<br />
kein Wort. Dafür goutiert der Leser Beiträge<br />
wie “Wer will Unteroffizier werden?”<br />
und den Fortsetzungsroman “Elf Tage für<br />
Carmen” eines gewissen Heinz W. Fischer.<br />
Die Gazette weiß zudem von einer “reizvollen<br />
Cossi fan tutte-Inszenierung in<br />
der Stadthalle” zu berichten, und auch<br />
die tägliche Rätselecke findet Leser. Vor<br />
allem aber füllen Meldungen über Siege<br />
der Wehrmacht an allen Fronten die<br />
Seiten, obwohl vor Moskau schon der<br />
Rückwärtsgang eingelegt war. Die bereits<br />
vielen Gefallenenanzeigen bilden dazu<br />
einen merkwürdigen Kontrast.<br />
Im Gedenken an alles das wird die<br />
bronzene Tafel am <strong>13</strong>. Dezember 1991 am<br />
heutigen Standort durch die Stadt Münster<br />
errichtet. Zuvor gibt es eine gemeinsame<br />
Initiative der Jüdischen Gemeinde und<br />
der Gesellschaft für Christlich-Jüdische<br />
Zusammenarbeit (siehe dazu auch “Alles<br />
Wirkliche im Leben ist Begegnung”; in:<br />
~ 07/20<strong>13</strong>). Seitdem erinnern an jedem<br />
<strong>13</strong>. Dezember historisch interessierte<br />
Münsteraner an die Deportationen. “Es<br />
war eine sehr lange und mühsame Suche,<br />
denn ursprünglich sollte eine Gedenktafel<br />
am Haus der ehemaligen Schauburg, dem<br />
Ort, an dem die Juden zusammengetrieben<br />
wurden vor der Deportation und der<br />
für mich in meiner Kindheit einer der<br />
‘verbotenen Orte’ in MS war”, erinnert<br />
sich die damalige Vorsitzende der jüdischen<br />
Gemeinde Ruth Frankenthal. Doch<br />
die Eigentümerin wehrte sich vehement,<br />
und so wurde nach langen Querelen ein<br />
Platz in städtischem Eigentum, die kleine<br />
Ecke an der Kreuzung, gefunden. Für Ruth<br />
Frankenthal “eine hervorragende Lösung,<br />
da dort die Stele eher wahrgenommen<br />
wird als eine Tafel am Gebäude.”<br />
Nochmals Siegfried Weinberg in seinen<br />
Erinnerungen: “Um 10 Uhr morgens<br />
am <strong>13</strong>. Dezember setzte sich der Zug in<br />
Bewegung. Unaufhaltsam rollten wir<br />
dann unserem Schicksal, das dunkel und<br />
schwer vor uns lag, entgegen.” #<br />
19
Bericht | Text und Fotos: Susanne Wasielewski<br />
Großer Kleingarten mit tollem Teich<br />
Ehepaar entdeckt Gartenleidenschaft im Alter<br />
In einer Kleingartenanlage in Münsters<br />
Norden macht mich wunderschöner<br />
roter Klatschmohn vor einem größeren<br />
Teich auf einen besonderen Garten aufmerksam.<br />
Ich hinterlasse den Besitzern<br />
eine Nachricht, und wenig später ruft<br />
mich ein freundlicher älterer Herr an.<br />
Gern darf ich in seinem Garten für die<br />
„~“ fotografieren. Er bittet mich<br />
aber um zwei Wochen Geduld, damit<br />
auch die Rosen schön zur Geltung kommen.<br />
Ende Juni herrscht in Münster wechselhaftes<br />
Wetter. Da hilft nur spontan<br />
sein. Eines Morgens verabrede ich mich<br />
mit dem Ehepaar G. an ihrem Garten,<br />
und eine halbe Stunde später treffen wir<br />
uns dort. Braun gebrannt und sportlich<br />
wirken die beiden Pensionäre, die<br />
mich in ihr Gartenparadies bitten, er in<br />
leuchtendblauer, sie in roter Sweatjacke.<br />
Der Weg zum Gartenhaus ist jetzt von<br />
blühenden Rosen in verschiedenen Farben<br />
und dunkelblauem Salbei gesäumt.<br />
Darüber tragen ein junger Pflaumenbaum<br />
und zwei Apfelbäume schon schwer an<br />
ihrer Last. Ein rosa blühendes Rosenstämmchen<br />
wird von Lavendel umwogt.<br />
Unter den Kleingärten ist dieser Eckgarten<br />
ganz klar einer der größeren. Das<br />
gefiel dem Ehepaar, als sie sich 1990 von<br />
Freunden dazu überreden ließen, einen<br />
Schrebergarten zu übernehmen. „Dieser<br />
oder keiner“, wetterte Herr G. damals,<br />
der nicht ganz vorurteilsfrei gegenüber<br />
Schrebergärten war. Inzwischen ist er<br />
derjenige, der auch im Winter täglich in<br />
den Garten fährt, um die Vögel mit Haferflocken<br />
in Öl zu füttern. Rotkehlchen Willi<br />
erwartet ihn dort schon und hüpft hinters<br />
Haus zum Futterplatz. Auch Meisen freuen<br />
sich über die Fütterung. Durch die Nähe<br />
des Waldes bekommt das Ehepaar einiges<br />
an Vögeln zu sehen, sogar ein Grünspecht<br />
kommt öfter vorbei. Spatzen sieht man<br />
dagegen selten. Mit den Vorschriften<br />
einer Kleingartenanlage haben sich die<br />
beiden gut arrangiert: Die Gemüsefläche<br />
haben sie zugunsten eines großzügigen<br />
Teich-Biotops verkleinert. Dennoch gehen<br />
sie im Sommer nicht leer aus: Salat,<br />
Erdbeeren und Bohnen gedeihen gut und<br />
sind mit einem Netz vor allzu gierigen<br />
Vögeln geschützt. Außerdem gibt es einen<br />
Johannisbeerstrauch und eine Brombeerhecke.<br />
Aus den Brombeeren gewinnt die<br />
Hausfrau vitaminreichen Saft. Indem sich<br />
das Paar um den Grünstreifen hinter dem<br />
Zaun kümmert, leistet es seine Gemeinschaftsarbeit<br />
ab. Dabei schneidet Herr G.<br />
die Buche gern heckenförmig zurück.<br />
Einen alten Pflaumenbaum haben sie<br />
durch ein junges Apfelbäumchen mit<br />
dem wohlklingenden Namen „Geheimrat<br />
Oldenburg“ ersetzt, und allmählich<br />
sind viele Blühpflanzen und einige sich<br />
harmonisch in die Umgebung einfügende<br />
Dekorationsobjekte dazugekommen: Auf<br />
der alten Bank am Teich sitzt beispielsweise<br />
ein Keramikfrosch, auf der Wiese<br />
watschelt eine stählerne Ente. Frau G.<br />
sorgt gern für solchen Gartenschmuck,<br />
manches haben sie aber auch gemeinsam<br />
entdeckt oder von Freunden, Kindern<br />
und Enkeln geschenkt bekommen.<br />
Vom Terrassenplatz aus schweift der<br />
Blick über den gesamten Ziergarten;<br />
den Sichtschutz der Vorgänger um die<br />
Terrasse hat das Ehepaar rasch entfernt.<br />
Eine zweite Sitzgruppe steht zwischen<br />
Gemüsebeet, Rasen und Teich. Von hier<br />
aus fallen mir die hübschen gelben Taglilien<br />
am rechten Teichufer auf. Auf der<br />
anderen Teichseite erkenne ich prächtigen<br />
Rittersporn. In einem kräftigen Dunkelpink<br />
blühen noch die Pfingstrosen.<br />
Eine hochgewachsene Westerlandrose<br />
fasziniert mich aufgrund ihres hübschen<br />
Orangetons und ihres angenehmen Dufts.<br />
Mehrere Hortensien stehen noch vor der<br />
Blüte. Eine Art Strauchhortensie haben die<br />
Gartenbesitzer sogar aus einem Tirolurlaub<br />
mitgebracht und diese dann wenig<br />
später auch im heimischen Gartencenter<br />
20
entdeckt. Im Garten arbeiten beide gern,<br />
für den Teich und das Rasenmähen fühlt<br />
sich Herr G. jedoch allein zuständig.<br />
Lebhaft zeigt er mir die kleinen Fische –<br />
Moderlieschen und Bitterlinge – knapp<br />
unter der Wasseroberfläche. Als ich mich<br />
unvermittelt dem Teich nähere, ertönt<br />
ein Plitsch-platsch; da sind wohl zwei<br />
Frösche vorsichtshalber abgetaucht. Vor<br />
Jahren ist Herrn G. der Schnappschuss<br />
eines kleinen Froschs in einer Seerosenblüte<br />
gelungen. Dieses Bild wurde sogar<br />
im Rahmen eines Fotowettbewerbs in<br />
der „Aktuellen Stunde“ des WDR gezeigt,<br />
erzählt mir der liebenswürdige Pensionär<br />
stolz.<br />
Der pensionierte Beamte hat viele Namensschildchen<br />
neu erworbener Pflanzen<br />
aufbewahrt, so dass sich das meiste<br />
gut zuordnen lässt. Dieses Jahr wird der<br />
Garten stark von Ameisen heimgesucht,<br />
erzählt Frau G. Ein besonderes Erlebnis ist<br />
immer der Tag im Jahr, wenn die Ameisen<br />
zu fliegen beginnen. Das lockt die Frösche<br />
aus dem Teich hervor, die dann fette<br />
Beute machen.<br />
Hier in Münsters Norden herrscht<br />
Lehmboden vor, und der 78-jährige<br />
Freizeitgärtner ist froh, dass er nicht<br />
viel Gemüsefläche hat und daher kaum<br />
umgraben muss. Der Boden ist so fest,<br />
dass das Wasser nach dem Gießen oft nur<br />
schwer einsickert.<br />
Herr und Frau G. gärtnern gemeinsam<br />
und scheinen sich dabei gut zu ergänzen.<br />
Die Ideen beider fließen in den Garten<br />
ein. Gärtnern scheint eine kommunikative<br />
Angelegenheit zu sein; hier herrscht<br />
reger Kontakt zu den Nachbarn.<br />
Herrn G.s Herz hängt an dem schönen,<br />
mit Seerosen bepflanzten Teich und<br />
dessen Bewohnern. Wenn sie einmal aus<br />
Altersgründen den Garten abgeben müssen,<br />
wünscht er sich von den Nachfolgern,<br />
dass sie den Teich bestehen lassen. #<br />
Öffnen Sie uns auch die<br />
Pforten zu Ihrem Garten?<br />
Susanne Wasielewski<br />
Telefon 0251-2302215<br />
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Berichte | Texte und Fotos: Sascha Benedikt Idziaszek<br />
Das Mädel im Moor<br />
~-Autorin wird Volontärin in Ostfriesland<br />
Hochschulabschluss, journalistische<br />
Zusatzausbildung, zahlreiche Praktika<br />
– Katrin Moser ist wirklich gut<br />
ausgebildet, und beruflich stünden<br />
ihr alle Möglichkeiten offen. Trotzdem<br />
entschied sie sich für die Einsamkeit und<br />
Weite Ostfrieslands. Warum die 27-Jährige<br />
ausgerechnet die Region zwischen<br />
Moorgebiet und Nordseeküste für ihre<br />
berufliche Zukunft wählte und welch interessanter<br />
journalistischer Werdegang<br />
sich dahinter verbirgt? „~“-Autor<br />
Sascha Idziaszek hat sie gefragt.<br />
„Es ist schon komisch, demnächst in<br />
einer Region zu wohnen, in der jeder<br />
zweite Ortsnahme mit ‚Moor’ beginnt<br />
oder endet“, bemerkt Katrin Moser<br />
schmunzelnd. Tatsächlich heißen die<br />
Orte um ihren neuen Lebensmittelpunkt<br />
Moorhusen, Westermoordorf, Goldmoor,<br />
Südmoor. So einsam wie es klingt, ist es<br />
dort auch, weiß Katrin schon aus früheren<br />
Besuchen. Aus diesem Grunde war<br />
auch die Frage einiger Mit-Studenten<br />
verständlich: „Warum ausgerechnet<br />
Ostfriesland?“<br />
„Diese Frage – begleitet von einem<br />
unverständlichen Kopfschütteln – kam<br />
meistens von Mitstipendiaten bei der<br />
JONA“, erklärt die angehende Volontärin<br />
ebenfalls kopfschüttelnd. Bei der JONA<br />
handelt es sich um die Journalistische<br />
Nachwuchsförderung der Konrad-<br />
Adenauer-Stiftung, in der junge und<br />
hochbegabte Studenten neben ihrem<br />
regulären Studium zu Journalisten ausgebildet<br />
werden. Auch Katrin hat diese<br />
trimediale, mehrjährige Ausbildung nun<br />
fast durchlaufen. „Tri-Medial bedeutet,<br />
dass wir in den Bereichen TV, Print und<br />
Hörfunk Erfahrungen sammeln können.<br />
Obwohl es eigentlich inzwischen multimedial<br />
heißen müsste, weil der Online-<br />
Bereich verstärkt hinzugekommen ist“,<br />
erklärt die Fast-Ostfriesin, die sich schon<br />
vor und hinter der Kamera bewegt, eigene<br />
Beiträge erstellt und geschnitten hat<br />
sowie bei Hörfunkproduktionen dabei<br />
war. „Die Printmedien, also Zeitung und<br />
Magazine, sind aber eher mein Ding“,<br />
sagt Katrin ganz offen.<br />
Hier liegen ihre Stärken, stellt die<br />
Jungjournalistin deutlich heraus. Wen<br />
wundert es, hat Katrin Moser mit nur 27<br />
schon über fünfzehn Jahre Erfahrung in<br />
diesem Bereich gesammelt. „Begonnen<br />
hat alles bei der Schülerzeitung“, erzählt<br />
die gebürtig aus Hessen stammende Katrin.<br />
Es folgte die freie Mitarbeit bei einer<br />
Tageszeitung an der Bergstraße. Dort<br />
entwickelte sie sich zum regelrechten<br />
Interview-Profi: Ein Gespräch mit dem<br />
damaligen hessischen Ministerpräsidenten<br />
Roland Koch stand ebenso auf<br />
dem Terminzettel wie ein Treffen mit der<br />
Fernsehrichterin Barbara Salesch. „Als<br />
die TV-Juristin damals bei uns anrief und<br />
meine Mutter am Telefon war, dachte<br />
Mama zunächst, die Verwandtschaft<br />
erlaube sich einen Scherz“, berichtet<br />
Katrin heute noch schmunzelnd und<br />
weiter, „sie war es aber tatsächlich und<br />
es kam ein spannendes Interview dabei<br />
heraus.“ Ein absoluter Höhepunkt in<br />
der journalistischen Karriere war für die<br />
zukünftige Diplom-Theologin das Treffen<br />
mit dem 14. Dalai Lama in Wiesbaden.<br />
Kein großer Pressetermin mit zahlreichen<br />
Reportern, sondern eine Privat-Audienz<br />
mit dem religiösen Oberhaupt der Tibeter.<br />
„Ein beeindruckendes Erlebnis<br />
– und ja, der Dalai Lama ist tatsächlich<br />
so charismatisch und humorvoll, wie er<br />
immer beschrieben wird“, sagt Katrin mit<br />
leuchtenden Augen.<br />
Katrin Moser wäre nicht Katrin Moser,<br />
wenn sie ihrem Lebensweg nach dem Abitur<br />
nicht noch einmal eine andere Wendung<br />
gegeben hätte: „Dass ich nach dem<br />
Abitur katholische Theologie studiere und<br />
dann auch noch in Münster, damit haben<br />
wohl die wenigsten in meinem Umfeld<br />
gerechnet. Politikwissenschaften oder<br />
Journalismus im nahegelegenen Mainz,<br />
okay – aber ausgerechnet Theologie? Und<br />
da war es wieder, das verständnislose<br />
Kopfschütteln“, erklärte Katrin, macht<br />
aber unmissverständlich deutlich, dass<br />
Theologie und Journalismus sich keineswegs<br />
ausschließen: „Es gibt zahlreiche<br />
Medienvertreter, die vorher Theologie<br />
studiert haben. Außerdem kann man damit<br />
sogar Bundespräsident werden, der<br />
Jetzige hat ja lange Zeit als evangelischer<br />
Pastor gearbeitet.“<br />
Das nötige professionelle-journalistisch<br />
Hintergrundwissen eignete sich Katrin<br />
während des Studiums bei regelmäßigen<br />
Veranstaltungen der schon erwähnten<br />
JONA an. „Manchmal war es schon sehr<br />
anstrengend: Das normale Studium an<br />
der Theologischen Hochschule der Kapuziner<br />
in Münster, an den Wochenenden<br />
JONA-Seminare – verteilt über ganz<br />
Deutschland – und in den Semesterferien<br />
dann noch mehrere Praktika“, erzählt die<br />
zukünftige Volontärin. Wobei gerade ein<br />
Praktikum ihre Entscheidung für Ostfriesland<br />
maßgeblich beeinflusst hat:<br />
Während andere Stipendiaten Erfahrungen<br />
bei WDR, ZDF oder der Washington<br />
Post in den USA sammelten, zog es<br />
Katrin immer wieder in den Norden:<br />
Zeitungspraktikum beim Ostfriesischen<br />
Kurier, Fernsehpraktikum beim Ostfriesen<br />
TV. „Und nein“, wehrt die Theologin<br />
entschieden ab, „dort sitzen nicht zwei<br />
Einheimische im Ostfriesen-Nerz auf dem<br />
Deich und erzählen sich pausenlos Witze.“<br />
Dass Katrin mit ihrer Entscheidung<br />
nicht nur auf Begeisterung stieß, sondern<br />
auch die Spötter auf den Plan rief,<br />
war ihr von Anfang an klar. Das prallte<br />
aber locker an der münsterländischen<br />
Ostfriesin aus Hessen ab. „Schließlich“,<br />
sagt sie „arbeite ich bald dort, wo andere<br />
Urlaub machen.“ Katrin weiß sehr genau,<br />
worauf sie sich einlässt und hat auch die<br />
andere Seite des Journalismus bei einem<br />
großen Verlag kennen gelernt. Ein Praktikum<br />
absolvierte sie beim renommierten<br />
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Hamburger-Verlag Gruner+Jahr in der<br />
STERN-Redaktion. Dort redigierte sie<br />
Artikel und arbeitet an einem Sonderheft<br />
über die Weltreligionen mit.<br />
In mancherlei Hinsicht kam ihr auch<br />
das Theologiestudium zugute. „Bei einem<br />
Praktikum bei der Katholischen Fernseharbeit<br />
(KFA) in Frankfurt, die im Auftrag<br />
der Deutschen Bischofskonferenz arbeitet,<br />
war mein theologischer Background<br />
nicht ganz unnütz“, erzählt Katrin Moser<br />
schmunzelnd. Ein Praktikum, das bis<br />
vor einigen Wochen noch nachwirkte,<br />
entstand daraus doch eine weitere Mitarbeit<br />
im Bereich Soziale Netzwerke. Bis<br />
Ende Mai kümmerte sich die Theologin<br />
aus Münster um die Facebook-Seite der<br />
Katholischen Fernseharbeit und stand<br />
damit in gewisser Weise auf der (Honorar-)Gehaltsliste<br />
der Deutschen Bischofskonferenz.<br />
Seit Beginn ihres Studiums hat<br />
sie aber auch die manchmal harte Arbeit<br />
bei der Tageszeitung und die „Freuden<br />
und Leiden eines Freien“, wie sie sagt,<br />
nicht aus dem Auge verloren. An den<br />
Wochenenden ging es von Jahreshauptversammlungen<br />
bis zu Schützenfesten<br />
und Theatervorführungen im Auftrag der<br />
Westfälischen Nachrichten (WN) durch<br />
Münsters Stadtteile. Auch die Arbeit bei<br />
der „~“ hat Katrins journalistischen<br />
Blick noch einmal geschärft. „Meine Sicht<br />
auf manche gesellschaftliche Probleme<br />
hat sich noch einmal verändert“, sagt<br />
sie. Und warum dann kein Volontariat<br />
in Münster? „Diese Frage habe ich mir<br />
eigentlich gar nicht gestellt“, berichtet<br />
Katrin nachdenklich, die ihre Liebe zur<br />
Nordseeküste und der Landschaft in der<br />
Abitur-Zeit entdeckt hat. „Daran war<br />
wohl mein Lehrer schuld, der die Abschlussfahrt<br />
organisierte.“ Die Abi-Fahrt<br />
ging damals zunächst nach Hamburg<br />
und dann auf die Hallig Langeneß – und<br />
zwar bei Sturmflut. „Während meine Mitschülerinnen<br />
Angst hatten, nasse Füße<br />
zu bekommen und sich die Fingernägel<br />
abzubrechen, bin ich draußen herumgelaufen<br />
und habe mir die Flut angesehen<br />
und den Bewohnern geholfen“, berichtet<br />
Katrin und spricht von einer „Initial-<br />
Zündung“. „Für mich war klar, hier in<br />
der Region willst du irgendwann mal<br />
arbeiten. Als sich dann einige Semester<br />
später die Möglichkeit bot, beim Ostfriesischen<br />
Kurier ein Praktikum zu machen,<br />
habe ich sofort zugesagt.“ Dass dies<br />
genau die richtige Entscheidung war,<br />
zeigt sich jetzt. Am 1. September beginnt<br />
Katrin genau bei dieser Zeitung ihr Volontariat.<br />
„Vor ein paar Monaten fiel mir<br />
auf, dass mein Studium bald zu Ende ist<br />
und ich mich wohl mal bewerben sollte;<br />
das tat ich dann auch. Ich war echt<br />
überrascht, dass dann alles so schnell<br />
ging“, erzählt die (Noch-)Münsteranerin<br />
ungläubig. Tatsächlich: Kurzer Anruf in<br />
der Redaktion, Bewerbungsunterlagen<br />
geschickt, ein paar Wochen später kurzes<br />
Vorstellungsgespräch und schließlich die<br />
Zusage. „Scheinbar habe ich mich beim<br />
Praktikum nicht ganz so blöd angestellt.“<br />
Trotzdem ist es ihr immer noch<br />
nicht ganz geheuer, vor allem wenn<br />
sie darüber nachdenkt, dass manche<br />
ihrer top-ausgebildeten Mit-Studenten<br />
zahlreiche Bewerbungen schreiben und<br />
ihnen eine Absage nach der anderen ins<br />
Haus flattert.<br />
Das extrem kurze Vorstellungsgespräch<br />
mit dem Chefredakteur und der stellvertretenden<br />
Verlagsleiterin empfindet<br />
Katrin im Nachhinein als ziemlich skurril.<br />
„Der Chefredakteur des Ostfriesischen<br />
Kurier fragte mich bestimmt fünfmal, ob<br />
ich wirklich hierhin will“, erzählt Katrin<br />
„begleitet von der Aussage: Hier ist es<br />
aber sehr einsam, vor allem im Winter.“<br />
Katrins Entscheidung war aber längst<br />
gefallen, und so ließen sich auch beide<br />
Verantwortlichen schnell überzeugen.<br />
Nach ihrer Motivation für das Volontariat<br />
bei einer Tageszeitung gefragt, gibt es<br />
für sie nicht nur eine Antwort: „Grundsätzlich<br />
ist es für mich wichtig, den<br />
Redaktionsalltag mitzuerleben, und zwar<br />
als Journalistin in der Ausbildung. Viele<br />
Mit-Stipendiaten sparen sich das, weil<br />
die JONA-Seminare plus Praktika oft von<br />
den Redaktionen als volontariatsadäquat<br />
anerkannt werden. – Oft, aber eben<br />
nicht immer. Ich fühle mich mit meiner<br />
zusätzlichen Ausbildung dann ein wenig<br />
sicherer“, berichtet Katrin.<br />
Als Jungjournalistin kann sie es sich<br />
auch gut vorstellen, länger bei der Zeitung<br />
zu bleiben, weil Katrin hier noch Potential<br />
und Möglichkeiten zur persönlichen<br />
Weiterentwicklung sieht. „Der Multimedia-Bereich<br />
ist beim ‚Kurier’ bestimmt<br />
noch ausbaufähig“, ist sich Katrin Moser<br />
sicher. Sorgen um ihren Arbeitsplatz<br />
macht sie sich trotz des Zeitungssterbens<br />
eigentlich nicht. „Der Ostfriesische Kurier<br />
hat hier im Küstenbereich und den angrenzenden<br />
Gebieten fast ein Monopol.<br />
Und der typisch ostfriesische Krabbenfischer<br />
nimmt morgens beim Frühstück<br />
doch eher die gedruckte Zeitung in die<br />
Hand als das i-Pad oder den Tablett-<br />
PC“, ist sich Katrin sicher. Ende Juli ist<br />
dann endlich soweit: Katrin verlässt mit<br />
einem weinenden und einem lachenden<br />
Auge die westfälische Metropole, um ihr<br />
neues Domizil am Rande eines Moores zu<br />
beziehen und ins Berufsleben zu starten.<br />
Wenn sie an die vier Jahre denkt, die sie<br />
in Roxel gelebt hat, huscht ihr ein leichtes<br />
Lächeln übers Gesicht, verbunden mit der<br />
Bemerkung: „Vielleicht hat mich doch ein<br />
wenig der Geist von Annette von Droste-<br />
Hülshoff beeinflusst, die ja hier in der<br />
Nähe aufgewachsen ist?“ Recht hat sie,<br />
denn wie schrieb die Droste doch einst so<br />
schön: „Oh schaurig ists, übers Moor zu<br />
gehn...“ #<br />
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Bericht | Text: Urs-Adrian von Wulfen | Foto: Anna Kopetsch<br />
Columne: „~“ auf Cuba<br />
Alternativlose Alternative<br />
Liebe Leserinnen und Leser unseres<br />
Hochglanzprodukts,<br />
wie Sie sicher wissen, steht nun endlich<br />
wieder das unterhaltsamste Großevent<br />
seit der letzten Staffel „Das perfekte<br />
Promi-Dinner“ auf dem bundesrepublikanischen<br />
Speiseplan: Es ist wieder<br />
Bundestagswahlkampf! Eine Zeit, in der<br />
die Nervenheilanstalten ihre Pforten<br />
öffnen, um neben den bekannten Serientätern<br />
noch weitere halluzinierende<br />
Stammelpäpste auf die Bevölkerung<br />
loszulassen, in der Hoffnung, dass diese<br />
neue Betreuungsplätze im Sanatorium im<br />
Reichstag finden.<br />
Da wäre zum Beispiel die „Partei bibeltreuer<br />
Christen“, die sich gerne mit<br />
einer Scheiterhaufengruppe am Christopher-Street-Day<br />
beteiligen will, oder die<br />
„Partei der Vernunft“, die mit dem Slogan<br />
„Rauchverbot nur im Dynamitgroßhandel!“<br />
überraschte. Außerdem steigt ganz<br />
neu die „Alternative für Deutschland“<br />
(AfD) in die Arena.<br />
Bei der AfD, einer Gruppe eurokritischer<br />
CDU-Dissidenten, die nur deshalb nicht<br />
zur FDP gewechselt sind, weil es ihnen<br />
bei den Liberalen nicht genug um Geld<br />
ging, ist man sehr stolz darauf, dass<br />
man die höchste Professorenquote in der<br />
deutschen Parteienlandschaft hat. Was<br />
sie aber nicht davon abhält, dumpfestens<br />
gegen den Euro zu hetzen.<br />
Da die „~“ stets an der politischen<br />
Bildung ihrer Leserschaft interessiert ist,<br />
veröffentlichen wir gerne den „Offenen<br />
Brief“ des AfD-Bundestagskandidaten<br />
Prof. Dr. Dagobert Schottermann an seine<br />
Zielgruppe.<br />
Lieber Akademiker – sind Sie Rotweinwanderung<br />
durch die Provence leid?<br />
Das ständige In-die-Oper-Gehen ist<br />
Ihnen auch fad geworden, und Theodor<br />
W. Adorno schreibt partout keine neuen<br />
Bücher? Suchen sie eine alternative<br />
Freizeitbeschäftigung? Ihre Alternative ist<br />
die „Alternative für Deutschland“ – die<br />
Professoren-Partei, mit garantiert niedrigem<br />
Frauenanteil.<br />
Ja sicher, ich weiß, was sie denken – Parteien,<br />
das ist doch was für Plebejer, Beteiligung<br />
am gesellschaftlichen Prozess,<br />
das ist doch was für die angewandten,<br />
also für die nicht so ganz richtigen Wissenschaften.<br />
Aber die „Alternative für Deutschland“ ist<br />
die Gelegenheit für Sie, sich auf hohem<br />
Niveau wieder jung zu fühlen. Erinnern<br />
Sie sich noch, wie es war, sogar im VWL-<br />
Studium immer irgendwie gegen alles<br />
zu sein? Das können Sie wieder erleben,<br />
denn die „Alternative für Deutschland“<br />
ist die Protestpartei für alle, die an einem<br />
langen Nachmittag mal, „nur um nicht<br />
aus der Übung zu kommen“, das Bruttoinlandsprodukt<br />
von Island mit der Hand<br />
nachrechnen.<br />
Und Sie müssen nicht mal Angst haben,<br />
sich mit Ihrem Protest ins gesellschaftliche<br />
Aus zu stellen.<br />
„~ auf Cuba“ ist die die Columne<br />
der offenen Kabarettbühne<br />
„Cubarett“ in der ~<br />
Die Columne ist der Ort für die Künstler<br />
des Cubarett ihr gesprochenes<br />
Wort auch lesenden Augen zu Gehör<br />
zu bringen.<br />
Das nächste Cubarett nach der<br />
Sommerpause findet am 2.9.20<strong>13</strong><br />
um 20 Uhr im Cuba Nova statt. Mit<br />
dabei sind: Monika Blankenberg,<br />
Gesa Nawroth, Duo Emsflut, Kornelia<br />
Kabbaj und Tom Ehrlich!<br />
Unser Protest zielt ja nicht beliebig auf ein<br />
Objekt Klein-X, nein, wir haben mit dem<br />
Euro einen Protestgegenstand definiert,<br />
der auch schon lange im Populärprotest<br />
zu Hause ist.<br />
So suchen wir in unserer Freizeit ganz bewusst<br />
auch mal die Nähe zum bildungsfernen<br />
Milieu – Hauptschullehrer und<br />
Fachhochschuldozenten zum Beispiel.<br />
„Alternative für Deutschland“ – das ist<br />
einfach mal ganz entspanntes Nur-biszur-Antithese-Denken!<br />
Akademischer<br />
Euro-Protest kann so viele Facetten haben<br />
– und lässt sich hervorragend in den<br />
akademischen Alltag integrieren.<br />
Ich habe zum Beispiel meine studentischen<br />
Hilfskräfte angewiesen, per<br />
Sitzblockade den Zugang zur Mensa<br />
unmöglich zu machen, wenn da weiter<br />
in Euro abgerechnet wird. Sollte die<br />
Bundesregierung und die Brüsseler Bürokratie<br />
darauf nicht reagieren, werde ich<br />
aus Protest meine Sprechstunde in den<br />
Semesterferien komplett ausfallen lassen<br />
und so meine Forschungsreise auf den<br />
Cayman Islands um drei weitere Woche<br />
ausdehnen. Da gibt es wenigstens keinen<br />
Euro! #<br />
24
Bericht | Text: RA Annette Poethke<br />
§<br />
Neues aus dem Strafrecht<br />
Verteidigungswille bei Notwehr<br />
Der BGH (Bundesgerichtshof) hatte folgenden Fall zu entscheiden:<br />
Der Angeklagte Adolf wollte auf einer Veranstaltung rechtsextremer<br />
Gruppen mitwirken. Auf einem Parkplatz wurde er von<br />
mehreren Angreifern bedroht, die dem gegnerischen Lager,<br />
nämlich der linken Szene zuzuordnen waren. Adolf fuhr daraufhin<br />
mit seinem Pkw mit Vollgas auf die Angreifer zu. Er verletzte<br />
einen der Angreifer schwer.<br />
Das Landgericht Freiburg hatte zwar keine Notwehr angenommen,<br />
das Verhalten von Adolf aber entschuldigt gewesen sei.<br />
Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben.<br />
Seiner (BGH) Meinung nach habe das Landgericht Freiburg<br />
vorschnell einen Notwehr-Exzess (Überschreitung der Notwehr)<br />
angenommen, denn aufgrund von Äußerungen des<br />
Adolf vor dem Vorfall sei nicht auszuschließen, dass er einen<br />
willkommenen Anlass gesehen habe, mit Gewalt gegen den<br />
Angreifer vorzugehen. Im Rahmen von Notwehr und auch des<br />
Notwehr-Exzesses sei es aber erforderlich, dass der Täter einen<br />
Angriff abwehren will und nicht andere Zwecke damit verfolgt.<br />
Der BGH beanstandet die Entscheidung der Vorinstanz, da das<br />
Landgericht Freiburg sich überhaupt nicht mit der Frage des<br />
Verteidigungswillens auseinandergesetzt habe und auch die<br />
Erforderlichkeit der Notwehrhandlung nicht ausreichend geprüft<br />
habe. Adolf hätte nämlich das Gelände ohne weiteres auf<br />
einem anderen Wege verlassen können, so dass er den Angreifer<br />
nicht gefährdet hätte, der in diesem Fall schwere Verletzungen<br />
davon getragen hatte. Zwar brauche ein Angegriffener dem Angreifer<br />
nicht ausweichen, da die Notwehrhandlung gerade auch<br />
der Verteidigung der Rechtsordnung diene, die Reaktion muss<br />
jedoch vom Verteidigungswillen getragen sein, was hier durch<br />
das Landgericht Freiburg nicht ausreichend geklärt worden ist.<br />
Der BGH bleibt bei seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach<br />
sich nur derjenige auf Notwehr berufen kann, der auch tatsächlich<br />
mit dem Willen gehandelt hat, sich zu verteidigen.<br />
BGH, Urteil vom 25.04.20<strong>13</strong> – 4 StR 551/12 = BeckRS 20<strong>13</strong>, 09590 #<br />
Phileas, 1,5 Jahre alt, hat in seinen<br />
ersten Lebensmonaten viel Schmerz<br />
ertragen müssen, bis tierliebe Menschen<br />
ihn vor einem Kaninchenbau im<br />
Zentrum von Münster mit einer stark<br />
verletzen Hinterpfote kläglich miauend<br />
aufgreifen konnten. Bestens erholt von<br />
den Strapazen der Amputation seiner<br />
Hinterpfote hat er mittlerweile wieder<br />
viel Vertrauen zu den Menschen aufbauen<br />
können.<br />
Vor Fremden hat er scheu, doch der ungeliebte<br />
Gast wieder geht, läuft er flink<br />
treppab, seinem Dosenöffner entgegen,<br />
schlängelt sich um seine Beine und<br />
lässt sich laut schnurrend beschmusen.<br />
Sieht er mit seinen smaragdgrünen<br />
Augen einen kleinen Spielball oder eine<br />
Spielmaus, läuft er neugierig hin und<br />
kickt diese über den Boden. Mit seiner<br />
aufgeweckten Art ist alles, was sich<br />
bewegt, von großem Interesse! Rollen<br />
sie übermäßig geräuschvoll, erschreckt<br />
er sich noch häufig.<br />
Da er wahrscheinlich die tiermütterliche<br />
Erziehung nicht erfahren hat, müssen<br />
Mensch und Tier das eine oder andere<br />
Mal noch streng mit ihm sein, um seine<br />
impulsiven, spielerischen Flausen aus<br />
dem Kopf zu bekommen.<br />
Phileas würde sich über einen gesicherten<br />
Balkon sehr freuen. Ältere<br />
Kinder sind kein Problem für den<br />
Kater. Er soll zu einem eben solchen<br />
spielfreudigen Katzenkamerad, der<br />
ihn in seine Schranken weisen kann,<br />
vermittelt werden.<br />
Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de<br />
25
Buchtipp | Text: Michael Heß<br />
Lesen<br />
Wolfgang Hetzer: “Finanzkrieg - Angriff auf den sozialen Frieden in Europa”<br />
Westend-Verlag, Frankfurt am Main 2012,<br />
320 Seiten, Preis 21,99 EUR.<br />
ISBN 978-3-86489-022-2<br />
Seit Julian Assange und Edward<br />
Snowden wissen wir um den Wert von<br />
Whistleblowern. Der Autor Wolfgang<br />
Hetzer war nicht nur Europas oberster<br />
Korruptionsbekämpfer, der sich längst<br />
als Fachmann auf internationaler Ebene<br />
profilierte. Im Grunde ist er auch<br />
ein Whistleblower. Sein Insiderwissen<br />
gewann er als Abteilungsleiter im Europäischen<br />
Amt für Betrugsbekämpfung<br />
sowie zuvor als Aufseher über den BND<br />
im Bundeskanzleramt. Schon 2011 war<br />
es Grundlage für das aufsehenerregende<br />
Buch “Finanzmafia”.<br />
Mit “Finanzkrieg” setzt er aufklärerisch<br />
noch einen drauf. Es verblüfft, wie souverän<br />
der promovierte Jurist mit ökonomischen<br />
Kategorien hantiert. Mehr noch,<br />
wie er an die gerne verdrängte Tatsache<br />
erinnert, dass die Wirtschaftswissenschaft<br />
im Gegensatz zu den Naturwissenschaften<br />
nicht auf Empirie beruht. Dass<br />
sie eine Ansammlung von subjektiven<br />
Meinungen und Schulen darstellt, in deren<br />
Folge eine Unmasse von “Experten”<br />
mit Fehlprognosen hantieren. Kaum<br />
einer dieser “Experten” hat die Krise<br />
von 20<strong>08</strong> (die Lehmann Brothers waren<br />
der Beginn) vorhergesehen. Obwohl die<br />
Krisenindikatoren wie die aufgeblähten<br />
Kreditvolumen sogar für Laien deutlich<br />
genug waren.<br />
Und wie der FAZ-Mitherausgeber Frank<br />
Schirrmacher (siehe die Rezension zu<br />
“Ego - Das Spiel des Lebens”; in: ~<br />
07/20<strong>13</strong>) sieht er den Zusammenhang<br />
zwischen dem Kalten Krieg bis etwa<br />
1990 und dem heutigen Finanzkrieg<br />
wenige Spekulanten und Hedge Fonds:<br />
gegen beinahe die gesamte Bevölkerung,<br />
die Staatswesen, ja selbst gegen<br />
Teile des heutigen Finanzsektors wie<br />
Volksbanken und Sparkassen mit ihren<br />
kundenzentrierten Geschäftsmodellen.<br />
Ganze Volkswirtschaften sind entwertet,<br />
die Diskrepanzen zwischen Staaten<br />
nehmen (wieder) zu. Hetzer: “Dabei<br />
nehmen sie das Risiko in Kauf, dass<br />
sich die friedenstiftende Ordnung der<br />
Nachkriegszeit allmählich auflöst.” Die<br />
sozialen Proteste in Griechenland, Irland<br />
und Spanien geben einen Vorgeschmack<br />
auf kommende soziale Konflikte - wenn<br />
nicht noch Schlimmeres. Der soziale<br />
Friede wird für den Autor vor allem durch<br />
das Geschäftsmodell Geldschöpfung von<br />
der EZB bis zu “sogenannten innovativen<br />
Finanzprodukten” bedroht. Im Ergebnis<br />
ging die realistische Beziehung zum Geld<br />
an sich verloren.<br />
Den Prozess beschreibt der Autor in 21<br />
Kapiteln plus umfangreichen Anhang.<br />
Viele Zahlen lassen den Leser schaudern.<br />
Vor allen eine, genannt in einem Interview<br />
mit Deutschlandradio: “Ja, dann<br />
teile ich Ihnen folgende Neuigkeit mit,<br />
dass Deutschland Mitglied der Europäischen<br />
Union ist. Und in dieser Union<br />
gibt es seit wenigen Jahren einen Anstieg<br />
der Arbeitslosigkeit um zehn Millionen,<br />
das heißt, wir haben jetzt insgesamt in<br />
der EU, die ja sich als eine Gemeinschaft<br />
versteht, 26 Millionen Arbeitslose. In<br />
Worten: 26 Millionen Arbeitslose.”<br />
Auf Dauer ist das nicht abzufedern. Auch<br />
nicht durch die wahnsinnige Aufblähung<br />
der Geldmengen und Schuldenberge, die<br />
dafür die Sparguthaben der kleinen Leute<br />
entwertet. Hierzulande noch nicht, aber<br />
nach dem Bundeswahlzahltag im September<br />
dürfte es so weit sein. Nochmals<br />
Wolfgang Hetzer im Deutschlandradio:<br />
“Die Weisheit der Märkte gab es nie, auch<br />
wenn sie oft beschworen wurden, die<br />
Vorstellungen der Märkte sozusagen, die<br />
das Postulat der Vernünftigkeit und der<br />
Effizienz erfüllen, ist immer irrig gewesen.<br />
Märkte sind ein Ort, in dem ein noch<br />
nicht mal regelbares Chaos stattfindet,<br />
und diese Effizienzmarkthypothesen, die<br />
es überall gibt. Die sind nett und haben<br />
sicherlich auch ihre eigene Mathematik,<br />
aber die Wirklichkeit widerspricht der<br />
Vorstellung, dass Märkte vielleicht sogar<br />
ein Ort sozialer Gerechtigkeit wären.<br />
Das sind sie nicht, sie sind eine Tatgelegenheit,<br />
sie sind ein Tatort geworden,<br />
insbesondere die Finanzmärkte.” #<br />
26
Rezepte | Text: Lena Fiebig | Foto: birgitH / pixelio.de<br />
Vegetarisch im Sommer<br />
Der Sommer ist endlich da, und es ist Zeit für luftige Kleidung,<br />
warme Temperaturen – und leichte Küche. Mit unseren<br />
vegetarischen Rezepten findet der Sommer nicht nur vor der<br />
Tür, sondern auch im Gaumen statt. Neben Spargel, Erdbeeren<br />
und Salat gibt es noch viel mehr Obst und Gemüse, das zu<br />
dieser schönen Jahreszeit geerntet werden kann. Alle Rezepte<br />
können natürlich je nach Belieben mit Früchten und Gemüse<br />
aus dem eigenen Garten erweitert oder ausgetauscht werden.<br />
Wir wünschen gutes Gelingen beim Nachkochen und einen<br />
tollen Sommer. #<br />
Bunter Tomaten-Ciabatta-<br />
Salat mit Mozzarella<br />
Zutaten<br />
• 300g Ciabatta (vom Vortag)<br />
• 10-12 EL Olivenöl<br />
• Salz<br />
• Pfeffer<br />
• Zucker<br />
• 4 rote Zwiebeln<br />
• 2 kg bunte Tomaten<br />
• 1 Bund Basilikum<br />
• 250g Büffelmozzarella<br />
• 10 EL Weißweinessig<br />
• Grober Pfeffer<br />
Zubereitung<br />
Ciabatta in dünne Scheiben schneiden<br />
und die Brotscheiben halbieren. 4-6 EL Öl<br />
portionsweise in einer großen Pfanne erhitzen.<br />
Brot darin von jeder Seite goldgelb<br />
rösten und herausnehmen. Mit etwas Salz<br />
würzen. Dann die Zwiebeln schälen und<br />
in dünne Spalten schneiden. Tomaten<br />
waschen und vierteln oder achteln (je<br />
nach Belieben). Basilikum waschen und<br />
trocken schütteln, dann die Blättchen<br />
abzupfen. Nun den Mozzarella in dünne<br />
Scheiben schneiden. Weinessig, Salz,<br />
Pfeffer und ca. 1 TL Zucker gut verrühren.<br />
6 EL Öl darunter schlagen. Geröstetes<br />
Ciabatta, Zwiebeln, Tomaten, Basilikum,<br />
Mozzarella und Vinaigrette mischen. Danach<br />
ca. eine Stunde ziehen lassen. Zum<br />
Schluss den Salat nochmals mit Salz und<br />
grobem Pfeffer abschmecken. #<br />
Zutaten<br />
Ricotta-Pfannkuchen mit<br />
Joghurt und Birnen<br />
• 185g Mehl<br />
• 2 TL Backpulver<br />
• 2 TL gemahlener Ingwer<br />
• 2 EL feinster Zucker<br />
• 4 Eier, getrennt<br />
• 350g fettarmer Ricotta<br />
• 310ml Milch<br />
• 40g Butter<br />
• 3 unbehandelte Birnen<br />
• 1 EL Vollrohrzucker<br />
• 1 TL gemahlener Zimt<br />
• 200g Ziegenmilchjoghurt<br />
• 1 Birne, geschält und entkernt, das<br />
Fruchtfleisch gerieben<br />
Zubereitung<br />
Das Mehl mit dem Backpulver, dem gemahlenen<br />
Ingwer und dem Zucker in eine<br />
Schüssel sieben und in der Mitte eine<br />
Mulde formen. Eigelbe, Ricotta und geriebene<br />
Birne mit der Milch verrühren, in<br />
die Mulde gießen und die Zutaten in die<br />
Mehlmischung einarbeiten, bis eine glatte<br />
Teigmasse entsteht. Dann den Eischnee<br />
unter die Teigmasse heben. Eine Pfanne<br />
auf mittlerer Stufe erhitzen. 3 EL Teig in<br />
die Pfanne geben und zu einem kleinen<br />
Pfannkuchen formen. Den Pfannkuchen<br />
1-1 ½ Minuten backen dann wenden<br />
und die andere Seite 1 Minute backen, bis<br />
sie goldgelb ist. Mit dem restlichen Teig<br />
11 weitere Pfannkuchen backen. Bis zum<br />
Servieren warm stellen. Die ungeschälten<br />
Birnen der Länge nach in dicke Scheiben<br />
schneiden. In einer zweiten Pfanne die<br />
Butter zerlassen und darin den Vollrohrzucker<br />
und den Zimt unter Rühren auflösen.<br />
Die Birnenscheiben in der süßen<br />
Butter goldgelb braten. Die Pfannkuchen<br />
stapelweise auf Tellern anrichten und mit<br />
Birnenscheiben und einem Klecks Joghurt<br />
servieren. #<br />
Couscous mit Sommerbeeren<br />
Zutaten<br />
• 185g Instant-Couscous<br />
• Je 250ml Apfel-und Cranberrysaft<br />
• 1 Zimtstange<br />
• 2 TL abgeriebene unbehandelte<br />
Orangenschale<br />
• 250g Himbeeren<br />
• 250g Heidelbeeren<br />
• 250g Erdbeeren, halbiert<br />
• 200g griechischer Joghurt<br />
• 2 EL Golden Syrup (heller Zuckerrohrsirup)<br />
• Minzeblätter zum Garnieren<br />
Zubereitung<br />
Den Couscous in eine hitzebeständige<br />
Schüssel füllen. Den Apfel-und Cranberrysaft<br />
mit der Zimtstange im verschlossenen<br />
Topf kurz aufkochen, anschließend<br />
über den Couscous gießen. Die Schüssel<br />
mit Frischhaltefolie abdecken und den<br />
Couscous etwa fünf Minuten quellen<br />
lassen, bis er die gesamte Flüssigkeit aufgesogen<br />
hat. Die Zimtstange entfernen.<br />
Den Couscous mit einer Gabel auflockern,<br />
dann die Orangenschale und den Großteil<br />
der Beeren behutsam unterheben. Auf<br />
kleine Schalen verteilen, mit den restlichen<br />
Beeren bestreuen und jeweils einen<br />
großzügigen Klecks Joghurt daraufsetzen.<br />
Mit dem Sirup beträufelt und den Minzeblättern<br />
garniert warm servieren. #<br />
27
Bericht | Text: Horst Gärtner<br />
Ihr ~ - Verkäufer hat die Nummer:<br />
Schlussakkord<br />
Liebe Leserinnen und Leser, bei meiner Suche nach der „heilen<br />
Welt“ bin ich auf einen Abgrund gestoßen: auf einen Vortrag<br />
von Dr. Murafi, einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie,<br />
Psychotherapeut und Chefarzt der Klinik Waldstedde.<br />
Er befasst sich mit dem Thema „Auswirkungen von häuslicher<br />
Gewalt auf die miterlebenden Kinder“. Wenn man weiß, dass<br />
jede vierte Frau in Deutschland körperliche oder sexuelle Gewalt<br />
erfahren hat und dass alleine im Kreis Steinfurt im Jahre 2012<br />
494 Fälle angezeigt worden sind, dann denkt man zunächst erschüttert<br />
an das Elend und die Ausweglosigkeit der Frauen. Aber<br />
Dr. Murafi machte deutlich, dass auch für die Kinder in diesen<br />
Familien ein deutliches Misshandlungsrisiko besteht und dass<br />
Untersuchungen gezeigt haben, dass in 80 bis 90 % der Fälle<br />
von Partnergewalt die Kinder anwesend oder im Nebenraum<br />
sind. Das heißt, sie erleben völlig hilflos Gewalt in einem Raum<br />
(der Familie), der eigentlich die Schutzzone des Kindes ist – und<br />
sie erleben sie vom Säuglingsalter bis zum Erwachsenwerden.<br />
Das Erlebnis der Gewalt in der eigenen Familie prägt die Kinder.<br />
Sie erleben Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Generalisierung<br />
des Verlustes von Vertrauen in andere Personen und in die Welt.<br />
Oft breitet sich auch ein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit<br />
aus, und diese Ausprägungen nehmen die Kinder mit aus der<br />
Familie heraus in ihre Umfelder vom Kindergarten über die<br />
Schule bis hin zu ihren Freizeitaktivitäten. Umso wichtiger<br />
ist, dass öffentliche und private Einrichtungen sich mit dem<br />
Thema „Gewaltschutz gegen Frauen und Kinder“ kontinuierlich<br />
befassen, dass das Thema aus der Tabuzone herauskommt und<br />
dass die Anstrengungen zielstrebig darauf gerichtet sind, die<br />
Prävention immer stärker voranzutreiben.<br />
Liebe Leserinnen und Leser, bei meiner Suche nach der „heilen<br />
Welt“ ist mir – wieder einmal – klar geworden, dass man genau<br />
hinschauen muss und sie dann auch sieht. Ich komme zusammen<br />
mit einem schwerstbehinderten Rollstuhlfahrer, einem<br />
Zeitungsverkäufer, der im Altenheim des LWL lebt, in die Redaktion.<br />
Ich halte ihm ein paar Türen auf, damit er mit seinem<br />
Elektrorollstuhl besser durchkommt. Er hält in der Hand – das<br />
sehe ich am Papier – eine Blume. Wir fahren in den Redaktionsraum,<br />
er hebt die Blume über die Theke und sagt: „Danke.“<br />
Sabrina, unsere Bürokauffrau (die verhinderte Sozialarbeiterin)<br />
lächelt, nimmt die Blume entgegen, sagt auch: „Danke.“ Als<br />
der Rollstuhlfahrer mit seinen Zeitungen wieder weggefahren<br />
ist, frage ich verwundert: „Wie kommt er dazu?“ Antwort: „Der<br />
fühlt sich wohl bei uns und er weiß, dass wir helfen, wenn wir<br />
können.“ Ein Rollstuhlfahrer, Zeitungsverkäufer mit kleinem<br />
Taschengeld kauft in kleineren Abständen eine Rose und sagt<br />
damit Dankeschön.<br />
Ich bin in der Redaktion, es ist wieder recht „quirlig“. Eine<br />
kleine Dreijährige, rosa Kleidchen an, kommt mit ihrem Vater;<br />
sie kennt mich nur flüchtig. Ich stehe am anderen Ende des<br />
Zimmers, schaue zu ihr herüber. Nach einer Weile (sie hat mich<br />
wohl begutachtet) kommt sie zögernd zu mir, gibt mir die Hand<br />
und lächelt mich an – wenn es einem da nicht warm ums Herz<br />
wird!<br />
Ich muss morgens in der Frühe zum Zug. Habe kein Auto. Gehe<br />
schnell zum Nachbarn. Er sitzt noch beim Frühstück und liest<br />
zwischendurch die Zeitung. Ich sage: „Kannst Du mich eben<br />
zum Bahnhof bringen?“ Er legt die Zeitung weg, lässt sein Auto<br />
an, fährt mich zum Bahnhof. Ich bin einige Schritte weg, da<br />
öffnet sich seine Tür, er sagt: „Komm noch einmal her.“ Ich<br />
gehe zurück, er legt mir ein Bonbon in die Hand und sagt: „Für<br />
unterwegs“, lächelt und fährt nach Hause.<br />
Wenn man sie festhält, diese kleinen Augenblicke, dann kann<br />
man den ganzen Tag über ein gutes Gefühl haben. Ich wünsche<br />
Ihnen, dass Ihnen solche „Lichtblicke“ immer wieder über den<br />
Weg laufen, und dass Sie sie sehen!<br />
Ihr<br />
Horst Gärtner<br />
Erster Vorsitzender ~ e.V.<br />
Hübscher Hund mit liebem Wesen<br />
Kugler möchte die Welt entdecken<br />
Der wunderhübsche Rüde Kugler beeindruckt<br />
nicht nur durch sein Äußeres,<br />
auch sein ganzes Wesen lädt dazu<br />
ein sich in seiner Nähe aufzuhalten<br />
und Zeit mit ihm zu verbringen. In<br />
manchen Situationen ist Kugler noch<br />
etwas unsicher, durch gezieltes Training<br />
und eine gute Vertrauensbasis<br />
wird sich das aber schnell legen. Er<br />
ist sehr verschmust, anhänglich und<br />
immer für ein Spielchen mit seinen<br />
Kumpels bereit. Für Kugler suchen<br />
die Tierfreunde Münster Leute, die<br />
ihm die nötige Sicherheit vermitteln<br />
und mit ihm gemeinsam die<br />
Welt entdecken wollen. Der braun<br />
gestromte und <strong>60</strong> cm große Kugler<br />
wurde 2010 geboren und ist kastriert.<br />
Interessenten melden sich bitte per<br />
Mail an hunde@teirfreunde-ms.de<br />
oder wählen die Tel.-Nr. 32 50 58.<br />
28
Bericht | Text: Lars Zülow<br />
Das Löffelchen<br />
aus Musik<br />
Es war einmal eine begnadete Bardin namens<br />
Birgit. Man sagte ihr nach, dass die Sidhe zu ihr<br />
sprechen. So nannte der Kelte die Bewohner von Anderland,<br />
wo die Götter und Feen wohnten. Zu einer<br />
Zeit herrschte ein sehr harter Winter. Der Frühling<br />
wollte einfach nicht kommen. Eines Abends kehrte<br />
die Musikantin vom Wind durchfroren in die Schenke<br />
ein. Das Elend, das dort herrschte, war extrem. Es<br />
stach schmerzhaft in Bauch und Herz. Man konnte<br />
nicht unterscheiden, ob die Suppe zu wässrig oder<br />
das Ale zu dünn war. Allen Gästen sah man ihre Not<br />
und ihre grenzenlose Verzweiflung an. Um die Leute<br />
von ihrem Trübsal abzulenken, begann die Bardin<br />
auf ihrer Fiedel eine Weise. Als ihr Spiel begann,<br />
sprang ein Kobold auf ihre Schulter und inspirierte<br />
sie. Sein Name war Ringelwuch. Keiner der Anwesenden<br />
erblickte ihn, denn er war unsichtbar. Die<br />
Melodie der Geige wurde immer verspielter und<br />
feiner, und mit einer berauschend feinen Stimme<br />
sang die Bardin:<br />
„Groß ist die Not! Wir haben kein Brot! Kein Knilch<br />
hat nur ein Schluck Milch. Die Gedanken drehen sich<br />
um Essen. Der knurrende Magen nicht zu vergessen.<br />
Der Magen tut murren. Und zwar durch schallendes<br />
Knurren. Auch genehm wäre Wurst. Zu vergessen<br />
sei auch nicht der Durst.“ Unbemerkt inspirierte der<br />
Kobold die Bardin zu immer feineren, verzweigteren<br />
und verspielteren Melodien. In der Luft bündelten<br />
sich Lichtstränge. Als die Musikantin mit einem Crescendo<br />
endete, hatte sich das Licht zu einem Löffel<br />
verfestigt. Mit einem lauten Klirren fiel er zu Boden.<br />
Rotz Ringelwuch säuselte: „Nährt euch vom Löffel.<br />
Dieses Artefakt wird euch sättigen.“<br />
Schon bald war jeder satt. Und mit vollem Bauch<br />
beißt der Winter weniger. Leider hörte schon bald<br />
der Graf von diesem magischen Löffel, und in seiner<br />
Gier beanspruchte er ihn als Jahreszehnt. Doch<br />
dieses Tun verdarb die Magie des Löffels. Denn statt<br />
in Essen verwandelte er sich nun in eine Schlange.<br />
Und zur Strafe biss diese den Grafen, sodass er<br />
elendig zu Grunde ging. Die nun befreiten Bürger<br />
plünderten die überdimensionale Vorratskammer<br />
des toten Despoten. Und bis das eisige Wasser das<br />
Land verließ, hatte jeder genug zu Essen. Allerdings<br />
blieben sowohl Löffel als auch Schlange für immer<br />
verschwunden.<br />
29
Berichte | Texte: Eva Manz | Fotos: LWL-Archäologie für Westfalen/E. Manz<br />
Mit dem Mittagsbrei entsorgt<br />
Der Löffel aus der Latrine<br />
Dieser Holzlöffel gelangte vor 700 Jahren<br />
in eine Latrine des Busdorfstiftes in<br />
Paderborn – möglicherweise eher unbeabsichtigt,<br />
denn er ist noch vollkommen<br />
intakt und gebrauchsfähig. Bei der<br />
Latrine handelt es sich um einen von<br />
adeligen Stiftsherren gemeinschaftlich<br />
genutzten Abfall- und Abwasserschacht.<br />
Dieses „Stille Örtchen“ wurde in der<br />
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gebaut,<br />
d.h. als Schacht in den anstehenden<br />
Kalkfelsen eingetieft und obertägig<br />
als kleines Häuschen mit einem Dach<br />
versehen. Bei einer Innenfläche von<br />
6,24 m2 und einer Tiefe von nahezu 4 m<br />
ergeben sich rund 25 m3 Fassungsvermögen.<br />
Damit handelt es sich um eine<br />
verhältnismäßig stattliche Latrine, wie<br />
sie bislang nur aus klösterlichem Zusammenhang<br />
bekannt ist. Die Stiftsherren<br />
wohnten zu diesem Zeitpunkt in eigenen<br />
Häusern, sogenannten Kurien, und entsorgten<br />
neben ihrer Notdurft auch ihren<br />
gesamten Hausmüll an dieser Stelle.<br />
Für Archäologen sind Latrinen wahre<br />
Fundgruben, weil sie auf diese Weise<br />
einen hervorragenden Einblick in das Alltagsleben<br />
der Benutzer geben. Aufgrund<br />
der guten Erhaltungsbedingungen im<br />
feuchten und luftabgeschlossenen Milieu<br />
erhalten sich außerdem alle Materialien,<br />
auch Stoffe, Leder und sogar Holz besonders<br />
gut. So lassen sich beispielsweise<br />
verschiedene Kleidungsstücke anhand<br />
der Gewebereste rekonstruieren, darunter<br />
Leinenhemden, gefilzte Mäntel und<br />
grob gewobene Wolltextilien. Von den<br />
Schuhen sind oft nur die Sohlen in die<br />
Latrine gelangt, weil diese sich als erste<br />
verschlissen und durchgelaufen waren.<br />
Manchmal findet sich aber auch noch<br />
ein Oberleder, so dass sich die originale<br />
Schuhform erkennen lässt.<br />
Leider ist es, wie auch in diesem Fall,<br />
nicht immer möglich, an die Funde aus<br />
der Zeit der Erbauung einer Latrine zu<br />
gelangen. Denn wie jede Grube war<br />
auch dieser Schacht irgendwann voll<br />
und musste geleert werden, wollte man<br />
sich die Mühe einer Neuanlage ersparen.<br />
Dass diese Tätigkeit nicht besonders<br />
angenehm und sicherlich auch nicht<br />
beliebt war, lässt sich denken. Latrinen-<br />
Entleerer gehörten zu der untersten<br />
Bevölkerungsschicht und waren nicht<br />
sonderlich angesehen, auch wenn sie mit<br />
ihrer Arbeit eine notwendige Aufgabe erfüllten<br />
und jeder auf sie angewiesen war.<br />
Der 18 cm lange Holzlöffel ist im Bereich<br />
seines recht dünnen Stiels mit beinahe<br />
elegantem Schwung geschnitzt. Holzobjekte,<br />
darunter gedrechselte Teller und<br />
Schalen, sowie von Böttchern aus einzelnen<br />
Dauben hergestellte Gefäße zählen<br />
zu den einfacheren Alltagsgegenständen.<br />
Wie auch die zahlreichen Scherben von<br />
schönen Trinkgläsern zeigen, pflegten die<br />
Paderborner Stiftsherren eine gehobenere<br />
Tischkultur, auch wenn es sich bei dem<br />
Löffel durchaus um ein qualitätsvoller<br />
gearbeitetes Objekt handelt. Wahrscheinlich<br />
ist er einem Bediensteten aus<br />
der Hand geglitten, als jener die Reste<br />
einer Mahlzeit entsorgen wollte.<br />
Die Speisekarte der adeligen Herren<br />
können wir in Teilen anhand der entsorgten<br />
Nahrungsreste rekonstruieren.<br />
Die zahlreichen Kirschkerne lassen darauf<br />
schließen, dass im Garten des Busdorfstiftes<br />
ein oder mehrere Kirschbäume<br />
standen, möglicherweise zusammen mit<br />
Pflaumen- und Apfelbäumen. Neben<br />
gesundem Obst kam Fisch und gelegentlich<br />
Fleisch auf den Tisch. Hauptsächlich<br />
Schweine, aber auch Wildgeflügel wie<br />
Fasane und Enten haben sich die frommen<br />
Männer dabei schmecken lassen<br />
– letztere aber sicherlich zu besonderen<br />
Anlässen. Getreidebreie und Brot sowie<br />
weiteres Gemüse oder auch Beerenobst<br />
wird man sich ergänzend im Speiseplan<br />
vorstellen können, ebenso natürlich Wein<br />
und Bier in reichlichem Maße. #<br />
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