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~Das Straßenmagazin für Münster und das Münsterland | www.strassenmagazin-draussen.de<br />

<strong>08</strong> | <strong>13</strong><br />

1,<strong>60</strong><br />

Grafenkunst oder Kunstgraf? | Stadtbücherei Münster geht mit<br />

der Zeit | Erfahrungsberichte von der Nordsee bis zum Bosporus


X & Y Design · Münster<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser,<br />

der „Löffelspringer“, unser Sommertitelbild des Künstlers<br />

Lo Graf von Blickensdorf, zwingt mich als Betrachter in eine<br />

ungewohnte Sichtweise. Die Miniaturfiguren, die gewöhnlich<br />

Modelleisenbahnen stehendes Leben einhauchen, bringen mich<br />

dazu, genauer hinzusehen. Anstatt mich mit dem großen Ganzen<br />

zu befassen, muss ich mein Augenmerk auf die Winzigkeit<br />

richten. Ein Blick auf die kleinen Leute, drängt es sich mir auf.<br />

Oder eine Möglichkeit, Kindern, die in Deutschland von Armut<br />

betroffen sind - jedes vierte bis sechste Kind je nach Studie -,<br />

kostengünstig einen spielerischen Badespaß zu ermöglichen,<br />

wenn das Geld für den Freibadeintritt hinten und vorne nicht<br />

reicht oder das eigene Planschbecken nicht gefüllt werden darf?<br />

Besser nicht.<br />

Der Blick auf den Prinzipalmarkt (Foto im Artikel) vervollständigt<br />

meinen Perspektivwechsel: die Lambertikirche aus dem<br />

Blickwinkel der kleinen Leute. So habe ich das Gotteshaus mit<br />

den Täuferkäfigen noch nie gesehen. Einen solchen Wechsel in<br />

der Wahrnehmung wünschte ich mir des Öfteren bei verantwortlichen<br />

Politikern. Nicht nur das Globale im Blick zu haben,<br />

wie die Wirtschaft oder den Sozialstaat, sondern auch ein<br />

Verständnis für das Kleine, den Einzelnen, die Betroffenen zu<br />

entwickeln. Das würde die Vermittlungsproblematik der Politik<br />

entscheidend verbessern und so manches Gesetz wäre womöglich<br />

zweckmäßiger konzipiert.<br />

Auch für unsere Verkäuferinnen und Verkäufer wünschte ich mir<br />

manchmal mehr Verständnis. Beschwerden über ihr Verhalten<br />

beim Verkauf gehen gelegentlich bei uns ein. Wir versuchen<br />

als Redaktion in solchen Fällen zu vermitteln und meistens<br />

gelingt es, eine Lösung zu finden. Aber letztens klingelte in der<br />

Redaktion das Telefon, der Verantwortliche eines Supermarktes<br />

klagte über Kundenbeschwerden. Als wir nachfragten, welches<br />

Verhalten Stein des Anstoßes gewesen sei, machte die Antwort<br />

uns sprachlos: Die Verkäuferin lächle so aufdringlich freundlich.<br />

Perspektivwechsel würde ich vorschlagen oder erfrischenden<br />

Sprung in den Löffel.<br />

Carsten Scheiper<br />

~-Redakteur<br />

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22.06.20<strong>13</strong><br />

10 –15 Uhr<br />

Trenn-Dich-Tag<br />

Rösnerstr. 10<br />

Ideen und Mut sind unsere wichtigsten Rohstoffe. Und wir nut zen<br />

sie fleißig: als einer der Wegbereiter für die hochmoderne Sortieranlage<br />

für Restmüll (MBRA). Oder als Mitbetreiber einer der größten<br />

Photovoltaikanlagen in Münster. Doch nicht nur technisch,<br />

auch im Alltag sind wir erfinderisch, wenn es um Stadt sauberkeit<br />

und Umweltschutz geht – von Star-Waste Teams bis Baumpflanzaktionen.<br />

Und das schönste am „Rohstoff Idee“: Er geht uns nie<br />

aus. Mehr? Dann www.awm.muenster.de<br />

Gemeinsam<br />

für das<br />

große Ziel<br />

Juni 20<strong>13</strong><br />

Trenn-Wochen<br />

bei den AWM!<br />

Aktionen, Tipps und Infos: www.awm.muenster.de<br />

X & Y Design · Münster<br />

X & Y Design · Münster<br />

2


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Werden Sie<br />

~<br />

Unterstützer!<br />

Unser Spendenkonto:<br />

Kto 34205427<br />

BLZ 40050150<br />

Sparkasse Münsterland Ost<br />

Raum ist in der kleinsten Hütte?<br />

Nein! Wir brauchen Platz und müssen raus.<br />

Wir möchten<br />

• in Ruhe an unserer Zeitschrift arbeiten<br />

und den Verkäufern<br />

• jeden Tag vor Ort ein warmes Mittagessen<br />

kochen<br />

• und in gemütlicher Atmosphäre miteinander<br />

einnehmen<br />

• einen angenehmen Platz zum Verschnaufen<br />

bieten<br />

• eine Dusche ermöglichen<br />

• einen Raum zum Wäsche waschen geben<br />

• eine Kleiderkammer einrichten<br />

Wir haben<br />

• dafür keinen Platz<br />

• lange nach größeren Räumen zur Miete<br />

gesucht<br />

• durchgehend Absagen kassiert<br />

• und nun auch zum Sommer 2014 die Kündigung<br />

erhalten<br />

Wir könnten<br />

• Glück haben<br />

• und als ~ e.V. das perfekte Objekt<br />

in zentraler Lage kaufen<br />

• damit unsere Wünsche erfüllen<br />

• und so einige Sorgen verlieren<br />

Wir brauchen<br />

• dabei Ihre Hilfe<br />

• Ihre Ideen<br />

• Ihre Tatkraft<br />

• Ihre Aufmerksamkeit<br />

• offene Ohren und Augen<br />

• helfende Hände<br />

Mit jedem Kauf der ~, als Löffel-<br />

Aktivisten oder mit konkreten Spenden<br />

unterstützen Sie unser Vorhaben. #<br />

3


Löffelvielfalt<br />

Diese und noch viele weitere tolle Löffel können Sie auf unserer Ausstellung vom 02. - 18. Dezember im Foyer des Stadthauses I an der<br />

Clemensstraße bewundern. Noch haben Sie also ausreichend Zeit, Ihren Lieblingslöffel abzugeben! Sollten Sie spontan keinen in der<br />

Schublade finden, der Ihnen ausstellungswürdig erscheint, stöbern Sie doch mal auf dem Flohmarkt oder denken Sie in Ihrem Urlaubsland<br />

an uns. Andere Länder – andere Löffel!<br />

4


Impressum<br />

Herausgeber<br />

„~“ e. V.<br />

Berliner Platz 8<br />

48143 Münster<br />

Redaktionsteam<br />

Juliane Büker<br />

Michael Heß<br />

Melanie Kemper<br />

Sabrina Kipp<br />

Jonas Lichtenstein<br />

Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.)<br />

Sabine Sitte<br />

Horst Gärtner<br />

Tel.: 0251 / 49 09 11 8<br />

redaktion@strassenmagazin-draussen.de<br />

Streetwork<br />

Sabrina Kipp<br />

s.kipp@strassenmagazin-draussen.de<br />

Internetseite<br />

www.strassenmagazin-draussen.de<br />

Administrator: Cyrus Tahbasian<br />

Texte<br />

Lena Fiebig, Horst Gärtner, Hannes<br />

Hennemann, Michael Heß, Sascha Benedikt<br />

Idziaszek, Sabrina Kipp, Lena Klimkeit,<br />

Eva Mainz, Annette Poethke, Carsten<br />

Scheiper, Urs-Adrian von Waffen, Susanne<br />

Wasielewski, Rita Westerheide, Lars Züllow<br />

Fotos<br />

Lo Graf von Blickensdorf, Lena Fiebig,<br />

Michael Heß, Hannes Hennemann, Sascha<br />

Benedikt Idziaszek, Sabrina Kipp, Lena<br />

Klimkeit, Anna Kopetsch, LWL-Archäologie<br />

für Westfalen/E.Manz, pixelio.de/ birgitH/<br />

Thommy Weiss, SWR/Pressestelle/<br />

Fotoredaktion_Ge, Susanne Wasielewski<br />

Titelfoto<br />

Lo Graf von Blickensdorf<br />

Layout und Titelgestaltung<br />

Juliane Büker<br />

j.bueker@strassenmagazin-draussen.de<br />

Jonas Lichtenstein<br />

Gestaltungskonzept<br />

Lisa Schwarz/Christian Büning<br />

Druck<br />

Gutverlag Druck & Medien<br />

Auflage 9.000<br />

Unterstützt durch<br />

Siverdes-Stiftung<br />

Bankverbindung<br />

Sparkasse Münsterland Ost<br />

Konto-Nr. 33 878<br />

BLZ 400 501 50<br />

Paten-Spenden-Konto<br />

Sparkasse Münsterland Ost<br />

Konto-Nr. 34205427<br />

BLZ 400 501 50<br />

Wir danken allen Spendern!<br />

Artikel, die namentlich gekennzeichnet<br />

sind, geben nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion wieder.<br />

Bitte beachten Sie unsere<br />

Anzeigenkunden.<br />

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Inhalt<br />

Editorial<br />

Perspektive wechseln<br />

Biste was - kriegste was<br />

Als Graf ist jeder Tag eine bunte Wundertüte<br />

Eine Gasmaske auf dem Wohnzimmertisch<br />

Eindrücke aus den Tagen der Proteste in Istanbul<br />

Kurz vor dem Nichts<br />

Gemeinsam gegen die Flut<br />

Das Haus der Medien<br />

Münsters Stadtbücherei stellt sich dem Zeitgeist<br />

Vegane Ernährung<br />

Die neue Art zu Essen auf dem Prüfstand<br />

Wichtiges Ehrenamt<br />

Sven Kuntze spricht aus Erfahrumg<br />

„Unsere Existenz ist akut bedroht“<br />

Interview mit der Gastwirtin Carmen Preston<br />

Die Tafel an der Kreuzung<br />

Deportationsgedenktafel an der Warendorfer Straße<br />

Großer Kleingarten mit tollem Teich<br />

Ehepaar entdeckt Gartenleidenschaft im Alter<br />

Das Mädel im Moor<br />

~ - Autorin wird Volontärin in Ostfriesland<br />

Columne: „~“ auf Cuba<br />

Alternativlose Alternative<br />

Neues aus dem Strafrecht<br />

Verteidigungswille bei Notwehr<br />

Lesen<br />

Wolfgang Hetzer: „Finanzkrieg“<br />

Rezepte<br />

Vegetarisch im Sommer<br />

Schlussakkord<br />

Herzerfrischendes von kleinen und großen Menschen<br />

Das Löffelchen aus Musik<br />

Löffelpoesie von der Strasse<br />

Mit dem Mittagsbrei entsorgt<br />

#<br />

Der Löffel aus der Latrine<br />

5


Bericht | Text: Sabrina Kipp | Fotos: Lo Graf von Blickensdorf<br />

Biste was – kriegste was<br />

Als Graf ist jeder Tag eine bunte Wundertüte!<br />

Etagenadliger Inspiration entsprang<br />

unser Sommertitelbild zur Löffelaktion,<br />

womöglich im Tortenrausch: Lo Graf<br />

von Blickensdorf gewährt einen erfrischenden<br />

Blick auf die ungeahnten<br />

sommerlichen Möglichkeiten des Löffel<br />

en miniature und unser ~-Redakteurin<br />

Sabrina eine Audienz via Internet.<br />

Der gebürtige Münsteraner und Wahlberliner<br />

ist ein wahrer Tausendsassa.<br />

Ein Pinsel schwingender, edle Gebäckteilchen<br />

fotografierender, humorvoller<br />

Wortakrobat der als Graf selbst zum<br />

Kunstobjekt wurde.<br />

~: Wie werden Sie am liebsten<br />

angesprochen? Herr Graf, Lo, Herr von<br />

Blickensdorf?<br />

Graf von Blickensdorf: Hochwohlgeboren.<br />

Nein, Spaß beiseite. Das ist mir eigentlich<br />

egal. In der Regel werde ich mit<br />

„Herr Graf“ angesprochen, aber wenn<br />

man ganz korrekt sein will, ist „Herr Graf“<br />

falsch, denn das ist eine Verdoppelung.<br />

Also so wie „Herr Herr“.<br />

~: Sind Sie immer der Graf, oder<br />

gibt es auch noch einen privaten Lo –<br />

und wie sieht der aus?<br />

Graf von Blickensdorf: Den privaten Lo<br />

gibt es nicht mehr. Was anfangs mehr wie<br />

ein Kunst-Experiment am eigenen Leibe<br />

gedacht war, hat sich verselbständigt.<br />

Nun bin ich 24 Stunden am Tag „Graf“<br />

– der Graf ist zur Kunst geworden. Ich<br />

putze mir die Zähne mit einer goldenen<br />

Zahnbürste, trage des Nachts einen<br />

Seidenpyjama mit eingesticktem, selbst<br />

entworfenem Familienwappen, und über<br />

meinem Bett hängt eine Krone.<br />

~: Nicht mal unter alten Freunden?<br />

Wie reagieren die auf den Grafen?<br />

Graf von Blickensdorf: Meinen alten<br />

Freunden fällt natürlich auf, dass ich<br />

mich verändert habe. Sie begrüßen das,<br />

weil ich mich zum Positiven verändert<br />

habe. Jeder Mensch verändert sich ja<br />

im Laufe seines Lebens. Was für manche<br />

Leute eine Therapie beim Psychologen<br />

ist, ist bei mir eben mein Grafensein. Ich<br />

habe das Gefühl, ich bin bei mir selbst<br />

angekommen. Es schlummern in jedem<br />

Menschen tolle Dinge – man muss sie nur<br />

entdecken und wie einen Schatz bergen.<br />

Egal, wie alt man ist. Es ist nie zu spät,<br />

sich zu ändern.<br />

~: Vermissen Sie manchmal den<br />

„alten“ Lo?<br />

Graf von Blickensdorf: Nein. Denn ich<br />

war ein schüchterner und verhuschter<br />

Künstler, der sich nie getraut hätte, vor<br />

mehr als drei Personen eine Rede zu<br />

halten. Heute trete ich vor bis zu 800<br />

Zuhörern auf, gehe in Talk-Shows und<br />

gebe Interviews. Und das alles ohne<br />

Lampenfieber. Das hätte ich noch vor ein<br />

paar Jahren nie gedacht. Und es macht<br />

mir auch noch Riesenspaß.<br />

~: Ursprünglich kommen Sie aus<br />

der Hausbesetzer-Szene – wie wohnt ein<br />

Graf heute? Haben Sie jetzt ein Schloss<br />

besetzt?<br />

Graf von Blickensdorf: Gute Idee:<br />

Schlossbesetzer. Nein, ich besetze nicht<br />

mehr, ich bin etwas altersmilde geworden.<br />

Ich gehöre jetzt zum Etagenadel.<br />

Aber nach wie vor unterstütze ich Hausbesetzer,<br />

denn sie schützen bezahlbaren<br />

Wohnraum vor Abriß und Spekulanten<br />

– und der wird immer wichtiger. Wir<br />

Hausbesetzer haben in den 80er Jahren<br />

hier in Berlin ganze Straßenzüge mit<br />

wundervollen alten Jugendstilhäusern<br />

vor dem Abriß gerettet. Heute sind diese<br />

Straßen mit ihren Häusern Schmuckstücke,<br />

und der Berliner Senat wirbt sogar<br />

damit.<br />

~: Was hat sich im alltäglichen<br />

6


Leben geändert, seit Sie sich den Grafentitel<br />

zugelegt haben?<br />

Graf von Blickensdorf: Mein Leben ist<br />

bunter und interessanter geworden. Jeder<br />

Tag ist wie eine bunte Wundertüte für<br />

mich. Ich bin plötzlich gefragt. Obwohl<br />

ich immer dazu sage, dass das „Graf von“<br />

nur mein Künstlername ist. Trotzdem<br />

werde ich zu Botschaftsempfängen,<br />

Modenschauen und Fernsehtalkshows<br />

eingeladen. Und sogar der berühmte<br />

Regisseur Rosa von Praunheim hat einen<br />

Portraitfilm über mich gedreht. Wahrscheinlich,<br />

weil ich jetzt ein sogenannter<br />

„Promi“ bin. Auf der Straße muss ich<br />

sogar Autogramme geben. Einmal sogar<br />

einer jungen Frau auf den Bauch, das war<br />

besonders schön.<br />

~: Wie erklären Sie sich diesen<br />

Hype um die Grafenfigur? Ist das typisch<br />

deutsch, oder würde das in anderen<br />

Ländern auch funktionieren?<br />

Graf von Blickensdorf: Ich glaube, dass<br />

im Menschen, geprägt durch Märchen<br />

von Prinzen auf weißen Pferden, ein<br />

wenig Adelsromantik steckt. Und wer hat<br />

noch nicht davon geträumt, eine schöne<br />

Prinzessin oder ein schöner Prinz zu sein?<br />

Und zwar länderübergreifend.<br />

~: Sie haben viele Jahre bei<br />

der Berliner Stadtzeitung gearbeitet.<br />

Muss auch ein Graf noch arbeiten im<br />

klassischen Sinne, oder können Sie sich<br />

ganz auf Ihre Künste konzentrieren?<br />

Graf von Blickensdorf: Ich arbeite mehr<br />

denn je. Ich habe das Buch „Werden Sie<br />

doch einfach Graf! Biste was – kriegste<br />

was“ geschrieben, mache Ausstellungen,<br />

bin auf Lesereisen durch ganz Deutschland<br />

und muss meine ganzen Pressetermine<br />

koordinieren.<br />

~: Ist Ihre Kunst begehrter, seit sie<br />

von einem Grafen ist?<br />

Graf von Blickensdorf: Ja, aber noch<br />

begehrter ist die Kunstfigur „Lo Graf von<br />

Blickensdorf“. Ich komme gerade von der<br />

Fashion Week, und dort wollte sich jeder<br />

mit mir zusammen fotografieren lassen.<br />

Dadurch habe ich nicht mehr soviel Arbeit,<br />

als wenn ich ein Ölbild von 1 Meter<br />

mal 1 Meter male. Und meine Hände<br />

bleiben sauber dabei.<br />

~: Wie lassen Sie sich zu Ihrer<br />

Kunst inspirieren? Wie wird z.B. aus<br />

einem Donut oder einem Stück Torte ein<br />

Kunstwerk? Woher kommt die Liebe zu<br />

den Miniaturen?<br />

Graf von Blickensdorf: Die Miniaturfiguren<br />

habe ich irgendwann im Jahre 2000<br />

entdeckt und experimentiere seitdem<br />

damit herum. Ich komme mir immer wie<br />

ein Theaterregisseur vor, der mit seinen<br />

kleinen Schauspielern arbeitet. Ich stecke<br />

sie in kleine Objektkästen, die als Bühne<br />

fungieren, und dort tun sie lustige Dinge,<br />

wie zum Beispiel der „Seifenopa“, der auf<br />

einem Stück Seife sitzt. Eines Tages fiel<br />

mir auf, dass ich so viele Figuren übrig<br />

habe, die ich nicht so richtig gebrauchen<br />

konnte. Da hatte ich die Idee, sie in Berlin<br />

(und wenn ich in Münster bin, auch hier)<br />

auf Straßen und Plätzen zu installieren.<br />

Die kleinsten Stadt-Skulpturen der Welt.<br />

Und niemand weiß, dass sie von mir<br />

sind. Die vorübergehenden Passanten<br />

sind immer ganz erstaunt, wenn sie<br />

einen kleinen Zeitung lesenden Mann auf<br />

einem Verkehrsschild sehen. Oder einen<br />

Bergsteiger, der an einer Straßenlaterne<br />

hochkraxelt. Dann rätseln sie, was das<br />

wohl zu bedeuten hat. Da immer mehr<br />

Geheimnisse erforscht und gelüftet werden,<br />

sorge ich für Nachschub und schaffe<br />

somit neue Geheimnisse.<br />

~: Sie sind vor über 30 Jahren nach<br />

Berlin gezogen. Fühlen Sie sich dennoch<br />

mit Ihrer Geburtsstadt Münster verbunden?<br />

Graf von Blickensdorf: Aber selbstverständlich!<br />

Wie kann man die lebenswerteste<br />

und auch liebenswürdigste Stadt<br />

der Welt vergessen? Ich habe ja auch<br />

noch Familie und Freunde in Münster.<br />

Außerdem ist Münster die einzige Stadt<br />

der Welt, in der ich geboren bin. #<br />

Nicht nur für Mathilde, Ottilie,<br />

Marie und Liane, der Hinweis<br />

auf den gräflichen Tortenblog.<br />

Dieser Blog dient vor allen Dingen<br />

der Förderung des Adels, der Kultur<br />

des Torteessens und des Humors.<br />

blaues-blut.blogspot.com<br />

Aber bitte mit Sahne.<br />

7


Bericht | Text und Fotos: Lena Klimkeit<br />

Eine Gasmaske auf dem Wohnzimmertisch<br />

Eindrücke aus den Tagen der Proteste in Istanbul<br />

8<br />

Wenn plötzlich eine Gasmaske auf dem<br />

Wohnzimmertisch liegt, hat sich etwas<br />

verändert. ~-Autorin Lena Klimkeit<br />

studiert ein Semester in Istanbul<br />

und berichtet von ihren Eindrücken<br />

während der Proteste gegen die Regierung<br />

von Ministerpräsident Recep Tayyip<br />

Erdogan.<br />

Gerade wird unser Tisch im Restaurant<br />

im Kadiköyer Stadtzentrum abgeräumt,<br />

da fangen die Menschen um uns herum<br />

an, zu klatschen. Einige pfeifen,<br />

andere bringen mit ihrem Besteck die<br />

Gläser zum Klingen. Aus der Ferne sind<br />

hupende Autos zu hören, Kochtöpfe<br />

werden geschlagen. Es ist Punkt neun<br />

Uhr. Seit dem Beginn der Proteste gibt<br />

es in Istanbul neben dem fünffachen<br />

Gebetsruf des Muezzins eine neue, den<br />

Alltag strukturierende Zeit. Um neun Uhr<br />

wird solidarisch protestiert. Das Klimpern<br />

der Kochtöpfe und Rufe wie «Erdoğan,<br />

istifa!» («Erdogan, tritt zurück!») haben<br />

sich im Alltag eingenistet.<br />

Ende Januar habe ich mein Erasmus-<br />

Semester in Istanbul begonnen. Ich zog<br />

auf die asiatische Seite der Stadt, 20<br />

Fährminuten entfernt vom europäischen<br />

Istanbul, 20 Minuten entfernt vom<br />

politischen und touristischen Zentrum.<br />

Ich zog in eine Wohngemeinschaft mit<br />

zwei Kurden und einer Türkin und war<br />

gespannt auf Gespräche über Land und<br />

Leute, über Kultur und Politik. Doch<br />

erstaunlicherweise hielten sich diese<br />

Gespräche in Grenzen. Niemand schien<br />

darauf so richtig Lust zu haben – oder war<br />

es Scheu? Die tätowierte Unterschrift des<br />

Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk<br />

auf dem Unterarm einer jungen Frau und<br />

die im Wind wehende Türkei-Flagge am<br />

Balkongitter des Nachbarhauses blieben<br />

jedenfalls einige der wenigen politischen<br />

Statements, die ich in meinen ersten Monaten<br />

im Istanbuler Alltag entdeckte. Seit<br />

Ende Mai hat sich alles verändert. Am Tag<br />

der ersten großen Auseinandersetzungen<br />

zwischen Demonstranten und Polizei saß<br />

ich mit einem Freund beim Kaffee zusammen,<br />

als er von seiner Freundin angerufen<br />

wurde. Sie war am Taksim-Platz<br />

und erzählte, dass es eine Demonstration<br />

gäbe. Er sagte, dass er im Hintergrund<br />

Schreie gehört habe.<br />

Demonstriert wurde an diesem 31. Mai,<br />

weil die Polizei in der Früh ein Protest-<br />

Camp im Gezi-Park, nahe des zentral<br />

gelegenen Taksim-Platzes, gewaltsam<br />

geräumt hatte. Das Protest-Camp richtete<br />

sich gegen ein Bauvorhaben: Auf<br />

dem Gelände des Gezi-Parks, einer der<br />

wenigen Grünflächen im Zentrum Istanbuls,<br />

sollte ein Shoppingcenter errichtet<br />

werden. Nicht nur dieses Vorhaben war<br />

es, was schließlich die Protestwelle im<br />

ganzen Land auslöste: Die Demonstrationen<br />

richten sich mittlerweile gegen den<br />

als zunehmend autoritär empfundenen<br />

Regierungsstil des islamisch-konservativen<br />

Ministerpräsidenten Recep Tayyip<br />

Erdogan.<br />

Als ich am Abend zu Hause die<br />

Nachrichten im Internet las, war ich<br />

schockiert. Die ersten Bilder erreichten<br />

mich auf Facebook, dann entdeckte<br />

ich sogar einen Beitrag der Tagesschau,<br />

der über die massive Gewalt seitens der<br />

Polizei mithilfe von Wasserwerfern und<br />

Tränengas berichtete. Ich hatte von dem<br />

Protest-Camp im Gezi-Park und dem<br />

Bauvorhaben der Regierung an besagtem<br />

Freitag das erste Mal etwas gehört. Ich<br />

war nicht in der Lage, die Situation auch<br />

nur ansatzweise einzuschätzen. Als eine<br />

Freundin sich auf den Weg nach Taksim<br />

machen wollte, rief ich sie zur Vorsicht<br />

auf – ich wollte zu Hause bleiben und<br />

mich informieren, wusste ich doch noch<br />

gar nicht, worum es genau ging. Wenig<br />

später kehrte sie zurück: Das Tränengas<br />

hatte sie und ihren Freund bereits wenige<br />

Fußminuten vom Fähranleger erreicht.<br />

In den darauffolgenden Tagen wusste<br />

ich nichts zu tun, außer die Nachrichten<br />

zu verfolgen, mich zu informieren, die<br />

Geschehnisse zu verstehen versuchen.<br />

Meine Eltern baten mich, nicht an den<br />

Demonstrationen teilzunehmen und<br />

auch meine Mitbewohner rieten mir,<br />

mich von Taksim fernzuhalten. Zu unübersichtlich<br />

war die Situation – und ich<br />

begann zu mich fragen, welche Position<br />

ich als Ausländerin in diesen Protesten<br />

habe. Ich unterstütze die Demonstrationen,<br />

war mir aber nicht sicher, wofür ich<br />

als deutsche Erasmus-Studentin auf die<br />

Straße gehen sollte.<br />

Zwar beeinflussen aktuelle politische<br />

Entscheidungen auch meinen Alltag,<br />

beschränken die persönliche Freiheit<br />

und verärgern. Doch mich beeinflusst<br />

das alles nur temporär, anders als die<br />

Menschen um mich herum – für sie hat<br />

dieses Aufbegehren eine große Bedeutung,<br />

denn jede Reaktion der Regierung<br />

wird schließlich ihr Leben beeinflussen.<br />

Angefangen beim Alkoholgesetz, das<br />

den Verkauf von alkoholischen Getränken<br />

zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr<br />

morgens untersagt. Das Kuss-Verbot<br />

in den öffentlichen Verkehrsmitteln in


Ankara. Der Bau einer riesigen Moschee<br />

auf der höchsten Erhebung Istanbuls.<br />

Die Umstrukturierung verschiedener<br />

Stadtteile. Ich fragte mich, ob ich gar eine<br />

„Mitschuld“ trage, den Bau-Boom und<br />

andere Veränderungen fördere. Schließlich<br />

bin ich doch auch wie viele dem Ruf<br />

der aufstrebenden Stadt gefolgt.<br />

Ich entschied mich schließlich, nicht<br />

zu den Demonstrationen zu gehen, ich<br />

hatte einfach Angst vor der Willkür der<br />

Polizei - spätestens, als ich von den<br />

Verhaftungen ausländischer Studenten<br />

hörte. Ich redete stattdessen viel mit<br />

meinen Mitbewohnern und versuchte,<br />

ihre und meine Eindrücke mit Freunden<br />

und Familie in Deutschland zu teilen.<br />

Eines frühen Abends besuchte ich dann<br />

doch den Platz, sah die Barrikaden, die<br />

Banner, die friedlichen Demonstranten,<br />

die Touristen mit ihren Kameras, die<br />

zerstörten Übertragungswagen der türkischen<br />

Fernsehsender, das geschmückte<br />

Atatürk-Denkmal. Trotz meiner Anspannung<br />

fing mich die Stimmung direkt auf:<br />

Sie war fröhlich und gelöst, obwohl jeder<br />

wusste, dass dieser Platz nicht auf ewig<br />

eine Zone der Freiheit bleiben würde.<br />

Die Straßenverkäufer boten die beliebten<br />

Sesamkringel, mit türkischen<br />

Hackbällchen gefülltes Brot, Melonen,<br />

Flaggen und sogar Bier an. Doch schon<br />

einige Tage darauf wurde der Platz und<br />

der Park wieder geräumt. An diesem<br />

Abend musste ich nicht einmal die Nachrichten<br />

lesen, um zu ahnen, was passiert<br />

war: Selbst in Kadiköy, weit entfernt<br />

vom Ort der Geschehnisse, waren viele<br />

Menschen auf der Straße. Ihre verzweifelten<br />

Rufe reichten bis spät in die Nacht<br />

hinein. So einen Ärger hatte ich in den<br />

Solidaritätsdemonstrationen vorher nicht<br />

wahrgenommen.<br />

Mittlerweile wachsen in den wenigen<br />

Beeten auf dem Taksim-Platz weiß-rote<br />

Blumen, die Wände der Häuser sind frisch<br />

gestrichen, am Rande des Platzes sind<br />

Polizisten postiert. Normalität wird vorgegaukelt,<br />

die täglich wiederkehrenden<br />

Demonstrationen oder Solidaritätsbekundungen<br />

beweisen das Gegenteil. Gerade<br />

ist nichts normal in der Türkei, auch<br />

nicht in Istanbul, wo am Taksim wieder<br />

der Verkehr fließt und viele Menschen in<br />

den Clubs auf der Istiklal, der großen Einkaufs-<br />

und Ausgehstraße, feiern gehen.<br />

Die Stimmung ist anders, ich nehme<br />

Istanbul als einen Ort wahr, an dem<br />

zur Zeit zwei Welten nebeneinander<br />

stattfinden. Da sind einmal die Touristen,<br />

die abends auf dem Touri-Dampfer<br />

zum Paradise-Restaurant schippern.<br />

Parallel dazu laufen Demonstranten mit<br />

Atemschutzmasken zum Anleger, um die<br />

letzte Fähre zu den Demonstrationen<br />

zu erwischen. Auf der einen Seite des<br />

Goldenen Horns liegt Tränengas in der<br />

Luft, dicke Rauchschwaden hängen über<br />

dem Taksim-Platz. Gleichzeitig laufen im<br />

Stadtteil auf der anderen Seite der Stadt<br />

die Touristen wie an jedem Tag durch die<br />

Straßen, Moscheen und Museen. In Kadiköy<br />

erlebe ich das Leben wie jeher – ruhiger,<br />

alltäglicher, untouristischer. Doch<br />

dann bietet mir der Straßenverkäufer<br />

eine Gasmaske für 50 Kurus, umgerechnet<br />

etwa 20 Cent, an, die Bewohner packen<br />

weiterhin ein Mal am Tag ihre Pfannen<br />

und Töpfe aus, um sie am Fenster zu<br />

schlagen. Die Kiosks verkaufen auch nach<br />

22 Uhr wieder Alkohol, Menschen stoßen<br />

in der Abendwärme – vielleicht auch<br />

augenzwinkernd auf Erdogan? – an. Auf<br />

meinem Wohnzimmertisch liegt eine<br />

Gasmaske, an der Wand eines Bekannten<br />

hängt auch eine. Die sonst so ruhige und<br />

gemächliche Fährfahrt wird nun oftmals<br />

begleitet von skandierenden Fahrgästen.<br />

Sie singen aber nicht nur, sie lachen und<br />

unterhalten sich auch. Ein gemeinsamer<br />

Gedanke scheint sie zu leiten. Und auch<br />

von meinen Mitbewohnern weiß ich: So<br />

eine Türkei wie die gegenwärtige kennen<br />

sie nicht. Viele Türken gehen das erste Mal<br />

auf die Straße. Und sie tun es zusammen.<br />

Dass dieser gemeinsame Gedanke aber<br />

längst nicht alle eint, wird abseits von<br />

Kadiköy oder Taksim nur allzu deutlich. Im<br />

Stadtteil Kasimpasa zum Beispiel bleibt es<br />

um neun Uhr abends ruhig. Hier scheint<br />

so gut wie niemand auch nur solidarisch<br />

zu protestieren. Der Stadtteil gilt als konservativ,<br />

von den Wohnhäusern aus blickt<br />

man auf die prächtigsten Moscheen der<br />

Stadt. In Kasimpasa ist Ministerpräsident<br />

Erdogan geboren worden. Hier ist die<br />

Stadt still. Mir wird bewusst, dass der<br />

Protest konzentriert ist und lange nicht<br />

alle Istanbuler auf die Straße holt. Auch<br />

meine Sprachlehrerinnen äußern sich<br />

zurückhaltend: Natürlich sollte es erlaubt<br />

sein, die eigene Meinung zu äußern,<br />

9


sagen sie. Die Gewalt sei furchtbar. Eine<br />

klare Position jedoch beziehen sie nicht.<br />

Klare Position bezieht aber mein<br />

Dozent am Institut für Kommunikation<br />

der Istanbuler Universität. Als er nach<br />

unserem Befinden fragt und danach, ob<br />

unsere Eltern besorgt seien über das, was<br />

in Istanbul passiert, sagt er: „Ich möchte<br />

nie wieder diese Bilder von CNN und BBC<br />

sehen.“ Das Videomaterial sei mit Bildern<br />

aus Kriegsgebieten vermengt worden,<br />

das, was er sah, sei nicht Istanbul. Die<br />

Demonstrationen schadeten außerdem<br />

dem Image der Türkei im Ausland. Er als<br />

Dozent an einem journalistischen Institut<br />

sei erschüttert darüber – schließlich<br />

lernten wir doch hier, was guter Journalismus<br />

bedeute. Meine Kommilitonin und<br />

ich waren entsetzt, wussten nicht, was<br />

wir erwidern sollten. Konnten wir doch<br />

via Live-Streams verfolgen, dass sich der<br />

Taksim-Platz an den schlimmsten Tagen<br />

in einen Gewaltschauplatz verwandelte,<br />

Anzeige<br />

„Was mich interessiert sind nicht bewegliche Körper,<br />

sondern bewegliche Gehirne. Was mich interessiert<br />

ist die Wiederherstellung der menschlichen Würde<br />

in jeder einzelnen Form.“<br />

Dr. Moshe Feldenkrais<br />

ich selbst habe das Tränengas in der Nase<br />

gespürt, Freunde berichteten von Zusammenstößen<br />

mit der Polizei. Dass sogar<br />

provisorisch errichtete Krankenstationen<br />

angegriffen wurden, ist spätestens seit<br />

dem Besuch von Grünen-Chefin Claudia<br />

Roth in Istanbul und ihren Erlebnissen<br />

am Abend der Räumung des Gezi-Parks<br />

am 15. Juni kein Geheimnis mehr.<br />

Der Protest begegnet mir in diesen Tagen<br />

überall. Aber ebenso die zweigeteilte<br />

Stimmung in der Stadt, die komplett<br />

gegensätzlichen Meinungen der Bürger.<br />

Die vergangenen Tage haben gezeigt,<br />

wie schnell die Stimmung kippen, wie<br />

schnell Unvorhergesehenes passieren<br />

kann. Fest steht, dass die Demonstranten<br />

weitermachen – im stillen Protest, mit<br />

humoristischen Parolen auf der Straße<br />

oder mit der Lautstärke ihrer Kochtöpfe<br />

von Zuhause aus. Dieser Teil der Türken<br />

wird sicherlich nicht alle von ihrer Kritik<br />

überzeugen können, er wird wohl keinen<br />

„Umsturz“ herbeiführen.<br />

Vergessen werden alle Türken<br />

aber weder das Entstehen einer<br />

türkischen Protestkultur,<br />

die feierliche Stimmung im<br />

Gezi-Park noch die Polizeigewalt<br />

und die Reaktionen der<br />

Regierung.<br />

eigene Meinung zu äußern und an bestehenden<br />

Verhältnissen Kritik zu üben,<br />

haben die Türken bereits bewiesen. Wenn<br />

daraus ein politischer Diskurs entsteht<br />

und womöglich die Parteienlandschaft<br />

durch neue, mehrheitsfähige Parteien<br />

ergänzt wird, wäre das ein bedeutender<br />

und der wünschenswerteste Verdienst. #<br />

Feldenkrais-Praxis Vera Lämmerzahl<br />

Ludgeristraße 114 Tel.: 0251-796707<br />

Ich persönlich hoffe, dass<br />

aus dem Protest langfristig etwas<br />

hervorgeht: Den Mut, die<br />

10


Bericht | Text und Foto: Hannes Hennemann<br />

Kurz vor dem Nichts<br />

Gemeinsam gegen die Flut<br />

Die Hochwasser - Katastrophe in<br />

Deutschland betrifft die ganze Nation.<br />

Hilfe wird überall benötigt. Wer spenden<br />

kann, hilft finanziell, andere helfen<br />

durch Arbeitskraft. ~ - Autor<br />

Hannes Hennemann füllt einen Tag lang<br />

Sandsäcke im „Kieswerk Menneke“ in<br />

Niedersachen.<br />

Um <strong>13</strong>:00 Uhr treffe ich am Mittwoch<br />

in dem Kieswerk an. Während der Anmeldung<br />

bei der örtlichen freiwilligen<br />

Feuerwehr sehe ich auf der Liste, dass ich<br />

die 403. Person bin, die sich heute zum<br />

Helfen eingetragen hat. Das Kieswerk ist<br />

seit einer Woche täglich ab 09:00 Uhr<br />

für die freiwilligen Helfer geöffnet, um<br />

19:00 Uhr werden die Schaufeln beiseite<br />

gelegt. In den zehn Stunden kommen<br />

immer wieder Freiwillige dazu, andere<br />

verabschieden sich. Verpflegung wird<br />

von der freiwilligen Feuerwehr gestellt:<br />

Es gibt Getränke und eine Grillstation für<br />

Würstchen; Sonnencreme ist ebenfalls<br />

reichlich vorhanden.<br />

Es sind die tragischen Tage, in denen<br />

sich Deutschland von einer sympathischen<br />

Seite zeigt; das Wort Solidarität<br />

rückt in der Vordergrund. Das zeigt sich<br />

in der bunten Klientel, das die Schaufeln<br />

schwingt. Neben den Mittesiebzigjährigen<br />

aus der Umgebung, die acht Stunden<br />

am Stück arbeiten, sind auch kleine<br />

Familien dabei. Die ganz jungen Kinder<br />

binden die Sandsäcke zu oder spielen<br />

auf den Sandbergen, während ihre Eltern<br />

schippen. Nicht nur Ortsangehörige<br />

kommen zum Helfen, auch Jugendliche<br />

aus Hannover, die „sonst eh nur zu<br />

Hause rumgehangen hätten“, trampen<br />

her, um mit anzupacken. Der exotischste<br />

Helfer kam aus Frankreich und war auf<br />

Urlaubsreise nach Dänemark, als er<br />

mitbekam, dass Hilfe benötigt wird. Am<br />

frühen Morgen sind auch die örtlichen<br />

Schulen vor Ort. 800 Schüler schwitzen<br />

gemeinsam in der Sandgrube statt an<br />

der Schulbank. Scheinbar findet in der<br />

Sandgrube jeder seine soziale Nische. Frei<br />

nach dem Motto „immer gut aussehen<br />

beim Arbeiten“, richten sich links von mir<br />

die Jugendlichen ihre Haare – das Foto<br />

für Facebook darf nicht fehlen. Dennoch<br />

schweigt heute selbst der hartnäckigste<br />

Facebook-Feind, denn die meisten Helfer<br />

sind über die Profilseite des Landkreises<br />

Niederachsen informiert worden. „Die<br />

Zahl der Helfenden ist viel höher als noch<br />

2002, die meisten organisieren sich über<br />

Facebook-Gruppen“, berichtet Marco von<br />

der freiwilligen Feuerwehr. Neben den<br />

selbst organisierten Helfern finden sich<br />

Helfer des „Rapid Relief Team“ – eine<br />

Gruppe Freikirchlicher, die global bei<br />

Katastrophen hilft – und Soldaten der<br />

Bundeswehr.<br />

Es ist eben diese bunte Mischung an<br />

Helfern, die für eine harmonische und<br />

ausgelassene Stimmung sorgt. Jeder hilft,<br />

wo er kann. Wer altersbedingt keine<br />

körperlichen Kapazitäten hat, bringt<br />

Kuchen und Eis in die Sandgrube. Andere<br />

spenden von Zuhause. Ein freiwilliger<br />

Feuerwehrmann neben mir arbeitet mit<br />

einem Spasmus im rechten Arm: Die Motorik<br />

fällt ihm sichtlich schwerer, was ihn<br />

jedoch nicht zu stören scheint.<br />

Die meisten der Helfer haben sich<br />

von der Arbeit beurlauben lassen. Einen<br />

freien Tag gibt es nicht, auch nicht für<br />

die naheliegenden Anwohner, deren<br />

Existenz bei einem Deichbruch jederzeit<br />

weggespült werden kann. Zusammen mit<br />

mir arbeitet Yvonne, ihr Haus wäre im<br />

schlimmsten Fall auch betroffen. Sie ist<br />

den vierten Tag am Stück in der Sandgrube<br />

– ebenso wie viele andere aus ihrer<br />

Gemeinde. Die gelernte technische Zeichnerin<br />

nutzt ihre Überstunden, um in der<br />

Grube Sandsäcke zu füllen. Hochwasser<br />

ist für sie nichts Neues, 2002, 2006 und<br />

2011 hat sie Ähnliches erlebt – dieses Mal<br />

ist es bedrohlicher. Am Abend wird sie<br />

dennoch in ihr Bett in Hohnstorf an der<br />

Elbe fallen: „Ich bin optimistisch, dass<br />

die Dämme halten“, sagt sie lachend.<br />

Die Dämme in Hohnstorf haben gehalten<br />

– hier waren die Einwohner vorbereitet,<br />

und die Hilfsbereitschaft war groß. Dass<br />

nicht alle Orte dasselbe Glück wie Yvonnes<br />

Heimatdorf hatte, zeigten wochenlang<br />

die Bilder in den Medien. Doch mit dem<br />

Ende der Katastrophe und der 8 Milliarden<br />

Euro Hilfe des Bundes verschwindet<br />

gleichzeitig die mediale Aufmerksamkeit.<br />

Die Hilfsbereitschaft endet jedoch nicht:<br />

Die eigentlichen Arbeiten dauern noch<br />

an und nennen sich Aufräumarbeiten.<br />

Viele Existenzen stehen vor dem Nichts,<br />

und Hilfe wird in jeder Form benötigt.<br />

Wer mitanpacken möchte, durchsucht am<br />

besten das Internet und findet kleinere<br />

lokale Aufrufe. Eine andere Möglichkeit<br />

ist die Homepage www.flut-hilfe-sofort.<br />

de, auf der auch jetzt noch jegliche Form<br />

der Hilfe angeboten werden kann. #<br />

11


Bericht | Text und Fotos: Michael Heß<br />

Das Haus der Medien<br />

Münsters Stadtbücherei stellt sich dem Zeitgeist<br />

Die Stadtbücherei am Alten Steinweg gilt<br />

unbestritten als kultureller Leuchtturm<br />

in Münster. Aber auch um kulturelle<br />

Leuchttürme macht der Zeitgeist keinen<br />

Bogen. Elektronische Medien sind auf<br />

dem Vormarsch, und der finanzielle<br />

Rahmen ist zu beachten. Mit dem<br />

stellvertretenden Büchereileiter Gunter<br />

Riemers unterhielt sich ~-Redakteur<br />

Michael Heß über Erwartungen,<br />

Mitarbeiter und Veränderungen.<br />

Es gibt städtische Ämter mit einer<br />

höheren Mitarbeiterzahl als die Stadtbücherei.<br />

Aber es gibt, das Bürgeramt<br />

eingeschlossen, kein anderes Amt mit<br />

einer höheren Besucherzahl. Die 74 Beschäftigten<br />

in der Hauptstelle am Alten<br />

Steinweg plus der Nebenstellen wie bsw.<br />

in der Aaseestadt, im Hansaviertel und in<br />

Gievenbeck plus des Bücherbusses plus<br />

zwei Auszubildende begrüßten im letzten<br />

Jahr 949.861 Besucher. Das ist am Vorjahr<br />

gemessen stabil und meint außerdem,<br />

dass jeder Münsteraner die Stadtbücherei<br />

übers Jahr im Schnitt mehr als dreimal<br />

besuchte. Sie können auf etwa 200.000<br />

Bücher sowie 50.000 andere Medien<br />

zugreifen.<br />

Das ist überaus respektabel, und auch<br />

beim jüngsten Leistungsvergleich der<br />

bundesdeutschen Bibliotheken BIX (das<br />

Kürzel steht für “Bibliotheksindex”)<br />

erreichte das Haus am Steinweg 3,5 von<br />

4 möglichen Sternen und untermauerte<br />

damit seine mitführende Position im<br />

Lande. Auf ihre Bücherei können Münsters<br />

Bürger wirklich stolz sein. Die Stadtverwaltung<br />

und die lokale Politik dürfen<br />

sich dem gerne anschließen, es besteht<br />

dennoch Handlungsbedarf.<br />

Nicht allein der Zeitgeist setzt dem<br />

Hause zu, sondern auch die finanzielle<br />

Misere der Stadt. Der Gesamtetat des<br />

Hauses betrug 2012 rund 4,14 Mio Euro,<br />

wozu die Stadt 3,88 Mio Euro beisteuerte.<br />

Der Rest von 2<strong>60</strong>.000 Euro kam aus<br />

anderen Quellen, Eigenerwirtschaftung<br />

inbegriffen. Die Ausleihe bestimmter Medien<br />

kostet einen Euro, die Fristen sind<br />

beschränkter als früher, das Mahnwesen<br />

ist deutlich gestrafft. Alles zusammen<br />

sicherte 1,88 Mio Ausleihen und mehr als<br />

48.000 Stunden Internetzugang für lau<br />

(wer es bildhafter mag: das sind beinahe<br />

fünfeinhalb Jahre am Stück!). Für Medien<br />

wurden insgesamt 432.323 Euro ausgegeben,<br />

davon 31.290 Euro für Medien wie<br />

CDs, DVDs, e-Books. So sieht Bürgernähe<br />

konkret aus.<br />

Genug der Statistik - also der Zeitgeist.<br />

Sichtbarstes Zeichen, mit diesem Geist zu<br />

gehen, war die Umstellung des Services<br />

zum Jahresanfang. Am Montag findet<br />

seitdem nur noch ein eingeschränkter<br />

Service mit vier Mitarbeitern im Besucherbereich<br />

statt. Dafür öffnet die<br />

Bücherei am Sonnabend seine Pforten<br />

bis 18 Uhr. Der Erfolg gibt recht: “Wir<br />

haben samstags begeisterte Kunden,<br />

die das Haus auch bis 18 Uhr nutzen”,<br />

schildert Gunter Riemers (im Bild) die<br />

Situation. Der 58-jährige Rheinländer<br />

und studierte Bibliothekar hat daran<br />

als stellvertretender Amtsleiter großen<br />

Anteil. Insbesondere Schüler nutzen nun<br />

die Recherchemöglichkeiten am Wochenende,<br />

da sie in der Woche aufgrund der<br />

gewachsenen Lernanforderungen kaum<br />

noch Zeit finden. Aber auch Erwachsene<br />

nutzen die Möglichkeiten einschließlich<br />

der circa 30 Computerplätze intensiv.<br />

Oder auch: Tue Gutes und sprich darüber.<br />

Der 2007 gegründete, sehr rührige<br />

Freundeskreis der Stadtbücherei unter<br />

Vorsitz von Gertraud Horstmann ist mit<br />

seinen Projekten wie dem Leseluchs für<br />

Kinder zuerst zu nennen. Was zu ständig<br />

steigenden Ausleihen in der Kinderbücherei<br />

führt. Im Hause selbst gab es 2012<br />

knappe 300 Führungen mit 6.781 Teilnehmern<br />

und 223 weitere Veranstaltungen<br />

wie Lesungen oder Podiumsdebatten mit<br />

6.381 Besuchern.<br />

Alles das ist ohne das Engagement der<br />

Mitarbeiter nicht denkbar. Seit Jahren<br />

tragen sie die wiederholten Kürzungen<br />

und Umorganisationen klaglos mit. “Die<br />

Dankbarkeit der Kunden kommt bei den<br />

Kollegen an”, sagt Gunter Riemers, der<br />

neben seinen administrativen Aufgaben<br />

auch im Besucherbereich mitarbeitet.<br />

Die Montag-Sonnabend-Umstellung<br />

betreffend “haben wir versucht, ein<br />

Modell mit zwei freien Tagen für die Kollegen<br />

hinzubekommen“. Manche haben<br />

auch drei Tage am Stück frei, aber eines<br />

bleibt doch: die Bereitschaft, auch mal<br />

am Wochenende bis 18 Uhr zu arbeiten.<br />

Wer die Bücherei nutzt, weiß das stets<br />

freundliche Engagement der Mitarbeiter<br />

sehr zu würdigen.<br />

Dennoch ist nicht nur Sonnenschein.<br />

Die Schatten sind dezent, kommen aber<br />

näher. Noch vor fünf Jahren war die<br />

Münsteraner Bücherei gemeinsam mit<br />

12


den Bibliotheken in Dresden und Würzburg<br />

wirklich führend im Lande. Man<br />

wechselte sich auf den ersten Plätze in<br />

trauter Eintracht ab, der Rest von Flensburg<br />

bis Garmisch musste sich damit zufrieden<br />

geben. Das ist Geschichte, denn<br />

beim jüngsten Landesvergleich landete<br />

das Haus zwischen Lambertikirche und<br />

Asche nur noch im oberen Mittelfeld. Mit<br />

dreieinhalb von vier möglichen Sternen.<br />

Es klingt immer noch sehr gut, war aber<br />

eben auch schon mal besser. Seit Jahren<br />

bei Rücknahme und Ausleihe. Gerne<br />

nutzen die Besucher die Möglichkeit<br />

der Rücknahme am Abendschalter bis<br />

23 Uhr. Das Selbstverbuchen zeigt auch<br />

unerwartete positive Effekte wie das<br />

Mehr an Diskretion. Keiner kann mehr<br />

sehen, was den Ausleiher interessiert.<br />

Ein paar Nummern größer fällt der Trend<br />

bei der Zweigstelle in der Aaseestadt aus,<br />

die sich allmählich zu einem faktischen<br />

Stadtteilzentrum entwickelt. Überhaupt<br />

sei die Arbeit mit Freiwilligen in den<br />

den Arbeitstischen, Hörspielstationen<br />

und Buchregalen den ganzen Tag im<br />

Haus verbringen. Man kann den eigenen<br />

Laptop mitbringen und den kostenlosen<br />

Hotspot nutzen. Man kann Räume belegen<br />

für Lernkurse und Versammlungen.<br />

Und es soll sogar Leute geben, denen die<br />

Bücherei ihr zweites Büro geworden ist.<br />

Es geht problemlos, auch wenn die tägliche<br />

Zeit zum Surfen im Hause auf zwei<br />

Stunden beschränkt ist. Andere müssen<br />

auch dürfen wollen.<br />

warnt Monika Rasche als Leiterin der<br />

Bücherei, unterstützt vom Freundeskreis,<br />

intensiv vor weiteren Etatkürzungen.<br />

Diese gefährdeten schleichend, aber stetig<br />

die Qualität beim Service. Sind Besucher<br />

erst einmal weg, kommen sie selten<br />

wieder. “Bibliotheken sterben langsam”,<br />

bezeichnet Gunter Riemers den Prozess.<br />

Die Methodik des jüngsten BIX hinterfragt<br />

er sachlich, anerkennt aber die Tendenz<br />

im Kern ebenso. Da die meisten Mittel<br />

im Etat vertraglich gebunden sind, liefen<br />

weitere Kürzungen automatisch auf<br />

Minderungen im Personalbestand hinaus.<br />

Was neben einem verschlechterten<br />

Service vor allem hieße: Schließungen<br />

von Zweigstellen; die am Aasee und am<br />

Hansaring zuvörderst. Münsters Politik ist<br />

wirklich gefragt.<br />

Auch der Bau selbst wartet mit unangenehmen<br />

Überraschungen auf. Chemische<br />

Prozesse bewirken die allmähliche<br />

Lösung des Verputzes im Innenbereich.<br />

Aufgespannte Netze sollen die Besucher<br />

und Mitarbeiter vor abfallenden Stücken<br />

schützen. Sie bewirken eine eigene Ästhetik,<br />

und mancher Besucher mag sie<br />

für gewollte Kunst am Bau halten. Das<br />

eigentliche Problem harrt trotzdem einer<br />

Lösung. Schwierig.<br />

Die Bücherei gibt derweil eigene Antworten.<br />

Wie die Buchungsmöglichkeiten<br />

per Internet. Zur Serviceumstellung gehört<br />

auch die ausgeweitete Selbstbedienung<br />

Filialen ein beidseitiger Lernprozess.<br />

“Auch wir als hauptberufliche Bibliothekare<br />

lernen daraus”, reflektiert Gunter<br />

Riemers und gibt dem Engagement der<br />

Volunteers beste Noten. Die notwendige<br />

Sachkenne erwerben sie in Schulungen<br />

durch Mitarbeiter der Stadtbücherei. Das<br />

Beispiel Aaseestadt zeigt, wie sehr viele<br />

Bürger den Wert einer gut ausgestatteten<br />

Bücherei für den Erwerb soziokultureller<br />

Kompetenzen wie Lesen und Schreiben<br />

begreifen und sich aktiv einbringen. Seit<br />

März ermöglichen 15 neue Freiwillige<br />

erweiterte Öffnungszeiten. Dank der Zuschüsse<br />

von Sparkasse und Land konnte<br />

endlich die Selbstbuchung eingerichtet<br />

werden.<br />

Nochmals der Zeitgeist. Er zeigt interessante<br />

Trends wie den, dass immer weniger<br />

Sachbücher ausgeliehen werden.<br />

Wegen der übermächtigen Konkurrenz<br />

von Wikipedia und Co. “haben wir die<br />

Lexika eingelagert oder verkauft”, so<br />

Gunter Riemers. Was früher eine imposante<br />

Regalreihe füllte, ist verschwunden.<br />

Ebenso ehemalige Klassiker wie<br />

die Schwacke-Liste. Die elektronischen<br />

Medien expandieren, und vorbehaltlich<br />

der Lösung noch bestehender rechtlicher<br />

Probleme kann sich Gunter Riemers<br />

künftig auch die Ausleihe von Filmen per<br />

Internet vorstellen. Die Stadtbücherei<br />

ist heute mehr als ein Ort der Ausleihe.<br />

Man kann zwischen dem Café Colibri,<br />

dem Lesesaal, den Computerplätzen,<br />

Und dann gibt es noch den neuen<br />

Bücherbus. Das sehr betagte vormalige<br />

Gefährt tat den letzten Schnaufer, ein<br />

neuer Bus musste also her, um im festen<br />

Takt die Außenbezirke der Stadt zu bedienen.<br />

Gut, ein echter Bus ist es nicht<br />

mehr. Sondern ein LKW mit Auflieger,<br />

aber der hat es in sich und bietet fast<br />

alles, was auch die Hauptstelle samt<br />

Filialen hergeben. Schön bunt bemalt<br />

ist er außerdem. Aus einem Wettbewerb<br />

von elf Vorschlägen heraus machte der<br />

Entwurf der 25-jährigen Designstudentin<br />

Elfe Marie Luise Opiela das Rennen. Herzlichen<br />

Glückwunsch, und demnächst rollt<br />

Münsters kunterbunter Bücherbus wieder<br />

auf den Straßen. Eine schwierige Geburt<br />

kommt zum glücklichen Ende.<br />

Viele Bausteine tragen zum Erfolg der<br />

Stadtbücherei bei. Engagierte Mitarbeiter<br />

und ein aktuelles Mediensortiment, das<br />

Café Colibri und der Freundeskreis, interessante<br />

Architektur und ansprechende<br />

Veranstaltungen. Man kann dem Kulturleuchtturm<br />

nur alles Gute wünschen und<br />

weiß diesen Wunsch in den besten Händen.<br />

Aber das Damoklesschwert namens<br />

Etatkürzungen schwebt eben auch über<br />

dem Haus am Alten Steinweg. Die Politik<br />

ist gefragt. #<br />

www.muenster.de/stadt/buecherei<br />

<strong>13</strong>


Bericht | Text und Fotos: Lena Fiebig<br />

Vegane Ernährung<br />

Die neue Art zu Essen auf dem Prüfstand<br />

Es ist ein Trend! Alle Welt scheint sich<br />

seit Neuestem vegan zu ernähren.<br />

Schlägt man die aktuellen Frauen- und<br />

Ernährungszeitschriften auf, fallen<br />

einem haufenweise vegane Rezepte<br />

oder Tipps zu einer veganen Ernährung<br />

in den Schoß. Auch immer mehr Cafés<br />

in Münsters Innenstadt bieten vegane<br />

Köstlichkeiten in ihrem Standardsortiment<br />

an. Der Verzicht auf tierische<br />

Produkte – die neue Ernährung unserer<br />

Gesellschaft? Höchste Zeit nachzufragen,<br />

ob Vegan leben gesund ist, wirklich<br />

schlank macht und auch einen Beitrag<br />

für die Umwelt leistet. Wir haben mit<br />

einem Ernährungsberater und einem<br />

überzeugten Veganer gesprochen, um<br />

der neuen Mode „Veganismus“ auf die<br />

Schliche zu kommen.<br />

In Deutschland leben rund sechs Millionen<br />

Vegetarier, davon ernähren sich<br />

viele vegan. Das bedeutet, dass diese<br />

Menschen keine Lebensmittel essen,<br />

die von Tieren stammen. Neben Fleisch<br />

und Fisch fallen für Veganer auch Eier,<br />

Milchprodukte und Honig weg. Das hört<br />

sich für einen typischen Fleischesser erst<br />

mal seltsam an und die erste Assoziation<br />

von unter-und mangelernährten Menschen,<br />

die nur aus Haut und Knochen<br />

bestehen, lässt sich bestimmt nur schwer<br />

korrigieren. Doch Studien aus den USA<br />

beweisen, dass Veganer nicht an einer<br />

Mangelernährung leiden. Im Gegenteil:<br />

Veganer gehören zwar wirklich zu den<br />

schlankeren Personen, beugen mit ihrer<br />

Essensumstellung aber auch Krankheiten<br />

wie Diabetes, Krebs und Herzerkrankungen<br />

vor. Gründe für eine vegane Ernährung<br />

können viele sein: Ethische, Protest<br />

gegen Massentierhaltung, Allergien oder<br />

einfach um sich bewusster und gesünder<br />

zu ernähren.<br />

Veganer aus Überzeugung<br />

Moritz Golombek hat sich erst vegetarisch<br />

ernährt und ist dann 2010 auf<br />

vegane Lebensmittel umgestiegen. Der<br />

Abiturient des Annette-von-Droste-<br />

Hülshoff Gymnasiums in Münster hat<br />

sich aus tierethischen Gründen vom<br />

Fleischverzehr verabschiedet. Nach einer<br />

ausgiebigen Recherche im Internet über<br />

alternative Ernährungsformen und der<br />

Erkenntnis der schlimmen Bedingungen<br />

unter denen tierische Produkte<br />

hergestellt werden, entschied er sich<br />

schließlich für die vegane Ernährung.<br />

Alltägliche Lebensmittel kauft er in den<br />

handelsüblichen Supermärkten, die sogar<br />

Fleischalternativen anbieten. „ Mein Leben<br />

hat sich durch die Umstellung auf vegane<br />

Lebensmittel nicht groß verändert“,<br />

sagt er. „Ich achte mehr auf Ernährung,<br />

allein schon deswegen, weil man sich<br />

damit mehr auseinander setzen muss.“<br />

Durch Treffen mit anderen Veganern hat<br />

er Tipps zu dem Thema und neue Leute<br />

kennengelernt. Moritz ist ein Beispiel<br />

für die These, dass vegane Ernährung<br />

gesund ist und sogar Krankheiten vorbeugt<br />

beziehungsweise heilt. Er hatte vor<br />

seiner Umstellung auf tierfreie Produkte<br />

mit stärkerer Akne zu kämpfen. Diese ist<br />

jetzt komplett verschwunden. „Ich fühle<br />

mich auch viel besser. Vorher war ich<br />

ungefähr fünf Mal im Jahr krank, jetzt ist<br />

es viel seltener geworden.“ Eine logische<br />

Schlussfolgerung vor allem aufgrund der<br />

gesünderen Lebensweise, die eine vegane<br />

Ernährung mit sich bringt.<br />

„Im gutdeutschen Restaurant<br />

werden es meist<br />

Pommes und Salat.“<br />

14


Wer sich wie Moritz schon in jungen<br />

Jahren zu so einem Schritt der Lebensund<br />

Essensumstellung entscheidet, muss<br />

auch sein persönliches Umfeld miteinbeziehen,<br />

beziehungsweise davon überzeugen.<br />

Moritz erzählt, dass auch seine<br />

Freunde sich erst daran gewöhnen und<br />

Vorurteile abbauen mussten. „In einer<br />

Stadt wie Münster finde ich es aber nicht<br />

schwer, sich vegan zu ernähren“, stellt er<br />

fest. „ Jeder Supermarkt hat ein veganes<br />

Sortiment, viele Cafés bieten vegane<br />

Sachen an, und auch in Eisdielen gibt es<br />

veganes Eis.“ Doch die neue Art zu essen<br />

war anfangs schwer, doch mit der Zeit hat<br />

er seine Gewohnheiten entwickelt und<br />

jetzt ist es kein Problem mehr stressfrei<br />

einkaufen zu gehen. Problematisch wird<br />

es nur bei einem Familienessen, erklärt<br />

Moritz: „ Wenn man mit Oma und Opa<br />

ins gutdeutsche Restaurant geht, dann<br />

werden es meist Pommes und Salat“.<br />

Tipps vom Ernährungsberater<br />

Moritz Beispiel zeigt, dass es sich<br />

durchaus auszahlen kann auf tierische<br />

Lebensmittel zu verzichten, da die<br />

Gesundheit und die Lebensqualität bei<br />

ihm nicht groß beeinflusst wurden,<br />

und wenn, dann im positiven Sinne.<br />

Rainer Bergmann führt eine Praxis für<br />

Gesundheits- und Ernährungsberatung<br />

in Münster und kann aus Expertensicht<br />

sagen, ob eine vegane Lebensweise<br />

gesund ist oder nicht: „Wenn man sich<br />

richtig vegan ernährt, fehlt dem Körper<br />

nichts“, sagt er. „Man muss viel Gemüse<br />

zu sich nehmen, bis zu 750 Gramm täglich,<br />

davon mindestens 200 Gramm roh,<br />

100 Gramm rohes Obst, Vollkornprodukte<br />

und kaltgepresste Öle. Wer einfach nur<br />

Fleisch, Fisch und Milchprodukte weglässt<br />

und ansonsten nur Fast Food und<br />

Fertiggerichte zu sich nimmt, der lebt<br />

natürlich nicht gesünder.“ Bergmann<br />

empfiehlt die Nahrung möglichst vitalstoffreich<br />

zu essen, also so natürlich wie<br />

möglich zu belassen. Bei bestimmten<br />

ernährungsbedingten Krankheiten rät er<br />

zu einer vollwertig-veganen Kost, aber<br />

meist reicht es, sich vollwertig-tierischeiweiß-frei<br />

zu ernähren.<br />

Insgesamt ist die Veränderung zu einer<br />

veganen Lebensweise eine Frage der<br />

richtigen Durchführung. Eine gute und<br />

ausgewogene Nahrungszusammenstellung<br />

ist sehr wichtig, um Mangelerscheinungen<br />

vorzubeugen. Sollte man doch<br />

Probleme mit Eisenmangel oder dem<br />

Fehlen von Vitamin D und B 12 haben, ist<br />

es möglich angereicherte Lebensmittel<br />

als Ergänzung zu sich zu nehmen. Vor allem<br />

Vitamin B12 kommt nur in tierischen<br />

Produkten vor und wird dem Körper<br />

somit am ehesten fehlen. Doch für solche<br />

Fälle gibt es sogar eine Vitamin-B12-<br />

Zahnpasta, mit der man beim Zähneputzen<br />

den täglichen Bedarf abdecken kann.<br />

Veganer ernähren sich meist bewusster,<br />

was eine gesunde Lebensweise mit sich<br />

bringt: Viel Sport, eine ausgewogene<br />

Ernährung, kein Nikotin oder sonstige<br />

Schadstoffe, die dem Körper nicht gut<br />

tun. Das bedeutet nicht, dass Fleischesser<br />

sich generell ungesund ernähren, doch<br />

wer bewusst auf seine Ernährung achtet,<br />

lebt auch bewusster und fühlt sich<br />

dementsprechend besser. Wer spezielle<br />

Fragen zu einer gesunden Ernährung hat,<br />

sollte einen Ernährungsberater um Rat<br />

fragen, da Allgemeinmediziner noch<br />

eine zusätzliche Fortbildung absolviert<br />

haben müssen, um auf dem Gebiet der<br />

Ernährung eine gute Auskunft geben zu<br />

können. Vegan hin oder her, jeder sollte<br />

essen wie es ihm am besten schmeckt<br />

und bekommt. Doch wenn schon gerade<br />

alle auf den Zug der veganen Ernährung<br />

aufspringen, könnte man es ja durchaus<br />

mal ausprobieren und dann entscheiden<br />

mit welcher Ernährungsform man sich<br />

selbst am wohlsten fühlt. #<br />

15


Berichte | Texte: Rita Westerheide | Foto: SWR/Pressestelle/Fotoredaktion_Ge<br />

Wichtiges Ehrenamt<br />

Sven Kuntze spricht aus Erfahrung<br />

Sven Kuntze, Jahrgang 1942, studierte<br />

Soziologie, Psychologie und Geschichte.<br />

Viele Menschen kennen ihn als ehemaligen<br />

Mitarbeiter des WDR in Bonn,<br />

New York und Washington, ab 1993 als<br />

Moderator des „ARD-Morgenmagazins“.<br />

Nach dem Regierungsumzug wurde er<br />

Hauptstadtkorrespondent. Seit 2007 ist<br />

er im „Ruhestand“ und immer noch als<br />

freier Journalist und Moderator tätig.<br />

~: Herr Kuntze, im Jahr 2010 erhielten<br />

Sie den Katholischen Medienpreis<br />

in der Kategorie „Elektronische Medien“<br />

für Ihren Film „Gut sein auf Probe – Ein<br />

Egoist engagiert sich“. Wie ist diese Idee<br />

entstanden?<br />

Sven Kuntze: Im Rahmen der ARD-<br />

Themenwoche entstand zuvor der Film<br />

„Alt sein auf Probe“, wofür ich mich für<br />

drei Monate in der Seniorenresidenz<br />

„Rosenpark“ in Zollstock, einem Kölner<br />

Arbeiterviertel, einquartiert hatte. Da<br />

dieser Film ein voller Erfolg war, fragte<br />

der WDR bezüglich einer weiteren Reportage<br />

an. So ist dann der Film „Gut sein<br />

auf Probe“ entstanden.<br />

~: Welche Erfahrungen haben Sie<br />

persönlich mit dem Ehrenamt gemacht?<br />

Sven Kuntze: Das es ein gegenseitiges<br />

Geben und Nehmen ist. Man sollte<br />

sich zunächst die Frage stellen: „Wofür<br />

möchte ich mich auf Dauer engagieren,<br />

was will ich vom Ehrenamt?“ Das Geld<br />

sollte dabei nicht im Vordergrund stehen.<br />

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich zu<br />

engagieren: Ist man gut in organisatorischen<br />

Dingen, lässt sich mit Sicherheit<br />

dort etwas finden, z. B. die „Aidsgala“.<br />

Ist man auf der Suche nach sozialem<br />

Anschluss, ist man sicherlich gut in der<br />

Beschäftigung mit Obdachlosen aufgehoben.<br />

Dort werden von Betroffenen<br />

interessante Lebensgeschichten erzählt.<br />

Auf jeden Fall bin ich der Meinung, dass<br />

einem das Ehrenamt etwas bringen muss.<br />

~: Ist die ehrenamtliche Arbeit die<br />

Arbeit der Zukunft?<br />

Sven Kuntze: Nein, nicht Arbeit! Da die<br />

Bundesrepublik Deutschland weltweit<br />

das Land mit den meisten Ehrenämtern<br />

ist – um nur wenige zu nennen:<br />

Feuerwehr, Mitarbeit in der politischen<br />

Partei, Caritasverbände etc. -, denke ich,<br />

dass die Zukunft ohne ehrenamtliche<br />

Mitarbeit nicht auskommen wird. Luxus<br />

wird das „Tragen“ der alten Leute sein,<br />

um das mal vorsichtig zu formulieren. In<br />

16


früheren Jahren wurden die Menschen<br />

nicht so alt wie heute. Ich sehe es so,<br />

dass die Generation der 30er und 40er<br />

Jahre sich heute um die alten Menschen<br />

kümmern sollte. Wir müssen uns selbst<br />

kümmern. Die ehrenamtliche Tätigkeit<br />

muss Funktionen übernehmen, die sich<br />

die Gesellschaft nicht mehr leisten kann.<br />

~: Was darf für diese Arbeit erwartet<br />

werden?<br />

Sven Kuntze: Fifty-Fifty. Im Zusammenhang<br />

sollte man sich wohlfühlen mit<br />

dem, was man tut. Dankbarkeit spürbar<br />

zu erfahren, ist eine gute und wichtige<br />

Erfahrung. Es hängt von jedem Einzelnen<br />

selbst ab, was er erwartet. Die Tätigkeit<br />

sollte schon sorgfältig ausgesucht werden.<br />

Ansonsten sollte man wieder gehen<br />

und sich etwas anderes suchen.<br />

~: Sie haben auch Erfahrungen mit<br />

Obdachlosen gemacht. Wie und wo ist es<br />

dazu gekommen? Wie war das genau?<br />

Sven Kuntze: Da der WDR das Projekt ja<br />

finanziert hat, kam natürlich die „Oase“<br />

in Köln als eine gute Adresse infrage. Die<br />

Dreharbeiten fanden im Winter statt.<br />

Dort gab es eine Baracke, in der es gut zu<br />

essen gab, es herrschte eine gemütliche<br />

und muffige Atmosphäre. Mit vielen betroffenen<br />

Menschen haben wir seinerzeit<br />

sprechen können. Aufgrund vieler Erzählungen<br />

der eigenen Lebensgeschichten<br />

war auch absehbar, dass „diese<br />

Menschen“ Schwierigkeiten bekommen<br />

werden, wieder in ein normales Leben<br />

zurückzukehren. Die Basis ist nun mal der<br />

Job, und hier wird auch „Gehorsam“ und<br />

Zuverlässigkeit gefordert. Durch meine<br />

langen beruflichen Aufenthalte in Amerika<br />

vergleiche ich auch immer – und wir<br />

gucken ja von hier auch immer wieder<br />

dorthin. Die Amerikaner sind brutaler.<br />

Dort sterben obdachlose Menschen auf<br />

der Straße. Als „Einwandererland“ geht<br />

das ja wahrscheinlich auch gar nicht<br />

anders.<br />

paar Stunden haben wir immer nette<br />

Atmosphären schaffen und interessante<br />

Gespräche führen können, ohne zu<br />

belehren. (Sicherlich macht es auch<br />

einen Unterschied, ob nun ein gesamtes<br />

Kamerateam vor Ort ist oder man als<br />

Privatperson kommt.) Allerdings war<br />

auch immer wieder herauszuhören, dass<br />

sich so mancher Obdachloser gar nicht<br />

so unwohl fühlt, wenn er überwiegend<br />

auf den Rheinwiesen lebt. Einem jungen<br />

Mann haben wir (das Team) einen<br />

Job vermitteln können. Doch nach drei<br />

Wochen war er schon wieder „draußen“.<br />

Ich denke, dass mit etwas gutem Willen<br />

(ohne den ist es nicht zu schaffen) der<br />

Mensch „auf den Weg der guten Tugend“<br />

zurückgebracht werden kann.<br />

~: Was dürfte aus Ihrer Sicht<br />

geschehen, damit nicht immer mehr<br />

Menschen in diesen Teufelskreis geraten?<br />

Sven Kuntze: Schwierig! Jeder Mensch hat<br />

sein eigenes Schicksal. Leben bedeutet<br />

M<br />

in<br />

der Regel: Acht Stunden Arbeit, dieser<br />

Y<br />

geregelten Arbeit muss nachgegangen<br />

werden, ein Freundeskreis will aufgebaut<br />

CM<br />

werden. Manche Menschen schaffen das<br />

nie. Es gibt zwei Sorten Menschen: MYDie,<br />

die nicht wollen, und die, die nicht kön-<br />

CY<br />

nen. Es sollte jedoch immer wieder von<br />

sozialen Organisationen und Vereinen<br />

CMY<br />

versucht werden, betroffene Menschen<br />

„zurückzubringen“. Es gibt bei<br />

Kuns<br />

keinen Anspruch auf eine Wohnung im<br />

Zentrum. In den Randgebieten der Städte<br />

sind teilweise genügend Wohnungen<br />

zu finden – zumindest hier in Berlin.<br />

Der Staat muss sich zurückziehen, er<br />

wird schwächer und kann das finanziell<br />

nicht mehr leisten. In Griechenland z. B.<br />

sind die Zustände anders. Dort ist es ein<br />

wirtschaftliches Problem. Bei uns sind ja<br />

glücklicherweise nicht so viele Menschen<br />

betroffen. Wir werden in Zukunft alles<br />

C<br />

selbst in die Hand nehmen müssen.<br />

~: Herr Kuntze, ich danke Ihnen für<br />

dieses informative Gespräch und wünsche<br />

Ihnen alles Gute. #<br />

MS_Anz_draußen_42,7x126_sw_RZ.pd<br />

Anzeige<br />

~: Welche persönlichen Erfahrungen<br />

haben Sie mitnehmen können?<br />

Sven Kuntze: Die Dreharbeiten haben<br />

ein halbes Jahr in Anspruch genommen.<br />

Innerhalb von drei bis vier Monaten<br />

habe ich immer wieder Kontakt zu den<br />

obdachlosen Menschen gehabt. Für ein<br />

Infos zum Volksentscheid der Gastwirte in NRW unter<br />

„Raucherparty“ auf Facebook und<br />

www.NRWgeniesst.de<br />

17


Bericht | Text und Foto: Sabrina Kipp | Grafik: Thommy Weiss / pixelio.de<br />

„Unsere Existenz ist akut bedroht”<br />

Interview mit der Gastwirtin Carmen Preston<br />

Es hat sich herum gesprochen: Die<br />

Gastwirte in NRW streben die Abschaffung<br />

des am 1. Mai in Kraft getretenen<br />

“Nichtraucherschutzgesetzes” an. Dieses<br />

verbietet unter anderem das Rauchen in<br />

den Lokalen, was seitdem zu massiven<br />

Umsatzverlusten führt. Über den Sachstand<br />

unterhielt sich ~-Redakteurin<br />

Sabrina Kipp mit Gastwirtin Carmen<br />

Preston (im Bild).<br />

~: Stellen Sie sich unseren Lesern<br />

bitte kurz vor.<br />

Carmen Preston: Vom Vater her Britin,<br />

59 Jahre jung und seit 40 Jahren in der<br />

Gastronomie tätig. Heute als Inhaberin<br />

des Lokals “Kreuzeck” im Kreuzviertel.<br />

~: Was bringt Münsters Wirte denn<br />

so auf die Palme?<br />

Carmen Preston: Viele Wirte haben seit<br />

2007 erhebliche Summen in den Einbau<br />

von separaten Nichtraucher- oder<br />

Raucherräumen investiert. Fast immer<br />

auf private Kosten, denn Darlehen für<br />

die Gastronomie sind seit Jahren nicht<br />

mehr zu bekommen. Das soll nun alles<br />

nicht mehr gelten. Die Investitionen<br />

sind entwertet, und das bedroht die<br />

soziale Existenz der Wirte. Vielleicht<br />

gab es Beschwerden irgendwo in NRW.<br />

Sie waren die Ausnahme, die die Regel<br />

bestätigten. Weder bei den Ordnungsämtern,<br />

der Polizei oder der DEHOGA gab<br />

es Beschwerden in nennenswerter Zahl.<br />

Alle Beteiligten konnten mit der Regelung<br />

spezieller Räume sehr gut leben. Raucher<br />

und Nichtraucher sind doch nicht in die<br />

Lokale gekommen, um sich zu zoffen!<br />

~: Aber die Landesregierung nicht?<br />

Carmen Preston: So müssen wir es sehen<br />

- und die rot-grüne Landtagsmehrheit<br />

auch nicht. Es ist unverständlich, warum<br />

eine taugliche Regelung ohne sachlichen<br />

Grund aufgehoben wurde. Erst recht,<br />

wenn es eine Merkwürdigkeit vor der<br />

entscheidenden Abstimmung gab.<br />

~: Als da wäre?<br />

Carmen Preston: Vor der entscheidenden<br />

Abstimmung gaben 18 grüne und<br />

rote Abgeordnete eine Erklärung ab.<br />

Sie drückten ihre Bedenken gegen das<br />

Gesetz aus, folgten letztendlich aber dem<br />

Fraktionszwang. Das heißt, sie hatten so<br />

abzustimmen wie bekannt, auch wenn<br />

es persönliche Bedenken gab. Ohne diese<br />

18 Abgeordneten hätte der Gesetzentwurf<br />

der Regierung keine Mehrheit gefunden<br />

und würde es keine Bedrohung unserer<br />

sozialen Existenz geben.<br />

~: So viel zum Thema Handlungsfreiheit<br />

von Abgeordneten. Welche Negativfolgen<br />

gibt es konkret?<br />

Carmen Preston: Das drohende soziale<br />

Aus für viele Wirte bei Umsatzverlusten bis<br />

zu 50 Prozent. Viele Wirte waren immer<br />

selbständig und können keine Leistungen<br />

wie Arbeitslosengeld beziehen. Dafür<br />

droht Hartz IV. Daneben fühlen<br />

sich die Anwohner in den Abendstunden<br />

durch die Gespräche der<br />

Gäste vor den Lokalen genervt.<br />

~: Die Gäste arrangieren sich<br />

mit den neuen Gegebenheiten?<br />

Carmen Preston: Höchstens<br />

insofern, als sie jetzt immer vor<br />

die Tür gehen mit den Folgen<br />

wie beschrieben. In den Lokalen<br />

selbst wird jede Kommunikation<br />

unmöglich gemacht. Gerade deshalb<br />

kommen doch viele Menschen ins Lokal!<br />

Wenn aber ständig jemand nach draußen<br />

geht kann, man nicht klönen, Karten<br />

spielen oder Fußball schauen. Unsere<br />

Existenz ist akut bedroht. Stellen sie sich<br />

einmal ein Kino vor, in dem Cola und<br />

Popcorn nur außerhalb der Kinosäle konsumiert<br />

werden dürfen. Jedes Kino kann<br />

dichtmachen.<br />

~: Im Sommer ist es schön draußen.<br />

Carmen Preston: Sicher, aber die wenigsten<br />

Gäste haben im Winter Bock, sich<br />

einen Mantel überzuziehen und kalte<br />

Füße zu holen. Dann kommen sie gar<br />

nicht mehr und rauchen und trinken zu<br />

Hause.<br />

~: Was haben Sie bisher erreicht?<br />

Carmen Preston: Um ein Volksbegehren<br />

starten zu können, sind in ganz NRW<br />

3.000 Unterschriften nötig und ein alternativer<br />

Gesetzentwurf. Der ist fertig und<br />

besagt in nur zwei Paragrafen, dass die<br />

Situation wie bis zum 30. April mit sofortiger<br />

Wirkung wieder gelten solle. Auch<br />

die 3.000 Unterschriften sind im Kasten,<br />

davon sind allein 1.300 Unterschriften<br />

aus Münster. Herzlichen Dank dafür!<br />

~: Wie geht es nun weiter?<br />

Carmen Preston: Im nun anstehenden<br />

Volksbegehren müssen wir in maximal<br />

zwölf Monaten in ganz NRW 1,1 Millionen<br />

Unterschriften sammeln. Dann könnte die<br />

Landesregierung einlenken und unserem<br />

Ansinnen folgen. Bleibt sie aber immer<br />

noch hart, kommt es zum Volksentscheid.<br />

Der läuft im Prinzip ab wie eine Wahl<br />

mit Wahllokalen und -kabinen in allen<br />

Gemeinden. Beteiligen sich mindestens<br />

15 Prozent der Wahlberechtigten am<br />

Entscheid und haben wir die Mehrheit<br />

der Stimmen, tritt die bis zum 30. April<br />

gültige Regelung wieder in Kraft. Doch<br />

wir setzen schon auf frühere Einsicht in<br />

Düsseldorf. #<br />

18


Bericht | Text und Foto: Michael Heß<br />

Die Tafel an der Kreuzung<br />

Eine Tafel an der Warendorfer Straße gedenkt der Deportationen Münsteraner Juden<br />

Stätten der Erinnerung an die Verbrechen<br />

der Nazis gibt es in Münster<br />

erfreulich viele. Die bekannten Orte wie<br />

die Villa Ten Hompel ergänzen unauffälligere<br />

Plätze. Einer von ihnen befindet<br />

sich unweit der Villa. ~-Redakteur<br />

Michael Heß schreibt über die an die<br />

Judendeportationen erinnernde Gedenktafel<br />

an der Warendorfer Straße.<br />

“Noch hielt der Wagen nicht richtig, da<br />

wurden die Türen aufgerissen. Schläge<br />

hagelten auf uns nieder. Willenlos mussten<br />

wir alles über uns ergehen lassen.”<br />

Der damals 22-jährige Elektriker Siegfried<br />

Weinberg schildert Jahre nach dem Krieg<br />

bildhaft die Umstände der ersten Deportation<br />

von Juden am <strong>13</strong>. Dezember 1941.<br />

Bereits im Herbst 1944 wird er als Autor<br />

des sogenannten “Weinberg-Reports” zu<br />

den ersten Zeugen der nationalsozialistischen<br />

Vernichtungspolitik gehören. Was<br />

im Gegenzug bedeutet, dass die Untaten<br />

und viele Täter schon in der nazimilden<br />

frühen Bundesrepublik bekannt waren.<br />

Von den 390 Deportierten an diesem <strong>13</strong>.<br />

Dezember kommen 105 aus Münster. Auf<br />

Bequemlichkeit hatten die Opfer auf der<br />

vorletzten “Reise” ihres Lebens zu verzichten;<br />

acht bis zehn Personen nutzen<br />

ein Abteil der Dritten Klasse; über Osnabrück<br />

und Bielefeld geht der Transport<br />

ins Rigaer Ghetto als Sammelstelle für die<br />

Vernichtungslager.<br />

Der ersten Deportation folgten noch<br />

drei weitere. Am 27. Januar 1942 kommt<br />

es zum zweiten Transport von elf Münsteraner<br />

Juden nach Riga, am 31. März<br />

ist das Warschauer Ghetto für erneut elf<br />

Juden das Ziel. Münsters letzte 50 alte<br />

und kranke Juden werden schließlich am<br />

31. Juli nach Theresienstadt in Böhmen<br />

(heute Terezin) verschleppt. Damit ist die<br />

Hauptstadt des NSDAP-Gaues Westfalen-<br />

Nord offiziell “judenfrei”, doch werden<br />

noch 1944 sog. “Mischlinge” und jüdische<br />

Eheleute deportiert. Zum dritten<br />

Male nach <strong>13</strong>50 und 1554 ist die jüdische<br />

Gemeinde vernichtet. Von den 299 verschleppten<br />

Juden überleben nur 24 das<br />

Dritte Reich. Nur sehr wenige Juden wie<br />

die Familien Goldenberg (Münster) und<br />

Spiegel (Warendorf) kehren nach 1945<br />

zurück.<br />

Als Sammelpunkt für die Transporte aus<br />

Münster und den umliegenden Gemeinden<br />

dient die heute nicht mehr existierende<br />

Gastwirtschaft Gertrudenhof (an<br />

der Kreuzung von Kaiser Wilhelm-Ring<br />

und Warendorfer Straße gelegen). Von<br />

dort treibt man die Opfer zum alten Güterbahnhof.<br />

Das konnte nicht unbemerkt<br />

bleiben. Von Protesten Münsteraner, und<br />

seien sie noch so verdeckt erfolgt, ist aber<br />

nichts bekannt. Fünfzig Jahre später, im<br />

Dezember 1991, bewertet Pfarrer Jürgen<br />

Hülsmann das Verhalten der Münsteraner<br />

deutlich: “Denn sie wussten, was Recht<br />

ist, und ließen trotzdem das Unrecht<br />

geschehen.” Es bleibt dem damaligen<br />

Oberbürgermeister Jürgen Twenhöven<br />

vorbehalten, die Opfer offiziell um<br />

Entschuldigung zu bitten und den <strong>13</strong>.<br />

Dezember 1941 als “schwarzen Tag” für<br />

die Stadtgeschichte zu brandmarken.<br />

Die Deportationen waren bekannt. In<br />

der Münsterschen Zeitung nach dem <strong>13</strong>.<br />

Dezember 1941 findet sich dazu allerdings<br />

kein Wort. Dafür goutiert der Leser Beiträge<br />

wie “Wer will Unteroffizier werden?”<br />

und den Fortsetzungsroman “Elf Tage für<br />

Carmen” eines gewissen Heinz W. Fischer.<br />

Die Gazette weiß zudem von einer “reizvollen<br />

Cossi fan tutte-Inszenierung in<br />

der Stadthalle” zu berichten, und auch<br />

die tägliche Rätselecke findet Leser. Vor<br />

allem aber füllen Meldungen über Siege<br />

der Wehrmacht an allen Fronten die<br />

Seiten, obwohl vor Moskau schon der<br />

Rückwärtsgang eingelegt war. Die bereits<br />

vielen Gefallenenanzeigen bilden dazu<br />

einen merkwürdigen Kontrast.<br />

Im Gedenken an alles das wird die<br />

bronzene Tafel am <strong>13</strong>. Dezember 1991 am<br />

heutigen Standort durch die Stadt Münster<br />

errichtet. Zuvor gibt es eine gemeinsame<br />

Initiative der Jüdischen Gemeinde und<br />

der Gesellschaft für Christlich-Jüdische<br />

Zusammenarbeit (siehe dazu auch “Alles<br />

Wirkliche im Leben ist Begegnung”; in:<br />

~ 07/20<strong>13</strong>). Seitdem erinnern an jedem<br />

<strong>13</strong>. Dezember historisch interessierte<br />

Münsteraner an die Deportationen. “Es<br />

war eine sehr lange und mühsame Suche,<br />

denn ursprünglich sollte eine Gedenktafel<br />

am Haus der ehemaligen Schauburg, dem<br />

Ort, an dem die Juden zusammengetrieben<br />

wurden vor der Deportation und der<br />

für mich in meiner Kindheit einer der<br />

‘verbotenen Orte’ in MS war”, erinnert<br />

sich die damalige Vorsitzende der jüdischen<br />

Gemeinde Ruth Frankenthal. Doch<br />

die Eigentümerin wehrte sich vehement,<br />

und so wurde nach langen Querelen ein<br />

Platz in städtischem Eigentum, die kleine<br />

Ecke an der Kreuzung, gefunden. Für Ruth<br />

Frankenthal “eine hervorragende Lösung,<br />

da dort die Stele eher wahrgenommen<br />

wird als eine Tafel am Gebäude.”<br />

Nochmals Siegfried Weinberg in seinen<br />

Erinnerungen: “Um 10 Uhr morgens<br />

am <strong>13</strong>. Dezember setzte sich der Zug in<br />

Bewegung. Unaufhaltsam rollten wir<br />

dann unserem Schicksal, das dunkel und<br />

schwer vor uns lag, entgegen.” #<br />

19


Bericht | Text und Fotos: Susanne Wasielewski<br />

Großer Kleingarten mit tollem Teich<br />

Ehepaar entdeckt Gartenleidenschaft im Alter<br />

In einer Kleingartenanlage in Münsters<br />

Norden macht mich wunderschöner<br />

roter Klatschmohn vor einem größeren<br />

Teich auf einen besonderen Garten aufmerksam.<br />

Ich hinterlasse den Besitzern<br />

eine Nachricht, und wenig später ruft<br />

mich ein freundlicher älterer Herr an.<br />

Gern darf ich in seinem Garten für die<br />

„~“ fotografieren. Er bittet mich<br />

aber um zwei Wochen Geduld, damit<br />

auch die Rosen schön zur Geltung kommen.<br />

Ende Juni herrscht in Münster wechselhaftes<br />

Wetter. Da hilft nur spontan<br />

sein. Eines Morgens verabrede ich mich<br />

mit dem Ehepaar G. an ihrem Garten,<br />

und eine halbe Stunde später treffen wir<br />

uns dort. Braun gebrannt und sportlich<br />

wirken die beiden Pensionäre, die<br />

mich in ihr Gartenparadies bitten, er in<br />

leuchtendblauer, sie in roter Sweatjacke.<br />

Der Weg zum Gartenhaus ist jetzt von<br />

blühenden Rosen in verschiedenen Farben<br />

und dunkelblauem Salbei gesäumt.<br />

Darüber tragen ein junger Pflaumenbaum<br />

und zwei Apfelbäume schon schwer an<br />

ihrer Last. Ein rosa blühendes Rosenstämmchen<br />

wird von Lavendel umwogt.<br />

Unter den Kleingärten ist dieser Eckgarten<br />

ganz klar einer der größeren. Das<br />

gefiel dem Ehepaar, als sie sich 1990 von<br />

Freunden dazu überreden ließen, einen<br />

Schrebergarten zu übernehmen. „Dieser<br />

oder keiner“, wetterte Herr G. damals,<br />

der nicht ganz vorurteilsfrei gegenüber<br />

Schrebergärten war. Inzwischen ist er<br />

derjenige, der auch im Winter täglich in<br />

den Garten fährt, um die Vögel mit Haferflocken<br />

in Öl zu füttern. Rotkehlchen Willi<br />

erwartet ihn dort schon und hüpft hinters<br />

Haus zum Futterplatz. Auch Meisen freuen<br />

sich über die Fütterung. Durch die Nähe<br />

des Waldes bekommt das Ehepaar einiges<br />

an Vögeln zu sehen, sogar ein Grünspecht<br />

kommt öfter vorbei. Spatzen sieht man<br />

dagegen selten. Mit den Vorschriften<br />

einer Kleingartenanlage haben sich die<br />

beiden gut arrangiert: Die Gemüsefläche<br />

haben sie zugunsten eines großzügigen<br />

Teich-Biotops verkleinert. Dennoch gehen<br />

sie im Sommer nicht leer aus: Salat,<br />

Erdbeeren und Bohnen gedeihen gut und<br />

sind mit einem Netz vor allzu gierigen<br />

Vögeln geschützt. Außerdem gibt es einen<br />

Johannisbeerstrauch und eine Brombeerhecke.<br />

Aus den Brombeeren gewinnt die<br />

Hausfrau vitaminreichen Saft. Indem sich<br />

das Paar um den Grünstreifen hinter dem<br />

Zaun kümmert, leistet es seine Gemeinschaftsarbeit<br />

ab. Dabei schneidet Herr G.<br />

die Buche gern heckenförmig zurück.<br />

Einen alten Pflaumenbaum haben sie<br />

durch ein junges Apfelbäumchen mit<br />

dem wohlklingenden Namen „Geheimrat<br />

Oldenburg“ ersetzt, und allmählich<br />

sind viele Blühpflanzen und einige sich<br />

harmonisch in die Umgebung einfügende<br />

Dekorationsobjekte dazugekommen: Auf<br />

der alten Bank am Teich sitzt beispielsweise<br />

ein Keramikfrosch, auf der Wiese<br />

watschelt eine stählerne Ente. Frau G.<br />

sorgt gern für solchen Gartenschmuck,<br />

manches haben sie aber auch gemeinsam<br />

entdeckt oder von Freunden, Kindern<br />

und Enkeln geschenkt bekommen.<br />

Vom Terrassenplatz aus schweift der<br />

Blick über den gesamten Ziergarten;<br />

den Sichtschutz der Vorgänger um die<br />

Terrasse hat das Ehepaar rasch entfernt.<br />

Eine zweite Sitzgruppe steht zwischen<br />

Gemüsebeet, Rasen und Teich. Von hier<br />

aus fallen mir die hübschen gelben Taglilien<br />

am rechten Teichufer auf. Auf der<br />

anderen Teichseite erkenne ich prächtigen<br />

Rittersporn. In einem kräftigen Dunkelpink<br />

blühen noch die Pfingstrosen.<br />

Eine hochgewachsene Westerlandrose<br />

fasziniert mich aufgrund ihres hübschen<br />

Orangetons und ihres angenehmen Dufts.<br />

Mehrere Hortensien stehen noch vor der<br />

Blüte. Eine Art Strauchhortensie haben die<br />

Gartenbesitzer sogar aus einem Tirolurlaub<br />

mitgebracht und diese dann wenig<br />

später auch im heimischen Gartencenter<br />

20


entdeckt. Im Garten arbeiten beide gern,<br />

für den Teich und das Rasenmähen fühlt<br />

sich Herr G. jedoch allein zuständig.<br />

Lebhaft zeigt er mir die kleinen Fische –<br />

Moderlieschen und Bitterlinge – knapp<br />

unter der Wasseroberfläche. Als ich mich<br />

unvermittelt dem Teich nähere, ertönt<br />

ein Plitsch-platsch; da sind wohl zwei<br />

Frösche vorsichtshalber abgetaucht. Vor<br />

Jahren ist Herrn G. der Schnappschuss<br />

eines kleinen Froschs in einer Seerosenblüte<br />

gelungen. Dieses Bild wurde sogar<br />

im Rahmen eines Fotowettbewerbs in<br />

der „Aktuellen Stunde“ des WDR gezeigt,<br />

erzählt mir der liebenswürdige Pensionär<br />

stolz.<br />

Der pensionierte Beamte hat viele Namensschildchen<br />

neu erworbener Pflanzen<br />

aufbewahrt, so dass sich das meiste<br />

gut zuordnen lässt. Dieses Jahr wird der<br />

Garten stark von Ameisen heimgesucht,<br />

erzählt Frau G. Ein besonderes Erlebnis ist<br />

immer der Tag im Jahr, wenn die Ameisen<br />

zu fliegen beginnen. Das lockt die Frösche<br />

aus dem Teich hervor, die dann fette<br />

Beute machen.<br />

Hier in Münsters Norden herrscht<br />

Lehmboden vor, und der 78-jährige<br />

Freizeitgärtner ist froh, dass er nicht<br />

viel Gemüsefläche hat und daher kaum<br />

umgraben muss. Der Boden ist so fest,<br />

dass das Wasser nach dem Gießen oft nur<br />

schwer einsickert.<br />

Herr und Frau G. gärtnern gemeinsam<br />

und scheinen sich dabei gut zu ergänzen.<br />

Die Ideen beider fließen in den Garten<br />

ein. Gärtnern scheint eine kommunikative<br />

Angelegenheit zu sein; hier herrscht<br />

reger Kontakt zu den Nachbarn.<br />

Herrn G.s Herz hängt an dem schönen,<br />

mit Seerosen bepflanzten Teich und<br />

dessen Bewohnern. Wenn sie einmal aus<br />

Altersgründen den Garten abgeben müssen,<br />

wünscht er sich von den Nachfolgern,<br />

dass sie den Teich bestehen lassen. #<br />

Öffnen Sie uns auch die<br />

Pforten zu Ihrem Garten?<br />

Susanne Wasielewski<br />

Telefon 0251-2302215<br />

Mail wasielewski-muenster<br />

@t-online.de<br />

21


Berichte | Texte und Fotos: Sascha Benedikt Idziaszek<br />

Das Mädel im Moor<br />

~-Autorin wird Volontärin in Ostfriesland<br />

Hochschulabschluss, journalistische<br />

Zusatzausbildung, zahlreiche Praktika<br />

– Katrin Moser ist wirklich gut<br />

ausgebildet, und beruflich stünden<br />

ihr alle Möglichkeiten offen. Trotzdem<br />

entschied sie sich für die Einsamkeit und<br />

Weite Ostfrieslands. Warum die 27-Jährige<br />

ausgerechnet die Region zwischen<br />

Moorgebiet und Nordseeküste für ihre<br />

berufliche Zukunft wählte und welch interessanter<br />

journalistischer Werdegang<br />

sich dahinter verbirgt? „~“-Autor<br />

Sascha Idziaszek hat sie gefragt.<br />

„Es ist schon komisch, demnächst in<br />

einer Region zu wohnen, in der jeder<br />

zweite Ortsnahme mit ‚Moor’ beginnt<br />

oder endet“, bemerkt Katrin Moser<br />

schmunzelnd. Tatsächlich heißen die<br />

Orte um ihren neuen Lebensmittelpunkt<br />

Moorhusen, Westermoordorf, Goldmoor,<br />

Südmoor. So einsam wie es klingt, ist es<br />

dort auch, weiß Katrin schon aus früheren<br />

Besuchen. Aus diesem Grunde war<br />

auch die Frage einiger Mit-Studenten<br />

verständlich: „Warum ausgerechnet<br />

Ostfriesland?“<br />

„Diese Frage – begleitet von einem<br />

unverständlichen Kopfschütteln – kam<br />

meistens von Mitstipendiaten bei der<br />

JONA“, erklärt die angehende Volontärin<br />

ebenfalls kopfschüttelnd. Bei der JONA<br />

handelt es sich um die Journalistische<br />

Nachwuchsförderung der Konrad-<br />

Adenauer-Stiftung, in der junge und<br />

hochbegabte Studenten neben ihrem<br />

regulären Studium zu Journalisten ausgebildet<br />

werden. Auch Katrin hat diese<br />

trimediale, mehrjährige Ausbildung nun<br />

fast durchlaufen. „Tri-Medial bedeutet,<br />

dass wir in den Bereichen TV, Print und<br />

Hörfunk Erfahrungen sammeln können.<br />

Obwohl es eigentlich inzwischen multimedial<br />

heißen müsste, weil der Online-<br />

Bereich verstärkt hinzugekommen ist“,<br />

erklärt die Fast-Ostfriesin, die sich schon<br />

vor und hinter der Kamera bewegt, eigene<br />

Beiträge erstellt und geschnitten hat<br />

sowie bei Hörfunkproduktionen dabei<br />

war. „Die Printmedien, also Zeitung und<br />

Magazine, sind aber eher mein Ding“,<br />

sagt Katrin ganz offen.<br />

Hier liegen ihre Stärken, stellt die<br />

Jungjournalistin deutlich heraus. Wen<br />

wundert es, hat Katrin Moser mit nur 27<br />

schon über fünfzehn Jahre Erfahrung in<br />

diesem Bereich gesammelt. „Begonnen<br />

hat alles bei der Schülerzeitung“, erzählt<br />

die gebürtig aus Hessen stammende Katrin.<br />

Es folgte die freie Mitarbeit bei einer<br />

Tageszeitung an der Bergstraße. Dort<br />

entwickelte sie sich zum regelrechten<br />

Interview-Profi: Ein Gespräch mit dem<br />

damaligen hessischen Ministerpräsidenten<br />

Roland Koch stand ebenso auf<br />

dem Terminzettel wie ein Treffen mit der<br />

Fernsehrichterin Barbara Salesch. „Als<br />

die TV-Juristin damals bei uns anrief und<br />

meine Mutter am Telefon war, dachte<br />

Mama zunächst, die Verwandtschaft<br />

erlaube sich einen Scherz“, berichtet<br />

Katrin heute noch schmunzelnd und<br />

weiter, „sie war es aber tatsächlich und<br />

es kam ein spannendes Interview dabei<br />

heraus.“ Ein absoluter Höhepunkt in<br />

der journalistischen Karriere war für die<br />

zukünftige Diplom-Theologin das Treffen<br />

mit dem 14. Dalai Lama in Wiesbaden.<br />

Kein großer Pressetermin mit zahlreichen<br />

Reportern, sondern eine Privat-Audienz<br />

mit dem religiösen Oberhaupt der Tibeter.<br />

„Ein beeindruckendes Erlebnis<br />

– und ja, der Dalai Lama ist tatsächlich<br />

so charismatisch und humorvoll, wie er<br />

immer beschrieben wird“, sagt Katrin mit<br />

leuchtenden Augen.<br />

Katrin Moser wäre nicht Katrin Moser,<br />

wenn sie ihrem Lebensweg nach dem Abitur<br />

nicht noch einmal eine andere Wendung<br />

gegeben hätte: „Dass ich nach dem<br />

Abitur katholische Theologie studiere und<br />

dann auch noch in Münster, damit haben<br />

wohl die wenigsten in meinem Umfeld<br />

gerechnet. Politikwissenschaften oder<br />

Journalismus im nahegelegenen Mainz,<br />

okay – aber ausgerechnet Theologie? Und<br />

da war es wieder, das verständnislose<br />

Kopfschütteln“, erklärte Katrin, macht<br />

aber unmissverständlich deutlich, dass<br />

Theologie und Journalismus sich keineswegs<br />

ausschließen: „Es gibt zahlreiche<br />

Medienvertreter, die vorher Theologie<br />

studiert haben. Außerdem kann man damit<br />

sogar Bundespräsident werden, der<br />

Jetzige hat ja lange Zeit als evangelischer<br />

Pastor gearbeitet.“<br />

Das nötige professionelle-journalistisch<br />

Hintergrundwissen eignete sich Katrin<br />

während des Studiums bei regelmäßigen<br />

Veranstaltungen der schon erwähnten<br />

JONA an. „Manchmal war es schon sehr<br />

anstrengend: Das normale Studium an<br />

der Theologischen Hochschule der Kapuziner<br />

in Münster, an den Wochenenden<br />

JONA-Seminare – verteilt über ganz<br />

Deutschland – und in den Semesterferien<br />

dann noch mehrere Praktika“, erzählt die<br />

zukünftige Volontärin. Wobei gerade ein<br />

Praktikum ihre Entscheidung für Ostfriesland<br />

maßgeblich beeinflusst hat:<br />

Während andere Stipendiaten Erfahrungen<br />

bei WDR, ZDF oder der Washington<br />

Post in den USA sammelten, zog es<br />

Katrin immer wieder in den Norden:<br />

Zeitungspraktikum beim Ostfriesischen<br />

Kurier, Fernsehpraktikum beim Ostfriesen<br />

TV. „Und nein“, wehrt die Theologin<br />

entschieden ab, „dort sitzen nicht zwei<br />

Einheimische im Ostfriesen-Nerz auf dem<br />

Deich und erzählen sich pausenlos Witze.“<br />

Dass Katrin mit ihrer Entscheidung<br />

nicht nur auf Begeisterung stieß, sondern<br />

auch die Spötter auf den Plan rief,<br />

war ihr von Anfang an klar. Das prallte<br />

aber locker an der münsterländischen<br />

Ostfriesin aus Hessen ab. „Schließlich“,<br />

sagt sie „arbeite ich bald dort, wo andere<br />

Urlaub machen.“ Katrin weiß sehr genau,<br />

worauf sie sich einlässt und hat auch die<br />

andere Seite des Journalismus bei einem<br />

großen Verlag kennen gelernt. Ein Praktikum<br />

absolvierte sie beim renommierten<br />

22


Hamburger-Verlag Gruner+Jahr in der<br />

STERN-Redaktion. Dort redigierte sie<br />

Artikel und arbeitet an einem Sonderheft<br />

über die Weltreligionen mit.<br />

In mancherlei Hinsicht kam ihr auch<br />

das Theologiestudium zugute. „Bei einem<br />

Praktikum bei der Katholischen Fernseharbeit<br />

(KFA) in Frankfurt, die im Auftrag<br />

der Deutschen Bischofskonferenz arbeitet,<br />

war mein theologischer Background<br />

nicht ganz unnütz“, erzählt Katrin Moser<br />

schmunzelnd. Ein Praktikum, das bis<br />

vor einigen Wochen noch nachwirkte,<br />

entstand daraus doch eine weitere Mitarbeit<br />

im Bereich Soziale Netzwerke. Bis<br />

Ende Mai kümmerte sich die Theologin<br />

aus Münster um die Facebook-Seite der<br />

Katholischen Fernseharbeit und stand<br />

damit in gewisser Weise auf der (Honorar-)Gehaltsliste<br />

der Deutschen Bischofskonferenz.<br />

Seit Beginn ihres Studiums hat<br />

sie aber auch die manchmal harte Arbeit<br />

bei der Tageszeitung und die „Freuden<br />

und Leiden eines Freien“, wie sie sagt,<br />

nicht aus dem Auge verloren. An den<br />

Wochenenden ging es von Jahreshauptversammlungen<br />

bis zu Schützenfesten<br />

und Theatervorführungen im Auftrag der<br />

Westfälischen Nachrichten (WN) durch<br />

Münsters Stadtteile. Auch die Arbeit bei<br />

der „~“ hat Katrins journalistischen<br />

Blick noch einmal geschärft. „Meine Sicht<br />

auf manche gesellschaftliche Probleme<br />

hat sich noch einmal verändert“, sagt<br />

sie. Und warum dann kein Volontariat<br />

in Münster? „Diese Frage habe ich mir<br />

eigentlich gar nicht gestellt“, berichtet<br />

Katrin nachdenklich, die ihre Liebe zur<br />

Nordseeküste und der Landschaft in der<br />

Abitur-Zeit entdeckt hat. „Daran war<br />

wohl mein Lehrer schuld, der die Abschlussfahrt<br />

organisierte.“ Die Abi-Fahrt<br />

ging damals zunächst nach Hamburg<br />

und dann auf die Hallig Langeneß – und<br />

zwar bei Sturmflut. „Während meine Mitschülerinnen<br />

Angst hatten, nasse Füße<br />

zu bekommen und sich die Fingernägel<br />

abzubrechen, bin ich draußen herumgelaufen<br />

und habe mir die Flut angesehen<br />

und den Bewohnern geholfen“, berichtet<br />

Katrin und spricht von einer „Initial-<br />

Zündung“. „Für mich war klar, hier in<br />

der Region willst du irgendwann mal<br />

arbeiten. Als sich dann einige Semester<br />

später die Möglichkeit bot, beim Ostfriesischen<br />

Kurier ein Praktikum zu machen,<br />

habe ich sofort zugesagt.“ Dass dies<br />

genau die richtige Entscheidung war,<br />

zeigt sich jetzt. Am 1. September beginnt<br />

Katrin genau bei dieser Zeitung ihr Volontariat.<br />

„Vor ein paar Monaten fiel mir<br />

auf, dass mein Studium bald zu Ende ist<br />

und ich mich wohl mal bewerben sollte;<br />

das tat ich dann auch. Ich war echt<br />

überrascht, dass dann alles so schnell<br />

ging“, erzählt die (Noch-)Münsteranerin<br />

ungläubig. Tatsächlich: Kurzer Anruf in<br />

der Redaktion, Bewerbungsunterlagen<br />

geschickt, ein paar Wochen später kurzes<br />

Vorstellungsgespräch und schließlich die<br />

Zusage. „Scheinbar habe ich mich beim<br />

Praktikum nicht ganz so blöd angestellt.“<br />

Trotzdem ist es ihr immer noch<br />

nicht ganz geheuer, vor allem wenn<br />

sie darüber nachdenkt, dass manche<br />

ihrer top-ausgebildeten Mit-Studenten<br />

zahlreiche Bewerbungen schreiben und<br />

ihnen eine Absage nach der anderen ins<br />

Haus flattert.<br />

Das extrem kurze Vorstellungsgespräch<br />

mit dem Chefredakteur und der stellvertretenden<br />

Verlagsleiterin empfindet<br />

Katrin im Nachhinein als ziemlich skurril.<br />

„Der Chefredakteur des Ostfriesischen<br />

Kurier fragte mich bestimmt fünfmal, ob<br />

ich wirklich hierhin will“, erzählt Katrin<br />

„begleitet von der Aussage: Hier ist es<br />

aber sehr einsam, vor allem im Winter.“<br />

Katrins Entscheidung war aber längst<br />

gefallen, und so ließen sich auch beide<br />

Verantwortlichen schnell überzeugen.<br />

Nach ihrer Motivation für das Volontariat<br />

bei einer Tageszeitung gefragt, gibt es<br />

für sie nicht nur eine Antwort: „Grundsätzlich<br />

ist es für mich wichtig, den<br />

Redaktionsalltag mitzuerleben, und zwar<br />

als Journalistin in der Ausbildung. Viele<br />

Mit-Stipendiaten sparen sich das, weil<br />

die JONA-Seminare plus Praktika oft von<br />

den Redaktionen als volontariatsadäquat<br />

anerkannt werden. – Oft, aber eben<br />

nicht immer. Ich fühle mich mit meiner<br />

zusätzlichen Ausbildung dann ein wenig<br />

sicherer“, berichtet Katrin.<br />

Als Jungjournalistin kann sie es sich<br />

auch gut vorstellen, länger bei der Zeitung<br />

zu bleiben, weil Katrin hier noch Potential<br />

und Möglichkeiten zur persönlichen<br />

Weiterentwicklung sieht. „Der Multimedia-Bereich<br />

ist beim ‚Kurier’ bestimmt<br />

noch ausbaufähig“, ist sich Katrin Moser<br />

sicher. Sorgen um ihren Arbeitsplatz<br />

macht sie sich trotz des Zeitungssterbens<br />

eigentlich nicht. „Der Ostfriesische Kurier<br />

hat hier im Küstenbereich und den angrenzenden<br />

Gebieten fast ein Monopol.<br />

Und der typisch ostfriesische Krabbenfischer<br />

nimmt morgens beim Frühstück<br />

doch eher die gedruckte Zeitung in die<br />

Hand als das i-Pad oder den Tablett-<br />

PC“, ist sich Katrin sicher. Ende Juli ist<br />

dann endlich soweit: Katrin verlässt mit<br />

einem weinenden und einem lachenden<br />

Auge die westfälische Metropole, um ihr<br />

neues Domizil am Rande eines Moores zu<br />

beziehen und ins Berufsleben zu starten.<br />

Wenn sie an die vier Jahre denkt, die sie<br />

in Roxel gelebt hat, huscht ihr ein leichtes<br />

Lächeln übers Gesicht, verbunden mit der<br />

Bemerkung: „Vielleicht hat mich doch ein<br />

wenig der Geist von Annette von Droste-<br />

Hülshoff beeinflusst, die ja hier in der<br />

Nähe aufgewachsen ist?“ Recht hat sie,<br />

denn wie schrieb die Droste doch einst so<br />

schön: „Oh schaurig ists, übers Moor zu<br />

gehn...“ #<br />

23


Bericht | Text: Urs-Adrian von Wulfen | Foto: Anna Kopetsch<br />

Columne: „~“ auf Cuba<br />

Alternativlose Alternative<br />

Liebe Leserinnen und Leser unseres<br />

Hochglanzprodukts,<br />

wie Sie sicher wissen, steht nun endlich<br />

wieder das unterhaltsamste Großevent<br />

seit der letzten Staffel „Das perfekte<br />

Promi-Dinner“ auf dem bundesrepublikanischen<br />

Speiseplan: Es ist wieder<br />

Bundestagswahlkampf! Eine Zeit, in der<br />

die Nervenheilanstalten ihre Pforten<br />

öffnen, um neben den bekannten Serientätern<br />

noch weitere halluzinierende<br />

Stammelpäpste auf die Bevölkerung<br />

loszulassen, in der Hoffnung, dass diese<br />

neue Betreuungsplätze im Sanatorium im<br />

Reichstag finden.<br />

Da wäre zum Beispiel die „Partei bibeltreuer<br />

Christen“, die sich gerne mit<br />

einer Scheiterhaufengruppe am Christopher-Street-Day<br />

beteiligen will, oder die<br />

„Partei der Vernunft“, die mit dem Slogan<br />

„Rauchverbot nur im Dynamitgroßhandel!“<br />

überraschte. Außerdem steigt ganz<br />

neu die „Alternative für Deutschland“<br />

(AfD) in die Arena.<br />

Bei der AfD, einer Gruppe eurokritischer<br />

CDU-Dissidenten, die nur deshalb nicht<br />

zur FDP gewechselt sind, weil es ihnen<br />

bei den Liberalen nicht genug um Geld<br />

ging, ist man sehr stolz darauf, dass<br />

man die höchste Professorenquote in der<br />

deutschen Parteienlandschaft hat. Was<br />

sie aber nicht davon abhält, dumpfestens<br />

gegen den Euro zu hetzen.<br />

Da die „~“ stets an der politischen<br />

Bildung ihrer Leserschaft interessiert ist,<br />

veröffentlichen wir gerne den „Offenen<br />

Brief“ des AfD-Bundestagskandidaten<br />

Prof. Dr. Dagobert Schottermann an seine<br />

Zielgruppe.<br />

Lieber Akademiker – sind Sie Rotweinwanderung<br />

durch die Provence leid?<br />

Das ständige In-die-Oper-Gehen ist<br />

Ihnen auch fad geworden, und Theodor<br />

W. Adorno schreibt partout keine neuen<br />

Bücher? Suchen sie eine alternative<br />

Freizeitbeschäftigung? Ihre Alternative ist<br />

die „Alternative für Deutschland“ – die<br />

Professoren-Partei, mit garantiert niedrigem<br />

Frauenanteil.<br />

Ja sicher, ich weiß, was sie denken – Parteien,<br />

das ist doch was für Plebejer, Beteiligung<br />

am gesellschaftlichen Prozess,<br />

das ist doch was für die angewandten,<br />

also für die nicht so ganz richtigen Wissenschaften.<br />

Aber die „Alternative für Deutschland“ ist<br />

die Gelegenheit für Sie, sich auf hohem<br />

Niveau wieder jung zu fühlen. Erinnern<br />

Sie sich noch, wie es war, sogar im VWL-<br />

Studium immer irgendwie gegen alles<br />

zu sein? Das können Sie wieder erleben,<br />

denn die „Alternative für Deutschland“<br />

ist die Protestpartei für alle, die an einem<br />

langen Nachmittag mal, „nur um nicht<br />

aus der Übung zu kommen“, das Bruttoinlandsprodukt<br />

von Island mit der Hand<br />

nachrechnen.<br />

Und Sie müssen nicht mal Angst haben,<br />

sich mit Ihrem Protest ins gesellschaftliche<br />

Aus zu stellen.<br />

„~ auf Cuba“ ist die die Columne<br />

der offenen Kabarettbühne<br />

„Cubarett“ in der ~<br />

Die Columne ist der Ort für die Künstler<br />

des Cubarett ihr gesprochenes<br />

Wort auch lesenden Augen zu Gehör<br />

zu bringen.<br />

Das nächste Cubarett nach der<br />

Sommerpause findet am 2.9.20<strong>13</strong><br />

um 20 Uhr im Cuba Nova statt. Mit<br />

dabei sind: Monika Blankenberg,<br />

Gesa Nawroth, Duo Emsflut, Kornelia<br />

Kabbaj und Tom Ehrlich!<br />

Unser Protest zielt ja nicht beliebig auf ein<br />

Objekt Klein-X, nein, wir haben mit dem<br />

Euro einen Protestgegenstand definiert,<br />

der auch schon lange im Populärprotest<br />

zu Hause ist.<br />

So suchen wir in unserer Freizeit ganz bewusst<br />

auch mal die Nähe zum bildungsfernen<br />

Milieu – Hauptschullehrer und<br />

Fachhochschuldozenten zum Beispiel.<br />

„Alternative für Deutschland“ – das ist<br />

einfach mal ganz entspanntes Nur-biszur-Antithese-Denken!<br />

Akademischer<br />

Euro-Protest kann so viele Facetten haben<br />

– und lässt sich hervorragend in den<br />

akademischen Alltag integrieren.<br />

Ich habe zum Beispiel meine studentischen<br />

Hilfskräfte angewiesen, per<br />

Sitzblockade den Zugang zur Mensa<br />

unmöglich zu machen, wenn da weiter<br />

in Euro abgerechnet wird. Sollte die<br />

Bundesregierung und die Brüsseler Bürokratie<br />

darauf nicht reagieren, werde ich<br />

aus Protest meine Sprechstunde in den<br />

Semesterferien komplett ausfallen lassen<br />

und so meine Forschungsreise auf den<br />

Cayman Islands um drei weitere Woche<br />

ausdehnen. Da gibt es wenigstens keinen<br />

Euro! #<br />

24


Bericht | Text: RA Annette Poethke<br />

§<br />

Neues aus dem Strafrecht<br />

Verteidigungswille bei Notwehr<br />

Der BGH (Bundesgerichtshof) hatte folgenden Fall zu entscheiden:<br />

Der Angeklagte Adolf wollte auf einer Veranstaltung rechtsextremer<br />

Gruppen mitwirken. Auf einem Parkplatz wurde er von<br />

mehreren Angreifern bedroht, die dem gegnerischen Lager,<br />

nämlich der linken Szene zuzuordnen waren. Adolf fuhr daraufhin<br />

mit seinem Pkw mit Vollgas auf die Angreifer zu. Er verletzte<br />

einen der Angreifer schwer.<br />

Das Landgericht Freiburg hatte zwar keine Notwehr angenommen,<br />

das Verhalten von Adolf aber entschuldigt gewesen sei.<br />

Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben.<br />

Seiner (BGH) Meinung nach habe das Landgericht Freiburg<br />

vorschnell einen Notwehr-Exzess (Überschreitung der Notwehr)<br />

angenommen, denn aufgrund von Äußerungen des<br />

Adolf vor dem Vorfall sei nicht auszuschließen, dass er einen<br />

willkommenen Anlass gesehen habe, mit Gewalt gegen den<br />

Angreifer vorzugehen. Im Rahmen von Notwehr und auch des<br />

Notwehr-Exzesses sei es aber erforderlich, dass der Täter einen<br />

Angriff abwehren will und nicht andere Zwecke damit verfolgt.<br />

Der BGH beanstandet die Entscheidung der Vorinstanz, da das<br />

Landgericht Freiburg sich überhaupt nicht mit der Frage des<br />

Verteidigungswillens auseinandergesetzt habe und auch die<br />

Erforderlichkeit der Notwehrhandlung nicht ausreichend geprüft<br />

habe. Adolf hätte nämlich das Gelände ohne weiteres auf<br />

einem anderen Wege verlassen können, so dass er den Angreifer<br />

nicht gefährdet hätte, der in diesem Fall schwere Verletzungen<br />

davon getragen hatte. Zwar brauche ein Angegriffener dem Angreifer<br />

nicht ausweichen, da die Notwehrhandlung gerade auch<br />

der Verteidigung der Rechtsordnung diene, die Reaktion muss<br />

jedoch vom Verteidigungswillen getragen sein, was hier durch<br />

das Landgericht Freiburg nicht ausreichend geklärt worden ist.<br />

Der BGH bleibt bei seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach<br />

sich nur derjenige auf Notwehr berufen kann, der auch tatsächlich<br />

mit dem Willen gehandelt hat, sich zu verteidigen.<br />

BGH, Urteil vom 25.04.20<strong>13</strong> – 4 StR 551/12 = BeckRS 20<strong>13</strong>, 09590 #<br />

Phileas, 1,5 Jahre alt, hat in seinen<br />

ersten Lebensmonaten viel Schmerz<br />

ertragen müssen, bis tierliebe Menschen<br />

ihn vor einem Kaninchenbau im<br />

Zentrum von Münster mit einer stark<br />

verletzen Hinterpfote kläglich miauend<br />

aufgreifen konnten. Bestens erholt von<br />

den Strapazen der Amputation seiner<br />

Hinterpfote hat er mittlerweile wieder<br />

viel Vertrauen zu den Menschen aufbauen<br />

können.<br />

Vor Fremden hat er scheu, doch der ungeliebte<br />

Gast wieder geht, läuft er flink<br />

treppab, seinem Dosenöffner entgegen,<br />

schlängelt sich um seine Beine und<br />

lässt sich laut schnurrend beschmusen.<br />

Sieht er mit seinen smaragdgrünen<br />

Augen einen kleinen Spielball oder eine<br />

Spielmaus, läuft er neugierig hin und<br />

kickt diese über den Boden. Mit seiner<br />

aufgeweckten Art ist alles, was sich<br />

bewegt, von großem Interesse! Rollen<br />

sie übermäßig geräuschvoll, erschreckt<br />

er sich noch häufig.<br />

Da er wahrscheinlich die tiermütterliche<br />

Erziehung nicht erfahren hat, müssen<br />

Mensch und Tier das eine oder andere<br />

Mal noch streng mit ihm sein, um seine<br />

impulsiven, spielerischen Flausen aus<br />

dem Kopf zu bekommen.<br />

Phileas würde sich über einen gesicherten<br />

Balkon sehr freuen. Ältere<br />

Kinder sind kein Problem für den<br />

Kater. Er soll zu einem eben solchen<br />

spielfreudigen Katzenkamerad, der<br />

ihn in seine Schranken weisen kann,<br />

vermittelt werden.<br />

Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de<br />

25


Buchtipp | Text: Michael Heß<br />

Lesen<br />

Wolfgang Hetzer: “Finanzkrieg - Angriff auf den sozialen Frieden in Europa”<br />

Westend-Verlag, Frankfurt am Main 2012,<br />

320 Seiten, Preis 21,99 EUR.<br />

ISBN 978-3-86489-022-2<br />

Seit Julian Assange und Edward<br />

Snowden wissen wir um den Wert von<br />

Whistleblowern. Der Autor Wolfgang<br />

Hetzer war nicht nur Europas oberster<br />

Korruptionsbekämpfer, der sich längst<br />

als Fachmann auf internationaler Ebene<br />

profilierte. Im Grunde ist er auch<br />

ein Whistleblower. Sein Insiderwissen<br />

gewann er als Abteilungsleiter im Europäischen<br />

Amt für Betrugsbekämpfung<br />

sowie zuvor als Aufseher über den BND<br />

im Bundeskanzleramt. Schon 2011 war<br />

es Grundlage für das aufsehenerregende<br />

Buch “Finanzmafia”.<br />

Mit “Finanzkrieg” setzt er aufklärerisch<br />

noch einen drauf. Es verblüfft, wie souverän<br />

der promovierte Jurist mit ökonomischen<br />

Kategorien hantiert. Mehr noch,<br />

wie er an die gerne verdrängte Tatsache<br />

erinnert, dass die Wirtschaftswissenschaft<br />

im Gegensatz zu den Naturwissenschaften<br />

nicht auf Empirie beruht. Dass<br />

sie eine Ansammlung von subjektiven<br />

Meinungen und Schulen darstellt, in deren<br />

Folge eine Unmasse von “Experten”<br />

mit Fehlprognosen hantieren. Kaum<br />

einer dieser “Experten” hat die Krise<br />

von 20<strong>08</strong> (die Lehmann Brothers waren<br />

der Beginn) vorhergesehen. Obwohl die<br />

Krisenindikatoren wie die aufgeblähten<br />

Kreditvolumen sogar für Laien deutlich<br />

genug waren.<br />

Und wie der FAZ-Mitherausgeber Frank<br />

Schirrmacher (siehe die Rezension zu<br />

“Ego - Das Spiel des Lebens”; in: ~<br />

07/20<strong>13</strong>) sieht er den Zusammenhang<br />

zwischen dem Kalten Krieg bis etwa<br />

1990 und dem heutigen Finanzkrieg<br />

wenige Spekulanten und Hedge Fonds:<br />

gegen beinahe die gesamte Bevölkerung,<br />

die Staatswesen, ja selbst gegen<br />

Teile des heutigen Finanzsektors wie<br />

Volksbanken und Sparkassen mit ihren<br />

kundenzentrierten Geschäftsmodellen.<br />

Ganze Volkswirtschaften sind entwertet,<br />

die Diskrepanzen zwischen Staaten<br />

nehmen (wieder) zu. Hetzer: “Dabei<br />

nehmen sie das Risiko in Kauf, dass<br />

sich die friedenstiftende Ordnung der<br />

Nachkriegszeit allmählich auflöst.” Die<br />

sozialen Proteste in Griechenland, Irland<br />

und Spanien geben einen Vorgeschmack<br />

auf kommende soziale Konflikte - wenn<br />

nicht noch Schlimmeres. Der soziale<br />

Friede wird für den Autor vor allem durch<br />

das Geschäftsmodell Geldschöpfung von<br />

der EZB bis zu “sogenannten innovativen<br />

Finanzprodukten” bedroht. Im Ergebnis<br />

ging die realistische Beziehung zum Geld<br />

an sich verloren.<br />

Den Prozess beschreibt der Autor in 21<br />

Kapiteln plus umfangreichen Anhang.<br />

Viele Zahlen lassen den Leser schaudern.<br />

Vor allen eine, genannt in einem Interview<br />

mit Deutschlandradio: “Ja, dann<br />

teile ich Ihnen folgende Neuigkeit mit,<br />

dass Deutschland Mitglied der Europäischen<br />

Union ist. Und in dieser Union<br />

gibt es seit wenigen Jahren einen Anstieg<br />

der Arbeitslosigkeit um zehn Millionen,<br />

das heißt, wir haben jetzt insgesamt in<br />

der EU, die ja sich als eine Gemeinschaft<br />

versteht, 26 Millionen Arbeitslose. In<br />

Worten: 26 Millionen Arbeitslose.”<br />

Auf Dauer ist das nicht abzufedern. Auch<br />

nicht durch die wahnsinnige Aufblähung<br />

der Geldmengen und Schuldenberge, die<br />

dafür die Sparguthaben der kleinen Leute<br />

entwertet. Hierzulande noch nicht, aber<br />

nach dem Bundeswahlzahltag im September<br />

dürfte es so weit sein. Nochmals<br />

Wolfgang Hetzer im Deutschlandradio:<br />

“Die Weisheit der Märkte gab es nie, auch<br />

wenn sie oft beschworen wurden, die<br />

Vorstellungen der Märkte sozusagen, die<br />

das Postulat der Vernünftigkeit und der<br />

Effizienz erfüllen, ist immer irrig gewesen.<br />

Märkte sind ein Ort, in dem ein noch<br />

nicht mal regelbares Chaos stattfindet,<br />

und diese Effizienzmarkthypothesen, die<br />

es überall gibt. Die sind nett und haben<br />

sicherlich auch ihre eigene Mathematik,<br />

aber die Wirklichkeit widerspricht der<br />

Vorstellung, dass Märkte vielleicht sogar<br />

ein Ort sozialer Gerechtigkeit wären.<br />

Das sind sie nicht, sie sind eine Tatgelegenheit,<br />

sie sind ein Tatort geworden,<br />

insbesondere die Finanzmärkte.” #<br />

26


Rezepte | Text: Lena Fiebig | Foto: birgitH / pixelio.de<br />

Vegetarisch im Sommer<br />

Der Sommer ist endlich da, und es ist Zeit für luftige Kleidung,<br />

warme Temperaturen – und leichte Küche. Mit unseren<br />

vegetarischen Rezepten findet der Sommer nicht nur vor der<br />

Tür, sondern auch im Gaumen statt. Neben Spargel, Erdbeeren<br />

und Salat gibt es noch viel mehr Obst und Gemüse, das zu<br />

dieser schönen Jahreszeit geerntet werden kann. Alle Rezepte<br />

können natürlich je nach Belieben mit Früchten und Gemüse<br />

aus dem eigenen Garten erweitert oder ausgetauscht werden.<br />

Wir wünschen gutes Gelingen beim Nachkochen und einen<br />

tollen Sommer. #<br />

Bunter Tomaten-Ciabatta-<br />

Salat mit Mozzarella<br />

Zutaten<br />

• 300g Ciabatta (vom Vortag)<br />

• 10-12 EL Olivenöl<br />

• Salz<br />

• Pfeffer<br />

• Zucker<br />

• 4 rote Zwiebeln<br />

• 2 kg bunte Tomaten<br />

• 1 Bund Basilikum<br />

• 250g Büffelmozzarella<br />

• 10 EL Weißweinessig<br />

• Grober Pfeffer<br />

Zubereitung<br />

Ciabatta in dünne Scheiben schneiden<br />

und die Brotscheiben halbieren. 4-6 EL Öl<br />

portionsweise in einer großen Pfanne erhitzen.<br />

Brot darin von jeder Seite goldgelb<br />

rösten und herausnehmen. Mit etwas Salz<br />

würzen. Dann die Zwiebeln schälen und<br />

in dünne Spalten schneiden. Tomaten<br />

waschen und vierteln oder achteln (je<br />

nach Belieben). Basilikum waschen und<br />

trocken schütteln, dann die Blättchen<br />

abzupfen. Nun den Mozzarella in dünne<br />

Scheiben schneiden. Weinessig, Salz,<br />

Pfeffer und ca. 1 TL Zucker gut verrühren.<br />

6 EL Öl darunter schlagen. Geröstetes<br />

Ciabatta, Zwiebeln, Tomaten, Basilikum,<br />

Mozzarella und Vinaigrette mischen. Danach<br />

ca. eine Stunde ziehen lassen. Zum<br />

Schluss den Salat nochmals mit Salz und<br />

grobem Pfeffer abschmecken. #<br />

Zutaten<br />

Ricotta-Pfannkuchen mit<br />

Joghurt und Birnen<br />

• 185g Mehl<br />

• 2 TL Backpulver<br />

• 2 TL gemahlener Ingwer<br />

• 2 EL feinster Zucker<br />

• 4 Eier, getrennt<br />

• 350g fettarmer Ricotta<br />

• 310ml Milch<br />

• 40g Butter<br />

• 3 unbehandelte Birnen<br />

• 1 EL Vollrohrzucker<br />

• 1 TL gemahlener Zimt<br />

• 200g Ziegenmilchjoghurt<br />

• 1 Birne, geschält und entkernt, das<br />

Fruchtfleisch gerieben<br />

Zubereitung<br />

Das Mehl mit dem Backpulver, dem gemahlenen<br />

Ingwer und dem Zucker in eine<br />

Schüssel sieben und in der Mitte eine<br />

Mulde formen. Eigelbe, Ricotta und geriebene<br />

Birne mit der Milch verrühren, in<br />

die Mulde gießen und die Zutaten in die<br />

Mehlmischung einarbeiten, bis eine glatte<br />

Teigmasse entsteht. Dann den Eischnee<br />

unter die Teigmasse heben. Eine Pfanne<br />

auf mittlerer Stufe erhitzen. 3 EL Teig in<br />

die Pfanne geben und zu einem kleinen<br />

Pfannkuchen formen. Den Pfannkuchen<br />

1-1 ½ Minuten backen dann wenden<br />

und die andere Seite 1 Minute backen, bis<br />

sie goldgelb ist. Mit dem restlichen Teig<br />

11 weitere Pfannkuchen backen. Bis zum<br />

Servieren warm stellen. Die ungeschälten<br />

Birnen der Länge nach in dicke Scheiben<br />

schneiden. In einer zweiten Pfanne die<br />

Butter zerlassen und darin den Vollrohrzucker<br />

und den Zimt unter Rühren auflösen.<br />

Die Birnenscheiben in der süßen<br />

Butter goldgelb braten. Die Pfannkuchen<br />

stapelweise auf Tellern anrichten und mit<br />

Birnenscheiben und einem Klecks Joghurt<br />

servieren. #<br />

Couscous mit Sommerbeeren<br />

Zutaten<br />

• 185g Instant-Couscous<br />

• Je 250ml Apfel-und Cranberrysaft<br />

• 1 Zimtstange<br />

• 2 TL abgeriebene unbehandelte<br />

Orangenschale<br />

• 250g Himbeeren<br />

• 250g Heidelbeeren<br />

• 250g Erdbeeren, halbiert<br />

• 200g griechischer Joghurt<br />

• 2 EL Golden Syrup (heller Zuckerrohrsirup)<br />

• Minzeblätter zum Garnieren<br />

Zubereitung<br />

Den Couscous in eine hitzebeständige<br />

Schüssel füllen. Den Apfel-und Cranberrysaft<br />

mit der Zimtstange im verschlossenen<br />

Topf kurz aufkochen, anschließend<br />

über den Couscous gießen. Die Schüssel<br />

mit Frischhaltefolie abdecken und den<br />

Couscous etwa fünf Minuten quellen<br />

lassen, bis er die gesamte Flüssigkeit aufgesogen<br />

hat. Die Zimtstange entfernen.<br />

Den Couscous mit einer Gabel auflockern,<br />

dann die Orangenschale und den Großteil<br />

der Beeren behutsam unterheben. Auf<br />

kleine Schalen verteilen, mit den restlichen<br />

Beeren bestreuen und jeweils einen<br />

großzügigen Klecks Joghurt daraufsetzen.<br />

Mit dem Sirup beträufelt und den Minzeblättern<br />

garniert warm servieren. #<br />

27


Bericht | Text: Horst Gärtner<br />

Ihr ~ - Verkäufer hat die Nummer:<br />

Schlussakkord<br />

Liebe Leserinnen und Leser, bei meiner Suche nach der „heilen<br />

Welt“ bin ich auf einen Abgrund gestoßen: auf einen Vortrag<br />

von Dr. Murafi, einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie,<br />

Psychotherapeut und Chefarzt der Klinik Waldstedde.<br />

Er befasst sich mit dem Thema „Auswirkungen von häuslicher<br />

Gewalt auf die miterlebenden Kinder“. Wenn man weiß, dass<br />

jede vierte Frau in Deutschland körperliche oder sexuelle Gewalt<br />

erfahren hat und dass alleine im Kreis Steinfurt im Jahre 2012<br />

494 Fälle angezeigt worden sind, dann denkt man zunächst erschüttert<br />

an das Elend und die Ausweglosigkeit der Frauen. Aber<br />

Dr. Murafi machte deutlich, dass auch für die Kinder in diesen<br />

Familien ein deutliches Misshandlungsrisiko besteht und dass<br />

Untersuchungen gezeigt haben, dass in 80 bis 90 % der Fälle<br />

von Partnergewalt die Kinder anwesend oder im Nebenraum<br />

sind. Das heißt, sie erleben völlig hilflos Gewalt in einem Raum<br />

(der Familie), der eigentlich die Schutzzone des Kindes ist – und<br />

sie erleben sie vom Säuglingsalter bis zum Erwachsenwerden.<br />

Das Erlebnis der Gewalt in der eigenen Familie prägt die Kinder.<br />

Sie erleben Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Generalisierung<br />

des Verlustes von Vertrauen in andere Personen und in die Welt.<br />

Oft breitet sich auch ein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit<br />

aus, und diese Ausprägungen nehmen die Kinder mit aus der<br />

Familie heraus in ihre Umfelder vom Kindergarten über die<br />

Schule bis hin zu ihren Freizeitaktivitäten. Umso wichtiger<br />

ist, dass öffentliche und private Einrichtungen sich mit dem<br />

Thema „Gewaltschutz gegen Frauen und Kinder“ kontinuierlich<br />

befassen, dass das Thema aus der Tabuzone herauskommt und<br />

dass die Anstrengungen zielstrebig darauf gerichtet sind, die<br />

Prävention immer stärker voranzutreiben.<br />

Liebe Leserinnen und Leser, bei meiner Suche nach der „heilen<br />

Welt“ ist mir – wieder einmal – klar geworden, dass man genau<br />

hinschauen muss und sie dann auch sieht. Ich komme zusammen<br />

mit einem schwerstbehinderten Rollstuhlfahrer, einem<br />

Zeitungsverkäufer, der im Altenheim des LWL lebt, in die Redaktion.<br />

Ich halte ihm ein paar Türen auf, damit er mit seinem<br />

Elektrorollstuhl besser durchkommt. Er hält in der Hand – das<br />

sehe ich am Papier – eine Blume. Wir fahren in den Redaktionsraum,<br />

er hebt die Blume über die Theke und sagt: „Danke.“<br />

Sabrina, unsere Bürokauffrau (die verhinderte Sozialarbeiterin)<br />

lächelt, nimmt die Blume entgegen, sagt auch: „Danke.“ Als<br />

der Rollstuhlfahrer mit seinen Zeitungen wieder weggefahren<br />

ist, frage ich verwundert: „Wie kommt er dazu?“ Antwort: „Der<br />

fühlt sich wohl bei uns und er weiß, dass wir helfen, wenn wir<br />

können.“ Ein Rollstuhlfahrer, Zeitungsverkäufer mit kleinem<br />

Taschengeld kauft in kleineren Abständen eine Rose und sagt<br />

damit Dankeschön.<br />

Ich bin in der Redaktion, es ist wieder recht „quirlig“. Eine<br />

kleine Dreijährige, rosa Kleidchen an, kommt mit ihrem Vater;<br />

sie kennt mich nur flüchtig. Ich stehe am anderen Ende des<br />

Zimmers, schaue zu ihr herüber. Nach einer Weile (sie hat mich<br />

wohl begutachtet) kommt sie zögernd zu mir, gibt mir die Hand<br />

und lächelt mich an – wenn es einem da nicht warm ums Herz<br />

wird!<br />

Ich muss morgens in der Frühe zum Zug. Habe kein Auto. Gehe<br />

schnell zum Nachbarn. Er sitzt noch beim Frühstück und liest<br />

zwischendurch die Zeitung. Ich sage: „Kannst Du mich eben<br />

zum Bahnhof bringen?“ Er legt die Zeitung weg, lässt sein Auto<br />

an, fährt mich zum Bahnhof. Ich bin einige Schritte weg, da<br />

öffnet sich seine Tür, er sagt: „Komm noch einmal her.“ Ich<br />

gehe zurück, er legt mir ein Bonbon in die Hand und sagt: „Für<br />

unterwegs“, lächelt und fährt nach Hause.<br />

Wenn man sie festhält, diese kleinen Augenblicke, dann kann<br />

man den ganzen Tag über ein gutes Gefühl haben. Ich wünsche<br />

Ihnen, dass Ihnen solche „Lichtblicke“ immer wieder über den<br />

Weg laufen, und dass Sie sie sehen!<br />

Ihr<br />

Horst Gärtner<br />

Erster Vorsitzender ~ e.V.<br />

Hübscher Hund mit liebem Wesen<br />

Kugler möchte die Welt entdecken<br />

Der wunderhübsche Rüde Kugler beeindruckt<br />

nicht nur durch sein Äußeres,<br />

auch sein ganzes Wesen lädt dazu<br />

ein sich in seiner Nähe aufzuhalten<br />

und Zeit mit ihm zu verbringen. In<br />

manchen Situationen ist Kugler noch<br />

etwas unsicher, durch gezieltes Training<br />

und eine gute Vertrauensbasis<br />

wird sich das aber schnell legen. Er<br />

ist sehr verschmust, anhänglich und<br />

immer für ein Spielchen mit seinen<br />

Kumpels bereit. Für Kugler suchen<br />

die Tierfreunde Münster Leute, die<br />

ihm die nötige Sicherheit vermitteln<br />

und mit ihm gemeinsam die<br />

Welt entdecken wollen. Der braun<br />

gestromte und <strong>60</strong> cm große Kugler<br />

wurde 2010 geboren und ist kastriert.<br />

Interessenten melden sich bitte per<br />

Mail an hunde@teirfreunde-ms.de<br />

oder wählen die Tel.-Nr. 32 50 58.<br />

28


Bericht | Text: Lars Zülow<br />

Das Löffelchen<br />

aus Musik<br />

Es war einmal eine begnadete Bardin namens<br />

Birgit. Man sagte ihr nach, dass die Sidhe zu ihr<br />

sprechen. So nannte der Kelte die Bewohner von Anderland,<br />

wo die Götter und Feen wohnten. Zu einer<br />

Zeit herrschte ein sehr harter Winter. Der Frühling<br />

wollte einfach nicht kommen. Eines Abends kehrte<br />

die Musikantin vom Wind durchfroren in die Schenke<br />

ein. Das Elend, das dort herrschte, war extrem. Es<br />

stach schmerzhaft in Bauch und Herz. Man konnte<br />

nicht unterscheiden, ob die Suppe zu wässrig oder<br />

das Ale zu dünn war. Allen Gästen sah man ihre Not<br />

und ihre grenzenlose Verzweiflung an. Um die Leute<br />

von ihrem Trübsal abzulenken, begann die Bardin<br />

auf ihrer Fiedel eine Weise. Als ihr Spiel begann,<br />

sprang ein Kobold auf ihre Schulter und inspirierte<br />

sie. Sein Name war Ringelwuch. Keiner der Anwesenden<br />

erblickte ihn, denn er war unsichtbar. Die<br />

Melodie der Geige wurde immer verspielter und<br />

feiner, und mit einer berauschend feinen Stimme<br />

sang die Bardin:<br />

„Groß ist die Not! Wir haben kein Brot! Kein Knilch<br />

hat nur ein Schluck Milch. Die Gedanken drehen sich<br />

um Essen. Der knurrende Magen nicht zu vergessen.<br />

Der Magen tut murren. Und zwar durch schallendes<br />

Knurren. Auch genehm wäre Wurst. Zu vergessen<br />

sei auch nicht der Durst.“ Unbemerkt inspirierte der<br />

Kobold die Bardin zu immer feineren, verzweigteren<br />

und verspielteren Melodien. In der Luft bündelten<br />

sich Lichtstränge. Als die Musikantin mit einem Crescendo<br />

endete, hatte sich das Licht zu einem Löffel<br />

verfestigt. Mit einem lauten Klirren fiel er zu Boden.<br />

Rotz Ringelwuch säuselte: „Nährt euch vom Löffel.<br />

Dieses Artefakt wird euch sättigen.“<br />

Schon bald war jeder satt. Und mit vollem Bauch<br />

beißt der Winter weniger. Leider hörte schon bald<br />

der Graf von diesem magischen Löffel, und in seiner<br />

Gier beanspruchte er ihn als Jahreszehnt. Doch<br />

dieses Tun verdarb die Magie des Löffels. Denn statt<br />

in Essen verwandelte er sich nun in eine Schlange.<br />

Und zur Strafe biss diese den Grafen, sodass er<br />

elendig zu Grunde ging. Die nun befreiten Bürger<br />

plünderten die überdimensionale Vorratskammer<br />

des toten Despoten. Und bis das eisige Wasser das<br />

Land verließ, hatte jeder genug zu Essen. Allerdings<br />

blieben sowohl Löffel als auch Schlange für immer<br />

verschwunden.<br />

29


Berichte | Texte: Eva Manz | Fotos: LWL-Archäologie für Westfalen/E. Manz<br />

Mit dem Mittagsbrei entsorgt<br />

Der Löffel aus der Latrine<br />

Dieser Holzlöffel gelangte vor 700 Jahren<br />

in eine Latrine des Busdorfstiftes in<br />

Paderborn – möglicherweise eher unbeabsichtigt,<br />

denn er ist noch vollkommen<br />

intakt und gebrauchsfähig. Bei der<br />

Latrine handelt es sich um einen von<br />

adeligen Stiftsherren gemeinschaftlich<br />

genutzten Abfall- und Abwasserschacht.<br />

Dieses „Stille Örtchen“ wurde in der<br />

zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gebaut,<br />

d.h. als Schacht in den anstehenden<br />

Kalkfelsen eingetieft und obertägig<br />

als kleines Häuschen mit einem Dach<br />

versehen. Bei einer Innenfläche von<br />

6,24 m2 und einer Tiefe von nahezu 4 m<br />

ergeben sich rund 25 m3 Fassungsvermögen.<br />

Damit handelt es sich um eine<br />

verhältnismäßig stattliche Latrine, wie<br />

sie bislang nur aus klösterlichem Zusammenhang<br />

bekannt ist. Die Stiftsherren<br />

wohnten zu diesem Zeitpunkt in eigenen<br />

Häusern, sogenannten Kurien, und entsorgten<br />

neben ihrer Notdurft auch ihren<br />

gesamten Hausmüll an dieser Stelle.<br />

Für Archäologen sind Latrinen wahre<br />

Fundgruben, weil sie auf diese Weise<br />

einen hervorragenden Einblick in das Alltagsleben<br />

der Benutzer geben. Aufgrund<br />

der guten Erhaltungsbedingungen im<br />

feuchten und luftabgeschlossenen Milieu<br />

erhalten sich außerdem alle Materialien,<br />

auch Stoffe, Leder und sogar Holz besonders<br />

gut. So lassen sich beispielsweise<br />

verschiedene Kleidungsstücke anhand<br />

der Gewebereste rekonstruieren, darunter<br />

Leinenhemden, gefilzte Mäntel und<br />

grob gewobene Wolltextilien. Von den<br />

Schuhen sind oft nur die Sohlen in die<br />

Latrine gelangt, weil diese sich als erste<br />

verschlissen und durchgelaufen waren.<br />

Manchmal findet sich aber auch noch<br />

ein Oberleder, so dass sich die originale<br />

Schuhform erkennen lässt.<br />

Leider ist es, wie auch in diesem Fall,<br />

nicht immer möglich, an die Funde aus<br />

der Zeit der Erbauung einer Latrine zu<br />

gelangen. Denn wie jede Grube war<br />

auch dieser Schacht irgendwann voll<br />

und musste geleert werden, wollte man<br />

sich die Mühe einer Neuanlage ersparen.<br />

Dass diese Tätigkeit nicht besonders<br />

angenehm und sicherlich auch nicht<br />

beliebt war, lässt sich denken. Latrinen-<br />

Entleerer gehörten zu der untersten<br />

Bevölkerungsschicht und waren nicht<br />

sonderlich angesehen, auch wenn sie mit<br />

ihrer Arbeit eine notwendige Aufgabe erfüllten<br />

und jeder auf sie angewiesen war.<br />

Der 18 cm lange Holzlöffel ist im Bereich<br />

seines recht dünnen Stiels mit beinahe<br />

elegantem Schwung geschnitzt. Holzobjekte,<br />

darunter gedrechselte Teller und<br />

Schalen, sowie von Böttchern aus einzelnen<br />

Dauben hergestellte Gefäße zählen<br />

zu den einfacheren Alltagsgegenständen.<br />

Wie auch die zahlreichen Scherben von<br />

schönen Trinkgläsern zeigen, pflegten die<br />

Paderborner Stiftsherren eine gehobenere<br />

Tischkultur, auch wenn es sich bei dem<br />

Löffel durchaus um ein qualitätsvoller<br />

gearbeitetes Objekt handelt. Wahrscheinlich<br />

ist er einem Bediensteten aus<br />

der Hand geglitten, als jener die Reste<br />

einer Mahlzeit entsorgen wollte.<br />

Die Speisekarte der adeligen Herren<br />

können wir in Teilen anhand der entsorgten<br />

Nahrungsreste rekonstruieren.<br />

Die zahlreichen Kirschkerne lassen darauf<br />

schließen, dass im Garten des Busdorfstiftes<br />

ein oder mehrere Kirschbäume<br />

standen, möglicherweise zusammen mit<br />

Pflaumen- und Apfelbäumen. Neben<br />

gesundem Obst kam Fisch und gelegentlich<br />

Fleisch auf den Tisch. Hauptsächlich<br />

Schweine, aber auch Wildgeflügel wie<br />

Fasane und Enten haben sich die frommen<br />

Männer dabei schmecken lassen<br />

– letztere aber sicherlich zu besonderen<br />

Anlässen. Getreidebreie und Brot sowie<br />

weiteres Gemüse oder auch Beerenobst<br />

wird man sich ergänzend im Speiseplan<br />

vorstellen können, ebenso natürlich Wein<br />

und Bier in reichlichem Maße. #<br />

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31


Lieber den Löffel abgeben<br />

als ins Gras beißen<br />

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