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Rückschlüsse über die Situationseinschätzung der Sprecher, ihre Annahmen über<br />
Hörer und die Sache an sich (vgl. Kotthoff 1989, 187).<br />
Zu den sozialen Mechanismen, die mithilfe des Stils in Kraft gesetzt werden,<br />
gehören z. B. Mitgliedschaftszuweisungen einzelner Personen zu sozialen Gruppen,<br />
die Ab- und Ausgrenzung sozialer Gruppen voneinander, die Herstellung und<br />
Veränderung der Konstellationen, die Teilnehmer zueinander haben können, die<br />
Konstitution von Aktivitätstypen sowie bestimmte Interaktionsmodalitäten (vgl.<br />
Hinnenkamp 1989, 9). Im Sinne von Goffmans Stigma-Analyse (Goffman 1967)<br />
subsummiert Stil also aufgrund möglicher Rückschlussverfahren weit mehr, als auf<br />
den ersten Blick erkennbar ist.<br />
5.2.2 Das Konzept des kommunikativen sozialen Stils<br />
Rolle und Status werden in der sprachlichen Interaktion überhaupt erst signalisiert,<br />
thematisiert und somit relevant gemacht. (Tophinke 2001, 461)<br />
Dem Konzept des „kommunikativen sozialen Stils“ liegen Überlegungen aus der<br />
Stilistik im linguistischen Sinne, aus der Ethnographie, aus der soziologischen<br />
Theorie Bourdieus „zur stilistischen Differenzierung in der hierarchisch geschichteten<br />
Gesellschaft“ und aus der „Aushandlungstheorie der sozialen Ordnung“ zugrunde<br />
(Keim/Schütte 2002, 11).<br />
Wenn festgestellt wird, dass es einen „kommunikativen sozialen Stil“ gibt, dann<br />
wird davon ausgegangen, dass der individuelle Kommunikationsstil, den die<br />
einzelnen Interaktanten pflegen, nicht frei wähl- und bestimmbar ist. Das bedeutet,<br />
dass die einzelnen Individuen nicht frei entscheiden können, wie sie „ihre<br />
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Welt ausdrücken“, vielmehr drückt sich<br />
mit dem Stil, der innerhalb der sozialen Welt gepflegt und folglich auch<br />
weiterentwickelt wird, die gesellschaftliche und „kulturelle[n] Identität“ aus, welche die<br />
Interaktanten besitzen. Das bedeutet weiterhin, dass „Stilformen“ dazu dienen, sich<br />
in sozialer Hinsicht zu positionieren: „sie sind Mittel zum Ausdruck von sozialer<br />
Präsenz auf wichtigen Schauplätzen der [...] Auseinandersetzung“ (Keim/Schütte<br />
2002, 10). Außerdem stellt sozialer Stil „das Kapital“ dar, auf dessen Grundlage man<br />
mit anderen sozialen Systemen kommunizieren kann (ebd., 10f.). Die Vieldeutigkeit<br />
des Stilbegriffs hängt mit den Uneinheitlichkeiten des dahinter liegenden Konzepts<br />
zusammen: Mit Stil sind viele Aspekte verknüpft, und es lässt sich schwer<br />
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