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können Sie die Laudatio nachlesen - Evangelisch-Lutherische ...

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<strong>Laudatio</strong> Me<strong>die</strong>npreis<br />

München, St. Markus<br />

Donnerstag, 18.7.2013, 18 Uhr<br />

Susanne Breit-Keßler<br />

Sehr geehrte Frau Sparmann,<br />

sehr geehrte Herren Grossarth und Pennekamp, sehr geehrter Rühle,<br />

sehr geehrter Kronau!<br />

Sehr verehrter Herr Landesbischof, meine sehr geehrten Damen und<br />

Herren!<br />

Ich hätte da <strong>die</strong> schönste Rolle, meine Herr Rühle von der Süddeutschen<br />

Zeitung, als ich ihn beschwingt am Abend der Jurysitzung anrief, um ihm<br />

von seinem eben gewonnenen Sonderpreis beim Me<strong>die</strong>nwettbewerb unserer<br />

Landeskirche zu berichten. Ich sei offenbar so etwas wie <strong>die</strong> gute<br />

Fee, <strong>die</strong> Wohltaten verteilt. Dieser kleine Dialog hatte Folgen. <strong>Sie</strong> sehen<br />

hier meinen neu erworbenen, hoffentlich ökologisch unbedenklichen<br />

Feenstab – wörtlich laut Hersteller geeignet für Prinzessin, Junggesellenabschied,<br />

Mottoparty und Karneval. Am ehesten passt heute Abend noch<br />

Mottoparty, aber der Me<strong>die</strong>npreis der Landeskirche ist natürlich eine<br />

ernsthafte und angenehm feierliche Angelegenheit.<br />

1


Trotzdem – der Dialog mit Preisträger Alex Rühle zeigt: Zum einen, dass<br />

Rollen gibt, <strong>die</strong> einem in höherem Alter noch überraschend zuwachsen<br />

<strong>können</strong>. Bislang reussierte ich – zumindest im Fasching und als Kind e-<br />

her als spanische Gräfin, Winnetou oder Fliegenpilz. Jetzt noch Fee –<br />

schee… Immerhin habe ich aus Gründen der Würde darauf verzichtet,<br />

mich Herrn Rühles Ideen entsprechend zu kostümieren. Unser Dialog<br />

zeigt aber vor allem, dass unser Autor einen erquicklich-alltagsnahen<br />

Sinn für Humor hat. In seinem Artikel „Kommt nicht in <strong>die</strong> Tüte“ in der<br />

Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung beschreibt er sein Scheitern<br />

als ökologisch korrekter Entsagungsprofi.<br />

Ethischer Hausputz – das verlangt danach, so Rühle in seinem hinreißend<br />

ironisch-erfrischenden Artikel, lebenstechnisches Großreinemachen.<br />

Radfahren statt Zug, Zug statt Flug, Auto verkaufen, Carsharing,<br />

Secondhand-Kleidung, ökologischer Strom, vegetarische Nahrung, Geld<br />

zur Umweltbank, – das volle Programm. Ziemlich evangelisch. Alex Rühle<br />

beschreibt abseits des Mainstreams mit profundem Wissen, sauber recherchiert<br />

und quietschlebendig, wie es geht oder auch nicht, um den<br />

Weltverbrauchertag herum mal vier Wochen lang nur „zarten“ Weltverbrauch<br />

zu betreiben. Witzig und provozierend karikiert er all <strong>die</strong>jenigen,<br />

<strong>die</strong> als ökologische Flagellanten durch <strong>die</strong> Gegend ziehen.<br />

2


Und so tun, als wären sie vom Umweltferkel Saulus zum Welt rettenden<br />

Globalthinker Paulus mutiert. Rühle erzählt auf leichte, süffisante und<br />

herrlich provozierende Weise von zwanghaften Schraten und stimmlich<br />

verschleierten Damen in Ökoläden, von italienischen Freidenkern auf<br />

dem Markt in der Au, von gesparten Nußtütchen auf einem 5000 Liter<br />

Kerosin- Flug und abgepulter Hofpfisterbrotseide. Er nimmt sich selber<br />

nicht, aber <strong>die</strong> Welt schon sehr ernst; schreibt so munter, dass, wie ein<br />

Jurymitglied sagte, man beim Lesen neue Energie gewinnt. Das ist umweltfreundlich!<br />

Deshalb bekommt er den spontan gestifteten Sonderpreis<br />

unseres <strong>Evangelisch</strong>en <strong>Sie</strong>dlungswerkes zum Thema „Anständig leben“.<br />

Auch einen Sonderpreis, den unseres <strong>Evangelisch</strong>en Presseverbandes,<br />

dem ich in Gestalt von Achim Schmid und Elisabeth Reimers für alle<br />

großartige Zusammenarbeit danke, erhält Matthias Kronau von den<br />

Nordbayerischen Nachrichten. Das ist schon etwas, sich im Umfeld von<br />

SZ, FAZ und GEO zu behaupten! Und zwar, dass muss man wahrhaft<br />

würdigen, mit einer beachtlichen Serie im Lokalteil einer Regionalzeitung<br />

– wer gönnt sich denn sonst so etwas? Herr Kronau schreibt in einer<br />

zehnteiligen Serie Monate lang über Kinder im indischen Dorf Zubza, ein<br />

Waisenhaus im armenischen Vanadzor, eine Schule in Kusthia, Bangladesh<br />

und eine in Pannur für Hirtenkinder im Senegal.<br />

Er schildert Entwicklungshilfe für Ecuador, Unterstützung für Menschen<br />

in Kaya in Burkina Faso, Pflanzaktionen im peruanischen Bambamarca,<br />

3


Hilfstransporte nach Rumänien, Ziegenprojekte, Brunnen und Waisenkinder<br />

im ugandischen Kampala und Masaka, evangelische Partnerschaft<br />

mit Makumira in Tansania – alles wird aufmerksam und sorgsam von<br />

Matthias Kronau wahrgenommen. Beständig und unbeirrt befragt er seine<br />

Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt<br />

nach ihrem Engagement. Menschen, <strong>die</strong> sich vielfältig<br />

und weltweit, ohne viel Ramasuri, wie man in Bayern sagt, für andere<br />

liebenswert-hilfreich und kompetent-professionell engagieren.<br />

Das Autokennzeichen für Erlangen-Höchstadt ERH wird zum eindrucksvollen<br />

Signet der Artikelserie: ERH – Eine Region Hilft. Mich besonders<br />

angerührt hat Herrn Kronaus Artikel über ein Haus in Delhi für junge<br />

Mädchen, manchmal erst elf Jahre alt, <strong>die</strong> aus der Prostitution geholt<br />

werden. Zuhause, wo man sie verkauft, verschachert hat, <strong>können</strong> sie sich<br />

nicht mehr sehen lassen – sie wären ja eine Schande. Matthias Kronau<br />

mit seinem weiten Horizont öffnet Lesenden <strong>die</strong> Herzen und zeigt mit<br />

seiner Serie, dass all <strong>die</strong>se Themen überall hin, in jedes Dorf, in jeden<br />

Landkreis gehören, nicht allein in big cities und große Zeitungen. Ein Jurymitglied<br />

sagte: „Hier will man mitmachen.“ Mehr Lob geht nicht.<br />

Wir suchen unsere Preisträger natürlich nicht nach Religion oder gar<br />

Konfession aus. Aber es ist schon schön, wenn man einen FAZ-<br />

4


Redakteur spätabends in der Redaktion noch an <strong>die</strong> Strippe kriegt und er<br />

wie Jan Grossarth einem erklärt, er sei zwar katholisch, habe aber in seiner<br />

Münchner Stu<strong>die</strong>nzeit in der evangelischen Nazarethkirche gerne<br />

mitgeholfen. Sogar den Namen des Pfarrers wusste er noch einigermaßen<br />

hinzukriegen. Aber nochmal, Jan Grossarth und Johannes Pennekamp<br />

haben ihren Preis nicht für Kirchenmitgliedschaft bekommen. So<br />

schön so etwas auch ist. Die beiden werden in der Sparte Tageszeitung<br />

mit dem ersten Preis für ihren Artikel „Zum Wegwerfen“ ausgezeichnet.<br />

In der Fülle der Ökologieartikel sticht ihr Text heraus, weil er nicht sattsam<br />

Bekanntes mit moralisch erhobenem Zeigefinger kolportiert, sondern<br />

Neues, Innovatives zu berichten weiß. Nicht Schwerter zu Pflugscharen,<br />

sondern Klärschlamm zu Phosphor, Plastik zu Erdöl, Handys zu<br />

seltenen Erden. Die beiden Autoren schildern Versuche, wertvolle Sekundärrohstoffe<br />

aus Ausscheidungen und Abfall wiederzugewinnen. <strong>Sie</strong><br />

beschreiben <strong>die</strong> fünf Müllwirbel in den Weltmeeren, Rivalitäten zwischen<br />

Müllverbrennern und Recyclingverbänden. Man könnte ein rasend<br />

spannendes Tatort-Drehbuch aus dem Artikel machen. Vielleicht wäre<br />

das was für <strong>Sie</strong> beide? Und dann bitte mir widmen…<br />

Die beiden Autoren haben, so <strong>die</strong> Jury, exzellent recherchiert, einen<br />

„klassisch guten Artikel“ geschrieben, profund, verständlich verfasst –<br />

5


und visionär. Jan Grossarth und Johannes Pennekamp stellen das Konzept<br />

„Cradle to cradle“, von Wiege zu Wiege vor, nach dem etwa Autorreifen<br />

und Spielzeug in allen Einzelteilen neu verbaubar, Flugzeugsitze,<br />

Buntstifte und Turnschuhe ess- oder kompostierbar sein sollen. Der englische<br />

Kampfslogan „Eat your Toyota“ bekommt völlig neue Bedeutung.<br />

Die Autoren präsentieren am Ende einen Wissenschaftler, der kein moralisches<br />

Schuldmanagement will, sondern Innovation. Solche Schreibe<br />

macht Lust an der Veränderung. Qualitätsjournalismus at it´s best.<br />

La<strong>die</strong>s last: Anke Sparmann von Geo erhält den ersten Preis in der Sparte<br />

Magazin für ihre atemberaubende Reportage "Kampfzone Virunga",<br />

eine mehr als informative, eine bewegende, stellenweise herzzerreißendbeklemmende<br />

Darstellung der Situation im kongolesischen Nationalpark.<br />

Von Berggorillas verzauberte Touristen, Erinnerung an ein hinterhältiges<br />

Massaker an den wunderbaren Tieren durch korrupte Parkangestellte,<br />

"vom Menschen ans Kreuz geschlagene Kreatur", wie Anke Sparmann<br />

mit biblischer Wucht schreibt. Tote Ranger, hingemordet von Wilderern,<br />

im Bürgerkrieg, vielleicht von Hutu-Milizen, von ugandischen Islamisten.<br />

Rebellenführer, <strong>die</strong> Gorillas schützen und Menschen metzeln.<br />

Dazwischen ein weißer Mann, der "Moses von Virunga", belgischer Prinz,<br />

Familienvater, der als Parkdirektor alles für seine Männer tut. Er hat ihnen,<br />

das kleine Gehalt um knapp 600 Prozent von 30 auf 175 Dollar erhöht,<br />

damit keiner Wild töten muss, statt es zu hüten. Den Majoren der<br />

6


5000 UN-Blauhelme, <strong>die</strong> den größten Friedenseinsatz der Vereinten Nationen<br />

befehligen, gibt er <strong>die</strong> Hand nicht mehr. Teezelt und Streichelzoo,<br />

Exkursionen im weißen Lastwagen auf der einen Seite, so kann man das<br />

sehen, fehlende Gelder, Witwen, Waisen, Armut, sichernde Bluthunde,<br />

Lebensgefahr und todesmutiger Idealismus bei den Rangern auf der anderen.<br />

Anke Sparmann flicht kunstvoll-kundig ihre Erzählstränge, auch <strong>die</strong> von<br />

gierigen Ölfirmen, <strong>die</strong> den Park für sich nutzen wollen. Die Jurymitglieder<br />

waren sich einig: Dieser Text ist unter vielen anderen hervorragenden<br />

Wettbewerbsbeiträgen der beste. An ihm kommt man nicht vorbei.<br />

Hervorragend recherchiert, intensiv - ökologisch, sozial, ökonomisch,<br />

politisch. "Alles getroffen, was man treffen muss" meinte ein Jurymitglied<br />

transparent für <strong>die</strong> Vielschichtigkeit der Reportage. Und dann noch<br />

feinsinnig Distanz und Nähe austariert - so packend kann Journalismus<br />

sein. Die Bilder zum Text wären eigens auszuzeichnen; Wort und Bild<br />

sind kongenial. Auch <strong>die</strong>sen Artikel müssen <strong>Sie</strong> lesen.<br />

Sehr geehrte Preistragende, <strong>Sie</strong> haben der Jury auf Grund ihrer schwergewichtigen<br />

Texte keine glücklichen, aber geistvolle Stunden beschert.<br />

Selten genug. Ich sage Dank dafür, <strong>Sie</strong> gelesen haben zu dürfen im Namen<br />

der Jury: Robert Flock vom <strong>Evangelisch</strong>en <strong>Sie</strong>dlungswerk, Thomas<br />

Habermann von Versicherer im Raum der Kirchen, Ronny Pickart von<br />

der EKK, Ilona Pollach von der Bank für Kirche und Diakonie auf Spon-<br />

7


sorenseite, seitens der Journalisten Marion Glück-Levi, Alexander Jungkunz<br />

von den Nürnberger Nachrichten, Roland Gertz vom epv und meiner<br />

Wenigkeit.<br />

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