Der schmale Grat der Toleranz – Wie tolerant können Christen sein?
Der schmale Grat der Toleranz – Wie tolerant können Christen sein?
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5. <strong>Toleranz</strong> <strong>–</strong> eine genuin christliche <strong>Grat</strong>wan<strong>der</strong>ung<br />
Erst wenn wir Gottes rettende Liebe in ihrer Tiefe erkannt haben, werden wir mutig<br />
und kreativ <strong>tolerant</strong> bleiben <strong>können</strong>!<br />
Gott selbst hat sich auf diese „<strong>Grat</strong>wan<strong>der</strong>ung“ begeben. Gott toleriert, erträgt und erduldet<br />
uns Menschen seit dem Noahbund, obwohl wir böse von Jugend auf sind (Gen 8,21f). Gott<br />
erhält die Schöpfung für Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45) und <strong>sein</strong> Sohn Jesus Christus<br />
starb für uns, als wir noch Sün<strong>der</strong> waren (Röm 5,6-8).<br />
Gottes Selbsthingabe für uns ist eine Revolution <strong>der</strong> Liebe gegen unsere menschliche<br />
Rebellion, egomanischen Machtgelüste, Gewaltbereitschaft und Intoleranz.<br />
<strong>Der</strong> Gottessohn Jesu geht den Weg leiden<strong>der</strong> und lieben<strong>der</strong> <strong>Toleranz</strong>: „<strong>Wie</strong> lange soll ich<br />
noch bei euch <strong>sein</strong> und euch ertragen?“, fragt Jesus <strong>sein</strong>e Umgebung (Mt 17,17)!<br />
Prophetisch wird diese göttliche <strong>Toleranz</strong> von Jesaja angekündigt: „Fürwahr, er trug unsere<br />
Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen“ (Jes 53,4). Jesus hat uns toleriert, also<br />
hinaufgetragen bis ans Kreuz, um uns dort von unserer Gottesnegation zu erlösen.<br />
Gott offenbart uns eine „<strong>Toleranz</strong> höherer Ordnung“: Die exklusive Wahrheit <strong>sein</strong>er<br />
Erlösungstat verbindet sich mit <strong>sein</strong>er universalen unerschöpflichen Agape-Liebe!<br />
Damit ist „<strong>Toleranz</strong>“ für die christliche Nachfolge definiert:<br />
Es ist keine billige <strong>Toleranz</strong>, die alles erlaubt und relativiert, son<strong>der</strong>n eine <strong>Toleranz</strong>, die in <strong>der</strong><br />
Wahrheit des Evangeliums lebt, deshalb durchaus kritisch in<strong>tolerant</strong> um Gottes und <strong>der</strong><br />
Menschen willen <strong>sein</strong> kann und dabei doch zu Beidem bereit ist:<br />
„Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht, mit dem wir alle hohen<br />
Gedankengebäude nie<strong>der</strong>reissen, die sich gegen die Erkenntnis Gottes auftürmen!“<br />
(Röm 1,16; 2Kor 10,5 )<br />
„Die Liebe ist langmütig und freundlich, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern<br />
und rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht <strong>der</strong> Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber<br />
<strong>der</strong> Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles. Die Liebe<br />
höret nimmer auf … Denn unser Wissen und Weissagen ist Stückwerk …“ (1Kor 13,4-9).<br />
Damit wären wir wie<strong>der</strong> bei denen, die genau diese Dialektik echter <strong>Toleranz</strong> schon<br />
im Mittelalter im interreligiösen Trialog erkannt und zaghaft versucht haben<br />
umzusetzen.<br />
+ + +<br />
Schmidinger Heinrich (Hg.), Wege zur <strong>Toleranz</strong>. Geschichte einer europäischen Idee in<br />
Quellen. WBG 2002<br />
Hempelmann Heinzpeter, Gott ohne Gewalt! Warum <strong>Toleranz</strong> und Wahrheit für den<br />
christlichen Glauben zusammengehören. Brunnen 2009<br />
© Peter Henning/ Mai 2013<br />
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