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ibr-online OLG Karlsruhe, 15.11.2013 - 15 Verg 5

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<strong>ibr</strong>-<strong>online</strong>: <strong>OLG</strong> <strong>Karlsruhe</strong>, <strong><strong>15</strong>.11.2013</strong> - <strong>15</strong> <strong>Verg</strong> 5/13<br />

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Entscheidung im Volltext<br />

<strong>Verg</strong>abe - AG darf sich auf bestimmten Beschaffungsgegenstand festlegen!<br />

<strong>OLG</strong> <strong>Karlsruhe</strong><br />

Beschluss<br />

vom <strong>15</strong>.11. 2013<br />

<strong>15</strong> <strong>Verg</strong> 5/13<br />

GWB § 97 Abs. 1, § 101b Abs. 1 Nr. 2, § 107 Abs. 2, 3; VSVgV § 12 Abs. 1 Satz 2 c; VOL/A 2009 § 3<br />

EG Abs. 4 c<br />

1. Die Bestimmung des Auftragsgegenstands obliegt allein dem Auftraggeber. Das <strong>Verg</strong>aberecht<br />

macht dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich keine Vorgaben hinsichtlich dessen, was er<br />

beschaffen muss oder will. Es liegt damit in der Hand des Auftraggebers, die an die zu<br />

beschaffenden Gegenstände zu stellenden funktionalen, technischen und ästhetischen<br />

Anforderungen nach seinem Bedarf festzulegen.<br />

2. Die konkreten Spezifikationen an die zu beschaffenden Gegenstände müssen objektiv<br />

auftrags- und sachbezogen sein und dürfen keine diskriminierende Wirkung haben. Denn auch<br />

bei der Festlegung des Beschaffungsbedarfs ist grundsätzlich der Zweck des <strong>Verg</strong>aberechts,<br />

einen möglichst breiten Wettbewerb zu ermöglichen, zu beachten. Dennoch verbleibt dem<br />

Auftraggeber das Recht, den Beschaffungsbedarf auf eine bestimmte technische Konzeption<br />

festzulegen, sofern die Festlegung nicht auf sachfremden Gründen beruht.<br />

3. Ist die Festlegung des Beschaffungsbedarfs aufgrund sachlicher und auftragsbezogener<br />

Gründe diskriminierungsfrei erfolgt, ist eine sich hieraus ergebende wettbewerbsverengende<br />

Wirkung grundsätzlich hinzunehmen.<br />

4. Maßgeblich für die Überprüfung der Festlegung des Beschaffungsbedarfs und der<br />

diesbezüglichen konkreten Anforderungen ist grundsätzlich der <strong>Verg</strong>abevermerk; aus diesem<br />

muss sich die sachliche Rechtfertigung für die aufgestellten Anforderungen ergeben.<br />

5. Das Zulässigkeitsmerkmal der Antragsbefugnis hat lediglich die Funktion eines groben<br />

Prüfungsfilters; es dient dem Zweck, evidente Fälle von einer Nachprüfung auszunehmen.<br />

Voraussetzung ist insbesondere nicht, dass ein <strong>Verg</strong>abeverfahren durchgeführt wurde, an dem<br />

der Antragsteller beteiligt war. Eine Antragsbefugnis liegt vielmehr auch dann vor, wenn eine den<br />

geltenden vergaberechtlichen Bestimmungen widersprechende Auftragserteilung ohne<br />

<strong>Verg</strong>abeverfahren, also eine De-facto-<strong>Verg</strong>abe, im Raum steht und der Antragsteller geltend<br />

macht, ein Interesse an dem Auftrag gehabt zu haben.<br />

6. Es besteht keine Rügeobliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB, wenn das<br />

Nachprüfungsverfahren auf Feststellung der Unwirksamkeit eines De-facto-Vertrags gerichtet ist,<br />

der außerhalb eines Wettbewerbs in einem förmlichen Verfahren vergeben wurde.<br />

<strong>OLG</strong> <strong>Karlsruhe</strong>, Beschluss vom <strong>15</strong>.11. 2013 - <strong>15</strong> <strong>Verg</strong> 5/13<br />

vorhergehend:<br />

VK Baden-Württemberg, 24.06. 2013 - 1 VK <strong>15</strong>/13<br />

In Sachen<br />

(...)<br />

wegen <strong>Verg</strong>abenachprüfungsverfahren<br />

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hat der <strong>Verg</strong>abesenat des Oberlandesgerichts <strong>Karlsruhe</strong> auf die mündliche Verhandlung vom 08.<br />

November 2013 unter Mitwirkung von Richter am Oberlandesgericht ###, Richterin am<br />

Oberlandesgericht ###, Richterin am Oberlandesgericht ###<br />

beschlossen:<br />

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der <strong>Verg</strong>abekammer Baden-<br />

Württemberg vom 24.06. 2013 - 1 VK <strong>15</strong>/13 - wird zurückgewiesen.<br />

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen<br />

außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und der Beigeladenen.<br />

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf einen Streitwert in der Streitwertstufe bis ###<br />

festgesetzt.<br />

Gründe:<br />

I.<br />

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin richtet sich gegen die Zurückweisung ihres<br />

Nachprüfungsantrags gegen eine vom Antragsgegner - dem Land Baden-Württemberg - ohne<br />

Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs vorgenommene <strong>Verg</strong>abe eines Auftrags zur softwareseitigen<br />

Erweiterung seines Einsatzleitsystems um eine Notrufvermittlung und Sprachdokumentation.<br />

Der Antragsgegner erwarb im Jahr 2000 für seine Polizei ein Gesamtsystem von der Firma ###, das die<br />

Vermittlungstechnik ### beinhaltet und derzeit landesweit im Einsatz ist. Teil dieses Gesamtsystems ist<br />

das von der Beigeladenen entwickelte grafische Informationssystem/Einsatzleitsystem ### für das die<br />

Beigeladene dem Antragsgegner eine nicht ausschließliche Landeslizenz für unbegrenzt viele<br />

Arbeitsplätze einräumte. Im Jahr 2003 schloss der Antragsgegner einen Wartungsvertrag mit er<br />

Beigeladenen ab, der auch Programmierleistungen im Wert von ### pro Jahr beinhaltet. Darüber hinaus<br />

beauftragte der Antragsgegner die Beigeladene im Jahr 2011 ohne Teilnahmewettbewerb mit der<br />

Einbindung digitaler Funktechnik (BOS-Digitalfunk) zur ereignis- und kontextbezogenen Steuerung und<br />

mit der Integration der Sprachkommunikation in das bestehende Einsatzleitsystem; die Verträge wurden<br />

nachträglich bekannt gemacht. Die Leistungen der Beigeladenen zur Realisierung der Integration der<br />

Daten- und der Sprachanbindung in das Einsatzleitsystem sind in drei Realisierungsstufen auszuführen<br />

und sollen im Jahr 2014 abgeschlossen sein. Mit der Umsetzung liegt die Beigeladene im Zeitplan.<br />

Am 11.12.2012 erlangte die Antragstellerin Kenntnis davon, dass der Antragsgegner beabsichtigte, einen<br />

Auftrag zur softwareseitigen Erweiterung des bestehenden Vermittlungs- und Dokumentationssystems<br />

seines Einsatzleitsystems um die Notrufvermittlung und Sprachdokumentation ohne<br />

Teilnahmewettbewerb an die Beigeladene zu vergeben. Dieses Vorhaben hat die Antragstellerin<br />

gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 17.12.2012 als vergaberechtswidrig beanstandet. Der<br />

Antragsgegner hat hierauf mit Schreiben vom 11.01. 2013 darauf hingewiesen, dass eine Vorgabe noch<br />

nicht stattgefunden habe, dass aber beabsichtigt sei, das vorhandene Einsatzleitsystem ### um die<br />

softwareseitige Funktion "Notrufannahme- und Sprachdokumentation" zu erweitern, und dass wegen<br />

bestehender Ausschließlichkeitsrechte die Erweiterung der Software nur von der Beigeladenen<br />

durchgeführt werden könne. Die <strong>Verg</strong>abe erfolge daher nach § 12 Abs. 1 Satz 2 c) der VSVgV im<br />

Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und werde nach Vertragsschluss durch<br />

Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht. Über die bevorstehende<br />

Veröffentlichung informierte der Antragsgegner die Antragstellerin mit E-Mail vom 26.04. 2013.<br />

Am selben Tage (26.04. 2013) erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen im Rahmen eines


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Verhandlungsverfahrens ohne vorangegangenen Teilnahmewettbewerb den Auftrag zur softwareseitigen<br />

Erweiterung des bestehenden Vermittlungs- und Dokumentationssystems seines Einsatzleitsystems um<br />

die Notrufvermittlung und Sprachdokumentation. Die Auftragsvergabe wurde am 30.04. 2013 im<br />

Supplement zum Amtsblatt der EU ( 2013/S ### bekannt gemacht.<br />

Gegen die <strong>Verg</strong>ebe des Auftrags an die Beigeladene hat sich die Antragstellerin mit ihrem am<br />

24.06. 2013 eingereichten Nachprüfungsantrag gewandt. Zur Zulässigkeit des Antrags hat die<br />

Antragstellerin ausgeführt, die <strong>15</strong>-Tage-Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB zur Erhebung eines<br />

Nachprüfungsantrags komme vorliegend nicht zum Tragen, weil es sich bei ihrem Schreiben vom<br />

17.12.2012 nicht um eine Rüge gehandelt habe; die Zurückweisung der in dem Schreiben geäußerten<br />

vergaberechtlichen Bedenken durch den Antragsgegner habe deshalb die Frist nicht ausgelöst. Einen<br />

zulässigen Nachprüfungsantrag hätte sie zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht stellen können, weil<br />

es keinen präventiven <strong>Verg</strong>aberechtsschutz gebe. Die 30-Tage-Frist des § 101b Abs. 3 Satz 1 GWB sei<br />

demgegenüber eingehalten worden. Die E-Mail des Antragsgegners vom 26.04. 2013 hätten ihre<br />

Mitarbeiter erst am Montag, den 29.04. 2013, zur Kenntnis erhalten. Außerdem hätten der E-Mail Inhalt<br />

und Gegenstand des geschlossenen Vertrags nicht entnommen werden können. Fristbeginn sei deshalb<br />

der Tag nach der EU-Bekanntmachung, also der 01.5. 2013 gewesen, so dass die Frist erst am Montag,<br />

den 03.06.3013, abgelaufen sei; der <strong>Verg</strong>aberechtsverstoß sei im Übrigen bereits mit dem Eingang des<br />

Nachprüfungsantrags bei der <strong>Verg</strong>abekammer geltend gemacht worden und nicht erst mit dessen<br />

Zustellung an den Antragsgegner.<br />

In der Sache hat die Antragstellerin die Auffassung vertreten, der streitige Auftrag hätte im Wettbewerb<br />

nach den Vorschriften der EG VOL/A ausgeschrieben werden müssen. Die Voraussetzungen für eine<br />

Anwendung der <strong>Verg</strong>abeverordnung für die <strong>Verg</strong>ebe von verteidigungs- und sicherheitsrelevanten<br />

Aufträgen lägen nach § 1 VSVgV in Verbindung mit § 99 Abs. 7 GWB nicht vor, weil es sich bei der<br />

streitgegenständlichen Beschaffung nicht um eine Verschlusssache handele. Auch die Voraussetzungen<br />

für eine <strong>Verg</strong>abe ohne Teilnahmewettbewerb nach § 3 Abs. 4 c) oder e) EG VOL/A seien nicht erfüllt.<br />

Der Auftrag hätte daher in Anwendung der EG VOL/A in einem offenen oder nichtoffenen Verfahren mit<br />

Teilnahmewettbewerb vergeben werden müssen. Einem Teilnahmewettbewerb hätten weder<br />

Ausschließlichkeitsrechte der Beigeladenen noch technische Gegebenheiten entgegengestanden.<br />

Ausschließlichkeitsrechte der Beigeladenen seien nicht berührt, weil es erprobte Produkte für die<br />

Notrufvermittlung und -dokumentation gebe, die über die bereits vorhandene ###-Schnittstelle oder eine<br />

neu zu schaffende Schnittstelle an das beim Antragsgegner vorhandene System angebunden werden<br />

könnten, ohne dass hierfür in den Quellcode der Software der Beigeladenen eingegriffen werden müsse.<br />

Zur Mitwirkung an der Herstellung einer solchen externen Schnittstelle, die dem Stand der Technik<br />

entspreche und einen Aufwand von etwa 2 bis 3 Tagen verursache, sei die Beigeladene aufgrund des im<br />

Jahre 2003 mit dem Antragsgegner abgeschlossenen Softwarepflegevertrages verpflichtet. Die vom<br />

Antragsgegner an das zu beschaffende System gestellten Anforderungen würden auch von den von ihr<br />

bzw. den mit ihr verbundenen Unternehmen vertriebenen Systemen ### erfüllt. Insbesondere sei eine<br />

einheitliche Bedienung über das Einsatzleitsystem auf einer Bedienoberfläche mit diesen Produkten<br />

möglich; mit technischen Unvereinbarkeiten oder unverhältnismäßigen technischen Schwierigkeiten sei<br />

dabei nicht zu rechnen. Die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb sei<br />

auch nicht deshalb zulässig gewesen, weil es sich bei dem vom Antragsgegner definierten Bedarf um<br />

eine zusätzliche Lieferung des ursprünglichen Lieferanten handele oder weil ein Produktwechsel zu<br />

Inkompatibilitäten führen würde. Bei der Entwicklung einer Software für die Verarbeitung von Notrufen in<br />

einem vorhandenen Einsatzleitsystem handele es sich weder um eine teilweise Erneuerung noch um<br />

eine Erweiterung der bestehenden Einrichtung.<br />

Durch die ausweislich seines Schreibens vom 11.01. 2013 vom Antragsgegner beabsichtigte<br />

Erweiterung des Einsatzleitsystems ### dem Kommunikationsmodul ### werde die bundesweite, dem<br />

Stand der Technik entsprechende Trennung zwischen Notrufvermittlung und -dokumentation einerseits<br />

und Einsatzleitsystem andererseits aufgegeben. Für die vom Antragsgegner beabsichtigte Integration<br />

der neuen Funktionen in das vorhandene System gebe es - dies ist unstreitig - weder Vorbilder noch<br />

irgendwelche technischen Standards. Die vom Antragsgegner gewählte Lösung weiche auch von der


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Rahmen-Richtlinie für die Ausstattung und den Betrieb digitaler Notrufabfrageeinrichtungen (NRAbE-dig)<br />

ab, die als Voraussetzung für eine redundante, eine hohe Verfügbarkeit sicherstellende Ausführung eine<br />

Trennung von Notruf- und Einsatzleitsystem vorsehe. Zentrale Anforderung an eine technische<br />

Neuerung wie die hier streitige sei danach, dass das System mit einem redundanten Rückfallsystem<br />

ausgestattet und vom Einsatzleitsystem getrennt sei.<br />

Der Antragsgegner habe seinen Beschaffungsbedarf allgemein dahingehend definiert bzw. hätte ihn<br />

jedenfalls dahingehend definieren müssen, dass ein Vermittlungs- und Dokumentationssystem für<br />

Notrufe beschafft und in das vorhandene Einsatzleitsystem integriert werden solle. Es sei unzulässig,<br />

dass der Antragsgegner der Beigeladenen scheibchenweise Aufträge zur Anbindung der Leitstellen an<br />

das BOS-Digitalfunk-Netz erteile, anstatt den gebotenen Wettbewerb durchzuführen. Seine<br />

Verpflichtung, Aufträge im Wettbewerb zu vergeben, könne der Antragsgegner nicht dadurch umgehen,<br />

dass die Beschaffung der Notrufvermittlung und -dokumentation am Markt vorbei als softwareseitige<br />

Weiterentwicklung des vorhandenen Einsatzleitsystems definiert werde. Für eine solche Entscheidung<br />

gebe es keine sachlichen Gründe.<br />

Insbesondere seien besondere Kompatibilitätsrisiken bei der Anbindung eines Drittsystems nicht zu<br />

erwarten. Im Gegenteil seien getrennte Systeme geeignet, eine höhere Ausfallsicherheit zu<br />

gewährleisten, weil anders als bei einem integrierten System im Falle eines Systemzusammenbruchs<br />

wenigstens einzelne Funktionen bedient werden könnten; um bei einem integrierten System die gleiche<br />

Ausfallsicherheit wie bei getrennten Systemen zu erreichen, müsse gesondert sichergestellt werden,<br />

dass der Ausfall eines Subsystems nicht die Funktionsfähigkeit anderer Subsysteme beeinträchtige.<br />

Zwar bedürfe es bei der Anbindung eines Drittsystems mehrerer Schnittstellen, das gelte aber auch für<br />

den integrativen Lösungsansatz der Beigeladenen. Auch eine einheitliche Bedienung der gängigen<br />

Sprachvermittlungssysteme, wie dem ### sei bei Anbindung über eine externe Schnittstelle möglich.<br />

Die Entscheidung des Antragsgegners beruhe auch deshalb nicht auf einer tragfähigen Grundlage, weil<br />

der Antragsgegner keine ausreichende Markterkundung durchgeführt habe, insbesondere weder mit ihr<br />

noch mit anderen Marktteilnehmern inhaltliche Gespräche über den Beschaffungsvorgang geführt habe.<br />

Es sei zu vermuten, dass sich der Antragsgegner maßgeblich auf die Beratung durch die Beigeladene<br />

verlassen habe. Das Beratungsunternehmen ###, das der Antragsgegner als externen Berater<br />

hinzugezogen habe, sei in den Jahren 2011 und 2012 noch nicht involviert gewesen. Eine ausreichende<br />

Markterkundung sei jedoch Mindestvoraussetzung für eine sachorientierte Entscheidung über die<br />

Festlegung des Beschaffungsgegenstandes. Bei der gebotenen Markterkundung hätte der<br />

Antragsgegner nicht nur die Vorteile getrennter Systeme erkannt, sondern auch in Erfahrung gebracht,<br />

dass die Entwicklung von Notrufabfrage- und Vermittlungssystemen komplex sei und spezifisches<br />

Know-how verlange, über das die Beigeladene nicht verfüge.<br />

Bei der Beigeladenen handele es sich nicht um ein fachlich geeignetes Unternehmen.<br />

Die Beigeladene verfüge über keinerlei Erfahrung mit Sprachvermittlungssystemen und habe ihre<br />

Eignung auch nicht durch die Integration des BOS-Digitalfunks oder sonstige Erweiterungen des<br />

Einsatzleitsystems nachgewiesen, weil die entsprechenden Aufträge noch nicht abgearbeitet seien und<br />

die notwendigen Zertifizierungen für die vollumfängliche Nutzung noch fehlten. Die Beigeladene verfüge<br />

nicht einmal über die personellen Ressourcen, um die Entwicklung in ein bis zwei Jahren abzuschließen.<br />

Auch die schriftsätzlichen Ausführungen der Beigeladenen würden deren mangelnde Eignung belegen,<br />

weil diese in technischer Hinsicht unrichtig seien.<br />

Die Entscheidung des Antragsgegners sei auch deshalb nicht von sachlichen Gründen getragen und<br />

damit nicht frei von Willkür, weil die im Jahr 2011 freihändig erfolgte <strong>Verg</strong>abe von Aufträgen an die<br />

Beigeladene, mit der der Antragsgegner seine Festlegung des Beschaffungsgegenstands begründet<br />

habe, vergaberechtswidrig gewesen sei; der Antragsgegner habe seine Beschaffungsentscheidung nicht<br />

mit Rücksicht auf einen etwa aufgrund einer früheren vergaberechtswidrigen Beschaffung vorhandenen<br />

Technologiebestand treffen dürfen.


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Es fehle im Übrigen auch an einer ausreichenden Dokumentation der <strong>Verg</strong>abeentscheidung. Der<br />

Antragsgegner habe nicht dargelegt, dass er aufgrund einer Markterkundung unter Berücksichtigung des<br />

Standes der Technik und der Nutzbarkeit der vorhandenen ###-Schnittstelle zu dem Ergebnis gelangt<br />

sei, dass ihre Produkte und die anderer Wettbewerber nicht oder nicht in gleicher Weise geeignet seien,<br />

die zu beschaffenden Funktionen zu erfüllen. Ebenso wenig sei dokumentiert worden, inwieweit der<br />

Antragsgegner den Auftrag an ein fachkundiges und leistungsfähiges Unternehmen erteilt habe. Schon<br />

weil es an einer ausreichenden Dokumentation fehle, habe der Antragsgegner den Auftrag<br />

vergaberechtswidrig an die Beigeladene erteilt. Der vorgelegte <strong>Verg</strong>abevermerk des Antragsgegners<br />

diene erkennbar dem Zweck, die bereits im Dezember 2012 getroffene Entscheidung zugunsten der<br />

Beigeladenen nachträglich zu rechtfertigen.<br />

Die Antragstellerin hat beantragt,<br />

festzustellen, dass der am 30.04. 2013 im Amtsblatt der europäischen Union unter ### bekannt<br />

gemachte Vertrag vom ### zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen über die softwareseitige<br />

Erweiterung des bestehenden Einsatzleitsystems der Polizei Baden-Württemberg um die Funktionen<br />

Vermittlungs- und Dokumentationstechnik unwirksam ist.<br />

Der Antragsgegner hat beantragt,<br />

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.<br />

Zur Begründung hat der Antragsgegner ausgeführt, der Antrag sei bereits gern. § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 4<br />

GWB wegen Verfristung unzulässig. Nachdem er der Antragstellerin mit Schreiben vom 11.01. 2013<br />

mitgeteilt habe, dass ihrer Rüge nicht abgeholfen werde, sei die Antragstellerin verpflichtet gewesen,<br />

spätestens am 27.01. 2013 einen Nachprüfungsantrag zu stellen. Zwar sei nach § 107 Abs. 3 S. 2 GWB<br />

bei einem Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit einer De-facto-<strong>Verg</strong>abe eine Rüge nicht erforderlich;<br />

dies könne aber nicht für Fallkonstellationen gelten, in denen der Antragsteller - wie hier - davon<br />

unterrichtet worden sei, dass eine <strong>Verg</strong>abe ohne Wettbewerb durchgeführt werde. Nachdem die<br />

Antragstellerin tatsächlich gerügt habe, sei sie verpflichtet gewesen, den Nachprüfungsantrag innerhalb<br />

von <strong>15</strong> Tagen nach Zurückweisung der Rüge zu stellen. Der Nachprüfungsantrag sei außerdem auch<br />

deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin die Unwirksamkeit des mit der Beigeladenen geschlossenen<br />

Vertrags entgegen § 101b Abs. 2 S. 1 GWB nicht innerhalb von 30 Tagen ab Kenntnis vom<br />

Vertragsschluss geltend gemacht habe. Da die Antragstellerin am 26.04. 2013 über den Abschluss des<br />

streitgegenständlichen Vertrags Informiert worden sei, ihm der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin<br />

aber erst am 27r05. 2013 übermittelt worden sei, sei dieser auch nach § 101b Abs. 2 S. 1 GWB<br />

verfristet.<br />

Der bereits unzulässige Nachprüfungsantrag sei darüber hinaus aber auch unbegründet. Die Wahl des<br />

Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb sei nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 c) VSVgV zulässig<br />

gewesen, da der Auftrag wegen bestehender Ausschließlichkeitsrechte der Beigeladenen nur von.<br />

dieser habe erfüllt werden können. Selbst wenn die <strong>Verg</strong>abeverordnung für die <strong>Verg</strong>abe von<br />

verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Aufträgen indes nicht einschlägig wäre, folge dasselbe<br />

Ergebnis aus der inhaltsgleichen Bestimmung des § 3 Abs. 4 c) EG VOL/A, Der Beschaffungsbedarf, die<br />

softwareseitige Erweiterung des bestehenden Vermittlungs- und Dokumentationssystems des<br />

Einsatzleitsystems der Polizei um die Notruf- und Sprachdokumentation, sei vergaberechtskonform<br />

ermittelt worden. Die Festlegung des Beschaffungsbedarfs obliege grundsätzlich dem öffentlichen<br />

Auftraggeber, dem hierbei ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zukomme. Es bestehe<br />

keine Verpflichtung, die Kompatibilität zu anderen technischen Lösungen durch Installation einer<br />

produktneutralen Schnittstelle erst herzustellen, um hierdurch einen Wettbewerb zu ermöglichen. Seinen<br />

Beschaffungsbedarf, insbesondere die zu erfüllenden technischen Anforderungen, habe er ergebnisoffen<br />

und produktneutral ermittelt. Dabei sei er zu dem Ergebnis gekommen, dass nur eine softwareseitige<br />

Erweiterung die vollumfängliche Bedienung in einem System mit einer einheitlichen Technik und einer


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einheitlichen Bedienoberfläche ohne zusätzliche Schnittstellen ermögliche.<br />

Die Antragstellerin habe den Sachverhalt zum großen Teil unrichtig und verkürzt wiedergegeben.<br />

Nachdem die Beigeladene bereits im Jahr 2011 vergaberechtskonform mit der Integration des<br />

BOS-Digitalfunks und damit mit der Entwicklung und Integration eines Vermittlungssystems sowie einer<br />

Datendokumentation der. Digitalfunkdaten in das Einsatzleitsystem ### beauftragt worden sei und auf<br />

dieser Grundlage das Software-Vermittlungsmodul ### eingeführt worden sei, bestehe ein<br />

funktionsfähiges Sprachvermittlungssystem, das nur noch der streitigen softwareseitigen Erweiterung<br />

bedürfe, um die bestehenden und im Zuge der Polizeireform zu schaffenden neuen Einheiten mit<br />

moderner Notrufvermittlungs- und Dokumentationstechnik auszustatten. Zwar ließe sich die bloße<br />

Funk-Sprachkommunikation theoretisch auch durch umfangreiche Hard- und Softwaremaßnahmen<br />

realisieren; die notwendige Zusammenführung der Informationen aus .den laufenden Einsätzen und den<br />

Sprachinformationen sei hingegen ohne die Erweiterung nicht zu gewährleisten. Um die<br />

Sprachkommunikation einschließlich der Begleitdaten des BOS-Digitalfunks in vollem Umfang<br />

aufzeichnen zu können und um den Betrieb mit dem Betriebssystems Windows 7 - 64 Bit zu<br />

ermöglichen, sei eine Aufrüstung einschließlich einer deutlichen Kapazitätserweiterung oder der Ersatz<br />

der vorhandenen Anlagen notwendig. Über das vorhandene Modul ### könnten zwar Notrufe nach<br />

erfolgter IP-Umsetzung mit der vorhandenen Vermittlungs- und Dokumentationstechnik bearbeitet<br />

werden, es fehle dann aber noch die Anbindung/Verteilung an die einzelnen Arbeitsplätze einschließlich<br />

der Anpassung der Benutzeroberfläche.<br />

Der Beschaffungsgegenstand sei aufgrund umfangreicher sachbezogener Vorüberlegungen festgelegt<br />

worden. Hierfür sei das externe Büro ### im Juli 2012 mit der Beratung beauftragt worden. Die Prüfung<br />

des Beschaffungsbedarfs sei ergebnisoffen und nicht auf die Beigeladene zugeschnitten gewesen, was<br />

schon dadurch belegt werde, dass das beauftragte Beratungsbüro auch andere Bundesländer mit<br />

anderen Systemen berate und daher über eine breite Erfahrung mit verschiedenen Systemen verfüge.<br />

Im Sommer 2012 sei auch eine Markterkundung durchgeführt worden. Die Anforderungen an die<br />

Vermittlungs- und Dokumentationstechnik seien schließlich im Rahmen eines Workshops im Januar<br />

2013 mit Vertretern der Praxis und der Führungsebene abschließend erarbeitet worden. Von zentraler<br />

Bedeutung sei dabei das Anliegen gewesen, die zu beschaffende Vermittlungs- und<br />

Dokumentationstechnik in die bestehende technische Infrastruktur zu integrieren, um ein einheitliches<br />

System für Funk und Notruf mit einem Gerät und einer Benutzeroberfläche zu erhalten. Wegen der<br />

sicherheitskritischen Anwendung und der Notwendigkeit der Funktionsfähigkeit des Systems zur<br />

Abwendung von Gefahren für Leib und Leben habe die Technik redundant verfügbar und auch in<br />

Stresssituationen sicher zu bedienen sein müssen.<br />

Im Rahmen der Markterkundung seien auch mit der Antragstellerin und der Firma ### Gespräche<br />

geführt worden. Die Antragstellerin habe eine Produktbeschreibung ihrer Lösung übersandt und die<br />

geschätzten Kosten mündlich mitgeteilt. Weitere Gespräche seien in der Folge nicht geführt worden, weil<br />

die gewünschten Anforderungen von der Antragstellerin nicht in vollem Umfang hätten erfüllt werden<br />

können. So sei beispielsweise eine Bedienung aus dem Einsatzleitsystem analog der Bedienung aus<br />

dem BOS-Digitalfunk nicht möglich gewesen. Auch in den Gesprächen mit der Firma ### über eine<br />

mögliche Aufrüstung des bestehenden ###-Systems habe sich ergeben, dass nicht alle Anforderungen<br />

hätten erfüllt werden können. Das technische Konzept der Beigeladenen habe dagegen eine rein<br />

softwareseitige Erweiterung des vorhandenen Einsatzleitsystems um die Notrufschaltung, die<br />

Analogfunkschaltung und Sprachdokumentation vorgesehen, mit der alle technischen und taktischen<br />

Anforderungen erfüllt werden könnten. Der Lösungsansatz der Beigeladenen gewährleiste damit eine<br />

insgesamt schnittstellenfreie Bedienung mit einer einheitlichen Technik auf einer einheitlichen<br />

Bedienoberfläche.<br />

Eine einheitliche Bedienung im Einsatzleitsystem wäre dagegen bei einer Realisierung über einen<br />

Drittanbieter allenfalls nach Implementierung einer komplexen Schnittstelle möglich, die gesondert<br />

beauftragt werden müsste, wodurch erhebliche zusätzliche Kosten anfallen würden. Die Schaffung einer<br />

solchen Schnittstelle wäre zudem rechtlich ohne Zustimmung der Beigeladenen überhaupt nicht möglich,


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weil hiermit zwingend eine Anpassung des Protokolls des Einsatzleitsystems verbunden wäre, was<br />

wiederum die Kenntnis vom geschützten Quellcode der Software des bestehenden ###-Systems der<br />

Beigeladenen voraussetzen würde. Darüber hinaus bedeute jede Datenübergabe eine potentielle<br />

Fehlerquelle und berge Kompatibilitätsrisiken. Da es sich bei seinem Einsatzleitsystem nicht um ein<br />

standardisiertes Produkt, sondern um eine äußerst komplexe Entwicklung handele, seien zur<br />

Realisierung einer funktionsfähigen Schnittstelle auf Seiten des Drittanbieters umfangreiche Kenntnisse<br />

über die Logik und Funktionsweise des vorhandenen Einsatzleitsystems notwendig.<br />

Soweit die Antragstellerin geltend mache, dass ein anderer technologischer Weg eingeschlagen werde<br />

als in anderen Bundesländern, sei darauf hinzuweisen, dass es keine allgemeingültigen Standards für<br />

die Kopplung von Funk- und Notrufabfragesystemen (FNAS) mit Einsatzleitsystemen gebe. Im Übrigen<br />

habe ein neuer und innovativer Ansatz denklogisch keine Vorbilder. Das Begehren der Antragstellerin<br />

laufe darauf hinaus, dass die Wahl eines innovativen Lösungsansatzes nur deshalb unterbleiben müsse,<br />

weil andere Anbieter keine vergleichbaren Lösungen anbieten könnten.<br />

Die Antragstellerin gehe auch zu Unrecht davon aus, dass eine Bindung an die Rahmenrichtlinie für die<br />

Ausstattung und den Betrieb digitaler Notrufabfrageeinrichtungen (NRAbGE-dig) bestehe; dies sei nicht<br />

der Fall. Ebenso wenig könne der Antragstellerin darin gefolgt werden, dass die. Trennung des Funkund<br />

Notrufabfragesystems (FNAS) vorn Einsatzleitsystem zu einer höheren Verfügbarkeit führe. Die<br />

Trennung in Einzelsysteme bringe tatsächlich keine Vorteile bei einem Ausfall des Gesamtsystems. Das<br />

Gegenteil sei der Fall. Bei den Systemen ### und ### seien die Teilsysteme jeweils für sich redundant<br />

aufgebaut, was unterstreiche, dass diese technische Lösung vorzugswürdig sei. Im Falle eines Ausfalls<br />

werde vollautomatisch auf ein redundantes System umgeschaltet, um weiterhin einen sicheren<br />

vollumfänglichen Betrieb zu gewährleisten. Beim kompletten Ausfall einer Leitstelle würden die Notrufe<br />

intelligent den benachbarten Leitstellen zugeleitet. Daneben könnten Telefone, so wie bisher auch,<br />

unmittelbar an die ISDN-Anschlüsse angeschlossen werden. Um die gleiche Ausfallsicherheit wie bei<br />

dem System der Beigeladenen zu erreichen, müsse die Antragstellerin die doppelte Anzahl von<br />

Sprachvermittlungssystemen installieren, was den Aufwand gegenüber der gewählten technischen<br />

Lösung vervielfachen würde.<br />

Auch die fachliche Eignung der Beigeladenen stehe nicht in Frage. Die Beigeladene habe den ihr im<br />

Jahr 2011 erteilten Auftrag, die Leitstellen an den Digitalfunk anzuschalten und die Funkkommunikation<br />

herzustellen, erfolgreich umgesetzt. Die Funkkommunikation sei sogar von der Bundesanstalt für<br />

Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zertifiziert worden, was eine<br />

besondere Auszeichnung darstelle. Mit den laufenden Arbeiten liege die Beigeladene - dies ist unstreitig<br />

- im Zeitplan. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Verarbeitung der Sprachkommunikation im<br />

Zusammenhang mit dem Digitalfunk deutlich anspruchsvoller und komplexer sei als die jetzt in Rede<br />

stehende Sprachkommunikation im Zusammenhang mit der Telekommunikation. Auch ohne Vorlage<br />

entsprechender Referenzen habe sie danach von der Eignung der Beigeladenen ausgehen dürfen. Die<br />

Vorlage von Referenzleistungen könne ohnedies nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme der<br />

fachlichen Eignung des Anbieters sein, weil aussagekräftige Referenzleistungen bei einer <strong>Verg</strong>abe von<br />

komplexen innovativen Dienstleistungen denklogisch nicht vorliegen könnten.<br />

Die technische Lösung der Beigeladenen sei auch unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit<br />

vorzugswürdig, weil sie deutlich weniger als die Hälfte der anderen Lösungen koste. Auch der Umstand,<br />

dass bei Einführung eines komplett neuen Systems Schulungen mit über 800 Bediensteten durchgeführt<br />

werden müssten, stelle dabei einen erheblichen Kostenfaktor dar.<br />

Der Beschaffungsbedarf sei nach alledem vergaberechtskonform ermittelt worden. Gedeckt werden<br />

könne er wegen der bestehenden Schutzrechte nur von der Beigeladenen.<br />

Die mit Beschluss der <strong>Verg</strong>abekammer vom 28.05. 2013 beigeladene ### hat ebenfalls beantragt, den<br />

Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.


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Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Antrag sei bereits aus den vom Antragsgegner angeführten<br />

Gründen unzulässig, daneben aber auch unbegründet. Selbst wenn ein Ausnahmetatbestand nach § 12<br />

Abs. 1 Nr. 1 c) VSVgV bzw. § 3 EG Abs. 4 c) VOL/A nicht gegeben sein sollte, wäre das<br />

Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 a) VSVgV bzw. § 3 EG Abs. 4<br />

e) VOL/A zulässig, da es sich bei der fraglichen Leistung um eine Erweiterung von bereits bestehenden<br />

Einrichtungen handele und ein Wechsel des Auftragnehmers dazu führe, dass der Auftraggeber<br />

Produkte mit unterschiedlichen technischen Merkmalen erwerben müsse, was zu einer technischen<br />

Unvereinbarkeit bzw. zu unverhältnismäßigen Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung führen könne.<br />

Der Antragsgegner habe sein Leistungsbestimmungsrecht fehlerfrei ausgeübt; die<br />

Beschaffungsentscheidung beruhe auf sach- und auftragsbezogenen Gründen. Es habe keine<br />

Verpflichtung des Antragsgegners bestanden, durch Untersuchungen zu erforschen, ob sich ein<br />

vertretbares Ausschreibungsergebnis auch durch eine produkt- und technikoffene Ausschreibung<br />

erreichen lasse. Das Leistungsbestimmungsrecht der <strong>Verg</strong>abestelle werde nicht dadurch eingeschränkt,<br />

dass die Anbindung von Drittsystemen über erst einzurichtende Schnittstellen erfolgen könnte. Auf<br />

Drittlösungen könne verzichtet werden; wenn - wie hier - die Gefahr von Kompatibilitätsproblemen<br />

bestehe. Der Antragsgegner verfüge mit dem System über eine einheitliche Softwarelösung, mit der<br />

sowohl die Einsatzleitung als auch der Digitalfunk direkt aus dem Einsatzleitsystem heraus bedient<br />

werden könnten; im vorhandenen System sei bereits ein Vermittlungssystem samt Dokumentation<br />

erhalten, das nur noch um den Notruf erweitert werden müsse. Es sei deshalb weder erforderlich noch<br />

sinnvoll, eine neue Vermittlungstechnik zu beschaffen. Auch könne ein Drittsystem nicht über die<br />

vorhandene Schnittstelle angebunden werden. Eine Anbindung über eine andere Schnittstelle, die es<br />

allerdings noch nicht gebe, sondern die erst herzustellen wäre, würde zudem voraussetzen, dass sie, die<br />

Beigeladene, ihren Quellcode an eine solche Schnittstelle anpasse. Der hierfür erforderliche Aufwand sei<br />

nicht darstellbar. Die Möglichkeit der Anbindung eines Drittsystems bestehe demnach zwar theoretisch,<br />

wenn sie ihre Schnittstelle offen lege; praktisch sei dies aber auch deshalb nicht umsetzbar, weil der<br />

Drittanbieter neben ### eine eigene, separate Bedienoberfläche installieren müsse, was einen<br />

Systembruch zur Folge hätte, weil das Arbeiten über eine einheitliche Bedienoberfläche in diesem Fall<br />

nicht möglich wäre. Im Übrigen sei sie aber auch nicht bereit, ihre internen Schnittstellen offenzulegen,<br />

weil sie hierdurch in der freien Weiterentwicklung ihrer Lösungen eingeschränkt würde und eine<br />

aufwändige Dokumentation der internen Schnittstelle notwendig wäre.<br />

In jedem Falle würden andere Lösungen als ihre eigene zu zwei Vermittlungssystemen führen, nämlich<br />

zum Einen das Vermittlungssystem des Drittsystems für den Notruf voraussetzen und zum Anderen das<br />

Vermittlungssystem der Softwarelösung ### für den Digitalfunk. Dies würde zu einer Kollision der beiden<br />

Sprachströme führen, wenn nicht eine völlig neue Steuereinheit als dritte Kontrollinstanz geschaffen<br />

würde, was die Entwicklung weiterer Schnittstellen nach sich ziehen würde. Der damit verbundene<br />

Aufwand und die tatsächliche Realisierbarkeit seien ebenso wenig abzuschätzen wie die<br />

Fehleranfälligkeit dieses Lösungsansatzes. Nachdem beim Antragsgegner bereits ein<br />

Vermittlungssystem vorhanden sei, bestehe im Übrigen von vornherein kein Bedarf für ein weiteres<br />

Vermittlungssystem, zumal ein solches einen weiteren erheblichen Aufwand erfordere und mit<br />

zusätzlichen - vermeidbaren - Risiken verbunden sei.<br />

Der Antragsgegner habe nach alledem schon mit Blick darauf, dass sie über Ausschließlichkeitsrechte<br />

an ihrer einheitlichen Softwarelösung ### verfüge, keine andere Möglichkeit gehabt, als seinen<br />

Beschaffungsbedarf durch die streitige Beauftragung zu decken.<br />

Es fehle auch nicht an ihrer Eignung. Die Behauptung der Antragstellerin, sie - die Beigeladene - habe<br />

keine Erfahrung mit Sprachvermittlungssystemen, sei unzutreffend. Sie verfüge aufgrund der vom<br />

Antragsgegner im Jahre 2011 erteilten Aufträge zur Einbindung des Digitalfunks und zur Herstellung der<br />

Funkkommunikation über umfangreiche Erfahrung auf dem maßgeblichen Gebiet. Ihre Eignung habe sie<br />

auch durch die erfolgreiche Zertifizierung ihrer Entwicklung durch die BDBOS nachgewiesen. Seit 1992<br />

sei sie als Softwareentwicklerin tätig, wobei die Softwareentwicklung für Einsatzzentralen und<br />

Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zu ihren Kernkompetenzen gehöre. Dass sie für innovative<br />

neue Leistungen, die am Markt noch nicht zu finden seien, keine Referenzen vorlegen könne, dürfe ihr


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nicht zum Nachteil gereichen.<br />

Durch Beschluss vom 24.06. 2013 hat die <strong>Verg</strong>abekammer den Nachprüfungsantrag kostenpflichtig<br />

zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antrag sei zulässig, aber nicht begründet. Die<br />

Wahrung der <strong>15</strong>-Tage-Frist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB sei bei einem Nachprüfungsantrag, der<br />

auf Feststellung der Unwirksamkeit eines De-facto-Vertrages gerichtet sei, gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2<br />

GWB nicht geboten. Die Frage, ob Anderes zu gelten habe, Wenn der Antragsteller von der Tatsache<br />

Kenntnis habe, dass eine in seinen Augen unzulässige <strong>Verg</strong>ab& durchgeführt wird, könne offen bleiben,<br />

weil die Antragstellerin aufgrund der Wortwahl im Absageschreiben des Antragsgegners zu der<br />

Annahme habe gelangen können, dass ein förmliches Verhandlungsverfahren ohne<br />

Teilnahmewettbewerb erst bevorstehe und dass daher ein Nachprüfungsantrag mangels einer<br />

Möglichkeit zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes unzulässig sei. Die 30-Tage-Frist des<br />

§ 101b Abs. 3 Satz 1 GWB sei indes gewahrt.<br />

Der zulässige Antrag sei jedoch nicht begründet. Die <strong>Verg</strong>abe im Wege des Verhandlungsverfahrens<br />

ohne Teilnahmewettbewerb sei vorliegend gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 c) VSVgV bzw. § 3 Abs. 4 c) EG<br />

VOL/A zulässig gewesen, weil der Auftrag wegen seiner technischen Besonderheiten bzw. dem<br />

gebotenen Schutz von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Unternehmen - der<br />

Beigeladenen - habe durchgeführt werden können. Dass der vom Antragsgegner definierte Auftrag - die<br />

softwareseitige Erweiterung des bestehenden Systems - ausschließlich von der Beigeladenen in<br />

angemessener Zeit, wirtschaftlich und ohne Verletzung von Schutzrechten habe erbracht werden<br />

können, weil nur die Beigeladene technisch und, rechtlich die notwendigen Anpassungen vornehmen<br />

könne, sei unstreitig. Die Antragstellerin mache lediglich geltend, dass der Antragsgegner einen anderen<br />

technischen Weg hätte wählen sollen, der keinen Eingriff in den Quellcode der Beigeladenen erfordere.<br />

Dem Auftraggeber stehe es jedoch frei, die auszuschreibende Leistung nach seinen individuellen<br />

Vorstellungen zu bestimmen. Der Antragsgegner habe seinen Beschaffungsbedarf vorliegend aufgrund<br />

sach- und auftragsbezogener Kriterien festgelegt, ohne dass sachfremde, willkürliche oder<br />

diskriminierende Erwägungen zum Tragen gekommen seien. Insbesondere sei vergaberechtlich nicht zu<br />

beanstanden, dass sich der Antragsgegner dazu entschlossen habe, ein bereits vorhandenes System<br />

beizubehalten und dieses um fehlende, aber notwendige Funktionen zu ergänzen, anstatt ein<br />

Komplettsystem neu zu erwerben, das die alten und die geforderten neuen Funktionen umfasse.<br />

Unerheblich sei auch, ob die im Jahre 2011 erteilten Aufträge über andere Funktionserweiterungen<br />

rechtmäßig zustande gekommen seien oder, wie die Antragstellerin geltend mache, unter Verstoß gegen<br />

das <strong>Verg</strong>aberecht. Entscheidend sei insoweit ausschließlich, dass eine funktionsfähige und bereits mit<br />

umfangreichen Funktionen ausgestatte Vermittlungs- und Dokumentationstechnik tatsächlich vorhanden<br />

sei. Der Antragsgegner sei als Auftraggeber auch nicht gehalten, seinen Beschaffungsbedarf nach der<br />

gängigen Praxis auszurichten; er dürfe seinen Beschaffungsbedarf vielmehr frei festlegen und dabei<br />

auch innovative Wege beschreiten, Einer Beschaffung eines einheitlichen Systems stehe auch nicht die<br />

Richtlinie NRAbE-dig entgegen. Dies gelte schon deshalb, weil es sich hierbei nur um eine<br />

verwaltungsinterne Richtlinie und nicht um eine vergaberechtliche Bestimmung handele, die<br />

Antragstellerin aber nur Anspruch auf Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen habe.<br />

Die Entscheidung sei auch im Übrigen sachgerecht. Die Anbindung eines Drittsystems erfordere<br />

zweifellos die Fertigung einer Schnittstelle zwischen diesem und dem ursprünglich im Jahre 2000<br />

gelieferten Einsatzleitsystem (###), nachdem die vorhandene Schnittstelle ### nicht verwendet werden<br />

könne. Bei der Bildung neuer Schnittstellen sei jedoch nach der eigenen Erfahrung der Kammer aus<br />

anderen Verfahren und aus eigenen IT-Beschaffungen stets mit Kompatibilitätsrisiken zu rechnen. Es<br />

bestehe ein legitimes Interesse des Antragsgegners, jedes vermeidbare Risiko, das aus<br />

Kompatibilitätsproblemen resultieren könne, auszuschließen, zumal Leben und Gesundheit von<br />

Menschen von einem voll funktionsfähigen Einsatzleitsystem abhingen. Mit dem vom Antragsgegner<br />

gewählten Lösungsansatz seien vergleichbare Risiken gerade nicht verbunden, weil die Beigeladene,<br />

wie sie überzeugend dargelegt habe, als Schnittstelle lediglich SIP benötige, also einen offenen<br />

Standard, und weil es sich lediglich um eine softwareseitige Weiterentwicklung handele und nicht um<br />

den Anschluss eines Fremdsystems an ein vorhandenes System. Bereits die Vermeidung einer


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Schnittstelle mit einem Fremdsystem rechtfertige den vom Antragsgegner festgelegten<br />

Beschaffungsbedarf.<br />

Der Antragsgegner sei auch nicht gehalten, die Möglichkeit zu eröffnen, Drittsysteme anzubinden.<br />

Insbesondere hätten die Marktteilnehmer keinen Anspruch darauf, dass ein Auftraggeber eine<br />

Schnittstelle herstelle oder deren Herstellung kostenpflichtig in Auftrag gebe, um einen<br />

Teilnahmewettbewerb zu ermöglichen. Hinzu komme, dass die Beigeladene, deren Mitwirkung an der<br />

Schaffung einer Schnittstelle unstreitig notwendig sei, nicht bereit sei, den Schutz der von ihr<br />

entwickelten technischen Lösung aufzugeben und an der Herstellung einer weiteren Schnittstelle<br />

mitzuwirken. Selbst wenn sich - wofür allerdings nichts ersichtlich sei - aus dem Wartungsvertrag vom<br />

12.02.2003 eine Pflicht der Beigeladenen zur Mitwirkung an der Herstellung einer Schnittstelle ergäbe,<br />

wäre es dem Antragsgegner nicht zumutbar, im Interesse der Antragstellerin eine Mitwirkung der<br />

Beigeladenen klageweise durchzusetzen.<br />

Es entspreche auch einem legitimen Interesse des Antragsgegners, künftig mit einem einheitlichen und<br />

gewachsenen System eines Herstellers zu arbeiten, weil bei Störungen keine Streitfragen hinsichtlich<br />

der Verantwortlichkeit und Zuständigkeit für die Fehlerbeseitigung auftreten könnten. Auch vereinfache<br />

es die Abwicklung, wenn die Wartung in einer Hand liege. Ihr ursprüngliches Hauptargument, dass die<br />

Festlegung auf ein integriertes System deshalb sachwidrig sei, weil ein solches gegenüber getrennten<br />

Systemen eine geringere Fehleranfälligkeit aufweise, habe die Antragstellerin nicht mehr<br />

aufrechterhalten, nachdem diese in ihrem letzten Schriftsatz nur noch davon ausgegangen sei, dass bei<br />

einem integrierten System besondere Vorkehrungen getroffen werden müssten, um die gleiche<br />

Ausfallsicherheit zu erreichen, wie sie bei getrennten Systemen bestehe.<br />

Auch die wirtschaftlichen Überlegungen des Antragsgegners seien sach- und auftragsbezogen, also<br />

nicht willkürlich. Insbesondere handele es sich um eine sachgerechte und nicht zu beanstandende<br />

Prognose, dass die softwareseitige Erweiterung des vorhandenen Systems zu einem deutlich<br />

günstigeren Preis zu erhalten. sei als eine komplette Neuanschaffung der Vermittlungs- und<br />

Dokumentationstechnik. Für die Kammer sei auch nicht erkennbar, warum getrennte Systeme zu einem<br />

geringeren Wartungsaufwand führen sollten, als die Wartung eines Gesamtsystems. Im Gegenteil seien<br />

Synergieeffekte und damit geringere Kosten zu erwarten, wenn die Wartung des Systems in einer Hand<br />

liege. Auch der Umstand, dass sich die über 800 Nutzer mit einem neuen System vertraut machen<br />

müssten, wodurch ein höherer Schulungsaufwand entstehe, der mit einem entsprechend höheren<br />

Kostenaufwand und einem Ausfall an Arbeitszeit verbunden sei, der bei der streitigen Beschaffung<br />

vermieden werden könne, sei als sachliches Argument für die vom Antragsgegner gewählte Lösung zu<br />

bewerten.<br />

Die <strong>Verg</strong>abeentscheidung sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil es mangels ausreichender<br />

Markterkundung an einer tragfähigen Entscheidungsgrundlage gefehlt habe. Tatsächlich sei ein<br />

Auftraggeber nicht verpflichtet, durch eine Markterforschung oder durch Marktanalysen zu erkunden, ob<br />

sich ein vertretbares Ausschreibungsergebnis auch durch eine produkt- oder technikoffene<br />

Ausschreibung erreichen lasse. Abgesehen davon könne dem Antragsgegner nicht abgesprochen<br />

werden, dass er eine ausreichende Markterkundung unter Hinzuziehung eines externen<br />

Beratungsunternehmens mit unbestritten hoher Kompetenz und umfangreichen Marktkenntnissen<br />

durchgeführt habe, die zu dem Ergebnis geführt habe, dass die vom Antragsgegner aufgestellten<br />

Anforderungen nur mit einer softwareseitigen Lösung zu erreichen seien. Ob dies im Ergebnis zutreffend<br />

sei, könne dabei dahingestellt bleiben, weil sich der Antragsgegner schon deshalb<br />

vergaberechtskonform verhalten habe, weil er aufgrund der angestellten Ermittlungen und nach<br />

Einschaltung eines Beratungsunternehmens zu dem Ergebnis gelangt sei, dass mit Fremdsystemen die<br />

gewünschten Anforderungen nicht umgesetzt werden könnten. Der Einholung eines<br />

Sachverständigengutachtens zur Klärung der strittigen Fragen habe es deshalb nicht bedurft.<br />

Der Antragsgegner sei auch ohne Verstoß gegen geltendes <strong>Verg</strong>aberecht davon ausgegangen, dass die<br />

Beigeladene die erforderliche fachliche Eignung aufweise. Er habe seinen diesbezüglichen


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Beurteilungsspielraum nicht überschritten, als er aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen mit der<br />

Beigeladenen davon ausgegangen sei, dass diese auch den streitgegenständlichen Auftrag innerhalb<br />

der vorgegebenen Fristen würde erfüllen können.<br />

Nachdem der Antragsgegner den Beschaffungsbedarf frei von <strong>Verg</strong>abefehlern dahingehend festgelegt<br />

habe, dass die bestehende Vermittlungs- und Dokumentationstechnik softwareseitig um die Funktion<br />

Notruf- und Sprachdokumentation zu ergänzen und nicht durch eine neue Vermittlungs- und<br />

Dokumentationstechnik zu ersetzen sei, habe er den Auftrag gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 c) VSVgV und<br />

nach § 3 Abs. 4 c) EG VOL/A im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb an die Beigeladene<br />

vergeben dürfen, weil nur diese aufgrund der bestehenden Schutzrechte in der Lage sei, den Auftrag zu<br />

erfüllen. Einer Entscheidung darüber, ob daneben auch ein Verhandlungsverfahren nach § 12 Abs. 1 Nr.<br />

2 a) VSVgV bzw. § 3 EG Abs. 4 e) EG VOL/A zulässig gewesen sei, oder ob für die Durchführung des<br />

<strong>Verg</strong>abeverfahrens die VSVgV oder die EG VOL/A Anwendung finde, bedürfe es danach nicht mehr.<br />

Gegen den ihr am 02.07. 2013 zugestellten Beschluss der <strong>Verg</strong>abekammer hat die Antragstellerin mit<br />

Schriftsatz vom 16.07. 2013, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tage, sofortige<br />

Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt die Antragstellerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres<br />

bisherigen Vorbringens aus, der Nachprüfungsantrag sei zulässig und auch begründet. Der Antrag sei<br />

insbesondere weder verfristet noch deshalb unzulässig, weil es ihr an der erforderlichen Antragsbefugnis<br />

fehle; diese liege vor, da sie ein Interesse an dem Auftrag zur Lieferung einer Notrufvermittlung und<br />

-dokumentation habe.<br />

Begründet sei der Antrag, weil der Antragsgegner den Auftrag nicht ohne Teilnahmewettbewerb hätte<br />

vergeben dürfen. Die Beschaffung der Notrufvermittlung und -dokumentation für die Einsatzleitsysteme<br />

der Polizei des Antragsgegners in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb verstoße<br />

gegen die §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 7 GWB i. V. m. § 3 Abs.1 und Abs. 4 VOL/A EG bzw. § 11 Abs. 1<br />

VSVgV. Ferner sei § 97 Abs. 4 S. 1 GWB I. V. m. § .19 Abs. 5 VOL/A EG bzw. § 21 Abs. 1 VSVgV<br />

verletzt. Es lägen keine Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, die streitige Beschaffung der<br />

Vermittlungs- und Dokumentationstechnik dem Wettbewerb zu entziehen. Die Entscheidung der<br />

<strong>Verg</strong>abekammer sei fehlerhaft, weil die <strong>Verg</strong>abekammer den Beschaffungsbedarf mit dem<br />

Auftragsgegenstand gleichgesetzt und angenommen habe, dass die technologische Umsetzung der<br />

Anforderungen an die Notrufvermittlung und -dokumentation weder am Wettbewerbsgrundsatz noch am<br />

Transparenzgebot zu messen sei. Entgegen der Auffassung der <strong>Verg</strong>abekammer sei die Festlegung des<br />

Beschaffungsgegenstandes durch den Antragsgegner nicht nur am Willkürverbot zu messen. Der<br />

Beschaffungsgegenstand sei vom öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich so festzulegen, dass ein<br />

Wettbewerb ermöglicht werde. Eine den Wettbewerb ausschließende Beschaffungsentscheidung<br />

bedürfe einer vorherigen Markterkundung und einer besonderen Rechtfertigung, woran es vorliegend<br />

fehle. Sachliche und auftragsbezogene Gründe für die Beschaffung einer softwareseitigen Erweiterung<br />

des vorhandenen Systems des Antragsgegners lägen nicht vor, weil die vom Antragsgegner<br />

aufgestellten und im <strong>Verg</strong>abevermerk niedergelegten technischen und taktischen Anforderungen auch<br />

anders als durch eine softwareseitige Erweiterung des vorhandenen Systems, nämlich unter Anderem<br />

durch ihre Produkte ### und ### erfüllt werden könnten. Die diesbezüglichen technischen Ausführungen<br />

des Antragsgegners und der Beigeladenen seien unzutreffend. Auch sie, die Antragstellerin, sei in der<br />

Lage, einen integrativen Ansatz anzubieten; derartige Lösungen habe sie auch schon zuvor realisiert,<br />

wobei hierfür eine CAD.NET-Schnittstelle genutzt worden sei.<br />

Maßgeblich für die Frage, ob der Antragsgegner eine vergaberechtskonforme<br />

Beschaffungsentscheidung getroffen habe, sei der <strong>Verg</strong>abevermerk, Aus dem <strong>Verg</strong>abevermerk ergäben<br />

sich aber keine sachlichen Gründe für die Festlegung des Beschaffungsgegenstands auf eine<br />

softwareseitige Erweiterung des beim Antragsgegner vorhandenen Systems. Die <strong>Verg</strong>abekammer habe<br />

bereits verkannt, was der Antragsgegner im <strong>Verg</strong>abevermerk als Beschaffungsbedarf festgelegt habe;<br />

ihre Prüfungskompetenz habe die <strong>Verg</strong>abekammer unzutreffend als beschränkt angesehen. Die<br />

Bestimmung des Beschaffungsbedarfs unterliege keineswegs nur einer Überprüfung darauf, ob die<br />

Entscheidung sachlich gerechtfertigt sei; es genüge auch nicht, dass für die Festlegung des


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Beschaffungsgegenstands nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben<br />

worden seien. Die Gründe müssten vielmehr auch vorliegen und dokumentiert sein. Insbesondere<br />

bedürfe es auch nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts <strong>Karlsruhe</strong> eines <strong>Verg</strong>abevermerks,<br />

in dem sachliche und auftragsbezogene Gründe für die einen Wettbewerb ausschließende Festlegung<br />

des Beschaffungsgegenstands dokumentiert seien. Zudem sei eine vorherige Markterkundung<br />

hinsichtlich der denkbaren technischen Lösungsansätze erforderlich, wenn durch die Festlegung des<br />

Beschaffungsgegenstands der Wettbewerb .ausgeschlossen werde. Eine Abwägung der Argumente für<br />

und gegen die verschiedenen technologischen Lösungsansätze sei ohne Grundkenntnisse über die<br />

bestehenden Alternativen überhaupt nicht möglich; die Beschaffungsentscheidung des Antragsgegners<br />

sei daher nicht nachvollziehbar und willkürlich. Eine Markterkundung hätte zudem auch erfolgen<br />

müssen, nachdem der Beschaffungsbedarf festgelegt worden sei, also nach Durchführung des<br />

Workshops am 10.01. 2013.<br />

Aus dem <strong>Verg</strong>abevermerk des Antragsgegners bzw. den ihr insoweit zur Einsicht zur Verfügung<br />

gestellten Unterlagen ergebe sich nicht, dass der Antragsgegner eine ausreichende Markterkundung<br />

durchgeführt habe und dass er seinen Beschaffungsbedarf im Sinne einer softwareseitigen Erweiterung<br />

des bestehenden Systems auf einer sachlichen und tragfähigen Grundlage definiert habe. Die<br />

vereinzelten Gespräche mit ihr - der Antragstellerin - und der Firma ### hätten für eine Markterkundung<br />

nicht ausgereicht, zumal ihr gegenüber die Beschaffungsabsicht des Antragsgegners überhaupt nicht<br />

zutreffend dargestellt worden sei. in den 2011 und 2012 geführten Gesprächen sei zudem eine<br />

Vorfestlegung des Antragsgegners auf die Leistungen der Beigeladenen zu Tage getreten, die es im<br />

Nachhinein erklärlich mache, warum keine Markterkundung erfolgt sei.<br />

Nachdem sie über die konkrete Beschaffungsabsicht des Antragsgegners nicht zutreffend informiert<br />

worden sei, habe es auch nicht zu einer belastbaren Kalkulation und einem entsprechenden Angebot<br />

ihrerseits kommen können. Der von ihrem Vertriebsleiter genannte Preis habe sich tatsächlich - mangels<br />

ausreichender Information über die Beschaffungsabsicht des Antragsgegners - auf ein Komplettsystem<br />

bezogen und gerade nicht auf eine den Anforderungen des Antragsgegners entsprechende Lösung. Der<br />

ihrerseits genannte Preis sei daher mit dem Preis der Beigeladenen für die von ihr angebotene Leistung<br />

von vornherein nicht vergleichbar, so dass die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Antragsgegners nicht<br />

tragfähig sei. Die im <strong>Verg</strong>abevermerk festgehaltenen Wirtschaftlichkeitserwägungen des Antragsgegners<br />

seien, was die <strong>Verg</strong>abekammer verkannt habe, auch deshalb keine taugliche Grundlage für die<br />

Beschaffungsentscheidung gewesen. Weil nicht alle relevanten Faktoren berücksichtigt worden seien.<br />

Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass es mit einem zusätzlichen Aufwand und zusätzlichen<br />

Risiken verbunden sei, dass der Antragsgegner bei dem Lösungsmodell der Beigeladenen die Hardware<br />

selbst beschaffen und diesbezügliche Kompatibilitätsrisiken tragen müsse. Auch der für die<br />

verschiedenen Lösungsansätze anfallende Aufwand für Schulungen und Wartungen sei vom<br />

Antragsgegner nicht zutreffend ermittelt worden. Der Schulungsaufwand für, das Personal sei entgegen<br />

der Auffassung des Antragsgegners technologieneutral, da es auch beim Lösungsansatz der<br />

Beigeladenen Schulungen der zur Anwendung berufenen Mitarbeiter bedürfe. Auch mit Blick auf<br />

Wartung und Pflege der verschiedenen Sprachvermittlungs- und Dokumentationssysteme seien<br />

entgegen der Annahme des Antragsgegners, der Beigeladenen und der <strong>Verg</strong>abekammer bei getrennten<br />

Systemen keine Nachteile zu erwarten, weil es gängige Praxis sei, dass alle Arbeiten, die einen Betrieb<br />

betreffen, aus einer Hand erfolgen. Insoweit sei sie auch damit einverstanden, wenn die Wartung<br />

insgesamt durch die Beigeladene durchgeführt werde.<br />

Durch die gebotene Markterkundung hätte auch festgestellt werden können, dass maßgebliche<br />

Annahmen des Antragsgegners, die im <strong>Verg</strong>abevermerk als Begründung für die Festlegung auf eine<br />

Integration der Vermittlungs- und Dokumentationstechnik für Notrufe in das Einsatzleitsystem angegeben<br />

worden seien, unzutreffend seien. Unzutreffend sei insbesondere die Aussage, dass einzig die<br />

Erweiterung der vorhandenden ###-Software alle taktischen und technischen Anforderungen des<br />

Antragsgegners erfülle, dass nämlich nur bei einer softwareseitigen Erweiterung des Einsatzleitsystems<br />

dieses weiter betrieben werden könne und eine Bedienung innerhalb des Systems auf einer<br />

Bedienoberfläche ermöglicht werde. Sie, die Antragstellerin, sei - wie andere Anbieter - ebenfalls in der


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Lage, individuelle Lösungen zu entwickeln, die den Vorgaben des Antragsgegners Rechnung tragen<br />

könnten. Insbesondere seien die von ihr angebotenen Produkte ebenfalls für eine Integration in die<br />

bereits vorhandene Bedienoberfläche geeignet. Ihr System ### unterscheide sich technologisch nicht<br />

von dem Lösungsansatz der Beigeladenen und könne unter Nutzung allgemein verfügbarer<br />

Schnittstellen in ein Einsatzleitsystem integriert werden. Dass für die Anbindung des Systems<br />

Änderungen am Einsatzleitsystem - die Anpassung der Bedienoberfläche und die Herstellung von<br />

Schnittstellen - erforderlich seien, könne nicht maßgeblich sein, weil auch bei dem vom Antragsgegner<br />

gewählten Lösungsansatz entsprechende Änderungen erforderlich seien. Wichtig sei dagegen, dass<br />

getrennte Systeme gegenüber einem integrierten System sowohl hinsichtlich der Ausfallsicherheit als<br />

auch mit Blick auf Innovationsmöglichkeiten und bei der Fehlersuche und -behebung Vorteile böten.<br />

Die <strong>Verg</strong>abekammer habe auch unzutreffend angenommen, dass der Antragsgegner keinen Anspruch<br />

auf Mitwirkung der Beigeladenen an der Schaffung einer Schnittstelle zur Anbindung von<br />

Fremdsystemen habe; ein solcher Anspruch ergebe sich - wovon offenbar auch der Antragsgegner<br />

ausgehe - aus den bereits zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossenen<br />

Verträgen. Nachdem sich die Erwägung, dass die Einführung eines adaptiven Systems eines<br />

Drittanbieters wegen der in diesem Fall erforderlichen Anpassungen des Einsatzleitsystems aufgrund<br />

der Schutzrechte der Beigeladenen nicht möglich sei, nicht im <strong>Verg</strong>abevermerk des Antragsgegners<br />

wiederfinde, sei diese Argumentation ohnedies von vornherein vergaberechtlich unbeachtlich.<br />

Die <strong>Verg</strong>abekammer habe auch unrichtig angenommen, dass nach dem vom Antragsgegner gewählten<br />

Lösungsansatz auf eine weitere zusätzliche Schnittstelle verzichtet werden könne. Auch eine integrative<br />

Lösung benötige Schnittstellen für Notrufe und Notruf-SMS. Ein Verzicht auf eine weitere Schnittstelle<br />

zur Anbindung eines externen Systems sei im Übrigen nicht Gegenstand der vom Antragsgegner<br />

festgelegten technischen und taktischen Anforderungen gewesen; eine solche Anforderung wäre auch<br />

nicht sachlich zu rechtfertigen gewesen. Der Antragsgegner sei ausweislich des <strong>Verg</strong>abevermerks (dort<br />

Seite 12) auch unzutreffend davon ausgegangen, dass eine komplette Schnittstelle im Einsatzleitsystem<br />

kostenpflichtig hätte beauftragt werden müssen. Eine solche Schnittstelle müsse unter Beibehaltung der<br />

bestehenden Systemarchitektur mit einer Trennung zwischen Sprachvermittlung und Einsatzleitsystem<br />

nicht Im Einsatzleitsystem ### zur Verfügung gestellt werden, sondern werde entweder vom<br />

Sprachvermittlungssystem oder vom Einsatzleitsystem zur Verfügung gestellt. Die bisher verwendete<br />

###-Schnittstelle müsse hierfür ersetzt oder erneuert werden; der damit verbundene Aufwand sei aber<br />

überschaubar und unterscheide sich nicht von dem Aufwand der Beigeladenen für die Einbindung des<br />

SIP-Gateways und des SMS-Gateways. Es handele sich insoweit um Kosten und Tätigkeiten, die<br />

technologieneutral seien.<br />

Die Einrichtung der für ihren Lösungsansatz erforderlichen externen Schnittstelle führe auch nicht, was<br />

die <strong>Verg</strong>abekammer ebenfalls verkannt habe, zu erhöhten Kompatibilitätsrisiken. Auf ihre eigene<br />

Sachkunde habe sich die <strong>Verg</strong>abekammer bei der Beurteilung, ob bei Einrichtung einer externen<br />

Schnittstelle ein erhöhtes Kompatibilitätsrisiko bestehe, nicht stützen dürfen, weil sie eine solche<br />

Sachkunde nicht besitze. Erforderlich wäre insoweit Einholung eines Sachverständigengutachtens<br />

gewesen. Es sei auch unzutreffend, dass die System-Architektur des in der Entwicklung befindlichen<br />

Funkabfragesystems ### mit einem weiteren Vermittlungssystem (Drittsystem) nicht kompatibel sei und<br />

dass eine weitere Kontrollinstanz installiert werden müsse, um die Sprachströme von Notruf und Funk in<br />

das Einsatzleitsystem einzuspeisen und zu lenken. Im Übrigen sei nicht davon auszugehen, dass der<br />

Antragsgegner bereits im Jahr 2011 ohne Markterkundung und in Unkenntnis sowohl der Fertigstellung<br />

des BOS-Digitalfunknetzes als auch der technischen Rahmenbedingungen für die Anbindung der<br />

Leitstellen von Polizei und Rettungsdiensten einen Auftrag für ein Funkabfragesystem an die<br />

Beigeladene erteilt habe, das die Nutzung von Sprachkommunikationslösungen von Fremdanbietern<br />

ausschließe. Die entsprechende Behauptung sei vom Antragsgegner nur vorgeschoben, um hierdurch<br />

seine Beschaffungsentscheidung nachträglich zu rechtfertigen.<br />

Die <strong>Verg</strong>abekammer habe auch verkannt, dass sich der Antragsgegner zur Begründung seiner<br />

Festlegung des Beschaffungsgegenstands nicht auf die vergaberechtswidrige Beschaffung der im Jahr


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2011 freihändig beauftragten Schnittstellen LS 1 und LS 2 bzw. auf das Vorhandensein des in diesem<br />

Rahmen möglicherweise hergestellte Sprachvermittlungssystems ### hätte stützen dürfen, dass also die<br />

Argumentation des Antragsgegners mit dem etwa bereits vorhandenen Sprachvermittlungssystem ###<br />

sachfremd und willkürlich sei, weil der durch diese rechtswidrigen <strong>Verg</strong>aben herbeigeführte<br />

vergaberechtswidrige Zustand hierdurch perpetuiert würde. Die der Beigeladenen im Jahr 2011 erteilten<br />

Aufträge seien entweder - hierauf wiesen die Bekanntmachungstexte hin - nicht auf die Herstellung eines<br />

Sprachvermittlungs- und Sprachdokumentationssystems ### gerichtet gewesen oder aber<br />

vergaberechtswidrig vergeben und nicht zutreffend bekannt gemacht worden. Die Beschaffung eines<br />

Sprachvermittlungs- und Sprachdokumentationssystems wie ### hätte nicht ohne Teilnahmewettbewerb<br />

und vorangegangene Markterkundung erfolgen dürfen. Über eine entsprechende Beschaffungsabsicht<br />

des Antragsgegners sei ihr Vertriebsleiter bei den Gesprächen mit dem zuständigen Mitarbeiter des<br />

Antragsgegners im Jahr 2011 gerade nicht informiert worden. Eine etwaige Beschaffung eines<br />

Sprachvermittlungssystems in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb rechtfertige die<br />

Einleitung eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens, um eine Rückabwicklung der Verträge<br />

herbeizuführen.<br />

Aus dem <strong>Verg</strong>abevermerk des Antragsgegners sei auch nicht erkennbar, dass dessen Argumentation;<br />

aufgrund der im Jahr 2011 vergebenen Aufträge und der damit verbundenen Einführung eines<br />

Vermittlungssystems für den BOS-Digitalfunk komme aus wirtschaftlichen und technischen Gründen nur<br />

eine softwareseitige Erweiterung des vorhandenen Systems in Betracht, für die Festlegung des<br />

Beschaffungsbedarfs relevant geworden sei. Die diesbezügliche Argumentation des Antragsgegners<br />

trage aber auch deshalb nicht, weil das von der Beigeladenen möglicherweise aufgrund der im Jahr 2011<br />

vergaberechtswidrig erteilen Aufträge entwickelte Sprachvermittlungssystem ### noch nicht vollständig<br />

zertifiziert sei und sich noch nicht im Wirkbetrieb befinde.<br />

Schließlich habe einer Beauftragung der Beigeladenen auch deren fehlende bzw. jedenfalls nicht<br />

nachgewiesene Eignung entgegengestanden. Es sei vergaberechtswidrig, die Eignung eines Bieters zu<br />

bejahen, ohne dass die nötige Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Gesetzestreue nach<br />

bestimmten Maßstäben geprüft worden sei. Die knappe Feststellung des Antragsgegners im<br />

<strong>Verg</strong>abevermerk, die Beigeladene habe durch die Integration des BOS-Digitalfunks in das<br />

Einsatzleitsystem nachgewiesen, dass sie in der Lage sei, Sprachkommunikation zu verarbeiten, genüge<br />

den genannten Anforderungen nicht. Es sei übergangen worden, dass hinsichtlich der bisherigen<br />

Tätigkeiten der Beigeladenen die erforderlichen Zertifizierungen noch ausstünden und dass daher die<br />

Abarbeitung der im Jahr 2011 erteilten Aufträge gerade keinen Nachweis für die erforderliche Fachkunde<br />

darstelle. Auch Newcomer müssten Mindestanforderungen, die von der <strong>Verg</strong>abestelle vor Durchführung<br />

des Verfahrens festzulegen seien, erfüllen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Beigeladene die<br />

beauftragte Aufgabe personell leisten könne. Nachdem der Antragsgegner versäumt habe, die<br />

maßgeblichen Eignungskriterien festzulegen und den für die Eignungsprüfung zu Grunde zu legenden<br />

Sachverhalt festzustellen, erübrige sich die Prüfung, ob der ihm zustehende Beurteilungsspielraum<br />

eingehalten sei.<br />

Die Antragstellerin beantragt,<br />

1. den Beschluss der <strong>Verg</strong>abekammer Baden-Württemberg vom 24.06. 2013 hinsichtlich Ziffer 1 und 2<br />

abzuändern,<br />

2. festzustellen, dass der am 30.04. 2013 im Amtsblatt der Europäischen Union unter ### bekannt<br />

gemachte Vertrag vom 26.04. 2013 zwischen dem Land Baden-Württemberg und der ### über die<br />

softwareseitige Erweiterung des bestehenden Einsatzleitsystems der Polizei Baden-Württemberg um die<br />

Funktionen Vermittlungs- und Dokumentationstechnik unwirksam ist, und<br />

3. die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im Verfahren vor der<br />

<strong>Verg</strong>abekammer für notwendig zu erklären.


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Der Antragsgegner beantragt,<br />

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.<br />

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und führt unter Wiederholung und Vertiefung seines<br />

Vorbringens vor der <strong>Verg</strong>abekammer aus, der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei bereits wegen<br />

Verstoßes gegen § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB und gegen § 101 b Abs. 2 S. 1 GWB sowie mangels<br />

Antragsbefugnis der Antragstellerin unzulässig, nachdem die Antragstellerin - wie die <strong>Verg</strong>abekammer<br />

zu Recht festgestellt habe - nicht die zu beschaffenden Leistungen, sondern etwas anderes anbiete, das<br />

lediglich den gleichen Zweck erfüllen solle.<br />

Der Antrag sei aber auch unbegründet, weil der Auftrag vergaberechtskonform vergeben worden sei. Mit<br />

der Definition des Beschaffungsbedarfs habe er sich in den Grenzen seines<br />

Leistungsbestimmungsrechts gehalten; die <strong>Verg</strong>abekammer sei zu Recht davon ausgegangen, dass es<br />

seinem Leistungsbestimmungsrecht unterfalle, das bereits vorhandene System lediglich um eine weitere<br />

Funktion zu ergänzen, anstatt dieses durch ein neu zu erwerbendes Komplettsystem zu ersetzen. Seine<br />

Beschaffungsentscheidung sei sach- und auftragsbezogen erfolgt und beruhe nicht auf sachfremden<br />

Erwägungen; für sie sprächen nicht nur die relevanten technischen Parameter, sondern auch<br />

wirtschaftliche Überlegungen. Er sei mit seiner integrierten - technisch komplexen und modernen -<br />

Lösung für die Leitstellen der Polizei in der Umsetzung und in der praktischen Anwendung sehr<br />

zufrieden und wolle an dieser Lösung festhalten.<br />

Seinen Beschaffungsbedarf habe er, wie auch die <strong>Verg</strong>abekammer zutreffend festgestellt habe, aufgrund<br />

einer hinreichenden Markterkundung festgelegt. Nach gewissenhafter Prüfung der denkbaren<br />

technischen Lösungsalternativen sei er zu denn Ergebnis gekommen, dass eine softwareseitige<br />

Erweiterung des bereits vorhandenen Einsatzleitsystems ### so eine integrative Lösung, technisch<br />

vorzugswürdig und wirtschaftlich weit günstiger sei als andere technische Lösungen. Die. Antragstellerin<br />

habe zu Unrecht die fachliche Kompetenz seines Beraters, ### in Zweifel gezogen; die Beratungsfirma<br />

verfüge über langjährige Erfahrungen im Bereich der Beratung und Planung von Leitstellen und zeichne<br />

sich durch eine besondere Kompetenz und eine breite Erfahrung mit anderen Systemen aus. Die<br />

Antragstellerin verkenne im Übrigen auch, dass er selbst aufgrund seiner langjährigen intensiven<br />

Beschäftigung mit dem Thema "Leitstelle" über eine umfangreiche Marktkenntnis verfüge.<br />

Die <strong>Verg</strong>abekammer habe zutreffend angenommen, dass bei adaptierten Systemen aufgrund der hierfür<br />

erforderlichen externen Schnittstelle Kompatibilitätsrisiken entstünden, deren Vermeidung ein sachlicher<br />

Grund für die streitige Beschaffungsentscheidung gewesen sei. Der Lösungsansatz der Beigeladenen<br />

sei anderen technischen Lösungen auch hinsichtlich der Stabilität und Ausfallsicherheit des gewählten<br />

Systems keineswegs unterlegen. Die technischen Ausführungen der Antragstellerin träfen nicht zu.<br />

Insbesondere sei der Aufwand für eine Realisierung von anderen Lösungsansätzen als dem der<br />

Beigeladenen, die eine Entfernung der Vermittlungsfunktion des Systems ### und die Einrichtung einer<br />

neuen externen Schnittstelle erfordere, erheblich. Schon wegen der nach denn Lösungsansatz der<br />

Beigeladenen vermeidbaren Kompatibilitätsrisiken, des fehlenden Umstellungsaufwands und der<br />

Möglichkeit einer Bedarfsdeckung ohne Schaffung einer neuen Schnittstelle sei das angegriffene<br />

vergaberechtliche Vorgehen gerechtfertigt.<br />

Die <strong>Verg</strong>abekammer sei auch zu Recht davon ausgegangen, dass er eine tragfähige Prognose darüber<br />

angestellt habe, dass die beauftragte Softwareerweiterung insgesamt deutlich kostengünstiger ausfalle<br />

als eine komplette Neuanschaffung der Vermittlungs- und Dokumentationstechnik. Insbesondere sei der<br />

mit den verschiedenen Lösungsansätzen verbundene Umschulungsaufwand keineswegs<br />

technologieneutral, weil bei der gewählten Lösung die Bedienoberfläche beibehalten und lediglich um<br />

wenige Funktionen erweitert werde, während es bei der Wahl eines anderen Lösungsansatzes einer


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Einarbeitung aller betroffenen Mitarbeiter in den Umgang mit einer neuen Bedienoberfläche bedürfe.<br />

Hinsichtlich des von Seiten der Antragstellerin genannten Preises sei in Anbetracht der in anderen<br />

Ländern angefallenen Kosten für das System der Antragstellerin zudem davon auszugehen, dass dieser<br />

unrealistisch niedrig sei.<br />

Einen <strong>Verg</strong>aberechtsverstoß habe die <strong>Verg</strong>abekammer, auch hinsichtlich seiner Beurteilung der Eignung<br />

der Beigeladenen zutreffend verneint. Es stelle keinen Nachteil dar, dass es sich bei der Beigeladenen<br />

um ein kleines Unternehmen handele; die Beigeladene sei im Gegenteil gerade aufgrund ihrer geringen<br />

Größe in der Lage, zeitnah auf neue Entwicklungen und auf Kundenbedürfnisse zu reagieren.<br />

Der Entscheidungsprozess hinsichtlich der Festlegung des Beschaffungsgegenstands und der<br />

Verfahrenswahl sei auch pflichtgemäß zeitnah dokumentiert worden.<br />

Der Vorwurf der Antragstellerin, er sei auf das Leistungsangebot der Beigeladenen vorfestgelegt<br />

gewesen bzw. die Entscheidung habe auf angeblichen persönlichen Verbindungen zwischen seinem<br />

Bediensteten ### und einem Gesellschafter der Beigeladenen beruht, treffe nicht zu. Die Festlegung des<br />

Beschaffungsbedarfs habe, wie in ihren Vermerken dokumentiert, auf sachlichen und auftragsbezogenen<br />

Gründen beruht. Dabei sei der Entscheidung zu Recht zugrunde gelegt worden, dass die Beigeladene<br />

bereits im Jahr 2011 mit der Integration des BOS-Digitalfunks und in diesem Rahmen unter anderem mit<br />

der Entwicklung und der Integration eines Sprachvermittlungssystems sowie einer Datendokumentation<br />

der Digitalfunkdaten in das Einsatzleitsystem ### beauftragt worden sei und dass ihr Einsatzleitsystem<br />

in diesem Rahmen um das Software-Vermittlungsmodul ### erweitert worden sei. Das<br />

Vermittlungsmodul ### sei voll funktionsfähig erstellt; lediglich die Zertifizierung stehe noch aus. Auch<br />

die im Jahr 2011 geschlossenen Verträge seien vergaberechtskonform vergeben worden; insbesondere<br />

seien die Bekanntmachungstexte der <strong>Verg</strong>abevorgänge im Jahr 2011 nicht falsch oder irreführend<br />

gewesen. Den damaligen <strong>Verg</strong>abeentscheidungen für eine lediglich softwaremäßige Erweiterung der<br />

bereits vorhandenen Technik hätten ebenfalls sachliche Gründe zugrunde gelegen, weil auch insoweit<br />

Ausschließlichkeitsrechte der Beigeladenen zu beachten gewesen seien, Nachdem die Sechsmonatsfrist<br />

des § 101b Abs. 2 Satz 1 GWB abgelaufen sei, seien die im Jahr 2011 vergebenen Verträge ohnehin<br />

nicht mehr vergaberechtlich angreifbar.<br />

Die nun streitige <strong>Verg</strong>ebe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb im Wege der<br />

unmittelbaren Beauftragung, eines Marktteilnehmers sei zulässig gewesen, weil der<br />

vergaberechtskonform definierte Auftrag aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von<br />

der Beigeladenen habe durchgeführt werden können. Die Antragstellerin räume selbst ein, dass die<br />

Anbindung eines ihrer Systeme die Kenntnis und Bearbeitung der Quellcodes der Programme der<br />

Beigeladenen voraussetze, an denen diese Ausschließlichkeitsrechte besitze. Die <strong>Verg</strong>abekammer habe<br />

auch richtig entschieden} dass ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet sei, durch Installation einer<br />

produktneutralen Schnittstelle die Kompatibilität zu anderen technischen Lösungen herzustellen.<br />

Darüber hinaus sei die <strong>Verg</strong>abekammer zu Recht davon ausgegangen, dass ihm nicht zuzumuten<br />

gewesen wäre, die aufgrund der bestehenden Ausschließlichkeitsrechte notwendige Mitwirkung der<br />

Beigeladenen an der Herstellung einer Schnittstelle zur Anbindung eines Drittsystems klageweise<br />

durchzusetzen.<br />

Die <strong>Verg</strong>abekammer sei schließlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin etwas<br />

anderes als den definierten Beschaffungsgegenstand anbieten wolle, das lediglich den gleichen Zweck<br />

wie die Leistung der Beigeladenen erfüllen solle. Das von der Antragstellerin als Komplettsystem<br />

angebotene Produkt ### passe für ihren konkreten Beschaffungsbedarf nicht, weil im Hinblick auf die<br />

bereits vorhandene, vergaberechtskonform erworbene Vermittlungs- und Dokumentationstechnik<br />

lediglich noch eine Ergänzung des vorhandenen Systems um die Funktion Notruf- und<br />

Sprachdokumentation erforderlich sei. Um das von der Antragstellerin angebotene Produkt zum Einsatz<br />

bringen zu können, müsste er auf den Stand der Technik vor den Beschaffungen 2011 zurückgehen, was<br />

mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre und zudem die einsatztaktischen Anforderungen nicht erfülle.<br />

Soweit die Antragstellerin nun behaupte, auch eine integrative Lösung anbieten zu können, treffe dies,


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was sich bei genauer Betrachtung ihres weiteren Vorbringens ergebe, nicht zu. Noch immer biete die<br />

Antragstellerin keine softwareseitige Erweiterung des Systems an; das Angebot der Antragstellerin gehe<br />

vielmehr weiterhin dahin, eines ihrer Systeme über eine externe Schnittstelle an das Einsatzleitsystem<br />

anzubinden. Die Systeme ### und ### würden somit gerade nicht in das bestehende System integriert<br />

und hätten auch eine andere Bedienoberfläche als das Einsatzleitsystem ###.<br />

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,<br />

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.<br />

Sie schließt sich den Ausführungen des Antragsgegners an und führt darüber hinaus aus, nach<br />

zutreffender Auffassung der. <strong>Verg</strong>abekammer habe es keiner besonderen Rechtfertigung der Festlegung<br />

des Beschaffungsbedarfs auf Basis einer vorherigen Markterkundung bedurft. Die Festlegung des<br />

Beschaffungsgegenstands aufgrund der Beratung durch die sei willkürfrei erfolgt und nicht mit einer<br />

Diskriminierung anderer Marktteilnehmer verbunden. Ebenso richtig sei die <strong>Verg</strong>abekammer davon<br />

ausgegangen, dass sie als Entwicklerin der bestehenden Systeme und ### ausschließlich dazu<br />

berechtigt und in der Lage sei, den streitgegenständlichen Auftrag auszuführen, da hierfür ein Eingriff in<br />

ihre Quellcodes unumgänglich sei. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin habe sich der<br />

Antragsgegner bei der Wahl des Verfahrens auch maßgeblich auf das Argument der bestehenden<br />

Ausschließlichkeitsrechte gestützt.<br />

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hätte richtigerweise schon wegen der fehlenden<br />

Antragsbefugnis der Antragstellerin zurückgewiesen werden müssen, nachdem die Antragstellerin<br />

ausdrücklich erklärt habe, dass sie an einem Auftrag zur softwareseitigen Erweiterung des bestehenden<br />

Systems um die Funktion der Vermittlungs- und Dokumentationstechnik für den Notruf kein Interesse<br />

habe, es ihr vielmehr darum gehe, dem Antragsgegner ein komplettes adaptives<br />

Sprachvermittlungssystem für den BOS-Digitalfunk und den Notruf anzudienen. Die Antragstellerin<br />

verkenne, dass der Beschaffungsbedarf vom Antragsgegner vergaberechtskonform dahingehend<br />

festgelegt worden sei, dass eine notrufspezifische Erweiterung des bestehenden Vermittlungssystems<br />

vorgenommen werden solle. Aufgrund der ihr bereits im Jahr 2011 erteilten Aufträge seien die<br />

strukturellen Grundlagen für ein Sprachvermittlungssystem geschaffen worden, das ermögliche, den<br />

gesamten Datenverkehr über eine einheitliche Software abzuwickeln. Die im Jahr 2011 vergebenen<br />

Aufträge seien, nichts anderes ergebe sich aus den diesbezüglichen Bekanntmachungen, auf<br />

Leistungen gerichtet gewesen, die zwingend Bestandteile einer Sprachvermittlung enthalten hätten. Der<br />

Einsatz eines Drittsystems mit Vermittlungsfunktion sei daher wegen der beim Antragsgegner bereits<br />

vorhandenen Technologie nicht nur überflüssig, sondern aus technischer und wirtschaftlicher Sicht<br />

sinnlos.<br />

Es sei im Übrigen die freie Entscheidung des Antragsgegners, alteingetretene Pfade zu verlassen und<br />

neue, innovative Wege zu beschreiten. Die Trennung zwischen Notruf- und Funkabfragesystem sei<br />

gerade nicht mehr Stand der Technik; eine solche Trennung verhindere vielmehr eine intelligente<br />

Steuerung von Notrufen in der Einsatzleitstelle. Durch ihren eigenen softwareseitigen Lösungsansatz<br />

werde demgegenüber eine dynamische Zuweisung von Notrufen durch das Einsatzleitsystem und damit<br />

eine Intelligente Zuordnung der Notrufe ermöglicht, durch die die _Mitarbeiter der Leitstelle um ein<br />

Vielfaches entlastet und die einsatztaktischen Erwägungen der Polizei effektiver umgesetzt werden<br />

könnten. Kommunikationsprobleme zwischen unterschiedlichen Systemen könnten bei einer<br />

softwareseitigen Erweiterung des bestehenden Systems - anders als bei einem adaptiven System - nicht<br />

auftreten. Getrennte Systeme böten auch hinsichtlich der Ausfallsicherheit keine Verteile, denn auch bei<br />

integrierten Lösungen erreiche man durch intelligente und modulare Software-Architektur, dass<br />

Störungen eines Systems die Funktionsfähigkeit des anderen Systems nicht beeinträchtigten, Die<br />

Behauptung der Antragstellerin, eine Fehlersuche und Fehlerbehebung sei bei getrennten Systemen<br />

einfacher als bei integrierten Systemen, sei durch langjährige Praxiserfahrungen widerlegt. Ein klarer


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Vorteil des integrierten Systems liege insbesondere darin, dass es nur einen Verantwortlichen gebe, der<br />

für die Fehlersuche und -behebung zuständig sei. Auftretende Inkompatibilitäten einzelner Module<br />

könnten durch interne Abstimmungen schnell erkannt und behoben werden, da es keiner Mitwirkung von<br />

Dritten bedürfe. Ein integriertes System erlaube auch schnellere, einfachere und kostengünstigere<br />

Innovationen, da keine Abstimmungen mit Drittherstellern notwendig seien. Ein integriertes System sei<br />

damit insgesamt wirtschaftlicher als ein adaptives System.<br />

Nachdem der Antragsgegner seinen Beschaffungsbedarf als softwareseitige Erweiterung des<br />

vorhandenen Systems definiert habe; könne nicht darauf abgestellt werden, dass das von der<br />

Antragstellerin angebotene System ### unter Nutzung allgemein verfügbarer Schnittstellen an das<br />

Einsatzleitsystem angebunden werden könne. Die Notrufanschaltung an das öffentliche Telefonnetz sei<br />

nicht Gegenstand der Beauftragung. Eine Änderung der bestehenden System-Architektur sei mit ihrem<br />

Ansatz anders als mit dem adaptiven Lösungsansatz der Antragstellerin nicht verbunden. Zwar müsse<br />

ihr Quellcode unabhängig davon verändert werden, ob ein fremdes System eines Drittlieferanten<br />

adaptiert oder ein eigenes Sprachvermittlungs- und Dokumentationssystem für Notrufe entwickelt und in<br />

das Einsatzleitsystem integriert werde; der Umfang der notwendigen Änderungen unterscheide sich<br />

jedoch erheblich. Der wesentliche Unterschied zwischen einem integrierten softwarebasierten System<br />

und getrennten Systemen liege insbesondere darin, dass bei einem adaptiven System die aneinander<br />

gekoppelten Systeme über physikalische Schnittstellen miteinander kommunizierten, während dies bei<br />

einem integrierten System über reine Software-Schnittstellen geschehe, was vielfältige Vorteile biete.<br />

Externe Schnittstellen seien insbesondere deutlich statischer als Software-Schnittstellen und bedürften<br />

einer eigenständigen und wesentlich komplexeren Dokumentation, damit ein Drittanbieter sein System<br />

anbinden könne; dass die vom Antragsgegner vorgegebenen Funktionalitäten mit einer standardisierten<br />

Schnittstelle umsetzbar seien, sei nicht richtig. Die Entwicklung von Schnittstellen zur Anbindung von<br />

Fremdsystemen sei regelmäßig mit erheblichen Problemen verbunden und führe nicht selten zu<br />

Kostenexplosionen und zu erheblichen Verzögerungen.<br />

Die Antragstellerin stelle auch zu Unrecht ihre fachliche Eignung in Frage. Die nachgefragten<br />

Technologien fielen in ihre Kernkompetenz. Was ihre personelle Leistungsfähigkeit betreffe, sei diese in<br />

jedem Fall gewährleistet, weil sie über ein Entwicklungsteam von derzeit ### Mitarbeitern verfüge, das<br />

sich ausschließlich mit der Entwicklung und Pflege von ### beschäftige. Auf die Größe eines<br />

Unternehmens komme es für die Frage der Eignung im Übrigen überhaupt nicht an, sondern<br />

ausschließlich auf die Kreativität eines bzw. mehrerer Softwareentwickler.<br />

Schließlich gebe es auch keinerlei persönliche Verbindung zwischen dem Bediensteten des<br />

Antragsgegners ### und ihren Gesellschaftern; der Vorwurf der Vetternwirtschaft sei aus der Luft<br />

gegriffen.<br />

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der <strong>Verg</strong>abekammer, die von<br />

den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften über die<br />

mündlichen Verhandlungen vor dem Senat Bezug genommen.<br />

II.<br />

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber nicht begründet.<br />

A. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 GWB statthaft und auch im Übrigen zulässig.<br />

Insbesondere wurde sie innerhalb der Zweiwochenfrist des § 117 Abs. 1 GWB beim Oberlandesgericht<br />

eingelegt. Auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt.<br />

B. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist<br />

zulässig, aber nicht begründet.


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a) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist nicht bereits unzulässig; insbesondere fehlt es der<br />

Antragstellerin nicht an der nach § 97 Abs. 2 GWB erforderlichen Antragsbefugnis.<br />

Antragsbefugt ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem Auftrag hat,<br />

eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von<br />

<strong>Verg</strong>abevorschriften geltend macht und darlegt, dass ihm durch die behauptete Verletzung von<br />

<strong>Verg</strong>abevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Wegen des<br />

verfassungsrechtlichen Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 bzw. Art. 20<br />

Abs. 3 GG) dürfen an die in § 107 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen keine allzu hohen<br />

Anforderungen gestellt werden; die Darlegungslast des Antragstellers darf grundsätzlich nicht<br />

überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03 - vpr-<strong>online</strong>; BGH,<br />

Beschluss vom 01.02.2005 - X ZB 27/04 - vpr-<strong>online</strong>; <strong>OLG</strong> Jena, Beschluss vom 19.10.2010 - 9 <strong>Verg</strong><br />

5/10 - vpr-<strong>online</strong>). Das Zulässigkeitsmerkmal der Antragsbefugnis hat lediglich die Funktion eines groben<br />

Prüfungsfilters; es dient dem Zweck, evidente Fälle von einer Nachprüfung auszunehmen (vgl. u.a. <strong>OLG</strong><br />

Düsseldorf, Beschluss vom 29.02.2012 - <strong>Verg</strong> 75/11 - vpr-<strong>online</strong>, m.w.N., und Beschluss vom<br />

01.08.20.12 - <strong>Verg</strong> 10/12 - vpr-<strong>online</strong>). Voraussetzung ist insbesondere nicht, dass ein <strong>Verg</strong>abeverfahren<br />

durchgeführt wurde, an dem der Antragsteller beteiligt war. Eine Antragsbefugnis liegt vielmehr auch<br />

dann vor, wenn eine den geltenden vergaberechtlichen Bestimmungen widersprechende<br />

Auftragserteilung ohne <strong>Verg</strong>abeverfahren, also eine De-facto-<strong>Verg</strong>abe, im Raum steht und der<br />

Antragsteller geltend macht, ein Interesse an dem Auftrag gehabt zu haben. Insoweit reicht es aus, dass<br />

der Antragsteller darlegt, durch den behaupteten Verstoß. gegen Vorschriften des <strong>Verg</strong>aberechts an der<br />

Abgabe eines Angebots und der Erlangung des Auftrags gehindert gewesen zu sein (vgl. <strong>OLG</strong><br />

<strong>Karlsruhe</strong>, Beschluss vom 16.11.2012 - 11 <strong>Verg</strong> 9/12 - vpr-<strong>online</strong>; juris-PK-<strong>Verg</strong>R-Summa, 4. Auflage,<br />

2013, § 107 GWB Rn. 57). Voraussetzung ist darüber hinaus, dass ein Schadenseintritt nicht<br />

offensichtlich ausgeschlossen ist ( <strong>OLG</strong> Jena, a.a.O.). Hat ein geregeltes <strong>Verg</strong>abeverfahren bislang nicht<br />

stattgefunden, genügt für die Annahme eines drohenden Schadens grundsätzlich, dass der behauptete<br />

<strong>Verg</strong>aberechtsverstoß geeignet ist, die Aussichten auf Erhalt des Zuschlags zu beeinträchtigen. Das ist<br />

bei einem am <strong>Verg</strong>abeverfahren nicht beteiligten Unternehmen immer dann der Fall, wenn nicht<br />

ausgeschlossen werden kann, dass bei einem ordnungsgemäßen <strong>Verg</strong>abeverfahren, dass unter für alle<br />

Interessierte gleichen Bedingungen und ohne weitere Verhandlungen mit nur einem oder nach<br />

unzulässigen Gesichtspunkten bestimmten ausgewählten Bietern stattfindet, der Antragsteller den<br />

Zuschlag erhalten hätte ( <strong>OLG</strong> Jena, a.a.O.). Für das Interesse des Antragstellers am Auftrag spricht<br />

dabei in der Regel schon, dass er die Auftragserteilung gerügt hat und das wirtschaftliche Risiko eines<br />

Nachprüfungsverfahrens eingegangen ist (vgl. <strong>OLG</strong> Cella, Beschluss vom 14.09.2006 - 13 <strong>Verg</strong> 2/06 -<br />

vpr-<strong>online</strong>; <strong>OLG</strong> Jena, a.a.O,).<br />

Die erforderliche Antragsbefugnis ist der Antragstellerin vorliegend nicht abzusprechen. Zwar ergibt sich<br />

aus ihrem Vorbringen nicht, dass sie an dem der Beigeladenen erteilten Auftrag zur softwareseitigen<br />

Erweiterung des beim Antragsgegner bereits vorhandenen Systems interessiert ist; sie macht vielmehr<br />

geltend, dass die vom Antragsgegner definierten Anforderungen auch auf andere Weise - durch ein<br />

adaptives bzw. ein in das bisherige System integriertes Fremdsystem - erfüllt werden könnten, der<br />

Beschaffungsbedarf daher technikneutral und allein funktionsorientiert zu definieren gewesen wäre, und<br />

dass sie bei vergaberechtskonformer Festlegung des Beschaffungsgegenstands ein Interesse an dem<br />

Auftrag und eine Chance auf dessen Erteilung gehabt hätte. Auch dies begründet indes eine<br />

Antragsbefugnis. Die Antragsbefugnis der Antragstellerin liegt insoweit vor, weil die Antragstellerin<br />

geltend macht, dass sie wegen der vergaberechtswidrigen Festlegung des Beschaffungsgegenstands an<br />

einer Teilnahme an dem eigentlich gebotenen Wettbewerb und damit an der Erlangung des zutreffend<br />

definierten Auftrags gehindert gewesen sei.<br />

Vom Fehlen eines Interesses der Antragstellerin an dem ihrer Auffassung nach zu definierenden Auftrag<br />

ist auch nicht deshalb auszugehen, weil die Antragstellerin gegenüber der Presse behauptet haben mag,<br />

dass es ihr mit dem Nachprüfungsverfahren "nicht so sehr um den konkreten Auftrag", sondern vielmehr<br />

um einen fairen Wettbewerb gehe. Die fragliche Aussage der Antragstellerin wäre erkennbar nicht so zu<br />

verstehen, dass die Antragstellerin kein Interesse an dem Auftrag zur Lieferung eines


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Notrufvermittlungs- und Dokumentationssystems hat; denn aus dem Presseartikel geht lediglich hervor,<br />

dass die Antragstellerin erklärt hat, dass ihr Interesse an dem Auftrag nicht das leitende Motiv für die<br />

Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gewesen sei, sondern vielmehr die Durchsetzung eines fairen<br />

Wettbewerbs. Dass es sich bei dem Interesse an der Erlangung des Auftrags um das leitende Motiv des<br />

Antragstellers handelt, ist indes für die Antragsbefugnis nach § 97 Abs. 2 GWB nicht erforderlich. Auf die<br />

Frage, ob die in der Presse veröffentlichte Darstellung der Antragstellerin zutreffend ist oder ob sie<br />

lediglich dem Versuch dient, in der Öffentlichkeit Sympathien zu gewinnen, kommt es daher nicht an.<br />

An einer Antragsbefugnis und/oder einem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fehlt es auch nicht<br />

deshalb, weil der streitbefangene Auftrag bereits erteilt wurde. Denn im Fall einer De-facto-<strong>Verg</strong>abe im<br />

Sinne des § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB ist ein außerhalb eines <strong>Verg</strong>abeverfahrens erteilter Auftrag<br />

unwirksam, wenn eine solche <strong>Verg</strong>ebe nicht ausnahmsweise durch die gesetzlichen Vorschriften<br />

gestattet ist und der Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren gemäß § 101b Abs. 2 GWB festgestellt<br />

ist. Das Verfahren ist somit trotz der bereits erfolgten Auftragsvergabe grundsätzlich geeignet, der<br />

Antragstellerin zur Durchsetzung ihrer vermeintlichen Rechte zu verhelfen.<br />

b) Der Antrag ist auch nicht verfristet.<br />

aa) Verfristet ist der Nachprüfungsantrag insbesondere nicht bereits deshalb, weil er nicht innerhalb der<br />

<strong>15</strong>-Tage-Frist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB gestellt wurde.<br />

Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn der Auftraggeber<br />

die ihm gegenüber erhobene Rüge eines <strong>Verg</strong>abefehlers zurückgewiesen hat und der Antragsteller nicht<br />

innerhalb einer Frist von <strong>15</strong> Tagen nach Eingang dieser Mitteilung den Nachprüfungsantrag gestellt hat.<br />

Die Anwendung der Bestimmung setzt dabei, wie die <strong>Verg</strong>abekammer zutreffend ausgeführt hat,<br />

grundsätzlich voraus, dass eine Rügeverpflichtung bestanden hat. Dies ist indes vorliegend nicht der<br />

Fall, weil eine Rügeobliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB gerade nicht besteht, wenn das<br />

Nachprüfungsverfahren - wie hier - auf Feststellung der Unwirksamkeit eines De-facto-Vertrages im<br />

Sinne des § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB, also eines Vertrages gerichtet ist, der außerhalb eines<br />

Wettbewerbs in einem förmlichen Verfahren vergeben wurde (vgl. auch <strong>OLG</strong> München, Beschluss vom<br />

19.07.2012 - <strong>Verg</strong> 8/12 - vpr-<strong>online</strong>, und Beschluss vom 21.02. 2013 <strong>Verg</strong> 21/12 - vpr-<strong>online</strong>).<br />

Nichts anderes gilt vorliegend deshalb, weil die Antragstellerin durch das Schreiben des Antragsgegners<br />

vom 11.01. 2013 von der Tatsache Kenntnis erhalten hat, dass der Auftrag ohne förmliches<br />

<strong>Verg</strong>abeverfahren werden solle (ähnlich: <strong>OLG</strong> München, Beschluss vom 21.02. 2013 - <strong>Verg</strong> 21/12,<br />

a.a.O.; a.A. jedoch: VK Niedersachsen, Beschluss vom 03.02.2012 - VgK-01/2012 - vpr-<strong>online</strong>; <strong>OLG</strong><br />

Naumburg, Beschluss 02.03.2006 - 1 <strong>Verg</strong> 1/06 - vpr-<strong>online</strong>). Denn der Zugang zu den gesetzlich<br />

vorgesehenen Rechtschutzmöglichkeiten darf nach Art. 19 Abs. 4 GG bzw. Art. 20 Abs. 3 GG nicht<br />

unangemessen und nicht ohne gesetzliche Grundlage erschwert werden (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 11.<br />

Aufl., Art. 19 Rn. 49 f. und 54 sowie Rn. 72, jeweils m.w.N.). Insbesondere darf ein dem gerichtlichen<br />

Verfahren vorgelagertes Verwaltungsverfahren nicht so angelegt sein, dass der gerichtliche<br />

Rechtsschutz unzumutbar erschwert wird (Jarass/Pieroth, GG, a.a.O., m.w.N.); verfahrensrechtliche<br />

Vorschriften sind grundsätzlich rechtsschutzfreundlich auszulegen (BVerfGE 61, 82, 110; Jarass/Pieroth,<br />

a.a.O., m.w.N.). Eine analoge Anwendung von gesetzlichen Regelungen, die der Beschränkung des<br />

Zugangs zu grundsätzlich eröffnetem Rechtsschutz dienen, verbietet sich hiernach, zumal es angesichts<br />

der Regelung in § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB an einer unbeabsichtigten Regelungslücke und damit an den<br />

allgemeinen Voraussetzungen für eine zulässige Analogie fehlt. Ungeachtet dessen hat die<br />

<strong>Verg</strong>abekammer aber auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin aufgrund der<br />

Wortwahl Im Absageschreiben des Antragsgegners vom 11.01. 2013 zu der Annahme gelangen konnte,<br />

dass ein förmliches Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zur fraglichen Zeit erst<br />

bevorstand, ihr ein Nachprüfungsantrag daher nicht zuzumuten gewesen wäre, weil ein präventiver<br />

Nachprüfungsantrag unzulässig gewesen wäre.<br />

bb) Die sofortige Beschwerde ist auch nicht wegen Versäumung der in § 101b Abs. 2 Satz 1 GWB


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vorgesehenen 30-Tage-Frist unzulässig.<br />

Die <strong>Verg</strong>abekammer hat zutreffend festgestellt, dass die Antragstellerin den vermeintlichen Verstoß des<br />

Antragsgegners gegen das Verbot einer unzulässigen De-facto-<strong>Verg</strong>abe - wie von § 101b Abs. 2 Satz 1<br />

GWB vorausgesetzt innerhalb von 30 Tagen ab Kenntniserlangung von dem Verstoß geltend gemacht<br />

hat.<br />

Zu Recht hat die <strong>Verg</strong>abekammer insoweit darauf hingewiesen, dass die Unwirksamkeit der<br />

Auftragserteilung selbst dann rechtzeitig geltend gemacht worden wäre, wenn die Antragstellerin bereits<br />

am Freitag, dem 26.04. 2013, durch die E-Mail des Antragsgegners von dem am selben Tage erfolgten<br />

Vertragsschluss Kenntnis erhalten hätte. Denn die 30-Tage-Frist des § 101 b Abs. 2 Satz 1 GWB hätte in<br />

diesem Fall gemäß § 187 Abs. 1 BGB am 27.04. 2013 zu laufen begonnen, so dass das Fristende,<br />

wovon auch der Antragsgegner ausgeht, auf den 26.05. 2013 - einen Sonntag - gefallen wäre. Gemäß §<br />

193 BGB wäre danach das Nachprüfungsverfahren, wie die <strong>Verg</strong>abekammer im Ergebnis zutreffend<br />

erkannt hat, spätestens am folgenden Werktag - dem 27.05. 2013 - einzuleiten gewesen. Dem hat die<br />

Antragstellerin mit ihrem dem Antragsgegner am 27.05. 2013 zugestellten Nachprüfungsantrag ohne<br />

Weiteres Rechnung getragen. Die - wohl im erstgenannten Sinne zu beantwortende (vgl. Byok/Jaeger,<br />

GWB, 3. Aufl., § 101b GWB Rn. 19) - Frage, ob es für die Rechtzeitigkeit des Nachprüfungsantrags auf<br />

den Eingang bei der <strong>Verg</strong>abekammer oder die Zustellung bei der <strong>Verg</strong>abestelle ankommt, hat die<br />

<strong>Verg</strong>abekammer danach zu Recht offengelassen. Gleiches gilt für die Fragen, ob der Antragstellerin die<br />

Mitteilung über den Vertragsschluss möglicherweise erst später zuging und ob der Mitteilung zu<br />

entnehmen war, was Gegenstand des Vertrages war bzw. ob - falls dies nicht zu erkennen gewesen<br />

wäre - die Frist erst am 30.04. 2013 mit der Bekanntmachung des Auftrags im Supplement zum<br />

Amtsblatt der Europäischen Union zu laufen begonnen hätte.<br />

b) Der Nachprüfungsantrag ist indes, wie die <strong>Verg</strong>abekammer zutreffend entschieden hat, nicht<br />

begründet.<br />

Die <strong>Verg</strong>abe des Auftrags zur Herstellung und Integration einer Notrufvermittlung und -dokumentation im<br />

Wege des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ist vergaberechtlich nicht zu<br />

beanstanden. Sie steht sowohl mit der Regelung - in § 12 Abs. 1. Nr. 1 c) VSVgV als auch mit § 3 Abs. 4<br />

c) EG VOL/A in Einklang.<br />

Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 c) VSVgV bzw. § 3 Abs. 4 c) EG VOL/A ist ausnahmsweise ein<br />

Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zulässig, wenn der Auftrag wegen seiner<br />

technischen Besonderheiten oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten, insbesondere<br />

eines Patent- oder Urheberrechts, nur von einem bestimmten Unternehmen ausgeführt werden kann.<br />

Dies ist vorliegend der Fall. Die vom Antragsgegner vergaberechtskonform als Beschaffungsgegenstand<br />

definierte softwareseitige Erweiterung seines bereits vorhandenen Einsatzleitsystems der Polizei um<br />

eine Notrufvermittlung und Sprachdokumentation kann aufgrund der bestehenden<br />

Ausschließlichkeitsrechte der Beigeladenen an dem Einsatzleitsystem aus Rechtsgründen nur von<br />

dieser erbracht werden.<br />

aa) Der Antragsgegner hat den Beschaffungsgegenstand ohne Verstoß gegen vergaberechtliche<br />

Bestimmungen dahingehend festgelegt, dass sein bereits vorhandenes Einsatzleitsystem softwareseitig<br />

um die Notrufvermittlung und Sprachdokumentation erweitert werden soll.<br />

Der Beschaffungsgegenstand wurde vom Antragsgegner explizit als softwareseitige Erweiterung des<br />

bereits vorhandenen Einsatzleitsystems um eine Notrufvermittlung und Sprachdokumentation definiert<br />

und gerade nicht ganz allgemein als Erweiterung des vorhandenen Einsatzleitsystems um eine<br />

Notrufvermittlung und Sprachdokumentation durch ein beliebiges - integratives, softwareseitiges oder<br />

adaptives - System. Die getroffene Bestimmung des Beschaffungsgegenstands und die damit<br />

verbundene Festlegung auf ein bestimmtes technologisches System begegnet keinen


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vergaberechtlichen Bedenken, auch wenn dies zwangsläufig zu einer Beschränkung oder Aufhebung<br />

des Wettbewerbs führt.<br />

(a) Grundsätzlich sind öffentliche Aufträge im Wettbewerb zu vergeben (§ 101 Abs. 7 GWB, § 11 Abs. 1<br />

VSVgV, § 3 EG Abs. 1 VOL/A). Ziel des <strong>Verg</strong>aberechts und der ihm Zugrunde liegenden europäischen<br />

Richtlinien ist es nämlich, worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist, den in der Europäischen Union<br />

niedergelassenen Marktteilnehmern den Zugang zu öffentlichen Aufträgen, die für sie von Interesse sind,<br />

zu ermöglichen und damit einen möglichst breiten Wettbewerb herzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom<br />

10.05.2012 - Rs. C-368/10 - vpr-<strong>online</strong>). Diese Zielsetzung erfordert auch, eine<br />

wettbewerbsbeschränkende Festlegung des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers möglichst im Vorfeld<br />

der eigentlichen <strong>Verg</strong>abe zu verhindern, weil durch eine Festlegung auf einen Marktteilnehmer im Vorfeld<br />

der Zugang zum <strong>Verg</strong>abeverfahren und die Chancengleichheit der Bieter im <strong>Verg</strong>abeverfahren von<br />

vornherein empfindlich beeinträchtigt wäre. Insbesondere das Gebot der produktneutralen<br />

Ausschreibung zielt darauf ab, den Marktzugang für alle Bieter offen zu halten und vor Beschränkungen<br />

des Wettbewerbs durch zu enge, auf bestimmte Produkte oder Bieter zugeschnittene<br />

Leistungsbeschreibungen zu schützen (vgl. <strong>OLG</strong> <strong>Karlsruhe</strong>, Beschluss vom 16.11.2012 - <strong>15</strong> <strong>Verg</strong> 9/12<br />

- vpr-<strong>online</strong>, Rn. 36; Kulartz/Marx/Portz/Prieß-Prieß, VOL/A, 2. Aufl., § 8 EG-VOL/A Rn. 108).<br />

Ausnahmetatbestände, die es erlauben, von einer <strong>Verg</strong>abe nach dem Wettbewerbsprinzip abzusehen,<br />

sind daher grundsätzlich eng auszulegen (EuGH, Urteil vom 14.09.2004 - Rs. C-385/02, NZBau 2004,<br />

621 f.; <strong>OLG</strong> Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2008 - <strong>Verg</strong> 46/08 - vpr-<strong>online</strong>).<br />

Allerdings obliegt dem Auftraggeber die Bestimmung des -Auftragsgegenstandes. Das <strong>Verg</strong>aberecht<br />

macht dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich keine Vorgaben hinsichtlich dessen, was er<br />

beschaffen muss oder will (vgl. <strong>OLG</strong> Düsseldorf, Beschluss vom 22.10.2009 - <strong>Verg</strong> 25/09 - vpr-<strong>online</strong>,<br />

und Beschluss vom 22.05. 2013 - <strong>Verg</strong> 16/12 - vpr-<strong>online</strong>; <strong>Verg</strong>abekammer Bund, Beschluss vom<br />

01.03.2012 - VK-2-5/12 - vpr-<strong>online</strong>). Die Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist dem<br />

eigentlichen <strong>Verg</strong>abeverfahren vorgelagert (vgl. <strong>OLG</strong> Düsseldorf, Beschluss vom 22.05. 2013 - <strong>Verg</strong><br />

16/12 - a.a.O.; <strong>OLG</strong> Naumburg, Beschluss vom 05.12.2008 - 1 <strong>Verg</strong> 9/08 - vpr-<strong>online</strong>). Das<br />

<strong>Verg</strong>aberecht regelt demgegenüber nur die Art und Weise der Beschaffung ( <strong>OLG</strong> Düsseldorf, Beschluss<br />

vom 22.05. 2013 - <strong>Verg</strong> 16/12 - a.a.O.), Es liegt damit in der Hand des Auftraggebers, die an die zu<br />

beschaffenden Gegenstände zu stellenden funktionalen, technischen und ästhetischen Anforderungen<br />

nach seinem Bedarf festzulegen; die konkreten Spezifikationen müssen aber objektiv auftrags- und<br />

sachbezogen sein und dürfen keine diskriminierende Wirkung haben (vgl. <strong>OLG</strong> Düsseldorf, Beschluss<br />

vom 27.06.2012 - <strong>Verg</strong> 7/12 - vpr-<strong>online</strong>, und Beschluss vom 22.05. 2013 - <strong>Verg</strong> 16/12 - vpr-<strong>online</strong>;<br />

<strong>Verg</strong>abekammer Bund, Beschluss vom 01.03.2012 - VK 2-5/12 - vpr-<strong>online</strong>, Rn. 96 ff.; <strong>OLG</strong> <strong>Karlsruhe</strong>,<br />

Beschluss vom 16.11.2012 - <strong>15</strong> <strong>Verg</strong> 9/12 vpr-<strong>online</strong>, Rn. 36). Denn auch bei der Festlegung des<br />

Beschaffungsbedarfs ist grundsätzlich der Zweck des <strong>Verg</strong>aberechts, einen möglichst breiten<br />

Wettbewerb zu ermöglichen, zu beachten; die im Zuge der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs<br />

erarbeiteten technischen Spezifikationen sollen es daher möglichst erlauben, die Beschaffungsmärkte für<br />

den Wettbewerb zu öffnen und vielfältigen technischen Lösungsmöglichkeiten Räum zu geben (vgl.<br />

Richtlinie 2004/18/EG Rn. 29 ff. a.a.O.). Dennoch verbleibt dem Auftraggeber das Recht, den<br />

Beschaffungsbedarf auf eine bestimmte technische Konzeption festzulegen, sofern die Festlegung nicht<br />

auf sachfremden Gründen beruht. Denn das <strong>Verg</strong>aberecht dient nicht dem Zweck, den<br />

Beschaffungsbedarf von öffentlichen Auftraggebern zu determinieren; es soll lediglich gewährleisten,<br />

dass die Beschaffung in einem transparenten, diskriminierungsfreien und möglichst wettbewerblichen<br />

Verfahren erfolgt ( <strong>OLG</strong> Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2010, <strong>Verg</strong> 42/09 - vpr-<strong>online</strong>). Einer<br />

Markterkundung zur Klärung der denkbaren technischen Möglichkeiten zur. Befriedigung des<br />

Beschaffungsbedarfs bedarf es dabei grundsätzlich ebenso wenig wie einer Markterforschung oder<br />

Marktanalyse darüber, ob sich ein vertretbares Ausschreibungsergebnis auch durch eins produkt- oder<br />

technikoffene Ausschreibung erreichen lässt ( <strong>OLG</strong> Düsseldorf, a.a.O.). Nichts anderes ergibt sich,<br />

worauf die <strong>Verg</strong>abekammer zu Recht hingewiesen hat, aus der Senatsentscheidung vom 21.07.2010 -<br />

<strong>15</strong> <strong>Verg</strong> 6/10 (vpr-<strong>online</strong>). Denn die dortige Entscheidung trifft keine Aussage dazu, ob für die<br />

Festlegung des Beschaffungsgegenstands eine vorherige Markterkundung erforderlich ist. Tatsächlich ist<br />

diese Frage zu verneinen. Eine Markterforschung zwecks Klärung der denkbaren technischen


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Lösungsansätze ist letztlich schon deshalb vergaberechtlich nicht geboten, weil die Marktteilnehmer<br />

keinen Anspruch darauf haben, dass ein öffentlicher Auftraggeber die technisch beste, fortschrittlichste,<br />

wirtschaftlichste oder für sich passendste Lösung wählt; sichergestellt sein muss lediglich, dass die<br />

Entscheidung der <strong>Verg</strong>abestelle über den zu wählenden technologischen Ansatz nicht auf sachfremden<br />

oder gar willkürlichen bzw. diskriminierenden Erwägungen beruht.<br />

Die Entscheidung des Auftraggebers über die Festlegung des Beschaffungsgegenstands ist im<br />

Nachprüfungsverfahren daher auch nur daraufhin zu kontrollieren, ob sie auf sach- und<br />

auftragsbezogenen Gründen beruht bzw. ob ihr sachfremde, willkürliche oder diskriminierende<br />

Erwägungen zugrunde liegen. (vgl. <strong>OLG</strong> Düsseldorf, a.a.O., sowie Beschluss vom 01.08.2012 - <strong>Verg</strong><br />

10/12 vpr-<strong>online</strong>, und Beschluss vom 22.05. 2013 - <strong>Verg</strong> 16/12 - vpr-<strong>online</strong>; <strong>OLG</strong> Celle, a.a.O.). Dabei<br />

muss die Überprüfung im Nachprüfungsverfahren aber auf die Frage beschränkt bleiben, ob nach dem<br />

Erkenntnishorizont des öffentlichen Auftraggebers zur Zeit der Entscheidung über die Festlegung des<br />

Beschaffungsbedarfs sachliche- und auftragsbezogene Gründe für die Festlegung des<br />

Beschaffungsgegenstands vorhanden waren und der Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Denn die<br />

vergaberechtlichen Prüfungs- und Untersuchungspflichten des Auftraggebers unterliegen<br />

Zumutbarkeitsgrenzen (vgl. <strong>OLG</strong> Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2012 - <strong>Verg</strong> 10/12 - vpr-<strong>online</strong>,<br />

m.w.N.; vgl. auch Scharen, GRUR 2009; 345, 347 f.). Zu berücksichtigen ist auch insoweit wiederum,<br />

dass die Zielsetzung des <strong>Verg</strong>aberechts darin liegt, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten- und<br />

<strong>Verg</strong>abeentscheidungen aus sachfremden, diskriminierenden Gründen ZU verhindern, dass es hingegen<br />

der Zweck des <strong>Verg</strong>aberechts nicht gebietet, dem öffentlichen Auftraggeber das vergaberechtliche Risiko<br />

einer unverschuldeten Fehlbeurteilung seines Beschaffungsbedarfs oder einer Fehleinschätzung von<br />

wirtschaftlichen oder technischen Entscheidungsgrundlagen zuzuweisen. Der öffentliche Auftraggeber<br />

verhält sich daher, wovon auch die <strong>Verg</strong>abekammer ausgegangen ist, jedenfalls dann<br />

vergaberechtskonform, wenn er ihm zumutbare Ermittlungen zur Feststellung und Festlegung seines<br />

Beschaffungsbedarfs anstellt, insbesondere - wenn ihm selbst die erforderliche Sachkunde fehlt - die<br />

Beratung durch ein Beratungsunternehmen in Anspruch nimmt und die für die Festlegung des<br />

Beschaffungsgegenstands maßgeblichen Umstände gewissenhaft prüft und auf dieser Grundlage zu<br />

dem Ergebnis gelangt, dass sachliche Gründe vorliegen, die die konkrete Festlegung seines<br />

Beschaffungsbedarfs rechtfertigen. Der <strong>Verg</strong>abestelle kommt hierbei ein erheblicher<br />

Beurteilungsspielraum zu.<br />

Ist die Festlegung des Beschaffungsbedarfs aufgrund sachlicher und auftragsbezogener Gründe<br />

diskriminierungsfrei erfolgt, so ist, worauf auch die <strong>Verg</strong>abekammer hingewiesen hat, eine sich hieraus<br />

ergebende wettbewerbsverengende Wirkung grundsätzlich hinzunehmen (vgl. <strong>OLG</strong> Düsseldorf,<br />

Beschluss vom 01.08.2012 - <strong>Verg</strong> 10/12 - vpr-<strong>online</strong>). Dies gilt auch dann, wenn die an sach- und<br />

auftragsbezogenen Kriterien orientierte Beschaffungsentscheidung zur Festlegung auf ein bestimmtes<br />

Erzeugnis oder zur Wahl einer bestimmten Technologie führt und damit einen Wettbewerb ausschließt.<br />

Maßgeblich für die Überprüfung der Festlegung des Beschaffungsbedarfs und der diesbezüglichen<br />

konkreten Anforderungen ist grundsätzlich der <strong>Verg</strong>abevermerk; aus diesem muss sich die sachliche<br />

Rechtfertigung für die aufgestellten Anforderungen, müssen sich also sachliche Gründe für die<br />

Beschaffungsentscheidung ergeben, (vgl. <strong>OLG</strong> <strong>Karlsruhe</strong>, Beschluss vom 21.07.2010 - <strong>15</strong> <strong>Verg</strong> 6/10 -<br />

vpr-<strong>online</strong>). Bereits das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB) gebietet es dabei, dass der öffentliche<br />

Auftraggeber den Gang und die wesentlichen Entscheidungen des <strong>Verg</strong>abeverfahrens in den<br />

<strong>Verg</strong>abeakten dokumentiert, um seine Entscheidungsfindung nachvollziehbar zu machen. Eine<br />

Dokumentation der zugrunde liegenden Erwägungen im <strong>Verg</strong>abevermerk ist jedoch nur insoweit zu<br />

verlangen, wie die Kontrollbefugnis im Nachprüfungsverfahren reicht, weil das Erfordernis einer<br />

weitergehenden Dokumentation reine Förmelei wäre. Zudem können je nach Umständen des Falles<br />

auch nicht dokumentierte, im Nachprüfungsverfahren nachgeschobene Erwägungen des Auftraggebers<br />

berücksichtigungsfähig sein (vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2011 - X ZB 4/10 - vpr-<strong>online</strong>).<br />

(b) Aus dem - in engem zeitlichen Zusammenhang mit der abschließenden Entscheidungsfindung<br />

abgefassten - <strong>Verg</strong>abevermerk des Antragsgegners zum Beschaffungsbedarf vom 08.02. 2013 ergeben


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sich vorliegend sachliche und auftragsbezogene Gründe, die die streitige Festlegung des<br />

Beschaffungsbedarfs des Antragsgegners auf eine softwareseitige Erweiterung des bestehenden<br />

Systems um die Notrufvermittlung und Sprachdokumentation rechtfertigen; Anhaltspunkte für<br />

sachfremde, willkürliche oder diskriminierende Erwägungen des Antragsgegners ergeben sich dagegen<br />

aus dem <strong>Verg</strong>abevermerk nicht und sind auch sonst nicht ersichtlich.<br />

Auf die Streitfrage, ob auch andere - alternative - technische Lösungsansätze denkbar sind, die den vom<br />

Antragsgegner aufgestellten technischen und taktischen Anforderungen genügen, kommt es dabei nicht<br />

an. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob sich der Antragsgegner aus sachlichen Gründen willkürfrei für eine<br />

softwareseitige Erweiterung des bestehenden Systems entschieden hat.<br />

Dies ist hier der Fall. Der Antragsgegner hat seinen Beschaffungsbedarf ausweislich des<br />

<strong>Verg</strong>abevermerks vom 08.02. 2013 nach Beratung durch ein erfahrenes Beratungsbüro aus sachlichen<br />

und nachvollziehbaren Gründen anhand der von ihm aufgestellten technischen und taktischen<br />

Anforderungen dahingehend definiert, dass eine softwareseitige Erweiterung des vorhandenen<br />

Einsatzleitsystems erfolgen soll.<br />

(i) Ein sachlicher, auftragsbezogener Grund liegt bereits, wie die <strong>Verg</strong>abekammer zutreffend ausgeführt<br />

hat, darin, dass - was auch der Antragsgegner ausweislich seines <strong>Verg</strong>abevermerks vom 08.02. 2013<br />

seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat - das bereits vorhandene Einsatzleitsystem einschließlich des<br />

Vermittlungssystems ### bei einer softwareseitigen Erweiterung beibehalten bleiben und weiterhin<br />

genutzt werden kann und nicht durch ein neues (Teil-)System ersetzt werden muss.<br />

Davon, dass der Vertrag vom 26.04. 2013 nicht auf Beschaffung eines Sprachvermittlungssystems<br />

gerichtet ist, dass vielmehr wesentliche Sprachvermittlungsfunktionen beim Antragsgegner bereits<br />

vorhanden sind bzw. dass diese bereits im Auftragsumfang der im Jahr 2011 an die Beigeladene<br />

vergebenen Aufträgen enthalten waren, dass mithin der Antragsgegner bereits Investitionen zur<br />

Herstellung eines Vermittlungssystems getroffen hat, auf die er im Falle einer softwareseitigen<br />

Erweiterung des bereits vorhandenen Systems aufbauen kann, ist der Senat aufgrund der<br />

nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ### überzeugt. Der<br />

Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 08.11. 2013 anschaulich<br />

erläutert, dass sich aus zahlreichen Formulierungen in den Verträgen vom 01.07. und 08.08.2011 sowie<br />

den dazugehörigen Anlagen aus technischer Sicht ableiten lässt, dass die Herstellung eines<br />

Sprachvermittlungssystems vom damaligen Auftragstarnfang umfasst war. Er hat dabei insbesondere<br />

unter Nennung konkreter Textstellen darauf hingewiesen, dass sich aus den Formulierungen der im Jahr<br />

2011 geschlossenen Verträge und den dazu gehörigen Anlagen eindeutig ergibt, dass eine der im Jahr<br />

2011 beauftragten Funktionen die Ermöglichung einer Übertragung von Sprache war, was die<br />

Zurverfügungstellung von Sprachvermittlungsfunktionen bedingt. Entgegen der Auffassung der<br />

Antragstellerin kommt insoweit auch den Formulierungen in den erst nach Vertragsschluss erstellten<br />

Pflichtenheften durchaus eine Bedeutung zu, da die vertraglichen Pflichten der Beigeladenen durch die<br />

Pflichtenhefte näher konkretisiert wurden. Gegen diese Darstellung des Sachverständigen spricht auch<br />

nicht, dass sich der Antragsgegner mit den Verträgen vorbehalten hat, später die technischen<br />

Möglichkeiten zu schaffen, um eine Kommunikationsplattform anzubinden. Denn aus einer solchen<br />

Vertragsgestaltung lässt .sich keineswegs ableiten, dass der Antragsgegner von einer solchen<br />

Notwendigkeit der Anbindung einer Kommunikationsplattform oder eines Sprachvermittlungssystems<br />

ausgegangen ist; die Vertragsgestaltung kann vielmehr lediglich Ausdruck einer vorausschauenden<br />

Planung des Antragsgegners sein, die das Ziel hat, auf etwaige spätere Entwicklungen in dem<br />

schnelllebigen Bereich der Computertechnologie reagieren zu können. Der Sachverständige hat weiter<br />

angegeben, dass sich aus den im Jahr 2011 geschlossenen Verträgen aus technischer Sicht nicht ergibt,<br />

dass ein Sprachvermittlungssystem bereits vorhanden war und es nur noch der Anbindung dieses<br />

Systems bedurfte. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass es nach dem Wortlaut der im Jahr 2011<br />

geschossenen Verträge gerade die Aufgabe der Beigeladenen sein für eine Möglichkeit der Vermittlung<br />

von Sprache zu sorgen.


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Zweifel an der Sachkunde, der Unvoreingenommenheit oder der Glaubwürdigkeit des Sachverständigen<br />

bestehen nicht. Insbesondere begründet es keine Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen,<br />

dass dieser nach eigenen Angaben keine besonderen Kenntnisse im Bereich des BOS-Digitalfunks hat<br />

und dass dieser die Beantwortung diesbezüglicher und anderer von den Beweisthemen - den Fragen, ob<br />

sich den Verträgen aus dem Jahr 2011 aus technischer Sicht entnehmen lässt, dass die Entwicklung<br />

eines Sprachvermittlungssystems in Auftrag gegeben wurde, und ob sich aus dem hier<br />

streitgegenständlichen Vertrag vom 26.04. 2013 aus technischer Sicht Anhaltspunkte dafür ergeben,<br />

dass ein solches Sprachvermittlungssystem erst noch zu entwickeln ist - abweichender Fragen der<br />

Antragstellerin unter Hinweis auf seine auf das Beweisthema beschränkte Vorbereitung verweigert hat.<br />

Denn für die Beantwortung der Beweisfragen bedurfte es weder spezieller Kenntnisse des<br />

Sachverständigen zum BOS-Digitalfunk noch hatte der Sachverständige Veranlassung, sich auf von den<br />

Beweisthemen abweichende Fragen im Einzelnen vorzubereiten und diese zu beantworten.<br />

insbesondere ist die Frage, ob der Antragsgegner bereits Investitionen in die Entwicklung eines<br />

Sprachvermittlungssystems getroffen hat, die nur bei Wahl einer softwareseitigen Erweiterung des<br />

vorhandenen Systems um die Notrufvermittlung und Sprachdokumentation nutzbar gemacht werden<br />

können, nicht davon abhängig, ob Sprachvermittlungsfunktionen auch im BOS-Digitalfunk vorhanden<br />

sind. Selbst wenn dies nämlich der Fall wäre, würde dies nichts daran ändern, dass der Antragsgegner -<br />

wie durch die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bewiesen - mit den Verträgen 2011<br />

auch die Entwicklung von Sprachvermittlungsfunktionen in Auftrag gegeben hat. Zu berücksichtigen ist<br />

dabei im Übrigen auch, dass der Antragsgegner bereits im Jahr 2011 nicht nur eine Einbindung des<br />

BOS-Digitalfunks in Auftrag gegeben hat, sondern dass er - wie er unbestritten dargetan hat -<br />

Sprachvermittlungsfunktionen auch für die interne Kommunikationsvermittlung bedurfte, sein<br />

Beschaffungswille also - dies ist vom Wortlaut der im Jahr 2011 geschlossenen Verträge und ihrer<br />

Anlagen gedeckt - über die bloße Anbindung des BOS-Digitalfunks hinausging.<br />

Die Sachkunde und die Feststellungen des Sachverständigen werden auch nicht durch das von der<br />

Antragstellerin vorgelegte Privatgutachten des Prof. ### in Frage gestellt. Das Gutachten, das die<br />

aufgeworfenen Fragen erkennbar im Sinne der Antragstellerin - der Auftraggeberin des Privatgutachters<br />

- beantwortet, orientiert sich nicht - wie zur Auslegung der Verträge geboten - an der Bedarfslage und<br />

dem Beschaffungswillen des Antragsgegners und den Interessen der Vertragsschließenden, sondern<br />

geht - losgelöst von der speziellen Situation - von einem angeblich allgemeinen Verständnis von<br />

Begrifflichkeiten aus und stellt insoweit bestimmte - die Interessen der Vertragsschließenden nicht<br />

hinreichend berücksichtigende Anforderungen an ein Sprachvermittlungsprogramm auf. Das Gutachten<br />

ist dabei ersichtlich von dem Erkenntnishorizont und den Vorstellungen der Antragstellerin geprägt und<br />

bringt daher für die nach den Vorstellungen der Vertragsschließenden auszurichtenden Auslegung der<br />

Verträge keinen Erkenntnisgewinn.<br />

Die <strong>Verg</strong>abekammer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Entscheidung, es bei dem bereits<br />

vorhandenen System zu belassen und dieses um die gewünschten zusätzlichen Funktionen<br />

softwareseitig zu erweitern, weder sachfremd noch diskriminierend oder willkürlich ist. Zu<br />

berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass es die Fortentwicklung des bereits vorhandenen Systems<br />

erlaubt, die bereits getroffenen Investitionen nutzbar zu machen und die erforderliche Neubeschaffung in<br />

möglichst geringem Umfang mit entsprechend überschaubaren Kostenaufwand zu halten. Daneben hat<br />

die <strong>Verg</strong>abekammer zu Recht darauf hingewiesen, dass den Bediensteten des Antragsgegners das<br />

vorhandene System bereits bekannt und vertraut ist und dass daher mit keinem größeren Schulungsund<br />

Einarbeitungsaufwand der Bediensteten zu rechnen ist.<br />

Auf die Frage, ob die der Beigeladenen zuvor im Jahr 2014 erteilten Aufträge ihrerseits<br />

vergaberechtskonform zustande gekommen sind, kommt es dabei nach richtiger Auffassung der<br />

<strong>Verg</strong>abekammer nicht an. Ungeachtet der Frage, ob die vom Antragsgegner Im Jahr 2011 an die<br />

Beigeladene erteilten Aufträge unter Beachtung der maßgeblichen vergaberechtlichen Bestimmungen<br />

vergeben wurden, stellt es keine sachfremde Erwägung dar, den Beschaffungsbedarf anhand der bereits<br />

vorhandenen Technologie auszurichten, nachdem die Verträge aus dem Jahr 2011 gemäß § 101b Abs. 2<br />

Satz 1 GWB nicht mehr anfechtbar sind, sie somit Bestand haben, nachdem selbst im Falle einer


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etwaigen <strong>Verg</strong>aberechtswidrigkeit der <strong>Verg</strong>aben im Jahr 2011 ein EU-Vertragsverletzungsverfahren nicht<br />

ohne Weiteres zu einem Fortfall der Verträge führen würde (vgl. KG, Beschluss vom 19.04.2012 <strong>Verg</strong><br />

7/11 - vpr-<strong>online</strong>) Auch der Einwand der Antragstellerin, dass ein etwa vergaberechtswidriger Status quo<br />

perpetuiert würde, wenn man diesen als sachlichen Grund für weitere <strong>Verg</strong>abeentscheidungen ohne<br />

Wettbewerb gelten ließe, greift insoweit nicht durch. Denn es ist gerade Sinn und Zweck der Regelung in<br />

§ 101 b GWB, <strong>Verg</strong>aben nach Ablauf der dort festgeschriebenen Frist der vergaberechtlichen Prüfung zu<br />

entziehen und der Beschaffung ungeachtet etwaiger <strong>Verg</strong>aberechtsverstöße im Sinne der<br />

Rechtssicherheit Bestand zu verleihen (vgl. hierzu: <strong>OLG</strong> München, Beschluss vom 19.07.2012 - <strong>Verg</strong><br />

8/12, vpr-<strong>online</strong>, Rn. 63; KG, a.a.O.). Dahin gestellt bleiben kann danach, ob - wofür Vieles spricht - die<br />

Beschaffungen im Jahr 2011 vergaberechtskonform erfolgt sind, weil sich der Antragsgegner schon<br />

damals willkürfrei für eine softwareseitige Erweiterung des vorhandenen Systems entschieden hat und<br />

nur die Beigeladene wegen bestehender Ausschließlichkeitsrechte in der Lage war, eine solche Leistung<br />

zu erbringen. Zu berücksichtigen ist damit für die Frage der vergaberechtskonformen Definition des<br />

Beschaffungsbedarfs, dass die fraglichen Verträge derzeit ungeachtet dessen, ob insoweit ein<br />

EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden könnte und ob ein solches Verfahren zu einem<br />

Entfallen der im Jahr 2011 mit der Beigeladenen abgeschlossenen Verträge führen könnte, Bestand und<br />

Bindungswirkung für den Antragsgegner haben. Vor diesem Hintergrund stellt es keine sachfremde oder<br />

gar willkürliche Entscheidung des Antragsgegners dar, aufgrund der bereits vorhandenen<br />

Sprachvermittlungstechnik eine softwareseitige Erweiterung des bestehenden Systems zu beauftragen.<br />

Ganz im Gegenteil ist es ohne Weiteres nachvollziehbar, dass der Antragsgegner ein bewährtes und<br />

seinen Bediensteten bereits bekanntes System so weit wie möglich beibehalten und fortentwickeln will,<br />

weil hierdurch die mit der streitigen Beschaffung verbundenen Risiken möglichst überschaubar gehalten<br />

werden und weder mit einem größeren Einarbeitungsaufwand der Bediensteten des Antragsgegners<br />

noch mit erheblichen Anwendungsproblemen zu rechnen ist. Darauf, ob das System ### bereits im<br />

Wirkbetrieb ist, kommt es dabei nicht an; maßgeblich ist vielmehr, dass diesbezügliche Investitionen<br />

bereits getroffen wurden und das System jedenfalls in absehbarer Zeit in Betrieb genommen werden<br />

kann.<br />

(ii) Die <strong>Verg</strong>abekammer hat auch zu Recht angenommen, dass es einen sachlichen, auftragsbezogenen<br />

Grund darstellt, dass es bei einer rein softwareseitigen Erweiterung des bestehenden Systems möglich<br />

ist, künftig mit einem einheitlichen, gewachsenen - softwarebasierten System eines Herstellers zu<br />

arbeiten. Auch wenn eine solche Erwägung einen im Grundsatz wettbewerbsbeschränkenden Ansatz<br />

darstellt, ist diese nicht sachfremd oder vergaberechtswidrig. Die fragliche Erwägung findet sogar im<br />

Gesetz (§ 3 Abs. 4 e) EG VOL/A) einen Niederschlag. Die auch im <strong>Verg</strong>abevermerk niedergelegte<br />

Erwägung des Antragsgegners, dass bei Störungen des Systems ausschließlich die Beigeladene<br />

verantwortlich wäre, nur diese also für die Fehlersuche und -behebung zuständig wäre lind sich<br />

Zweifelsfragen hinsichtlich der Verantwortlichkeit und eine wechselseitige Zuweisung der fraglichen<br />

Verantwortung vermeiden ließen, ist nachvollziehbar und geeignet, die Festlegung des<br />

Beschaffungsgegenstands zu rechtfertigen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des<br />

Umstands, dass der Beschaffungsgegenstand einen sicherheitsrelevanten Bereich betrifft, also ein<br />

besonders dringendes Bedürfnis zur zeitnahen Behebung von Funktionsschwierigkeiten und anderen<br />

Anwendungsproblemen besteht. Zu Recht geht dabei die <strong>Verg</strong>abekammer davon aus, dass bei<br />

IT-Systemen, die aus Komponenten verschiedener Firmen bestehen, nicht selten die Streitfrage auftritt,<br />

von welchem System der Fehler ausgeht, wer verantwortlich ist und wer verpflichtet ist, tätig zu werden.<br />

Auch die Erwägung, dass die Wartung und Pflege - bei einem einheitlichen System in einer Hand liegt<br />

und dadurch die Abwicklung vereinfacht ist, ist ohne Weiteres nachvollziehbar und berechtigt. Die<br />

Wartung eines solchen einheitlichen softwarebasierten Systems eines einzigen Herstellers wäre im<br />

Übrigen auch dann einfacher und unproblematischer als bei Anbindung eines Fremdsystems, wenn - wie<br />

die Antragstellerin in den Raum stellt - auch das Fremdsystem von der Beigeladenen gewartet würde.<br />

Denn schon die Wartung und Pflege durch ein vom Hersteller verschiedenes Unternehmen ist in der<br />

Regel mit größeren Risiken behaftet als die Wartung durch den Hersteller selbst.<br />

(iii) Es ist auch nicht als sachfremd, willkürlich oder diskriminierend zu erachten, dass der Antragsgegner<br />

die in anderen Ländern vorhandene Technologie nicht übernimmt bzw. den eigenen Beschaffungsbedarf


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an dem von anderen Ländern gewählten Lösungsansatz ausrichtet, sondern einen neuen, innovativen<br />

Lösungsansatz wählt, für den es bislang keine Vorbilder gibt. Die Wahl zwischen bereits am Markt<br />

verfügbaren Technologien und der Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes unterliegt grundsätzlich<br />

dem Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers. Allein der Umstand, dass es bei einem<br />

innovativen Lösungsansatz keine technischen Vorbilder gibt, zwingt den öffentlichen Auftraggeber nicht<br />

dazu, auf eine der bereits vorhandenen Technologien zurückzugreifen und von einem aufgrund<br />

fachlicher Beratung als Vorteilhaft eingeschätzten innovativen Ansatz Abstand zu nehmen. Dies gilt<br />

insbesondere dann, wenn es - wie hier - schon an vergleichbaren Ausgangsvoraussetzungen bei den<br />

verschiedenen öffentlichen Auftraggebern fehlt Lind aufgrund der gegebenen<br />

Ausgangsvoraussetzzungen ein innovativer Ansatz als vielversprechend erscheint.<br />

(iv) Die streitige Entscheidung des Antragsgegners ist auch nicht - wie die Antragstellerin meint - deshalb<br />

vergaberechtlich zu beanstanden, weil der Antragsgegner nach Auffassung der Antragstellerin - vor<br />

Festlegung des Beschaffungsgegenstands keine ausreichende Markterkundung durchgeführt hat. Selbst<br />

wenn es - entgegen der - Auffassung des Senats - vor Festlegung des Beschaffungsbedarfs einer<br />

Markterkundung bedürfte, hätte der Antragsgegner dieser Anforderung nach zutreffender Auffassung der<br />

<strong>Verg</strong>abekammer Genüge getan, weil er mit der Beauftragung eines externen. Fachberatungsbüros und<br />

seinen eigenen aus der <strong>Verg</strong>abeakte erkennbaren Ermittlungen die ihm zumutbaren Anstrengungen<br />

unternommen hätte, um sich über die denkbaren und auf dem Markt verfügbaren technologischen<br />

Lösungsansätze zu -informieren. Die Antragstellerin hat auch selbst nicht nachvollziehbar dargetan,<br />

weichen technologischen Ansatz der Antragsgegner nicht in seine Überlegungen einbezogen haben<br />

sollte, der geeignet gewesen wäre, die Grundlagen seiner Entscheidung über die streitgegenständliche<br />

Beschaffung in Frage zu stellen. In der angeblich bestehenden Möglichkeit der Antragstellerin, eines der<br />

von ihr angebotenen Systeme über eine externe Schnittstelle so an das beim Antragsgegner<br />

vorhandene System anzuschließen, dass die Bedienung über eine einheitliche Bedienoberfläche<br />

möglich ist, liegt ein solcher - vom Antragsgegner nicht bedachter, aber relevanter - Lösungsansatz<br />

nicht, weil dieser Lösungsansatz dem Anliegen des Antragsgegners, die Notrufvermittlung und<br />

Sprachdokumentation aus dem bereits vorhandenen, einheitlichen System heraus bedienen zu können,<br />

nicht gerecht wird.<br />

Auf die Frage, ob der Antragsgegner mit der Fachberatung ### einen hinreichend kompetenten Berater<br />

hinzugezogen hat, um die verschiedenen technologischen Ansätze zutreffend beurteilen zu können,<br />

kommt es indes ebenso wenig an wie darauf, ob sich die Einschätzung, dass es sich bei dem vom<br />

Antragsgegner gewählten Lösungsansatz um eine Technologie handelt, die seinen technischen und<br />

taktischen Anforderungen besser gerecht wird als andere technische Lösungsansätze, im Nachhinein als<br />

zutreffend erweist. Ungeachtet des Umstands, dass die Antragstellerin die Kompetenz des vom<br />

Antragsgegner hinzugezogenen Fachberatungsbüros nur pauschal in Abrede gestellt bat, ohne<br />

tragfähige Anhaltspunkte für eine etwa mangelnde Qualifikation zu benennen, hat die Antragstellerin<br />

jedenfalls nicht dargetan und ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass eine etwa mangelnde<br />

Qualifikation der ### für den Antragsgegner erkennbar war. Danach wäre selbst bei einer<br />

unzureichenden Qualifikation der ### davon auszugehen, dass der Antragsgegner die ihm zumutbaren<br />

Anstrengungen unternommen hat, um sich ein Bild von den verschiedenen technologischen<br />

Lösungsansätzen zu machen, Anhaltspunkte für eine nicht an sachlichen und auftragsbezogenen<br />

Gründen orientierte Beschaffungsentscheidung bestehen auch insoweit nicht.<br />

Nachdem der Antragsgegner sich im Vorfeld der Festlegung des Beschaffungsbedarfs über die<br />

verschiedenen technologischen Lösungsansätze informiert und damit eine Markterkundung<br />

vorgenommen hat, war hinsichtlich der - nach Auffassung des Senats zu verneinenden - Frage, ob es<br />

vor Festlegung des Beschaffungsgegenstands einer Markterkundung bedarf, auch in Anbetracht der<br />

Rechtsprechung des <strong>OLG</strong> Jena (Beschluss vom 26.06.2006 - 9 <strong>Verg</strong> 2/06 - vpr-<strong>online</strong>) und des <strong>OLG</strong><br />

Celle (Beschluss vom 22.05.2008 - 13 <strong>Verg</strong> 1/08 - vpr-<strong>online</strong>) eine Vorlage an den Bundesgerichtshof<br />

gemäß § 124 Abs. 2 GWB nicht geboten.<br />

(v) Die Entscheidung des Antragsgegners über die Festlegung des Beschaffungsgegenstands beruht


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auch nicht deshalb auf sachfremden, willkürlichen oder gar diskriminierenden Erwägungen, weil sie sich<br />

auf technisch unzutreffende Annahmen stützt, Denn es kommt nicht darauf an, ob die vom<br />

Antragsgegner seiner Entscheidung zugrunde gelegten Erwägungen technisch unzweifelhaft oder<br />

zutreffend sind; maßgeblich ist vielmehr, dass der Antragsgegner aufgrund seines eigenen<br />

Sachverstands, der darüber hinaus von ihm angestellten Ermittlungen und der zusätzlichen Beratung<br />

durch ein fachkundiges, erfahrenes Unternehmen zu dem Ergebnis gelangen durfte, dass die von ihm<br />

gewünschten technischen und taktischen Anforderungen an das zu beschaffende System nur mit einer<br />

softwarebasierten Lösung erreicht werden können. Ob technische Fragen, die der <strong>Verg</strong>abeentscheidung<br />

zugrunde liegen, auch anders beurteilt werden könnten, ist dagegen nicht maßgeblich, solange der<br />

öffentliche Auftraggeber, hier der Antragsgegnerin nicht von offensichtlich - auch für ihn erkennbaren -<br />

falschen Voraussetzungen ausgegangen ist, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass<br />

sachfremde Erwägungen Einfluss auf die Entscheidung gehabt haben. Erst Recht kommt es nicht darauf<br />

an, ob sich die aufgrund der Beratung durch die ### gewonnene Einschätzung des Antragsgegners, es<br />

handele sich bei dem gewählten technologischen Ansatz um eine vielversprechende Innovation, die<br />

seinen technischen und taktischen Anforderungen gerecht wird, im Nachhinein als zutreffend erweist,<br />

Denn ein gewisses Fehleinschätzungsrisiko ist jedem innovativen Ansatz immanent. Maßgeblich ist<br />

insoweit aus vergaberechtlicher Sicht. ausschließlich, ob der öffentliche Auftraggeber - hier der<br />

Antragsgegner - aufgrund gewissenhafter Prüfung aus der ex-ante-Sicht davon ausgehen durfte, dass<br />

es sich um einen sinnvollen, erfolgversprechenden Ansatz handelt, ob also der Entscheidung sach- und<br />

auftragsbezogene Erwägungen zu Grunde lagen.<br />

Dies ist hier der Fall. Aufgrund der im <strong>Verg</strong>abevermerk niedergelegten Erwägungen ist davon<br />

auszugehen, dass die Festlegung des Beschaffungsgegenstands im Sinne einer softwareseitigen<br />

Erweiterung des bestehenden Einsatzleitsystems ausschließlich aus sach- und auftragsbezogenen<br />

Gründen erfolgte und nicht auf technisch offensichtlich unzutreffenden Annahmen beruhte.<br />

(α) Maßgeblich für die Entscheidung des Antragsgegners war ausweislich des Vermerks. zum<br />

Beschaffungsbedarf vom 08.02. 2013 in technischer Hinsicht insbesondere, dass nur die softwareseitige<br />

Erweiterung des Systems eine integrative Lösung darstellt, die ohne eine zusätzliche externe<br />

Schnittstelle auskommt, wodurch Kompatibilitätsrisiken vermieden werden können. Die Annahme des<br />

Antragsgegners, dass für die Anbindung eines Drittsystems die Entwicklung einer physikalischen<br />

Schnittstelle zwischen diesem und dem ursprünglich im Jahre 2000 gelieferten Einsatzleitsystems (###)<br />

erforderlich ist, weil die vorhandene Schnittstelle ###, veraltet ist und daher nicht für die vorgesehenen<br />

Zwecke verwendet werden kann, ist dabei unstreitig zutreffend.<br />

Auf die streitige Frage, ob die Herstellung einer solchen externen Schnittstelle, wie die Antragstellerin<br />

geltend macht, mit geringem Zeit- und Kostenaufwand möglich wäre, kommt es dagegen nicht an.<br />

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob - wovon nach dem Parteivorbringen auszugehen ist eine<br />

Mitwirkung der Beigeladenen erforderlich wäre, um eine solche Schnittstelle herzustellen, und ob die<br />

Beigeladene aufgrund des zwischen ihr und dem Antragsgegner bestehenden Wartungs- und<br />

Entwicklungsvertrags zu einer solchen Mitwirkung verpflichtet wäre. Denn der Antragsgegner wäre, wie<br />

die <strong>Verg</strong>abekammer zu Recht ausgeführt hat, vergaberechtlich nicht dazu verpflichtet, durch Herstellung<br />

einer solchen externen Schnittstelle erst die Voraussetzungen zu schaffen, um andere technologische<br />

Lösungsansätze als eine softwareseitige Erweiterung des vorhandenen Einsatzleitsystems möglich zu<br />

machen und einen diesbezüglichen Wettbewerb .zu eröffnen (vgl. <strong>OLG</strong> Frankfurt, Beschluss vom<br />

28.10.2003 - 11 <strong>Verg</strong> 9/03 - vpr-<strong>online</strong>; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 VK 73/10<br />

- vpr-<strong>online</strong>).<br />

Dies gilt nicht nur - aber auch - deshalb, weil, was auch die <strong>Verg</strong>abekammer angenommen und was der<br />

Sachverständige in tatsächlicher Hinsicht in seiner Anhörung vor dem Senat bestätigt hat, mit einer<br />

externen Schnittstelle ein erhöhtes Kompatibilitätsrisiko verbunden ist. Zu Recht ist die <strong>Verg</strong>abekammer<br />

dabei davon ausgegangen, dass ein legitimes Interesse des Antragsgegners anzuerkennen ist, jedes<br />

vermeidbare Risiko, das aus Kompatibilitätsproblemen resultieren kann, auszuschließen (vgl. hierzu;<br />

<strong>OLG</strong> Frankfurt, a.a.O.; <strong>OLG</strong> Düsseldorf, Beschluss vom 22.05. 2013 - <strong>Verg</strong> 16/12 - vpr-<strong>online</strong>). Dies gilt


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ganz besonders im vor1iegenden Fall, weil Leben und Gesundheit von Menschen von einem voll<br />

funktionsfähigen Einsatzleitsystem abhängen können, der Antragsgegner also in besonderer Weise auf<br />

ein funktionsfähiges und stabiles System angewiesen ist. Bereits die Vermeidung einer physikalischen<br />

Schnittstelle mit einem Fremdsystem rechtfertigt daher für sich betrachtet den vom Antragsgegner<br />

festgelegten Beschaffungsbedarf, ohne dass es auf Weitere Gründe ankommt.<br />

(β) Auch die Annahme des Antragsgegners, bei anderen technologischen Ansätzen als der<br />

softwareseitigen Erweiterung des vorhandenen Einsatzleitsystems sei eine Bedienung aus demselben<br />

System heraus nicht möglich, ist nicht offensichtlich unzutreffend. Die Antragstellerin beruft sich selbst<br />

lediglich darauf, dass die Bedienung über eine einheitliche Oberfläche möglich sei, macht aber nicht<br />

geltend, dass - wie der Antragsgegner es wünscht - die Bedienung aus demselben, einheitlichen System<br />

heraus möglich sei. Gerade die vollständige Integration der neu zu beschaffenden Funktionen in das<br />

bereits vorhandene Einsatzleitsystem ist für den Antragsgegner aber - wie mehrfach betont - von<br />

besonderer Wichtigkeit, weil eine solche integrative Lösung eine Steuerung aus demselben System<br />

ermöglicht und damit die vom Antragsgegner gewünschte Möglichkeit einer intelligenten, dynamischen<br />

Verarbeitung von Notrufen eröffnet sowie Kompatibilitätsrisiken vermeidet. Auf die zwischen den<br />

Beteiligen streitige Frage, ob für die Anbindung eines Drittsystems größere. technische Anpassungen<br />

des vorhandenen Systems erforderlich wären, die nicht nur mit zusätzlichen Kosten, sondern auch mit<br />

weiteren technischen Schwierigkeiten verbunden sein können, kommt es insoweit nicht maßgeblich an.<br />

Auch die diesbezüglichen Befürchtungen des Antragsgegners sind allerdings nicht offensichtlich<br />

unbegründet.<br />

(vi) Sachwidrig, willkürlich oder diskriminierend ist die vom Antragsgegner getroffene Festlegung des<br />

Beschaffungsbedarfs auf eine softwareseitige Erweiterung des bereits vorhandenen Einsatzleitsystems<br />

um eine Notrufvermittlung und -dokumentation auch nicht mit Blick auf die Bestimmungen der Richtlinie<br />

NRAbE-dig. Der Richtlinie ist schon nicht zu entnehmen, dass zwingend getrennte Systeme vorzuhalten<br />

sind. Ungeachtet dessen ist der Antragsgegner an die Bestimmungen der Richtlinie aber von vornherein<br />

nicht gebunden, weil es sich um eine eigene Richtlinie des Antragsgegners handelt, die von ihm<br />

jederzeit abgeändert werden kann. Die verwaltungsinterne Richtlinie NRAbE-dig hat auch, worauf bereits<br />

die <strong>Verg</strong>abekammer zu Recht abgestellt hat, keine vergaberechtliche, bieterschützende Wirkung,<br />

weshalb sie für die Frage der <strong>Verg</strong>aberechtskonformität der streitigen Beschaffungsentscheidung ohne<br />

Bedeutung ist, die Antragstellerin insbesondere keinen Anspruch auf Einhaltung der Richtlinie hat.<br />

(vii) Auch die der Festlegung des Beschaffungsgegenstands ausweislich des <strong>Verg</strong>abevermerks des.<br />

Antragsgegners vom 08.02. 2013 zugrunde Liegenden wirtschaftlichen Erwägungen des Antragsgegners<br />

sind sach- und auftragsbezogen und lassen keine Anhaltspunkte für sachfremde oder gar willkürliche<br />

Erwägungen erkennen. Die insoweit vom Antragsgegner als öffentlichem Auftraggeber getroffene<br />

Prognose ist nicht zu beanstanden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass eine verlässliche<br />

Kostenschätzung für eine noch nicht existente Entwicklung von vornherein unmöglich ist, dass einer<br />

Neuentwicklung vielmehr immer auch mit Blick auf die entstehenden Kosten gewisse Unwägbarkeiten<br />

immanent sind. Der Antragsgegner hat jedoch bei seiner Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Rahmen der<br />

bestehenden Möglichkeiten die maßgeblichen Aspekte berücksichtigt und hierbei keine offensichtlich<br />

unzutreffenden Erwägungen angestellt. Die Kostenprognose des Antragsgegners ist insbesondere nicht<br />

etwa deshalb zu beanstanden, weil der Antragsgegner davon ausgegangen ist, dass die softwareseitige<br />

Erweiterung des vorhandenen Systems in der Anschaffung deutlich günstiger ist als die von der<br />

Antragstellerin angebotenen oder sonst am Markt verfügbaren Lösungen. Die Antragstellerin hat auch<br />

nur pauschal gerügt, dass der Antragsgegner von falschen Grundlagen ausgegangen. sei, ohne indes<br />

konkret darzulegen, dass bei anderen Lösungsansätzen mit geringeren Kosten zu rechnen gewesen<br />

wäre. Gleiches gilt für den Einwand der Antragstellerin, dass in der Wirtschaftlichkeitsprognose des<br />

Antragsgegners die unstreitig bei einer softwareseitigen Lösung erforderlichen weiteren<br />

Beschaffungsmaßnahmen (Hardware) - diese wurde indes im <strong>Verg</strong>abevermerk durchaus angesprochen -<br />

keinen Niederschlag gefunden haben. Denn die Antragstellerin hat sich nicht dazu verhalten, ob<br />

vergleichbare Kosten nicht auch bei der Wahl eines adaptiven Ansatzes anfallen würden. Auch die<br />

Annahme des Antragsgegners, der Schulungsaufwand falle bei einer softwareseitigen Erweiterung des


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vorhandenen Systems deutlich geringer aus als bei Beschaffung eines Fremdsystems, stellt sich nicht<br />

von vornherein als unzutreffend dar. Denn es ist durchaus plausibel, dass bei einer softwareseitigen<br />

Erweiterung des bestehenden Systems nur hinsichtlich der neu eingeführten Funktionen ein<br />

Schulungsbedarf besteht, und dass aufgrund der einheitlichen, den Nutzern bereits bekannten<br />

Anwendung des Grundsystems keine besonderen Schwierigkeiten bei der Einarbeitung in die neue<br />

Funktion zu erwarten sind, während bei einem adaptierten, nicht unmittelbar aus dem vorhandenen<br />

Einsatzleitsystem bedienbaren Fremdsystem auch dann ein größerer Schulungsaufwand erforderlich<br />

werden kann, wenn die Bedienung von der bekannten Oberfläche erfolgt. Im Übrigen ist nichts dafür<br />

ersichtlich, dass dem Antragsgegner bei seiner Entscheidung über die Festlegung des<br />

Beschaffungsgegenstands bewusst war oder hätte bewusst sein müssen, dass eine Bedienung<br />

adaptierter Systeme aus der bereits vorhandenen Bedienoberfläche heraus möglich ist. Nachvollziehbar<br />

ist auch die Erwägung des Antragsgegners, dass bei einer softwareseitigen Erweiterung des<br />

bestehenden Systems schon mit Blick auf die zu erwartenden, von der <strong>Verg</strong>abekammer im einzelnen<br />

aufgezählten Synergieeffekte von einem geringeren Wartungsaufwand auszugehen ist als bei<br />

Einführung eines adaptiven Fremdsystems eines anderen Herstellers. Die hiergegen pauschal<br />

vorgebrachten Bedenken der Antragstellerin greifen nicht durch (vgl. insoweit Ausführungen unter (b)<br />

(ii)). Letztlich kommt es indes auf die Frage, ob die Wirtschaftlichkeitserwägungen des Antragsgegners<br />

zutreffend sind, nicht an, weil die Antragstellerin keinen Anspruch darauf hat, dass der Antragsgegner<br />

die kostengünstigste Lösung wählt, also aus Kostengründen von einer mit sachlichen Gründen für<br />

technisch vorzugswürdig gehaltenen innovativen, softwareseitigen Lösung Abstand nimmt.<br />

(viii) Die streitige Festlegung des Beschaffungsgegenstands auf eine softwareseitige Erweiterung des<br />

vorhandenen Systems beruht auch nicht deshalb auf sachfremden, willkürlichen oder diskriminierenden<br />

Erwägungen, weil es der Beigeladenen an der erforderlichen Eignung zur Durchführung des Aufrags<br />

fehlen könnte. Öffentliche Auftraggeber sind zwar nach § 97 Abs. 4 GWB sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 VOL/A<br />

bzw. § 21 VSVgV gehalten, Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige, gesetzestreue und<br />

zuverlässige Unternehmen zu erteilen. Welche Anforderungen sie im Einzelnen an die Eignung des<br />

potentiellen Auftragnehmers stellen, Ist jedoch ihnen überlassen. Von einer mangelnden Eignung kann<br />

dabei nur ausgegangen werden, wenn tragfähige Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung bestehen<br />

oder wenn rechtmäßig angeforderte Eignungsnachweise nicht erbracht werden. Bei der Beurteilung der<br />

Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit handelt es sich, wie die <strong>Verg</strong>abekammer zutreffend<br />

festgestellt hat, um eine Prognoseentscheidung darüber, ob vom künftigen Auftragnehmer die<br />

ordnungsgemäße Erfüllung erwartet werden kann. Dem Auftraggeber steht bei dieser Beurteilung ein<br />

Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob<br />

der Auftraggeber von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder ob er sachwidrige<br />

Erwägungen angestellt hat (Reidt/Stickler/Glahs, GWB, 3. Aufl., § 97 Rn. 82, m.w.N.), Zu prüfen ist<br />

insoweit, ob der Antragsgegner seinen Wertungsspielraum überschritten hat.<br />

Dies ist hier nicht der Fall. Dem Antragsgegner stand frei, sich zum Nachweis der Eignung der<br />

Beigeladenen diesbezügliche Nachweise vorlegen zu lassen. Ausreichend war indes auch, dass sich der<br />

Antragsgegner für die Beurteilung der Eignung der Beigeladenen auf die bisherigen Erfahrungen mit der<br />

Beigeladenen gestützt und von dem Verlangen nach Eignungsnachweisen in Form von Referenzen<br />

abgesehen hat. Es kommt auch nicht darauf an, dass die Projekte der Beigeladenen noch nicht<br />

vollständig abgearbeitet und zertifiziert waren und sind; ausreichend ist vielmehr, worauf der<br />

Antragsgegner in seinem <strong>Verg</strong>abevermerk vom 08.02. 2013 abgestellt hat, dass die Beigeladene mit der<br />

Erfüllung der ihr vom Antragsgegner übertragenen Aufgaben im Zeitplan liegt, dass sie diese bislang zur<br />

Zufriedenheit des Antragstellers abgearbeitet hat und dass sie durch diese Arbeiten ihre Befähigung und<br />

Eignung auch in dem zu beauftragenden Bereich unter Beweis gestellt hat. Die von der Antragstellerin<br />

geltend gemachten Bedenken, die Beigeladene verfüge nicht über hinreichende Erfahrungen im Bereich<br />

der Sprachkomunikation und -dokumentation, entbehren vor diesem Hintergrund der Grundlage, auch<br />

wenn es noch an der erforderlichen Zertifizierung des von der Beigeladenen entwickelten<br />

Gesamtsystems fehlt. Es kommt auch nicht darauf an, dass die Beigeladene keine Referenzen für<br />

vergleichbare Projekte vorlegen kann. Denn solche Referenzen hat der Antragsgegner zu Recht nicht<br />

als Eignungsnachweis verlangt, weil Referenzen für noch nicht existente technische Entwicklungen


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denklogisch nicht vorgelegt werden können und Referenzen für ähnliche Projekte von vornherein nur<br />

bedingt aussagekräftig sind. Schließlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner<br />

seinen Beurteilungsspielraum insoweit überschritten hat, als er von einer ausreichenden personellen<br />

Kapazität der Beigeladenen ausgegangen ist. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass die<br />

Beigeladene nicht über die nötigen Mitarbeiter für die Erfüllung des Auftrags verfügt, nachdem diese die<br />

ihr bislang übertragenen Aufgaben im Zeitplan erledigt hat und nichts Substantielles dafür vorgetragen<br />

ist, dass die nun beauftragte Leistung umfangreicher oder schwieriger sei als die zuvor übertragenen<br />

Aufgaben. Auch der Einwand der Antragstellerin, der Antragsgegner habe die tatsächlichen Grundlagen<br />

für die gebotene Eignungsprüfung nicht hinreichend geklärt, greift nicht durch. Denn der Antragsgegner<br />

hat sich auf seine bisherigen Erfahrungen mit der Beigeladenen gestützt, ohne dass insoweit erkennbar<br />

wäre, dass die tatsächlichen Umstände unzutreffend oder unvollständig festgestellt worden wären.<br />

(ix) Die maßgeblichen Erwägungen des Antragsgegners, die seiner Entscheidung über die Festlegung<br />

des Beschaffungsbedarfs zugrunde liegen, sind schließlich auch in den <strong>Verg</strong>abevermerken vom<br />

08.02. 2013 dokumentiert. Dies gilt insbesondere für die für die Entscheidung des Antragsgegners<br />

ausschlaggebende Erwägung der Möglichkeit bei einer softwareseitigen Erweiterung des bestehenden<br />

Systems, die bereits vorhandene Technologie umfassend weiternutzen zu können, eine externe<br />

Schnittstelle mit hiermit verbundenen Kompatibilitätsrisiken zu vermeiden und die Verantwortlichkeit für<br />

die Einsatzfähigkeit des Systems in einer Hand zu konzentrieren, Auch zur Eignung der Beigeladenen<br />

findet sich eine knappe, aber ausreichende Begründung in dem Vermerk vom 08.02. 2013 zum<br />

Beschaffungsbedarf. Die vom Antragsgegner im Nachprüfungs- und/oder Beschwerdeverfahren darüber<br />

hinaus genannten Argumente für seine <strong>Verg</strong>abeentscheidung sind bereits in den <strong>Verg</strong>abevermerken<br />

angelegt, dienen daher der durch das Vorbringen der Antragstellerin veranlassten - Erläuterung und<br />

Vertiefung der in den <strong>Verg</strong>abevermerken niedergelegten Erwägungen und wurden daher zulässiger<br />

weise im Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nachgetragen.<br />

(x) Nach alledem bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner die technischen<br />

Möglichkeiten zur Umsetzung seiner technischen und taktischen Anforderungen nicht hersteller- und<br />

produktneutral geprüft haben könnte, sondern auf die Leistungen der Beigeladenen vorfestgelegt war<br />

und sachfremde Erwägungen in die Entscheidung hat einfließen lassen. Für einen ergebnisoffenen<br />

Entscheidungsfindungsprozess und eine allein an Sachgründen orientierte Entscheidung des<br />

Antragsgegners spricht dabei bereits, dass sich der Antragsgegner - worauf auch die <strong>Verg</strong>abekammer<br />

abgestellt hat - ausweislich des <strong>Verg</strong>abevermerks durch Befragung wichtiger Marktteilnehmer wie der<br />

Antragstellerin und der Firma ### sowie durch Hinzuziehung eines externen Beratungsunternehmens<br />

über die denkbaren technischen Lösungsansätze informiert hat. Gerade mit Blick darauf, dass es sich<br />

bei der Beratungsgesellschaft ein Beratungsunternehmen handelt, das - unstreitig - mit<br />

unterschiedlichsten Produkten Erfahrungen hat und auch andere Länder, die sich anderer<br />

Lösungsansätze bedient haben, berät, erscheint es als fernliegend, dass die Prüfung der technischen<br />

Möglichkeiten nicht ergebnisoffen erfolgt sein könnte und eine Vorfestlegung des Antragsgegners auf die<br />

Beigeladene bestand. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass - wie die Antragstellerin vermutet - eine<br />

persönliche Beziehung des mit der Angelegenheit befassten Bediensteten des Antragsgegners ### mit<br />

einem Gesellschafter der Beigeladenen bei der Bestimmung des Beschaffungsgegenstands eine Rolle<br />

gespielt hätten, liegen ebenfalls nicht vor, Allein eine etwaige Mitgliedschaft in derselben politischen<br />

Partei genügt für eine solche Annahme nicht, zumal der Antragsgegner in Abrede gestellt hat, dass eine<br />

nähere persönliche Bekanntschaft seines Mitarbeiters zu einem der Gesellschafter der Beigeladenen<br />

bestehe oder bestanden habe, und zudem vorgetragen hat, dass zu keiner Zeit eine Mitgliedschaft im<br />

selben Ortsverband der Partei bestanden habe, ohne dass die Antragstellerin dem etwas entgegen<br />

gesetzt hätte.<br />

bb) Die <strong>Verg</strong>abekammer ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der an die Beigeladene vergebene<br />

Auftrag zur softwareseitigen Erweiterung des vorhandenen Einsatzleitsystems nur von der Beigeladenen<br />

erfüllt werden kann. Denn allein die Beigeladene ist, wie die <strong>Verg</strong>abekammer zu Recht angenommen hat<br />

und wie auch die Antragstellerin selbst nicht ernsthaft in Frage stellt, aufgrund ihrer Schutzrechte an dem<br />

System ### in der Lage, die vom Antragsgegner gewünschte softwareseitige Erweiterung des


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vorhandenen Einsatzleitsystems durchzuführen. Die Antragstellerin bietet ihrerseits zwar sowohl eine<br />

adaptive Komplettlösung als auch eine integrierte, individuell auf das beizen Antragsgegner vorhandene<br />

System angepasste adaptive Lösung an, macht aber an keiner Stelle nachvollziehbar geltend, dass ihr<br />

oder einem anderen Marktteilnehmer die vom Antragsgegner gewünschte softwareseitige Erweiterung<br />

des bestehenden Systems möglich ist ohne Schutzrechte der Beigeladenen zu verletzen. Dies ist auch<br />

tatsächlich nicht der Fall. Denn eine Verpflichtung der Beigeladenen zur Preisgabe ihres Quellcodes und<br />

zum Verzicht auf ihre an ihren Entwicklungen bestehenden Schutzrechte lässt sich aus den .zwischen ihr<br />

und dem Antragsgegner abgeschlossenen Verträgen nicht ableiten. Ganz im Gegenteil ist dort jeweils<br />

ausdrücklich geregelt, dass die Beigeladene - von engen, hier nicht vorliegenden Ausnahmen<br />

abgesehen, nicht zur Offenlegung ihres Quellcodes verpflichtet ist. Auf die von der Antragstellerin<br />

aufgeworfene Frage, ob den zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen bestehenden<br />

Verträgen eine Verpflichtung der Beigeladenen zur Mitwirkung an der Herstellung einer Schnittstelle zur<br />

Anbindung eines Fremdsystems zu entnehmen ist, kommt es dabei, wie bereits ausgeführt, nicht an.<br />

Denn die Herstellung eines über eine physikalische Schnittstelle anzubindenden Fremdsystems<br />

entspricht nicht dem vom Antragsgegner vergaberechtskonform definierten Beschaffungsgegenstand.<br />

Soweit die Beigeladene geltend macht, dass die Beschaffung der Notrufvermittlung und<br />

Sprachdokumentation auch ohne Eingriff in den Quellcode der Einsatzsoftware der Beigeladenen<br />

möglich gewesen wäre, macht sie also, wie die <strong>Verg</strong>abekammer zutreffend festgestellt hat, gerade nicht<br />

geltend, dass sie oder ein anderer Marktteilnehmer in der Lage sei, den festgelegten<br />

Beschaffungsbedarf - die softwareseitige Erweiterung des bestehenden Systems - zu befriedigen, sie<br />

beanstandet vielmehr die konkrete Festlegung des Beschaffungsbedarfs auf einen rein<br />

softwarebasierten Lösungsansatz, gegen den indes aus den bereits genannten Gründen nichts zu<br />

erinnern ist.<br />

Auch der Einwand der Antragstellerin, die Erwägung, dass der Auftrag wegen bestehender Schutzrechte<br />

nur von der Beigeladenen erbracht werden könne, ergebe sich nicht aus dem <strong>Verg</strong>abevermerk und sei<br />

nachgeschoben, um die streitige <strong>Verg</strong>abe nachträglich zu rechtfertigen, greift nicht durch. Denn der<br />

Antragsgegner hat auf diesen Gesichtspunkt ausdrücklich im <strong>Verg</strong>abevermerk über die Verfahrenswahl<br />

vom 08.02. 2013 abgestellt.<br />

Da schon aus Rechtsgründen unzweifelhaft nur die Beigeladene zur Ausführung des vom Antragsgegner<br />

definierten Auftrags in der Lage ist, bedurfte es auch keiner Markterkundung hinsichtlich weiterer<br />

potentieller Anbieter einer softwareseitigen Erweiterung des vorhandenen Einsatzleitsystems.<br />

c) Nachdem die Voraussetzungen für eine <strong>Verg</strong>abe ohne Verhandlungsverfahren mit<br />

Teilnahmewettbewerb somit in jedem Falle erfüllt sind, hat die <strong>Verg</strong>abekammer zu Recht offengelassen,<br />

ob die Bestimmungen der VSVgV oder der VOL/A EG einschlägig sind und ob der Antragsgegner auch<br />

ein Verhandlungsverfahren nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 a) VSVgV oder nach § 3 EG Abs. 4 e) VOL/A hätte<br />

durchführen können.<br />

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 120 Abs 2 in Verbindung mit § 78 Satz 1 und 2 GWB, § 50<br />

Abs. 2 GKG.<br />

Nachdem die Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat, bestand für eine<br />

Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten keine<br />

Veranlassung.

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