Hermann Häring: Glaube und Vernunft angesichts ... - Wir sind Kirche
Hermann Häring: Glaube und Vernunft angesichts ... - Wir sind Kirche
Hermann Häring: Glaube und Vernunft angesichts ... - Wir sind Kirche
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Hermann</strong> Häring<br />
ganze Welt beseelt sein kann. Alle wirklich christlichen Projekte müssen<br />
zu durch <strong>und</strong> durch humanen, für die Menschen hilfreichen <strong>und</strong> von den<br />
Menschen mitvollzogenen Projekten werden. Projekte mitmenschlicher<br />
Verantwortung müssen zugleich Projekte in solidarischer Präsenz sein.<br />
5. Was ist zu tun?<br />
Angesichts des Gesagten schlage ich vor, den gebotenen Dienst an der<br />
Welt in drei Schritten zu vollziehen.<br />
Schritt 1:<br />
Bei unserem solidarischen Diskurs mit Verunsicherten, Enttäuschten <strong>und</strong><br />
Fragenden haben wir in einem elementaren Sinn vernünftig, d.h.<br />
kommunikativ, in Rede <strong>und</strong> Gegenrede, in Fragen <strong>und</strong> Argumentation<br />
voranzugehen. Fragen nach Sinn <strong>und</strong> Orientierung, nach den<br />
Hintergründen <strong>und</strong> dem Geheimnis dieser Welt lassen sich auch in<br />
säkularen Worten verhandeln <strong>und</strong> beantworten. Das gilt auch für die Frage<br />
nach Gott. Leider ist die religiöse Sprache inzwischen zur Sondersprache<br />
einer autoritären, nostalgischen <strong>und</strong> sich tabuisierenden Religion<br />
geworden. Wer <strong>Kirche</strong> also erneuern will, muss ein offenes Verhältnis zu<br />
Säkularisierung <strong>und</strong> Säkularität gewinnen, muss gesellschaftspolitische<br />
Fragen ebenso wie Fragen der Spiritualität besprechen können.<br />
Interessierte haben ein Recht auf vernünftige, säkular einsichtig<br />
formulierte Antworten. Wer die <strong>Kirche</strong> erneuern will, muss deshalb<br />
zunächst ein unverkrampftes Verhältnis zur säkular gewordenen Welt<br />
gewinnen. Allerdings schließt diese säklare Welt neben einer rational<br />
beschreibenden Sprachform auch die Sprachformen ein, die heute in<br />
Kunst <strong>und</strong> Kultur, in Literatur <strong>und</strong> in religiöser Imagination zu Hause<br />
<strong>sind</strong>.<br />
Schritt 2:<br />
Doch müssen wir in offensiver Loyalität agieren, denn viele Gespräche<br />
<strong>und</strong> Auseinandersetzungen vollziehen sich in Kräftefeldern von Macht,<br />
gegenüber institutioneller Einflussnahme <strong>und</strong> im Rahmen konkreter<br />
Gemeindegestaltung. Die Zeit ist gekommen, in der wir – parallel zu<br />
unseren Initiativen – falsche Autoritätsansprüche entlarven <strong>und</strong><br />
gegebenenfalls übergehen. <strong>Wir</strong> haben das Recht, von den Bischöfen<br />
Rechenschaft zu verlangen bzw. ihren Rücktritt zu fordern. Gott ist mehr<br />
zu gehorchen als den Menschen (Apg 5, 29): Im Interesse der Wahrheit<br />
- 26 -