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Objektorientierte Modellierung, Simulation und Regelung ...

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at 5/2007<br />

<strong>Objektorientierte</strong> <strong>Modellierung</strong>, <strong>Simulation</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Regelung</strong> dynamischer Systeme am<br />

Beispiel eines Oxyfuel-Kraftwerksprozesses<br />

An Oxyfuel-Power-Plant as an Example for Object Oriented Modelling, <strong>Simulation</strong> and<br />

Control of Dynamic Systems<br />

Thomas Nötges, Sebastian Hölemann, Nicolas Bayer Botero, Dirk Abel<br />

Dieser Beitrag befasst sich mit der objektorientierten <strong>Modellierung</strong>, <strong>Simulation</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Regelung</strong> dynamischer, technischer Systeme. Am Beispiel des Rauchgaskreislaufs eines<br />

Oxyfuel-Prozesses werden dabei die Stärken <strong>und</strong> Besonderheiten der <strong>Modellierung</strong> mit<br />

der objektorientierten Beschreibungssprache Modelica aus Sicht der <strong>Regelung</strong>stechnik<br />

aufgezeigt. Zur <strong>Modellierung</strong> der thermodynamischen Zusammenhänge werden<br />

verschiedene Bibliotheken eingesetzt. Die Möglichkeit der Kopplung der Werkzeuge<br />

Modelica/ Dymola <strong>und</strong> Matlab/ Simulink resultiert in einer Werkzeugkette, mit welcher<br />

nach den Methoden des Rapid Control Prototypings ein <strong>Regelung</strong>skonzept entworfen<br />

werden kann.<br />

This paper deals with object oriented modelling, simulation and control of dynamic,<br />

technical systems. The exhaust gas cycle of an oxyfuel power plant is used to clarify the<br />

characteristics and advantages of the object oriented modelling using Modelica for<br />

automatic control purposes. Different libraries are used for modelling the thermodynamic<br />

interrelations. The possibility of coupling the tools Modelica/ Dymola and Matlab/<br />

Simulink leads to a tool chain that allows for developing an automatic control concept<br />

using rapid control prototyping methodology.<br />

Schlagwörter: <strong>Objektorientierte</strong> <strong>Modellierung</strong>, Modelica, Dymola, dynamische<br />

<strong>Simulation</strong>, <strong>Regelung</strong>, Oxyfuel-Prozess, Matlab, Simulink, Toolkopplung<br />

Keywords: Object oriented modelling, Modelica, Dymola, dynamic simulation,<br />

automatic control, oxyfuel power plant, Matlab, Simulink, toolcoupling<br />

1 Einleitung<br />

Anlass zu diesem Beitrag gab der GMA-Fachausschuss<br />

6.11 ”<br />

Computer Aided Control Engineering (CACE)“,<br />

der sich im Sommer 2006 in einer erweiterten Ausschusssitzung<br />

dem Thema ”<br />

Virtuelle Inbetriebnahme“<br />

zuwandte. Hinter diesem Schlagwort steht die Idee,<br />

Prozess- <strong>und</strong> Anlagensimulationen von Produktionsanlagen<br />

aus dem Bereich der Verfahrenstechnik nicht nur<br />

bei der Auslegung <strong>und</strong> Planung zu nutzen, sondern vielmehr<br />

auch als Erprobungsumfeld für leit- <strong>und</strong> automatisierungstechnische<br />

Funktionen, die somit bereits vor<br />

dem Bau der Anlage an der <strong>Simulation</strong> getestet <strong>und</strong><br />

optimiert werden können. Gerade vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

der stets steigenden Komplexität von Produktionsanlagen<br />

gewinnt dies an Bedeutung, weil der Inbetriebnahmeaufwand<br />

zunimmt, was bei gleichzeitig immer kürzer<br />

werdender Produktzyklen in mehrfacher Hinsicht problematisch<br />

ist. Ein wichtiger Aspekt der virtuellen Inbetriebnahme<br />

ist die Möglichkeit, an der virtuellen Anlage<br />

auch das Betriebspersonal frühzeitig zu schulen, wodurch<br />

weitere Vorlaufzeit eingespart werden kann.<br />

Aktuelle Arbeiten zur Entwicklung eines neuartigen<br />

Kraftwerksprozesses bilden schließlich den Rahmen, in<br />

dem die Möglichkeiten einer objektorientierten <strong>Modellierung</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Simulation</strong> aufgezeigt <strong>und</strong> zur Diskussion<br />

gestellt werden. Die programmtechnische Umsetzung er-<br />

07<br />

at – Automatisierungstechnik 68 (2020) 5 c○ Oldenbourg Verlag 1


folgt dabei in Modelica/ Dymola, wobei auch eine Toolkopplung<br />

mit Matlab/ Simulink vorgenommen wird.<br />

2 Oxyfuel-Kraftwerksprozess<br />

Die Verpflichtung einiger Staaten durch das Kyoto Protokoll<br />

zur drastischen Reduktion des CO 2 -Ausstoßes hat<br />

verschiedene Forschungsvorhaben hervorgerufen. Daher<br />

werden Prozesse zur CO 2 -emissionsfreien Kohleverbrennung<br />

untersucht, bei denen das entstehende CO 2 aus<br />

dem Prozess, z. B. zur Endlagerung unter Tage, abgeschieden<br />

wird. Ein mögliches Konzept hierfür realisieren<br />

so genannte Oxyfuel-Prozesse, die den Brennstoff unter<br />

einer Rauchgas/ O 2 -Atmosphäre verbrennen.<br />

Ein solcher Oxyfuel-Prozess ist in Bild 1 skizziert. Er<br />

beruht auf der Rezirkulation eines Teils des im Wesentlichen<br />

nur noch aus CO 2 <strong>und</strong> H 2 O bestehenden Rauchgases,<br />

das in einer keramischen Hochtemperaturmembran<br />

mit Sauerstoff angereichert wird. Das so gebildete<br />

Verbrennungsgas wird mit einem Umwälzgebläse<br />

in die Brennkammer gefördert <strong>und</strong> dort zusammen<br />

mit dem Brennstoff Kohle verbrannt. Zur Sauerstoffgewinnung<br />

wird Umgebungsluft verdichtet <strong>und</strong> in einem<br />

Wärmetauscher durch das heiße Rauchgas vorgewärmt.<br />

Beim Durchströmen der Membran diff<strong>und</strong>iert Sauerstoff<br />

von der Luftseite auf die Rauchgasseite. Der Diffusionsprozess<br />

hängt dabei stark von der Membrantemperatur<br />

<strong>und</strong> dem O 2 -Partialdruckgefälle zwischen der Luft- <strong>und</strong><br />

der Rauchgasseite ab. Beide Größen werden sowohl über<br />

die Drehzahl des Luftverdichters als auch über die des<br />

Umwälzgebläses beeinflusst.<br />

Umwälzgebläse<br />

Luftverdichter<br />

Zwischenüberhitzer<br />

Luft N 2<br />

2 2 2<br />

Brennkammer<br />

CO , H O<br />

2 2<br />

Wasserabscheidung<br />

O 2<br />

Rauchgaswäsche<br />

CO 2<br />

Bild 1: Prozessskizze des Rauchgaskreislaufs<br />

G<br />

Vorwärmer<br />

Stickstoffturbine<br />

Wärmetauscher Keramische<br />

Hochtemperaturmembran<br />

C O , O , H O<br />

Kohlemühle<br />

Überhitzer<br />

Saugzug<br />

Die oben beschriebene Struktur des Oxyfuel-Prozesses<br />

erfordert neue <strong>Regelung</strong>skonzepte zur Bereitstellung<br />

des Verbrennungsgases. Während bei herkömmlichen<br />

Kraftwerken der Verbrennungsluftmassenstrom bei einer<br />

Veränderung des Brennstoffmassenstromes schnell<br />

über die Drehzahl der Luftgebläse nachgeführt werden<br />

kann, liegen hier komplexere Zusammenhänge vor.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Wärmeübergänge in der Membran <strong>und</strong><br />

dem Wärmetauscher, Totzeiten in den Rohrleitungen<br />

<strong>und</strong> Massenträgheiten der Turbokomponenten ist zu erwarten,<br />

dass Änderungen im Diffusionsmassentrom nur<br />

vergleichsweise langsam erzielt werden können. Weiterhin<br />

kommt erschwerend hinzu, dass zu große sowohl<br />

zeitliche als auch örtliche Temperaturgradienten zu<br />

Spannungen innerhalb des keramischen Werkstoffes <strong>und</strong><br />

somit zu einer Zerstörung oder frühzeitigen Alterung<br />

der Membran führen können. Für den Rauchgaskreislauf<br />

ist daher ein geeignetes <strong>Regelung</strong>skonzept zu entwickeln,<br />

welches einem Brennstoffmassenstrom zu jeder<br />

Zeit einen angepassten Sauerstoffmassenstrom für eine<br />

stöchiometrische Verbrennung bereit stellt, ohne dabei<br />

Zustands- oder Stellgrößenbeschränkungen zu verletzen.<br />

Zur <strong>Regelung</strong> des nichtlinearen, stark gekoppelten <strong>und</strong><br />

totzeitbehafteten Mehrgrößensystems des Rauchgaskreislaufs<br />

sind besonders Modellgestützte Prädiktive<br />

Regler (MPR) sehr gut geeignet. Hierfür ist ein dynamisches<br />

Prozessmodell erforderlich, dessen Erstellung mit<br />

der objektorientierten <strong>Modellierung</strong> unterstützt werden<br />

kann.<br />

Das konzeptionelle Vorgehen für die Modellbildung des<br />

beschriebenen Oxyfuel-Prozesses wird in den folgenden<br />

Abschnitten erläutert. Es stellt sich dabei die Herausforderung,<br />

einen Prozess zu modellieren, der bisher weder<br />

in seiner Gesamtheit noch in allen seinen einzelnen<br />

Komponenten real existiert.<br />

3 <strong>Objektorientierte</strong> <strong>Modellierung</strong><br />

dynamischer Systeme<br />

Aus der <strong>Modellierung</strong> dynamischer Prozesse resultieren<br />

im Allgemeinen Systeme differential-algebraischer Gleichungen<br />

(DAE) bestehend aus gewöhnlichen Differentialgleichungen,<br />

die über algebraische Nebenbedingungen<br />

gekoppelt sind. Die Erstellung komplexer Modelle<br />

ist häufig aufwändig <strong>und</strong> für größere Prozesse nicht ohne<br />

entsprechende Werkzeuge zu bewältigen. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> sind die aus der objektorientierten Programmierung<br />

bekannten Prinzipien besonders interessant für die<br />

<strong>Modellierung</strong> technischer Systeme.<br />

Die Gr<strong>und</strong>elemente der objektorientierten Programmierung<br />

sind das Klassenprinzip, die Vererbung, Datenkapselung<br />

<strong>und</strong> Polymorphie.<br />

Klassen sind dabei Datentypen, welche Daten <strong>und</strong> Algorithmen<br />

(Methoden) zur modellartigen Nachbildung unterschiedlicher<br />

Strukturen zusammenfassen. Durch Instanzierung<br />

einer Klasse wird ein parametrierbares Objekt<br />

dieser Klasse erzeugt.<br />

2


Der Vererbungsmechanismus ermöglicht den hierarchischen<br />

Aufbau einer Klassenstruktur. Durch die Implementierung<br />

gemeinsamer Eigenschaften verschiedener<br />

Klassen in einer so genannten Basisklasse können Red<strong>und</strong>anzen<br />

vermieden werden, indem abgeleitete Klassen<br />

die Elemente der Basisklasse erben. Eine abstrakte<br />

(Basis-) Klasse zeichnet sich dadurch aus, das sie nicht<br />

instanzierbar ist, da sie lediglich der Zusammenstellung<br />

übergreifender Eigenschaften <strong>und</strong> Schnittstellen dient.<br />

Unter Datenkapselung wird verstanden, dass auf die Daten<br />

eines Objektes nur über definierte Schnittstellen zugegriffen<br />

werden kann. Diese Schnittstellen sind über die<br />

Methoden des Objektes realisiert.<br />

Unter Polymorphie (Vielgestaltigkeit) wird die Möglichkeit<br />

verstanden, dass bestimmte Verhaltensweisen<br />

(Methoden) verschiedener Objekte der gleichen Klasse<br />

gezielt geändert werden können. Dies wird durch das<br />

Überladen der entsprechenden Methoden erreicht [1].<br />

Die vorgestellten Prinzipien können auf die <strong>Modellierung</strong><br />

dynamischer Systeme übertragen werden. Objektorientierung<br />

in der <strong>Modellierung</strong> technischer Prozesse<br />

wird nach [4] als eine Methode zur Strukturierung komplexer<br />

mathematischer Probleme verstanden.<br />

Durch das Klassenprinzip werden die zur Charakterisierung<br />

einer technischen Komponente benötigten Größen<br />

(Daten) <strong>und</strong> das beschreibende Gleichungssystem (Algorithmus)<br />

in einem Modell zusammengefasst.<br />

Die Vererbung ermöglicht die Übernahme der Eigenschaften<br />

einer Basiskomponente, in welcher wiederkehrende<br />

physikalische Eigenschaften definiert werden.<br />

Die Datenkapselung in Form definierter Schnittstellen<br />

stellt die umgebungsunabhängige <strong>Modellierung</strong> einer<br />

Komponente sicher <strong>und</strong> trägt damit zur Wiederverwendbarkeit<br />

bei.<br />

Die frei verfügbare Sprache Modelica [2] vereint die<br />

zuvor genannten Prinzipien der objektorientierten <strong>Modellierung</strong>.<br />

Ein zentrales Element dieser Sprache sind<br />

Schnittstellen, welche zwei unterschiedliche Typen von<br />

Variablen aufweisen: Potential- <strong>und</strong> Flussvariablen. Diese<br />

Unterscheidung ist an die Physik angelehnt <strong>und</strong> resultiert<br />

in der Gleichsetzung der Potentialvariablen miteinander<br />

verb<strong>und</strong>ener Schnittstellen. Für Flussgrößen gilt<br />

an verb<strong>und</strong>enen Schnittstellen die Erhaltung der zu- <strong>und</strong><br />

abfließenden Ströme. Dies führt zu einer Nullsumme der<br />

entsprechenden Flussgrößen.<br />

Bei der <strong>Modellierung</strong> mit Modelica können physikalische<br />

Zusammenhänge direkt - auch in impliziter Form<br />

- in das dem Modell zu Gr<strong>und</strong>e liegende Gleichungssystem<br />

übernommen werden. Im Folgenden wird dies<br />

deklarative <strong>Modellierung</strong> genannt. Im Gegensatz dazu<br />

stehen kausale, signalorientierte Ansätze (Ursache-<br />

Wirkung), bei welchen der Wert rechts des Gleichheitszeichens<br />

( ”<br />

right-value“) dem Ausdruck auf der linken<br />

Seite ( ”<br />

left-value“) zugewiesen wird. Dabei ist es notwendig,<br />

die entsprechenden Gleichungen nach Ein- <strong>und</strong><br />

Ausgangsgrößen umzuformen. Ein Vergleich der <strong>Modellierung</strong><br />

unter Einsatz von Modelica mit dem signalorientierten<br />

Ansatz in Matlab/ Simulink ist in [3] durchgeführt<br />

worden. Die deklarative <strong>Modellierung</strong> technischer<br />

Prozesse bietet demnach gegenüber signalorientierten<br />

Ansätzen teils erhebliche Vorteile.<br />

Nicht kausal formulierte Gleichungssysteme sind von<br />

Rechnern, unter anderem auf Gr<strong>und</strong> impliziter Gleichungen,<br />

nicht direkt zu lösen. Das Werkzeug Dymola<br />

transformiert das Gleichungssystem vor der <strong>Simulation</strong><br />

in eine durch Digitalrechner verarbeitbare Form. Die<br />

hierarchische <strong>und</strong> objektorientierte Modellstruktur wird<br />

dazu in ein ”<br />

flaches“ Modell überführt, indem die Vererbungsstrukturen<br />

aufgelöst <strong>und</strong> die sich aus der Verbindung<br />

von Schnittstellen ergebenden Gleichungen formuliert<br />

werden. Das resultierende Gleichungssystem wird<br />

aufbereitet [5], so dass auch numerisch anspruchsvolle<br />

Gleichungssysteme (z. B. solche, welche algebraische<br />

Schleifen enthalten) mit dem Werkzeug gelöst werden<br />

können. Das Gleichungssystem wird anschließend zusammen<br />

mit dem Quelltext eines numerischen Solvers in<br />

C-Code überführt. Mit dem daraus resultierenden Programm<br />

ist das Gleichungssystem für gegebene Startwerte<br />

lösbar.<br />

Die in diesem Artikel dargestellte objektorientierte <strong>Modellierung</strong><br />

des Kraftwerkprozesses bietet zum einen den<br />

Vorteil, dass für das eingesetzte Werkzeug umfangreiche<br />

Bibliotheken existieren. Als Wichtigste sind hier<br />

die Media <strong>und</strong> ThermoPower Bibliotheken zu nennen,<br />

die eine Vielzahl von Modellen zur Beschreibung von<br />

Fluiden <strong>und</strong> thermodynamischer Zusammenhänge bereitstellen.<br />

Auf der anderen Seite sind die aufgestellten<br />

Modelle der Einzelkomponenten durch den Einsatz<br />

definierter Schnittstellen universell, auch unter sich<br />

ändernden Randbedingungen, einsetzbar. Die Formulierung<br />

der Gleichungssysteme unterliegt dabei nicht der<br />

in den meisten <strong>Modellierung</strong>swerkzeugen vorhandenen<br />

Notwendigkeit, Gleichungen nach Ein- <strong>und</strong> Ausgangsgrößen<br />

aufzulösen.<br />

4 <strong>Modellierung</strong>sbeispiele<br />

Im Folgenden werden anhand der Membran <strong>und</strong> der<br />

Turbokomponenten des in Abschnitt 2 dargestellten<br />

Prozesses die Stärken der objektorientierten <strong>Modellierung</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Simulation</strong> dargestellt. Dabei wird die <strong>Modellierung</strong>ssprache<br />

Modelica mit der <strong>Simulation</strong>sumgebung<br />

Dymola der Firma Dynasim eingesetzt. Es werden die<br />

in Abschnitt 3 eingeführten Prinzipien aufgegriffen, die<br />

die <strong>Modellierung</strong> der Komponenten unter Einsatz verschiedener<br />

Modellbibliotheken vereinfachen.<br />

4.1 Keramische Hochtemperaturmembran<br />

Die keramische Hochtemperaturmembran ist eine der<br />

zentralen Komponenten des Rauchgaskreislaufs. Zur<br />

3


technischen Realisierung werden Perowskite, keramische<br />

Materialien der chemischen Struktur XY O 3 [6], eingesetzt.<br />

Durch Dotierung mit Fremdatomen kann das verhalten<br />

dieser Materialien, vergleichbar mit der Dotierung<br />

von Halbleitern, beeinflusst werden. Dabei werden<br />

gezielt die Atome X <strong>und</strong>/ oder Y durch andere Elemente<br />

ersetzt.<br />

Luft<br />

L<br />

Rauchgas<br />

∆L<br />

d<br />

•<br />

m O2<br />

4e -<br />

O 2<br />

2O 2-<br />

Bild 2: Skizze der keramischen Hochtemperaturmembran<br />

Die Hochtemperaturmembran der Länge L wird im Gegenstrom<br />

betrieben (Bild 2). Dadurch wird ein hoher<br />

Wärmestrom ˙Q <strong>und</strong> Sauerstoffaustausch ṁ O2 erreicht.<br />

Sauerstoffmoleküle werden an der Membranoberfläche<br />

ionisiert, diff<strong>und</strong>ieren als Ionen durch das Besetzen von<br />

Fehlstellen durch das Gitter <strong>und</strong> werden auf der Rauchgasseite<br />

wieder rekombiniert.<br />

Aus regelungstechnischer Sicht ist neben der Membrandynamik<br />

auch das Membranverhalten in Strömungsrichtung<br />

von Interesse, da somit die örtliche Verteilung<br />

von Temperaturgradienten bestimmt werden<br />

kann. Diese Gradienten dürfen einen Maximalwert nicht<br />

überschreiten, um die gegenüber Temperaturschwankungen<br />

empfindliche Keramik nicht zu überlasten. Aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> wird für die <strong>Modellierung</strong> der Membran<br />

ein Finite Volumen Ansatz umgesetzt (Bild 3). Die<br />

Membran wird in eine parametrierbare Anzahl finiter<br />

Volumina der Länge ∆L unterteilt. Für jedes dieser Volumen<br />

werden die Erhaltungsgleichungen für Masse <strong>und</strong><br />

Energie aufgestellt. Die Gesamtmembran wird durch eine<br />

automatische Verknüpfung der Einzelvolumina realisiert.<br />

•<br />

m Luft, ein<br />

A<br />

D<br />

•<br />

m Rauchgas, aus<br />

•<br />

λ Q<br />

α Luft<br />

α Rauchags<br />

∆L, ( ∆A)<br />

T p O2, Luft<br />

TLuft<br />

p O2,Rauchgas<br />

T Rauchgas<br />

C i,Wagner<br />

•<br />

j ” O2<br />

O 2<br />

Bild 3: Skizze eines finiten Volumens der Membran<br />

B<br />

Q •<br />

•<br />

m Luft, aus<br />

C<br />

•<br />

m Rauchgas, ein<br />

Für die Beschreibung der finiten Volumina sind Gleichungssysteme<br />

unterschiedlicher Komplexität <strong>und</strong> Genauigkeit<br />

denkbar. Verschiedene Ansätze werden im Folgenden<br />

kurz skizziert:<br />

Die über die Membran ausgetauschte Wärmemenge<br />

kann in einem ersten Schritt mit Hilfe des Fourier’schen<br />

Gesetztes für die Wärmeleitung beschrieben werden:<br />

∆ ˙Q Leitung = λ ∆A<br />

d (T Rauchgas − T Luft ) (1)<br />

Demnach ist die übertragene Wärmemenge ∆ ˙Q Leitung<br />

abhängig von der Wärmeleitfähigkeit λ, der Dicke d,<br />

der Fläche ∆A <strong>und</strong> der anliegenden Temperaturdifferenz.<br />

Dabei wird davon ausgegangen, dass die Membran<br />

an der Oberfläche jeweils die Temperatur des vorbeiströmenden<br />

Fluids annimmt.<br />

In einem zweiten Schritt kann zusätzlich zur Wärmeleitung<br />

durch die Membran der konvektive Wärmetransport<br />

vom Fluid an die Membranwand betrachtet werden.<br />

Dazu wird eine Grenzschicht definiert (Bild 3,<br />

grau hinterlegter Bereich). Unter Annahme konstanter<br />

Strömungsbedingungen wird der Wärmetransport vom<br />

Fluid an die Wand unter Verwendung des Wärmeübergangskoeffizienten<br />

α über<br />

∆ ˙Q Konvektion = α∆A (T F luid − T W and ) (2)<br />

beschrieben.<br />

Ist die Annahme konstanter Strömungsbedingungen<br />

nicht zulässig, kann α mit Hilfe der Nusselt-Zahl [7] bestimmt<br />

werden:<br />

α =<br />

Nu (Re, Pr) λ<br />

∆L<br />

(3)<br />

Dabei beschreiben die Reynolds- <strong>und</strong> die Nusselt-Zahl<br />

die aktuellen Strömungsbedingungen.<br />

Analog zu den Überlegungen des Wärmetransports ist<br />

die Beschreibung des Massentransports in unterschiedlichen<br />

Detaillierungsgraden möglich.<br />

Es ist festzuhalten, dass die <strong>Modellierung</strong> eines finiten<br />

Volumens des Luftzerlegungsmodul mit unterschiedlichen<br />

Gleichungssystemen beschrieben werden kann, welche<br />

sich in der Komplexität bzw. Genauigkeit unterscheiden<br />

<strong>und</strong> sich dadurch auf die Rechenzeit auswirken.<br />

4.1.1 Polymorphismus durch Überladen<br />

Nachdem verschiedene Gleichungssysteme für ein finites<br />

Volumen definiert worden sind, sind diese in das Membranmodell<br />

zu integrieren, damit das zu verwendende<br />

Gleichungssystem durch den Benutzer parametrierbar<br />

ist. Dazu wird mit Hilfe des Prinzips des Überladens<br />

eine polymorphe Klasse erstellt.<br />

Im folgenden Quelltext wird dies verdeutlicht. Dabei<br />

wird ein Modell mdlFinVol zur Beschreibung eines<br />

finiten Volumens als replaceable, d. h. überladbar, deklariert<br />

<strong>und</strong> mit dem Standardmodell mdlStdFinVol<br />

initialisiert. Es folgt eine durch den Benutzer parametrierbare<br />

Liste der möglichen Gleichungssysteme<br />

mdlF inV ol1, mdlF inV ol2 welche bei Auswahl das Modell<br />

mdlFinVol überladen:<br />

4


eplaceable model mdlFinVol = mdlStdFinVol<br />

annotation( choices(<br />

choice(<br />

redeclare model mdlFinVol = mdlFinVol1<br />

),<br />

choice(<br />

redeclare model mdlFinVol = mdlFinVol2<br />

),<br />

...<br />

))<br />

4.1.2 Vererbung <strong>und</strong> Datenkapselung durch<br />

definierte Schnittstellen<br />

Am skizzierten Beispiel der finiten Volumina werden im<br />

Folgenden die objektorientierten Prinzipien der Vererbung<br />

<strong>und</strong> der Datenkapselung verdeutlicht.<br />

Die <strong>Modellierung</strong> der thermodynamischen Zusammenhänge<br />

im Rauchgaskreislauf basieren auf der frei<br />

verfügbaren ThermoPower Bibliothek [8]. Ein Beispiel<br />

dafür ist die für die Verbindung der Komponenten<br />

im Rauchgaskreislauf eingesetzte Schnittstelle (Konnektor).<br />

Diese erbt die Eigenschaften des entsprechenden<br />

Konnektors aus der ThermoPower Bibliothek <strong>und</strong> definiert<br />

den Druck, die Enthalpie, den Massenstrom <strong>und</strong><br />

die Gaszusammensetzung an der Komponentengrenze.<br />

Durch den Einsatz von Konnektoren wird unter Modelica<br />

die in Abschnitt 3 eingeführte Datenkapselung realisiert.<br />

Mit der beschriebenen Schnittstelle wird ein partielles<br />

Modell (abstrakte Klasse) für die finiten Volumina in<br />

der Membran aufgebaut. Partiell bedeutet dabei, dass<br />

dieses Modell speziell für die Vererbung vorgesehen <strong>und</strong><br />

insbesondere das enthaltene Gleichungssystem unterbestimmt<br />

ist. Dieses partielle Modell definiert für jedes finite<br />

Volumen unter anderem die vier Schnittstellen A-D<br />

(siehe Bild 3), welche die Ein- <strong>und</strong> Ausgänge der Luftbzw.<br />

Rauchgasseite bilden.<br />

In folgenden Quelltext erbt ein Modell für ein finites<br />

Volumen mdlFinVol1 die Eigenschaften dieser Schablone<br />

prtmdlFinVol<br />

model mdlFinVol1<br />

...<br />

extends prtmdlFinVol;<br />

...<br />

<strong>und</strong> fügt das jeweilige Gleichungssystem hinzu, mit welchem<br />

die Interaktion zwischen den Schnittstellen beschrieben<br />

wird. Neben den geerbten Eigenschaften werden<br />

also weitere, eigene Eigenschaften definiert. Die<br />

Stärke der Vererbung ist es, bereits formulierte Zusammenhänge,<br />

z. B. aus Bibliotheken, zu nutzen <strong>und</strong> diese<br />

um die benötigte Funktionalität erweitern zu können.<br />

4.1.3 Initialisierung von Zustandsgrößen<br />

Bei der <strong>Modellierung</strong> nichtlinerarer, dynamischer Systeme<br />

ist die Initialisierung des resultierenden Gleichungssystems<br />

vor der <strong>Simulation</strong> zu beachten. Zu initialisieren<br />

sind zum einen die Iterationsvariablen (siehe 4.2.1) <strong>und</strong><br />

die Zustände des Systems.<br />

Für einen <strong>Simulation</strong>sstart im stationären Zustand sind<br />

die Ableitungen der Zustände zu null zu setzen. In dem<br />

so genannten initial equation Abschnitt von Modelica<br />

können dazu Gleichungen formuliert werden, welche nur<br />

zu Beginn der <strong>Simulation</strong> gelten. Im folgenden Quelltext<br />

ist dies anhand der Ableitungen des Drucks GasAir.p,<br />

der Temperatur GasAir.T <strong>und</strong> der Gaszusammensetzung<br />

GasAir.Xi verdeutlicht:<br />

initial equation<br />

...<br />

der(GasAir.p) = 0;<br />

der(GasAir.T) = 0;<br />

der(GasAir.Xi) = zeros(MediumAir.nXi);<br />

Dymola bietet die Möglichkeit, die Zustände eines Systems<br />

aufzulisten <strong>und</strong> erleichtert damit die Suche nach<br />

den zu initialisierenden Zuständen.<br />

4.1.4 Parameteridentifikation<br />

Zur Anpassung des Verhaltens modellierter Komponenten<br />

an vorliegende Daten kann die Dymola-Toolbox Design<br />

eingesetzt werden. Diese passt durch die Optimierung<br />

ausgewählter Parameter das Verhalten eines Modells<br />

an Messdaten an.<br />

In Bild 4 sind die Druckverluste <strong>und</strong> Massenströme<br />

im Membranmodul für zwei finite Volumen skizziert.<br />

In diesen Volumina diff<strong>und</strong>iert ein Sauerstoffmassenstrom<br />

ṁ O2 ,i über die Fläche ∆A von der Luftauf<br />

die Rauchgasseite. Zusätzlich tritt ein Druckverlust<br />

in Abhängigkeit des Strömungswiderstands<br />

R Luft/Rauchgas <strong>und</strong> der Strömungsgeschwindigkeit auf.<br />

Luft<br />

•<br />

m O2,1<br />

∆A<br />

Rauchgas<br />

•<br />

∆p Luft, gesamt<br />

∆m Luft, gesamt<br />

R Luft<br />

R<br />

•<br />

Luft<br />

m O2,2<br />

∆p Luft,1<br />

∆p Luft,2<br />

∆A<br />

R Rauchgas<br />

R Rauchgas<br />

∆p Rauchgas,1<br />

∆p Rauchgas,2<br />

∆p Rauchgas, gesamt<br />

Bild 4: Parametrierungsproblematik an dem Membranmodul<br />

Bei gegebenen Eintrittsmassenströmen<br />

ṁ Luft/Rauchgas,ein in die Membran, ist ihr Verhalten<br />

durch die Optimierung der Parameter ∆A<br />

<strong>und</strong> R Luft/Rauchgas in Bezug auf die Druckverluste<br />

∆p Luft/Rauchgas,gesamt <strong>und</strong> die austretenden Massenströme<br />

ṁ Luft/Rauchgas,aus anzupassen. Eine analytische<br />

Lösung ist im vorliegenden Fall nicht möglich.<br />

5


Die Identifikation der Membranparameter hat zu einer<br />

sehr guten Übereinstimmung des Modellverhaltens zu<br />

den eingesetzten stationären Daten geführt.<br />

4.2 Turbokomponenten<br />

Für die <strong>Modellierung</strong> der axialen Turbokomponenten<br />

wird ein Ansatz nach [9] verwendet, welcher es auf der<br />

einen Seite ermöglicht, das Verhalten sowohl von Turbinen<br />

als auch von Verdichtern mit einem Gleichungssystem<br />

zu beschreiben. Auf der anderen Seite können<br />

Turbokomponenten unter Angabe der Arbeitspunktdaten<br />

(siehe Bild 5, die schwarz gedruckten Größen sind<br />

die Arbeitspunktdaten, die grau gedruckten intern berechnete<br />

Größen) von der strömungstechnischen Seite<br />

beschrieben werden. Dazu wird ein so genanntes Stufenaufbauverfahren<br />

eingesetzt, bei dem zunächst unter<br />

Kenntnis der Eintrittsbedingungen einer Stufe im Arbeitspunkt,<br />

die Austrittsbedingungen dieser Stufe ermittelt<br />

werden, welche wiederum die Eintrittsbedingung<br />

für die folgende Stufe bilden. Mit diesen Informationen<br />

ist es unter dem Einsatz entsprechender Kennzahlen<br />

möglich, dass Verhalten der Turbokomponente über<br />

einen weiten Arbeitsbereich um den Arbeitspunkt zu<br />

beschreiben.<br />

•<br />

p<br />

n,in,0, m<br />

n,in,0,<br />

•<br />

1<br />

p<br />

1,in,0, m<br />

1,in,0,<br />

T<br />

n,in,0,<br />

n,in,0<br />

T<br />

1,in,0,<br />

1,in,0<br />

n<br />

b<br />

b<br />

<br />

• d 1 L d D<br />

p<br />

n<br />

0, m<br />

0,<br />

T , <br />

p 1,0<br />

0, 0, v0<br />

p n,0<br />

0 0<br />

Bild 5: Größen zur <strong>Modellierung</strong> der Turbokomponenten<br />

Bemerkenswert ist es dabei, dass in [9] eingeführte<br />

Vereinfachungen wie beispielsweise ein konstanter<br />

Strömungsquerschnitt über allen Stufen <strong>und</strong> konstante<br />

Stoffwerte mit Hilfe der eingesetzten Bibliotheken <strong>und</strong><br />

unter Ausnutzung der Möglichkeit des Auflösens impliziter<br />

Gleichungen aufgehoben werden können.<br />

4.2.1 Initialisierung algebraischer Schleifen <strong>und</strong><br />

Lösung nichtlinearer, impliziter Gleichungen<br />

Für die Berechnung der internen Kennzahlen werden<br />

unter anderem die Ein- <strong>und</strong> Austrittstemperatur einer<br />

Stufe benötigt. Mit Hilfe einer Funktion aus der<br />

Media-Bibliothek des Modelica Sprachstandards lassen<br />

sich diese Temperaturen mit der impliziten Gleichung<br />

h 0 = h(T 0 ) bestimmen. Die Gleichung kann nur numerisch<br />

nach der Temperatur aufgelöst werden. Der<br />

folgende Ausschnitt aus dem Quelltext verdeutlicht die<br />

Komplexität der Berechnung (insbesondere durch die<br />

bedingte Berechnung infolge der if -Anweisung):<br />

h := ...<br />

if T < data.Tlimit then<br />

data.R*(<br />

(-data.alow[1] +<br />

T*(data.blow[1] +<br />

data.alow[2]*Math.log(T) +<br />

...<br />

Eine ähnliche Problematik tritt bei algebraischen Schleifen<br />

auf, bei welchen eine Größe über ein System von<br />

stationären Gleichungen von sich selbst abhängt:<br />

a = f (b) , b = g (c) , c = h (a)<br />

⇒ a = f (g (h (a)))<br />

(4)<br />

Lineare Zusammenhänge werden dabei symbolisch gelöst,<br />

nichtlineare Zusammenhänge numerisch durch Iterationen.<br />

Nichtlineare Gleichungen können zudem mehr<br />

als eine Lösung besitzen (z. B. (x + 1)(x − 2) = 0). Dies<br />

führt dazu, dass die Iterationsvariablen, das sind die<br />

Variablen, über welche sich eine algebraische Schleife<br />

schließt, mit sinnvollen Startwerten nahe der richtigen<br />

Lösung versehen werden müssen.<br />

Da während der <strong>Modellierung</strong>sphase häufig nicht erkennbar<br />

ist, welche algebraischen Schleifen auftreten<br />

oder welche Gleichung implizit gelöst werden muss (dies<br />

ist abhängig vom Kontext, in welchem die Komponenten<br />

eingesetzt werden, also vom Gesamtmodell), ist es sinnvoll,<br />

möglichst viele der eingesetzten Variablen mit plausiblen<br />

Startwerten zu versehen. In folgendem Quelltext<br />

werden daher der Druck p, die Temperatur T der Variablen<br />

mdlGasOut0 <strong>und</strong> die Variable nue A mit Startwerten<br />

in der Nähe des Arbeitspunktes initialisiert.<br />

pckMedium.BaseProperties mdlGasOut0(<br />

p(start= p0_start * PI0^StageNumber),<br />

T(start= T0_start * tau_start^StageNumber),<br />

...<br />

);<br />

...<br />

Real nue_A(start= omega0 / sqrt(T0_start));<br />

Dymola bietet die Möglichkeit, die Iterationsvariablen<br />

eines Systems aufzulisten <strong>und</strong> erleichtert damit die Suche<br />

nach den zu initialisierenden Variablen.<br />

5 Kopplung zu Matlab/ Simulink<br />

Das im vorhergehenden Abschnitt 4 beschriebene, auf<br />

Auslegungsdaten beruhende Modell einer Turbokomponente<br />

besteht aus einem komplexen DAE-System<br />

für jede Stufe. Bei mehrstufigen Turbokomponenten<br />

entsteht so ein Gleichungssystem aus mehreren h<strong>und</strong>ert<br />

Gleichungen <strong>und</strong> einigen dynamischen Zuständen.<br />

Zusätzlich enthält das System implizite Gleichungen, die<br />

für jeden <strong>Simulation</strong>szeitpunkt iterativ aufgelöst werden<br />

6


müssen. Nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> des komplexen Aufbaus<br />

der Modelle für die Turbokomponenten <strong>und</strong> des keramischen<br />

Membranmoduls sind dynamische <strong>Simulation</strong>en<br />

eines Modells des Rauchgaskreislaufs zeitintensiv.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden mit den detaillierten Modellen<br />

der Turbokomponenten Kennlinienfelder berechnet,<br />

mit denen anschließend die in der ThermoPower-<br />

Bibliothek enthaltenen Modelle für Turbokomponenten<br />

parametriert werden können. Die relativ einfachen Gleichungssyteme<br />

dieser Modelle versprechen einen deutlichen<br />

Rechenzeitgewinn. Zudem sind damit numerische<br />

Probleme, die aufgr<strong>und</strong> des komplexen Gleichungssystems<br />

der detaillierten Modelle auftreten, besser zu beherrschen.<br />

Zur automatisierten Berechnung eines Kennlinienfeldes<br />

ist die Skriptsprache der Softwareumgebung Matlab verwendet<br />

worden. Aufgr<strong>und</strong> des Umfangs mitgelieferter<br />

mathematischer Funktionen besonders im Bereich der<br />

Matrizenrechnung <strong>und</strong> den besseren grafischen Visualisierungsmöglichkeiten<br />

bietet diese Vorteile <strong>und</strong> mehr<br />

Flexibilität gegenüber der Skriptsprache von Dymola.<br />

Im Funktionsumfang von Dymola ist ein Block enthalten,<br />

der es ermöglicht, Dymola Modelle in Simulink<br />

einzubinden. Mit Hilfe dieser Toolkopplungsmöglichkeit<br />

können unter Modelica formulierte Gleichungssysteme<br />

innerhalb von Matlab/ Simulink simuliert <strong>und</strong> untersucht<br />

werden.<br />

Die automatisierte Kennfeldberechnung wird nachfolgend<br />

für den Luftverdichter des Rauchgaskreislaufs beschrieben.<br />

Das zugehörige Dymola Modell besteht neben<br />

dem Modell der Turbokomponente aus eine Gasquelle<br />

<strong>und</strong> einer Gassenke (siehe [8]). Aus der Gasquelle<br />

wird bei konstanter Temperatur <strong>und</strong> konstantem Druck<br />

ein Gasmassenstrom entnommen <strong>und</strong> mittels des Verdichters<br />

bei einer vorgegebenen Drehzahl in die Gassenke<br />

gefördert. Für diese wird der zu fördernde Massenstrom<br />

vorgegeben. Über Sensoren werden die Temperatur<br />

<strong>und</strong> der Druck am Verdichteraustritt gemessen. In<br />

einem Matlab Skript werden verschiedene Werte für die<br />

Eingangsgrößen Drehzahl n <strong>und</strong> Massenstrom ṁ vorgegeben<br />

<strong>und</strong> mit diesen das Dymola Modell in Simulink simuliert.<br />

Der Austrittsdruck <strong>und</strong> der innerhalb der Komponente<br />

berechnete Wirkungsgrad werden in Matrizen<br />

als Kennfelder abgelegt. Die Ergebnisse der Kennfeldberechnung<br />

des Luftverdichters zeigt Bild 6. Dargestellt<br />

sind das Druckverhältnis Π = p aus /p ein <strong>und</strong> der isentrope<br />

Gesamtwirkungsgrad η über der bezogenen Drehzahl<br />

N t = n/ √ T ein <strong>und</strong> dem reduzierten Massenstrom<br />

ϕ c = ṁ √ T ein /p ein .<br />

Neben der zuvor beschriebenen Anwendung zur Berechnung<br />

der Kennfelder können mit Hilfe der Toolkopplung<br />

Dymola Modelle in Regelkreise unter Simulink eingeb<strong>und</strong>en<br />

werden. Damit lassen sich die Stärken von Matlab<br />

in der Anaylse <strong>und</strong> Synthese von <strong>Regelung</strong>ssystemen<br />

für die unter Dymola modellierten Systeme nutzen.<br />

Zwar sind in Dymola PID-Regler in der Basis Bibliothek<br />

enthalten, zur Auslegung der Reglerparameter feh-<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Π<br />

0.5<br />

0<br />

0<br />

7<br />

7<br />

6.5<br />

0.08<br />

N t<br />

ϕ N 6.5<br />

6<br />

c<br />

t<br />

0.02<br />

6<br />

0.02<br />

Bild 6: Errechnetes Kennfeld des Luftverdichters<br />

1<br />

η<br />

ϕ c<br />

0.08<br />

len aber die geeigneten Werkzeuge. Diese sind in Matlab<br />

beispielsweise mit der SISO-Toolbox, der Control System<br />

Toolbox <strong>und</strong> der MPC-Toolbox gegeben.<br />

Beispielhaft wird abschließend eine Vorgehensweise zur<br />

Reglerauslegung für den in Bild 7 dargestellten aufgeschnittenen<br />

Rauchgaskreislauf beschrieben. Zur <strong>Regelung</strong><br />

des Rauchgasmassenstroms ṁ Rauchgas <strong>und</strong> der<br />

Sauerstoffkonzentration ξ O2 werden zwei PID-Regler<br />

eingesetzt. Die Stellgrößen sind die Drehzahlen n U <strong>und</strong><br />

n V des Umwälzgebläses <strong>und</strong> des Verdichters.<br />

PID2<br />

n U<br />

M<br />

•<br />

m Rauchgas<br />

M<br />

n V<br />

PID1<br />

Bild 7: Stell- <strong>und</strong> Regelgrößen im Rauchgaskreislauf<br />

Zur Parametrierung der Regler werden zunächst unter<br />

Dymola Sprungversuche durchgeführt <strong>und</strong> dabei die<br />

Einflüsse von n U <strong>und</strong> n V auf ṁ Rauchgas <strong>und</strong> ξ O2 ermittelt.<br />

Anschließend wird aus den Daten mit der System<br />

Indentification Toolbox von Matlab eine lineare<br />

Strecke, in diesem Fall dritter Ordnung, identifiziert.<br />

Mit der SISO-Toolbox können dann optimale PID-<br />

Reglerparameter ermittelt <strong>und</strong> in das Dymola-Modell<br />

übertragen werden.<br />

Bild 8 zeigt das Regelkreisverhalten für einen rampenförmigen<br />

Anstieg des Sollwertes des Rauchgasmassenstroms<br />

bei gleichbleibendem Sollwert der Sauerstoffkonzentration.<br />

Es ist zu erkennen, dass der Massenstrom<br />

schnell durch die Drehzahl des Umwälzgebläses<br />

erhöht werden kann, während die Sauerstoffkonzentration<br />

zunächst abnimmt. Obwohl die Drehzahl des Luftverdichters<br />

auch unmittelbar erhöht wird, stellt sich auf<br />

Gr<strong>und</strong> der Membrandynamik erst verzögert ein höherer<br />

Diffusionsmassenstrom ein. Das Beispiel macht die starke<br />

Kopplung der Ein- <strong>und</strong> Ausgänge des Systems deutlich.<br />

Die Abnahme der Sauerstoffkonzentration, bedingt<br />

durch einen schnellen Anstieg des Rauchgasmassenstroms,<br />

kann sich kritisch im Hinblick auf die Stabilität<br />

ξ Ο2<br />

7


der Verbrennung auswirken. Diesem Problem soll später<br />

durch den Einsatz eines Modellgestützten Prädiktiven<br />

Reglers begegnet werden.<br />

675<br />

650<br />

0.15<br />

0.1475<br />

625<br />

ξ O2<br />

/(kg/kg)<br />

600<br />

0 50 100 150 200 250 0.145<br />

3600<br />

3400<br />

3200<br />

3000<br />

•<br />

Rauchgas<br />

m<br />

n U<br />

/min -1<br />

/(kg/s)<br />

n V<br />

/min -1<br />

0 50 100 150 200 250<br />

t /s<br />

Bild 8: Ergebnis der <strong>Regelung</strong> des Rauchgaskreislaufs<br />

6 Fazit<br />

Als Werkzeuge für die <strong>Modellierung</strong> technischer Prozesse<br />

stehen eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen zur<br />

Verfügung (Aspen, gProms, IPSEPro, Modelica, Matlab/<br />

Simulink, LabView, ...), die oftmals für spezielle<br />

Anwendungsgebiete ausgelegt sind. Für die <strong>Modellierung</strong><br />

des dynamischen Oxyfuel-Prozess hat sich insbesondere<br />

ein objektorientierter Ansatz in Modelica/<br />

Dymola bewährt. Als besondere Vorteile sind hier der<br />

Einsatz standardisierter Schnittstellen sowie die Möglichkeit<br />

der Ausnutzung vorhandener Bibliotheken hervorzuheben.<br />

Die in Modelica verfügbaren Media- <strong>und</strong><br />

ThermoPower-Bibliotheken vereinfachen die <strong>Modellierung</strong><br />

thermodynamischer Prozesse.<br />

Als weiteres entscheidendes Merkmal der Dymola Umgebung<br />

ist die Kopplungsmöglichkeit an das weit verbreitete<br />

<strong>und</strong> regelungstechnisch bewährte Entwicklungswerkzeug<br />

Matlab zu nennen. Wie zuvor gezeigt worden<br />

ist, lassen sich auf diese Weise die Vorteile der objektorientierten<br />

<strong>Modellierung</strong> unter Modelica mit den Stärken<br />

von Matlab in der Analyse <strong>und</strong> Synthese von <strong>Regelung</strong>ssystemen<br />

verbinden. Damit bilden beide Entwicklungswerkzeuge<br />

einen Teil einer durchgängigen Toolkette,<br />

welche im Sinne des Rapid Control Prototyping Gedankens<br />

kurze Entwicklungszyklen ermöglicht.<br />

Literatur<br />

[1] B. Lahres, G. Raýman: ”<br />

Praxisbuch Objektorientierung“,<br />

Galileo Press (2006), ISBN 3-89842-624-6<br />

[2] H. Elmqvist, F. Boudaud, J. Broenink, D. Brück,<br />

T. Ernst, P. Fritzson, A. Jeandel, K. Juslin, M.<br />

Klose, S. E. Mattsson, M. Otter, P. Sahlin, H.<br />

Tummescheit, H. Vangheluwe: Modelica - A Unified<br />

Object-Oriented Language<br />

”<br />

for Physical Systems<br />

Modeling. Version 1.“, September 1997. URL:<br />

http://www.modelica.org/documents/Modelica1.pdf,<br />

abgerufen am 11.12.2006<br />

[3] F. Richter, J. Rückert, A. Schloßer: Vergleich von Modelica<br />

<strong>und</strong> Matlab anhand der Modellbildung ”<br />

eines Dieselmotors“,<br />

In: at - Automatisierungstechnik 51 (2003), Nr.<br />

6<br />

[4] Peter Fritzson: Principles of Object-Oriented Modeling<br />

and <strong>Simulation</strong> ”<br />

with Modelica 2.1“, IEEE Press, 2004.<br />

ISBN 0-471-47163-1<br />

[5] Martin Otter: ”<strong>Objektorientierte</strong> <strong>Modellierung</strong> Physikalischer<br />

Systeme, Teil 4”, In: at - Automatisierungstechnik<br />

47 (1993), A13-A16, Nr. 4<br />

[6] A. J. Burggraaf (Hrsg.): F<strong>und</strong>amentals of inorganic<br />

membrane science and technology“,<br />

”<br />

In: Membrane<br />

science and technology series 4 (2003). Elsevier, ISBN<br />

0-444-81877-4<br />

[7] VDI-Wärmeatlas: Springer Verlag Berlin, 2006. ISBN<br />

978-3-540-25504-8<br />

[8] F. Casella, A. Leva: Modelica open library for power<br />

plant simulation: design ”<br />

and experimental validation“,<br />

Proceedings of the 3rd International Modelica Conference,<br />

2003<br />

[9] N. Ga˘sparović, Stapersma: Berechnung der Kennfelder<br />

mehrstufiger axialer Turbomaschinen“,<br />

”<br />

In: VDI Forschung<br />

im Ingenieurwesen 39 (1973), Nr. 5<br />

[10] F. Casella, M. Otter, K. Proelss, C. Richter, H. Tummescheit:<br />

The Modelica Fluid and Media Library for Modeling<br />

of ”<br />

Incompressible and Compressible Thermo-Fluid<br />

Pipe Networks“, In: Proceedings of the 5th International<br />

Modelica Conference, 2006, S. 631-640<br />

Manuskripteingang: ??.??.2007.<br />

Dipl.-Ing. Thomas Nötges ist Gruppenleiter im Bereich Industrieautomatisierung<br />

am Institut für <strong>Regelung</strong>stechnik der RWTH<br />

in Aachen. Seine Arbeitsgebiete sind die objektorientierte <strong>Modellierung</strong>,<br />

Rapid Control Prototyping, <strong>Regelung</strong>skonzepte für kraftwerkstechnische<br />

Anlagen <strong>und</strong> Modellgestützte Prädiktive <strong>Regelung</strong>.<br />

Adresse: Institut für <strong>Regelung</strong>stechnik, RWTH-Aachen, D-<br />

52074, Fax: +49 (0)241-80-22296, E-Mail: Th.Noetges@irt.rwthaachen.de<br />

Dipl.-Ing. Sebastian Hölemann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Institut für <strong>Regelung</strong>stechnik in Aachen. Seine Arbeitsgebiete<br />

sind die objektorientierte <strong>Modellierung</strong>, Rapid Control<br />

Prototyping, <strong>Regelung</strong>skonzepte für kraftwerkstechnische Anlagen<br />

<strong>und</strong> Modellgestützte Prädiktive <strong>Regelung</strong>.<br />

Adresse: Institut für <strong>Regelung</strong>stechnik, RWTH-Aachen, D-<br />

52074, Fax: +49 (0)241-80-22296, E-Mail: S.Hoelemann@irt.rwthaachen.de<br />

Cand.-Ing. Nicolas Bayer Botero ist im Rahmen des Studiums<br />

am Institut für <strong>Regelung</strong>stechnik mit der Initialisierung<br />

objektorientierter dynamischer Modelle unter Modelica / Dymola<br />

beschäftigt.<br />

Adresse: Institut für <strong>Regelung</strong>stechnik, RWTH-Aachen, D-52074,<br />

Fax: +49 (0)241-80-22296, E-Mail: Bayer@irt.rwth-aachen.de<br />

Prof. Dr.-Ing. Dirk Abel ist Leiter des Instituts für <strong>Regelung</strong>stechnik<br />

der RWTH Aachen. Hauptarbeitsgebiete: Modellgestützte<br />

Prädikitve <strong>Regelung</strong>, Robuste <strong>Regelung</strong>, Nichtlineare <strong>Regelung</strong>,<br />

Identifikation <strong>und</strong> <strong>Simulation</strong> dynamischer Systeme, Analyse <strong>und</strong><br />

Synthese diskret gesteuerter Systeme, Rapid Control Prototyping.<br />

Adresse: Institut für <strong>Regelung</strong>stechnik, RWTH-Aachen, D-52074,<br />

Fax: +49 (0)241-80-27500, E-Mail: D.Abel@irt.rwth-aachen.de<br />

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