Frederik Köster - Jazz Podium
Frederik Köster - Jazz Podium
Frederik Köster - Jazz Podium
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Das Schönste, was es gibt,<br />
ist kreativ zu sein<br />
Al Jarreau<br />
er hier ein zweites Zuhause haben. Wie ergeht es dir<br />
diesbezüglich?<br />
Das ist ja genau das Spiegelbild von dem, was ich gerade<br />
über die alten Zeiten gesagt habe. Ich sollte auch<br />
ein schönes kleines Haus irgendwo in Deutschland haben!<br />
Ich weiß nicht, vielleicht im Schwabenland oder<br />
lieber weiter nördlich an der Alster... – Spaß beiseite.<br />
Ich könnte mir das vorstellen, in Deutschland zu leben.<br />
Wenn ich morgen aufwachen würde und jemand sagte<br />
„Al, es ist jetzt wichtig für dich, nach Deutschland zu<br />
ziehen“. Ich würde gehen! Meine Frau ist da nicht so<br />
entscheidungsfreudig. Sie ist ein echtes kalifornisches<br />
Mädchen.<br />
Al Di Meola schien ein ähnliches Problem zu haben. Er<br />
sagte, es sei nicht leicht für ihn, seine Frau und seine<br />
Al, am 12. März war dein Geburtstag. Herzlichen<br />
Glückwunsch nachträglich! In Deutschland gibt es<br />
wohl niemanden, der nicht sagen würde: Mit 73 Jahren<br />
hat man seine Rente mehr als verdient! Was ist es,<br />
das dich so umtriebig macht und dich noch immer<br />
quer durch die Welt reisen lässt?<br />
Ach, weißt du, das beginnt heute doch schon weit vor<br />
73. Die meisten gehen mit 55 oder sagen wir 60 Jahren<br />
in den Ruhestand. Ich glaube, das ist etwas Besonderes<br />
mit der Musik, vielleicht mit jeder Tätigkeit, die ein<br />
Mensch findet und wirklich gern macht. Die er auch<br />
umsonst machen würde, weil sie ihn glücklich macht.<br />
Wenn es etwas ist, das einen morgens mit einem Lächeln<br />
aufstehen lässt. Dann ist man ein besserer Vater,<br />
ein besserer Ehemann, ein besserer Nachbar. Es könnte<br />
auch das Betrachten der Sterne sein oder das Arbeiten<br />
im Garten. Bei mir ist das die Musik. Ich wüsste gar<br />
nicht, was ich sonst machen sollte. Ich bin einfach zu<br />
dumm, irgendetwas anderes zu tun.<br />
Sagen das nicht alle wirklich Großen?<br />
Ich denke, das gilt für die Großen, für die Kleinen und<br />
für die Mittleren. Wer eine Sache findet, die er so liebt,<br />
wie ich die Musik, muss er ein glücklicher Mensch sein.<br />
Das ist es, was mich weitermachen lässt auf meinem<br />
Weg. Ich möchte nicht in Rente gehen. Ich bin nicht<br />
mehr so kräftig wie ich mal war. Ich werde auch<br />
schneller müde als früher. Das ist völlig ok. Ich singe<br />
über den, der ich heute bin. Frank Sinatra hat gesungen<br />
bis er 85 war. Und schau mal, wie alt ist Tony Bennett<br />
heute? Der wird auch Mitte 80 sein. Er singt klasse.<br />
Jon Hendricks, mein Idol! Er ist 91. Ich habe mit Jon<br />
und Kurt Elling auf dem North Sea <strong>Jazz</strong> Festival in Den<br />
Haag gespielt mit dem Metropole Orchester letzten<br />
Sommer. Der singt immer noch gut. Läuft nur ein bisschen<br />
langsamer als früher. Ich möchte genau so sein<br />
wie er!<br />
Beschreibe bitte dein Verhältnis zu Deutschland und<br />
dem deutschen Publikum.<br />
Ich bin der junge Mann aus Wilwaukee mit dem Traum,<br />
Musiker zu werden. Nach meinem Universitätsabschluss<br />
ging ich nach Kalifornien und arbeitete dort als<br />
Sozialarbeiter. In meinem Herzen hegte ich den<br />
Wunsch, Musiker zu werden. Ich suchte nach einem<br />
Plattenvertrag, nach Aufnahmemöglichkeiten. Als ich<br />
35 war, wurde der Traum langsam Wirklichkeit. Ich<br />
machte meine erste Platte. Und da waren Leute im Publikum,<br />
die mich hörten. Ich stand auf der Bühne, es<br />
war mein Programm: Vorgruppe für Les McCann! Und<br />
im Publikum saßen Fritz Rau und Siggi Loch, zu jener<br />
10 <strong>Jazz</strong> <strong>Podium</strong> 5/13<br />
Zeit Präsident von WEA (Warner, Electra, Atlanta). Das<br />
war 1974. Fritz Rau war einer der großen deutschen<br />
Musikpromoter. Die saßen da gemeinsam mit Mo<br />
Ostin, Chef von Warner Reprise. Sie waren gekommen,<br />
um einen jungen Sänger zu beobachten: Al Jarreau.<br />
Und diese beiden Typen aus Hamburg boxten Mo Ostin<br />
in die Seite und sagten: „Hey, worauf wartest Du? Lass<br />
ihn unterschreiben. Wir wollen den haben.“ Das war<br />
natürlich enorm wichtig für den Beginn meiner Karriere.<br />
Ich trat in Hamburg auf. Vieles passierte in den<br />
nächsten sechs Monaten, nachdem ich diese Platte gemacht<br />
hatte. Die Dinge drehten sich für mich positiv.<br />
Ich fand ein Publikum. Ich fand Leute, die das, was ich<br />
machte, interessant fanden. Die haben mich wirklich<br />
sehr genau unter die Lupe genommen. Sie gaben dem<br />
jungen Sänger aus Milwaukee und seiner Stimme eine<br />
Chance. Man kann sagen, dass sie mich entdeckt haben.<br />
Sie trieben mich an: „Go Al, go Al, go! Sie sagten:<br />
Der ist aus unsrer Nachbarschaft! Ein Hamburger! Er<br />
ist einer von unseren Kids! Es ist der Anfang einer Karriere.<br />
Dem müssen wir helfen, den lieben wir“. Und er<br />
liebte sie umgekehrt genauso. Das war schon sehr speziell,<br />
was da abging.<br />
Vor zwei Jahren sagte uns Al Di Meola, er toure so extensiv<br />
in Europa und Deutschland. Eigentlich müsste<br />
Töchter von so einem Wunsch zu überzeugen.<br />
Ich muss also meine Frau und meine Kinder überzeugen!<br />
Meine Beziehung zu Deutschland, die hege ich<br />
schon lange Zeit. Und weißt du, die ersten, die kamen,<br />
um meine Konzerte zu besuchen, die haben heute bereits<br />
Enkelkinder. Da kommen zwei Fans, die sitzen in<br />
der ersten Reihe. Die kommen zu mir backstage und<br />
sagen: „Al, unsere Oma liebt dich wirklich heiß und innig!<br />
Es ist ihr einfach ein Bedürfnis, heute hier zu sein<br />
und ‚Hallo’ zu sagen. Wir sollen dich von ihr grüßen!“<br />
Das waren die Enkelkinder deren Großeltern mich vor<br />
über 30 Jahren im Onkel Pö und bei den <strong>Jazz</strong>tagen gesehen<br />
hatten. Eine andere Sache zwischen mir und<br />
Deutschland ist natürlich die Bigband! Um darüber zu<br />
reden bräuchten wir allein schon zwei Stunden: ich, die<br />
NDR Bigband und Joe Sample.<br />
Al, inwiefern belohnt dich deine Musik heute? Ist der<br />
Lohn, den du heute erhältst ein anderer als vor 30<br />
Jahren?<br />
Es ist genau der gleiche wie früher. Vielleicht hat er an<br />
Intensität gewonnen. Das Verlangen, Spaß zu haben<br />
und Leute lächeln zu sehen und lachen zu hören und<br />
mit mir zu singen, aufzustehen und „Zugabe“ zu rufen.