Einheit 2 - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...
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Arbeitsrecht – <strong>Einheit</strong> 02: Ein erster grober Überblick<br />
Ein erster grober Überblick<br />
I. Gegenstand des Arbeitsrechts: <strong>Recht</strong>sbeziehungen<br />
zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />
A. Arbeitsvertrag, ein besonderer Dienstvertrag (§ 611 BGB)<br />
– ein Vertrag unter vielen, so Einschätzung des<br />
Gesetzgebers im Jahr 1900<br />
B. Der Vertrag mit der größten Bedeutung <strong>für</strong> die<br />
allermeisten erwerbstätigen Menschen<br />
II.<br />
Historische Wurzeln<br />
A. Masse der Industriearbeiter seit dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert –<br />
typische Unterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber<br />
dem Arbeitgeber, Strukturen passen nicht immer <strong>für</strong> IT-<br />
Mitarbeiter des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
B. Daraus folgt: keine adäquate Bewältigung mithilfe des<br />
Marktes (Vertrags), weil keine annähernd gleich starken<br />
Partner – verschärft dadurch, daß Angewiesensein des<br />
Arbeitnehmers auf eine Stelle, ca. 2,9 Mio Arbeitslose<br />
bzw 6,6 % derzeit (September 2013)<br />
III.<br />
Unterschiede gegenüber dem bürgerlichen <strong>Recht</strong> <strong>und</strong><br />
Handelsrecht<br />
A. Vom Ausgangspunkt her: kein <strong>Recht</strong>sverhältnis unter<br />
gleichberechtigten Partnern – Privatautonomie kann<br />
fairen Interessenausgleich nicht bewirken, Versagen des<br />
Marktmechanismus<br />
1. Primär: Arbeitnehmerschutzrecht – daraus folgt höherer<br />
Anteil von zwingenden Normen gegenüber dispositivem<br />
<strong>Recht</strong>, Mindeststandards – prototypische Beispiele<br />
a) MutterschutzG: § 3 Abs 2 <strong>und</strong> 6 Abs 1: keine<br />
Beschäftigung 6 Wochen vor der Entbindung <strong>und</strong> 8<br />
Wochen nach der Entbindung<br />
b) JugendarbeitsschutzG: § 11: Ruhepausen <strong>für</strong><br />
Jugendliche<br />
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Arbeitsrecht – <strong>Einheit</strong> 02: Ein erster grober Überblick<br />
c) B<strong>und</strong>esurlaubsG: §§ 3, 13: 24 Werktage (unter<br />
Berücksichtigung der Samstage) Mindesturlaub, nicht<br />
zu Lasten des Arbeitnehmers abdingbar –<br />
halbzwingende Norm<br />
2. Sek<strong>und</strong>är: Determinante <strong>für</strong> unternehmerischen<br />
Gestaltungsspielraum<br />
3. Stark umkämpfter Bereich – Interessengegensätze<br />
zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />
a) Geringes versus hohes Lohnniveau –<br />
Standortverlagerung<br />
b) Entgelt nur bei Gegenleistung der Arbeitskraft versus<br />
Fortzahlung des Entgelts auch bei Urlaub, Krankheit,<br />
sonstiger Verhinderung<br />
c) Flexibler Einsatz der Ressource Arbeitskraft<br />
(KAPOVAZ, Durchredhnung) versus bestimmte<br />
Arbeitszeiten <strong>und</strong> Bestandschutz des<br />
Arbeitsverhältnisses – Verzicht auf Lohn bei Verzicht<br />
auf betriebsbedingte Kündigungen<br />
d) Autonome unternehmerische Entscheidung versus<br />
Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung<br />
B. Korrekturmechanismus der gestörten Vertragsparität -<br />
auch <strong>Recht</strong>ssetzung durch Kollektivvertragspartner<br />
1. Tarifvertrag durch Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberverband<br />
<strong>und</strong> Gewerkschaft<br />
2. Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat <strong>und</strong><br />
Arbeitgeber<br />
C. Unterschied in der Normenstruktur gegenüber BGB <strong>und</strong><br />
HGB<br />
1. Anders als im bürgerlichen <strong>Recht</strong> oder Handelsrecht<br />
keine Kodifikation – aktuelle Tendenz im BGB:<br />
Heimholung der Nebengesetze in die Kodifikation durch<br />
die Schuldrechtsreform (AGBG, HWG, VerbrKrG,<br />
FernabsG)<br />
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Arbeitsrecht – <strong>Einheit</strong> 02: Ein erster grober Überblick<br />
2. Im Arbeitsrecht Vielzahl punktueller Einzelgesetze mit<br />
unterschiedlicher Reichweite<br />
a) Für alle Arbeitnehmer<br />
(i)<br />
(ii)<br />
(iii)<br />
(iv)<br />
(v)<br />
EntgeltfortzahlungsG<br />
B<strong>und</strong>esurlaubsG<br />
ArbeitszeitG<br />
KündigungsschutzG<br />
TeilzeitbefristungsG<br />
b) Für bestimmte Arbeitnehmer<br />
(i)<br />
(ii)<br />
(iii)<br />
MutterschutzG<br />
JugendarbeitsschutzG<br />
BerufsbildungsG<br />
3. Keine einheitlichen Definitionen, z.B. Fehlen einer<br />
Umschreibung der Zentralbegriffe Arbeitnehmer,<br />
Arbeitgeber – zum Teil unterschiedliche Bedeutung in<br />
einzelnen Gesetzen, namentlich im Arbeitsrecht<br />
einerseits <strong>und</strong> Sozialversicherungsrecht andererseits<br />
4. Noch größere Bedeutung des Richterrechts als im<br />
sonstigen bürgerlichen <strong>Recht</strong><br />
a) Entscheidungen des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts,<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts, Europäischen<br />
Gerichtshofes<br />
b) Manche Gebiete wie z.B. Arbeitskampfrecht (Streik,<br />
Aussperrung) ohne gesetzliche Regelungen<br />
c) Große Anzahl ausfüllungsbedürftiger <strong>Recht</strong>sbegriffe<br />
(z.B. sozial ungerechtfertigte Kündigung in § 1 Abs 1<br />
KSchG) – <strong>Recht</strong>sfortbildung<br />
d) Folgerungen <strong>für</strong> die Vorlesung: Bemühen der<br />
Darstellung des Stoffes anhand von Fällen – Übung<br />
besonders wichtig<br />
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Arbeitsrecht – <strong>Einheit</strong> 02: Ein erster grober Überblick<br />
IV. Parallelen zu bereits bekannten Inhalten aus der<br />
Veranstaltung „Gr<strong>und</strong>züge des Privatrechts“<br />
A. Zustandekommen des Vertrags, Angebot <strong>und</strong> Annahme,<br />
Zugang (§§ 104 ff, 130 ff BGB)<br />
B. Dauerschuldverhältnis – Miete, Dienstvertrag,<br />
Gegenbegriff ist Zielschuldverhältnis, Ende durch<br />
Erfüllung<br />
C. Schuldrechtlicher Austauschvertrag – Synallagma: jeder<br />
Vertragspartner erbringt seine Leistung um der<br />
Gegenleistung willen<br />
D. Leistungsstörungen (gar nicht, zu spät, schlecht)<br />
E. Dienstvertrag (§§ 611 ff BGB): Ausgangspunkt des<br />
Arbeitsvertrags<br />
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