Öffentliches Recht
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<strong>Öffentliches</strong> <strong>Recht</strong><br />
Ferienteil Frühjahr 2006<br />
Original-Examensklausur<br />
Justizministerium Baden-Württemberg – Landesjustizprüfungsamt<br />
Erste juristische Staatsprüfung Frühjahr 2002<br />
Aufsichtsarbeit Nr. 6 (Öffentl. <strong>Recht</strong>)<br />
Der französische Staatsangehörige F betreibt als selbständiger Unternehmer in etlichen<br />
Städten Frankreichs und neuerdings auch in der baden-württembergischen<br />
Stadt S ein sog. Laserdrom. Darin werden den Besuchern Laserspiele angeboten,<br />
bei denen Tötungshandlungen simuliert werden. Das Spiel findet in einem Raum<br />
statt, in dem eine Art Mondlandschaft aufgebaut ist. Die bis zu 20 Teilnehmer des<br />
Spiels werden mit einem Laserziel- und einem Laserempfangsgerät ausgestattet. Es<br />
können auch Mannschaften gebildet werden. Empfangsgeräte tragen die Spielteilnehmer<br />
auf der Brust und Rücken. Zweck des Spiels ist, bei den anderen Teilnehmern<br />
möglichst viele Laserstrahlen auf das Empfangsgerät zu lenken und gleichzeitig<br />
möglichst wenige Treffer von anderen Spielteilnehmern zu empfangen. Das<br />
Schießen mit den Laserpistolen ist gesundheitlich ungefährlich. Der Spielraum ist<br />
leicht abgedunkelt und wird von sog. Strobo-Blitzern für Bruchteile von Sekunden<br />
erhellt, um den Spielern die aufgebaute Mondlandschaft erkennbar zu machen.<br />
Gleichzeitig wird künstlicher Nebel in die Spielräume eingebracht, wodurch die Laserstrahlen<br />
sichtbar gemacht werden. Die Empfangsgeräte werden durch Blinklampen<br />
in der Dunkelheit erkennbar gemacht. Die während der Spielzeit von 20 Minuten<br />
von einem Spieler auf das Empfangsgerät eines anderen Spielers abgegebenen<br />
Signale sowie die von andere Spielern empfangenen Signale werden am Ende des<br />
Spiels ausgewertet und durch Spielpunkte bewertet. Aus dieser Punkteberwertung<br />
wird der Sieger der Spielrunde ermittelt. Der Eintrittspreis beträgt 10 Euro pro Spiel.<br />
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Als die zuständige Behörde von diesen Laserspielen im Laserdrom erfuhr, untersagte<br />
sie F durch Verfügung, in seiner „in S gelegenen Betriebsstätte Spielabläufe zu<br />
ermöglichen bzw. zu dulden, die ein gezieltes Beschießen von Menschen mittels Leserstrahl<br />
oder sonstiger technischer Einrichtungen (wie z.B. Infrarot), also auf Grund<br />
einer Trefferregistrierung ein ’spielerisches Töten’ von Menschen zum Gegenstand<br />
haben“. Sonstige Spiele im Laserdrom (z.B. Schießen auf fest installierte Objekte<br />
etc.) blieben von der Verfügung unberührt. Die Verfügung ist auf die polizeiliche Generalklausel<br />
gestützt und damit begründet, dass ein “spielerisches Töten“ von Menschen<br />
auf Grund des Menschenbildes des Grundgesetzes gegen die öffentliche Ordnung<br />
verstoße. Mit der grundgesetzlichen Wertordnung sei es unvereinbar, dass<br />
Menschen zum Zeitvertreib und als Freizeitspaß simuliert “getötet“ würden. Zwar<br />
könne es durchaus sein, dass die Öffentlichkeit schon wegen des nur geringen Bekanntheitsgrades<br />
von Laserdromen kaum Kenntnis von den untersagten Laserspielen<br />
habe und deshalb auch keinen Anstoß daran nehme; die öffentliche Ordnung<br />
werde hier jedoch von den Wertmaßstäben des Grundgesetzes geprägt, so dass es<br />
auf die indifferente Haltung der Bevölkerung nicht ankomme. Der besondere verwerfliche<br />
Charakter der untersagten Laserspielvariante bestehe gerade in der Verbindung<br />
von gestellten Tötungshandlungen und der bezweckten Unterhaltung, also in<br />
dem Vergnügen an simulierten Tötungshandlungen als Hauptreiz dieser Spielvariante.<br />
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte F mit Erfolg beim Verwaltungsgericht.<br />
Nachdem er im Berufungsverfahren ebenfalls obsiegt hatte, blieb er im anschließenden<br />
Revisionsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht erfolglos. Das<br />
Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Untersagungsverfügung und hob die vorinstanzlichen<br />
Entscheidungen auf. Die Wertmaßstäbe des Grundgesetzes, insbesondere<br />
der Schutz der Menschenwürde, rechtfertigten das behördliche Vorgehen.<br />
Die Simulation eines möglichst authentischen Kampf- und Tötungszenariums durch<br />
die unmittelbare körperliche Beteiligung der handelnden Spieler weise eine derart<br />
große Nähe zu realen Kampf- und Tötungshandlungen auf, dass es die Wertmaßstäbe<br />
des Grundgesetzes erlaubten, von der polizeilichen Generalklausel Gebrauch<br />
zu machen und gegen F mit der Untersagungsverfügung einzuschreiten. Etwas an-<br />
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deres ergebe sich auch nicht aus der Niederlassungsfreiheit nach dem EG-Vertrag;<br />
diese könne F nicht weitergehende <strong>Recht</strong>e vermitteln als die nationalen Grundrechte,<br />
jedenfalls könne sie nach denselben Maßstäben eingeschränkt werden, die im innerstaatlichen<br />
<strong>Recht</strong> Grundrechtsschranken bildeten. In eine inhaltliche Auseinandersetzung<br />
mit den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Fragen und mit möglicherweise<br />
einschlägiger <strong>Recht</strong>sprechung des EuGH müsse daher im Einzelnen nicht<br />
eingetreten werden.<br />
F gibt sich mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht zufrieden und erhebt<br />
dagegen sowie gegen die zu Grunde liegende Verfügung form- und fristgerecht Verfassungsbeschwerde<br />
beim Bundesverfassungsgericht. F rügt vor allem eine Verletzung<br />
seiner Berufsfreiheit, ferner seines <strong>Recht</strong>s auf den gesetzlichen Richter und<br />
wirft Verwaltung und Fachgerichtsbarkeit willkürliches Handeln vor. Die Beschränkung<br />
seiner Berufsausübung, meint F, sei schon deshalb verfassungswidrig, weil der<br />
“öffentlichen Ordnung“ die notwendige Bestimmtheit zur <strong>Recht</strong>fertigung eines Grundrechtseingriffs<br />
fehle; außerdem sei der Eingriff übermäßig. Reine Willkür sei es,<br />
wenn gerade sein Betrieb zur Durchsetzung behördlicher und fachgerichtlicher Moralvorstellung<br />
herausgepickt werde, während die Behörden – was zutrifft – gegen<br />
andere, bekannte Kriegsspiele nicht einschritten und in anderen Städten des Landes<br />
sowie in anderen Bundesländern der Betrieb eines Laserdroms mit den hier untersagten<br />
Laserspielen nicht beanstandet werde. Schließlich habe über Reichweite und<br />
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nach dem EG-Vertrag nicht die deutsche<br />
Gerichtsbarkeit, sondern allein der EuGH zu entscheiden; das habe das Bundesverwaltungsgericht<br />
in seiner Entscheidung verkannt.<br />
Aufgabe :<br />
In einem <strong>Recht</strong>sgutachten ist die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde<br />
zu prüfen.<br />
Vermerk:<br />
1. In Bezug auf die anwendbare gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist<br />
die Heranziehung der polizeilichen Generalklausel korrekt; insbesonde-<br />
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e Vorschriften des Waffengesetzes und der Gewerbeordnung sowie<br />
sonstige Bestimmung des Besonderen Gefahrenabwehrrechts sind<br />
nicht anwendbar.<br />
2. Das Annahmeverfahren nach §§ 93 a ff. BVerfGG ist nicht zu erörtern.<br />
Hinweis:<br />
Soweit in dem <strong>Recht</strong>sgutachten nicht alle aufgeworfenen Fragen behandelt werden,<br />
ist zu diesen zusätzlich ein Hilfsgutachten zu erstatten.<br />
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