16_StrafR_AT - Verbotsirrtümer und ETBI
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STRAFRECHT <strong>AT</strong><br />
Fallbesprechung<br />
Christian Trentmann, ass. iur.<br />
Akademischer Mitarbeiter, Lehrstuhl Prof. Eisele<br />
trentmann@jura.uni-tuebingen.de<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der Irrtumslehre<br />
Strafbarkeit des T gem. § xx StGB<br />
1. Tatbestandsmäßigkeit<br />
a) Objektiver Tatbestand<br />
b) Subjektiver Tatbestand<br />
2. Rechtswidrigkeit<br />
3. Schuld<br />
§ <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB:<br />
Vorsatz des Täters entfällt bei<br />
Tatumstandsirrtum<br />
§ 17 S. 1 StGB:<br />
Schuld des Täters entfällt bei<br />
unvermeidbarem Verbotsirrtum<br />
Ein Irrtum ist die unbewusste Divergenz von Vorstellung <strong>und</strong> Wirklichkeit. Strafrechtliche Anknüpfungspunkte<br />
für die Behandlung von Irrtümern sind die §§ <strong>16</strong>, 17 StGB. Das Gesetz unterscheidet<br />
darin den Tatumstandsirrtum vom Verbotsirrtum.<br />
Unbewusste Fehlvorstellung des Täters ...!<br />
Ebene:!<br />
Inhalt:!<br />
Anknüpfungsnorm:!<br />
... auf der Sachverhaltsebene!<br />
... über Umstände des<br />
Tatgeschehens.!<br />
§ <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB!<br />
... auf der <br />
Normebene!<br />
... über das Ge- oder<br />
Verbotensein der Tat.!<br />
§ 17 S. 1 StGB <br />
(Spezialnorm: § 35 Abs. 2 StGB)!<br />
Tatumstandsirrtum!<br />
Verbotsirrtum!<br />
Wirkung:!<br />
Vorsatz entfällt <br />
(Fahrlässigkeitsdelikt gem. § <strong>16</strong><br />
Abs. 1 S. 2 StGB zu prüfen)!<br />
Schuld entfällt, <br />
wenn Irrtum unvermeidbar!<br />
Ein Irrtum auf der Sachverhaltsebene lässt als sog. Tatumstandsirrtum den Vorsatz entfallen<br />
(§ <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB). Zu den von der Norm bezeichneten „Tatumständen“ gehören alle<br />
im objektiven Tatbestand zu prüfenden Merkmale. Die Unkenntnis (auch nur) eines der Merkmale<br />
wirkt insgesamt vorsatzausschließend.<br />
Ein Irrtum auf der Normebene (also über das Ge- oder Verbotensein des Tuns) lässt hingegen<br />
den Vorsatz unberührt, kann aber zum Schuldausschluss führen, wenn dieser sog. Verbotsirrtum<br />
unvermeidbar war (§ 17 S. 1 StGB). Regelmäßig sind <strong>Verbotsirrtümer</strong> aber vermeidbar<br />
<strong>und</strong> führen allenfalls zu einer Strafmilderung über § 17 S. 2 StGB.<br />
Trentmann | 12/01/2014 | Seite 1 von 6
STRAFRECHT <strong>AT</strong><br />
Fallbesprechung<br />
Christian Trentmann, ass. iur.<br />
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I. Der Verbotsirrtum (§ 17 StGB)<br />
Gr<strong>und</strong>legende Differenzierung: Im Gegensatz zum Tatumstandsirrtum (§ <strong>16</strong> Abs. 1 Satz 1<br />
StGB), bei dem der Handelnde keine zutreffende Tatumstandskenntnis hat (Sachverhaltsirrtum),<br />
hat der Handelnde beim Verbotsirrtum (§ 17 S. 1 StGB) zutreffende Tatumstandskenntnis;<br />
sein Irrtum liegt allein auf der Normebene (Wertungsebene)!<br />
(1) <strong>Verbotsirrtümer</strong> (fehlendes Unrechtsbewusstsein)<br />
"Fehlende Einsicht, Unrecht zu tun" (§ 17 S. 1 StGB)<br />
wegen ...!<br />
... Normierungsirrtum, <br />
d.h. Unkenntnis einer Verbotsnorm (eines Straftatbestands)"<br />
... Gültigkeitsirrtum, <br />
d.h. Fehlvorstellung über die zeitliche / örtliche Gültigkeit<br />
einer Verbotsnorm (eines Straftatbestands)"<br />
... Subsumtionsirrtum, <br />
d.h. fehlerhafter (juristischer) Subsumtion einer Verbotsnorm<br />
(eines Straftatbestands)!<br />
Abgrenzung des Subsumtionsirrtums zum Tatumstandsirrtum<br />
über das Gelingen einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“<br />
Trentmann | 12/01/2014 | Seite 2 von 6
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(2) Zur Un-/Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums<br />
Ist der Täter einem Verbotsirrtum unterlegen, so entfällt seine Schuld nur dann, wenn der Irrtum<br />
unvermeidbar war (§ 17 S. 1 StGB). War der Irrtum hingegen vermeidbar, entfällt die<br />
Schuld nicht (nur fakultative Strafmilderung, § 17 S. 2 StGB).<br />
An die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums werden gr<strong>und</strong>sätzlich sehr hohe Anforderung<br />
gestellt; ein potentielles Unrechtsbewusstsein ist zureichend; dazu gr<strong>und</strong>legend<br />
BGHSt 2, 194 (201):<br />
„Der Mensch ist, weil er auf freie, sittliche Selbstbestimmung angelegt ist, auch jederzeit in die<br />
verantwortliche Entscheidung gerufen, sich als Teilhaber der Rechtsgemeinschaft rechtmäßig<br />
zu verhalten <strong>und</strong> das Unrecht zu vermeiden. Dieser Pflicht genügt er nicht, wenn er nur das<br />
nicht tut, was ihm als Unrecht klar vor Augen steht. Vielmehr hat er bei allem, was er zu tun im<br />
Begriff steht, sich bewusst zu machen, ob es mit den Sätzen des rechtlichen Sollens in Einklang<br />
steht. Zweifel hat er durch Nachdenken oder Erk<strong>und</strong>igung zu beseitigen. Hierzu bedarf<br />
es der Anspannung des Gewissens, ihr Maß richtet sich nach den Umständen des Falles<br />
<strong>und</strong> nach dem Lebens- <strong>und</strong> Berufskreis des Einzelnen. Wenn er trotz der ihm danach zuzumutenden<br />
Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige seines Tuns<br />
nicht zu gewinnen vermochte, war der Irrtum unüberwindlich, die Tat für ihn nicht vermeidbar.<br />
In diesem Falle kann ein Schuldvorwurf gegen ihn nicht erhoben werden. Wenn dagegen bei<br />
gehöriger Anspannung des Gewissens der Täter das Unrechtmäßige seines Tuns hätte erkennen<br />
können, schließt der Verbotsirrtum die Schuld nicht aus.“<br />
Merke: Nur in seltenen Fällen dürfte ein Verbotsirrtum tatsächlich unvermeidbar sein!<br />
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II. Irrtümer auf der Rechtfertigungsebene<br />
Das Gesetz kennt nur Irrtümer auf der Tatbestandsebene (§ <strong>16</strong> StGB) <strong>und</strong> Irrtümer auf der<br />
Schuldebene (insb. § 17 StGB). Irrtümer auf der Rechtfertigungsebene sind nicht normiert. In<br />
der Folge stellt sich die Frage, wie Rechtfertigungsirrtümer zu behandeln sind.<br />
Irrtum auf Rechtswidrigkeits-Ebene<br />
℗ Rechtfertigungsirrtümer sind im Gesetz<br />
nicht normiert. Wie sind sie zu behandeln?<br />
Vorsatztheorien<br />
Veraltete Theorien aus der Zeit vor<br />
Einführung des § 17 StGB, nach<br />
denen alle Irrtümer solche auf der<br />
Tatbestandsebene (§ <strong>16</strong> StGB)<br />
seien.<br />
jeder Irrtum<br />
eingeschränkte<br />
Schuldtheorie (hM)<br />
Die ganz herrschende „eingeschränkte<br />
Schuldtheorie“ differenziert<br />
bei Rechtfertigungsirrtümern<br />
zwischen Erlaubnistatumstandsirrtümern<br />
<strong>und</strong> Erlaubnisirrtümern.<br />
Bei einem Erlaubnistatumstandsirrtum<br />
irrt der Täter über<br />
Umstände des tatsächlichen Geschehens,<br />
bei deren (hypothetischem)<br />
Vorliegen sein Handeln<br />
gerechtfertigt wäre, sog. Putativrechtfertigungslage.<br />
Im Gegensatz<br />
zur strengen Schuldtheorie nimmt<br />
die eingeschränkte Schuldtheorie<br />
einen solchen Erlaubnistatumstandsirrtum<br />
aus dem Anwendungsbereich<br />
des § 17 StGB heraus<br />
(deshalb „eingeschränkt“), da § 17<br />
StGB nur Wertungsirrtümer erfasse<br />
<strong>und</strong> der Erlaubnistatumstandsirrum<br />
als Sachverhaltsirrtum <strong>und</strong> damit<br />
im Vergleich zu den abzugrenzenden<br />
Erlaubnisirrtümern als Irrtum sui<br />
generis (Irrtum eigener Art) zu<br />
erkennen ist.<br />
strenge<br />
Schuldtheorie<br />
Alle Irrtümer, die kein Tatumstandsirrtum<br />
i.S.v. § <strong>16</strong> StGB sind,<br />
seien ausnahmslos („streng“) als<br />
<strong>Verbotsirrtümer</strong>, d.h. als Probleme<br />
der fehlenden Unrechtseinsicht,<br />
anzusehen <strong>und</strong> damit auf der<br />
Schuldebene anzusiedeln.<br />
jeder Irrtum, der nicht Tatumstandsirrtum<br />
i.S.d. § <strong>16</strong> StGB ist<br />
Erlaubnistatumstandsirrtum<br />
Erlaubnisirrtum<br />
(indirekter Verbotsirrtum)<br />
§ <strong>16</strong> StGB (analog)<br />
Sachverhaltsirrtum<br />
§ 17 StGB<br />
Wertungsirrtum<br />
Trentmann | 12/01/2014 | Seite 4 von 6
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(1) Begründungsmodelle i.R.d. eingeschränkten Schuldtheorie<br />
Hinter der eingeschränkten Schuldtheorie, die den Erlaubnistatumstandsirrtum als Rechtfertigungsirrtum<br />
sui generis vom Erlaubnisirrtum abgrenzt, stehen unterschiedliche Begründungsmodelle.<br />
Deren wichtigste sind neben der unkonventionellen Lehre von den negativen Tatbstandsmerkmalen<br />
die eingeschränkte Schuldtheorie i.e.S. („Unrechtstheorie“; Roxin, <strong>StrafR</strong><br />
<strong>AT</strong> I, § 14, Rn. 64; Kühl, <strong>StrafR</strong> <strong>AT</strong>, § 13, Rn. 73) sowie die wohl vorherrschende rechtsfolgenverweisende<br />
eingeschränkte Schuldtheorie („Lehre von der Doppelfunktion des Vorsatzes“;<br />
BGH, NStZ 2012, 272 [273]; Wessels/Beulke/Satzger, <strong>StrafR</strong> <strong>AT</strong>, § 11, Rn. 479).<br />
Irrtum auf Rechtswidrigkeits-Ebene<br />
eingeschränkte Schuldtheorie (hM)<br />
Erlaubnistatumstandsirrtum<br />
(Sachverhaltsirrtum)<br />
Erlaubnisirrtum<br />
(indirekter Verbotsirrtum)<br />
§ <strong>16</strong> StGB (analog)<br />
§ 17 StGB<br />
Begründungsmodelle<br />
Verortung im Prüfungsaufbau<br />
Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen<br />
Diese Lehre vertritt einen nur zweistufigen Verbrechensaufbau (1. Tatbestand,<br />
2. Schuld). Das Nichtvorliegen von Rechtfertigungsumständen sei negative Tatbestandsvoraussetzung<br />
eines Gesamtunrechtstatbestand. Folglich lasse ein Erlaubnistatumstandsirrtum<br />
den Vorsatz des Täters gem. § <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB entfallen.<br />
(Anmerkung: Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen ist schon wegen<br />
ihres unkonventionellen Prüfungsaufbaus von nur untergeordnetem Gewicht!)<br />
Eingeschränkte Schuldtheorie i.e.S. (Unrechtstheorie)<br />
Diese Theorie sieht schlicht keinen qualitativen Unterschied zwischen einem Irrtum<br />
über Tatumstände <strong>und</strong> einem Irrtum über Erlaubnistatumstände. Wie bei der Unkenntnis<br />
von „Tatumständen“ i.S.d. § <strong>16</strong> StGB verstelle dem Täter auch die irrige<br />
Annahme von Rechtfertigungsumständen die Sicht auf den sein Handeln beinhaltenden<br />
konkreten Verletzungs- <strong>und</strong> Unrechtsgehalt. „Der Täter entscheidet sich zwar<br />
für die Verletzung des anderen, doch nur, weil er glaubt, etwas ausnahmsweise<br />
Erlaubtes zu tun. Dass er etwas Rechtswidriges tut, weiß er nicht, weil er die Situation<br />
verkennt“ (Kühl, <strong>StrafR</strong> <strong>AT</strong> § 13, Rn. 72). Die Formulierung „Umstand des gesetzlichen<br />
Tatbestands“ (§ <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB) erfasse mithin in entsprechender Anwendung<br />
zugunsten des Täters auch Erlaubnistatumstände. Folglich enfalle auf der<br />
Rechtswidrigkeitsebene das Vorsatzunrecht.<br />
Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie<br />
Diese Lehre betont die „Doppelfunktion des Vorsatzes“, d.h. dessen Funktion für<br />
Tatbestands- <strong>und</strong> Schuldebene. Auf der Schuldebene markiere er als sog. Vorsatzschuld<br />
den Gesinnungsunwert des Täters. Dieser Gesinnungsunwert fehle demjenigen,<br />
der einem Erlaubnistatumstandsirrtum unterliegt, weil er zwar – wie selbst ein<br />
gerechtfertigt handelnder Täter – tatbestandsvorsätzlich handele, aber „an sich<br />
rechtstreu“ sei (BGHSt 3, 105 [107]). Entsprechend § <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB entfalle<br />
mithin die (Vorsatz-)Schuld.<br />
Strafbarkeit gem. § xx StGB<br />
1. Gesamtunrechtstatbestand (-)<br />
à Vorsatz (-)<br />
gem. § <strong>16</strong> I 1 StGB direkt<br />
2. (...)<br />
Strafbarkeit gem. § xx StGB<br />
1. (...)<br />
2. Rechtswidrigkeit (-)<br />
à Vorsatzunrecht (-)<br />
gem. § <strong>16</strong> I 1 StGB analog<br />
3. (...)<br />
Strafbarkeit gem. § xx StGB<br />
1. (...)<br />
2. (...)<br />
3. Schuld (-)<br />
à Vorsatzschuld (-)<br />
gem. § <strong>16</strong> I 1 StGB analog<br />
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(2) Prüfungsmethodik bei Rechtfertigungsirrtümern<br />
Irrtümer auf der Rechtfertigungsebene sind eine dogmatisch schwierige <strong>und</strong> anspruchsvolle<br />
Thematik. Es gilt, mit ihr umgehen zu können. Denn bis ins Staatsexamen hinein sind Irrtümer<br />
auf der Rechtfertigungsebene durchaus häufig Gegenstand von Klausuren.<br />
Liegt ein Rechtfertigungsirrtum vor, ist auf Tatbestandsebene zunächst festzustellen, dass es<br />
sich um keinen Tatumstandsirrtum (§ <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB) handelt. Der Lehre von den negativen<br />
Tatbestandsmerkmalen sollte – wegen ihres völlig unkonventionellen, weil nur zweistufigen<br />
Verbrechensaufbaus – nicht gefolgt werden. Auf der Rechtswidrigkeitsebene ist sodann<br />
der in Betracht kommende Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> anzuprüfen <strong>und</strong> mangels Erfüllung seiner<br />
objektiven Voraussetzungen als nicht eingreifend abzulehnen. Nun ist hier anzusprechen,<br />
dass sich der Täter in einem Rechtfertigungsirrtum befand, dessen strafrechtliche Behandlung<br />
nicht normiert ist <strong>und</strong> mithin anhand der Wertungsmodelle der §§ <strong>16</strong>, 17 StGB zu erfolgen<br />
hat. Unter Ablehnung der <strong>und</strong>ifferenzierten strengen Schuldtheorie ist die ganz herrschende<br />
eingeschränkte Schuldtheorie darzulegen, d.h. die Differenzierung zwischen Erlaubnistatumstandsirrtümern<br />
<strong>und</strong> Erlaubnisirrtümern, <strong>und</strong> zu subsumieren.<br />
Merke die Definition des Erlaubnistatumstandsirrtums: Der Täter irrt über Umstände des<br />
tatsächlichen Geschehens, bei deren (hypothetischem) Vorliegen sein Handeln gerechtfertigt<br />
wäre. – Andere Irrtümer auf der Rechtfertigungsebene, auch „Doppelirrtümer“ 1 , sind stets indirekte<br />
<strong>Verbotsirrtümer</strong> <strong>und</strong> damit § 17 StGB zugeordnet.<br />
Liegt „nur“ ein Erlaubnisirrtum vor, ist die Rechtswidrigkeitsebene abzuschließen <strong>und</strong> den folglich<br />
(indirekten) Verbotsirrtum auf der Schuldebene zu besprechen (§ 17 StGB). Liegt hingegen<br />
ein Erlaubnistatumstandsirrtum vor, sind die Begründungsmodelle der eingeschränkten<br />
Schuldtheorie darzulegen. Folgt man der eingeschränkten Schuldtheorie i.e.S. (Unrechtstheorie)<br />
ist die Rechtswidrigkeit zu verneinen. Folgt man ihr nicht, sondern befürwortet die rechtsfolgenverweisende<br />
eingeschränkte Schuldtheorie (hM), ist die Rechtswidrigkeit zu bejahen<br />
<strong>und</strong> – sodann auf der Schuldebene – die (Vorsatz-)Schuld zu verneinen. 2<br />
Wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Theorien ist, dass nur im zweiten Fall eine<br />
rechtswidrige Tat gegeben ist <strong>und</strong> damit u.a. die Möglichkeit besteht, eine ggf. vorliegende<br />
Teilnahme durch einen Dritten (insb. Beihilfe) zu sanktionieren (vgl. § 27 StGB, wonach nur zu<br />
einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat Beihilfe geleistet werden kann). Die rechtsfolgenverweisende<br />
eingeschränkte Schuldtheorie sucht insofern, Strafbarkeitslücken zu schließen.<br />
Nach Ansicht einiger Vertreter der Unrechtstheorie sind solche Strafbarkeitslücken jedoch allenfalls<br />
gering <strong>und</strong> – aufgr<strong>und</strong> der bewusst fragmentarischen Natur des Strafrechts – hinzunehmen.<br />
Steht eine Teilnehmerstrafbarkeit allerdings nicht zu begutachten, ist der Streit um<br />
die Begründungsmodelle der eingeschränkten Schuldtheorie i.d.R. allein dogmatischer, d.h.<br />
akademischer Qualität. Denn jedenfalls ist der Täter analog § <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB straflos,<br />
ob mangels Rechtswidrigkeit oder mangels Schuld.<br />
1<br />
Zum „Doppelirrtum“, bei dem der Täter einem Irrtum über die Rechtfertigungsumstände <strong>und</strong> einem Erlaubnisirrtum zugleich<br />
unterliegt: Der T nimmt irrig an, der O, der offensichtlich weitaus schmächtiger ist als er, wolle ihn mit der Faust schlagen. Zur<br />
Abwehr zieht der T eine Pistole <strong>und</strong> erschießt den O, wobei er denkt, das wäre vom Notwehrrecht erlaubt. Der T irrt also nicht nur<br />
darüber, dass keine Notwehrlage vorliegt, sondern auch darüber, welche Notwehrhandlungen § 32 StGB als „erforderlich“ abdeckt.<br />
– Ein Erlaubnistatumstandsirrtum liegt nicht vor, denn mangels Erforderlichkeit ist die Handlung des O selbst bei hypothetischer<br />
Annahme einer Notwehrlage nicht gerechtfertigt (vgl. die Definition des Erlaubnistatumstandsirrtums). Die Frage der Strafbarkeit<br />
seiner Handlung ist allein eine Frage der Vermeidbarkeit des zweiten Irrtums, d.h. des Erlaubnisirrtums (Erforderlichkeitsirrtum),<br />
der als indirekter Verbotsirrtum § 17 StGB unterfällt.<br />
2<br />
Eingehend <strong>und</strong> übersichtlich zum Rechtfertigungsirrtum sowie zum Theorienstreit <strong>und</strong> den Argumenten etwa Roxin, <strong>StrafR</strong> <strong>AT</strong> I,<br />
§ 14, Rn. 52 ff.<br />
Trentmann | 12/01/2014 | Seite 6 von 6