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Rechtsanwalt Dr. Matthias Losert, Berlin<br />
Der verhinderte Spion<br />
THEMA:<br />
SCHWIERIGKEITSGRAD:<br />
BEARBEITUNGSZEIT:<br />
HILFSMITTEL:<br />
Fernabsatzrecht<br />
mittel<br />
60 Minuten, Vortragsdauer 10 Minuten<br />
Schönfelder, Palandt: BGB, Thomas/Putzo: ZPO<br />
Aktenauszug:<br />
Andreas Tresol<br />
Allee der Kosmonauten 25<br />
10319 Berlin<br />
Berlin, den 15. Januar 2011<br />
Frau Rechtsanwältin<br />
Dr. Sylwia Herbszt<br />
Engelsweg 3<br />
97267 Himmelstadt<br />
Werte Frau Rechtsanwältin Dr. Herbszt,<br />
vor drei Monaten habe ich bei meinem Mobilfunkanbieter<br />
einen Einzelverbindungsnachweis angefordert. Auf diesem<br />
Einzelverbindungsnachweis sah ich, dass eine Firma mit dem<br />
Namen „Nepp Debile AG“ im Monat Dezember Abbuchungen<br />
über meine Handy-Rechnung vorgenommen hat.<br />
Ich habe daraufhin bei der „Nepp Debile AG“ angerufen und<br />
gefragt, weshalb sie diese Abbuchungen vornehmen. Daraufhin<br />
teilte man mir mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 mit,<br />
ich hätte am 5. August 2009 einen Vertrag über ein sogenanntes<br />
Handyortungssystem abgeschlossen. Ich kann mich ganz<br />
dunkel erinnern, dass ich am 5. August 2009 im Fernsehen<br />
eine Reklamesendung der „Nepp Debile AG“ gesehen habe.<br />
In dieser bewarb sie ein solches Handyortungssystem mit dem<br />
Namen „Spymigo“, welches man per SMS bestellen könne.<br />
Bei diesem Handyortungssystem könne man nach Aussage<br />
der Werbung die Handynummer eines beliebigen Mobilfunk-<br />
Teilnehmers eingeben und dann bekäme man offenbar über<br />
SMS mitgeteilt, wo sich das geortete Handy gerade befindet.<br />
In der Werbung wurde nicht mitgeteilt, dass der zu ortende<br />
Mobilfunkteilnehmer sein Einverständnis zu der Ortung erklären<br />
muss. Daraufhin bestellte ich per SMS dieses Handyortungssystem<br />
und erhielt von der „Nepp Debile AG“ folgende<br />
SMS:<br />
1
„Antworte mit JA und Spymigo kommt sofort! Im MobileSpyGoAbo<br />
5 Ortungen gratis/Wo.(2.99 EUR)+zusaetzl.<br />
29cent/Ort.Zustimmung erf.Ende? stop MOBILESPYGO-<br />
ABO [Report MTEvent]“<br />
Ich habe daraufhin mit „JA“ geantwortet. Bei der Passage<br />
„Zustimmung erf.“ dachte ich, dass damit meine Zustimmung<br />
und nicht die Zustimmung der zu ortenden Person gemeint<br />
war. Als der Dienst daraufhin aktiviert wurde, fand ich naturgemäß<br />
keinen Mobilfunkteilnehmer, der bereit war, sich freiwillig<br />
orten zu lassen. Deshalb habe ich diesen Dienst nie in<br />
Anspruch genommen.<br />
Als ich dann bei meinem Mobilfunkanbieter einen Einzelverbindungsnachweis<br />
anforderte, bemerkte ich die Abbuchungen<br />
der Beklagten. Diese Abbuchungen beliefen sich insgesamt<br />
auf 230,23 €, wie mir die „Nepp Debile AG“ in ihrem Schreiben<br />
vom 12. Oktober 2010 mitgeteilt hat. Man sagte mir, dass<br />
ich ein Abovertrag über das Handyortungssystem abgeschlossen<br />
hätte. Angeblich hätte ich wöchentlich eine SMS bekommen,<br />
die mich auf den laufenden Dienst aufmerksam gemacht<br />
hätte. Eine solche SMS habe ich jedoch nie erhalten!<br />
Eine Widerrufsbelehrung habe ich auch nie erhalten. Ich habe<br />
dieser Firma am 28. November 2010 per eingeschriebenen<br />
Brief mitgeteilt, dass ich den Dienst nie in Anspruch genommen<br />
habe, mich an diesen angeblichen Vertrag nicht gebunden<br />
fühle und bis zum 15. Dezember 2010 mein Geld zurückhaben<br />
möchte. Bis heute habe ich von der „Nepp Debile AG“<br />
jedoch kein Geld gesehen.<br />
Frau Rechtsanwältin, ich möchte nun auf dem schnellsten<br />
Wege mein Geld zurückerhalten. Bitte veranlassen Sie das<br />
Erforderliche.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Andreas Tresol<br />
Rechtsanwältin<br />
Dr. Sylwia Herbszt<br />
Engelsweg 3<br />
97267 Himmelstadt<br />
Berlin, den 25. Januar 2011<br />
Vermerk<br />
Auf mein anwaltliches Schreiben an die „Nepp Debile AG“<br />
erhielt ich heute die Antwort, dass die „Nepp Debile AG“<br />
jegliche Rückerstattung ablehnt.<br />
2
gez. Dr. Sylwia Herbszt, Rechtsanwältin<br />
Bearbeitervermerk:<br />
1. Die Angelegenheit ist aus anwaltlicher Sicht zu bearbeiten.<br />
Zeitpunkt der Bearbeitung ist der 26. Januar 2011. Der Sachverhalt<br />
ist vorzutragen. Erwägungen zur Zweckmäßigkeit sind<br />
anzustellen. Werden Anträge an ein Gericht empfohlen, müssen<br />
diese am Ende des Vortrags ausformuliert werden.<br />
2. Der Mandant kann keine weiteren Angaben zur Sache machen.<br />
Es ist zu unterstellen, dass Frau Rechtsanwältin Dr.<br />
Herbszt das Mandat angenommen hat. Die „Nepp Debile AG“<br />
hat Ihren Firmensitz im Bezirk des Amtsgerichts Charlottenburg,<br />
der Mandant hat seinen Wohnsitz im Bezirk des Amtsgerichts<br />
Lichtenberg. Beide haben ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich<br />
das Landgerichts Berlin.<br />
Lösungsskizze:<br />
A. EINLEITUNG<br />
Ich berichte über ein Mandat, das die Rechtsanwältin Dr.<br />
Sylwia Herbszt im Jahre 2011 zu bearbeiten hatte. Mandant<br />
war Herr Tresol aus Berlin. Der Mandant stellte auf dem Einzelverbindungsnachweis<br />
seiner Handy-Rechnung fest, dass<br />
Abbuchungen von einem Mehrwertdiensteanbieter, der „Nepp<br />
Debile AG“, vorgenommen wurden. Er möchte das abgebuchte<br />
Geld zurückhaben.<br />
Dem Mandat lag folgender Sachverhalt zugrunde:<br />
B. SACHBERICHT<br />
Der Mandant hat im August 2009 im Fernsehen eine Reklamesendung<br />
über ein Handyortungssystem gesehen. In der Reklame<br />
wurde dem Mandanten mitgeteilt, dass man durch Eingabe<br />
einer Mobilfunknummer über das Handyortungssystem<br />
auf sein eigenes Handy mitgeteilt bekommt, wo sich der Mobilfunkteilnehmer<br />
mit der eingegebenen Mobilfunknummer<br />
befindet.<br />
Dieses Handyortungssystem konnte man durch SMS bestellen.<br />
Der Mandant schickte eine SMS an die „Nepp Debile<br />
AG“ und erhielt daraufhin eine SMS der „Nepp Debile AG“.<br />
In dieser SMS wurde ihm mitgeteilt, dass er eine SMS mit<br />
„JA“ an eine angegebene Telefonnummer senden müsse, um<br />
das Handyortungssystem zu abonnieren. In der SMS stand<br />
weiterhin die Passage „Zustimmung erforderlich“. Der Mandant<br />
sandte daraufhin eine SMS mit „JA“ an die angegebene<br />
Telefonnummer. In der Folgezeit fand er jedoch keinen Mobilfunkteilnehmer,<br />
der seine Zustimmung zur Erteilung einer<br />
Überwachung durch das Handyortungssystem erteilen wollte.<br />
Daraufhin geriet der aktivierte Dienst in Vergessenheit. Als<br />
der Mandant im Oktober 2010 einen Einzelverbindungsnach-<br />
3
weis bei seinem Mobilfunkanbieter anforderte, bemerkte er<br />
die Abbuchungen.<br />
Durch ein Schreiben der „Nepp Debile AG“ vom 12. Oktober<br />
2010 an den Mandanten ergab sich, dass sie seit August 2009<br />
Abbuchungen über seine Handy-Rechnung in Höhe von<br />
230,23 EUR vorgenommen hat. Über ein Widerrufsrecht sei<br />
der Mandant nie belehrt worden. Der Mandant forderte die<br />
„Nepp Debile AG“ mit Schreiben vom 28. November 2010<br />
auf, ihm bis zum 15. Dezember 2010 das abgebuchte Geld<br />
zurückzuerstatten. In diesem Schreiben teilte er der „Nepp<br />
Debile AG“ auch mit, dass er sich an den Vertrag nicht gebunden<br />
fühle. Auch nach einem anwaltlichen Schreiben der<br />
Rechtsanwältin Dr. Herbszt lehnte die „Nepp Debile AG“<br />
jegliche Rückerstattung ab.<br />
C. VORSCHLAG<br />
Ich schlage vor, Zahlungsklage gegen die „Nepp Debile AG“<br />
zu erheben.<br />
D. RECHTLICHE WÜRDIGUNG<br />
Dem Vorschlag liegt folgende rechtliche Würdigung zugrunde:<br />
Der Mandant hat gegen die „Nepp Debile AG“ einen Anspruch<br />
auf Erstattung von 230,23 € aus § 346 I BGB. Denn<br />
bei dem Vertrag handelte es sich um einen Fernabsatzvertrag,<br />
der dem Mandanten nach § 312d BGB ein Widerrufsrecht<br />
einräumt.<br />
Fernabsatzvertrag<br />
Zustandekommen über<br />
Fernkommunikationsmittel<br />
Widerrufsrecht<br />
Ein Fernabsatzvertrag liegt nach § 312b I S. 1 BGB vor, wenn<br />
der Vertragsschluss zwischen einem Unternehmer und einem<br />
Verbraucher ausschließlich über Fernkommunikationsmittel<br />
erfolgt. Der Mandant war Verbraucher, und die „Nepp Debile<br />
AG“ handelte als Unternehmerin. Fernkommunikationsmittel<br />
sind nach § 312b II BGB alle Kommunikationsmittel, die zum<br />
Abschluss eines Vertrages ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit<br />
der Vertragsparteien eingesetzt werden können. In<br />
§ 312b II S. 1 BGB werden Rundfunkdienste aufgeführt, worunter<br />
die Fernsehwerbung der „Nepp Debile AG“ zu verstehen<br />
ist.<br />
Eine SMS wird in § 312b II S. 1 BGB jedoch nicht aufgeführt.<br />
Allerdings ist die Aufzählung in § 312b II BGB nur exemplarisch<br />
zu verstehen, wie sich aus der Verwendung des Wortes<br />
„insbesondere“ ergibt. Folglich ist der Vertragsschluss zwischen<br />
dem Mandanten und der Nepp Debile AG über Fernkommunikationsmittel<br />
zustande gekommen. Der Vertragsschluss<br />
erfolgte auch im Rahmen eines für den Fernabsatz<br />
organisierten Vertriebssystems.<br />
Da ein Fernabsatzvertrag vorlag, steht dem Mandanten nach §<br />
312d I BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. Durch<br />
das Schreiben des Mandanten an die „Nepp Debile AG“ vom<br />
4
28. November 2010 hat der Mandant sein Widerrufsrecht<br />
wirksam ausgeübt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der<br />
Begriff „Widerruf“ verwendet wird (BGH NJW 1996, 1964).<br />
Der Verbraucher muss lediglich zum Ausdruck bringen, dass<br />
er an dem Vertrag nicht festhalten möchte (Palandt-Grüneberg<br />
§ 355, Rn 6). Der Mandant hat erklärt, dass er am Vertrag<br />
nicht festhalten und sein Geld zurückerstattet haben möchte.<br />
Ein wirksamer Widerruf liegt also vor.<br />
Kein Erlöschen des Widerrufsrechtes,<br />
§ 355 III BGB<br />
Fehlende Belehrung<br />
Rechtsfolge des Widerrufs:<br />
Verweis auf § 346 BGB<br />
Nach § 355 III BGB erlischt das Widerrufsrecht spätestens<br />
sechs Monate nach Vertragsschluss. Allerdings wurde der<br />
Mandant zu keiner Zeit über sein Widerrufsrecht belehrt.<br />
Deshalb ist sein Widerrufsrecht nach § 355 III S. 3 BGB auch<br />
nicht erloschen.<br />
Auch wenn es bei einem Vertragsschluss über Fernsehen und<br />
SMS nicht möglich ist, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht<br />
zu belehren, ist die Belehrung über das Widerrufsrecht<br />
in § 312c BGB vorgeschrieben. Solange die Widerrufsbelehrung<br />
nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Textform erteilt<br />
wurde, beginnt die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht zu laufen.<br />
Das bedeutet, dass der Mandant sein Widerrufsrecht ohne<br />
Belehrung „ewig“ ausüben kann.<br />
Rechtsfolge des Widerrufs ist, dass nach § 357 I S. 1 BGB die<br />
Regelungen über den gesetzlichen Rücktritt entsprechend anwendbar<br />
sind. In § 346 BGB ist der Rücktritt geregelt. Demnach<br />
sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen<br />
zurückzugewähren. Die „Nepp Debile AG“ hat von dem<br />
Mandanten Beträge in Höhe von 230,23 EUR erhalten. Der<br />
Mandant hat den Handyortungsdienst jedoch niemals in Anspruch<br />
genommen. Folglich vermindert sich der Rückzahlungsanspruch<br />
des Mandanten nicht nach § 346 II BGB.<br />
E. ENDVORSCHLAG<br />
Ich schlage vor, vor dem Amtsgericht Charlottenburg Klage<br />
zu erheben und zu beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an<br />
den Kläger 230,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten<br />
über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2010<br />
zu zahlen.<br />
Wenn die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung<br />
nicht rechtzeitig erscheint oder nicht rechtzeitig Verteidigungsanzeige<br />
erhebt, wird der Erlass eines Versäumnisurteils<br />
beantragt nach § 330 ZPO beantragt.<br />
F. ZWECKMÄßIGKEITSERWÄGUNGEN<br />
Da der Mandant schnellstmöglich sein Geld zurückerhalten<br />
wollte, war Klage zu erheben. Die Vorschaltung eines Mahnverfahrens<br />
nach § 688 BGB war nicht vorzunehmen. Denn die<br />
„Nepp Debile AG“ hat die Zahlung des geforderten Betrages<br />
sowohl nach einem Schreiben des Mandanten als auch nach<br />
einem anwaltlichen Schreiben der Rechtsanwältin Dr. Herbszt<br />
verweigert.<br />
5
Bei einem Mahnverfahren hätte die „Nepp Debile AG“ nach §<br />
692 I Nr. 3 ZPO die Möglichkeit gehabt, zwei Wochen nach<br />
Zustellung des Mahnbescheides Widerspruch einzulegen. Erst<br />
dann wäre es zu einem streitigen Verfahren gekommen. Diese<br />
Zweiwochenfrist und die Zeit, die bis zur Zustellung des<br />
Mahnbescheides vergeht, hätten den Erlass des Titels verzögert.<br />
Da die „Nepp Debile AG“ auch auf zwei Schreiben hin<br />
eine Rückerstattung ablehnte, war davon auszugehen, dass sie<br />
gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegt.<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
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