Lösungsskizze Zivilrecht November 2013 - Justiz in Sachsen
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Lösungsskizze Zivilrecht November 2013 - Justiz in Sachsen
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Klausurenkurs für Rechtsreferendare am Landgericht Dresden (11/13)<br />
Lösungsvorschlag Zweite Juristische Staatsprüfung 2012/02 Aufgabe Nr. 1<br />
Teil I - Vorüberlegungen<br />
A) Bearbeitervermerk<br />
Was ist zu fertigen? alle Aufgabenteile erfassen und am Ende der Lösungsskizze<br />
kontrollieren, ob alle Aufgaben bearbeitet s<strong>in</strong>d<br />
‣ vollständige Entscheidung des Gerichts e<strong>in</strong>schließlich Tatbestand<br />
‣ prozessuale Nebenentscheidungen, d.h. Kosten + vorläufige Vollstreckbarkeit<br />
‣ Festsetzung des Gebührenstreitwertes<br />
‣ ggf. Hilfsgutachten<br />
B) Arbeit am Sachverhalt<br />
1. Sachverhalt lesen<br />
2. Ordnung des Prozessstoffes (= Erfassen des Tatsachenvortrags der Parteien, der<br />
Beweisaufnahme, Rechtsausführungen, Prozessgeschichte)<br />
zuletzt gestellte Anträge festhalten – vgl. Protokoll: Klageschrift i.V.m.<br />
Rubrumsberichtigung; Klageabweisungsantrag aller Beklagten<br />
Materielles Tatsachenblatt (Trennung Kläger-/Beklagtenvortrag; streitig/unstreitig;<br />
entweder Aktenspiegel oder streitige Behauptungen im Klausurtext kennzeichnen) –<br />
wichtig für die Abfassung des Tatbestandes<br />
Prozessuales Tatsachenblatt – Zustellung, Beweisaufnahme, Rubrum B3<br />
Problemblatt:<br />
‣ Unbestimmter Klageantrag, Feststellungantrag<br />
‣ Rubrumsberichtigung<br />
‣ Auswirkungen der Betreuung – Prozessfähigkeit, Deliktsfähigkeit, Beiziehung<br />
der Betreuungsakte<br />
‣ Bestreiten mit Nichtwissen B1 und B2<br />
‣ Antrag auf Parteivernehmung<br />
‣ Sorgfaltspflichten e<strong>in</strong>es Taxifahrers<br />
‣ Beweiswürdigung, da wörtliche Wiedergabe der Zeugenaussagen<br />
Dauer A+B: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig! (20-30 m<strong>in</strong>)<br />
C) Gutachterliche Prüfung der Rechtslage (= Konzept, Vorbereitung für die Entscheidung)<br />
Stil: Kurzschrift + stichpunktartig – nicht ausformulieren! Kommentarstellen vermerken<br />
(zum Nachschlagen für die Re<strong>in</strong>schrift, nicht zum Zitieren)<br />
Aufbau: verschiedene Möglichkeiten denkbar und gut vertretbar, Lösungsh<strong>in</strong>weis baut<br />
getrennt nach Leistungs- und Feststellungsklage auf, dabei jeweils Zulässigkeit für alle<br />
Beklagten geme<strong>in</strong>sam, Begründetheit getrennt nach Beklagten, also:<br />
‣ Leistungsantrag<br />
Zulässigkeit gegen alle Beklagten<br />
Begründetheit – zunächst: soweit begründet<br />
- anschließend: soweit unbegründet<br />
‣ Feststellungsantrag wie Leistungsantrag<br />
Vorteil: Aufbau übersichtlich, Leistungs- und Feststellungsantrag können<br />
mit ihren Eigenarten behandelt werden, Zulässigkeitsfragen – da<br />
Abweichungen nur beim Punkt Prozessfähigkeit – können für die<br />
Beklagten geme<strong>in</strong>sam behandelt werden
2<br />
Teil II – Falllösung<br />
1. Leistungsantrag<br />
a) Zulässigkeit: grds. Zuständigkeit immer, sonst nur Problempunkte<br />
aa) unbestimmter Klageantrag – Vere<strong>in</strong>barkeit mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO? (+)<br />
‣ wegen möglichen Auswirkungen der Höhe des Klagebegehrens auf die<br />
sachliche Zuständigkeit empfiehlt sich hier ausnahmsweise die Prüfung vor<br />
der Prüfung der – <strong>in</strong>sbesondere sachlichen – Zuständigkeit<br />
‣ bei Leistungsklagen grds. Bezifferung erforderlich<br />
‣ Rspr. lässt Ausnahmen zu bei nach § 287 ZPO erforderlichen Schätzungen<br />
des Gerichts oder wenn die Höhe des Anspruchs von billigem Ermessen des<br />
Gerichts abhängig ist, wenn ausreichende Schätzgrundlagen vorgetragen s<strong>in</strong>d<br />
‣ Schmerzensgeldanspruch § 253 Abs. 2 BGB, dazu M<strong>in</strong>destbetrag von 5.000 €<br />
als Schätzgrundlage benannt<br />
bb) Zuständigkeit des LG Dresden (+)<br />
‣ örtlich gem. § 32 ZPO (besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung),<br />
§§ 12, 13 ZPO (allgeme<strong>in</strong>er Gerichtsstand)<br />
‣ sachlich gem. §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG (Streitwert über 5.000 €,<br />
daher Landgericht) – M<strong>in</strong>destbetrag 5.000 € <strong>in</strong> Klage beziffert, darüber h<strong>in</strong>aus<br />
Feststellungsantrag, der streitwerterhöhend wirkt<br />
cc) Prozessfähigkeit der B3 (+)<br />
‣ §§ 50, 52, 53 ZPO: B3 steht unter Betreuung<br />
‣ B3 gilt gem. § 53 ZPO als prozessunfähig für den Aufgabenkreis, für den<br />
Betreuung angeordnet ist<br />
‣ Gericht prüft das von Amts wegen, § 56 Abs. 1 ZPO, im Freibeweisverfahren<br />
und hat deswegen gem. § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO im Term<strong>in</strong> Betreuungsakte<br />
beigezogen – danach wirksame Betreuerbestellung u.a. für die „Vertretung vor<br />
Gerichten“<br />
‣ wird vertreten durch den Betreuer gem. § 1902 BGB<br />
‣ andere Bevollmächtigung i.S.v. § 51 Abs. 3 ZPO liegt nicht vor<br />
‣ <strong>in</strong> der Replik und damit bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mdl. Verhandlung<br />
war Betreuer als gesetzlicher Vertreter benannt<br />
‣ anfängliche möglicherweise fehlende Prozessunfähigkeit jedenfalls geheilt<br />
durch konkludente Genehmigung, <strong>in</strong>dem der Prozessbevollmächtigte der B3,<br />
der auch unter anwaltlicher Vollmachtsversicherung des Betreuers handelte,<br />
im Term<strong>in</strong> den Klageabweisungsantrag gestellt hat und so das Verfahren<br />
rügelos fortgeführt hat<br />
‣ auf die unwirksame Rubrumsberichtigung (es lag ke<strong>in</strong>e irrtümliche<br />
Falschbezeichnung vor, sondern K g<strong>in</strong>g verfehlt von fehlender Betreuung aus)<br />
kommt es so nicht an<br />
dd) Subjektive Klagehäufung zulässig gem. § 59 ZPO<br />
b) Begründetheit<br />
aa) gegen B3 (Mitfahrer<strong>in</strong>) (+) gem. § 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 229 StGB,<br />
§ 253 Abs. 2 BGB<br />
(1) Rechtsgutsverletzung (+) körperliche Unversehrtheit<br />
(2) kausale Handlung B3 (+) Zuschieben der Tür<br />
(3) rechtswidrig (+), B3 hat ke<strong>in</strong>e Rechtfertigungsgründe dargelegt<br />
(4) Deliktsfähigkeit (+), nicht gem. § 827 BGB ausgeschlossen<br />
2
3<br />
‣ pauschale Behauptung der fehlenden Deliktsfähigkeit ist bestritten<br />
‣ Zustand krankhafter Störung der Geistesfähigkeit nicht h<strong>in</strong>reichend<br />
dargelegt, unschlüssig, jedenfalls aber ke<strong>in</strong> Beweisantritt<br />
‣ alle<strong>in</strong> die angeordnete Betreuung genügt nicht<br />
(5) Verschulden (+) m<strong>in</strong>d. leichte Fahrlässigkeit, B3 hat vor Zuschieben der Tür<br />
nicht geschaut, ob Hand der K schon weg ist, steht fest aufgrund der<br />
glaubwürdigen Aussage der Zeug<strong>in</strong> Riese - Ergebnis der Beweisaufnahme…<br />
(6) kausaler Schaden (+) Schmerzen - § 253 Abs. 2 BGB, Genugtuungsfunktion,<br />
Höhe? E<strong>in</strong>zelumstände zu beachten wie<br />
‣ Art und Weise der Entstehung des Schadens<br />
‣ Mitverschulden des Betroffenen – nicht als Quote, sondern<br />
Berücksichtigung im Rahmen der Gesamtbetrachtung<br />
‣ Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen<br />
‣ Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />
‣ objektive Anhaltspunkte: Art und Dauer der Behandlung, der<br />
Arbeitsunfähigkeit<br />
‣ Anhaltspunkte s<strong>in</strong>d vergleichbare Urteile unter Berücksichtigung der<br />
Inflation<br />
Mitverschulden nach der Wertung des § 254 BGB (-), von beweisbelasteter B3<br />
nicht bewiesen, mangels Vorhersehbarkeit aufgrund des immer<br />
wiederkehrenden „Rituales“ der mehrfachen vorherigen Situationen, <strong>in</strong> denen<br />
B3 vor dem Schließen der Tür wartete, bis K ausgestiegen war steht fest<br />
aufgrund der freien Beweiswürdigung gem. § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO –<br />
Aussage der Zeug<strong>in</strong> Hölter war unergiebig, Aussage der Zeug<strong>in</strong> Riese gibt<br />
nichts her für e<strong>in</strong> Mitverschulden (bei a.A. Abwägung der<br />
Verschuldensbeiträge erforderlich, dann tritt leichte Fahrlässigkeit der K wohl<br />
h<strong>in</strong>ter das deutlich überwiegende Verschulden der B3 zurück)<br />
hier vergleichbare Entscheidung des OLG Brandenburg von 2010 – 5.000 € -<br />
K erlitt Daumenkappenabtrennung, Sensibilitätsstörungen, Angst- und<br />
Panikattacken, massive Depressionen – unstreitig<br />
bb) gegen B1 (Taxiunternehmer) (-)<br />
(1) vertraglich: wegen Nebenpflichtverletzung des Beförderungsvertrages aus<br />
§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 i.V.m. § 631 BGB (-)<br />
(a) Beförderungsvertrag § 631 BGB (+) unstreitig<br />
(b) Nebenpflichtverletzung (-) aA mit guter Begründung vertretbar<br />
‣ Taxiunternehmen hat für e<strong>in</strong>en sicheren Zu- und Abgang zu sorgen<br />
‣ welche Maßnahmen s<strong>in</strong>d dafür erforderlich? Inhalt des<br />
Schuldverhältnisses maßgebend, § 241 Abs. 2 BGB<br />
‣ Schutzpflicht dann, wenn Vertragsparteien e<strong>in</strong>e gesteigerte E<strong>in</strong>wirkung<br />
gestatten und <strong>in</strong> höherem Maß als üblich auf den Schutz ihrer<br />
Rechtsgüter vertrauen<br />
‣ grds. darf Taxifahrer darauf vertrauen, dass sich Gäste<br />
verkehrsgerecht verhalten, es sei denn, sie s<strong>in</strong>d erkennbar<br />
hilfsbedürftig oder schutzlos<br />
‣ zwar psychotherapeutische Behandlung K und B3, aber meisterten ihr<br />
Leben alle<strong>in</strong> und selbständig, unstreitig<br />
‣ zudem wurde B2 nach Ergebnis der Beweisaufnahme zum<br />
Sitzenbleiben aufgefordert (wenn unterstellt wird, dass sich K die<br />
Zeugenaussage für ihren Vortrag zu eigen gemacht hat) – Aussage<br />
der Zeug<strong>in</strong> Riese war glaubwürdig<br />
3
4<br />
(2) deliktisch: § 823 Abs. 1 BGB (-) mangels eigener Handlung des B1, auch<br />
§ 831 Abs. 1 BGB (-) a.A. vertretbar, wenn vertragl. A. anders bewertet<br />
‣ B2 als Verrichtungsgehilfe? kann dah<strong>in</strong>stehen<br />
‣ jedenfalls ke<strong>in</strong>e Pflichtverletzung des B2 – deliktischen<br />
Sorgfaltsanforderungen dürfen bei gleichem Sachverhalt nicht über die<br />
vertraglichen h<strong>in</strong>ausgehen, vertragliches Haftungsregime darf durch<br />
Deliktsrecht nicht ausgehöhlt werden<br />
cc) gegen B2 (Taxifahrer) (-) a.A. vertretbar bei abweichender Lösung unter aa)<br />
vertraglich (-) mangels eigener Vertragsbeziehung und deliktisch (-) mangels<br />
Sorgfaltspflichtverletzung, s.o.<br />
dd) Z<strong>in</strong>sen gem. § 291 BGB – Klagezustellung am 15.02.2012 – Z<strong>in</strong>sen gem.<br />
§ 187 Abs. 1 BGB ab 16.02.2012 – eigentlich Zustellung an falsche Partei (B3<br />
selbst) – aber Genehmigung der prozessualen Handlungen durch den Betreuer<br />
rückwirkend auf den Zeitpunkt der Zustellung<br />
2. Objektive Klagehäufung: Zulässigkeit gem. § 260 ZPO<br />
3. Feststellungsantrag<br />
a) Zulässigkeit (+)<br />
‣ Zuständigkeit, Prozessfähigkeit wie Leistungsklage<br />
‣ besonderes Feststellungs<strong>in</strong>teresse gem. § 256 ZPO (+) als Ausformung des<br />
allgeme<strong>in</strong>en Rechtschutzbedürfnisses, Voraussetzung bei künftigen Schäden:<br />
Möglichkeit des E<strong>in</strong>tritts – hier unstreitig<br />
b) Begründetheit<br />
Voraussetzung: das begehrte Rechtsverhältnis besteht und kann positiv festgestellt<br />
werden – B1 und B2 (-), da ke<strong>in</strong>e Haftung dem Grunde nach, aber B3 (+), s.o.<br />
4. Kosten, §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO<br />
a) Gerichtskosten = außergerichtliche Kosten der K<br />
Baumbach´sche Formel (siehe auch das entsprechende Kapitel bei ELAN!)<br />
‣ fiktiven Gesamtstreitwert und separate Quoten für jeden Beteiligten gem.<br />
§ 92 ZPO analog bilden<br />
‣ tatsächlicher Streitwert ist dafür nicht maßgebend, sondern alle drei Angriffe<br />
der K werden nach ihren jeweiligen tatsächlichen Gebührenstreitwerten<br />
zusammengerechnet<br />
‣ Leistungsklage: bei unbeziffertem Schmerzensgeldantrag ist der Wert zu<br />
Grunde zu legen, den Kläger für begründet erachtet – 5.000 €<br />
‣ Feststellungsklage: das dah<strong>in</strong>terstehende wirtschaftliche Interesse, i.d.R. mit<br />
e<strong>in</strong>em Abschlag von 20 % vom Gegenstand e<strong>in</strong>er etwaigen Leistungsklage;<br />
E<strong>in</strong>tritt und Umfang etwaiger künftiger Schäden ungewiss, daher<br />
Kläger<strong>in</strong>teresse berücksichtigen – 1.000 €<br />
‣ tatsächlicher Gebührenstreitwert beträgt 6.000 €, fiktiver demnach 18.000 €<br />
Gesamtstreitwert<br />
LK + FK<br />
Unterliegen<br />
K<br />
Unterliegen<br />
B1<br />
Unterliegen<br />
B2<br />
Klage gg. B1 6.000 € 6.000 € 0 - -<br />
Klage gg. B2 6.000 € 6.000 € - 0 -<br />
Klage gg. B3 6.000 € 0 - - 6.000 €<br />
4<br />
Unterliegen<br />
B3<br />
Gesamt 18.000 € 12.000 € 0 0 6.000 €<br />
(fiktiv)<br />
Kostenquote 2/3 0 0 1/3
5<br />
K trägt 2/3, B3 trägt 1/3 der Gerichtskosten, B3 trägt 1/3 der außergerichtlichen<br />
Kosten der K, im Übrigen trägt K ihre außergerichtlichen Kosten (agK) selbst<br />
b) außergerichtliche Kosten B1 und B2<br />
trägt K voll, da K <strong>in</strong> diesem Verhältnis voll unterliegt<br />
c) außergerichtliche Kosten B3<br />
trägt K zu 2/3, im Übrigen trägt sie B3 alle<strong>in</strong><br />
5. Vorläufige Vollstreckbarkeit<br />
‣ K kann 5.000 € bei B3 vollstrecken, zudem 2/3 der Gerichtskosten und ihrer<br />
agK – damit gem. §§ 709, 708 Nr. 11 ZPO gegen Sicherheitsleistung 120 %<br />
‣ B1 und B2 können bei K ihre Anwaltskosten, die unter 1.500 € betragen,<br />
vollstrecken – damit gem. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO ohne Sicherheitsleistung,<br />
aber Abwendungsbefugnis K, wenn nicht vorher Sicherheitsleistung B3<br />
(ab 1.1.2014: Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 232 ZPO)<br />
6. Hilfsgutachten<br />
Zulässigkeit der beantragten Parteivernehmung der K<br />
‣ Parteivernehmung des Gegners § 445 Abs. 1 ZPO (-), K will selbst<br />
vernommen werden<br />
‣ Vernehmung der beweispflichtigen Partei auf Antrag § 447 ZPO (-), da B1-B3<br />
widersprochen haben<br />
‣ Vernehmung von Amts wegen § 448 ZPO – Voraussetzung: „Anbeweis“,<br />
gewisse Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit für die Richtigkeit der behaupteten Tatsache –<br />
Mittel, um letzte Klarheit zu gew<strong>in</strong>nen – nach dem Ergebnis der<br />
Beweisaufnahme stand für das Gericht der Geschehensablauf aber bereits<br />
fest<br />
D) Abfassen der Entscheidung (Re<strong>in</strong>schrift)<br />
Wann? Spätestens nach 2-2,5 Stunden mit Re<strong>in</strong>schrift beg<strong>in</strong>nen<br />
Reihenfolge:<br />
1. Entscheidungsgründe – auf Darstellung im Urteilsstil achten, Inhalt s.o. C.<br />
2. ggf. Hilfsgutachten – auch parallele Abfassung möglich (ausprobieren!)<br />
3. Tenor – e<strong>in</strong>schließlich Beschluss über die Festsetzung es Gebührenstreitwerts<br />
4. Tatbestand – Zeitformen beachten<br />
5. Rubrum<br />
Arbeitstechnik<br />
- Schreibstil (verständliche Sprache, flüssig und spannend)<br />
- Entscheidungsgründe gliedern, Absätze, Nummern!<br />
- „Zwar-aber–Stil“ vermeiden, mögliches Stilmittel, wenn knapp<br />
- äußere Gestaltung: ordentlich, übersichtlich, verständliche Sprache, lesbare<br />
Schrift, ausreichend Rand!!!<br />
- Zitate vermeiden, da das Berufen auf Autoritäten die eigene Argumentation<br />
nicht ersetzt<br />
- erst am Ende durchnummerieren<br />
5
6<br />
E) Tenor, Tatbestand und Rubrum<br />
I. Tenor und Rubrum<br />
1. Die Beklagte zu 3 wird verurteilt, an die Kläger<strong>in</strong> 5.000 € nebst Z<strong>in</strong>sen hieraus <strong>in</strong><br />
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basisz<strong>in</strong>ssatz seit dem 16.<br />
Februar 2012 zu zahlen.<br />
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 3 verpflichtet ist, der Kläger<strong>in</strong><br />
sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, letztere soweit sie nach dem<br />
11. Mai 2012 entstehen, aus dem Unfall vom 5. April 2011 vor dem<br />
Haupte<strong>in</strong>gang des Mart<strong>in</strong>-Gropius-Krankenhauses <strong>in</strong> Dippoldiswalde zu zahlen,<br />
soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte<br />
übergehen.<br />
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.<br />
4. Die Gerichtskosten tragen die Kläger<strong>in</strong> zu 2/3, die Beklagte zu 3 zu 1/3. Von<br />
den außergerichtlichen Kosten der Kläger<strong>in</strong> trägt die Beklagte zu 3 1/3. Die<br />
außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 2 trägt die Kläger<strong>in</strong>. Im<br />
Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.<br />
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger<strong>in</strong> jedoch nur gegen<br />
Sicherheitsleistung <strong>in</strong> Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.<br />
Die Kläger<strong>in</strong> darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung <strong>in</strong> Höhe von<br />
120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn<br />
nicht zuvor der Beklagte zu 1 oder 2 Sicherheit <strong>in</strong> Höhe von 120 % des jeweils<br />
zu vollstreckenden Betrages leistet.<br />
Beschluss: Der Gebührenstreitwert wird auf 6.000 € festgesetzt.<br />
II. Tatbestand<br />
E<strong>in</strong>leitungssatz = Präsens<br />
Die Kläger<strong>in</strong> nimmt die Beklagten…. aus e<strong>in</strong>em Unfall <strong>in</strong> Anspruch.<br />
Unstreitiger Sachverhalt = Imperfekt<br />
Am 5. April 2011 beförderte der Beklagte zu 2 als Fahrer des Taxiunternehmens des<br />
Beklagten zu 1 unter anderem die Kläger<strong>in</strong> auf dem Beifahrersitz und die<br />
Beklagte zu 3 im Fond e<strong>in</strong>es Großraumtaxis zum Haupte<strong>in</strong>gang des Mart<strong>in</strong>-Gropius-<br />
Krankenhauses <strong>in</strong> Dippoldiswalde, <strong>in</strong> welchem die Kläger<strong>in</strong> und die Beklagte zu 3<br />
tagesstationär behandelt wurden. Nach der Ankunft blieb der Beklagte zu 2 sitzen,<br />
die Kläger<strong>in</strong> und die Beklagte zu 3 stiegen aus. Nachdem die Beklagte zu 3<br />
ausgestiegen war, schob sie die Schiebetür zu. Danach war die Kuppe des rechten<br />
Daumens der Kläger<strong>in</strong> abgetrennt, die Kläger<strong>in</strong> fiel um und lag blutüberströmt auf<br />
dem Boden. Die Beklagte zu 3 half der Kläger<strong>in</strong> und tröstete diese sofort.<br />
Die Daumenkuppe konnte nicht wieder angenäht werden. Der Daumen musste<br />
operativ an der F<strong>in</strong>gerkuppe abgestumpft werden. Dabei kam es zu e<strong>in</strong>em<br />
vollständigen Verlust des Nagelbettes. Die Kläger<strong>in</strong> hat nach wie vor Schmerzen am<br />
Daumenstumpf und ist dort berührungsempf<strong>in</strong>dlich. Bei Belastung kommt es zu<br />
Schmerzen an den F<strong>in</strong>gerstrecksehnen. Die Kläger<strong>in</strong> leidet trotz mehrmonatiger<br />
psychiatrischer Therapie an anhaltenden vorfallbed<strong>in</strong>gten Depressionen und<br />
massiven Angst- und Panikattacken. Ihr drohen künftig aufgrund der Verletzung<br />
weitere Schäden.<br />
Die Beklagte zu 3 hat seit 12. Januar 2009 e<strong>in</strong>en Betreuer, Herrn Gunter Gratzke,<br />
Bahndamm 15, 01728 Bannewitz.<br />
Die Kläger<strong>in</strong> hält e<strong>in</strong> Schmerzensgeld von 5.000 € für angemessen.<br />
6
7<br />
Streitiger Klägervortrag = Konjunktiv<br />
Die Kläger<strong>in</strong> behauptet, sie habe ihre Hand beim Zuschieben durch die Beklagte zu 3<br />
<strong>in</strong> der Tür gehabt – <strong>in</strong>soweit bestreitet lediglich die Beklagte zu 3 nicht –, was die<br />
Beklagte zu 3 habe sehen können und was zum Abtrennen der Daumenkuppe<br />
geführt habe. Das Zuschieben der Tür sei für die Kläger<strong>in</strong> völlig überraschend<br />
gekommen. Die Beklagte zu 3 sei voll deliktsfähig.<br />
Die Kläger<strong>in</strong> me<strong>in</strong>t, der Beklagte zu 2 habe die Kläger<strong>in</strong> und die Beklagte zu 3 beim<br />
Aussteigen beaufsichtigen müssen. Der Beklagte zu 1 habe für e<strong>in</strong> Verschulden<br />
se<strong>in</strong>er Mitarbeiter e<strong>in</strong>zustehen.<br />
Zuletzt gestellte Anträge: (bei Zeitnot Verweis auf )<br />
Die Kläger<strong>in</strong> beantragt:<br />
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
angemessenes Schmerzensgeld nebst Z<strong>in</strong>sen <strong>in</strong> Höhe von 5 Prozentpunkten<br />
über dem jeweiligen Basisz<strong>in</strong>ssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.<br />
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet s<strong>in</strong>d,<br />
der Kläger<strong>in</strong> sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, letztere soweit sie<br />
nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen, aus dem Unfall vom 5. April<br />
2011 vor dem Haupte<strong>in</strong>gang des Mart<strong>in</strong>-Gropius-Krankenhauses <strong>in</strong><br />
Dippoldiswalde zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf<br />
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen s<strong>in</strong>d.<br />
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.<br />
Streitiger Beklagtenvortrag = Konjunktiv<br />
Die Beklagte zu 3 behauptet, die Kläger<strong>in</strong> habe erkennen können, dass die Beklagte<br />
zu 3 dabei gewesen sei, die Tür des Taxis zu schließen. Die Beklagte zu 3 selbst<br />
habe nicht gesehen, dass die Kläger<strong>in</strong> ihre Hand <strong>in</strong> der Tür hatte.<br />
Prozessgeschichte = Perfekt<br />
Die Klage wurde den Beklagten am 15. Februar 2012 zugestellt. Das Gericht hat die<br />
die Beklagte zu 3 betreffende Betreuungsakte XVII 325/08 des Amtsgericht<br />
Dippoldiswalde beigezogen und aufgrund des Beweisbeschlusses vom 11. Mai 2012<br />
Beweis erhoben über den Unfallhergang durch uneidliche Vernehmung der<br />
Zeug<strong>in</strong>nen Rita Riese und Monika Hölter. Wegen des Ergebnisses der<br />
Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11. Mai 2012 Bezug<br />
genommen. (Das Gericht hat die Kläger<strong>in</strong> auf ihren Antrag h<strong>in</strong> nicht als Partei<br />
vernommen. – Nur, wenn entscheidungsrelevant – das war der Antrag allerd<strong>in</strong>gs bei<br />
dem o.g. Lösungsvorschlag nicht.)<br />
Bezugnahme:<br />
Wegen der weiteren E<strong>in</strong>zelheiten des Vorbr<strong>in</strong>gens wird auf die gewechselten<br />
Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2012<br />
Bezug genommen.<br />
F) Schlusskontrolle<br />
1. Ist die Entscheidung vollständig, ist der Bearbeitervermerk vollständig<br />
„abgearbeitet“?<br />
2. Deckt sich der Tenor mit dem materiell-rechtlichen Ergebnis?<br />
7
8<br />
III. H<strong>in</strong>weise<br />
G) Typische Fehler <strong>in</strong> den Entscheidungsgründen der Urteilsklausur<br />
fehlende Obersätze: Was wird gerade geprüft?<br />
Obersatz steht mit den nachfolgenden Ausführungen <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Zusammenhang<br />
fehlende Anspruchsgrundlage: sie ist zentraler Ausgangspunkt und muss daher<br />
vorangestellt sowie systematisch geprüft werden; Argumentation im "luftleeren<br />
Raum" vermeiden – Schwerpunkte setzen<br />
fehlende Arbeit am Gesetz: Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage<br />
herausarbeiten, Vorlage im konkreten Fall prüfen; sauber subsumieren<br />
Wiederholen von Sachverhalt und evtl. Zeugenaussagen <strong>in</strong> den<br />
Entscheidungsgründen<br />
ungenaue Zitate: Normen genau (Absatz, Satz, ggf. Halbsatz) zitieren<br />
vernachlässigen der Rechtsansichten der Parteien: oft versteckte "W<strong>in</strong>ke" des<br />
Aufgabenstellers für Argumentationsschwerpunkte<br />
fehlende Begründung der Nebenentscheidungen: <strong>in</strong>sbesondere bei Z<strong>in</strong>sen auf<br />
Z<strong>in</strong>ssatzhöhe achten, für Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit<br />
reicht zwar grundsätzlich das Zitat der Normen, soweit unproblematisch; aber hier<br />
war die Kostenentscheidung nach der Baumbach'schen Kostenformel zu<br />
begründen, da die Entscheidung sonst nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist<br />
Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit: für e<strong>in</strong>e verständliche und<br />
systematische Gliederung der Entscheidungsgründe sorgen; das Urteil sollte auch<br />
für e<strong>in</strong>en Laien verständlich se<strong>in</strong>: klare, verständliche Sprache, Füllwörter<br />
vermeiden<br />
Die Lösung ist nicht str<strong>in</strong>gent, der gewählte Lösungsansatz wird nicht konsequent<br />
verfolgt.<br />
Ause<strong>in</strong>anderfallen von Begründung und Tenor (vgl. Schlusskontrolle)<br />
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