J. Jungbauer: Partnerschaft und Bindung (pdf, 163.4 kb)
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KatHO NRW Aachen Köln Münster Paderborn<br />
<strong>Partnerschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong><br />
bei schizophren erkrankten Menschen<br />
Vortrag auf der Fachtagung „<strong>Bindung</strong>sorientierung in der Sozialen Arbeit“<br />
KatHO NRW, Abt. Aachen am 11./12.1.2013<br />
Prof. Dr. Johannes <strong>Jungbauer</strong><br />
Zum Forschungsstand<br />
<strong>Partnerschaft</strong>srate wird auf 19 bis 33 % geschätzt (<strong>Jungbauer</strong> et al.,<br />
2004; Kilian et al., 2001; Schulze Mönking, 2005)<br />
Oft unerfüllter Wunsch nach <strong>Partnerschaft</strong> <strong>und</strong> Kindern bei<br />
jüngeren Betroffenen (<strong>Jungbauer</strong> et al., 2008; Krumm, 2012)<br />
Stabile Paarbeziehungen am ehesten bei leichter bis mittelschwerer<br />
Beeinträchtigung des Betroffenen (Häfner, 2005; <strong>Jungbauer</strong>, 2002)<br />
Erhöhtes Risiko für Beziehungsstörungen <strong>und</strong> -abbrüche<br />
Häufig unsichere <strong>Bindung</strong>smuster (Berry et al., 2008)<br />
1
Rahmenstudie<br />
DFG-Projekt „Schizophrenie <strong>und</strong> Elternschaft -<br />
Belastungen <strong>und</strong> Bewältigungsstrategien in Familien mit<br />
einem psychisch kranken Elternteil“<br />
Förderzeitraum 1.1.2007 bis 31.7.2010<br />
Leitung: Prof. Dr. Albert Lenz; Prof. Dr. Johannes <strong>Jungbauer</strong><br />
(Kath. Hochschule Nordrhein-Westfalen, Paderborn / Aachen)<br />
Wiss. Mitarbeiterin: Dr. Juliane Kuhn<br />
Fragestellungen der Teilstudie:<br />
Lebenssituation (<strong>Partnerschaft</strong> / Familie)<br />
Beziehungsgestaltung <strong>und</strong> <strong>Partnerschaft</strong>szufriedenheit<br />
<strong>Bindung</strong>smuster <strong>und</strong> Beziehungserwartungen<br />
Lebenssituation schizophren erkrankter Patienten<br />
Männer Frauen Gesamt<br />
Allein lebend 94 (42,3%) 62 (41,9%) 156 (42,2%)<br />
Mit Partner 16 (7,2%) 16 (10,8%) 32 (8,6%)<br />
Mit Partner <strong>und</strong> Kind(ern) 8 (3,6%) 15 (10,1%) 23 (6,3%)<br />
Alleinerziehend 2 (0,9%) 16 (10,8%) 18 (4,9%)<br />
In Herkunftsfamilie 55 (24,8%) 23 (15,5%) 78 (21,1%)<br />
Betreute Wohnform 39 (17,6%) 13 (8,8%) 52 (14,1%)<br />
Sonstige Lebenssituation 8 (3,6%) 3 (2,0%) 11 (3,0%)<br />
Gesamt 222 (100%) 148 (100%) 370 (100%)<br />
(<strong>Jungbauer</strong>, Kuhn & Lenz, 2011)<br />
2
Auswirkungen auf die Paarbeziehung<br />
„Wir leben immer mit der Gefahr, dass ich urplötzlich mal<br />
wieder einen Schub habe.“<br />
37-jährige schizophrene Patientin<br />
Auswirkungen auf die Paarbeziehung<br />
„Die Krankheit hat ihn total verändert, <strong>und</strong> demzufolge auch<br />
unsere Ehe, die Familie, mich, <strong>und</strong> das ganze Umfeld.“<br />
Ehepartnerin eines 42-jährigen schizophrenen Patienten<br />
3
Belastungen der Partner<br />
Subkategorie<br />
Persönlichkeitsveränderung<br />
Verschlechterung<br />
der Paarbeziehung<br />
Alltagsbelastung<br />
Trennungsgedanken<br />
Verpflichtung <strong>und</strong><br />
Verantwortung<br />
Veränderte Rollen<br />
als Eltern<br />
Ankerbeispiel<br />
„Ich erkenne sie ja kaum wieder. Das ist nicht mehr<br />
die Frau, die ich damals geheiratet habe.“<br />
„Unsere Ehe hat dadurch sehr gelitten. Ich fürchte, es<br />
wird auch nicht mehr besser mit uns.“<br />
„Alles bleibt an mir hängen, Arbeit, Haushalt, Kinder.<br />
Also, das schlaucht schon ganz schön.“<br />
Ja, Scheidung – daran denkt man schon öfter mal.“<br />
„Ich kümmere mich um sie, weil da trotz allem auch<br />
irgendwo ein Zusammenhalt ist.“<br />
„Ich bin quasi wie alleinerziehend, weil er als Vater ja<br />
nichts mehr macht.“<br />
(<strong>Jungbauer</strong> et al., 2011)<br />
Subskalen des PFB (T-Werte)<br />
58<br />
56<br />
54<br />
55,6 *<br />
54,9<br />
Patienten<br />
Partner<br />
Norm (T=50)<br />
52<br />
50<br />
48<br />
46<br />
50,0 50,0<br />
50,0 50,0<br />
48,4<br />
48,0<br />
48,5 48,5<br />
46,1<br />
46,6<br />
Streitverhalten Gemeinsamkeit / Zärtlichkeit Gesamt<br />
Kommunikation<br />
(<strong>Jungbauer</strong> et al., im Druck)<br />
4
BFPE-Skalen von Patienten <strong>und</strong> Partnern<br />
z-Wert<br />
0,75<br />
0,5<br />
0,73*<br />
Patienten Partner Norm<br />
0,35<br />
0,25<br />
0<br />
0,01<br />
0<br />
0,09<br />
0<br />
0,08<br />
0<br />
-0,25<br />
-0,5<br />
-0,58*<br />
-0,75<br />
Akzeptanzprobleme<br />
Öffnungsbereitschaft<br />
Zuwendungsbedürfnis<br />
(<strong>Jungbauer</strong> et al., im Druck)<br />
<strong>Bindung</strong>smuster von Patienten <strong>und</strong> Partnern (BFPE)<br />
%<br />
35<br />
30<br />
28,6<br />
Patienten Partner Norm<br />
32,7*<br />
25<br />
20<br />
22,2<br />
20,6<br />
22,2 21,3<br />
18,4<br />
22,2<br />
19,5<br />
16,3<br />
22,2 21,6<br />
16,8<br />
15<br />
10<br />
11,1<br />
5<br />
4,1*<br />
Bedingt sicher<br />
Sicher<br />
Ambivalentverschlossen<br />
Ambivalentanklammernd<br />
Vermeidendverschlossen<br />
(<strong>Jungbauer</strong> et al., im Druck)<br />
5
Zusammenfassung<br />
Vergleichsweise geringe <strong>Partnerschaft</strong>s- <strong>und</strong> Elternschaftsrate<br />
bei schizophren erkrankten Menschen<br />
Gravierende Auswirkungen der Erkrankung auf die <strong>Partnerschaft</strong><br />
Häufig unsichere <strong>Bindung</strong>smuster bei erkrankten Partnern<br />
Im Mittel geringe <strong>Partnerschaft</strong>szufriedenheit <strong>und</strong> erhöhtes Risiko<br />
für Beziehungsprobleme (Konflikte, Entfremdung, Trennung)<br />
Trotzdem sind bestehende Paarbeziehungen oft erstaunlich stabil.<br />
Hypothese: Komplementäre Beziehungsmuster / Normalisierung?<br />
Schlussfolgerungen für die Praxis<br />
Paarbeziehung als wichtige Ressource für schizophren Erkrankte<br />
<strong>Partnerschaft</strong>sprobleme <strong>und</strong> -konflikte können sich negativ auf<br />
den Erkrankungsverlauf auswirken (⇒ high expressed emotion)<br />
<strong>Bindung</strong>ssensible Beziehungsarbeit in der Psychiatrie<br />
Spezifische Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote (z.B. Ehe- bzw.<br />
Paarberatung, Partnergruppen, Elternkurse)<br />
Unterstützung bei positiver Gestaltung der Paarbeziehung<br />
(Konstruktive Kommunikationsmuster, Empathie, Wertschätzung)<br />
Entwicklung gemeinsamer Strategien der Krankheits-, Alltags<strong>und</strong><br />
Problembewältigung („dyadisches Coping“)<br />
6