Gutachten - Sachsen-Anhalt
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Ingolf Deubel<br />
Der kommunale<br />
Finanzausgleich in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
Bestandsaufnahme und Perspektiven bis zum Jahr 2020<br />
Bad Kreuznach 2012
Bad Kreuznach, 23. April 2012<br />
Erweitertes und zusammenfassendes Vorwort<br />
Das Land <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bereitet sich seit geraumer Zeit finanzpolitisch konsequent<br />
auf das Jahr 2020 vor. Bis dahin wird die Sonderförderung des Bundes und aus Europa<br />
zur finanziellen Unterstützung bei der Überwindung der Folgen der deutschen<br />
Teilung weitgehend ausgelaufen und die Einwohnerzahl des Landes nochmals deutlich<br />
zurückgegangen sein.<br />
Für die neuen Länder und damit auch <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bedeutet diese Perspektive<br />
keinen Absturz ins Bodenlose, sondern vielmehr ein Ankommen in der finanzpolitischen<br />
Normalität. Die Finanzausstattung des Landes <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und seiner<br />
Kommunen wird im Jahr 2020 weitgehend der entsprechen, mit der heute schon die<br />
finanzschwächeren alten Flächenländer wie Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und<br />
Schleswig-Holstein ihre Haushalte gestalten müssen.<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> geht diesen Weg in die finanzpolitische Normalität nicht alleine, sondern<br />
auch die anderen steuerschwächeren neuen Flächenländer wie Mecklenburg-<br />
Vorpommern, <strong>Sachsen</strong> und Thüringen müssen bis zum Jahr 2020 vergleichbare Aufgaben<br />
lösen. Dies gilt sowohl für die Landesebene, als auch für die Kommunen.<br />
Das Land <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> hat die Finanzausstattung seines kommunalen Finanzausgleichs<br />
vor zwei Jahren von den im Konjunkturverlauf schwankenden Steuereinnahmen<br />
des Landes abgekoppelt und orientiert sich stattdessen am Leitbild eines<br />
aufgabenorientierten Finanzausgleichs.<br />
Das Finanzausgleichsvolumen insgesamt und seine Aufteilung in steuerkraftunabhängige<br />
und steuerkraftabhängige Bestandteile, die Höhe der Dotierungen im übertragenen<br />
und im eigenen Wirkungskreis, sowie die Verteilung der Mittel unter den<br />
kommunalen Gruppen richten sich seither nach den tatsächlichen Ausgaben und<br />
Einnahmen der jeweiligen Vorjahre. So sind für die Berechnung des Finanzausgleichsvolumens<br />
für das Jahr 2012 die durchschnittlichen tatsächlichen Ausgaben<br />
und Einnahmen der Jahre 2008 – 2010 nahezu 1:1 als Maßstab übernommen, zwischenzeitliche<br />
Entwicklungen allerdings konsequent ausgeblendet worden.<br />
Die öffentlichen Diskussionsbeiträge aus einzelnen Kommunen und im Landtag zum<br />
Doppelhaushalt 2012/13 haben allerdings verdeutlicht, dass mit diesem rein vergangenheitsorientiert<br />
angelegten Verfahren die verfassungsrechtliche Vorgabe im Artikel<br />
88 Abs. 1 der Landesverfassung „das Land sorgt dafür, dass die Kommunen über<br />
Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich<br />
sind“ noch nicht in zufriedenstellender Form umgesetzt worden ist.<br />
2
Der Landtag hat deshalb das ursprünglich für zwei Jahre geplante Finanzausgleichsgesetz<br />
nur für das laufende Jahr 2012 beschlossen und die Landesregierung beauftragt,<br />
für das Jahr 2013 ein geändertes Finanzausgleichsgesetz vorzulegen.<br />
Dieses zeitlich vorgelagerte <strong>Gutachten</strong> zum kommunalen Finanzausgleich in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
hat deshalb zum Ziel, die Fragen zur Angemessenheit des Finanzausgleichsvolumen<br />
selbst, seiner Verteilung unter den kommunalen Gruppen und zum<br />
angemessenen Ausgleich zwischen steuerstarken und steuerschwachen Kommunen<br />
zu untersuchen und entsprechende Veränderungsvorschläge zu erarbeiten.<br />
Bei diesem Auftrag ging es nicht nur darum, konkrete Vorschläge für die Gestaltung<br />
des FAG 2013 zu unterbreiten, sondern Lösungen vorzulegen, die für den gesamten<br />
Zeitraum bis zum Jahr 2020 tragfähig sind.<br />
Um die Fragen der Angemessenheit des Finanzausgleichsvolumens und seiner Aufteilung<br />
auf die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum auch empirisch zu<br />
untermauern, bot es sich an, über die Grenzen des Landes <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> hinaus<br />
zu schauen. Die Kommunen in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-<br />
Holstein arbeiten heute bereits unter den finanziellen Rahmenbedingungen, die für<br />
die neuen Länder erst im Jahr 2020 gelten werden.<br />
Die finanzschwächeren neuen Länder Mecklenburg-Vorpommern, <strong>Sachsen</strong> und Thüringen<br />
müssen sich genauso wie <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> dieser gewaltigen Herausforderung<br />
zur Anpassung ihrer Strukturen stellen. Die eine Vergleichsgruppe steht somit für die<br />
finanziellen Rahmenbedingungen des Zieljahres 2020 und die andere Vergleichsgruppe<br />
für den bis dahin noch zu bewältigenden schwierigen und steinigen Weg.<br />
Die direkten Vergleiche mit den beiden Ländergruppen haben zu sehr ähnlichen Ergebnissen<br />
geführt. Sowohl beim Land, als auch auf der kommunalen Ebene werden<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> für die laufende Aufgabenerfüllung deutlich mehr Finanzmittel eingesetzt<br />
als in den Vergleichsländern.<br />
Auf die Einwohnerzahl von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bezogen lag der durchschnittliche<br />
lfd. Mehrbedarf in den Jahren 2008 – 2010 (bei Außerachtlassung der Unterschiede<br />
im Einzelplan 4 „Soziale Sicherung“) um 220 Mio. Euro bzw. rd. 6,7%<br />
höher als in den neuen Vergleichsländern und sogar um 379 Mio. Euro bzw.<br />
12,2% über dem Wert für die alten Vergleichsländer.<br />
Nachdem der Abstand innerhalb des Zeitraums von 2008 bis 2010 erheblich verkleinert<br />
werden konnte, hat er sich rein rechnerisch nach den Ergebnissen der vorläufigen<br />
Kassenstatistik des Jahres 2011 wieder stark vergrößert. Während nämlich der<br />
Zuschussbedarf pro Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> gegenüber dem Jahr 2010 um<br />
5,14% anstieg, waren es in NI/RP/SH 2,42% und in MV/SN/TH sogar nur 1,24%. Unter<br />
Zuschussbedarf wird dabei die Differenz zwischen lfd. Ausgaben und lfd. Einnahmen<br />
(ohne Nettosteuereinnahmen und lfd. Nettozuweisungen vom Land innerhalb<br />
und außerhalb des FAG) verstanden.<br />
3
Allerdings ist dafür offensichtlich kein Nachlassen in den besonderen Konsolidierungsanstrengungen<br />
der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> verantwortlich, sondern diese<br />
Entwicklung ist durch gut identifizierbare Sonderfaktoren (Basiseffekt aus dem<br />
Jahr 2010 und neue bzw. übertragene Aufgaben in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> einschließlich<br />
ihrer Refinanzierung in 2011) verursacht worden.<br />
Bereinigt man die Entwicklung der Zuschussbedarfe pro Einwohner der Kommunen<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in den Jahren 2010 und 2011 um diese Sonderfaktoren, so ergibt<br />
sich nämlich die folgende Entwicklung:<br />
2008: 1.216 Euro 2009: 1.279 Euro (+ 5,19%)<br />
2010: 1.298 Euro (+ 1,51%) 2011: 1.291 Euro (- 0,55%)<br />
Die Bestätigung für die Richtigkeit und Notwendigkeit dieser Bereinigungen ist insbesondere<br />
bei einem Vergleich der Entwicklung der Personalausgaben in den einzelnen<br />
Ländern gut nachvollziehbar. Die Steigerungsraten der Personalausgaben im<br />
Jahr 2011 gegenüber dem Jahr 2010 betrugen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> nämlich lediglich<br />
0,19%, in NI/RP/SH dagegen 3,08% und auch in MV/SN/TH immerhin noch 1,92%.<br />
Damit weisen die Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> auch im Jahr 2011 (wie schon<br />
im Vorjahr) bei den Personalausgaben mit großem Abstand die geringste Steigerungsrate<br />
aller 13 Flächenländer auf. Platz 2 erreichten mit einem Zuwachs<br />
von 1,42% die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern und an Platz 3 lagen<br />
die Kommunen in Rheinland-Pfalz mit einer Steigerungsrate von 1,88%.<br />
Da allerdings die Einwohnerzahl in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> (jeweils am 30.6. gemessen) von<br />
2010 auf 2011 um 0,93% zurückging, in den Vergleichsländern NI/RP/SH jedoch nur<br />
um 0,07% und in MV/SN/TH um 0,47%, relativiert sich der Abstand bei einer Betrachtung<br />
der Entwicklung der Personalausgaben pro Einwohner etwas, bleibt aber<br />
immer noch bemerkenswert hoch.<br />
Die Zuwächse der Personalausgaben pro Einwohner lagen im Jahr 2011 in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> bei 1,13%, in NI/RP/SH bei 3,15% und in MV/SN/TH bei 2,40%. Hätte sich der<br />
Zuwachs der Personalausgaben pro Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> so entwickelt wie<br />
in den westlichen Vergleichsländern, lägen die Personalausgaben der Kommunen in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2011 um 25,5 Mio. Euro höher. Auch beim Vergleich mit den<br />
östlichen Vergleichsländern hat sich immerhin noch eine relative Einsparung um 16,8<br />
Mio. Euro ergeben.<br />
Die relativen Einsparungen zu den Vergleichsländern beschränkten sich aber<br />
nicht nur auf die Personalausgaben, sondern waren auch im Bereich des sächlichen<br />
Verwaltungs- und Betriebsaufwandes und der Zinsausgaben (als direkter<br />
Folge des Entschuldungsprogramms STARK II) feststellbar. Insgesamt<br />
ergaben sich im Haushaltsjahr 2011 in diesen drei Bereichen relative Einsparungen<br />
gegenüber den westlichen Vergleichsländern von 37,4 Mio. Euro und<br />
sogar von 38,6 Mio. Euro gegenüber den östlichen Vergleichsländern.<br />
4
An dieser Entwicklung wird sehr deutlich, dass die Gebietsreform in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> (die in anderen Ländern bereits deutlich früher stattgefunden hat) nunmehr<br />
auch finanziell zu wirken beginnt. Bei einer konsequenten Fortsetzung<br />
dieser Konsolidierungsstrategie in den sachsen-anhaltischen Kommunen und<br />
einer entsprechenden Unterstützung beim Abbau von Konsolidierungshemmnissen<br />
durch das Land erscheint es deshalb durchaus möglich, die Differenz<br />
zu den Vergleichsländern bis zum Jahr 2020 vollständig abzubauen.<br />
Dafür ist es notwendig, die kommunalen Zuschussbedarfe pro Einwohner real konstant<br />
zu halten, d.h. sie dürfen nur im Umfang der Preissteigerungsrate, d.h. jährlich<br />
maximal um rd. 1,5% zunehmen. Die Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> befinden<br />
sich also seit dem Jahr 2010 auf einem guten Weg.<br />
Damit die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können, muss der kommunale Finanzausgleich<br />
so gestaltet werden, dass er für die Finanzen der Kommunen insgesamt,<br />
aber auch jede einzelne Gemeinde und jeden der elf Landkreise eine stetige und<br />
planbaren Entwicklung für den gesamten Zeitraum bis zum Jahr 2020 absichert.<br />
Dabei sollen auch die konjunkturellen Schwankungen der kommunalen Steuereinnahmen<br />
ausgeglichen werden und die eigenen Einnahmeschwankungen beim Land<br />
dürfen keinen Einfluss auf das Finanzausgleichsvolumen haben.<br />
Zugleich muss sichergestellt werden, dass die Bedarfsermittlung für die einzelnen<br />
Kommunen und der finanzielle Ausgleich zwischen den Kommunen so erfolgen, dass<br />
im Ergebnis alle Gemeinden und Landkreise in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ihre Aufgaben in angemessener<br />
Weise wahrnehmen können.<br />
Im Ergebnis wird dem Land vorgeschlagen, am System des aufgabenorientierten<br />
Finanzausgleichs festzuhalten, aber diesen noch konsequenter als bisher<br />
umzusetzen. Da das bisherige Verfahren rein vergangenheitsorientiert angelegt war,<br />
wurden nämlich gar nicht die aufgabenorientierten Finanzbedarfe für das jeweilige<br />
Finanzausgleichsjahr ermittelt, sondern lediglich die tatsächlichen Einnahmen und<br />
Ausgaben für einen längst abgeschlossenen Zeitraum nachgehalten.<br />
Es wird deshalb vorgeschlagen, das bisherige Verfahren in geeigneter Weise zu ergänzen.<br />
Zum einen sollten die Zuführungen vom Vermögenshaushalt an den Verwaltungshaushalt<br />
und die Bedarfszuweisungen nicht mehr als laufende Einnahmen eingestuft<br />
werden.<br />
Zum anderen sollte der in der Vergangenheit festgestellte Finanzbedarf zukünftig um<br />
die Preissteigerungsraten, die Einwohnerentwicklung, die voraussichtlichen Steuereinnahmen,<br />
die Entwicklung der Zuweisungen durch das Land außerhalb des Finanzausgleichs<br />
sowie die finanziellen Auswirkungen der Veränderungen von Aufgaben<br />
und Leistungen korrigiert werden.<br />
Um dafür ein Bild zu verwenden: Das bisherige Verfahren ähnelt dem Versuch, ein<br />
Auto dadurch zu steuern, dass die Vorderscheibe und die Seitenscheiben zugehängt<br />
5
sind und ausschließlich in den Rückspiegel geschaut wird. Zukünftig sollten auch die<br />
Informationen verwendet werden, die sich bei einem Blick durch die Frontscheibe<br />
und die Seitenscheiben ergeben.<br />
Da beim bisherigen Verfahren nur der laufende Finanzbedarf ermittelt wurde und<br />
damit der Investitionsbedarf sowie der Ausgleich eventueller Altfehlbeträge völlig<br />
ausgeblendet blieben, sind auch hierfür entsprechende ergänzende Regelungen erforderlich.<br />
Dazu gehören insbesondere der Verzicht auf eine weitere Absenkung der<br />
Investitionspauschale und eine zusätzliche Unterstützung beim Abbau von Altfehlbeträgen<br />
durch das Land (analog zu STARK II). Es wird zudem vorgeschlagen, zukünftig<br />
auf die Erhebung der Krankenhausinvestitionsumlage zu verzichten.<br />
Der ergänzende Ländervergleich hat gezeigt, dass der bisherige lfd. Finanzbedarf<br />
der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> unangemessen hoch ist. Deshalb müssen<br />
bis zum Jahr 2020 durch die Kommunen selbst, aber natürlich auch durch<br />
das für die Gestaltung der Rahmenbedingungen verantwortliche Land, alle Anstrengungen<br />
unternommen werden, diesen Mehraufwand wieder zurück zu führen.<br />
Wenn die realen Zuschussbedarfe der Kommunen pro Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> bis zum Jahr 2020 konstant gehalten werden können (und so ist das<br />
oben beschriebene Fortschreibungsverfahren für das FAG aufgebaut), darf bis<br />
Ende des Jahrzehnts bei einem jährlichen realen gesamtwirtschaftlichen<br />
Wachstum von durchschnittlich rd. 1,5% ein vollständiger Abbau des Mehraufwands<br />
erwartet werden.<br />
Um diesen Konsolidierungspfad abzusichern, empfiehlt sich allerdings eine fortwährende<br />
Beobachtung der Entwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und in den Vergleichsländern.<br />
Ein darauf aufbauendes Benchmarking ist wiederum die Voraussetzung, damit<br />
ggf. sowohl durch das Land, als auch durch die Kommunen selbst nachgesteuert<br />
werden kann, indem z.B. Standards verändert werden oder nicht zwingend notwendige<br />
Aufgaben abgebaut werden. Noch besser wäre es natürlich, wenn es gelänge,<br />
die Kosteneffizienz der Aufgabenwahrnehmung weiter zu verbessern und in den<br />
nächsten Jahren zu den Ländern mit besonders effizient arbeitenden Kommunen<br />
aufzuschließen.<br />
Auch im horizontalen Finanzausgleich (also der Verteilung einer gegebenen<br />
Finanzausstattung zwischen den Kommunen) ist der vom Landesgesetzgeber<br />
gewünschte aufgabenorientierte Ansatz bei weitem noch nicht so umgesetzt,<br />
wie dies erforderlich wäre.<br />
Zum einen ist das bisherige Verfahren so komplex und rechenintensiv, dass es wohl<br />
nur sehr wenige Personen geben dürfte, die bereit und in der Lage sind, die einzelnen<br />
Rechenschritte nachzuvollziehen. Zum anderen wird das Ziel einer Aufgabenorientierung<br />
nicht konsequent verfolgt, sondern vielfach durchbrochen. Zudem „belohnt“<br />
das bisherige Verfahren die kommunalen Gruppen, die nur geringe Konsolidierungs-<br />
6
anstrengungen unternehmen und „bestraft“ andererseits die Gruppen, die sich verstärkt<br />
um Effizienz und gesunde Haushaltsstrukturen bemühen.<br />
Für die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse zwischen den drei kreisfreien Städten<br />
und dem kreisangehörigen Raum wird deshalb ein Verfahren vorgeschlagen, das<br />
solche systematischen Fehlanreize zukünftig auf ein Minimum reduzieren dürfte.<br />
Vermieden werden sollte zukünftig auch, die für die einzelnen kommunalen ermittelten<br />
Finanzbedarfe bei der Verteilung der allgemeinen Zuweisungen wieder zu konterkarieren.<br />
Anstatt die nach dem Abzug der steuerkraftunabhängigen Zuweisungen<br />
verbleibenden Mittel am Ende wieder in einem Topf zusammenzufassen und nach<br />
festen Quoten aufzuteilen, sollten sie getrennt bleiben, weil nur so das Ziel einer Aufgabenorientierung<br />
erreicht werden kann.<br />
Das bisherige Verfahren zur Ermittlung der Finanzbedarfe der einzelnen kreisangehörigen<br />
Gemeinden, kreisfreien Städte und Landkreise hat relativ wenig mit einer<br />
konsequenten Aufgabenorientierung zu tun, sondern deutlich mehr mit der Fortschreibung<br />
von empirisch nicht fundierten Festlegungen aus den neunziger Jahren.<br />
Um auch hier zu einer Aufgabenorientierung zu gelangen, ist eine genaue statistische<br />
Analyse der vorhandenen Bedarfsstrukturen unumgänglich. Im Ergebnis können<br />
die Fläche pro Einwohner und die Einwohnerzahl der kreisangehörigen Gemeinden<br />
(Hauptansatz) keine Unterschiede in den Finanzbedarfen (pro Einwohner) erklären<br />
(allenfalls als entlastende Faktoren), sehr wohl aber die Zahl der Kinder unter<br />
sechs Jahren, die Wahrnehmung mittelzentraler Aufgaben und die Schrumpfungsgeschwindigkeit<br />
der Einwohnerzahl.<br />
Deshalb wird vorgeschlagen, zukünftig auf den Hauptansatz und eine Verteilung<br />
von lfd. Zuweisungen nach der Fläche zu verzichten, den Ansatz für Mittelzentren<br />
beizubehalten und zusätzlich einen U6-Faktor einzuführen. Zur Abmilderung<br />
der besonderen Belastungen durch sehr schnell schrumpfende<br />
Einwohnerzahlen sollten zudem zukünftig nicht die aktuellen, sondern die jeweils<br />
höchsten Einwohnerzahlen der letzten drei oder fünf Jahre in den Finanzausgleich<br />
eingehen.<br />
Zur Aufgabenorientierung gehört auch, dass besonders steuerschwache Gemeinden<br />
und umlageschwache Landkreise (und Verbandsgemeinden) durch<br />
den Finanzausgleich in die Lage versetzt werden, ihre notwendigen Aufgaben<br />
bei effizienter Aufgabenerfüllung ohne Fehlbeträge zu finanzieren. Durch das<br />
bisherige Verteilungssystem ist dies nicht sichergestellt.<br />
Es wird deshalb vorgeschlagen, die Steuerkraft besonders steuerschwacher Gemeinden<br />
vorab um 80% der Differenz zu 80% des Durchschnitts aufzustocken, die<br />
Umlagekraftmesszahl der Landkreise auf den landesdurchschnittlichen Umlagesatz<br />
zu erhöhen, den Ausgleichsgrad im Finanzausgleich der Landkreise auf bis zu 90%<br />
festzulegen und eine allgemeine Finanzausgleichsumlage nach baden-württembergischen<br />
Vorbild einzuführen.<br />
7
Bisher wird zur Ermittlung der Steuerkraft, der Umlagegrundlagen und der Umlagekraft<br />
auf nicht mehr aktuelle und durch die tatsächliche Entwicklung häufig überholte<br />
Grundlagen zurückgegriffen.<br />
Als Folge dieses Verfahrens kommt es zu massiven Schwankungen der den einzelnen<br />
Gemeinden nach Finanzausgleich und Umlagen noch verbleibenden Mittel. In<br />
besonderen Einzelfällen entstehen dabei sogar negative Werte.<br />
Um zukünftig solche Schwankungen zu vermeiden, sollte die Steuerkraft möglichst<br />
zeitnah ermittelt werden. Umlagegrundlagen und Umlagekraft sollten sich aus der<br />
zeitnah ermittelten Steuerkraft und den allgemeinen Zuweisungen des Finanzausgleichsjahres<br />
errechnen und auch die Umlagen selbst auf dieser zeitnahen Basis<br />
erhoben werden.<br />
Neben den hier aufgeführten Veränderungsvorschlägen enthält diese Untersuchung<br />
natürlich auch noch einer Vielzahl weiterer Hinweise und Anregungen sowie umfangreiche<br />
statistische Darstellungen und Auswertungen, deren nähere Beschreibung<br />
den Charakter eines „Vorwortes“ allerdings vollends sprengen würde.<br />
Dieses <strong>Gutachten</strong> zum kommunalen Finanzausgleich in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ist nicht nur<br />
„im stillen Kämmerlein“ entstanden, sondern beruht auch in einem sehr starken Maße<br />
auf einer Vielzahl von Diskussionen mit Mitgliedern des Landtages und der Landesregierung.<br />
Dazu kamen mannigfaltige Gespräche mit Verantwortlichen der kommunalen Spitzenverbände,<br />
verschiedenen (Ober-) Bürgermeisterinnen und (Ober-) Bürgermeistern,<br />
Landräten und Mitgliedern von kommunalen Räten.<br />
In sechs regional angelegten finanzpolitischen Dialogen mit kommunalen Entscheidungsträgern<br />
in Halle, Stendal, Wernigerode, Naumburg, Köthen und Aschersleben<br />
und vielen weiteren Veranstaltungen und Diskussionsrunden war es möglich, unmittelbare<br />
Eindrücke und Hinweise zur aktuellen kommunalen Finanzsituation in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
zu sammeln und die mit der geplanten Fortentwicklung des Finanzausgleichs<br />
verbundenen Erwartungen und Probleme zu erörtern.<br />
Die intensiven Diskussionen und Eindrücke haben ganz maßgeblich dazu beigetragen,<br />
den Aufbau und die Inhalte dieser Untersuchung auf die in den Kommunen des<br />
Landes als besonders wichtig wahrgenommenen und formulierten Fragestellungen<br />
zu konzentrieren.<br />
Dennoch werden die Ergebnisse und Empfehlungen dieses <strong>Gutachten</strong>s sicherlich<br />
nicht allen damit verbundenen Erwartungen und Wünschen im kommunalen Raum<br />
und beim Land entsprechen können. Aber vielleicht kann diese Untersuchung dennoch<br />
einen Beitrag dazu leisten, die weitere Entwicklung des kommunalen Finanzausgleichs<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bis zum Jahr 2020 auf ein noch tragfähigeres Fundament<br />
zu stellen.<br />
Prof. Dr. Ingolf Deubel<br />
8
Gliederung<br />
1. Ergebnisse und zusammenfassende Empfehlungen .............................................. 15<br />
2. Die verfassungsrechtliche Vorgabe eines aufgabenbezogenen kommunalen<br />
Finanzausgleichs in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ....................................................................... 34<br />
3. Rahmenbedingungen für die Finanzausstattung des Landes <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
und seiner Kommunen bis zum Jahr 2020 im Ländervergleich ............................. 39<br />
4. Maßstäbe zur Bestimmung einer angemessenen Finanzausstattung ................... 44<br />
4.1. Tatsächliche oder notwendige Ausgaben? .................................................. 44<br />
4.2. Der laufende Finanzbedarf der Kommunen .................................................. 49<br />
4.3. Der investive Finanzbedarf der Kommunen ................................................. 56<br />
4.4. Abbau der Altfehlbeträge ............................................................................... 57<br />
5. Der vertikale Finanzausgleich ................................................................................. 58<br />
5.1. Das bisherige Verfahren zur Bestimmung der Finanzausgleichsmasse<br />
...................................................................................................................... 58<br />
5.2. Abgrenzung des lfd. Bedarfs ......................................................................... 63<br />
5.3. Konkretisierung des Kriteriums der Angemessenheit mit Hilfe eines<br />
Ländervergleichs ............................................................................................ 64<br />
5.4. Ein dynamisches Anpassungsmodell zur Bestimmung der angemessenen<br />
Finanzausgleichsmasse bis zum Jahr 2020 ...................................... 87<br />
5.5. Ein vereinfachtes und gut planbares Alternativmodell mit einer real<br />
konstanten Fortschreibung der Finanzbedarfe .......................................... 104<br />
5.6. Entwicklung des Landesanteils und der kommunalen Quote an den<br />
insgesamt in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zur Verfügung stehenden Deckungsmitteln<br />
bis zum Jahr 2020 ............................................................................ 111<br />
6. Der horizontale Finanzausgleich ........................................................................... 115<br />
6.1. Zur Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf Zuweisungstöpfe und<br />
kommunale Gruppen .................................................................................... 115<br />
6.1.1. Das bisherige Verfahren .................................................................. 115<br />
6.1.2. Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf kreisfreie<br />
Städte und den kreisangehörigen Raum im Ländervergleich ...... 119<br />
6.1.3. Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf kreisfreie<br />
Städte und den kreisangehörigen Raum im vereinfachten Alternativmodell<br />
.................................................................................. 125<br />
6.1.4. Zur Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises im<br />
kreisangehörigen Raum und bei den kreisfreien Städten ............ 129<br />
6.1.5. Zwischenfazit für das bisherige Berechnungsverfahren .............. 134<br />
6.2. Überblick über die wesentlichen Bestimmungen des horizontalen<br />
kommunalen Finanzausgleichs in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ................................... 135<br />
6.3. Anforderungen an ein rationales System zur Verteilung von nicht<br />
zweckgebundenen Zuweisungen an Gemeinden und Landkreise ........... 138<br />
6.4. Der horizontale Finanzausgleich auf der Ebene der Gemeinden ............. 142<br />
9
6.4.1. Das bisherige Verfahren .................................................................. 142<br />
6.4.2. Zur Aufteilung der allgemeinen Zuweisungen auf die kreisfreien<br />
Städte und den kreisangehörigen Raum ............................. 143<br />
6.4.3. Zur Bestimmung der Bedarfe .......................................................... 144<br />
6.4.4. Zur Bestimmung der Steuerkraft .................................................... 158<br />
6.4.5. Zur Festlegung der Ausgleichsquote ............................................. 163<br />
6.4.6. Stadt-Umland-Ausgleich ................................................................. 165<br />
6.5. Der horizontale Finanzausgleich auf der Ebene der Landkreise .............. 166<br />
6.5.1. Das bisherige Verfahren .................................................................. 166<br />
6.5.2. Zur Bestimmung der Bedarfe auf der Kreisebene......................... 167<br />
6.5.3. Zur Bestimmung der Umlagekraft .................................................. 169<br />
6.5.4. Zur Festlegung der Ausgleichsquote ............................................. 170<br />
6.6. Zur Aufteilung der Schlüsselmasse im kreisangehörigen Raum auf<br />
Gemeinden und Landkreise ......................................................................... 171<br />
6.7. Die Finanzierung der Verbandsgemeinden ................................................ 174<br />
6.7.1. Das bisherige Verfahren .................................................................. 174<br />
6.7.2. Überprüfung von Alternativen ........................................................ 175<br />
6.8. Finanzausgleichsumlagen ........................................................................... 182<br />
6.9. Zur Verteilung der steuerkraftunabhängigen laufenden Zuweisungen ... 188<br />
6.10. Zur Verteilung der Investitionspauschale ................................................ 190<br />
6.11. Übergangsregelungen ............................................................................... 193<br />
Tabellenverzeichnis ............................................................................................... 7<br />
Diagramme................................................................................................................. 10<br />
Literaturverzeichnis ........................................................................................... 196<br />
10
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1:<br />
Tabelle 2:<br />
Tabelle 3:<br />
Tabelle 4:<br />
Tabelle 5:<br />
Tabelle 6:<br />
Tabelle 7:<br />
Entwicklung der absoluten und relativen Finanzkraft der Gemeinden<br />
und des Landes <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bis zum Jahr 2020 im Ländervergleich<br />
................................................................................................ 40<br />
Definition und Ableitung der Zuschussbedarfe von kreisangehörigen<br />
Gemeinden und Kreisen auf der Basis der Rechnung des Jahres<br />
2009 ....................................................................................................... 53<br />
Ermittlung der Finanzausgleichsmasse für das Jahr 2012 nach der<br />
bisherigen Methode einschließlich der Ergänzungen durch den<br />
Landtag ....................................................................................................... 60<br />
Grunddaten zur Struktur des Zuschussbedarfs IV im Ländervergleich<br />
........................................................................................................... 69<br />
Struktur des Zuschussbedarfs IV pro Einwohner im Ländervergleich<br />
........................................................................................................... 70<br />
Unterschiede des Zuschussbedarfs IV in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> pro Einwohner<br />
zu den Vergleichsländern ............................................................ 71<br />
Unterschiede der lfd. Zuschussbedarfe in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zu den Vergleichsländern .............................................. 72<br />
Tabelle 8: Reine Ausgaben für Sozialhilfe 2009 im Ländervergleich ...................... 74<br />
Tabelle 9: Reine Ausgaben für Jugendhilfe 2009 im Ländervergleich .................... 75<br />
Tabelle 10: Kosten der Unterkunft 2009 im Ländervergleich ..................................... 75<br />
Tabelle 11: Vollzeitäquivalente pro 1000 Einwohner der Kommunalverwaltungen<br />
im Jahr 2010 (Kern- und Extrahaushalte zusammen) ...................... 77<br />
Tabelle 12: Personalabbau von 2009 auf 2010 ............................................................ 78<br />
Tabelle 13: Differenzen zwischen Realsteuerkraft und Realsteueraufkommen<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Vergleich zum Hebesatzniveau anderer Länder<br />
im Jahr 2010 ......................................................................................... 85<br />
Tabelle 14: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens<br />
bis zum Jahr 2020 (bei Anpassung an die Verhältnisse in<br />
NI/RP/SH) ..................................................................................................... 90<br />
11
Tabelle 15: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens<br />
bis zum Jahr 2020 (bei Anpassung an die Verhältnisse in NI/RP/SH<br />
ohne Gliederung 4) ..................................................................................... 91<br />
Tabelle 16: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens<br />
bis zum Jahr 2020 (bei Anpassung an die Verhältnisse in<br />
MV/SN/TH) ................................................................................................... 92<br />
Tabelle 17: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens<br />
bis zum Jahr 2020 (bei Anpassung an die Verhältnisse in<br />
MV/SN/TH ohne Gliederung 4) ................................................................... 93<br />
Tabelle 18: Modellrechnung zur dynamischen Nachsteuerung der Anpassungszuweisungen<br />
und der angemessenen lfd. Bedarfe ..................... 102<br />
Tabelle 19: Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes<br />
an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen<br />
Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter<br />
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020 ..... 106<br />
Tabelle 20: Veränderung des Realsteueraufkommens in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im<br />
Jahr 2010 bei Übernahme der Hebesätze von Vergleichsländern ........ 108<br />
Tabelle 21: Vergleich der Höhe und der Anteile an den Deckungsmitteln<br />
2008 – 2010 bei Land und Kommunen im Ländervergleich und der<br />
Entwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bis zum Jahr 2020 .............................. 112<br />
Tabelle 22: Vergleich der Anteile an den Deckungsmitteln pro Einwohner<br />
2008 – 2010 bei Land und Kommunen im Ländervergleich und der<br />
Entwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bis zum Jahr 2020 .............................. 113<br />
Tabelle 23: Durchschnittsbedarfe der Jahre 2008 – 2010 = „angemessene lfd.<br />
Bedarfe“ für das FAG 2012? .................................................................... 116<br />
Tabelle 24: Zuschussbedarfe IV der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen<br />
Raums in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Ländervergleich .............................. 120<br />
Tabelle 25: Kreisfreie Städte in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz,<br />
<strong>Sachsen</strong>, Schleswig-Holstein und Thüringen ........................................ 122<br />
Tabelle 26: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens<br />
der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raums bis zum<br />
Jahr 2020 ................................................................................................... 124<br />
Tabelle 27: (Teil 1) Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen<br />
des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen<br />
Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter<br />
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012<br />
bis 2020 ..................................................................................................... 127<br />
12
Tabelle 27: (Teil 2) Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen<br />
des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen<br />
Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter<br />
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012<br />
bis 2020 ..................................................................................................... 128<br />
Tabelle 28: Korrekturmöglichkeiten zur Berechnung der Auftragskostenpauschale<br />
........................................................................................................ 131<br />
Tabelle 29: Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes<br />
an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen<br />
Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter<br />
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020 ..... 133<br />
Tabelle 30: Normierungsverfahren für die Gewerbesteuer in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ...... 137<br />
Tabelle 31: Ausgangsgleichungen der Regressionsanalysen der Zuschussbedarfe<br />
der Rechnungen 2010 für die kreisangehörigen Einheits- und<br />
Verbandsgemeinden ................................................................................ 149<br />
Tabelle 32: Signifikante Parameterwerte der Regressionsanalysen für die Zuschussbedarfe<br />
der Rechnungen 2010 der kreisangehörigen Einheits-<br />
und Verbandsgemeinden .............................................................. 150<br />
Tabelle 33: Berechnungsschema für Bedarfsfaktoren ............................................. 155<br />
Tabelle 34: Mit der Situation in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> kompatible Hauptansätze für<br />
kreisfreie Städte anderer Länder ............................................................. 157<br />
Tabelle 35: Hebesätze der Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2010 ................ 159<br />
Tabelle 36: Die Folgen der zeitlich verzögerten und geglätteten Erfassung der<br />
Gewerbesteuerkraft im FAG 2012 ........................................................... 161<br />
Tabelle 37: Wirkungsweise des Finanzausgleichs zwischen den kreisfreien<br />
Städten ...................................................................................................... 164<br />
Tabelle 38: Signifikante Parameterwerte der Regressionsanalysen der Rechnung<br />
2010 der Zuschussbedarfe der Landkreise und ihrer Gemeinden<br />
..................................................................................................... 168<br />
Tabelle 39: Auswirkungen einer Erhöhung der Ausgleichsquote im Kreisfinanzausgleich<br />
im FAG 2012 von 70% auf 90% und des fiktiven Umlagesatzes<br />
von 35% auf 40% ................................................................... 170<br />
Tabelle 40: Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes<br />
an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen<br />
Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter<br />
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020 ..... 173<br />
13
Tabelle 41: Zuschussbedarfe V insgesamt pro Einwohner in der Rechnung<br />
2010 der Verbandsgemeinden ................................................................. 175<br />
Tabelle 42: Konsequenzen einer direkten Vergabe der allgemeinen Zuweisungen<br />
an die Verbandsgemeinden auf die Höhe der Umlage und die<br />
Finanzkraft der Mitgliedsgemeinden am Beispiel der VG Mansfelder<br />
Grund-Helbra ...................................................................................... 178<br />
Tabelle 43: Auswirkungen einer Aufstockung für steuerschwache Gemeinden,<br />
des Wegfalls des Hauptansatzes und der Beseitigung des Systemfehlers<br />
bei der Berechnung der Auftragskostenpauschale für Gemeinden<br />
unter 20.000 Einwohnern auf die Höhe der Verbandsumlage<br />
und die Finanzkraft der Mitgliedsgemeinden am Beispiel der<br />
Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra ....................................... 181<br />
Tabelle 44: Systematische Mängel im Verteilungsverfahren der Investitionspauschale<br />
in 2011 und in 2012 und ein Alternativverfahren ................. 192<br />
Tabelle 45: Überhänge für die Anrechnung der Gewerbesteuerkraft bei der<br />
Bestimmung der allgemeinen Zuweisungen und der Umlagegrundlagen<br />
sowie der allgemeinen Zuweisungen als Bestandteil der Umlagegrundlagen<br />
bei einem Systemwechsel im Jahr 2013 ..................... 194<br />
Diagramme<br />
Diagramm 1: Projektion der Entwicklung der Steuereinnahmen und der Nettozuweisungen<br />
vom Land in den Jahren 2012 – 2020 ............................ 94<br />
Diagramm 2:<br />
Projektion der Entwicklung der eigenen Steuerkraft und der Nettozuweisungen<br />
vom Land in den Jahren 2012 – 2020 im vereinfachten<br />
Alternativmodell mit real konstant fortgeschriebenen<br />
Finanzbedarfen ..................................................................................... 107<br />
14
1. Ergebnisse und zusammenfassende Empfehlungen<br />
In diesem Kapitel werden die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung und die<br />
Empfehlungen für die Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
zusammengefasst.<br />
Die wichtigsten Vorgaben für die Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> finden sich in den Artikeln 87 und 88 der Landesverfassung. Nach<br />
Artikel 87 Abs. 3 kann das Land den Kommunen durch Gesetz Pflichtaufgaben zur<br />
Erfüllung in eigener Verantwortung zuweisen und staatliche Aufgaben zur Erfüllung<br />
nach Weisung übertragen. Dabei ist gleichzeitig die Deckung der Kosten zu regeln<br />
und bei einer Mehrbelastung der Kommunen ein angemessener Ausgleich zu schaffen.<br />
Nach herrschender Meinung und in den meisten (aber nicht in allen) Ländern soll die<br />
Finanzierung der staatlichen Aufgaben nicht aus den eigenen Steuereinnahmen der<br />
Kommunen erfolgen, sondern durch steuerkraftunabhängige Zuweisungen. Um zu<br />
einem angemessenen Ausgleich zu kommen, muss folglich eine Quantifizierung der<br />
Mehrbelastungen aus übertragenen staatlichen Aufgaben erfolgen.<br />
Nach Artikel 88 Abs. 1 der Landesverfassung sorgt das Land dafür, dass die Kommunen<br />
über Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben<br />
erforderlich sind. Durch diese verfassungsrechtliche Regelung hat sich das Land<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> festgelegt, dass die Höhe der Finanzmittel nicht, wie in etlichen anderen<br />
Ländern, durch die Leistungsfähigkeit des Landes begrenzt wird. Der Begriff<br />
der „Angemessenheit“ beinhaltet allerdings auch das Gebot, die kommunalen Aufgaben<br />
so wahrzunehmen, wie es die allgemeinen Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit<br />
und Sparsamkeit erfordern.<br />
Eine Konkretisierung dieser Grundsätze erfolgt in § 2 Abs. 2 des FAG. Der Landesgesetzgeber<br />
hat hier die folgende Interpretation vorgenommen: „Maßstab der Bemessung<br />
der Landeszuweisungen sind die notwendigen Ausgaben bei effizienter<br />
Aufgabenerfüllung“. Für diese Untersuchung ergibt sich aus dieser Konkretisierung<br />
ein ganz wesentlicher Teil der Aufgabenstellung. Zu überprüfen ist nämlich, ob und<br />
wie die Vorgabe des Artikels 88 Abs. 1 b und die Konkretisierung im § 2 Abs. 2 des<br />
FAG bisher umgesetzt werden und welche Veränderungen ggf. erforderlich sind.<br />
Nach Artikel 88 Abs. 2 der Landesverfassung ist die unterschiedliche Finanzkraft der<br />
Kommunen angemessen auszugleichen. Auch in dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe<br />
taucht wieder der Begriff der „Angemessenheit“ auf. Darunter kann in diesem<br />
Zusammenhang eigentlich nur verstanden werden, dass nach dem kommunalen Finanzausgleich<br />
auch steuerschwache Gemeinden sowie Verbandsgemeinden und<br />
Kreise mit finanzschwächeren Gemeinden in die Lage versetzt sein müssen, ihre<br />
notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung finanzieren zu können.<br />
Dass in diesen Fällen die Einhaltung der Maßstäbe der „Notwendigkeit“ und der „Effizienz“<br />
noch kritischer und damit restriktiver beurteilt werden muss als für die Ge-<br />
15
samtheit der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ist bei der konkreten Umsetzung dieser<br />
Vorgaben schon rein logisch unvermeidlich.<br />
Zwischen den drei unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben bestehen<br />
Wechselwirkungen, die im Rahmen dieser Untersuchung zu beachten waren. Die<br />
nach der Vorgabe des Artikels 88 Abs. 1 zu sichernde angemessene gesamte Finanzausstattung<br />
der Kommunen muss auf der einen Seite die Mittel enthalten, die<br />
zur steuerkraftunabhängigen Finanzierung der Auftragskosten notwendig sind, auf<br />
der anderen Seite aber so verteilt werden, dass auch steuer- bzw. finanzschwache<br />
Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können.<br />
Dieser Gegensatz zwischen den Zielsetzungen der Artikel 87 Abs. 3 und 88 Abs. 2<br />
lässt sich bei starken Steuerkraftunterschieden zwischen den Kommunen nur auf<br />
zwei Arten auflösen. Entweder müssen die insgesamt durch das Land zur Verfügung<br />
gestellten finanziellen Mittel weit höher liegen, als es nach Artikel 88 Abs. 1 eigentlich<br />
erforderlich wäre oder mit Hilfe einer entsprechende Finanzausgleichsumlage werden<br />
auch steuerstarke Gemeinden in die Umsetzung des Artikels 88 Abs. 2 einbezogen.<br />
Mit Blick auf die weitere finanzielle Entwicklung des Landes bis zum Jahr 2020 wird<br />
schnell deutlich, dass <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> auf Dauer die besonders teure erste Variante<br />
gar nicht finanzieren könnte. Durch den Wegfall der Sonderfinanzierungen für die<br />
neuen Länder werden sich die Einnahmen des Landes und seiner Gemeinden<br />
von heute noch über 120% des Niveaus pro Einwohner der alten Flächenländer<br />
bis zum Jahr 2020 auf rd. 95% reduzieren, wobei dies zusätzlich voraussetzt,<br />
dass der föderale Finanzausgleich nach dem Jahr 2019 ohne allzu große Veränderungen<br />
fortgeführt wird.<br />
Da bis zum Jahr 2020 auch die für die Einnahmen des Landes im föderalen Finanzausgleich<br />
entscheidende Größe, nämlich die Einwohnerzahl, weiter deutlich zurückgehen<br />
dürfte, ist es zwingend notwendig, dass sich das Land und seine Kommunen<br />
rechtzeitig auf diese aus dem geltenden Recht ableitbaren Entwicklungen einstellen.<br />
Für alle öffentlichen Aufgaben sollten deshalb für den Anpassungszeitraum bis zum<br />
Jahr 2020 entsprechende Strategien entwickelt werden.<br />
Mit den Programmen STARK II und STARK III unterstützt das Land außerhalb<br />
des normalen Finanzausgleichs die Kommunen bei diesem schwierigen Anpassungsprozess.<br />
Bei einer kommunalen Verschuldung von 2,42 Mrd. Euro zum<br />
31.12.2011 bietet das Programm STARK II in den nächsten Jahren für mehr als die<br />
Hälfte dieser Schulden eine äußerst zinsgünstige Anschlussfinanzierung und eine<br />
zusätzlichen sofortigen Tilgungszuschuss von 30% der jeweiligen Restvaluta.<br />
Durch diese Tilgungszuschüsse und die Zinsersparnis werden die Kommunen<br />
nach Berechnungen der Investitionsbank <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, die das Programm<br />
abwickelt, bereits im Zeitraum bis zum Jahr 2020 um insgesamt 660 Mio. Euro<br />
und bis zum Jahr 2025 sogar um 865 Mio. Euro entlastet und können deshalb<br />
16
auf diese Weise ihre verbleibenden Investitionsschulden entsprechend reduzieren.<br />
Dazu kommen die anteiligen Tilgungszuweisungen bzw. Abschreibungszuweisungen<br />
innerhalb der Finanzausgleichsmasse, die nach den Modellrechnungen<br />
dieses <strong>Gutachten</strong>s alleine in den Jahren 2012 bis 2020 insgesamt ca. 1.701 Mio.<br />
Euro betragen würden. Einschließlich der ersparten Zinsen lassen sich auf diese<br />
Weise die bisher aufgelaufenen Investitionskredite der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
fast vollständig tilgen.<br />
Wenn es mit Hilfe des Landes in diesem Zeitraum durch ein mit STARK II vergleichbaren<br />
Programm (STARK IV) auch noch gelingen sollte, die bis zum<br />
31.12.2011 aufgelaufenen Kassenkredite von insgesamt 934 Mio. Euro abzubauen,<br />
könnten sich die Kommunen mit Hilfe des Landes bis zum Jahr 2020<br />
von ihren Altlasten aus Schulden weitgehend befreit haben und eine jährliche<br />
Zinsersparnis von insgesamt über 100 Mio. Euro realisieren.<br />
Altlasten entstehen aber nicht nur durch aufgehäufte Schulden, sondern auch durch<br />
unnötig hohe Bewirtschaftungskosten für kommunale Immobilien aufgrund schlechter<br />
Gebäudeunterhaltung, unzureichender Auslastung und veralteter Gebäudetechnik.<br />
Um auch diese Altlasten so weit wie möglich abzubauen, hat das Land das Programm<br />
STARK III entwickelt.<br />
Genau wie das Entschuldungsprogramm STARK II wird auch das Sanierungsprogramm<br />
STARK III außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs durchgeführt werden.<br />
Bis Ende des Jahrzehnts sollen (refinanziert aus EU-Mitteln) mit einem Investitionsaufwand<br />
von rd. 600 Mio. Euro alle Schulen und Kindertagesstätten in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong>, für die der Nachweis der Demografiefestigkeit erbracht wird, insbesondere<br />
energetisch saniert werden. Die dadurch realisierbaren Betriebskosteneinsparungen<br />
werden die kommunalen Haushalte unmittelbar und nachhaltig entlasten.<br />
Das Kernstück zur Sicherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommunen<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> über das Jahr 2020 hinaus ist natürlich der kommunale Finanzausgleich<br />
selbst. Für das Land und seine Kommunen ist es dabei äußerst wichtig, ein<br />
gemeinsames Verständnis zu haben, wie der Übergang in die finanzpolitische Normalität<br />
des Jahres 2020 in realistischer und umsetzbarer Form gestaltet werden<br />
kann.<br />
Mit dieser kurzen Darstellung des finanzpolitischen und des verfassungsrechtlichen<br />
Rahmens sowie der flankierenden Programme STARK II und STARK III ergeben sich<br />
zugleich die wesentlichen Untersuchungsgegenstände dieses <strong>Gutachten</strong>s zum<br />
kommunalen Finanzausgleich in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>.<br />
Die dabei diagnostizierten kritischen Punkte und die entsprechenden Änderungsempfehlungen<br />
werden in der folgenden Darstellung in Kurzform zusammengefasst:<br />
17
A. Ermittlung des Finanzausgleichsvolumens<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Das bisherige Verfahren ist fast ausschließlich vergangenheitsorientiert<br />
angelegt. Die bekannten oder zumindest gut abschätzbaren aktuellen<br />
und zukünftigen Entwicklungen innerhalb und außerhalb des kommunalen<br />
Finanzausgleichs bleiben bisher weitgehend unberücksichtigt.<br />
2. Das Ausblenden der im Finanzausgleichsjahr zu erwartenden kommunalen<br />
Steuereinnahmen kann sehr schnell zu entsprechenden konjunkturellen<br />
Schwankungen der Finanzausgleichsmasse führen.<br />
3. Das bisherige Verfahren erscheint (unnötigerweise) extrem rechenaufwändig.<br />
4. Die Abgrenzung der berücksichtigten Zuschussbedarfe entspricht zum<br />
Teil nicht der Zielsetzung einer Ermittlung der zur Deckung der lfd. Finanzbedarfe<br />
notwendigen Finanzausgleichsmasse. Dies betrifft vor allem<br />
- die Zuführungen vom Vermögenshaushalt,<br />
- die Einnahmen aus Bedarfszuweisungen<br />
- und das Niveau sowie die Veränderungen von Hebesätzen.<br />
5. Die durch die Verfassung vorgegebene Zielsetzung einer Ermittlung der<br />
„angemessenen“ Finanzausgleichsmasse wird bisher nicht erfüllt, sondern<br />
durch die Berechnung der Differenzen zwischen den tatsächlichen<br />
Ausgaben und Einnahmen der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in längst<br />
abgeschlossenen Jahren ersetzt.<br />
6. Die zusätzliche Finanzierung der besonderen Zuweisungen für die Aufgabenübertragung<br />
nach dem Ersten und Zweiten Funktionalreformgesetz<br />
lässt sich systematisch nur für den Teil der Zuweisungen begründen,<br />
der noch nicht in die normale Bedarfsermittlung (Durchschnitt aus<br />
drei Jahren) einbezogen ist. Für das Jahr 2013 ist dies nur noch für 1/3<br />
der bei den Kommunen entstehenden Zuschussbedarfe aus dem 2.<br />
Funktionalreformgesetz (Wirksamkeit ab dem Jahr 2010, Erfassung der<br />
Jahre 2010 und 2011, Nichterfassung des Jahres 2012) der Fall. Ab dem<br />
Jahr 2014 ist ein zusätzlicher Bedarf dann nicht mehr gegeben.<br />
7. Die Nichtanrechnung der sonstigen Steuern als Einnahmen kann systematisch<br />
nicht überzeugen.<br />
8. Es ist bisher weder überprüft worden, wie hoch die Zuschussbedarfe<br />
sparsamer und effizienter Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> selbst sind,<br />
noch hat ein Abgleich mit den durchschnittlichen Zuschussbedarfen<br />
der Kommunen in vergleichbaren Ländern stattgefunden.<br />
9. Die vom Land für die nächsten Jahre geplante weitere Kürzung der Investitionspauschale<br />
könnte dazu führen, dass finanzschwächere Kommunen<br />
ihre Eigenmittel bei Investitionsvorhaben nicht mehr finanzieren<br />
können.<br />
18
10. Die Notwendigkeit eines Abbaus der Altdefizite wird im bisherigen Verfahren<br />
zur Ermittlung eines angemessenen (laufenden) Finanzausgleichsvolumens<br />
völlig ausgeblendet.<br />
11. Die geplante weitere Abrechnung von Überzahlungen aus dem früheren<br />
quotalen Finanzausgleich ist mit der Systematik eines aufgabenbezogenen<br />
Finanzausgleichs nur schlecht zu vereinbaren.<br />
12. Es fehlt bisher an einer klaren und berechenbaren Perspektive und Planung<br />
der weiteren Entwicklung der Finanzausgleichsmasse bis zum<br />
Jahr 2020.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
1. Regelmäßige Überprüfung der Angemessenheit der Finanzausgleichsmasse<br />
mit Hilfe eines unmittelbaren Vergleichs der Zuschussbedarfe pro Einwohner<br />
(im Bereich der Schulen pro gewichteten Schüler) mit den Ländern Niedersachsen/Rheinland-Pfalz/Schleswig-Holstein<br />
und/oder Mecklenburg-Vorpommern/<strong>Sachsen</strong>/Thüringen.<br />
2. Die auf die Einwohnerzahl von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bezogenen Differenzen der<br />
durchschnittlichen Zuschussbedarfe in den Jahren 2008 – 2010 liegen bei<br />
323,8 Mio. Euro (ohne Einzelplan 4 bei 219,7 Mio. Euro) zu MV/SN/TH und<br />
bei 360,1 Mio. Euro (ohne Einzelplan 4 bei 378,6 Mio. Euro) zu NI/RP/SH.<br />
Sie zeigen, dass die Finanzbedarfe der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> sich<br />
z.Zt. noch weit oberhalb der Vergleichsländer bewegen. Die vorläufigen Ergebnisse<br />
der Kassenstatistik des Jahres 2011 lassen erkennen, dass sich<br />
diese Unterschiede zwar rein rechnerisch wieder deutlich vergrößert haben,<br />
für diese Entwicklung allerdings keineswegs mangelhafte Konsolidierungsfortschritte,<br />
sondern drei gut identifizierbare Sonderfaktoren verantwortlich<br />
sind.<br />
Um die Differenzen zu den Vergleichsländern bis zum Jahr 2020 abzubauen,<br />
werden in diesem <strong>Gutachten</strong> zwei unterschiedliche Verfahren entwickelt.<br />
Beim ersten werden die Zuschussbedarfe der Vergleichsländer als direkter<br />
Maßstab verwendet und zur Abmilderung der notwendigen Anpassung in degressiver<br />
Form (mit gleichmäßigen Abbauschritten bis zum Jahr 2020) entsprechende<br />
Anpassungszuweisungen gewährt. Es kommt dann nicht zu einer<br />
plötzlichen massiven Kürzung, sondern zu einer kontinuierlichen und<br />
lang gestreckten Anpassung an die Zuschussbedarfe, die sich in den Vergleichsländern<br />
als auskömmlich herausgestellt haben.<br />
3. Bei der zweiten Variante werden bei der jeweiligen Fortschreibung der Basiswerte<br />
der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> die Finanzbedarfe pro Einwohner<br />
so lange (unter Beachtung neuer Konnexitätsverpflichtungen) real konstant<br />
gehalten, d.h. nur mit der Preissteigerungsrate fortgeschrieben, bis die Lücken<br />
zu den Vergleichsländern geschlossen sind. Bei diesem Verfahren erfolgt<br />
zwar keine ständige direkte Orientierung an der Entwicklung der Ver-<br />
19
gleichsländer, es ist aber dennoch regelmäßig zu überprüfen, ob sich die Lücken<br />
planmäßig schließen.<br />
4. Da beide Verfahren auf mittlere und längere Sicht bei einem trendmäßigen<br />
realen gesamtwirtschaftlichen Wachstum von mehr als einem Prozent zu<br />
vergleichbaren Ergebnissen führen dürften, sollte das ausgewählt werden,<br />
dass einfacher, stetiger und berechenbarer ist. Diese Kriterien sprechen eher<br />
für das Verfahren einer real konstanten Fortschreibung der Finanzbedarfe.<br />
5. Die Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> weisen nicht nur erheblich höhere Zuschussbedarfe<br />
aus als die Vergleichsländer, sondern sie leisten sich (zu Lasten<br />
des Landeshaushalts) zugleich auch noch besonders niedrige Hebesätze<br />
bei den Realsteuern, obwohl die Realsteuerkraft der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> deutlich höher liegt als in den drei östlichen Vergleichsländern.<br />
Es empfiehlt sich deshalb eine Normierung mit den Hebesätzen der Vergleichsländer.<br />
In der ersten Variante wird die Differenz zwischen der so berechneten<br />
Steuerkraft und den tatsächlichen Steuereinnahmen in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> in Form einer degressiv gestalteten Anpassungszuweisung berücksichtigt.<br />
Bei der zweiten Variante wird (rechnerisch) bereits im Jahr 2012 mit<br />
den durchschnittlichen gewichteten Hebesätzen aller sechs Vergleichsländer<br />
(unterteilt nach kreisfreien Städten und kreisangehörigen Gemeinden normiert.<br />
Die dadurch im Jahr 2012 entstehenden Differenzen werden allerdings<br />
in Form von dauerhaft festgeschriebenen Festbeträgen neutralisiert. Diese<br />
Regelung führt dazu, dass ein erhöhtes oder verringertes Hebesatzniveau<br />
der Gemeinden insgesamt oder einer Teilgruppe (kreisfreie Städte oder<br />
kreisangehörige Gemeinden) zukünftig keine Auswirkungen mehr auf die<br />
Zuweisungen des Landes hätte und damit die bisher vorhandenen Fehlanreize<br />
beseitigt würden.<br />
6. Zur Vermeidung von Vergleichsstörungen muss sich sowohl der Ländervergleich,<br />
als auch die unmittelbare Bedarfsermittlung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> selbst,<br />
zunächst auf den gesamten lfd. Zuschussbedarf beziehen. Der gesamte lfd.<br />
Zuschussbedarf muss aus der eigenen Steuerkraft und den lfd. Zuweisungen<br />
vom Land innerhalb und außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs finanziert<br />
werden. Um vom gesamten tatsächlichen Zuschussbedarf aus Vorjahren<br />
zum angemessenen Finanzausgleichsvolumen in den Folgejahren zu<br />
gelangen, sind deshalb in beiden Varianten verschiedene Rechenoperationen<br />
notwendig:<br />
7. Ausgangswert in der ersten Variante ist der auf die Einwohnerzahl von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
bezogene und in geeigneter Weise fortgeschriebene Zuschussbedarf<br />
der ausgewählten Vergleichsländer in den statistisch erfassten drei<br />
Referenzjahren (für das Finanzausgleichsjahr 2012 die Basisjahre 2008,<br />
20
2009 und 2010). Die Fortschreibung erfolgt mit der in den Vergleichsländern<br />
festgestellten Trendsteigerungsrate des Zuschussbedarfs pro Einwohner.<br />
Diese liegt in den alten Ländern (wegen des dortigen Ausbaus der U3-<br />
Betreuung) aktuell bei rd. 3%. Zu diesem Ausgangswert wird die Anpassungszuweisung<br />
hinzu addiert. Sie beträgt im Jahr 2012 noch 8/11 und reduziert<br />
sich im Jahr 2013 auf 7/11 des für den Zeitraum von 2008 - 2010 berechneten<br />
Ausgangswertes. Der Ausgangswert setzt sich aus der Differenz<br />
der Zuschussbedarfe zu den Vergleichsländern und der Differenz aus der<br />
normierten Steuerkraft und den Steuereinnahmen zusammen.<br />
Von dem durch die Anpassungszuweisung erhöhten Bedarfswert werden zunächst<br />
die erwarteten lfd. Nettozuweisungen des Landes (durch eine aktualisierte<br />
Fortschreibung ermittelt) an die Kommunen außerhalb des Finanzausgleichs<br />
und die nach der jeweils aktuellsten Steuerschätzung erwartete (gesamte)<br />
Steuerkraft der Gemeinden (bei Hebesätzen wie in den jeweiligen<br />
Vergleichsländern) abgezogen.<br />
Der sich ergebende Betrag stellt das angemessene lfd. Finanzausgleichsvolumen<br />
dar. Es wird durch die noch nicht erfassten Belastungen aus Konnexitätsverpflichtungen<br />
des Landes, eine Tilgungszuweisung in Höhe der durchschnittlichen<br />
Pflichtzuführungen der Jahre 2008 – 2010 an den VermHH, Bedarfszuweisungen<br />
in angemessener Höhe und die Investitionspauschale ergänzt.<br />
Das Ergebnis stellt das fortschreibungsfähige angemessene Finanzausgleichsvolumen<br />
dar, das in dieser Höhe in das FAG aufgenommen würde.<br />
8. Ausgangspunkt beim vereinfachten Alternativverfahren ist der durchschnittliche<br />
Zuschussbedarf der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im letzten statistisch<br />
verfügbaren Dreijahreszeitraum. Der ermittelte Durchschnittswert wird mit<br />
dem Verbraucherpreisindex des Landes <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> auf das Finanzausgleichsjahr<br />
fortgeschrieben, wobei für die noch nicht abgeschlossenen Jahre<br />
Schätzwerte für den Preisindex verwendet werden.<br />
Hinzugerechnet werden die zwischenzeitlich entstandenen oder im Finanzausgleichsjahr<br />
entstehenden Mehr- oder Minderbelastungen der Kommunen<br />
durch neue oder weggefallene Aufgaben, soweit sich die dadurch verursachten<br />
Be- oder Entlastungen nicht bereits vollständig oder teilweise im statistisch<br />
erfassten Dreijahreszeitraum niedergeschlagen haben.<br />
Um zu real konstanten Fortschreibungen pro Einwohner zu gelangen, muss<br />
die (geschätzte) Einwohnerentwicklung berücksichtigt werden. Als Ergebnis<br />
erhält man den angemessenen lfd. Finanzbedarf (Zuschussbedarf) des Finanzausgleichsjahres.<br />
Um zur angemessenen Finanzausgleichsmasse zu gelangen, muss im<br />
nächsten Schritt die (geschätzte) Steuerkraft der Gemeinden abgezogen<br />
werden. Hierfür werden die Schätzwerte der letzten regionalisierten Steuerschätzung<br />
verwendet (in aller Regel die der Mai-Steuerschätzung).<br />
21
Die Steuerkraft entspricht den Steuereinnahmen, die sich in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
ergeben würden, wenn (getrennt nach kreisfreien Städten und kreisangehörigen<br />
Gemeinden) die durchschnittlichen Hebesätze der Vergleichsländer<br />
MV/NI/RP/SN/SH/TH verwenden würden (wobei dabei die formal kreisangehörige<br />
Landeshauptstadt Hannover als kreisfreie Stadt zu behandeln wäre).<br />
Um den anfänglichen Effekt der Umstellung von den Steuereinnahmen zur<br />
Steuerkraft zu neutralisieren, werden davon die entsprechenden Festbeträge<br />
(=Differenz im Jahr der Umstellung) wieder abgezogen.<br />
Nach Addition der vorgesehenen Zuweisungen für Tilgungen (durchschnittliche<br />
Pflichtzuführung der Jahre 2008 – 2010) bzw. Nettoabschreibungen, der<br />
Bedarfszuweisungen und der Investitionspauschale ergibt sich das angemessene<br />
Finanzausgleichsvolumen.<br />
Die Fortschreibung der jeweils neu ermittelten Basiswerte des Dreijahreszeitraums<br />
mit den jeweiligen Preissteigerungsraten wird so lange fortgesetzt, bis<br />
sich die Lücke zu den Zuschussbedarfen der Vergleichsländer geschlossen<br />
hat. Wie Modellrechnungen zeigen, dürfte dies bei einer normalen gesamtwirtschaftlichen<br />
Entwicklung spätestens bis zum Jahr 2020 möglich sein.<br />
Wegen der Einfachheit und der engen Anbindung an die Entwicklungen in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> dürfte es sinnvoll sein, für die zukünftige Ermittlung und<br />
Fortschreibung der angemessenen Finanzausgleichsmasse eher diesen Verfahrensvorschlag<br />
zu übernehmen und zugleich durch einen regelmäßigen<br />
Ländervergleich abzusichern, dass die Lücken bis zum Jahr 2020 tatsächlich<br />
geschlossen werden können.<br />
9. Bei einer Anwendung dieser Berechnungsmethode, (aber auch schon beim<br />
Anpassungsverfahren) wären die übrigen Kritikpunkte aus der obigen Aufstellung<br />
bis auf den Punkt 10. erledigt. Da ein aufgabenbezogener Finanzausgleich<br />
im Prinzip keinen Ausgleich von Altdefiziten beinhaltet, wäre zur<br />
Lösung dieses Problems eine separate Lösung (STARK IV) notwendig, die<br />
sich am erfolgreichen Programm STARK II orientieren könnte und zum Ziel<br />
hätte, im Rahmen von überprüfbaren Vereinbarungen den betroffenen Kommunen<br />
Hilfe zur Selbsthilfe beim Abbau dieser Altdefizite zu leisten. Im Gegenzug<br />
könnte den Kommunen eine Umschuldung mit einer längerfristigen<br />
Zinsfestschreibung erlaubt werden (nach entsprechender Gesetzesänderung).<br />
B. Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die kommunalen<br />
Gruppen<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Eine „Bedarfsermittlung“ auf der Basis der durchschnittlichen Zuschussbedarfe<br />
von lediglich drei kreisfreien Städten ist statistisch nicht<br />
vertretbar und führt zwangsläufig zu massiven Fehlsteuerungen.<br />
22
2. Ein ergänzender Ländervergleich zum Abgleich der relativen Finanzbedarfe<br />
der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raums ist nicht<br />
vorgenommen worden.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Zur angemessenen Aufteilung der Finanzausgleichsmasse in die Teilmassen<br />
für die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum empfiehlt sich<br />
ebenfalls ein Ländervergleich. Hierbei können die Länder MV/RP/SN/SH/TH<br />
zu einer Vergleichsgruppe zusammengefasst werde. Das Land Niedersachsen<br />
ist hierfür deshalb nicht geeignet, weil die Landeshauptstadt Hannover in<br />
der Finanzstatistik wie eine kreisangehörige Gemeinde behandelt wird.<br />
Aus dem Ländervergleich ergibt sich insofern ein differenziertes Bild, dass<br />
die drei kreisfreien Städte in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zwar auch Zuschussbedarfe<br />
ausweisen, die über denen der kreisfreien Städte in den Vergleichsländern<br />
liegen, aber relativ gesehen bei weitem nicht so stark wie der sachsenanhaltische<br />
kreisangehörige Raum. Durch entsprechend differenzierte Anpassungszuweisungen<br />
wäre es möglich, für die beiden kommunalen Teilgruppen<br />
das gleich Verfahren wie für das gesamte Finanzausgleichsvolumen<br />
anzuwenden.<br />
Im vereinfachten Verfahren sollte eine für die kreisfreien Städte angemessene<br />
Relation gegenüber dem kreisangehörigen Raum zwischen 127,0% (korrigierter<br />
Durchschnitt der Jahre 2008 – 2011 in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>) und 129,8%<br />
(Durchschnittliche Relation der Jahre 2008 – 2010 in den Vergleichsländern)<br />
bereits im Jahr 2013 umgesetzt und längerfristig festgeschrieben werden.<br />
Damit würde zugleich auch die statistische Problematik gelöst, dass die tatsächlichen<br />
Ausgaben, Einnahmen und Hebesätze der drei kreisfreien Städte<br />
im hohen Maße strategieanfällig würden, wenn sie weiterhin als Basis für die<br />
Bestimmung des angemessenen Finanzausgleichsvolumens dienen sollten.<br />
C. Ermittlung der Finanzbedarfe im übertragenen Wirkungskreis<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Die tatsächlichen Ausgaben der Vorjahre werden als angemessene<br />
Ausgaben für die Folgejahre interpretiert. Eine objektive Bestimmung<br />
der notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung findet<br />
bisher nicht statt.<br />
2. Die quotale Aufteilung der Zuschussbedarfe innerhalb der Haushaltsgliederungen<br />
auf die einzelnen Wirkungskreise hat keine wirklich objektive<br />
empirische Basis, sondern beruht auf Einschätzungen der entsprechenden<br />
AG der Finanzstrukturkommission.<br />
23
3. Die Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern werden durch eine<br />
nicht konsistente Zurechnung der Einnahmen aus Umlagen benachteiligt.<br />
4. Bei konsistenter Zurechnung der Einnahmen aus Umlagen bräuchte<br />
keine Unterscheidung zwischen kleinen und großen Gemeinden vorgenommen<br />
werden.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Auf Grund der Verfassungslage in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> dürfte es keine Alternative<br />
zur Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises durch steuerkraftunabhängige<br />
Zuweisungen geben. Deswegen muss versucht werden, das Berechnungsverfahren<br />
zunächst einmal insofern konsistent zu gestalten, dass<br />
die Einnahmen aus Umlagen (vor allem Verbandsgemeindeumlagen) auch<br />
bei den kreisangehörigen Gemeinden nicht mehr als Einnahmen gegengerechnet<br />
werden, weil sie wie bei den Kreisen aus Steuern und allgemeinen<br />
Zuweisungen refinanziert werden.<br />
Da die tatsächlichen Zuschussbedarfe in der Gesamtbetrachtung deutlich<br />
oberhalb der notwendigen Zuschussbedarfe bei effizienter Aufgabenwahrnehmung<br />
liegen, muss dies (fast) zwangsläufig auch für die Zuschussbedarfe<br />
im übertragenen Wirkungsbereich gelten, wobei sich prinzipiell eine ganze<br />
Reihe von Verfahren eignet, die notwendigen Korrekturen zu berechnen.<br />
Die Grenze solcher Korrekturen wäre dann erreicht, wenn die Verfassungsfestigkeit<br />
nicht mehr gesichert ist. Bei der Festlegung der Höhe der Auftragskostenerstattung<br />
geht es allerdings nicht um die Frage einer Mehr- oder Minderbelastung<br />
des Landes, sondern ausschließlich darum, ob die nach dem<br />
Abzug der Auftragskostenerstattung noch verbleibenden Finanzausgleichsmittel<br />
ausreichen, einen angemessenen Ausgleich zwischen steuerschwachen<br />
und steuerstarken Gemeinden zu organisieren.<br />
Sollte sich das Land dafür entscheiden, eine allgemeine Finanzausgleichsumlage<br />
einzuführen, würde diese Frage obsolet, weil es mit Hilfe einer solchen<br />
Umlage möglich ist (wenn sie politisch konsequent umgesetzt wird),<br />
nicht nur die Vorgaben des Artikels 87 Abs. 3, sondern gleichzeitig auch die<br />
des Artikels 88 Abs. 2 umzusetzen.<br />
Eine allgemeine Finanzausgleichsumlage nach dem Vorbild Baden-<br />
Württembergs hätte den Vorteil, dass sie nicht mit der bisherigen Rechtsprechung<br />
des Verfassungsgerichts zur Umsetzung einer selektiven Abundanzumlage<br />
kollidieren dürfte und auch technisch sehr viel einfacher handhabbar<br />
wäre.<br />
Solange sich der Aufgabenumfang und der Finanzierungsbedarf im übertragenen<br />
Wirkungskreis nicht erkennbar anders entwickelt als in den anderen<br />
beiden Wirkungskreisen, erscheint es nicht notwendig, den Umfang der Auf-<br />
24
tragskostenerstattung jährlich neu zu berechnen. Es dürfte völlig ausreichen,<br />
einmal berechnete Beträge pro Einwohner real konstant zu halten, d.h. nur<br />
mit der Preissteigerungsrate fortzuschreiben.<br />
D. Ermittlung der Finanzbedarfe im eigenen Wirkungskreis<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Siehe die Punkte 1. und 2. der kritischen Punkte zur Ermittlung der Finanzbedarfe<br />
im übertragenen Wirkungskreis.<br />
2. Die Unterscheidung zwischen dem pflichtigen und dem freiwilligen eigenen<br />
Wirkungskreis verursacht einen hohen Rechenaufwand, ist aber<br />
für die praktische Umsetzung des Finanzausgleichs völlig bedeutungslos.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Da die Unterscheidung zwischen dem pflichtigen und dem freiwilligen eigenen<br />
Wirkungskreis keine praktische Relevanz hat, kann sie zukünftig auch<br />
unterbleiben. Sollte sich das Land dazu entschließen, die Auftragskostenerstattung<br />
nicht ständig neu zu berechnen, sondern pro Einwohner real konstant<br />
zu lassen (also nur mit der Preissteigerungsrate fortzuschreiben), könnten<br />
die entsprechenden Berechnungen im eigenen Wirkungskreis ebenfalls<br />
deutlich vereinfacht werden, indem z.B. auch dort nur noch mit Indexwerten<br />
oder Fallzahlen fortgeschrieben würde und grundlegend neue Berechnungen<br />
nur alle 4 – 6 Jahre notwendig wären.<br />
E. Aufteilung der für die allgemeinen Zuweisungen verbleibenden<br />
Masse<br />
Kritischer Punkt:<br />
Die bisherigen festen Quoten von 27 v. H. für die kreisfreien Städte,<br />
29,97677 v. H. für die Landkreise und 43,02323 v. H. für die kreisangehörigen<br />
Gemeinden stellen einen Systembruch dar. Sie stehen in einem offensichtlichen<br />
Widerspruch zum getrennten Verfahren zur Ermittlung<br />
des angemessenen Finanzausgleichsvolumens für die vier gebildeten<br />
kommunalen Gruppen.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die kreisfreien Städte einerseits<br />
und den kreisangehörigen Raum andererseits sollte auch bei der Verteilung<br />
der allgemeinen Zuweisungen strikt beibehalten werden.<br />
25
Innerhalb des kreisangehörigen Raums kann sich die Aufteilung am Verhältnis<br />
der nicht durch die eigene Steuerkraft oder die Zuweisungen des Landes<br />
außerhalb des FAG finanzierten Zuschussbedarfe (Zuschussbedarf IV) orientieren.<br />
F. Ermittlung der Bedarfsfaktoren bei den Gemeinden<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Die bisherigen Bedarfsfaktoren beruhen lediglich auf vordergründigen<br />
Plausibilitäten, nicht aber auf empirisch überprüften und bewährten<br />
Hypothesen.<br />
2. Die hohe Bedeutung der Quote der Kinder unter sechs Jahren für die<br />
Höhe der Zuschussbedarfe pro Einwohner der kreisangehörigen Gemeinden<br />
(und der kreisfreien Städte) wird bei der Bedarfsermittlung nur<br />
teilweise und auch nur außerhalb des Finanzausgleichs berücksichtigt.<br />
3. Eine Abhängigkeit der Zuschussbedarfe pro Einwohner von der Zahl<br />
der Einwohner (Hauptansatz) lässt sich im Bereich der kreisangehörigen<br />
Gemeinden nicht belegen.<br />
4. Eine große Fläche pro Einwohner wirkt sich statistisch gesehen bei<br />
kreisangehörigen Gemeinden nicht belastend, sondern sogar entlastend<br />
aus.<br />
5. Die höheren Zuschussbedarfe in Mittelzentren lassen sich empirisch<br />
gut belegen, der bisherige Zuschlag von 20% ist allerdings „freihändig“<br />
und damit ohne empirische Grundlage festgelegt worden.<br />
6. Die höheren Zuschussbedarfe pro Einwohner in stark schrumpfenden<br />
Gemeinden sind empirisch gut belegbar, aber bisher im kommunalen<br />
Finanzausgleich unbeachtet geblieben.<br />
7. Die Differenzierung des Hauptansatzes zwischen großen und kleinen<br />
kreisfreien Städten wird nicht hinreichend begründet.<br />
8. Sonderfaktoren die dadurch entstehen, dass in Kurorten, militärischen<br />
Standorten und in Hochschulstädten zum Teil deutlich mehr Personen<br />
die kommunale Infrastruktur in Anspruch nehmen, als Einwohner im<br />
FAG angerechnet werden, bleiben im bisherigen System ohne eine Anerkennung<br />
als Bedarfsfaktoren.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Mit Hilfe der Regressionsanalyse lassen sich im Bereich der kreisangehörigen<br />
Gemeinden die tatsächlichen Bedarfsfaktoren relativ gut identifizieren<br />
und hinsichtlich der mit ihnen zusammenhängenden Bedarfe (innerhalb statistischer<br />
Unsicherheitsbereiche) auch entsprechend quantifizieren.<br />
Nicht ganz überraschend zeigt sich dabei, dass der Quote der Kinder unter 6<br />
Jahren eine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch wenn die Zahlungen des<br />
26
Landes (über die Landkreise) und der Landkreise selbst für die KiTa-<br />
Betreuung neutralisiert werden, verbleibt pro Kind unter sechs Jahren noch<br />
ein rechnerischer Bedarfsfaktor von 6,7, wobei ein Faktor von 1 dem Grundbedarf<br />
eines Einwohners entspricht.<br />
Demgegenüber hat die Einwohnerzahl einer Gemeinde offensichtlich keinen<br />
Einfluss auf den Zuschussbedarf pro Einwohner, und eine große Fläche pro<br />
Einwohner führt entgegen vielfältigen Behauptungen sogar eher zu einer Entlastung<br />
als zu einer Belastung. Von daher gibt es keine empirische Rechtfertigung<br />
für den bisherigen Hauptansatz und erst recht keinen Grund für die<br />
Einführung eines Flächenfaktors auf der Gemeindeebene. Zukünftig sollte<br />
deshalb, unabhängig von der Gemeindegröße, jeder Einwohner mit dem<br />
Faktor 1 bewertet werden.<br />
Wie nicht anders zu erwarten, liegen die Zuschussbedarfe pro Einwohner bei<br />
stark schrumpfenden Gemeinden in signifikanter Weise über denen von Gemeinden<br />
mit stabiler Bevölkerungsentwicklung. Um hier zu einer gewissen<br />
Abfederung zu kommen, sollte das Land prüfen, ob es nicht sinnvoll sein<br />
könnte, im FAG anstatt der aktuellen Einwohnerzahl die jeweils höchste Einwohnerzahl<br />
der letzten drei oder fünf Jahre zu verwenden.<br />
Weitgehend bestätigt wird dagegen der Zuschlag von 20% für die Mittelzentren.<br />
Aus der Regressionsanalyse ergibt sich ein rechnerischer Zuschlagsfaktor<br />
von 18,5%.<br />
Im Rahmen dieser Analyse war es nicht möglich, zu überprüfen, ob Kurorte,<br />
militärische Standorte und Hochschulstädte im kreisangehörigen Raum besondere<br />
Belastungen tragen, die sich nicht in der Einwohnerzahl niederschlagen,<br />
aber ein Blick in andere Länder zeigt, dass solche Bedarfe grundsätzlich<br />
anerkannt werden und innerhalb oder außerhalb des Finanzausgleichs<br />
Regelungen existieren, die zu einer Entlastung der entsprechenden<br />
Gemeinden führen.<br />
Das Land sollte deshalb prüfen, ob auch in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> solche Sachverhalte<br />
als Bedarfsfaktoren anzuerkennen sind.<br />
Im Bereich der drei kreisfreien Städte stellt sich natürlich auch die Frage, wie<br />
sich die Bedarfsrelationen zwischen den drei Oberzentren bestimmen lassen.<br />
Da eine statistische Analyse bei nur drei Städten keinen Sinn ergibt, bleibt<br />
(bis auf eine analoge Übertragung der Erkenntnisse aus dem kreisangehörigen<br />
Raum zur Bedeutung der U6-Quote) auch hier kaum eine andere Möglichkeit<br />
als ein Vergleich mit Regelungen für gleichartige Sachverhalte in anderen<br />
Ländern.<br />
Aber auch ein solcher Ländervergleich hilft kaum weiter, da praktisch jedes<br />
Land die Bestimmung der Bedarfe der Oberzentren und der kreisfreien Städte<br />
auf seine eigene Weise geregelt hat, wobei neun der anderen zwölf Län-<br />
27
der eine Einwohnerveredelung vornehmen und drei Länder die oberzentralen<br />
Funktionen dotieren.<br />
Da <strong>Sachsen</strong> keine kleineren kreisfreien Städte mehr aufweist, sind im Prinzip<br />
nur acht Länder vergleichbar, wobei einige Länder den größeren kreisfreien<br />
Städten relativ höhere und andere relativ niedrigere Hauptansätze als <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
zuordnen. Der Hauptansatz von 112% für Halle und Magdeburg<br />
bei einem Ansatz von 100% für Dessau-Roßlau ist deshalb im Ländervergleich<br />
keineswegs auffällig, sondern bewegt sich im durchschnittlichen<br />
Spektrum. Von daher wird hier keine Änderungsempfehlung abgegeben.<br />
Da die Zuschussbedarfe pro Einwohner bei den drei kreisfreien Städten (vor<br />
allem wegen der Wahrnehmung der Kreisaufgaben) erheblich höher liegen<br />
als bei den kreisangehörigen Gemeinden, entspricht ein U6-Ansatz von 2,8<br />
dem Bedarfsansatz von 6,7 bei den kreisangehörigen Gemeinden.<br />
Der Hauptansatz der kreisfreien Städte sollte deshalb durch einen Nebenansatz<br />
mit einem Faktor von 2,8 pro Kind unter sechs Jahren ergänzt werden.<br />
G. Erfassung der Steuerkraft der Gemeinden im horizontalen Finanzausgleich<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Die bisherige Art des Abzugs der Gewerbesteuerumlage reduziert die<br />
Mehr- bzw. Mindereinnahmen aus höheren bzw. niedrigeren Hebesätzen.<br />
2. Die Glättung der Gewerbesteuerkraft durch die Durchschnittsbildung<br />
aus drei früheren Jahren kann zu unerwünschten und starken Schwankungen<br />
der Finanzkraft führen.<br />
3. Der grundsätzliche Verzicht auf eine zeitnahe Erfassung der Steuerkraft<br />
kann zu unerwünschten und unnötigen Schwankungen der Finanzkraft<br />
der Gemeinden führen.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Ein Abzug der Gewerbesteuerumlage vor der Normierung führt dazu, dass<br />
ein Teil der hebesatzbedingten Mehr- oder Mindereinnahmen wieder kompensiert<br />
wird. Um dies zu vermeiden, sollte die Gewerbesteuerumlage zukünftig<br />
(wie in anderen Ländern) erst nach der Normierung abgezogen werden.<br />
Die Einbeziehung der aus drei Jahren gebildeten durchschnittlichen Gewerbesteuerkraft<br />
in das Ausgleichsverfahren hat (entgegen den Erwartungen)<br />
nicht zu einer Verstetigung der Finanzkraft geführt, sondern vergrößert vielmehr<br />
die Schwankungen. Außerdem kommt es durch die stark verzögerten<br />
28
Abrechnungen zu Zinsgewinnen für steuerstarke Gemeinden und wegen der<br />
notwendigen längeren Vorfinanzierung zu einem zusätzlichen Zinsaufwand<br />
für die steuerschwachen Gemeinden.<br />
Zukünftig sollte die gesamte Steuerkraft so zeitnah wie möglich abgerechnet<br />
werden und möglichst schon für das Jahr 2013 eine Referenzperiode zwischen<br />
dem 1. Juli 2011 und dem 30. Juni 2012 festgelegt werden. Dass dies<br />
technisch ohne weiteres möglich ist, wird durch andere Länder belegt.<br />
H. Höhe der Ausgleichsquote zwischen den Gemeinden und Finanzausgleichsumlage<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Für sehr steuerschwache Gemeinden reicht eine Ausgleichsquote von<br />
70% häufig nicht aus, um eine angemessene Finanzierung der notwendigen<br />
Ausgaben bei effizienter Aufgabenwahrnehmung zu erreichen.<br />
2. Das Fehlen einer Finanzausgleichsumlage führt dazu, dass der für die<br />
allgemeinen Zuweisungen verbleibende Anteil der Finanzausgleichsmasse<br />
zu gering werden kann um für sehr steuerschwache Gemeinden<br />
eine angemessene Finanzausstattung zu ermöglichen.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Je höher der Anteil der steuerkraftunabhängigen Zuweisungen ausfällt und je<br />
niedriger die Ausgleichsquote ist, desto geringer wird die erreichbare Finanzkraft<br />
pro Bedarfseinheit für steuerschwache Gemeinden. Da eine objektiv<br />
unzureichende Finanzausstattung bei sparsamen und effizientem Verhalten<br />
einer Gemeinde kaum noch mit der Vorgabe des Artikels 88 Abs. 2 zu vereinbaren<br />
wäre, sollte zumindest für sehr steuerschwache Gemeinden eine<br />
zusätzliche Anhebung der Finanzkraft erfolgen.<br />
Dies kann in der Form geschehen, dass in einer ersten Stufe des Finanzausgleichs<br />
eine Aufstockung der Steuerkraft um z.B. 80% der Differenz zu 80%<br />
der durchschnittlichen Steuerkraft pro Einwohner oder pro Bedarfseinheit erfolgt.<br />
Das Problem einer solchen Lösung im jetzigen System besteht allerdings darin,<br />
dass die Finanzierung einer solchen Aufstockung nur durch die Gemeinden<br />
erfolgt, die ihrerseits auf allgemeine Zuweisungen angewiesen sind.<br />
Wesentlich effektiver und gerechter ließen sich die spezifischen Probleme<br />
der steuerschwachen Gemeinden durch die Einführung einer allgemeinen<br />
Finanzausgleichsumlage nach dem Vorbild von Baden-Württemberg lösen.<br />
29
I. Ermittlung der Bedarfsfaktoren für die Landkreise<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Die bisherigen Bedarfsfaktoren beruhen lediglich auf vordergründigen<br />
Plausibilitäten, nicht aber auf empirisch überprüften und bewährten<br />
Hypothesen<br />
2. Eine große Fläche pro Einwohner wirkt sich auf die laufenden Zuschussbedarfe<br />
auch bei den Landkreisen nicht belastend, sondern eher<br />
entlastend aus.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Auch auf der Ebene der Landkreise gibt es keine empirisch überzeugenden<br />
Belege dafür, dass eine große Fläche pro Einwohner in der Gesamtbetrachtung<br />
ein die laufende Rechnung belastender Faktor ist. Von daher sollte zukünftig<br />
auf die Fläche als Bedarfsindikator bei der Verteilung laufender Zuweisungen<br />
verzichtet werden.<br />
J. Bestimmung der Umlagekraft und der Umlagen<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Der normierte Umlagesatz von 35% liegt um fünf Punkte unter dem<br />
durchschnittlichen Umlagesatz von rd. 40%. Es kommt damit zu einer<br />
Umverteilung zugunsten der umlagestarken und zulasten der umlageschwachen<br />
Landkreise.<br />
2. Die Berechnung der Gewerbesteuerkraft auf der Basis des Durchschnitts<br />
von drei Jahren kann bei den Gemeinden zu erheblichen<br />
Schwankungen der nach der Kreisumlage noch verbleibenden Finanzkraft<br />
führen.<br />
3. Während für die Umlagekraft die allgemeinen Zuweisungen des Finanzausgleichsjahres<br />
berücksichtigt werden, wird die Umlage selbst auf der<br />
Basis der allgemeinen Zuweisungen (und der Steuerkraft) des Vorvorjahres<br />
erhoben.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Der normierte Satz für die Berechnung der Umlagekraft sollte in Höhe des<br />
gewichteten Durchschnitts der Umlagesätze aller elf Landkreise festgelegt<br />
werden.<br />
Vor allem aus dem Blickwinkel der Gemeinden sollte die Gewerbesteuerkraft<br />
möglichst zeitnah erfasst werden.<br />
30
Die Umlagen des Finanzausgleichsjahres sollten zukünftig auf der Basis der<br />
zeitnah erfassten Steuerkraft und der allgemeinen Zuweisungen des Finanzausgleichsjahres<br />
erhoben werden.<br />
K. Höhe der Ausgleichsquote bei den Landkreisen<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Im Kreisfinanzausgleich gibt es keine überzeugenden Argumente, die<br />
Ausgleichsquote auf lediglich 70% zu beschränken.<br />
2. In steuerschwachen Landkreisen und erst recht in steuerschwachen<br />
Verbandsgemeinden (in insgesamt steuerschwachen Landkreisen)<br />
führt die dann notwendige extrem hohe Umlagebelastung dazu, dass<br />
steuerschwache kreisangehörigen Gemeinden nach der Finanzierung<br />
der Umlagen häufig nur noch so wenig allgemeine Deckungsmittel übrig<br />
behalten, dass sie ihre notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung<br />
nicht mehr finanzieren können.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Zukünftig sollte die Ausgleichsquote im Kreisfinanzausgleich im Interesse der<br />
steuerschwachen Gemeinden in umlageschwachen Landkreisen auf etwa<br />
80 – 90% angehoben werden.<br />
L. Finanzierung der Verbandsgemeinden<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Die Mehrfachbenachteiligung kleinerer und steuerschwacher Gemeinden<br />
im kommunalen Finanzausgleich führt dazu, dass steuerschwache<br />
Gemeinden in steuerschwachen Verbandsgemeinden und Landkreisen<br />
nach Abführung der Umlagen ihre notwendigen Ausgaben bei effizienter<br />
Aufgabenwahrnehmung nicht mehr finanzieren können.<br />
2. Die Zersplitterung der Investitionspauschale innerhalb der Verbandsgemeinden<br />
erschwert die Finanzierung größerer Projekte.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
Die Kumulation von Kreisumlage und Verbandsgemeindeumlage auf bis zu<br />
96% der Umlagegrundlagen beruht im Regelfall nicht auf einer besonderen<br />
großzügigen Ausgabenpolitik der entsprechenden Kreise und Verbandsgemeinden,<br />
sondern auf einer Mehrfachbenachteiligung kleinerer steuerschwacher<br />
Gemeinden.<br />
31
Diese Situation lässt sich nicht durch eine Umverteilung innerhalb der einzelnen<br />
Verbandsgemeinden verändern, sondern nur durch eine gezielte Beseitigung<br />
der Benachteiligungen kleinerer steuerschwacher Gemeinden.<br />
Geeignete Maßnahmen sind eine Vorabaufstockung für steuerschwache<br />
Gemeinden, der Wegfall der empirisch nicht belegbaren Einwohnerveredelung<br />
im kreisangehörigen Raum, die Beseitigung des systematischen Fehlers<br />
bei der Bestimmung der Höhe der Auftragskostenpauschale der kleineren<br />
Gemeinden, die realistische Festlegung des normierten Umlagesatzes im<br />
Kreisfinanzausgleich, die Erhöhung der Ausgleichsquote im Kreisfinanzausgleich<br />
und die Einführung einer ergiebigen allgemeinen Finanzausgleichsumlage.<br />
Um innerhalb der Verbandsgemeinden die wirklich wichtigen Investitionen<br />
durchführen zu können, sollte der größere Teil der Investitionspauschale<br />
unmittelbar den Verbandsgemeinden zugewiesen werden.<br />
M. Verteilung steuerkraftunabhängiger laufender Zuweisungen<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Die Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern werden bisher bei<br />
der Verteilung der Auftragskostenerstattung benachteiligt, ohne dass<br />
sie an anderer Stelle eine Kompensation erhalten.<br />
2. Die teilweise Verteilung der besonderen Zuweisungen für die Aufgabenübertragung<br />
nach dem Ersten und Zweiten Funktionalreformgesetz<br />
nach der Fläche lässt sich empirisch nicht begründen.<br />
3. Obwohl die meisten Zuweisungen im FAG keiner Zweckbindung unterliegen<br />
und zum Teil nach den gleichen Maßstäben verteilt werden, gibt<br />
es unterschiedliche Zuweisungstöpfe.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
1. Die Auftragskostenpauschale sollte auch bei den kreisangehörigen Gemeinden<br />
ohne eine bedarfsmindernde Einbeziehung der Einnahmen aus Umlagen<br />
berechnet werden. Da die rechnerischen Unterschiede zwischen den kleinen<br />
und den größeren Gemeinden nach einer Beseitigung dieses systematischen<br />
Fehlers weitgehend verschwinden, sollten alle kreisangehörigen Gemeinden<br />
eine einheitliche Auftragskostenpauschale pro Einwohner erhalten.<br />
2. Die Verteilung der besonderen Zuweisungen sollte ausschließlich nach Einwohnern<br />
erfolgen.<br />
3. Nicht zweckgebundene Zuweisungstöpfe, deren Mittel nach den gleichen Kriterien<br />
verteilt werden, sollten zusammengeführt werden.<br />
32
N. Verteilung der Investitionspauschale<br />
Kritische Punkte:<br />
1. Das jetzige Verfahren zur Verteilung der Investitionspauschale weist an<br />
der Abundanzschwelle eine massive Sprungstelle (von 100% auf 0%)<br />
auf und führt deshalb in diesem Bereich zu übernivellierenden Effekten.<br />
2. Die Zersplitterung der Investitionspauschale innerhalb der Verbandsgemeinden<br />
erschwert die Finanzierung größerer Projekte.<br />
3. Im Bereich der drei kreisfreien Städte lässt sich die Verteilung eines Anteils<br />
von 25% nach der Fläche weder theoretisch noch empirisch begründen.<br />
4. Die Vorabentnahme von 10 Mio. Euro zur Kofinanzierung von nach dem<br />
Entflechtungsgesetz geförderten Straßenbauprojekten kann wegen der<br />
spezifischen Zweckbindung und der unsystematischen Zusatzförderung<br />
„finanzschwacher Kommunen“ nicht überzeugen.<br />
Änderungsempfehlungen:<br />
1. Zur Vermeidung der verfassungsrechtlich bedenklichen Sprungstelle an der<br />
Abundanzschwelle sollte ein gleitendes Verfahren gewählt werden. In einem<br />
zusätzlichen Rechengang würden dabei die drei Schlüsselmassen um die<br />
den kommunalen Gruppen jeweils zugeordneten Massen für die Investitionspauschalen<br />
erhöht und die Differenzen als Investitionspauschalen zugewiesen.<br />
2. Um innerhalb der Verbandsgemeinden die wirklich wichtigen Investitionen<br />
durchführen zu können, sollte der größere Teil der Investitionspauschale<br />
unmittelbar den Verbandsgemeinden zugewiesen werden.<br />
3. Zwischen den drei kreisfreien Städten sollte die Investitionspauschale ausschließlich<br />
nach Einwohnern verteilt werden.<br />
4. Auf die Vorabentnahme von 10 Mio. Euro sollte zukünftig verzichtet werden.<br />
O. Krankenhausinvestitionsumlage<br />
Kritischer Punkt:<br />
In Ländern mit steuerstarken Gemeinden wird der Gemeindeanteil an<br />
den Krankenhausinvestitionen aus eigenen Mitteln finanziert. In <strong>Sachsen</strong>-Anteil<br />
ist dies nicht der Fall. Die Kommunen erhalten vom Land zunächst<br />
lfd. oder investive Mittel, die sie dann als Krankenhausinvestitionspauschale<br />
wieder an das Land zurück überweisen.<br />
Änderungsempfehlung:<br />
Änderung der gesetzlichen Grundlage durch Wegfall der Krankenhausinvestitionsumlage.<br />
33
2. Die verfassungsrechtliche Vorgabe eines aufgabenbezogenen<br />
kommunalen Finanzausgleichs in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
Mit dem Finanzausgleichsgesetz des Landes <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> werden wesentliche<br />
Teile der Verfassungsaufträge des Grundgesetzes und der Verfassung des Landes<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zur Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände umgesetzt.<br />
Nach Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes muss den Gemeinden das Recht gewährleistet<br />
sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze<br />
in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen<br />
ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht<br />
der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die<br />
Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine<br />
den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.<br />
Nach Artikel 106 Abs. 7 des Grundgesetzes fließt vom Länderanteil am Gesamtaufkommen<br />
der Gemeinschaftsteuern den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt<br />
ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im Übrigen<br />
bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern<br />
den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.<br />
Nach Artikel 87 Abs. 3 der Landesverfassung kann das Land den Kommunen durch<br />
Gesetz Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung zuweisen und staatliche<br />
Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen. Dabei ist gleichzeitig die Deckung<br />
der Kosten zu regeln. Führt die Aufgabenwahrnehmung zu einer Mehrbelastung<br />
der Kommunen, ist ein angemessener Ausgleich zu schaffen.<br />
Nach Artikel 88 Abs. 1 sorgt das Land dafür, dass die Kommunen über Finanzmittel<br />
verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind.<br />
Nach 88 Abs. 2 ist die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen angemessen<br />
auszugleichen. Bei besonderen Zuweisungen des Landes an leistungsschwache<br />
Kommunen oder bei der Bereitstellung sonstiger Fördermittel ist das Selbstverwaltungsrecht<br />
zu wahren.<br />
Die Vorgaben des Artikels 28 des Grundgesetzes und des Artikels 88 der Landesverfassung<br />
zur Gewährleistung der Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung und<br />
zur Ausstattung mit Finanzmitteln, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben<br />
erforderlich sind und des Artikels 106 des Grundgesetzes, den Gemeinden und Gemeindeverbänden<br />
einen von der Landesgesetzgebung zu bestimmenden Hundertsatz<br />
vom Länderanteil an den Gemeinschaftsteuern zufließen zu lassen, stehen in<br />
einem nicht ganz einfach lösbaren Spannungsverhältnis.<br />
Ein sehr hoher und großzügig bemessener Hundertsatz, der auch bei schwacher<br />
Konjunktur und niedrigen Steuereinnahmen den Vorgaben der Artikel 28 GG und 88<br />
34
LV LSA entsprechen würde, wäre für den Landeshaushalt kaum finanzierbar und<br />
könnte deshalb leicht zu Verfassungsverstößen durch eine Überschreitung der zulässigen<br />
Grenzen für die Kreditaufnahme des Landes führen.<br />
Ein zu niedriger Hundertsatz wiederum genügt bei schwacher Konjunktur den verfassungsrechtlichen<br />
Vorgaben zur angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden<br />
nicht, zumal dann im Regelfall auch die eigenen Steuereinnahmen der Gemeinden<br />
zurückgehen. Erschwerend kommt deshalb hinzu, dass ein fester Hundertsatz fast<br />
zwangsläufig zu einem prozyklischen Abrechnungssystem führen muss. Bei anziehender<br />
Konjunktur werden die Steuereinnahmen des Landes regelmäßig unterschätzt<br />
und bei abflauender Konjunktur eher überschätzt.<br />
Da die späteren Positivabrechnungen zumeist bei guter und die Negativabrechnungen<br />
bei schlechter Konjunktur erfolgen, kommt es zu den prozyklischen Kumulationseffekten.<br />
Bei guter Konjunktur werden deshalb zusätzliche Ausgaben getätigt und<br />
bei schlechter wiederum die Ausgaben und insbesondere die Investitionen entsprechend<br />
reduziert. Volkswirtschaftlich, aber auch kommunalpolitisch, sind beide Verhaltensweisen<br />
kontraproduktiv 1 .<br />
Volkswirtschaftlich und kommunalpolitisch sehr viel sinnvoller als ein fester Hundertsatz<br />
ist deshalb eine konjunkturunabhängige, stetige und berechenbare Finanzkraft<br />
der Kommunen (als Summe aus der eigenen Steuerkraft und den gesamten Zuweisungen<br />
des Landes), die so bemessen ist, dass sie den Vorgaben der Artikel 28 GG<br />
und 88 LV LSA entspricht.<br />
Konsequenterweise hat sich der Landesgesetzgeber in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> deshalb mit<br />
der Novellierung des FAG vom 16. Dezember 2009 dazu entschlossen, die Finanzausgleichsmasse<br />
nicht mehr als (feste) Quote der Steuereinnahmen des Landes<br />
festzulegen, sondern von der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Landes abzukoppeln.<br />
Maßstab ist nunmehr die Aufgabenbezogenheit des kommunalen Finanzausgleichs,<br />
die im Koalitionsvertrag vom 13. April 2011 nochmals ausdrücklich bestätigt wurde.<br />
In konjunktureller Hinsicht bedeutet dieser Maßstab zwangsläufig, dass bei schwacher<br />
Steuerkraftentwicklung der Gemeinden das Finanzausgleichvolumen entsprechend<br />
zu erhöhen ist, bei guter Steuerkraftentwicklung dagegen abgesenkt werden<br />
kann. Oder anders gesagt, die Summe aus der Steuerkraft der Gemeinden und der<br />
Finanzausgleichsmasse sollte sich so stetig und berechenbar wie möglich und damit<br />
konjunkturunabhängig entwickeln.<br />
Da eine Festlegung der Finanzausgleichsmasse als Differenz zwischen dem Finanzbedarf<br />
und der (konjunkturabhängigen) kommunalen Steuerkraft ganz offensichtlich<br />
nicht mit dem Wortlaut des Artikels 106 Abs. 7 GG übereinstimmt, wurde im § 20 des<br />
Haushaltsgesetzes 2012/2013 der folgende Ausweg gewählt:<br />
1 Vgl. hierzu bereits Deubel, I., 1984, Der kommunale Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen, Köln<br />
u.a.O., S. 95 ff.<br />
35
„Das Land stellt den Gemeinden, Verbandsgemeinden und Landkreisen als Finanzausgleichsmasse<br />
nach dem Finanzausgleichsgesetz vom 16. Dezember 2009 (GVBl.<br />
LSA S. 684), geändert durch § 38 Abs. 4 des Gesetzes vom 10. Dezember 2010<br />
(GVBl. LSA S. 569, 577), 18 v. H. des Landesanteils am Aufkommen der Gemeinschaftsteuern<br />
bereit. Abweichend hiervon beträgt die Finanzausgleichsmasse. . . “.<br />
Mit diesem Kunstgriff wird formal dem Artikel 106 Abs.7 GG Rechnung getragen, tatsächlich<br />
liegt die Finanzausgleichsmasse im Jahr 2012 jedoch nicht bei 18%, sondern<br />
(sofern nur die Gemeinschaftsteuern, nicht aber die Leistungen aus dem föderalen<br />
Finanzausgleich einbezogen werden) bei rd. 29%.<br />
Aus kommunaler Sicht ist dieser Kunstgriff schon deshalb sinnvoll, weil durch die<br />
Artikel 87 und 88 LV LSA ein wesentlich intensiverer Schutz der Kommunen vorgegeben<br />
wird als durch den Artikel 106 Abs. 7 GG. Denn im Gegensatz zu manch anderen<br />
Ländern ohne entsprechende Schutzklauseln in der Verfassung kann sich das<br />
Land <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> nicht darauf berufen, dass die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit<br />
zur Erfüllung der Vorgaben der Artikel 87 und 88 LV LSA nicht ausreicht.<br />
Dennoch kann bei der konkreten Interpretation und Umsetzung des Artikels 88 LV<br />
LSA die finanzielle Situation des Landes natürlich nicht völlig außen vor bleiben. Bei<br />
der Konkretisierung des Begriffs der „Angemessenheit“ ist nämlich auch zu berücksichtigen,<br />
ob es sich um ein - gemessen an der Finanzkraft - reiches oder eher armes<br />
Land handelt.<br />
In finanziell gut ausgestatteten Ländern wie Hessen, Bayern und Baden-<br />
Württemberg bedeutet „angemessen“ sicherlich deutlich mehr als eine Mindestfinanzausstattung<br />
der Kommunen zur Erfüllung der pflichtigen und eines Minimums an<br />
Aufgaben im freiwilligen Bereich. Wenn aber ein Land seinen eigenen verfassungsrechtlichen<br />
Vorgaben nicht mehr oder nur so gerade nachkommen kann, muss der<br />
Begriff der „Angemessenheit“ natürlich sowohl im pflichtigen als auch im freiwilligen<br />
Bereich sehr viel enger und restriktiver interpretiert werden.<br />
Im § 2 Abs. 2 des FAG hat der Landesgesetzgeber deshalb die folgende Konkretisierung<br />
vorgenommen: „Maßstab der Bemessung der Landeszuweisungen sind die<br />
notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung“.<br />
Da ohne Frage zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung nicht nur die<br />
pflichtigen, sondern auch ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben gehört, darf der<br />
Begriff der „notwendige Ausgaben“ dabei nicht fehlinterpretiert werden, auch sogenannte<br />
„freiwillige“ Aufgaben können „notwendig“ sein.<br />
Noch schwieriger ist die konkrete Beurteilung, was unter einer „effizienten Aufgabenerfüllung“<br />
genau zu verstehen ist. „Effizienz“ ist nämlich eigentlich ein absoluter Maßstab,<br />
der zwar häufig als Ziel formuliert wird, aber bei komplexen und differenzierten<br />
Sachverhalten quantitativ nur sehr selten eindeutig bestimmt werden kann.<br />
36
Es geht dabei nämlich nicht um eine reine Kostenminimierung, sondern um die Minimierung<br />
der Kosten bei einer gegebenen Leistung oder eine Maximierung der Leistung<br />
bei gegebenen Kosten.<br />
Sehr viel einfacher handhabbar ist der Begriff der relativen Effizienz. Wenn viele<br />
Verwaltungen eine bestimmte Leistung (z.B. eine Kfz-Anmeldung) in gleichwertiger<br />
Qualität erstellen, ist diejenige relativ effizient, die dies (bei Beachtung aller rechtlichen<br />
Vorgaben und der Erfüllung von gegebenen Standards aus der Sicht der Nutzer)<br />
mit minimalen Kosten realisiert.<br />
Da Kommunen, zumindest im pflichtigen Bereich, in sehr hohem Maße und durchaus<br />
auch länderübergreifend vergleichbare Leistungen erbringen (müssen), ist das Konzept<br />
der relativen Effizienz durchaus geeignet, eine Operationalisierung der im FAG<br />
konkretisierten Maßstäbe für den Begriff der „Angemessenheit“ vorzunehmen.<br />
Die bisherige Praxis der Ermittlung des aufgabenangemessenen Finanzausgleichsvolumens<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ist davon allerdings noch sehr weit entfernt.<br />
Mit den sehr sachkundigen und akribischen Auswertungen der letzten kommunalen<br />
Jahresrechnungen und Kassenstatistiken ist in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> eine differenzierte<br />
und durchaus belastbare Grundlagenarbeit zur Erfassung und Beschreibung der für<br />
einzelne Aufgaben und Aufgabenbereiche sowie der von verschiedenen Gruppen<br />
von kommunalen Gebietskörperschaften tatsächlich eingesetzten finanziellen Mittel<br />
erarbeitet worden. Auch die vorgenommene Ableitung des voraussichtlichen tatsächlichen<br />
Mitteleinsatzes für die Folgejahre ist (bei statischer Betrachtung) durchaus<br />
nachvollziehbar.<br />
Der entscheidende Punkt ist allerdings, dass beim bisherigen Verfahren (von ganz<br />
wenigen Ausnahmen abgesehen) nur der tatsächliche Mitteleinsatz beschrieben und<br />
fortgeschrieben wird. Die im FAG genannten Maßstäbe der „Notwendigkeit“ und der<br />
„Effizienz“ bleiben dabei fast vollständig außen vor. Nur im Bereich der kostenrechnenden<br />
Aufgaben (und nur dort, wo normalerweise eine volle Kostendeckung zu erwarten<br />
ist) werden die entstandenen tatsächlichen Zuschussbedarfe nicht zugleich<br />
auch als „angemessene“ Finanzbedarfe akzeptiert.<br />
Die jüngsten Beratungen zum FAG im Landtag haben allerdings in überdeutlicher<br />
Form gezeigt, dass die sehr differenzierte Erfassung des tatsächlichen Mitteleinsatzes<br />
und die Aufteilung der so ermittelten Finanzausgleichmasse auf die unterschiedlichen<br />
Zuweisungstöpfe und kommunalen Gruppen im Ergebnis so komplex erscheint,<br />
dass die eigentlich erwünschte Nachvollziehbarkeit und Transparenz weitgehend<br />
auf der Strecke geblieben ist.<br />
Zwar lehrt die Erfahrung, dass es einen einfachen und zugleich gerechten kommunalen<br />
Finanzausgleich leider nicht geben kann, aber es sollte eben auch nicht so sein,<br />
dass sich das System nur noch ganz wenige Experten erschließt.<br />
37
Von daher kann es nicht verwundern, dass der Landtag im Dezember 2011 die zahlenmäßigen<br />
Festlegungen im Gesetz zur Änderung des FAG nicht, wie eigentlich<br />
geplant, für zwei Jahre, nämlich für 2012 und 2013 beschlossen hat, sondern zunächst<br />
einmal nur für 2012 2 .<br />
Für das Jahr 2013 erwarten der Landtag (und wohl auch große Teile der kommunalen<br />
Familie) nunmehr ein weitgehend überarbeitetes FAG. Seine Erwartungen für die<br />
Ziele und Inhalte einer solchen Novellierung hat der Landtag in einem entsprechenden<br />
Beschluss zusammengefasst 3 :<br />
1. Der Landtag bekräftigt seine Absicht, das Modell des aufgabenangemessenen<br />
Finanzausgleichs auch zukünftig fortzuführen.<br />
2. Es ist Wille des Landtages, das Finanzausgleichsgesetz systematisch weiterzuentwickeln<br />
und eine entsprechende Novelle zum 1. Januar 2013 zu verabschieden.<br />
Insbesondere folgende Regelungsbedarfe sollen aufgegriffen werden:<br />
a) Einführung von Anreizen für kommunale Konsolidierungsanstrengungen;<br />
b) Ermittlung des notwendigen Finanzbedarfes für die laufenden und investiven<br />
Aufgaben unter Berücksichtigung der Angemessenheit des Ausgabeverhaltens<br />
der Kommunen als zukünftige (und am Ende eines Anpassungszeitraums)<br />
Grundlage der Kommunalfinanzierung;<br />
c) Prüfung der Verteilungsgerechtigkeit zwischen und innerhalb der kommunalen<br />
Gruppen und Berücksichtigung unterschiedlicher Bedarfe bedingt durch<br />
Fläche und Bevölkerungsdichte;<br />
d) Vorschläge, durch welche Maßnahmen die betroffenen Oberzentren, unter<br />
Zugrundelegung der bevorstehenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung<br />
zur Stadt-Umland-Umlage des Landes Mecklenburg-Vorpommern, für ihren<br />
anerkannten Mehraufwand finanziell entlastet werden können;<br />
e) Beteiligung der Kommunen an den Solidarpaktmitteln in Form einer Investitionspauschale<br />
im FAG;<br />
f) Prüfung der Abschaffung der Krankenhausumlage nach § 2 Abs. 3 KHG<br />
LSA.<br />
3. Zu den in Punkt 2 genannten Absichten erwartet der Landtag Vorschläge der<br />
Landesregierung unter Einbeziehung der Ergebnisse des beauftragten <strong>Gutachten</strong>s<br />
zur Weiterentwicklung des Finanzausgleichs und der kommunalen<br />
Spitzenverbände.<br />
2 GVBl. LSA Nr. 27/2011, ausgegeben am 29.12.2011, Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes<br />
und des Verbandsgemeindegesetzes vom 21. Dezember 2011.<br />
3 Vgl. Landtag von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, 2011, Drucksache 6/680.<br />
38
Begründung 4<br />
Der Landtag hat beginnend mit dem Jahr 2010 eine umfassende Neuordnung des<br />
kommunalen Finanzausgleichs in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> vorgenommen. Damit verbunden<br />
ist eine stärkere aufgabenbezogene Finanzausstattung aller kommunalen<br />
Gruppen. Beim Vollzug des FAG 2010/2011, noch mehr aber bei dessen Fortführung<br />
für 2012 zeigten sich eine Reihe von Detailproblemen, für die es ausgewogener<br />
Lösungen zwischen den Kommunen wie zwischen Land und Kommunen<br />
bedarf. Deshalb wird der Geltungszeitraum auf das Jahr 2012 begrenzt und Erwartungen<br />
an die Landesregierung und den von der Landesregierung beauftragten<br />
Gutachter hinsichtlich der Neugestaltung des kommunalen Finanzausgleichs<br />
ab dem Jahr 2013 formuliert.<br />
Mit seinem Beschluss vom 15.12.2011 hat der Landtag seine Erwartungen an die<br />
Landesregierung und an dieses <strong>Gutachten</strong> deutlich und nachvollziehbar formuliert.<br />
Im Laufe der folgenden Untersuchung werden die vom Landtag vorgegebenen Regelungsinhalte<br />
deshalb systematisch untersucht und – soweit als notwendig angesehen<br />
– entsprechende Gestaltungsvorschläge unterbreitet.<br />
3. Rahmenbedingungen für die Finanzausstattung des Landes<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und seiner Kommunen bis zum Jahr 2020 im<br />
Ländervergleich<br />
Um ihre Infrastrukturdefizite auszugleichen, aber auch zum Ausgleich der weit unterdurchschnittlichen<br />
kommunalen Steuerkraft, erhalten die neuen Länder im Rahmen<br />
des Solidarpakts II bis einschließlich des Jahres 2019 degressiv verlaufende Sonderbedarfsergänzungszuweisungen<br />
und im sogenannten Korb II überproportionale<br />
investive Zuweisungen vom Bund und aus europäischen Fonds.<br />
Zusammen mit den Sonderbedarfsergänzungszuweisungen zum Ausgleich von Sonderlasten<br />
durch die strukturelle Arbeitslosigkeit und den normalen Leistungen im föderalen<br />
Finanzausgleich verfügen die neuen Länder deshalb (in degressiver Form)<br />
bis einschließlich des Jahres 2019 noch über deutlich höhere Einnahmen als die alten<br />
Flächenländer.<br />
Da zugleich Ende 2019 das bisherige föderale Finanzausgleichgesetz ausläuft, kann<br />
zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch der Ausgleichsgrad des<br />
„normalen“ föderalen Finanzausgleichs weiter verringert. Im Weiteren soll allerdings<br />
davon ausgegangen werden, dass es zu einer unveränderten Fortschreibung kommt.<br />
4 Die Begründung ist dem Entschließungsantrag der Fraktionen CDU und SPD, Drucksache 6/660<br />
entnommen.<br />
39
Tabelle 1:<br />
Entwicklung der absoluten und relativen Finanzkraft der Gemeinden<br />
und des Landes <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bis zum Jahr 2020 im Ländervergleich<br />
2011<br />
Einwohner in1000<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
alte Flächenländer<br />
2.323 63.015<br />
- in Mio. Euro - - in Euro pro E - in % der aFL - - in Mio. Euro - - in Euro pro E<br />
Steuerkraft der Länder 5.315 2.288 91,3% 157.841 2.505<br />
Länderfinanzausgleich 532 229 -6.341 -101<br />
allgemeine BEZ 217 93 330 5<br />
BEZ wegen Kosten politischer Führung 53 23 163 3<br />
Finanzkraft der Länder ohne Sonderförderung 6.116 2.633 109,2% 151.993 2.412<br />
Steuerkraft der Gemeinden 1.348 580 56,4% 64.799 1.028<br />
Finanzkraft der Länder und Gemeinden ohne Sonderförderung 7.464 3.213 93,4% 216.792 3.440<br />
BEZ wegen teilungsbedingter Lasten 1.263 544 0 0<br />
BEZ wegen struktureller Arbeitslosigkeit 187 81 0 0<br />
Finanzkraft der Länder mit Sonderförderung 7.566 3.257 135,0% 151.993 2.412<br />
Finanzkraft der Länder und Gemeinden mit Sonderförderung 8.914 3.838 111,5% 216.792 3.440<br />
nachrichtlich: Korb II und europäische Mittel 726 313 0 0<br />
Finanzkraft der Länder und Gemeinden mit Sonderförderung einschl.<br />
Korb II und EU<br />
9.640 4.150 120,6% 216.792 3.440<br />
2020<br />
Einwohner in1000<br />
2.101 62.063<br />
- in Mio. Euro - - in Euro pro E - in % der aFL - - in Mio. Euro - - in Euro pro E<br />
Steuerkraft der Länder 6.685 3.181 91,9% 214.751 3.460<br />
Länderfinanzausgleich 593 282 -8.316 -134<br />
allgemeine BEZ 249 118 454 7<br />
BEZ wegen Kosten politischer Führung 53 25 163 3<br />
Finanzkraft der Länder ohne Sonderförderung 7.579 3.606 108,1% 207.052 3.336<br />
Steuerkraft der Gemeinden 1.819 866 60,4% 88.927 1.433<br />
Finanzkraft der Länder und Gemeinden ohne Sonderförderung 9.377 4.462 93,6% 295.979 4.769<br />
BEZ wegen teilungsbedingter Lasten 0 0 0 0<br />
BEZ wegen struktureller Arbeitslosigkeit 75 36 0 0<br />
Finanzkraft der Länder mit Sonderförderung 7.654 3.642 109,2% 207.052 3.336<br />
Finanzkraft der Länder und Gemeinden mit Sonderförderung 9.472 4.508 94,5% 295.979 4.769<br />
nachrichtlich: Korb II und europäische Mittel 100 48 0 0<br />
Finanzkraft der Länder und Gemeinden mit Sonderförderung einschl.<br />
Korb II und EU<br />
9.572 4.555 95,5% 295.979 4.769<br />
Quellen: BMF (Steuerschätzung vom November 2011 und vorläufige Abrechnung des föderalen Finanzausgleichs 2011), BMWi (Daten zur Potenzialschätzung),<br />
Statistisches Bundesamt (12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung) sowie eigene Berechnungen und Projektionen<br />
40
Während das Auslaufen der Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen wegen<br />
teilungsbedingter Lasten und der überproportionalen Zuweisungen des Bundes nach<br />
dem Korb II bereits seit dem Jahr 2001 gesetzlich geregelt sind, ist für die SoBEZ<br />
zum Ausgleich der Sonderlasten durch die strukturelle Arbeitslosigkeit lediglich alle<br />
drei Jahre eine Überprüfung vorgesehen.<br />
Bei der letzten Überprüfung im Jahr 2011 wurde eine Verminderung der jährlichen<br />
Zuweisungen von 1.000 Mio. Euro auf 807 Mio. Euro beschlossen. Für <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> ergibt sich daraus eine Absenkung von 187 auf durchschnittlich 150,9 Mio.<br />
Euro. Da im Jahr 2011 noch der volle Betrag ausgezahlt wurde, reduzieren sich die<br />
Einnahmen in 2012 und 2013 sogar auf jeweils 133 Mio. Euro.<br />
Die nächste Überprüfung ist für das Jahr 2013 mit Wirkung ab dem Jahr 2014 vorgesehen.<br />
Aufgrund des anhaltenden Abbaus der strukturellen Arbeitslosigkeit in den<br />
neuen Ländern muss von einer weiteren Absenkung ausgegangen werden. Weitere<br />
Schritte könnten dann in den Jahren 2017 und 2020 erfolgen, wobei für 2020 das<br />
gesamte Finanzausgleichsgesetz neu zu verhandeln ist.<br />
Als Projektion für das Jahr 2020 wird bei der folgenden Betrachtung ein Wert von<br />
insgesamt 400 Mio. Euro und damit für <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ein Betrag von rd. 75 Mio.<br />
Euro angenommen. Aus der Sicht von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> dürfte dies eher eine optimistische<br />
Erwartung sein.<br />
Nur ungefähr abschätzbar ist auch die weitere Entwicklung der Zuschüsse aus europäischen<br />
Fonds. Zwar ist für das Durchschnittsniveau in der nächsten Förderperiode<br />
von 2014 – 2020 noch kein dramatischen Rückgang auf das sehr niedrige Niveau<br />
der alten Flächenländer zu erwarten, aber spätestens in der übernächsten Förderperiode<br />
ab dem Jahr 2021 dürfte es zu einer weiteren starken Reduzierung in Richtung<br />
des Niveaus der alten Länder kommen. Es spricht allerdings vieles dafür, dass es<br />
auch schon im Verlauf der nächsten Förderperiode zu einer durchgehenden Degression<br />
kommt, so dass im Jahr 2020 für <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> wohl nur noch von Mitteln in<br />
der Größenordnung von 100 Mio. Euro auszugehen ist.<br />
In den föderalen Finanzausgleich geht auch ein Anteil von 64% der Steuerkraft der<br />
Gemeinden ein, wobei der Ausgleich über die Länderhaushalte erfolgt. Da nicht vollständig<br />
ausgeglichen wird, führt ein Anstieg der Steuerkraft der Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
um 1 Mio. Euro zu einer Verringerung der Ausgleichsleistungen an das<br />
Land um ziemlich genau 0,6 Mio. Euro.<br />
Da die Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2011 nur eine (normierte) Steuerkraft<br />
von 56,4% des Durchschnitts der alten Flächenländer aufweisen, erhält das Land<br />
dementsprechend hohe Ausgleichsleistungen. Im Vergleich zum Durchschnitt der<br />
alten Flächenländer führt dies (nach dem „normalen“ Finanzausgleich) auf der Landesebene<br />
zu einer Steuerkraft von 109,2% pro Einwohner.<br />
41
Bei einer konsolidierten Betrachtung der Finanzkraft der Länder und ihrer Gemeinden<br />
zeigt sich allerdings, dass der „normale“ Finanzausgleich von einer Nivellierung<br />
oder gar Übernivellierung weit entfernt ist. Die relative Finanzkraft pro Einwohner beträgt<br />
nämlich in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2011 nur 93,4% des Durchschnitts der alten<br />
Flächenländer.<br />
Durch die degressiv gestalteten Sonderförderungen erhöht sich die konsolidierte Finanzkraft<br />
des Landes und seiner Gemeinden im Jahr 2011 auf 111,5% 5 . Bezieht<br />
man die überproportionalen Leistungen des Korbs II auch noch mit ein, ergibt sich<br />
sogar ein Wert von 120,6% des Durchschnitts der alten Flächenländer.<br />
Durch das weitgehende Auslaufen der Sonderförderung bis zum Jahr 2020 wird diese<br />
Relation von Jahr zu Jahr abnehmen. Nach dem „normalen“ Finanzausgleich dürfte<br />
im Jahr 2020 die relative Finanzkraft auf der konsolidierten Ebene bei ca. 93,6%<br />
liegen. Wenn die hier getroffenen Annahmen für die BEZ wegen struktureller Arbeitslosigkeit<br />
und der Zuweisungen aus europäischen Fonds zutreffen, würde die Relation<br />
nach den BEZ nur noch geringfügig auf 94,5% und einschließlich der hier unterstellten<br />
verbleibenden europäischen Mittel auf 95,5% ansteigen.<br />
Bis zum Jahr 2020 nimmt in dieser Modellrechnung (die sich weitgehend an der Methodik<br />
der regionalisierten Steuerschätzung orientiert, allerdings zusätzlich die Einwohnerentwicklung<br />
berücksichtigt) die relative Steuerkraft der Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
lediglich von 56,4% auf 60,4% zu. Schon diese sehr moderate Steigerung<br />
führt (im normalen Finanzausgleich) bereits zu einer entsprechenden Verringerung<br />
der relativen Finanzkraft auf der Landesebene von 109,3% auf 108,1% des Durchschnitts<br />
der alten Flächenländer.<br />
In der Logik des föderalen Finanzausgleichs folgt daraus (aufgrund der höheren gemeindlichen<br />
Steuerkraft) eine entsprechende Absenkung des kommunalen Finanzausgleichsbedarfs.<br />
Falls die relative Steuerkraft der Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
noch stärker zunehmen sollte, müsste dementsprechend die Finanzausgleichsmasse<br />
noch stärker abgesenkt werden. Würde sie hingegen (entgegen allen Erwartungen)<br />
wieder abnehmen, müsste die Finanzausgleichsmasse entsprechend erhöht werden.<br />
Im Jahr 2001 lag die Relation der Steuerkraft pro Einwohner der Gemeinden in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zum Durchschnitt der alten Flächenländer noch bei 39,3% und hat<br />
sich seither auf 56,4% erhöht, also jahresdurchschnittlich um fast 1,7 Punkte. Bei<br />
einer linearen Fortschreibung bis zum Jahr 2020 ergäbe sich sogar eine Relation von<br />
73,3%.<br />
Falls sich also die relative Steuerkraft der Gemeinden bis zum Jahr 2020 nicht nur<br />
auf rd. 60,4%, sondern auf 73,3% entwickeln sollte, verstärken sich diese Effekte<br />
5 Auf die Einbeziehung der Konsolidierungshilfen im Zeitraum von 2011 bis 2020 von jährlich 80 Mio.<br />
Euro für <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, 260 Mio. Euro für das Saarland und 80 Mio. Euro für Schleswig-Holstein ist<br />
hier deshalb verzichtet worden, weil diese Mittel in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Rahmen von STARK II für die<br />
Teilentschuldung von Kommunen verwendet werden und insofern keinen Basiseffekt im Landeshaushalt<br />
hervorrufen.<br />
42
nochmals sehr deutlich, so dass die relative Finanzkraft auf der Landesebene um<br />
weitere 3,3 Punkte auf 104,8% zurückgehen würde 6 .<br />
Zu beachten ist in der Gesamtbetrachtung, dass es trotz der Verschlechterung der<br />
relativen Finanzausstattung des Landes (einschließlich seiner Kommunen) im Vergleich<br />
zu den alten Flächenländern im Zeitraum von 2011 bis 2020 durch die bundesweite<br />
Zunahme der Steuereinnahmen zu einer deutlichen Erhöhung der Finanzkraft<br />
pro Einwohner um insgesamt fast 10% kommen könnte.<br />
Da aber im gleichen Zeitraum auch die Zahl der Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> um<br />
ca. 10% schrumpfen dürfte, geht die Gesamtfinanzausstattung des Landes und seiner<br />
Gemeinden nach dieser Projektion leicht zurück.<br />
Da zudem wegen der Einführung der Schuldenbremse bis zum Jahr 2020 auch noch<br />
die Nettokreditaufnahme des Landes im Jahr 2011 von rd. 240 Mio. Euro auszugleichen<br />
ist, muss der konsolidierte öffentliche Haushalt in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bis zum Jahr<br />
2020 um rd. 310 Mio. Euro schrumpfen. Schon bei nominaler Betrachtung ist er also<br />
spürbar, nämlich um ca. 0,4% jährlich, bei inflationsbereinigter realer Fortschreibung<br />
sogar deutlich, nämlich (bei einer unterstellten Preissteigerungsrate von ca. 1,5%)<br />
jährlich um rd. 1,9% zu reduzieren.<br />
Die Schlussfolgerungen aus dieser Betrachtung sind eindeutig. Zum Ersten dürfen<br />
sich Land und Kommunen nicht am heutigen (realen) Ausgabenniveau orientieren,<br />
sondern nur an den Mitteln, die nachhaltig (d.h. auch noch nach Auslaufen der Sonderförderung<br />
im Jahr 2020) zur Verfügung stehen.<br />
Zum Zweiten führt der Abbau der Sonderförderung nicht zum Absturz ins Bodenlose,<br />
sondern (bei unverändertem Finanzausgleich) lediglich auf ein Niveau, das zwar mit<br />
93,6% ein ganzes Stück niedriger liegt als der Durchschnitt der alten Flächenländer,<br />
aber von dem der steuerschwächeren alten Flächenländer Niedersachsen, Rheinland-Pfalz<br />
und Schleswig-Holstein nicht allzu weit entfernt ist.<br />
Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> (trotz der Belastungen<br />
aus dem AAÜG) auch in Zukunft sehr viel geringere Versorgungslasten finanzieren<br />
muss als die alten Flächenländer 7 .<br />
Zum Dritten schließlich führt eine (sehr wahrscheinliche) Zunahme der relativen<br />
Steuerkraft der Gemeinden zu einem gleichzeitigen Rückgang der relativen Einnahmen<br />
auf der Landesebene. Für die zukünftige Entwicklung des kommunalen Finanzausgleichs<br />
müssen diese strukturellen Verschiebungen berücksichtigt werden.<br />
Bei der Beantwortung der Frage, welche Aufgaben beim Land und den Gemeinden<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> als notwendig anzusehen sind und ob sie effizient wahrgenom-<br />
6 Zur Berechnungsmethodik vgl. Deubel, I., 2010, Strategische Ausrichtung des Landeshaushaltes<br />
von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, S. 44f.<br />
7 Vgl. hierzu die Berechnungen bei: Benz, T., Hagist, C., Raffelhüschen, B., 2011, Ausgabenprojektion<br />
und Reformszenarien der Beamtenversorgung in Deutschland, Freiburg, passim<br />
43
men werden, ist vor diesem Hintergrund ein intensiver Vergleich mit der Situation<br />
und Entwicklung sowohl der alten, als auch der neuen Flächenländer geboten.<br />
Dabei kann es natürlich nicht um eine 1:1-Übertragung der jetzigen Haushaltsstrukturen<br />
der Vergleichsländer gehen, denn selbstverständlich gehören eigene Schwerpunkte<br />
und die Herausarbeitung eigenständiger Profile zu den Wesensmerkmalen<br />
eines erfolgreichen Föderalismus. Eine ineffiziente Aufgabenwahrnehmung oder ein<br />
generell übersteigertes Ausgabenniveau lassen sich mit föderalen Prinzipien allerdings<br />
nicht rechtfertigen.<br />
Wenn in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> die Aufgaben A und B aus guten Gründen höher gewichtet<br />
werden sollen als in den Vergleichsländern, kann dies nicht zugleich auch für die<br />
Aufgaben C, D, usw. gelten, sondern dann muss eben bei C, D, usw. deutlich restriktiver<br />
als in den Vergleichsländern agiert werden.<br />
Mit Blick auf das Jahr 2020 können vor allem die kommunalen Leistungs- und Ausgabenniveaus<br />
der steuerschwächeren alten Flächenländer als Zielmaßstäbe für die<br />
Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> dienen.<br />
Daneben soll in diesem <strong>Gutachten</strong> aber auch überprüft werden, wie der Vergleich mit<br />
den Kommunen in den anderen neuen Ländern ausfällt. Denn schließlich stehen<br />
auch die anderen neuen Flächenländer vor der äußerst schwierigen Aufgabe, wie bis<br />
zum Jahr 2020 die Anpassung an die finanzpolitische Normalität bewältigt werden<br />
kann.<br />
Als Vergleichsländer besonders geeignet erscheinen hier Mecklenburg-Vorpommern,<br />
<strong>Sachsen</strong> und Thüringen, während Brandenburg durch seine Nähe zu Berlin, die<br />
dadurch begründete wesentlich bessere wirtschaftliche Situation und seine deutlich<br />
günstigere demografische Entwicklung als Vergleichsland nicht so gut geeignet erscheint.<br />
4. Maßstäbe zur Bestimmung einer angemessenen Finanzausstattung<br />
4.1. Tatsächliche oder notwendige Ausgaben?<br />
Mit der Formulierung im § 2 Abs. 2 des FAG: „Maßstab der Bemessung der Landeszuweisungen<br />
sind die notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung“, hat<br />
der Landesgesetzgeber seine Zielsetzung für die Quantifizierung eines aufgabenorientierten<br />
Finanzausgleichs verdeutlicht und zugleich eine erste Konkretisierung der<br />
verfassungsrechtlichen Vorgaben vorgenommen.<br />
Im Kern greift der Landesgesetzgeber damit die klassischen haushaltsrechtlichen<br />
Prinzipien der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit auf. Unter Sparsamkeit wird dabei<br />
verstanden, nur solche Aufgaben wahrzunehmen und mit öffentlichen Mitteln zu dotieren,<br />
die als notwendig anzusehen sind. Im Vordergrund steht hier also die Frage,<br />
44
ob eine Aufgabe überhaupt öffentlich wahrgenommen bzw. finanziert werden muss<br />
und wenn ja, welche Leistungsniveaus als notwendig anzusehen sind.<br />
Unter Wirtschaftlichkeit wird dann verstanden, das so bestimmte Leistungsniveau<br />
einer als notwendig angesehenen Aufgabe so kostengünstig wie möglich bereitzustellen.<br />
Der Begriff der Bereitstellung wird dabei verwendet, weil es keineswegs immer<br />
sinnvoll ist, die Durchführung einer Aufgabe auch vollständig selbst zu übernehmen.<br />
Wie bereits einleitend dargestellt, ist die Einordnung einer Aufgabe bzw. eines bestimmten<br />
Leistungsniveaus nicht davon abhängig, ob die Wahrnehmung der Aufgabe<br />
an sich oder die Einhaltung bestimmter Leistungsstandards gesetzlich vorgegeben<br />
und damit pflichtig ist.<br />
Die Sicherstellung eines Mindestmaßes an sogenannten freiwilligen Leistungen, vor<br />
allem im Bereich der Kunst, der Kultur oder des Sports, gehört zum gesicherten<br />
Kernbestand der kommunalen Selbstverwaltung. Und dies gilt in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
schon deshalb völlig zweifelsfrei, weil im Artikel 36 der Landesverfassung für diese<br />
Bereiche sehr klare und eindeutige Vorgaben gemacht werden:<br />
Artikel 36<br />
Kunst, Kultur und Sport<br />
(1) Kunst, Kultur und Sport sind durch das Land und die Kommunen zu schützen<br />
und zu fördern.<br />
(2) Die heimatbezogenen Einrichtungen und Eigenheiten der einzelnen Regionen<br />
innerhalb des Landes sind zu pflegen.<br />
(3) Das Land und die Kommunen fördern im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten<br />
die kulturelle Betätigung aller Bürger insbesondere dadurch, daß sie<br />
öffentlich zugängliche Museen, Büchereien, Gedenkstätten, Theater, Sportstätten<br />
und weitere Einrichtungen unterhalten.<br />
(4) Das Land sorgt, unterstützt von den Kommunen, für den Schutz und die<br />
Pflege der Denkmale von Kultur und Natur.<br />
(5) Das Nähere regeln die Gesetze.<br />
Für die Sparsamkeits- bzw. Notwendigkeitsvorgabe hilft die Unterscheidung zwischen<br />
pflichtigen und freiwilligen Aufgaben deshalb kaum weiter.<br />
Ein alternativer Ansatz könnte darin liegen, dass nur solche (freiwilligen) Aufgaben<br />
als notwendig angesehen werden, die im Regelfall auch von anderen gleichartigen<br />
Kommunen wahrgenommen werden.<br />
Zwar führt eine solche Abgrenzung durchaus ein Stück weiter, aber gerade in den<br />
freiwilligen Bereichen ist sie ebenfalls nur bedingt zielführend. Es wäre z.B. nicht<br />
nachvollziehbar, wenn sich jede (größere) kreisfreie Stadt die Notwendigkeit zur Un-<br />
45
terhaltung eines Zoos oder eines Dreispartenhauses attestieren würde und das Land<br />
die Finanzierung jeweils absichern müsste. Auf der anderen Seite wäre ein ganzes<br />
Bundesland ohne Zoo, Oper, Schauspiel und Ballett ebenfalls kaum vorstellbar.<br />
Zielführend wird diese Abgrenzung allerdings dann, wenn sie nicht auf die Art der<br />
freiwilligen Leistungen abstellt, sondern auf die Höhe der dafür eingesetzten öffentlichen<br />
Mittel. Wenn sich innerhalb des Landes und auch bundesweit nachweisen<br />
lässt, dass andere vergleichbare Kommunen (unter Außerachtlassung der wenigen<br />
Fälle großzügigen privaten Mäzenatentums) eine bestimmte Aufgabe oder ein Bündel<br />
von Aufgaben in zufriedenstellender Weise mit einem besonders niedrigen Zuschussbedarf<br />
aus öffentlichen Kassen von x Euro pro Einwohner finanzieren können,<br />
dann sollte dies bei der Abgrenzung der „Notwendigkeit“ nicht außen vor bleiben. Es<br />
muss schon gute und überzeugende Gründe geben, damit Kommunen mit einem<br />
höheren Zuschussbedarf attestiert werden kann, dass auch dieser notwendig ist.<br />
Natürlich wird man bei einem bundesweiten Vergleich immer Kommunen finden, die<br />
für einzelne (freiwillige) Aufgaben keine oder nur erstaunlich geringe Zuschussbedarfe<br />
ausweisen. Eine nähere Analyse zeigt dann allerdings häufig, dass die Leistungen<br />
anderer benachbarter Kommunen in Anspruch genommen werden, die Leistungen<br />
durch vermögende Private oder Unternehmen finanziert oder in eine unternehmerische<br />
Rechtsform gekleidet sind und die Zuschussbedarfe den Vermögenshaushalten<br />
(als regelmäßige Kapitalaufstockungen) oder (zum Teil auch aus steuerlichen Gründen)<br />
den kommunalen Querverbünden angelastet werden.<br />
Ein Benchmarking derart, dass ohne nähere Prüfung der von der „sparsamsten“<br />
gleichartigen Kommune aufgewandte Zuschussbedarf als Maßstab für die Notwendigkeit<br />
anzusehen ist, muss deshalb aus vielerlei Gründen als untauglich bzw. nicht<br />
durchführbar angesehen werden. Negative Ausreißer als finanzielle Vorbilder zu<br />
verwenden, führt bei sehr detaillierten Analysen häufig schon deshalb zur Ernüchterung,<br />
weil die Finanzstatistik nur das hergibt, was auch vorher eingegeben wurde.<br />
Es gilt also ein Verfahren zu entwickeln, dass sich zwar an anderen vergleichbaren<br />
Kommunen im eigenen, aber natürlich auch in anderen Bundesländern orientiert, bei<br />
dem aber der Zuschussbedarf (pro Einwohner) in einer Form ermittelt wird, bei der<br />
sichergestellt ist, dass es sich nicht um einen statistischen Ausreißer handelt, sondern<br />
um den tatsächlichen Ressourceneinsatz von Kommunen, die ihre Aufgaben<br />
sparsam und verantwortlich wahrnehmen.<br />
Das erst kürzlich vom Verfassungsgerichtshof in Thüringen ausdrücklich akzeptierte<br />
Verfahren, nur solche Kommunen für die Maßstabsbildung heranzuziehen, deren<br />
Zuschussbedarfe zwischen 50% und 100% des Mittelwerts liegen, kann hierfür ein<br />
durchaus gangbarer Weg sein 8 . Um die Ausreißer zu eliminieren wird dort für Gemeinden<br />
mit weniger als 50% ein Wert von 50% und für Gemeinden mit mehr als<br />
100% ein Wert von 100% des Mittelwerts in die Maßstabsbildung eingerechnet.<br />
8 Thüringer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 02.11.2011, VerfGH 13/10<br />
46
Eine andere Möglichkeit, die Ausreißer nach unten und oben bei der Maßstabsbildung<br />
noch besser auszuschließen, besteht darin, die Zuschussbedarfe der Kommunen<br />
(pro Einwohner) zunächst einmal in eine Reihung zu bringen und sich dann auf<br />
die Werte zu konzentrieren, bei denen zum einen ein sparsames Verhalten zu unterstellen<br />
ist, zum anderen jedoch statistische Ausreißer nach unten sicher ausgeschlossen<br />
werden können.<br />
In allgemeiner Form kann dies mit Hilfe des sogenannten k-Quantils geschehen. Für<br />
k sind dabei Werte zwischen 0 und 1 zulässig, die als Prozentsätze (noch kleinerer<br />
Werte) zu interpretieren sind. Für k=0,5 erhält man den Median, weil 50% der Werte<br />
kleiner sein müssen. Für k=0,25 erhält man das erste Quartil, weil 25% der Werte<br />
kleiner sind.<br />
Wenn man für den Vergleich auf eine größere Zahl von einzelnen Kommunen zurückgreifen<br />
kann, empfehlen sich zur Maßstabsbildung k-Werte zwischen 0,25 und<br />
0,5. Damit bleiben zum einen die unteren 25% und zum anderen die oberen 50%<br />
unberücksichtigt.<br />
Solange die Wahrnehmung der Aufgabe und das zu erbringende Leistungsniveau<br />
nicht gesetzlich festgelegt ist, kann das obige Verfahren natürlich nur dann verwendet<br />
werden, wenn vergleichbare Gemeinden in die Betrachtung einbezogen werden.<br />
Es wäre z.B. völlig sinnlos, das Kulturangebot eines Oberzentrums mit dem von Gemeinden<br />
ohne zentralörtliche Bedeutung zu vergleichen und daraus die Schlussfolgerung<br />
ziehen, dass ein Oberzentrum auch ohne (die vom Landesgesetzgeber geforderten<br />
und geförderten) Kultureinrichtungen seine Aufgaben erfüllen kann. Und<br />
wenn es, wie in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, nur drei kreisfreie Städte gibt, die landesplanerisch<br />
alle drei als Oberzentren ausgewiesen sind und damit das gesamte Land mit oberzentralen<br />
Leistungen zu versorgen haben, ist ein solches Verfahren allenfalls bei<br />
länderübergreifender Betrachtung zielführend.<br />
Bei pflichtigen Aufgaben kommt es für die Maßstabsbildung darauf an, ob die zu erbringende<br />
Leistung in einer proportionalen Beziehung zu leicht messbaren Größen<br />
steht. Am einfachsten sind natürlich die Fälle, bei denen eine (ungefähre) Proportionalität<br />
mit der Einwohnerzahl oder einer Teilmenge der Einwohner, z.B. der unter<br />
6-Jährigen bei der KiTa-Betreuung vorliegt bzw. erwartet werden darf.<br />
Sehr viel schwieriger zu vergleichen sind die Fälle, in denen die Fallzahlen und die<br />
Leistungsniveaus keine entsprechenden Proportionaltäten aufweisen und auch andere<br />
leicht messbarer Einflussfaktoren, wie z.B. Fläche, Ballung, Einwohnerzahl, Zahl<br />
der Einpendler, Zentralität, Wachstums- und Schrumpfungsraten der Einwohnerzahl<br />
etc. in keinem statistisch signifikanten (partiellen) Proportionalverhältnis zu den Zuschussbedarfen<br />
(pro Einwohner) stehen.<br />
Die Erfahrung aus vielen Analysen zeigt allerdings, dass es zwar solche Aufgabenbereiche<br />
auch gibt, im Regelfall aber durchaus zu messbaren Größen entsprechende<br />
(partielle) Proportionaltäten bestehen.<br />
47
Der Klammerzusatz „partielle“ ist deshalb notwendig, weil die zu erbringenden Leistungsniveaus<br />
auch durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren bestimmt<br />
werden könnten, für deren Analyse komplexere statistische Verfahren, wie z.B. die<br />
multiple Regressionsanalyse, erforderlich sind.<br />
Dies gilt vor allem dann, wenn aus Gründen der Praktikabilität und zur Vermeidung<br />
von Vergleichsstörungen nicht einzelne Aufgaben betrachtet werden (können), sondern<br />
ganze Aufgabenbereiche, wie z.B. die Einzelpläne (einstellige Gliederungen) in<br />
der kommunalen Haushaltsstatistik.<br />
Effizient arbeiten dann die Kommunen, die ein vorgegebenes Leistungsniveau mit<br />
minimalen Kosten bzw. Zuschussbedarfen erreichen. In der statistischen Praxis ist<br />
eine trennscharfe Unterscheidung zwischen den erbrachten Leistungsniveaus (als<br />
Outputgrößen) und der Effizienz (als Verhältnis zwischen Kosten und erbrachten<br />
Leistungsniveaus) insbesondere dann kaum noch möglich, wenn keine Einzelaufgaben,<br />
sondern ganze Leistungsbündel in den Vergleich gestellt werden sollen.<br />
Wenn allerdings ein aufgabenorientierter Finanzausgleich in nachvollziehbarer und<br />
noch überschaubarer Weise empirisch fundiert werden soll, führt kein Weg an einer<br />
Betrachtung von ganzen Aufgabenbereichen vorbei.<br />
Wenn einzelne Kommunen für einen bestimmten Aufgabenbereich sehr viel weniger<br />
Finanzmittel als vergleichbare Kommunen einsetzen, ist statistisch nur sehr schwer<br />
feststellbar, ob diese Gemeinden ein besonders niedriges Leistungsniveau aufweisen<br />
oder ein normales Leistungsniveau lediglich besonders kostengünstig bereitstellen.<br />
Die zugehörige Gleichung lautet nämlich:<br />
Kosten/Einwohner = Leistung/Einwohner x Kosten/Leistung<br />
Häufig liegt die Wahrheit genau in der Mitte, d.h. in einer Gemeinde mit sehr niedrigen<br />
Kosten pro Einwohner wird ein unterdurchschnittliches Leistungsniveau pro Einwohner<br />
mit unterdurchschnittlichen Kosten pro Leistungseinheit kombiniert. Solange<br />
das Leistungsniveau nicht offensichtlich unterhalb der Notwendigkeitsschwelle liegt,<br />
ist eine solche Gemeinde deshalb durchaus als Benchmark geeignet.<br />
Da beim Unterschreiten der Notwendigkeitsschwelle bei Pflichtaufgaben häufigere<br />
Beschwerden zu erwarten sind und die Rechnungsprüfungsämter, die Kommunalaufsicht<br />
und die Verwaltungsgerichte solche Missstände kaum über einen längeren<br />
Zeitraum tolerieren dürften, darf allerdings davon ausgegangen werden, dass bei<br />
pflichtigen Aufgaben diese Schwelle in systematischer Weise allenfalls von relativ<br />
wenigen Kommunen unterschritten wird.<br />
Es kann nun aber auch so sein, dass selbst auf der Ebene von Aufgabenbündeln<br />
bzw. Einzelplänen nach der Haushaltsstatistik keine saubere Zuordnung von Ausgaben<br />
und Einnahmen bzw. Kosten und Erträgen erfolgt, so dass der in der Haushaltsstatistik<br />
ausgewiesene Mitteleinsatz nach oben oder unten verzerrt ist.<br />
48
Zwar kommt man solchen Verzerrungen zuweilen auf die Spur, aber es wird nie<br />
möglich sein, sämtliche Vergleichsstörungen zu eliminieren. Von daher empfiehlt sich<br />
aus Vorsichtsgründen auch hier, die Ausreißer nach unten aus der Betrachtung zu<br />
eliminieren. Ein Verzicht auf die unteren 25% bei der Bildung von Angemessenheitsmaßstäben<br />
dürfte deshalb ein probates Mittel sein, um Ausreißer nach unten<br />
nicht zur Wirkung kommen zu lassen.<br />
Andererseits ist es (bei vergleichbaren Kommunen) ziemlich unwahrscheinlich, dass<br />
sich unter den oberen 50% auch noch Kommunen befinden, die ihre Leistung bereits<br />
auf das notwendige Niveau beschränkt haben und zugleich diese Leistungen auch<br />
noch mit minimalen Kosten erbringen. Von daher erscheint es durchaus geboten, bei<br />
der Maßstabsbildung nur solche Kommunen einzubeziehen, deren Kosten pro Einwohner<br />
oder – falls messbar – pro Leistungseinheit, unterhalb des Medians liegen.<br />
4.2. Der laufende Finanzbedarf der Kommunen<br />
Bisher ist der Begriff der zur Aufgabenerfüllung „eingesetzten Mittel“ bzw. der „Kosten“<br />
noch nicht näher bestimmt worden. Dies ist für die Ermittlung der Angemessenheit<br />
des Finanzausgleichsvolumens aber unbedingt erforderlich.<br />
Zu klären ist deshalb im ersten Schritt zum einen, ob eine strenge Periodenbezogenheit<br />
gelten soll oder auch periodenfremde Kosten und Leistungen erfasst werden<br />
sollen und zum anderen, wie mit vermögenswirksamen Ausgaben und Einnahmen<br />
und mit Altfehlbeträgen zu verfahren ist.<br />
Grundsätzlich sollte dabei das Prinzip gelten, dass Kosten und Erträge bei der Bedarfsermittlung<br />
nur einmal erfasst werden, nämlich in dem Jahr, dem sie zuzurechnen<br />
sind. Dies schließt - in der Nomenklatur der Kameralistik - die Berücksichtigung<br />
von Fehlbeträgen aus Vorjahren zunächst einmal aus.<br />
Im Ergebnishaushalt des doppischen Systems tauchen Ausgleiche von Defiziten aus<br />
Vorjahren ebenfalls nicht auf, sondern werden in der Bilanz nachgehalten. Im Prinzip<br />
dürften auch die Versorgungsausgaben nicht berücksichtigt werden, sondern stattdessen<br />
sind die Barwerte der im laufenden Jahr erworbenen Versorgungsansprüche<br />
einzubeziehen.<br />
Da der kommunale Versorgungsverband in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> durch entsprechende<br />
Umlagen eine Kapitaldeckung zukünftiger Versorgungsansprüche aufbaut, gelten für<br />
diesen Bereich allerdings schon heute in allen Kommunen die doppischen Regeln.<br />
Das Grundprinzip des Ergebnishaushaltes weist auch den Weg zum Umgang mit<br />
vermögenswirksamen Ausgaben und Einnahmen. Sie haben in der Ergebnisrechnung<br />
nichts verloren und sollten deshalb in analoger Weise auch aus der laufenden<br />
Rechnung eliminiert werden.<br />
49
Im ersten Schritt müssten also die Zuführung vom Verwaltungshaushalt an den Vermögenshaushalt<br />
und die Zuführung vom Vermögenshaushalt an den Verwaltungshaushalt<br />
bei der Ermittlung von Ausgaben und Einnahmen der laufenden Rechnung<br />
außen vor bleiben. Dies gilt allerdings nicht für den Teil der Zuführung an den Vermögenshaushalt,<br />
der dem Saldo aus den notwendigen Abschreibungen und der Auflösung<br />
des korrespondierenden Sonderpostens entspricht. Im Ergebnis führt dies<br />
dazu, dass nur der eigenfinanzierte Vermögensbestand abgeschrieben wird.<br />
Kommunen, die noch kameralistisch buchen, kennen ihre Abschreibungen und die<br />
Auflösungsraten des Sonderpostens allerdings im Regelfall nicht. Hilfsweise kommt<br />
in diesen Fällen die Pflichtzuführung an den Vermögenshaushalt bzw. eine fiktive<br />
Tilgung auf den Investitionsschuldenstand in Frage, die (bei landesdurchschnittlicher<br />
Betrachtung) in etwa der Höhe der Nettoabschreibungen entsprechen sollte.<br />
Etwas schwieriger ist die Zuordnung der Einnahmen aus dem Ausgleichsstock. Im<br />
Regelfall dienen diese Mittel nicht zur Finanzierung der lfd. Ausgaben, sondern zur<br />
Reduktion der periodenfremden Altfehlbeträge. In diesem Fall sollten sie auch nicht<br />
als lfd. Einnahmen angesehen werden.<br />
Die so abgegrenzte lfd. Rechnung (einschließlich Nettoabschreibungen oder Standardtilgungen)<br />
entspricht in der Haushaltsstatistik somit auf der Einnahmeseite den<br />
Hauptgruppen 0 (Steuern, allgemeine Zuweisungen) ohne die Gruppe 051 (Bedarfszuweisungen),<br />
1 (Einnahmen aus Verwaltung und Betrieb) und 2 (Sonstige Finanzeinnahmen)<br />
ohne die Gruppe 28 (Zahlungen vom Vermögenshaushalt).<br />
Auf der Ausgabeseite sind es die Hauptgruppen 4 (Personalausgaben), 5/6 (Sächlicher<br />
Verwaltungs- und Betriebsaufwand), 7 (lfd. Zuweisungen und Zuschüsse) und<br />
8 (Sonstige Finanzausgaben) ohne die Gruppe 86 (Zuführung zum Vermögenshaushalt)<br />
und die Gruppen 893/894 (Deckung von Soll-Fehlbeträgen aus Vorjahren). Bei<br />
den Ausgaben kommt die Nettoabschreibungen bzw. die Pflichtzuführung zum Vermögenshaushalt<br />
hinzu, die aber bei der folgenden Betrachtung zunächst noch außen<br />
vor bleiben sollen.<br />
Die Summe der Einnahmen der Hauptgruppen 0,1 und 2 wird statistisch in der Gruppe<br />
299 und die Summe der Ausgaben der Hauptgruppen 4, 5, 6, 7 und 8 in der<br />
Gruppe 899 zusammengefasst. Die Gruppe 299 entspricht somit den (gesamten)<br />
Einnahmen und die Gruppe 899 den (gesamten) Ausgaben des Verwaltungshaushalts.<br />
Zuweilen findet man Darstellungen, bei denen die Gesamtausgaben in den Verwaltungshaushalten<br />
(also die Gruppe 899) von Kommunen miteinander verglichen werden.<br />
Solche Vergleiche sind aus vielerlei Gründen ziemlich sinnlos. Zum Ersten sollte<br />
grundsätzlich um die periodenfremden Ausgaben bereinigt werden, zum Zweiten<br />
werden bei dieser Betrachtung keineswegs die eingesetzten allgemeinen Deckungsmittel<br />
erfasst, sondern die gesamten Bruttoausgaben. So kann es z.B. bei<br />
50
einfacher Addition der Bruttoausgaben im kreisangehörigen Raum wegen der Umlagefinanzierung<br />
zu einer Mehrfacherfassung von Ausgaben und damit zu wesentlich<br />
höheren Bruttoausgaben (pro Einwohner) als bei kreisfreien Städten kommen.<br />
So weist z.B. die Stadt Dessau im Jahr 2009 Gesamtausgaben im Verwaltungshaushalt<br />
von nur 1.897 Euro pro Einwohner aus, der Salzlandkreis dagegen bei Addition<br />
der drei kommunalen Ebenen Gesamtausgaben von 3.124 Euro.<br />
Daraus einen höheren Ressourcenverbrauch des Salzlandkreises abzuleiten, wäre<br />
offensichtlich falsch, denn zum Ausgleich seiner lfd. Rechnung benötigt der Salzlandkreis<br />
einschließlich aller Gemeinden und der beiden Verbandsgemeinden aus<br />
Steuereinnahmen und lfd. Nettozahlungen des Landes nur 1.253 Euro pro Einwohner,<br />
während die Stadt Dessau 1.461 Euro in Anspruch nimmt.<br />
Da bei Aufträgen an Dritte normalerweise nur die Nettokosten (also Kosten abzüglich<br />
der Einnahmen) gezahlt werden, kann sich auf der anderen Seite durch Aufträge an<br />
Dritte das Ausgabevolumen erheblich reduzieren.<br />
Dies gilt natürlich auch dann, wenn in einzelnen Bereichen die Ausgaben nicht auch<br />
als Ausgaben gebucht werden, sondern von den Einnahmen abgezogen werden<br />
(sogenannte Rotabsetzung).<br />
Am Beispiel der Vergabe an Dritte oder an eigenständige kommunale Betriebe mit<br />
eigenem Wirtschaftsplan ist auch gut darstellbar, dass ein undifferenzierter Vergleich<br />
der einzelnen Ausgabearten in vielen Verwaltungsbereichen zu Trugschlüssen führen<br />
muss.<br />
Wenn z.B. alle Kindertagesstätten in kommunaler Hand sind, kommt es natürlich zu<br />
sehr hohen Personalkosten. Werden dagegen alle Kindertagesstätten von Dritten<br />
geführt (dazu würde auch eine kommunale gemeinnützige Gesellschaft gehören), so<br />
entstehen keine Personalkosten, dafür aber Zuschüsse an Dritte.<br />
Hat eine Kindertagesstätte in privater Hand Einnahmen, die vom Träger unmittelbar<br />
zur (Teil-) Abdeckung seiner Kosten verwendet werden können, kommt es (im Vergleich<br />
zu gemeindlichen Kindertagesstätten) sowohl zu einer Verlagerung von Personalkosten<br />
zu Zuschüssen, als auch zu einer Reduzierung der Ausgaben (und der<br />
Einnahmen).<br />
Es ist jedoch keineswegs zwingend, dass die private Einrichtung bei wirtschaftlicher<br />
Betrachtung kostengünstiger als die eigene Einrichtung arbeitet. Für diese Frage ist<br />
vielmehr (zumindest bei kurzfristiger Betrachtung) entscheidend, wie sich der Saldo<br />
aus allen lfd. Ausgaben (einschließlich Nettoabschreibungen) und allen lfd. Einnahmen<br />
entwickelt.<br />
Von daher wird im Folgenden weitgehend auf Salden zwischen Ausgaben und Einnahmen<br />
bzw. Zuschussbedarfe abgestellt. Damit lassen sich Vergleiche zwischen<br />
Gemeinden und kommunalen Gruppen innerhalb und zwischen den Ländern sehr<br />
51
viel aussagekräftiger durchführen als bei einer Beschränkung auf die Ausgabenseite<br />
oder gar auf einzelne Ausgabenarten.<br />
Die Differenz aus den lfd. Ausgaben (899 – 86 – 893 – 894) und den lfd. Einnahmen<br />
(299 – 051 – 28) ergibt das lfd. Defizit, bzw. mit einem Minus-Vorzeichen den lfd.<br />
Überschuss.<br />
Das lfd. Defizit ist (bei einem positiven Vorzeichen) als Teil des lfd. Finanzbedarfs<br />
und bei einem negativen Vorzeichen als Minderung des lfd. Finanzbedarfs anzusehen.<br />
Die Definition des lfd. Finanzbedarfs selbst hängt von der zugrunde liegenden Fragestellung<br />
ab. Es ist natürlich sinnvoll, bei der Ermittlung des lfd. Finanzbedarfs jeweils<br />
die Einnahmearten außen vor zu lassen, die zur Deckung des lfd. Finanzbedarfs<br />
verwendet werden sollen. Dies sind insbesondere die lfd. Nettozahlungen (Einnahmen<br />
– Ausgaben) vom Land (ohne Bedarfszuweisungen) und die lfd. Nettozahlungen<br />
von anderen Kommunen.<br />
Zieht man diese Zahlungen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite ab, erhält man<br />
die unmittelbaren lfd. Ausgaben und Einnahmen und als Saldo den unmittelbaren<br />
Finanzbedarf. Dieser enthält auf der Einnahmeseite noch die Steuereinnahmen und<br />
auf der Ausgabeseite die abzuführende Gewerbesteuerumlage.<br />
Zieht man die Steuereinnahmen und die Gewerbesteuerumlage auch noch ab, erhält<br />
man als Saldo aus den verbleibenden Ausgaben und Einnahmen eine Finanzbedarfsgröße,<br />
die ich als Zuschussbedarf V bezeichne. Addiert man noch die Pflichtzuführung<br />
an den Vermögenshaushalt bzw. die Nettoabschreibungen hinzu, erhält man<br />
den Zuschussbedarf VI.<br />
Der Zuschussbedarf VI entspricht also dem lfd. Finanzbedarf einschließlich Pflichtzuführung<br />
oder Nettoabschreibungen, der durch Nettosteuereinnahmen, lfd. Nettotransfers<br />
vom Land (ohne Bedarfszuweisungen) und lfd. Nettotransfers von Kommunen<br />
zu decken ist.<br />
Der Zuschussbedarf V unterscheidet sich vom Zuschussbedarf VI dadurch, dass die<br />
Pflichtzuführung bzw. die Nettoabschreibungen noch nicht finanziert sind.<br />
Zieht man vom Zuschussbedarf V die Nettotransfers von anderen Kommunen ab,<br />
erhält man den Zuschussbedarf IV. Dieser entspricht also dem lfd. Finanzbedarf (ohne<br />
Pflichtzuführung bzw. Nettoabschreibungen), der aus Steuern und Nettozahlungen<br />
vom Land zu finanzieren ist.<br />
Die Unterscheidung zwischen den Zuschussbedarfen IV und V ist vor allem innerhalb<br />
des kreisangehörigen Raums wichtig. Dabei geht es insbesondere um die Kreisumlage<br />
und die Verbandsgemeindeumlage sowie die Zuweisungen von den Umlageverbänden<br />
an die Gemeinden für die lfd. Aufgabenwahrnehmung.<br />
52
Der Zuschussbedarf IV beinhaltet bei den kreisangehörigen Gemeinden die Ausgaben<br />
für die Kreisumlage und bei den Kreisen die Einnahmen aus der Kreisumlage,<br />
während der Zuschussbedarf V die Kreisumlage (und andere kreisinterne Zahlungen)<br />
nicht mehr enthält.<br />
Die lfd. Nettozahlungen vom Land lassen sich in die lfd. Nettozahlungen innerhalb<br />
und außerhalb der Finanzausgleichsmasse und die Bedarfszuweisungen zerlegen.<br />
Zieht man vom Zuschussbedarf IV die lfd. Nettozahlungen des Landes außerhalb der<br />
Finanzausgleichsmasse ab, erhält man den Zuschussbedarf III. Dieser entspricht<br />
dem lfd. Finanzbedarf (ohne Pflichtzuführung bzw. Nettoabschreibungen), der aus<br />
Steuern und Nettozahlungen vom Land innerhalb der Finanzausgleichsmasse zu<br />
decken ist.<br />
Zieht man vom Zuschussbedarf III die aus der Finanzausgleichsmasse finanzierten<br />
steuerkraftunabhängigen Nettozahlungen des Landes ab, erhält man den Zuschussbedarf<br />
II. Dieser entspricht dem lfd. Finanzbedarf (ohne Pflichtzuführung bzw. Nettoabschreibungen),<br />
der aus Steuern und steuerkraftabhängigen Schlüsselzuweisungen<br />
(in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> als allgemeine Zuweisungen bezeichnet) zu decken ist.<br />
Tabelle 2:<br />
Definition und Ableitung der Zuschussbedarfe von kreisangehörigen<br />
Gemeinden und Kreisen auf der Basis der Rechnung des Jahres 2009<br />
Zeile Berechnung<br />
Gemeinden<br />
Kreise<br />
- in €/E - - in €/E -<br />
1 899 Ausgaben des Verwaltungshaushaltes 1.408 Ausgaben des Verwaltungshaushaltes 1.197<br />
2 893/894 Deckung von Altfehlbeträgen 74 Deckung von Altfehlbeträgen 81<br />
3 86 Zuführung zum Vermögenshaushalt 66 Zuführung zum Vermögenshaushalt 33<br />
4 davon Pflichtzuführung 54 davon Pflichtzuführung 22<br />
5 Zahlungen an das Land außerhalb des FAG 5 Zahlungen an das Land außerhalb des FAG 2<br />
6 Zahlungen an den Kreis 298 Zahlungen an Gemeinden 120<br />
7 810 Gewerbesteuerumlage 21 Gewerbesteuerumlage 0<br />
8 299 Einnahmen des Verwaltungshaushaltes 1.323 Einnahmen des Verwaltungshaushaltes 1.122<br />
9 051 Bedarfszuweisungen 26 Bedarfszuweisungen 0<br />
10 28 Rückzuführung vom Vermögenshaushalt 38 Rückzuführung vom Vermögenshaushalt 4<br />
11 00/01/02/03 Steuereinnahmen 472 Steuereinnahmen 0<br />
12 Zuweisungen vom Land außerhalb des FAG 8 Zuweisungen vom Land außerhalb des FAG 186<br />
13 061 sonstige Zuweisungen vom Land im FAG 3 sonstige Zuweisungen vom Land im FAG 30<br />
14 041 allgemeine Zuweisungen vom Land 305 allgemeine Zuweisungen vom Land 259<br />
15 Zahlungen vom Kreis 120 Zahlungen von Gemeinden 298<br />
16 (1-2-3)-(8-9-10) lfd. Defizit (lfd. Überschuss bei -) 9 lfd. Defizit (lfd. Überschuss bei -) -35<br />
17 16+11-7 Zuschussbedarf I 460 Zuschussbedarf I -35<br />
18 17+14 Zuschussbedarf II 765 Zuschussbedarf II 224<br />
19 18+13 Zuschussbedarf III 768 Zuschussbedarf III 254<br />
20 19+12-5 Zuschussbedarf IV 771 Zuschussbedarf IV 438<br />
21 20+15-6 Zuschussbedarf V 593 Zuschussbedarf V 616<br />
22 21+4 Zuschussbedarf VI 647 Zuschussbedarf VI 638<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und eigene (leicht vereinfachte und gerundete)<br />
Berechnungen<br />
53
Zieht man vom Zuschussbedarf II die Schlüsselzuweisungen (allgemeinen Zuweisungen)<br />
ab, erhält man den Zuschussbedarf I. Dieser entspricht dem lfd. Finanzbedarf<br />
(ohne Pflichtzuführung bzw. Nettoabschreibungen), der aus Steuern zu decken<br />
ist.<br />
In der Tabelle 2 sind zur besseren Veranschaulichung anhand der Daten aus der<br />
Jahresrechnung 2009 die durchschnittlichen Werte pro Einwohner der kreisangehörigen<br />
Gemeinden und der Kreise sowie die Ableitung der verschiedenen Zuschussbedarfe<br />
dargestellt. Um die Darstellung einfach zu halten, sind die verbandsangehörigen<br />
Gemeinden dabei mit ihren Verbandsgemeinden konsolidiert worden.<br />
Um im Folgenden die Darstellungen noch weiter zu vereinfachen, wird wie folgt definiert:<br />
A: lfd. Defizit<br />
B: Nettosteuereinnahmen<br />
C: Nettozahlungen vom Land mit<br />
C1: Schlüsselzuweisungen (Allgemeine Zuweisungen) vom Land<br />
C2: Sonstige Nettozahlungen vom Land im FAG (ohne Bedarfszuweisungen<br />
und Investitionspauschale)<br />
C3: Nettozahlungen vom Land außerhalb des FAG<br />
D: Nettozahlungen von Gemeinden und Gemeindeverbänden<br />
E: Nettoabschreibungen bzw. Pflichtzuführung an den VermHH<br />
Es ergibt sich dann:<br />
Zuschussbedarf I<br />
Zuschussbedarf II<br />
= A + B<br />
= A + B + C1<br />
Zuschussbedarf III = A + B + C1 + C2<br />
Zuschussbedarf IV = A + B + C<br />
Zuschussbedarf V = A + B + C + D<br />
Zuschussbedarf VI = A + B + C + D + E<br />
Diese abgekürzte Schreibweise dient zunächst einmal der Beschreibung der tatsächlichen<br />
kommunalen Finanzstrukturen eines Jahres und dem Vergleich zwischen den<br />
Gemeinden innerhalb von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, aber auch einer länderübergreifenden<br />
Analyse.<br />
54
Dabei kommt es natürlich darauf an, die richtigen Fragen zu stellen und die jeweils<br />
sinnvoll vergleichbaren Zuschussbedarfe heranzuziehen. Da z.B. die Abgrenzung<br />
zwischen Zuweisungen innerhalb und außerhalb des FAG in jedem Land anders erfolgt<br />
und auch der Grad der Zweckbindung völlig unterschiedlich ist, sind die Zuschussbedarfe<br />
II und III zwar, je nach Fragestellung, für Vergleiche innerhalb des<br />
Landes recht gut verwendbar, aber zwischen den Gemeinden unterschiedlicher Länder<br />
weitgehend ungeeignet. Hier muss vielmehr auf die Zuschussbedarfe IV und V<br />
(evtl. auch auf VI) abgestellt werden.<br />
Wenn z.B. das Land X für die großen und teuren Kultureinrichtungen sehr stark auf<br />
lfd. Zweckzuweisungen außerhalb des FAG setzt, das Land Y jedoch in die kommunalen<br />
Präferenzen nicht eingreifen will und deshalb ausschließlich allgemeine Zuweisungen<br />
im FAG einsetzt, können nur die Zuschussbedarfe IV, V und VI für Ländervergleiche<br />
verwendet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht der gesamte<br />
Haushalt, sondern nur einzelne Aufgabenbereiche (also z.B. die Kultureinrichtungen)<br />
miteinander verglichen werden sollen.<br />
Wird nur auf der aggregierten Ebene aller Kommunen, des kreisangehörigen Raums<br />
oder der kreisfreien Städte verglichen (und gibt es keine Bezirksverbände), so empfiehlt<br />
sich vor allem der Zuschussbedarf IV, werden allerdings die einzelnen Ebenen<br />
analysiert, geht dies nur mit dem Zuschussbedarf V (also unter Berücksichtigung der<br />
Zahlungen zwischen den Kommunen).<br />
Die obigen Definitionen für Zuschussbedarfe dienen aber nicht nur zur Beschreibung<br />
tatsächlicher Strukturen und zur Durchführung von Vergleichen, sondern insbesondere<br />
auch für zukünftige Szenarien.<br />
Eine einfache Frage könnte z.B. lauten: Wie stark muss c.p. (unter sonst gleichen<br />
Verhältnissen) das Steueraufkommen verändert werden (z.B. durch Hebesatzveränderungen),<br />
damit für die Gemeinden A = 0 gilt? Nach der obigen Tabelle 2 müsste<br />
das Aufkommen um 9 Euro pro Einwohner erhöht werden.<br />
Anstatt nach der notwendigen Veränderung der Steuereinnahmen hätte natürlich<br />
auch gefragt werden können, um wie viel c.p. die Summe aus C1 und C2 verändert<br />
werden muss, damit A = - E gilt, also die lfd. Rechnung zuzüglich der Pflichtzuführung<br />
gerade ausgeglichen ist. Nach der Tabelle 2 müsste die Summe aus C1 und C2<br />
um 63 Euro pro Einwohner erhöht werden, damit E anstatt eines Wertes von 9 einen<br />
von – 54 Euro pro Einwohner annimmt.<br />
Mit diesem Beispiel dürfte deutlich geworden sein, dass der Zweck dieses Ansatzes<br />
neben dem Vergleich zwischen den Gemeinden vor allem im Herausarbeiten von<br />
notwendigen Bedingungen für die Gestaltung des FAG in Folgejahren liegt. Durch<br />
eine Projektion der Steuereinnahmen und der notwendigen lfd. Zuschussbedarfe<br />
(jeweils pro Einwohner) bei effizienter Aufgabenerfüllung kann (bei festgelegten Nettozahlungen<br />
des Landes außerhalb des FAG) auf relativ einfache Weise das jeweils<br />
angemessene Niveau der lfd. Leistungen im FAG bestimmt werden.<br />
55
4.3. Der investive Finanzbedarf der Kommunen<br />
Die Finanzierung von Investitionen ist kein Gegenstand der laufenden Bedarfsermittlung.<br />
Wenn allerdings die lfd. Bedarfsermittlung keine über die Pflichtzuführungen<br />
hinausgehenden freiwilligen Zuführungen an den Vermögenshaushalt beinhaltet,<br />
muss natürlich die Frage gestellt werden, wie dann ein adäquates Investitionsvolumen<br />
solide finanziert werden kann.<br />
Dazu ist zunächst zu klären, welche Entwicklung für die Investitionsniveaus der<br />
nächsten Jahre angestrebt werden soll. In den Jahren 2006 bis 2010 lag das durchschnittliche<br />
Sachinvestitionsniveau in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bei rd. 260 Euro pro Einwohner<br />
und im Durchschnitt der Vergleichsländer Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und<br />
Schleswig-Holstein bei etwa 230 Euro pro Einwohner. Wird bis zum 2020 eine Anpassung<br />
an das Niveau der Vergleichsländer unterstellt, ergibt sich unter Berücksichtigung<br />
der Einwohnerentwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ein Rückgang des jährlichen<br />
Sachinvestitionsvolumens von aktuell rd. 600 Mio. Euro auf ca. 480 Mio. Euro.<br />
In der Jahresrechnung 2009 hatten die kommunalen VermHH in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
Einnahmen von 66 Mio. Euro aus Veräußerungen, 12 Mio. Euro aus Beiträgen und<br />
Entgelten sowie 533 Mio. Euro vom Land. Dazu kamen 184 Mio. Entnahmen aus<br />
Rücklagen sowie rd. 66 Mio. Euro freiwillige Zuführungen vom VerwHH, denen allerdings<br />
99 Mio. Zuführung an Rücklagen und 93 Mio. Euro Zuführung an den VerwHH<br />
gegenüber standen, so dass im Saldo nur ein Finanzierungsbeitrag von 58 Mio. Euro<br />
verblieb. Den Landesmitteln von 533 Mio. Euro standen also nur eigene Mittel im<br />
Umfang von insgesamt 136 Mio. Euro entgegen. Da für Vermögenserwerbe ein Betrag<br />
von 94 Mio. Euro eingesetzt wurde, standen für Sachinvestitionen letztlich maximal<br />
echte Eigenmittel im Umfang von 42 Mio. Euro zur Verfügung.<br />
Da ein Großteil der Landesmittel aus dem Korb II finanziert wird, der bis zum Jahr<br />
2020 von aktuell noch rd. 700 Mio. Euro auf 0 Euro zurückgeht, verbleiben als zusätzliche<br />
Refinanzierungsmittel des Landes nur ca. 100 Mio. Euro aus europäischen<br />
Mitteln. Eine entsprechende massive Reduzierung der investiven Landeszuweisungen<br />
müsste zwangsläufig zu einem weitgehenden Zusammenbruch der Investitionsfähigkeit<br />
der Kommunen führen.<br />
Unterstellt man, dass der Eigenfinanzierungsanteil der Kommunen auch längerfristig<br />
nur ein Niveau von 40 Mio. Euro erreicht, können die verbleibenden 440 Mio. Euro<br />
nur durch investive Landesmittel oder Kreditaufnahmen finanziert werden.<br />
Wenn (bei landesweiter Betrachtung) die Tilgungen bzw. Nettoabschreibungen vollständig<br />
für eine entsprechende Absenkung des Schuldenstandes verwendet werden<br />
sollen, müssten die Landesmittel bei 440 Mio. Euro liegen. Wird dagegen (vom Programm<br />
STARK II abgesehen) lediglich angestrebt, dass der Schuldenstand der<br />
Kommunen konstant bleiben soll, könnte eigentlich eine jährliche komplementäre<br />
Kreditaufnahme im Umfang der gleichzeitigen Tilgungen (im Durchschnitt der Jahre<br />
2008 – 2010 rd. 189 Mio. Euro jährlich) bzw. der Nettoabschreibungen erfolgen.<br />
56
Da allerdings die Einwohnerzahl nach der 5. Regionalisierten Bevölkerungsprognose<br />
im Trend jährlich um rd. 1,3% jährlich zurückgeht, sind jeweils Tilgungen von 33 Mio.<br />
Euro erforderlich, damit der Schuldenstand pro Einwohner nicht ansteigt, so dass im<br />
Ergebnis nur rd. 156 Mio. Euro zur komplementären Kreditaufnahme verwendbar<br />
wären.<br />
Damit die Kommunen Sachinvestitionen im Umfang von jährlich 480 Mio. Euro finanzieren<br />
können, dürften somit die investiven Landeszuweisungen bis zum Jahr 2020<br />
nicht unter ein Niveau von rd. 280 - 300 Mio. Euro abgesenkt werden.<br />
Damit auch solche Kommunen investitionsfähig bleiben, die keine oder nur geringe<br />
Eigenanteile aufbringen können, sollte deshalb auch zukünftig die Investitionspauschale<br />
in einer angemessenen Höhe weitergeführt werden.<br />
4.4. Abbau der Altfehlbeträge<br />
Wenn das Volumen eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs so bemessen wird,<br />
dass der Zuschussbedarf VI im Durchschnitt der Kommunen so gerade ohne lfd. Defizite<br />
finanziert werden kann, lassen sich Altfehlbeträge nur durch eine besonders<br />
sparsame Haushaltswirtschaft, den Einsatz von Vermögenserlösen, Mehreinnahmen<br />
aus überdurchschnittlichen Realsteuerhebesätzen oder Bedarfszuweisungen des<br />
Landes ausgleichen.<br />
Können Vermögenserlöse nicht mehr erzielt werden und sind die Realsteuerhebesätze<br />
schon sehr stark angespannt, so reicht es zum Abbau der Altfehlbeträge offensichtlich<br />
nicht aus, dass eine Gemeinde ihre lfd. Rechnung ausgleicht und zusätzlich<br />
ihre Pflichtzuführung erwirtschaftet, sondern sie muss ihr Ausgabenniveau (zumindest<br />
im Konsolidierungszeitraum für die Altdefizite) zusätzlich unter das Niveau der<br />
Gemeinden ohne Altfehlbeträge absenken.<br />
Dies kann dazu führen, dass es in einzelnen Aufgabenbereichen zu einer Unterschreitung<br />
vorgegebener Mindestniveaus kommt. Da das Land in den nächsten Jahren<br />
schon rein finanziell nicht in der Lage sein dürfte, dieses Problem dadurch zu<br />
lösen, dass die lfd. FAG-Mittel so stark aufgestockt werden, dass (für alle Kommunen)<br />
zusätzliche Spielräume entstehen, sind allenfalls solche unterstützende Maßnahmen<br />
vorstellbar, bei denen das Land eine gezielte Hilfestellung für Kommunen<br />
mit besonders hohen Altfehlbeträgen leistet.<br />
Als Vorbedingung müsste die laufende Rechnung einschließlich der Pflichtzuführung<br />
(und vor einer eventuellen Rückzuführung vom VermHH) einen angemessenen<br />
Überschuss ausweisen. Zusätzlich sollte sich die Kommune dazu verpflichten, Vermögenserlöse<br />
zum Abbau der Altfehlbeträge zu erzielen und die Realsteuerhebesätze<br />
(zumindest während des Konsolidierungszeitraums) am Niveau entsprechender<br />
Gemeinden in Ländern mit höheren Hebesätzen (z.B. <strong>Sachsen</strong>) zu orientieren.<br />
57
Zur Erlangung von Planungssicherheit könnte das Land im Gegenzug eine längerfristige<br />
Zinsfestschreibung für die Altfehlbeträge (soweit diese zu Kassenkrediten geführt<br />
haben) in gesetzlich geregelter Form zulassen und (bei Einhaltung der Vorgaben<br />
der abzuschließenden Konsolidierungsvereinbarungen durch die Kommunen)<br />
einen Teil der Tilgungsleistungen für die Kassenkredite übernehmen.<br />
Bei Altfehlbeträgen von rd. 620 Mio. Euro nach der Jahresrechnung 2009 und 510<br />
Mio. Euro nach der Jahresrechnung 2010 (zuzügliche der Doppiker, darunter Magdeburg<br />
mit ca. 180 Mio. Euro) und einem angenommenen Tilgungsanteil des Landes<br />
von z.B. 30% ergäbe sich bei einem Konsolidierungszeitraum von acht Jahren eine<br />
jährliche Belastung des Landeshaushalts zwischen 25 und 30 Mio. Euro.<br />
Das Niveau der Bedarfszuweisungen von 60 Mio. Euro der Jahre 2010 und 2011<br />
könnte für die weiterhin notwendigen Liquiditätshilfen und ein solches Programm<br />
ausreichen, während der Betrag von 40 Mio. Euro des FAG 2012 bereits zu knapp<br />
sein dürfte.<br />
Da allerdings im Jahr 2012 nach § 17 Abs. 1 Satz 4 des FAG 20 Mio. Euro aus dem<br />
Ausgleichsstock zur Verstärkung der allgemeinen Zuweisungen der kreisangehörigen<br />
Gemeinden verwendet werden sollen, stehen im Jahr 2012 letztlich nur 20 Mio.<br />
Euro zur Verfügung. Dieser Betrag dürfte allenfalls ausreichen, um Liquiditätshilfen<br />
zu finanzieren, aber in jedem Fall zu niedrig sein, um ein entsprechendes Programm<br />
aufzusetzen.<br />
Alternativ können die notwendigen Mittel für ein entsprechendes Programm auch<br />
analog dem erfolgreichen Programm STARK II außerhalb des FAG bereitgestellt<br />
werden. Aufgrund der äußerst niedrigen Zinsen könnten die vom Land für STARK II<br />
vorgesehenen Mittel aus der Konsolidierungshilfe möglicherweise auch noch ausreichen,<br />
um die Kommunen beim Abbau ihrer Altfehlbeträge zu unterstützen.<br />
5. Der vertikale Finanzausgleich<br />
5.1. Das bisherige Verfahren zur Bestimmung der Finanzausgleichsmasse<br />
Das bisherige Verfahren zur Bestimmung der Finanzausgleichsmasse ist weitgehend<br />
an den Ergebnissen der jeweils drei letzten statistisch erfassten Jahre orientiert.<br />
Zur Berechnung der Finanzausgleichsmasse für das Jahr 2012 werden die Jahresrechnungen<br />
2008 und 2009 sowie die Kassenstatistik 2010 herangezogen. Das Land<br />
bestimmt in einem rechentechnisch sehr aufwändigen Verfahren simultan sowohl die<br />
gesamte Finanzausgleichsmasse, die Aufteilung auf die vier kommunalen Gruppen<br />
(kreisfreie Städte, Kreise, kreisangehörige Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern<br />
und solche mit mindestens 20.000 Einwohnern) und zugleich auch noch die<br />
Verteilung auf die verschiedenen Zuweisungstöpfe.<br />
58
Die Berechnungen für das FAG 2012 (und 2013) sowie die einzelnen Rechenschritte<br />
sind im Anhang zum Regierungsentwurf für das FAG vom 28.09.2011 detailliert auf<br />
insgesamt 128 Seiten dargestellt 9 .<br />
So sehr es auf der einen Seite zu begrüßen ist, dass jeder Rechenschritt in nachvollziehbarer<br />
Weise transparent gemacht wird, so schwierig ist es auf der anderen Seite,<br />
dabei nicht den Überblick zu verlieren. Ein Teil der kritischen Kommentierung im<br />
Landtag und aus den kommunalen Reihen dürfte deshalb wohl auch auf die Unüberschaubarkeit<br />
des jetzigen Verfahrens zurückzuführen sein.<br />
Da die Kritik vor allem an der vertikalen Frage der Bestimmung einer angemessenen<br />
Finanzausgleichsmasse ansetzt und sehr viel weniger an den horizontalen Verteilungsfragen,<br />
soll in diesem Kapitel zunächst ausschließlich die vertikale Frage behandelt<br />
werden.<br />
Es lässt sich nämlich leicht demonstrieren, dass die Rechenschritte zur Bestimmung<br />
der Finanzausgleichsmasse selbst (einschließlich der Ergänzungen durch den Landtag)<br />
mit Ausnahme einiger kleinerer Hilfsberechnungen in einer einzigen Tabelle in<br />
transparenter und übersichtlicher Form zusammengefasst werden können.<br />
Im Prinzip entspricht die Vorgehensweise der bereits im Unterkapitel 4.2. dargestellten<br />
Methodik. Ausgangspunkt sind die gesamten Ausgaben (Gr. 899) und die gesamten<br />
Einnahmen (Gr. 299) der Verwaltungshaushalte aller kommunalen Gebietskörperschaften<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>.<br />
Im nächsten Schritt werden die Ausgaben um die Zuführung zum Vermögenshaushalt<br />
(Gr. 86) und die Deckung von Altfehlbeträgen bereinigt (Gr. 893/894). Da die<br />
kalkulatorische Kosten (Gr. 68) und kalkulatorische Einnahmen (Gr. 27) bei korrekter<br />
Verbuchung identisch sein sollten, hat die Bereinigung um diese Größen auf den zu<br />
bildenden Saldo praktisch keine Auswirkungen.<br />
Auf der Ausgabenseite werden die errechneten Tilgungen hinzuaddiert. Errechnet<br />
sind diese Tilgungen insoweit, dass zunächst aus der Schuldenstatistik für 2008 und<br />
2009 eine Trennung zwischen Tilgungen und Umschuldungen vorgenommen wird<br />
und daraus (nach Jahren getrennt) Quoten für die „echten“ Tilgungen an den gesamten<br />
Tilgungen (also einschließlich Umschuldungen) berechnet werden. Diese Quoten<br />
werden dann zunächst für 2008 und 2009 auf die Gesamttilgungen aus der Haushaltsstatistik<br />
angewandt. Für 2010 wird das arithmetische Mittel aus den beiden Quoten<br />
für 2008 und 2009 unterstellt.<br />
In der folgenden Tabelle 3 sind deshalb alle drei Werte als errechnet ausgewiesen.<br />
Zur besseren Unterscheidung von Daten, die direkt der Rechnungs- bzw. Kassenstatistik<br />
entnommen sind, werden errechnete Werte in Rot dargestellt.<br />
9 Landtag von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, 2011, Drucksache 6/448, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des<br />
Finanzausgleichsgesetzes und des Verbandsgemeindegesetzes.<br />
59
Tabelle 3:<br />
Ermittlung der Finanzausgleichsmasse für das Jahr 2012 nach der bisherigen<br />
Methode einschließlich der Ergänzungen durch den Landtag<br />
lfd. Nr.<br />
Abgrenzung der in die Bedarfsberechnung eingehenden<br />
Einnahmen und Ausgaben<br />
2008 2009 2010<br />
Durchschnitt<br />
2008 - 2010<br />
- in Euro -<br />
1 Gr. 899 (Summe der Ausgaben im VerwHH) 6.358.585.553 6.242.071.466 5.864.461.107 6.155.039.375<br />
2 Gr. 68 (kalkulatorische Kosten) 32.617.448 35.522.185 14.255.460 27.465.031<br />
3 Gr. 86 (Zuführung zum VermHH) 316.545.628 231.706.571 103.828.087 217.360.095<br />
4 Gr. 89 (Deckung von Sollfehlbeträgen aus Vorjahren) 739.424.474 621.243.263 479.159.546 613.275.761<br />
5 Tilgung 183.293.932 175.085.089 177.754.531 178.711.184<br />
6 angerechnete lfd. Ausgaben (1-2-3-4+5) 5.453.291.935 5.528.162.796 5.444.972.545 5.475.475.759<br />
7 Gr. 299 (Summe der Einnahmen im VerwHH) 5.732.104.637 5.621.496.381 5.498.974.500 5.617.525.173<br />
8 Gr. 27 (Kalkulatorische Einnahmen) 32.617.485 35.522.185 14.255.460 27.465.043<br />
9 Gr. 021, 022 und 027 (lokale Steuereinnahmen) 12.916.532 13.189.480 14.078.082 13.394.698<br />
10 Gr. 041, 060 und 061 (lfd. allgemeinen Zuweisungen von Land oder Bund) 1.493.519.921 1.497.651.348 1.396.524.635 1.462.565.301<br />
11 angerechnete lfd. Einnahmen (7-8-9-10) 4.193.050.699 4.075.133.368 4.074.116.323 4.114.100.130<br />
12 lfd. Finanzbedarf (6-11) 1.260.241.236 1.453.029.428 1.370.856.222 1.361.375.629<br />
13 Finanzbedarf der kostenrechnenden Einrichtungen (Gl. 70, 72 und 815) 18.839.311 18.934.647 16.720.175 18.164.711<br />
14 korrigierter lfd. Finanzbedarf (12-13) 1.241.401.925 1.434.094.781 1.354.136.047 1.343.210.918<br />
15 Zusätzliche Zuweisungen aus Funktionalreformgesetzen 10.221.868<br />
16 "Angemessener" lfd. Finanzbedarf (14+15) 1.353.432.786<br />
17 Bedarfszuweisungen 40.000.000<br />
18 Investitionspauschale 128.041.000<br />
19 Finanzausgleichsmasse im Regierungsentwurf für das FAG (16+17+18) 1.521.473.786<br />
Ergebnis der Landtagsberatung<br />
20 Aufstockung für Zusatzlasten aus dem SGB II 26.643.093<br />
21 Aufstockung für Zusatzlasten aus dem SGB XII 2.474.954<br />
22 Aufstockung für Lasten aus dem SGB VIII 9.171.493<br />
23 Gesamtaufstockung durch den Landtag (21+22+23) 38.289.540<br />
24 Finanzausgleichsmasse im FAG 2012 (19+23) 1.559.763.326<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, JR 2008, JR 2009 und Kassenstatistik 2010 der Gemeinden sowie eigene Berechnungen<br />
60
Von der Einnahmenseite abgezogen werden die lokalen Steuereinnahmen und die<br />
Zuweisungen vom Land. Da einige wenige Kommunen Zuweisungen in der Gruppe<br />
060 (Zuweisungen vom Bund) ausweisen, werden diese auch abgezogen. Es dürfte<br />
sich dabei nämlich eher auch um Zuweisungen des Landes handeln, die versehentlich<br />
(vielleicht weil es sich um vom Land weitergereichte Bundesmittel handelt) als<br />
Zuweisungen des Bundes gebucht wurden.<br />
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die lfd. FAG-Leistungen des Landes in diesem<br />
Schritt erst einmal neutralisiert werden und die lokalen Steuereinnahmen bei der Berechnung<br />
des Finanzbedarfs außen vor bleiben, also den Gemeinden als zusätzliche<br />
Deckungsmittel verbleiben.<br />
Saldiert man die so abgegrenzten lfd. Ausgaben und Einnahmen, ergibt sich – so die<br />
Intention der Berechnung – der durch lfd. Leistungen des Landes im FAG zu finanzierenden<br />
Finanzbedarf für die einzelnen Jahre.<br />
Bei dieser Berechnung bleiben Begriffe wie „angemessen“, „notwendig“ oder „effiziente<br />
Aufgabenwahrnehmung“ (fast) völlig außer vor. Im Kern wird bei diesem Verfahren<br />
deshalb nur das laufende Defizit, bzw. der laufende Überschuss berechnet und<br />
mit den tatsächlichen FAG-Leistungen saldiert.<br />
Dieser Verzicht auf eine konkrete Ausfüllung der verfassungsrechtlichen Vorgaben<br />
wird lediglich bei den kostenrechnenden Einrichtungen für Abwasser, Abfall und<br />
Wasserversorgung durchbrochen. Die hier entstandenen Defizite werden nicht als<br />
Finanzbedarfe akzeptiert, sondern vom lfd. Finanzbedarf abgezogen. Allerdings fällt<br />
diese Korrektur deshalb nur gedämpft aus, weil die kalkulatorischen Kosten zuvor<br />
von den Ausgaben abgezogen worden sind. Es handelt sich dabei nicht um eine vernachlässigbare<br />
Größe, sondern immerhin um gut 6 Mio. Euro pro Jahr.<br />
Da zum Zeitpunkt der Berechnungen für den FAG-Entwurf für das Jahr 2010 nur die<br />
Kassenstatistik vorlag, wurde der Wert in der Form geschätzt, dass für 2010 die<br />
durchschnittlichen Proportionen der Ausgaben und Einnahmen in den drei Gliederungen<br />
zu den gesamten Ausgaben und Einnahmen der Jahre 2008 und 2009 unterstellt<br />
werden.<br />
Auch die eigentliche Bedarfsermittlung für das Jahr 2012 erfolgt ausschließlich auf<br />
der Basis der drei Referenzjahre, indem das arithmetische Mittel der drei Referenzjahre<br />
gebildet wird und zwischenzeitliche Entwicklungen und Erkenntnisse völlig außen<br />
vor bleiben. Als korrigierter lfd. Finanzbedarf ergibt sich auf diese Weise ein<br />
Wert von exakt 1.343.210.786 Euro.<br />
Addiert man die besonderen Zuweisungen für die Aufgabenübertragung nach dem<br />
Ersten und Zweiten Funktionalreformgesetz (§ 5 FAG) von zusammen 10.221.868<br />
Euro hinzu, erhält man als Ergebnis den sogenannten „angemessenen“ lfd. Finanzbedarf<br />
von 1.353.432.786 Euro.<br />
61
Zusammen mit den Bedarfszuweisungen von 40 Mio. Euro und der Investitionspauschale<br />
von 128,041 Mio. Euro ergibt sich schließlich die im Regierungsentwurf zum<br />
FAG vorgesehene Finanzausgleichsmasse von insgesamt 1.521.473.786 Euro.<br />
Nach intensiver Beratung hat der Landtag sich dafür entschieden, zum einen die<br />
Werte für das Jahr 2013 aus dem FAG zu eliminieren und zum anderen für 2012 die<br />
Finanzausgleichsmasse um weitere 38,3 Mio. Euro auf einen Betrag von<br />
1.559.763.326 Euro aufzustocken.<br />
Da allerdings in § 2 Abs. 3 Satz 2 festgelegt ist, dass von Überzahlungen aus früheren<br />
Jahren im Umfang von insgesamt 53.297.000 Euro ein Betrag von 26.648.500<br />
Euro im Jahr 2012 verrechnet werden soll, reduziert sich die letztlich verfügbare Finanzausgleichsmasse<br />
wieder auf 1.533.114.826 Euro.<br />
In der Landtagsberatung wurde deutlich, dass diese rein vergangenheitsbezogene<br />
Berechnungsmethode aus vielerlei Gründen nicht zufrieden stellt. So würde z.B. im<br />
bisherigen Verfahren die deutliche Reduzierung der SoBEZ-Mittel für die Grundsicherung<br />
für Arbeitslose um 47 Mio. Euro von 157 Mio. Euro in 2011 auf 110 Mio. Euro<br />
ab 2012 erst ab dem Jahr 2016 vollumfänglich als Mindereinnahme der Gemeinden<br />
außerhalb des FAG in die Bedarfsberechnung eingehen und somit nur mit sehr<br />
großer Zeitverzögerung kompensiert werden.<br />
Ähnliches gilt für die Entwicklung bei anderen Sozialleistungen, deren Dynamik bei<br />
einer reinen Vergangenheitsorientierung nicht zufriedenstellend erfasst werden kann.<br />
Auch die voraussichtliche Entwicklung der Steuereinnahmen der Gemeinden spielt<br />
bei diesem Verfahren keine Rolle. Bei schlechter Konjunktur, also bei zurückgehenden<br />
Steuereinnahmen, kommt es deshalb zu einer gravierenden Unterfinanzierung,<br />
während es bei stark steigenden Steuereinnahmen zu einer deutlichen Überfinanzierung<br />
kommen kann.<br />
Dazu kommt eine Vielzahl von kritischen Einwänden zur bisherigen Abgrenzung des<br />
lfd. Finanzbedarfs. Entscheidend ist aber, dass eine (fast) reine Ist-Kosten-Betrachtung<br />
für längst abgeschlossene Jahre das Verfassungsgebot der „Angemessenheit“<br />
ganz offensichtlich nicht erfüllt und mit Blick auf das Jahr 2020 dringend eine längerfristige<br />
stabile Berechnungsmethode für das Finanzausgleichsvolumen notwendig ist.<br />
62
5.2. Abgrenzung des lfd. Bedarfs<br />
Nach dieser kurzen und knappen Darstellung des bisherigen Berechnungsverfahrens<br />
für den vertikalen Finanzausgleich soll nunmehr systematisch überprüft werden, ob<br />
damit dem Verfassungsauftrag Genüge getan wird und wie eine verfassungskonforme<br />
Weiterentwicklung aussehen könnte.<br />
Die Untersuchung dieser Fragen erfolgt in drei Schritten. Im ersten wird untersucht,<br />
ob die Finanzausgleichsmasse beim bisherigen Berechnungsverfahren sachgerecht<br />
abgegrenzt ist. Im zweiten Schritt wird analysiert, ob mit dem bisherigen Verfahren<br />
der Verfassungsauftrag zur Bestimmung einer angemessenen Finanzausstattung der<br />
Kommunen Rechnung getragen wird und im dritten wird geprüft, ob die reine Vergangenheitsorientierung<br />
vertretbar ist oder ob der Begriff der Aufgabenbezogenheit<br />
nicht vielmehr zukunftsorientiert interpretiert werden sollte.<br />
Zunächst soll deshalb die Abgrenzung des laufenden Bedarfs überprüft werden. Hier<br />
sind mit der Zuführung vom Vermögenshaushalt und den Einnahmen aus Bedarfszuweisungen<br />
zwei Positionen anzusprechen, die im Berechnungsschema des Landes<br />
der lfd. Rechnung zugeordnet werden, obwohl dies kaum vertretbar erscheint.<br />
Für die Zuführung vom Vermögenshaushalt gibt es drei wesentliche Fallunterscheidungen.<br />
Im ersten Fall reichen die lfd. Einnahmen strukturell nicht zur Finanzierung<br />
der lfd. Ausgaben aus. Der Finanzbedarf ist also offensichtlich vorhanden, so dass<br />
die Zuführung nicht als bedarfsmindernd anzusehen ist.<br />
Im zweiten Fall geht es um den adäquaten Umgang mit einmaligen Steuermehreinnahmen.<br />
Diese führen in späteren Jahren zu einem Rückgang der allgemeinen Zuweisungen,<br />
aber zugleich auch zu höheren Umlagen. Von daher ist es rational, die<br />
Steuermehreinnahmen zunächst über den Vermögenshaushalt einer Rücklage zuzuführen<br />
und bei Bedarf in späteren Jahren wieder der Rücklage zu entnehmen und als<br />
Zuführung zum Verwaltungshaushalt zu buchen. Von daher sollte weder die Zuführung<br />
an den Vermögenshaushalt als lfd. Ausgabe, noch die Rückzuführung als lfd.<br />
Einnahme verbucht werden.<br />
Im dritten Fall werden Vermögenserlöse zur Reduzierung von Altdefiziten eingesetzt.<br />
Für den Verwaltungshaushalt ist dies praktisch ein durchlaufender Posten. Von daher<br />
sollte die Zuführung an den Verwaltungshaushalt nicht als lfd. Einnahme und die<br />
Deckung der Altfehlbeträge nicht als lfd. Ausgabe gebucht werden.<br />
In allen drei Fällen kommt man folglich zum gleichen Ergebnis und es gibt auch keine<br />
wirklich überzeugenden Argumente für die bisherige Position des Landes. Die Zuführung<br />
vom Vermögens- an den Verwaltungshaushalt sollte deshalb nicht mehr als lfd.<br />
Einnahme angesehen werden.<br />
Nicht ganz so einfach ist die Situation bei den Bedarfszuweisungen. Sie dienen nicht<br />
zur Finanzierung der lfd. Ausgaben, sondern zur Abdeckung von Fehlbeträgen aus<br />
Vorjahren. Werden sie nur so eingesetzt, spricht deshalb alles dafür, sie auch nicht<br />
63
den lfd. Einnahmen zuzurechnen. Dürfen sie allerdings auch dazu eingesetzt werden,<br />
lfd. Bedarfe zu finanzieren, wären sie natürlich als lfd. Einnahmen anzusehen,<br />
so dass sie bedarfsmindernd wirken würden.<br />
Das Land hat es allerdings selbst in der Hand, eine zweckentsprechende Verwendung<br />
sicherzustellen. Von daher spricht auch bei den Bedarfszuweisungen einiges<br />
dafür, sie nicht als lfd. Einnahme anzusehen. Die Bedarfszuweisungen sollten deshalb<br />
immer zusätzlich zu den Mitteln zur Deckung des lfd. Finanzbedarfs vom Land<br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
Auf der anderen Seite erscheint es nicht überzeugend, die lokalen Steuereinnahmen<br />
nicht als lfd. Einnahme anzusehen. Es ist offensichtlich, dass die vorgenommene<br />
Absetzung von den lfd. Einnahmen systematisch nicht zu vertreten ist.<br />
Ähnliches gilt auch für die zusätzlichen Zuweisungen aus der Umsetzung der Funktionalreformgesetze.<br />
Der durch die Umsetzung des 1. Funktionalreformgesetzes von<br />
2004 entstehende Bedarf wird bei der Ermittlung des lfd. Finanzbedarfs bereits vollständig<br />
und der durch das 2. Funktionalreformgesetz entstandene Bedarf ab dem<br />
Haushaltsjahr 2010 erfasst und damit im FAG 2012 bereits zu einem Drittel berücksichtigt.<br />
Bei Einbeziehung des Jahres 2011 in die Bedarfsberechnung des Jahres<br />
2013 sind es bereits zwei Drittel und spätestens bei Einbeziehung der Kassenstatistik<br />
des Jahres 2012 in die Bedarfsberechnung gibt es keinen Grund mehr für eine<br />
(anteilige) separate Dotierung.<br />
Eine zusätzliche Aufstockung der Finanzausgleichsmasse erscheint deshalb allenfalls<br />
in dem Umfang geboten, in dem die entstandenen Zuschussbedarfe noch nicht<br />
in den Zuschussbedarfen des Dreijahreszeitraums enthalten sind. Der Bedarf aus<br />
den Funktionalreformgesetzen wäre deshalb weit überwiegend aus der errechneten<br />
lfd. Finanzausgleichsmasse zu finanzieren. Die „Töpfchen“ als solche wären davon<br />
natürlich nicht zwingend betroffen, aber sie sollten dann (zumindest anteilig) aus dem<br />
Gesamtvolumen des Finanzausgleichs entnommen werden.<br />
Wenig überzeugen kann auch die Abrechnung der Überzahlungen aus früheren Jahren,<br />
die noch in der alten Systematik entstanden sind. Durch den Systemwechsel ist<br />
es bei der Ermittlung der lfd. Finanzbedarfe gerade nicht vorgesehen, zusätzlich<br />
auch noch Ausgleichsleistungen für Vorjahre zu erbringen. Deshalb sollte überlegt<br />
werden, ab dem Jahr 2013 auf eine weitere Abrechnung für Vorjahre zu verzichten.<br />
5.3. Konkretisierung des Kriteriums der Angemessenheit mit<br />
Hilfe eines Ländervergleichs<br />
Bis auf die Nichtanerkennung der Defizite in den kostenrechnenden Einrichtungen<br />
wird die verfassungsrechtliche Vorgabe der Angemessenheit im bisherigen Berechnungsverfahren<br />
des Landes bisher weder überprüft noch näher konkretisiert. Stattdessen<br />
werden die durchschnittlichen Differenzen der letzten drei Jahre zwischen<br />
64
den tatsächlichen laufenden Ausgaben und Einnahmen der Kommunen zuzüglich<br />
der lfd. Zuweisungen im FAG als „angemessener“ Finanzbedarf interpretiert.<br />
Ob der so berechnete Bedarf auf einer effizienten Aufgabendurchführung beruht und<br />
sich auf notwendige Ausgaben beschränkt, ist bisher nicht untersucht worden. Von<br />
daher kann das jetzige Berechnungsverfahren den Verfassungsauftrag zur Ermittlung<br />
einer angemessenen Finanzausstattung ganz offensichtlich nicht erfüllen.<br />
Um diesem Auftrag nachzukommen, gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten. Zum einen<br />
kann man die Zuschussbedarfe der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> analysieren<br />
und um Ausreißer nach oben bereinigen. Zum anderen kann man die Angemessenheit<br />
im Rahmen eines Ländervergleichs überprüfen.<br />
Beide Fragestellungen sind wichtig. Landesintern kann man allerdings eine solche<br />
Analyse nur durchführen, wenn es für jede Vergleichsgruppe eine (statistisch) hinreichende<br />
Zahl von Kommunen gibt. Bei nur drei kreisfreien Städten ist eine solche<br />
Vorgehensweise ausgeschlossen und elf Kreise sind für statistische Analysen dieser<br />
Art ebenfalls eine recht geringe Zahl. Lediglich auf der Gemeindeebene im kreisangehörigen<br />
Raum lassen sich komplexere statistische Untersuchungen durchführen.<br />
Die Ergebnisse entsprechender Bedarfsanalysen können vor allem zur rationalen<br />
Fundierung der Verteilungsregelungen im horizontalen Finanzausgleich dienen.<br />
Es erscheint deshalb zwingend notwendig, zur Ermittlung des angemessenen Finanzausgleichsvolumens<br />
einen Ländervergleich vorzunehmen und dabei zu überprüfen,<br />
auf welchem Niveau die Finanzausstattung liegen muss, damit den Kommunen<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> (unter Berücksichtigung der spezifischen Strukturen) die gleichen<br />
Ressourcen wie in anderen Ländern zur Verfügung stehen.<br />
Durch einen Ländervergleich mit den Kommunen in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz<br />
und Schleswig-Holstein sollen die grundsätzlichen Zielmaßstäbe entwickelt werden<br />
und durch einen zusätzlichen Vergleich mit den Kommunen in Mecklenburg-<br />
Vorpommern, <strong>Sachsen</strong> und Thüringen soll insbesondere überprüft werden, wo die<br />
Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Anpassungsprozess der neuen Länder stehen.<br />
Im 4. Kapitel ist erläutert worden, warum es bei Ländervergleichen keinen Sinn gibt,<br />
die reinen Finanzausgleichsleistungen zum Maßstab zu machen. Wenn man den<br />
Tilgungsanteil zunächst einmal vernachlässigt, ist zur Klärung der Frage nach einer<br />
angemessenen Finanzausstattung ein Ländervergleich auf der Basis des oben definierten<br />
Zuschussbedarfs IV am besten geeignet.<br />
Mit dem Zuschussbedarf IV wird gemessen, welche Einnahmen aus Steuern und<br />
Nettozuweisungen vom Land notwendig sind, damit die laufende Rechnung ausgeglichen<br />
werden kann. Oder anders ausgedrückt: Der Zuschussbedarf IV ergibt sich<br />
als Differenz der laufenden Ausgaben (ohne Zahlungen an das Land) und den laufenden<br />
Einnahmen (ohne Nettosteuereinnahmen und Zahlungen vom Land).<br />
65
Der Zuschussbedarf IV (wie auch andere Zuschussbedarfe) hat den Vorteil, dass es<br />
nicht zu Doppelzählungen kommt. Der gesamte Zuschussbedarf IV einer Gemeinde<br />
setzt sich additiv aus den Zuschussbedarfen für die einzelnen Aufgaben bzw. Aufgabengruppen<br />
nach dem Gliederungsplan zusammen. Das gleiche gilt auch für einzelne<br />
kommunale Gruppen oder die Kommunen eines Landes insgesamt.<br />
Im Prinzip könnte man also für jede einzelne Aufgabe einen solchen Vergleich durchführen.<br />
Um den Überblick zu behalten, spricht allerdings vieles dafür, dies nicht zu<br />
tun, sondern im Wesentlichen auf der Ebene der Einzelpläne zu bleiben. Die dann<br />
noch verbleibenden Vergleichsstörungen halten sich in relativ engen Grenzen.<br />
Dennoch sind sie nicht völlig ausgeschlossen. Es muss vor allem darauf geachtet<br />
werden, ob einzelne Aufgaben in einigen Ländern kommunal, in anderen dagegen<br />
ausschließlich auf Landesebene durchgeführt werden. Um solchen Vergleichsstörungen<br />
auf die Spur zu kommen, empfiehlt sich eine simultane Analyse der Zuschussbedarfe<br />
auf der Landes- und der kommunalen Ebene. Mögliche Vergleichsstörungen<br />
lassen sich auf diese Weise recht präzise ermitteln und bereinigen 10 .<br />
In den folgenden Tabellen 4 – 7 werden die Zuschussbedarfe IV für die einzelnen<br />
Gliederungen und insgesamt im Ländervergleich dargestellt. Um Vergleichsstörungen<br />
auf ein Minimum zu reduzieren, sind dabei zwei Korrekturen notwendig.<br />
Da in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Gegensatz zu den Vergleichsländern die überörtliche Sozialhilfe<br />
eine (fast) reine Landesaufgabe ist und sich in den kommunalen Haushalten<br />
nur bei den Personal- und Sachausgaben der Sozialverwaltung niederschlägt, müssen<br />
zur Herstellung der Vergleichbarkeit die lfd. Zuschussbedarfe im Landeshaushalt<br />
zuzüglich der Nettozahlungen vom Bund und abzüglich der (bereits erfassten) Nettozahlungen<br />
an die Kommunen dem Zuschussbedarf IV in der Gliederung 4 (Soziale<br />
Sicherung) zugerechnet werden.<br />
Die zweite Korrektur betrifft den Schulbereich. Um die notwendigen Leistungen zu<br />
messen, wird der Zuschussbedarf pro gewichteten Schüler und nicht pro Einwohner<br />
in den Vergleich gestellt.<br />
In der Tabelle 4 werden die Zuschussbedarfe IV der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
und den Vergleichsländern für die Jahre 2008 und 2009 nach Gliederungen und für<br />
die Jahre 2010 und 2011 als Gesamtsummen ausgewiesen.<br />
In der Gliederung 4 (Soziale Sicherung) sind bei <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zur Herstellung der<br />
Vergleichbarkeit die Werte so korrigiert worden, als ob nicht das Land, sondern die<br />
Kommunen die Träger der überörtlichen Sozialhilfe wären. Da weitere Vergleichsstörungen<br />
in der Gliederung 4 nicht auszuschließen sind, werden die Gesamtsummen<br />
einmal einschließlich und einmal ohne die Gliederung 4 gebildet.<br />
10 Vgl. zu dieser Methodik z.B. Deubel, I., 2010, Strategische Ausrichtung des Landeshaushaltes von<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, S. 71ff.<br />
66
Die vorläufige bundesweite Kassenstatistik des Jahres 2011 stand erst seit dem 3.<br />
April 2012 zur Verfügung. Die Daten sind deshalb nur nachrichtlich ausgewiesen und<br />
es ist auf eine Abschätzung der Zuschussbedarfe im Einzelplan 4 verzichtet worden.<br />
In der Tabelle 5 sind die Zuschussbedarfe IV in Euro pro Einwohner berechnet. Um<br />
Aufgabenbereich für Aufgabenbereich direkt vergleichen zu können, sind in der Tabelle<br />
6 die jeweiligen Differenzen zwischen den Zuschussbedarfen der Kommunen in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und denen der Vergleichsländer dargestellt.<br />
Im Vergleich zum gewichteten Durchschnitt der Zuschussbedarfe von Niedersachsen,<br />
Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein liegen die Summen der korrigierten Zuschussbedarfe<br />
in 2008 um 114 Euro pro Einwohner, in 2009 um 105 Euro pro Einwohner<br />
und 2010 um 70 Euro pro Einwohner höher.<br />
Dieser positive Trend hat sich rein rechnerisch im Jahr 2011 wieder umgekehrt. Mit<br />
einer Differenz von 109 Euro pro Einwohner hat sich der Abstand deutlich vergrößert<br />
und fast wieder den Wert des Jahres 2008 angenommen. Es lässt sich allerdings<br />
zeigen, dass der Anstieg des Abstandes von 2010 auf 2011 nicht auf einem Nachlassen<br />
der Konsolidierungsanstrengungen beruht, sondern sich durch drei Sonderfaktoren<br />
erklären lässt.<br />
Den Ergebnissen der Rechnungsstatistiken 2008 und 2009 ist zu entnehmen, dass<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> nur im Schulbereich und in der Gliederung 8 niedrigere Zuschussbedarfe<br />
als die westlichen Vergleichsländer aufweist.<br />
Die höheren Einnahmen in der Gliederung 8 entstehen zum Teil auch dadurch, dass<br />
die Kommunen der neuen Länder in Folge der früheren Staatswirtschaft über ein relativ<br />
großes Grundvermögen verfügen und deshalb höhere Erträge erzielen können<br />
als die vergleichbaren Kommunen der alten Länder. Da zudem die Trennschärfe<br />
zwischen den Einzelplänen 7 und 8 nicht besonders hoch ist, weil sich bei identischen<br />
Aufgaben die Zuordnung häufig nur nach der gewählten Rechtsform richtet,<br />
sollten die Einzelpläne 7 und 8 gemeinsam betrachtet werden. Bei einer Zusammenfassung<br />
der beiden Einzelpläne liegen die Zuschussbedarfe in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> deutlich<br />
über denen der westlichen Vergleichsländer.<br />
In der Summe ergeben sich beim Vergleich mit den östlichen Vergleichsländern<br />
Mecklenburg-Vorpommern, <strong>Sachsen</strong> und Thüringen sogar noch höhere Überschreitungen,<br />
nämlich um 163 Euro pro Einwohner im Jahr 2008, 135 Euro im Jahr 2009,<br />
106 Euro pro Einwohner im Jahr 2010 und wiederum 162 Euro im Jahr 2011. Auch<br />
hier hat sich im vergangenen Jahr der positive Trend rein rechnerisch umgekehrt und<br />
der Abstand liegt fast wieder auf dem Niveau des Jahres 2008.<br />
Der geringere Zuschussbedarf der Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> pro Einwohner im<br />
Bereich der Schulen gegenüber den alten Vergleichsländern beruht nicht etwa auf<br />
besonderer Sparsamkeit oder Effizienz, sondern auf dem starken Rückgang der<br />
Schülerzahlen. Während in den alten Vergleichsländern die Schülerquote an allge-<br />
67
meinbildenden Schulen aktuell (noch) 11,5% an der Bevölkerung beträgt, sind es in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> aufgrund der Geburtenlücke der neunziger Jahre nur 7,5%.<br />
Da in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> relativ weniger Schüler in allgemeinbildenden und relativ mehr<br />
Schüler in berufsbildenden Schulen unterrichtet werden, muss für eine sachgerechte<br />
Bewertung eine gewichtete Schülerzahl gebildet werden. Da bei bundesweiter Betrachtung<br />
der Zuschussbedarf pro Schüler bei berufsbildendenden Schulen bei rd.<br />
40% des Zuschussbedarfs an einer allgemeinbildenden Schule liegt, werden die<br />
Schülerzahlen der Länder mit dieser Gewichtung versehen und zu einer gewichteten<br />
Schülerzahl zusammengefasst.<br />
Bezieht man die Zuschussbedarfe im Einzelplan 2 nicht auf Einwohner, sondern auf<br />
die gewichtete Schülerzahl, wird deutlich, dass der spezifische Zuschussbedarf in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, aber auch in den anderen neuen Vergleichsländern, deutlich über<br />
dem der alten Vergleichsländern liegt. Es erscheint deshalb offensichtlich, dass<br />
auch im Schulbereich ein erheblicher Ausgabenüberhang besteht und noch massive<br />
Anpassungen notwendig sind, damit der Zuschussbedarf IV pro gewichteten Schüler<br />
bis zum Jahr 2020 auf das Niveau der alten Vergleichsländer reduziert werden kann.<br />
In der Tabelle 7 wird zusammenfassend dargestellt, dass (bei einer zusammenfassenden<br />
Betrachtung der Einzelpläne 7 und 8) die Zuschussbedarfe der Kommunen<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit Ausnahme der sozialen Sicherung in allen anderen Bereichen<br />
zum Teil deutlich oberhalb der alten Vergleichsländer liegen.<br />
Bei einem Vergleich der Jahre 2008 bis 2010 wird deutlich, dass sich diese Schere<br />
langsam schließt. Von 405,7 Mio. Euro im Jahr 2008 über 380,2 Mio. Euro im Jahr<br />
2009 hat sich der Mehraufwand gegenüber den alten Vergleichsländern auf 294,5<br />
Mio. Euro im Jahr 2010 reduziert. Im Durchschnitt der drei Jahre liegt er bei 360,1<br />
Mio. Euro.<br />
Nun mag es natürlich so sein, dass die spezifischen Strukturen und Problemlagen in<br />
den Kommunen der neuen Länder einen solchen Mehraufwand notwendig machen<br />
und der Vergleich mit den Kommunen der alten Länder unzulässig ist.<br />
Der Vergleich mit Mecklenburg-Vorpommern, <strong>Sachsen</strong> und Thüringen zeigt auch<br />
durchaus, dass die Kommunen in den alten und neuen Ländern beachtliche strukturelle<br />
Unterschiede aufweisen. Denn auch in Mecklenburg-Vorpommern, <strong>Sachsen</strong><br />
und Thüringen liegen die Zuschussbedarfe für öffentliche Ordnung und Sicherheit, im<br />
Schulbereich (pro gewichteten Schüler), im Kulturbereich, für Gesundheit, Sport und<br />
Erholung sowie für öffentliche Einrichtungen (noch) deutlich höher als in den alten<br />
Vergleichsländern, aber dafür in der allgemeinen Verwaltung, der sozialen Sicherung<br />
und der allgemeinen Finanzwirtschaft bereits erheblich niedriger.<br />
68
Tabelle 4:<br />
Grunddaten zur Struktur des Zuschussbedarfs IV im Ländervergleich<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> NI/RP/SH MV/SN/TH<br />
2008 2009 2010 nachrichtlich<br />
2011<br />
2008 2009 2010 nachrichtlich<br />
2011<br />
2008 2009 2010 nachrichtlich<br />
2011<br />
Einwohnerzahl 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 14.842.416 14.794.217 14.770.641 14.760.728 8.156.231 8.091.217 8.041.327 8.003.402<br />
- in 1000 Euro -<br />
0 Allgemeine Verwaltung 485.055 503.779 2.378.305 2.793.224 1.278.582 1.391.086<br />
1 Öffentliche Ordnung und Sicherheit 193.875 197.199 748.570 726.374 538.838 615.561<br />
2 Schulen 260.909 271.382 2.313.415 2.322.470 895.657 943.167<br />
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 174.048 181.747 612.748 600.536 579.344 604.034<br />
4 Soziale Sicherung (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit üö. Sozialhilfe) 1.617.216 1.697.417 (1.670.118) 9.997.165 10.658.372 (10.882.838) 5.096.522 5.387.724 (5.506.166)<br />
5 Gesundheit, Sport, Erholung 130.437 133.468 757.502 730.483 463.009 484.514<br />
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 260.563 273.111 1.499.177 1.496.054 856.223 976.237<br />
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 156.075 165.541 551.245 421.987 396.396 487.298<br />
8 Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen -107.125 -110.184 -514.835 -388.450 -328.387 -369.424<br />
9 Allgemeine Finanzwirtschaft 102.996 81.503 226.695 290.648 29.595 7.658<br />
0 - 9 Summe (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit überörtlicher Sozialhilfe in 4) 3.274.049 3.394.963 3.360.263 3.497.276 18.569.987 19.654.262 20.139.312 20.613.196 9.805.779 10.512.565 10.670.884 10.752.464<br />
0 - 9 ohne 4 (in 2010 Abzug entsprechend der Quote in 2008 und 2009) 1.656.833 1.697.546 1.681.921 8.572.822 8.995.890 9.256.474 4.709.257 5.124.841 5.164.718<br />
durch Land finanzierte überörtliche Sozialhilfe 361.633 372.160 384.273 398.044<br />
gewichtete Schülerzahl (allg. = 1; berufl. = 0,4) 196.933 192.477 191.755 1.886.491 1.854.035 1.824.265 677.606 668.060 671.478<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt (Sonderaufbereitung der kommunalen Rechnungen 2008 und 2009 und der kommunalen Kassenstatistiken 2010<br />
und 2011; Schülerstatistik 2010/11); Ministerium der Finanzen <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> (Jahresrechnungen des Landeshaushalts 2008, 2009,2010 und 2011)<br />
und eigene Berechnungen<br />
69
Tabelle 5:<br />
Struktur des Zuschussbedarfs IV pro Einwohner im Ländervergleich<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> NI/RP/SH MV/SN/TH<br />
2008 2009 2010 nachrichtlich<br />
2008 2009 2010 nachrichtlich<br />
2008 2009 2010 nachrichtlich<br />
2011<br />
2011<br />
2011<br />
Einwohnerzahl 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 14.842.416 14.794.217 14.770.641 14.760.728 8.156.231 8.091.217 8.041.327 8.003.402<br />
- in Euro pro Einwohner -<br />
0 Allgemeine Verwaltung 202 213 160 189 157 172<br />
1 Öffentliche Ordnung und Sicherheit 81 83 50 49 66 76<br />
2 Schulen 109 115 156 157 110 117<br />
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 73 77 41 41 71 75<br />
4 Soziale Sicherung (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit üö. Sozialhilfe) 674 717 674 720 625 666<br />
5 Gesundheit, Sport, Erholung 54 56 51 49 57 60<br />
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 109 115 101 101 105 121<br />
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 65 70 37 29 49 60<br />
8 Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen -45 -47 -35 -26 -40 -46<br />
9 Allgemeine Finanzwirtschaft 43 34 15 20 4 1<br />
0 - 9 Summe (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit überörtlicher Sozialhilfe) 1.365 1.434 1.433 1.506 1.251 1.329 1.363 1.396 1.202 1.299 1.327 1.343<br />
0 - 9 ohne 4 (in 2010 Abzug entsprechend der Quote in 2008 und 2009) 691 717 717 578 608 627 577 633 642<br />
durch Land finanzierte überörtliche Sozialhilfe 151 157 164<br />
Zuschussbedarf IV pro gewichteten Schüler 1.325 1.410 1.226 1.253 1.322 1.412<br />
70
Tabelle 6:<br />
Unterschiede des Zuschussbedarfs IV in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> pro Einwohner zu den Vergleichsländern<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Vergleich zu NI/RP/SH<br />
2008 2009 2010 nachrichtlich<br />
2011<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Vergleich zu MV/SN/TH<br />
2008 2009 2010 nachrichtlich<br />
2011<br />
Einwohnerzahl 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848<br />
- in Euro pro Einwohner -<br />
0 Allgemeine Verwaltung 42 24 45 41<br />
1 Öffentliche Ordnung und Sicherheit 30 34 15 7<br />
2 Schulen -47 -42 -1 -2<br />
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 31 36 2 2<br />
4 Soziale Sicherung (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit üö. Sozialhilfe) 1 -3 49 51<br />
5 Gesundheit, Sport, Erholung 3 7 -2 -4<br />
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 8 14 4 -5<br />
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 28 41 16 10<br />
8 Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen -10 -20 -4 -1<br />
9 Allgemeine Finanzwirtschaft 28 15 39 33<br />
0 - 9 Summe (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit überörtlicher Sozialhilfe in 4) 114 105 70 109 163 135 106 162<br />
0 - 9 ohne 4 (in 2010 Abzug entsprechend der Quote in 2008 und 2009) 113 109 91 113 84 75<br />
Zuschussbedarf IV pro gewichteten Schüler 99 157 3 -2<br />
71
Tabelle 7:<br />
Unterschiede der lfd. Zuschussbedarfe in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zu den Vergleichsländern<br />
ST im Vergleich zu NI/RP/SH<br />
2008 2009 2010 2008-2010 nachrichtlich<br />
2011<br />
ST im Vergleich zu MV/SN/TH<br />
2008 2009 2010 2008-2010<br />
nachrichtlich<br />
2011<br />
Einwohnerzahl 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848<br />
- in 1000 Euro -<br />
0 Allgemeine Verwaltung 100.751 56.773 109.087 96.736<br />
1 Öffentliche Ordnung und Sicherheit 72.916 80.956 35.429 17.081<br />
2 Schulen -112.910 -100.288 -2.460 -4.596<br />
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 75.036 85.642 3.691 5.002<br />
4 Soziale Sicherung (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit üö. Sozialhilfe) 1.800 -8.268 118.579 120.926<br />
5 Gesundheit, Sport, Erholung 8.034 16.567 -5.711 -8.305<br />
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 18.315 33.694 8.790 -12.544<br />
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 67.001 98.009 39.514 22.954<br />
8 Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen -23.934 -48.019 -10.563 -2.088<br />
9 Allgemeine Finanzwirtschaft 66.365 34.990 94.294 79.262<br />
0 - 9 Summe (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit überörtlicher Sozialhilfe) 273.374 249.644 163.366 228.795 253.444 390.651 318.903 248.861 319.472 376.561<br />
0 - 9 Summe (in 2 pro gewichteten Schüler) 405.692 380.207 294.347 360.082 398.876 393.714 323.143 254.663 323.840 381.709<br />
0 - 9 ohne 4 (in 2010 Abzug entsprechend der Quote in 2008 und 2009) 271.573 257.912 212.561 247.349 267.408 272.072 197.977 176.005 215.351 253.834<br />
0 - 9 ohne 4 (in 2 pro gewichteten Schüler) 403.892 388.475 343.543 378.636 409.342 275.135 202.216 181.806 219.719 258.982<br />
Mehraufwand in 2 pro gew. Schüler * Zahl der gew. Schüler in ST 19.409 30.274 24.530 24.738 604 -357 116 121<br />
72
Zusammen mit den hohen Überschüssen in der Gliederung 8 weisen die Vergleichsländer<br />
Mecklenburg-Vorpommern, <strong>Sachsen</strong> und Thüringen sogar insgesamt bereits<br />
jetzt schon einen Zuschussbedarf IV auf, der im Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010<br />
um über 38 Euro pro Einwohner niedriger als in den alten Vergleichsländern ausfällt.<br />
Da diese drei Länder auch im Jahr 2011 mit einem Zuwachs des gesamten Zuschussbedarfs<br />
IV pro Einwohner um nur 1,24% deutlich sparsamer gewirtschaftet<br />
haben als die alten Vergleichsländer mit einem Zuwachs um 2,42%, hat sich ihr Konsolidierungsvorsprung<br />
gegenüber den alten Flächenländern nunmehr sogar auf 53<br />
Euro pro Einwohner erhöht.<br />
Diese drei Länder zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, in einzelnen Bereichen (z.B.<br />
für kulturelle Aufgaben) ein weit höheres Niveau als in den alten Ländern zu realisieren,<br />
weil gleichzeitig in anderen Bereichen zusätzliche Einsparungen und Effizienzvorsprünge<br />
erzielt werden.<br />
Damit wird zugleich auch die Vermutung widerlegt, dass die spezifischen Strukturen<br />
in den neuen Ländern zwangsläufig zu höheren Gesamtzuschussbedarfen führen<br />
müssen. Es sind vielmehr spezifische Entwicklungen, die dazu geführt haben, dass<br />
die Kommunen im <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> sowohl im Vergleich mit den alten, als auch mit<br />
den neuen Ländern erheblich höhere Zuschussbedarfe aufweisen.<br />
Im Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010 lag der Mehraufwand im Vergleich zu den<br />
neuen Ländern (bei gewichteten Schülerzahlen im Einzelplan 2) bei 323,8 Mio. Euro.<br />
Geht man die Einzelpläne durch, sind in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Vergleich mit Mecklenburg-Vorpommern,<br />
<strong>Sachsen</strong> und Thüringen vor allem fünf Aufgabenbereiche auffällig.<br />
Am gravierendsten ist der Unterschied in der sozialen Sicherung. Hier fällt der<br />
Zuschussbedarf in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> um rd. 50 Euro pro Einwohner höher aus, was zu<br />
einer zusätzlichen Haushaltsbelastung von 118,6 Mio. Euro in 2008 und 120,9 Mio.<br />
Euro in 2009 führt.<br />
Der zweitgrößte Bereich ist die allgemeine Verwaltung mit Mehrausgaben von 109,1<br />
Mio. Euro in 2008 und 96,7 Mio. Euro in 2009. Danach folgt die allgemeine Finanzwirtschaft<br />
(Schwerpunkte sind hier die Zahlungen des Landes im Zusammenhang mit<br />
SGB II und die Zinsausgaben der Kommunen) mit 94,3 Mio. Euro in 2008 und 79,3<br />
Mio. Euro in 2009. Aber auch die öffentlichen Einrichtungen mit 39,5 Mio. Euro und<br />
23,0 Mio. Euro sowie die öffentlichen Ordnung und Sicherheit mit 35,4 Mio. Euro und<br />
17,5 Mio. Euro weisen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> deutlich höhere Zuschussbedarfe aus.<br />
Diese fünf Bereiche summieren sich insgesamt zu 396,9 Mio. Euro in 2008 und<br />
337,4 Mio. Euro in 2009 auf. Bei der Suche nach einer Antwort auf die verfassungsrechtliche<br />
Vorgabe, eine angemessene kommunale Finanzausstattung zu bestimmen,<br />
kann ein solcher Befund nicht einfach ignoriert werden, sondern ist äußerst relevant.<br />
73
Natürlich muss auch die Frage gestellt werden, wie es innerhalb der neuen Länder<br />
zu so unterschiedlichen Entwicklungen kommen konnte. Die Untersuchung dieser<br />
Frage sollte aber vor allem dazu dienen, für den verbleibenden Zeitraum bis zum<br />
Jahr 2020 nunmehr die Weichen auf Seiten des Landes so zu stellen, dass eine<br />
dauerhafte Finanzierbarkeit sichergestellt werden kann und den Kommunen gleichzeitig<br />
eine klare und berechenbare Perspektive für die weitere Entwicklung aufzuzeigen.<br />
Am Beispiel der sozialen Sicherung lässt sich dabei durchaus zeigen, dass der<br />
Mehraufwand in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Vergleich zu den alten Ländern völlig anders<br />
strukturiert ist als im Vergleich zu den neuen Ländern.<br />
In den folgenden drei Tabellen sind für das Jahr 2009 die Unterschiede in den drei<br />
großen Kostenblöcken der Sozialhilfe, der Jugendhilfe und der Kosten der Unterkunft<br />
nach dem SGB II dargestellt.<br />
Dabei zeigt sich, dass beim Vergleich mit den alten Ländern die Mehrbelastungen<br />
hauptsächlich bei den Kosten der Unterkunft (197,6 Mio. Euro) und den Tageseinrichtungen<br />
für Kinder (32,2 Mio. Euro) entstehen, während die Sozialhilfe um 191,9<br />
Mio. Euro niedriger ausfällt.<br />
Bei der Interpretation der Mehrbelastungen für die Kosten der Unterkunft muss allerdings<br />
bedacht werden, dass es sich dabei nur um die Summe der entsprechenden<br />
Auszahlungen handelt.<br />
Tabelle 8:<br />
Reine Ausgaben für Sozialhilfe 2009 im Ländervergleich<br />
Summe<br />
Hilfen zur<br />
Gesundheit<br />
Hilfe zum<br />
Lebensunterhalt<br />
Grundsicherung<br />
im Alter<br />
und bei<br />
Erwerbsminderung<br />
Eingliederungshilfe<br />
Hilfe zur<br />
Pflege<br />
Hilfe zur<br />
Überwindung<br />
besonderer<br />
sozialer<br />
Schwierigkeiten<br />
in Euro pro<br />
Einwohner<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 199 12 30 4 135 16 1<br />
NI/RP/SH 280 14 51 9 169 33 5<br />
MV/SN/TH 163 9 27 4 107 14 3<br />
Differenz von ST<br />
zu Vergleichsländern<br />
in 1000<br />
Euro<br />
NI/RP/SH -191.882 -2.662 -49.664 -12.169 -79.406 -40.215 -7.765<br />
MV/SN/TH 84.903 8.796 6.607 1.055 66.784 4.572 -2.912<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen<br />
74
Tabelle 9:<br />
Reine Ausgaben für Jugendhilfe 2009 im Ländervergleich<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen<br />
Tabelle 10:<br />
ST NI/RP/SH MV/SN/TH zu NI/RP/SH zu MV/SN/TH<br />
Einrichtungen der Jugendarbeit 8 10 8 -5.995 -1.123<br />
Einrichtungen der Jugendsozialarbeit 1 1 0 -1.140 763<br />
Einrichtungen der Familienförderung 0 0 0 -268 190<br />
Einrichtungen für werdende Mütter und<br />
Mütter oder Väter mit Kind(ern)<br />
Tageseinrichtungen für Kinder 180 166 203 32.215 -55.413<br />
darunter<br />
Horte bzw. Einrichtungen für Schulkinder 8 4 10 9.302 -4.615<br />
Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen<br />
Einrichtungen für Hilfe zur Erziehung<br />
und Hilfe für junge Volljährige<br />
sowie für Inobhutnahme<br />
Einrichtungen der Mitarbeiterfortbildung 0 0 0 -103 -88<br />
Sonstige Einrichtungen 0 1 0 -514 372<br />
Zusammen 191 182 214 20.730 -53.077<br />
Personalausgaben der Jugendhilfeverwaltung<br />
Insgesamt 200 184 227 38.472 -63.313<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit und eigene Berechnungen<br />
- in Euro pro Einwohner - - Differenz in 1.000 Euro -<br />
-0 0 0 -35 -31<br />
2 4 1 -5.451 1.367<br />
1 -0 0 2.021 886<br />
9 1 13 17.742 -10.236<br />
Kosten der Unterkunft 2009 im Ländervergleich<br />
ST NI/RP/SH MV/SN/TH<br />
Zahl der Bedarfsgemeinschaften 171.070 573.508 550.182<br />
Kosten der Unterkunft in 1000 Euro 549.682 2.199.983 1.680.661<br />
KdU pro BG in Euro 3.213 3.836 3.055<br />
BG als Quote der Einwohner 7,23% 3,88% 6,80%<br />
KdU pro Einwohner 232 149 208<br />
Differenz von ST zu Vergleichsländern<br />
in Euro pro Einwohner<br />
0 83 24<br />
Differenz von ST in 1000 Euro 0 197.614 57.907<br />
75
Da der Bund im Jahr 2009 davon einen Anteil von 147 Mio. Euro getragen hatte und<br />
das Land die 157 Mio. Euro (Netto-) Entlastung aus den SoBEZ aufgrund der strukturellen<br />
Arbeitslosigkeit weitergeleitet hat, lag die Nettobelastung des Landes <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> und seiner Kommunen im Saldo nur bei rd. 107 Euro pro Einwohner.<br />
Da die alten Vergleichsländer und ihre Kommunen zusätzlich mit der Refinanzierung<br />
der SoBEZ belastet waren, betrug ihre Nettobelastung aus den Kosten der Unterkunft<br />
nach Abzug des Bundesanteils rd. 123 Euro pro Einwohner. Das Land <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
und seine Kommunen waren somit durch die Kosten der Unterkunft im<br />
Ergebnis um rd. 38,5 Mio. Euro geringer als die alten Vergleichsländer belastet.<br />
Durch die zwischenzeitliche Reduzierung der SoBEZ aufgrund der strukturellen Arbeitslosigkeit<br />
und die Fortschreibung der Grunddaten hat sich dies allerdings wieder<br />
geändert. Im Jahr 2012 dürfte durch die Kosten der Unterkunft im Vergleich zu den<br />
drei alten Ländern nunmehr für <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Ergebnis eine Mehrbelastung von<br />
rd. 25 Mio. Euro entstehen.<br />
Beim Vergleich mit den neuen Ländern entstehen Mehrkosten vor allem bei der Sozialhilfe<br />
(84,9 Mio. Euro) und hier vorwiegend bei der vom Land wahrgenommenen<br />
Eingliederungshilfe (66,8 Mio. Euro) sowie mit 57,9 Mio. Euro bei den Kosten der<br />
Unterkunft.<br />
Dagegen liegen die reinen Ausgaben für die Jugendhilfe um 63,3 Mio. Euro unter<br />
denen der drei neuen Vergleichsländer, was in Anbetracht des mit 56,1% (März<br />
2011) höchsten Versorgungsgrads mit U3-Plätzen aller Bundesländer recht erstaunlich<br />
ist, denn die Durchschnittsquote der drei neuen Vergleichsländer liegt mit 46,4%<br />
(März 2011) deutlich niedriger.<br />
Die Unterschiede bei der Eingliederungshilfe beruhen nicht auf Unterschieden bei<br />
der Quote der Empfänger, sondern fast ausschließlich auf unterschiedlichen Kosten<br />
pro Fall. Die durchschnittlichen Nettokosten pro Fall lagen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bei<br />
13.392 Euro. In den alten Vergleichsländern fielen sie mit 16.568 Euro um 3.277 Euro<br />
höher aus, in den neuen Vergleichsländern dagegen mit 9.830 Euro um 3.461 Euro<br />
niedriger.<br />
Die Frage der Angemessenheit ist bei dieser Aufgabe nur sehr schwer zu beantworten.<br />
Aber es sollte sicherlich analysiert werden, warum die Fallkosten in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> um 36% höher liegen als in den neuen Vergleichsländern. Da die Aufgabe nur<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> vom Land wahrgenommen wird, stellt sich natürlich auch die Frage,<br />
ob die aus Vergleichsgründen notwendige Zurechnung zum kommunalen Zuschussbedarf<br />
der Gliederung 4 nicht zu ungerechtfertigten Verzerrungen zu Ungunsten<br />
der Kommunen führt.<br />
Da die hohe U3-Versorgung ebenfalls landespolitisch gewollt ist und die auch im<br />
Vergleich mit den anderen neuen Ländern besonders hohe Quote der Bedarfsgemeinschaften<br />
nach dem SGB II von den Kommunen kaum gesteuert werden kann,<br />
76
spricht einiges dafür, die Gliederung 4 wegen dieser Vergleichsstörungen bei den<br />
Ländervergleichen zu neutralisieren.<br />
In den Vergleich einzubeziehen sind deshalb (je nach Fragestellung) vorzugsweise<br />
die Einzelpläne 0-9 ohne die 4. Die sich im Durchschnitt der drei Jahre ergebenden<br />
höheren Zuschussbedarfe in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> liegen bei Ausklammerung des Einzelplans<br />
4 um 378,6 Mio. Euro über denen der alten und um 219,7 Mio. Euro über denen<br />
der neuen Vergleichsländer.<br />
Bis auf den Schulbereich erscheint für alle übrigen Bereiche ein Vergleich der Zuschussbedarfe<br />
pro Einwohner angemessen. Im Schulbereich sind allerdings sinnvollerweise<br />
die Zuschussbedarfe pro gewichteten Schüler anzusetzen.<br />
Insbesondere in der allgemeinen Verwaltung, im Bereich der öffentlichen Sicherheit<br />
und Ordnung sowie in der Kultur besteht zwischen den Zuschussbedarfen und den<br />
Personalausgaben ein sehr enger Zusammenhang, während in anderen Bereichen<br />
Vergaben an Dritte und Privatisierungen eine größere Rolle spielen.<br />
Tabelle 11:<br />
Vollzeitäquivalente pro 1000 Einwohner der Kommunalverwaltungen im Jahr 2010<br />
Gl.-Nr.<br />
Aufgabenbereich<br />
(Haushaltssystematik 2001)<br />
ST NI/RP/SH MV /SN/TH<br />
ST -<br />
NI/RP/SH<br />
ST -<br />
MV/SN/TH<br />
ST -<br />
NI/RP/SH<br />
absolut<br />
ST -<br />
MV/SN/TH<br />
absolut<br />
0 - 8 Insgesamt 16,38 13,17 14,87 3,21 1,51 7.525 3.541<br />
0 Allgemeine Verwaltung 3,32 2,94 2,90 0,38 0,42 883 974<br />
1 Öffentliche Sicherheit und Ordnung 1,87 1,29 1,73 0,58 0,14 1.349 336<br />
11 dar.: Öffentliche Ordnung 1,06 0,85 1,09 0,21 -0,03 493 -65<br />
13 Feuerschutz/Brandschutz 0,40 0,29 0,43 0,11 -0,03 269 -63<br />
2 Schulen 0,69 0,99 0,79 -0,30 -0,10 -704 -235<br />
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 1,04 0,54 1,04 0,50 0,00 1.183 3<br />
33 dar.: Theater und Musikpflege 0,58 0,16 0,38 0,42 0,20 978 479<br />
35 Volksbildung 0,18 0,20 0,30 -0,02 -0,12 -39 -291<br />
4 Soziale Sicherung 4,36 3,03 3,48 1,33 0,88 3.114 2.065<br />
43<br />
dar.: Soziale Einrichtungen<br />
(ohne Einrichtungen der Jugendhilfe)<br />
0,09 0,24 0,13 -0,15 -0,04 -341 -85<br />
464 dar.: Tageseinrichtungen für Kinder 2,47 1,38 1,76 1,09 0,71 2.547 1.664<br />
5 Gesundheit, Sport und Erholung 1,32 1,02 1,27 0,30 0,05 694 111<br />
50, 54<br />
dar.: Gesundheitsverwaltung, sonstige<br />
Einrichtungen und Maßnahmen der<br />
0,21 0,21 0,26 0,00 -0,05 1 -106<br />
Gesundheitspflege<br />
51 Krankenhäuser und Heilstätten 0,57 0,37 0,59 0,20 -0,02 478 -51<br />
56, 57 Eigene Sportstätten, Badeanstalten 0,20 0,18 0,20 0,02 0,00 48 11<br />
58, 59<br />
Park- und Gartenanlagen,<br />
sonstige Erholungseinrichtungen<br />
(Kern- und Extrahaushalte zusammen)<br />
- VZÄ pro 1000 Einwohner -<br />
0,32 0,27 0,21 0,05 0,11 124 247<br />
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 1,51 1,13 1,44 0,38 0,07 881 153<br />
61 dar.: Städteplanung, Vermessung, Bauordnung 0,36 0,33 0,48 0,03 -0,12 72 -280<br />
63, 65,<br />
66, 68<br />
Straßen , Parkeinrichtungen 0,17 0,35 0,28 -0,18 -0,11 -427 -247<br />
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 1,63 1,59 1,60 0,04 0,03 84 67<br />
70 dar.: Abwasserbeseitigung 0,29 0,39 0,18 -0,10 0,11 -239 256<br />
72 Abfallbeseitigung 0,21 0,47 0,29 -0,26 -0,08 -617 -187<br />
8 Wirtschaftliche Unternehmen 0,66 0,61 0,61 0,05 0,05 111 119<br />
87 dar. Sonstige wirtschaftliche Unternehmen 0,00 0,07 0,04 -0,07 -0,04 -156 -91<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen<br />
77
Da alleine in den Gliederungen 0 und 1 der Zuschussbedarf der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
im Durchschnitt der Jahre 2008 und 2009 um 156 Mio. höher lag als in<br />
den alten Vergleichsländern und den der neuen auch um 129 Mio. Euro übertraf,<br />
kann dies eigentlich nur auf entsprechenden Personalüberhängen beruhen. In der<br />
Tabelle 11 wird dies sehr deutlich.<br />
Bei einer Personalausstattung wie in den alten Vergleichsländern ergibt sich alleine<br />
in diesen beiden Aufgabenbereichen ein Überhang von 2.232 Stellen und im Vergleich<br />
zu Mecklenburg-Vorpommern, <strong>Sachsen</strong> und Thüringen immerhin auch noch<br />
einer von 1.310 Stellen.<br />
Weitere Bereiche mit deutlich mehr Personal sind Theater und Musikpflege (nur gegenüber<br />
den alten Ländern), der KiTa-Bereich, Gesundheit, Sport und Erholung,<br />
Bau- und Wohnungswesen sowie Öffentliche Einrichtungen und Wirtschaftliche Unternehmen.<br />
Dass die Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2010 deutlich mehr Personal beschäftigten<br />
als die Vergleichsländer, sollte allerdings auch nicht in dem Sinne fehlinterpretiert<br />
werden, dass dieser Personalüberhang einfach tatenlos hingenommen<br />
wurde.<br />
Tabelle 12:<br />
Personalabbau von 2009 auf 2010<br />
<strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong><br />
NI/RP/SH<br />
MV/SN/TH<br />
Insgesamt<br />
-2,44% 1,09% -1,48%<br />
Allgemeine Verwaltung -5,64% 4,15% -2,25%<br />
Öffentliche Sicherheit und Ordnung -4,69% 2,88% -0,68%<br />
dar.: Öffentliche Ordnung -6,64% 3,48% -2,06%<br />
Feuerschutz/Brandschutz -0,70% 4,03% 2,13%<br />
Schulen -4,33% 1,10% -0,10%<br />
Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege -3,11% 1,28% -4,34%<br />
dar.: Theater und Musikpflege -4,95% 1,22% -8,80%<br />
Volksbildung -5,76% 0,82% -1,87%<br />
Soziale Sicherung 1,68% 2,41% 0,24%<br />
dar.: Soziale Einrichtungen<br />
(ohne Einrichtungen der Jugendhilfe) 5,78% -1,34% -22,48%<br />
dar.: Tageseinrichtungen für Kinder 2,09% 6,97% 3,72%<br />
Gesundheit, Sport und Erholung -9,89% -0,60% -0,64%<br />
dar.: Gesundheitsverwaltung, sonstige<br />
Einrichtungen und Maßnahmen der<br />
Gesundheitspflege<br />
-10,00% -0,37% -4,53%<br />
Krankenhäuser und Heilstätten -7,96% 0,08% 2,01%<br />
Eigene Sportstätten, Badeanstalten -15,92% -0,65% -4,82%<br />
Park- und Gartenanlagen,<br />
sonstige Erholungseinrichtungen -9,88% -2,08% 0,28%<br />
Bau- und Wohnungswesen, Verkehr -1,48% -3,79% -2,72%<br />
dar.: Städteplanung, Vermessung, Bauordnung 0,60% 9,80% -2,38%<br />
Straßen, Parkeinrichtungen -7,01% 5,58% 1,32%<br />
Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 0,22% -3,55% -1,51%<br />
dar.: Abwasserbeseitigung -0,23% -3,47% -2,54%<br />
Abfallbeseitigung -1,11% -0,53% 1,17%<br />
Wirtschaftliche Unternehmen 5,97% 1,39% -4,97%<br />
dar. Sonstige wirtschaftliche Unternehmen -72,73% 13,26% -19,01%<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen<br />
78
Das Gegenteil ist nämlich richtig. In keinem Bundesland haben die Kommunen im<br />
Jahr 2010 ihr Personal stärker reduziert als in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>. Aus dem Vergleich<br />
lässt sich auch ersehen, dass im Jahr 2010 insbesondere in der Allgemeinen Verwaltung<br />
und im Bereich der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung 5,3% der bisherigen<br />
Stellen abgebaut wurden, während in den alten Vergleichsländern sogar beachtliche<br />
Neueinstellungen im Umfang von 3,8% erfolgten.<br />
In der Kassenstatistik werden diese starken strukturellen Veränderungen nicht sichtbar,<br />
aber spätestens nach dem Vorliegen der bundesweiten Rechnungsstatistik für<br />
das Jahr 2010 (voraussichtlich im Spätsommer 2012) dürfte deutlich werden, dass<br />
die Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zumindest bis einschließlich des Jahres 2010 sehr<br />
tatkräftig an einer Reduzierung ihres Abstandes zu den alten und neuen Vergleichsländern<br />
arbeiten.<br />
Die Zuschussbedarfe der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> lagen im Zeitraum der Jahre<br />
2008 – 2010 trotz eines eher unterdurchschnittlichen Kommunalisierungsgrads weit<br />
höher als in den alten und neuen Vergleichsländern und müssen deshalb als unangemessen<br />
hoch angesehen werden. Ein solches Ergebnis unmittelbar und mit sofortiger<br />
Wirkung im FAG umzusetzen, würde allerdings mit Sicherheit ebenfalls gegen<br />
das verfassungsrechtliche Gebot der Angemessenheit verstoßen. Auch wenn der<br />
objektive Finanzbedarf im Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010 um 360,1 Mio. Euro<br />
bzw. 378,6 Mio. Euro niedriger liegt als der bisherige Mitteleinsatz, muss den sachsen-anhaltischen<br />
Kommunen in jedem Fall ein angemessener Zeitraum eingeräumt<br />
werden, um die notwendigen Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen.<br />
Wenn man den Kommunen für diese Anpassungsmaßnahmen einen Zeitraum von<br />
elf Jahren bis zum Jahr 2020 einräumt, wäre jährlich eine Einsparrate von rd. 32,7<br />
bzw. 34,4 Mio. Euro zu realisieren. Da die Kommunen im Durchschnitt der Jahre<br />
2009 und 2010 einschließlich des Einzelplans 4 sogar jährliche Verbesserungen von<br />
56 Mio. Euro erreicht haben, erscheint eine solche Jahresrate auf den ersten Blick<br />
durchaus umsetzbar.<br />
Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass die Kassenstatistik des Jahres<br />
2010 durch einen Einmaleffekt im Umfang von 62,5 Mio. Euro verzerrt ist. Der Einmaleffekt<br />
ist dadurch entstanden, dass die Stadt Halle im Jahr 2010 in der Gruppierung<br />
21 (Gewinnanteile von wirtschaftlichen Unternehmen und aus Beteiligungen)<br />
Einnahmen von 88,9 Mio. Euro verbucht hat, im Vorjahr 2009 jedoch nur 26,4 Mio.<br />
Euro. Berücksichtigt man diesen Einmaleffekt, reduziert sich die jahresdurchschnittliche<br />
Verbesserung der Jahre 2008 – 2010 auf rd. 25 Mio. Euro.<br />
Es handelt sich dabei natürlich nicht um eine absolute jährliche Verringerung der<br />
eingesetzten Ressourcen, sondern um relative Einsparungen gegenüber dem weiter<br />
wachsenden jeweiligen Ressourceneinsatz in den alten Vergleichsländern.<br />
Nach den Ergebnissen der Kassenstatistik für das Jahr 2011 hat es hier jedoch im<br />
vergangenen Jahr scheinbar einen deutlichen Rückschlag gegeben. Analysiert man<br />
79
die Ursachen für diese Entwicklung etwas genauer, wird allerdings deutlich, dass hier<br />
verschiedene Sonderfaktoren zusammentrafen.<br />
Im Vergleich zum Haushaltsjahr 2010 gibt es drei Sondereffekte, die den Zuschussbedarf<br />
IV für <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> stark erhöht haben. Zum Ersten war, wie oben dargestellt,<br />
der Zuschussbedarf im Jahr 2010 durch die gegenüber dem Jahr 2009 um<br />
62,5 Mio. höhere Gewinnentnahme der Stadt Halle abgesenkt.<br />
Zum Zweiten hat das Land im Jahr 2011 die Ausbildungsverkehre mit einem Volumen<br />
von 31,8 Mio. Euro auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen. Zwar<br />
hat das Land im gleichen Umfang seine Zuweisungen erhöht, so dass es nicht zu<br />
einer finanziellen Belastung der Kommunen gekommen ist, aber der Zuschussbedarf<br />
IV ist natürlich um genau diesen Betrag angestiegen.<br />
Zum Dritten hat der Bund im Rahmen des SGB II den Kommunen neue Aufgaben<br />
zugewiesen (Bildung und Teilhabe einschließlich Verwaltung, Schulsozialarbeit). Die<br />
Refinanzierung ist an die Kosten der Unterkunft gekoppelt. Die Kommunen erhalten<br />
zur Finanzierung der neuen Aufgaben 9,4% der KdU zusätzlich zugewiesen. In<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> entsprach dies im Jahr 2011 einem Betrag von 51,6 Mio. Euro.<br />
Zwar erhalten alle Länder die erhöhte Quote, aber da die Kosten der Unterkunft pro<br />
Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ein Niveau von etwa 175% der westlichen Vergleichsländer<br />
haben, standen im Ländervergleich zusätzliche Mittel im Umfang von rd. 22<br />
Mio. Euro zur Verfügung.<br />
Diese drei Faktoren summieren sich zu einem Sondereffekt von 116,3 Mio. Euro auf.<br />
Der Abstand beim Zuschussbedarf IV hat sich aber gegenüber den alten Vergleichsländern<br />
nur um 90 Mio. Euro vergrößert. Von daher konnten die Kommunen auch im<br />
Jahr 2011 im Ergebnis die Differenz um weitere 25 Mio. Euro reduzieren.<br />
Analysiert man für die Entwicklung der Zuschussbedarfe IV der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
in ihrer Entwicklung seit dem Jahr 2008, müssen deshalb entsprechende<br />
Korrekturen vorgenommen werden. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit erscheinen<br />
folgende Korrekturen notwendig.<br />
Zum Ersten hat sich der Zuschussbedarf ab dem Jahr 2010 durch die Übertragung<br />
von Aufgaben durch das 2. Funktionalreformgesetz um rd. 5 Mio. Euro erhöht. Zum<br />
Zweiten sind die 62,5 Mio. Euro zusätzliche Gewinnentnahmen im Jahr 2010 in Halle<br />
als Einmaleffekt anzusehen. Zum Dritten hat sich das Zuschussbedarfsniveau im<br />
Jahr 2011 durch die neuen Aufgaben im SGB II bei einer vollständigen Umsetzung<br />
um 51,6 Mio. Euro erhöht. Zum Vierten schließlich führt die Zuständigkeit für die<br />
Ausbildungsverkehre ab dem Jahr 2011 zu einer weiteren Erhöhung des Zuschussbedarfs<br />
um 31,8 Mio. Euro.<br />
Berücksichtigt man diese Veränderungen, so ergibt sich die folgende Zeitreihe für die<br />
bereinigten Zuschussbedarfe IV (ohne überörtliche Sozialhilfe) pro Einwohner:<br />
80
2008: 1.216 Euro 2009: 1.279 Euro (+ 5,19%)<br />
2010: 1.298 Euro (+ 1,51%) 2011: 1.291 Euro (- 0,55%)<br />
Bei der Interpretation des hohen Zuwachses im Jahr 2009 muss berücksichtigt werden,<br />
dass die Zuwächse im gleichen Jahr in den alten Vergleichsländern bei 6,2%<br />
und in den neuen sogar bei 8,1% lagen.<br />
Der Zuwachs in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2010 lag auf dem Niveau der Preissteigerungsrate,<br />
also real bei einem Wert von Null und im Jahr 2011 mit nominal -0,55%<br />
sogar deutlich niedriger. Selbst wenn die zusätzlichen Mittel aus dem SGB II im Jahr<br />
2011 nur teilweise umgesetzt sein sollten, ergibt sich eine Zuwachsrate, die deutlich<br />
unter der Preissteigerungsrate liegt.<br />
Die Bestätigung für die Richtigkeit und Notwendigkeit dieser Bereinigungen ist insbesondere<br />
bei einem Vergleich der Entwicklung der Personalausgaben in den einzelnen<br />
Ländern gut nachvollziehbar. Die Steigerungsraten der Personalausgaben im<br />
Jahr 2011 gegenüber dem Jahr 2011 betrugen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> nämlich lediglich<br />
0,19%, in NI/RP/SH dagegen 3,08% und auch in MV/SN/TH immerhin noch 1,92%.<br />
Damit weisen die Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> auch im Jahr 2011 (wie schon im<br />
Vorjahr) bei den Personalausgaben mit großem Abstand die geringste Steigerungsrate<br />
aller 13 Flächenländer auf. Platz 2 erreichten mit einem Zuwachs von 1,42% die<br />
Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern und an Platz 3 lagen die Kommunen in<br />
Rheinland-Pfalz mit einer Steigerungsrate von 1,88%.<br />
Da allerdings die Einwohnerzahl in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> (jeweils am 30.6. gemessen) von<br />
2010 auf 2011 um 0,93% zurückging, in den Vergleichsländern NI/RP/SH jedoch nur<br />
um 0,07% und in MV/SN/TH um 0,47%, relativiert sich der Abstand bei einer Betrachtung<br />
der Entwicklung der Personalausgaben pro Einwohner etwas, bleibt aber<br />
immer noch bemerkenswert hoch.<br />
Die Zuwächse der Personalausgaben pro Einwohner lagen im Jahr 2011 in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> bei 1,13%, in NI/RP/SH bei 3,15% und in MV/SN/TH bei 2,40%. Hätte sich der<br />
Zuwachs der Personalausgaben pro Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> so entwickelt wie<br />
in den westlichen Vergleichsländern, lägen die Personalausgaben der Kommunen in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2011 um 25,5 Mio. Euro höher. Auch beim Vergleich mit den<br />
östlichen Vergleichsländern hat sich immerhin noch eine Einsparung um 16,8 Mio.<br />
Euro ergeben.<br />
Die (relativen) Einsparungen zu den Vergleichsländern beschränkten sich aber nicht<br />
nur auf die Personalausgaben, sondern waren auch im Bereich des sächlichen Verwaltungs-<br />
und Betriebsaufwandes und der Zinsausgaben (als direkter Folge des Entschuldungsprogramms<br />
STARK II) feststellbar. Insgesamt ergaben sich in diesen drei<br />
Bereichen relative Einsparungen gegenüber den westlichen Vergleichsländern von<br />
37,4 Mio. Euro und gegenüber den östlichen Vergleichsländern sogar von 38,6 Mio.<br />
Euro.<br />
81
An dieser Entwicklung wird sehr deutlich, dass die Gebietsreform in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
(die in anderen Ländern bereits deutlich früher stattgefunden hat) nunmehr auch finanziell<br />
zu wirken beginnt. Bei einer konsequenten Fortsetzung dieser Konsolidierungsstrategie<br />
in den sachsen-anhaltischen Kommunen und einer entsprechenden<br />
Unterstützung durch das Land erscheint es deshalb durchaus möglich, die Differenz<br />
zu den Vergleichsländern bis zum Jahr 2020 vollständig abzubauen.<br />
Dafür ist es notwendig, die kommunalen Zuschussbedarfe pro Einwohner real konstant<br />
zu halten, d.h. sie dürfen nur im Umfang der Preissteigerungsrate, d.h. jährlich<br />
maximal mit rd. 1,5% zunehmen. Die Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> befinden sich<br />
also seit dem Jahr 2010 auf einem guten Weg.<br />
Diese recht positive Einschätzung der aktuellen Entwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> wird<br />
allerdings dadurch getrübt, dass für die Berechnung des Abstandes zu den Vergleichsländern<br />
wohl eher die Zahlen des Jahres 2011 als die der Jahre 2008 – 2010<br />
zutreffen dürften. Denn trotz der zusätzlichen Kommunalisierung des Ausbildungsverkehrs<br />
dürfte der gesamte Kommunalisierungsgrad in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> immer noch<br />
unterdurchschnittlich sein.<br />
Der Abstand zu den alten Vergleichsländern hat sich deshalb zwar vom Jahr 2008<br />
bis zum Jahr 2011 um ca. 75 Mio. Euro reduziert, liegt aber trotzdem immer noch um<br />
rd. 400 Mio. Euro über dem der alten Vergleichsländer.<br />
Um bis zum Jahr 2020 die aufgrund dieser Erkenntnisse als noch größer anzusehenden<br />
Lücken zu schließen, müssten die jährlichen (relativen) Einsparraten im Vergleich<br />
zu den alten Ländern deshalb auf etwa 45 Mio. Euro bzw. 1,5% des gesamten<br />
Zuschussbedarfes ansteigen.<br />
Geht man von einem durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen realen Wachstum bis<br />
zum Jahr 2020 von ebenfalls rd. 1,5% aus und wird zudem unterstellt, dass die alten<br />
Länder dieses reale Wachstum in entsprechend höhere Zuschussbedarfe umsetzen,<br />
müssten die Zuschussbedarfe pro Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bis zum Jahr 2020<br />
real konstant bleiben, damit die Lücke bis zum Ende des Jahrzehnts geschlossen<br />
wird.<br />
Aus dieser Betrachtung ergeben sich zwei prinzipiell gleichwertige Strategien für die<br />
zulässige Entwicklung der kommunalen Zuschussbedarfe in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bis zum<br />
Jahr 2020. Bei der ersten Strategie wird die anfängliche durchschnittliche Differenz<br />
der Zuschussbedarfe pro Einwohner der Jahre 2008 – 2010 (bei einer späteren<br />
Nachsteuerung sogar die der Jahre 2009 – 2011) in gleichen Jahresschritten bis zum<br />
Jahr 2020 auf einen Wert von Null reduziert. Maßstab ist dabei der jeweilige Abstand<br />
zu den Zuschussbedarfen der Vergleichsländer. Diese Strategie bezeichne ich als<br />
Anpassungsverfahren.<br />
Bei der zweiten Strategie werden die durchschnittlichen Zuschussbedarfe pro Einwohner<br />
eines Basiszeitraums (2008 – 2010 für 2012 bzw. 2009 – 2011 für 2013<br />
usw.) bis auf Weiteres jeweils nur mit der Inflationsrate fortgeschrieben, also real<br />
82
konstant gehalten. Diese Strategie bezeichne ich als real konstantes Fortschreibungsverfahren.<br />
Bevor im nächsten Abschnitt die dynamischen Implikationen des Anpassungsverfahrens<br />
entwickelt werden, soll zunächst noch der Zusammenhang zwischen der angemessenen<br />
Finanzausstattung der Kommunen und der dazu notwendigen Finanzausgleichmasse<br />
herausgearbeitet werden.<br />
Der Zuschussbedarf IV ist definiert als Summe aus dem laufenden Defizit, den Nettosteuereinnahmen<br />
und den lfd. Nettozahlungen vom Land, wobei sich die lfd. Nettozahlungen<br />
des Landes aus der Finanzausgleichsmasse (ohne Ausgleichsstock und<br />
Investitionspauschale) und den sonstigen Nettozahlungen zusammensetzen. Auf<br />
eine weitere Differenzierung der Zahlungen im FAG soll an dieser Stelle noch verzichtet<br />
werden, weil dies nur für die Fragen im Zusammenhang mit dem horizontalen<br />
Finanzausgleich von Belang ist.<br />
Es gilt:<br />
Z IV = lfd. Defizit + Nettosteuern + lfd. Zuweisungen im FAG + lfd. Nettozuweisungen<br />
außerhalb des FAG<br />
Oder noch kürzer:<br />
Z IV = A + B + (C1 + C2) + C3<br />
In der Jahresrechnung 2009 des Statistischen Landesamts <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ergaben<br />
sich gerundet (in Mio. Euro) die folgenden Werte 11 :<br />
Z IV = 3.028<br />
A = -75<br />
B = 1.130<br />
C1 + C2 = 1.498<br />
C3 = 475<br />
Ex post liegen die verschiedenen Werte fest. Ex ante, d.h. bei der Ermittlung der angemessenen<br />
Finanzausgleichsmasse eines zukünftigen Jahres, ist jedoch neben der<br />
Bestimmung eines angemessenen Wertes für Z IV und eines Zielwertes für A auch<br />
eine Projektion für B erforderlich, während C2 zumindest als Planwert vom Land im<br />
Rahmen der Haushaltsaufstellung festgelegt werden kann.<br />
Allerdings muss beachtet werden, dass die vom Land ausgewiesenen Nettozahlungen<br />
an Kommunen nicht identisch sind mit den von den Kommunen ausgewiesenen<br />
11 Da das Statistische Bundesamt zur Sicherstellung der Einheitlichkeit geringfügig anders abgrenzt<br />
und die Berichtstermine der Kommunen nicht identisch sind, gibt es beim Zuschussbedarf IV mit einem<br />
Wert von 3.023 Mio. Euro eine kleine Abweichung, die aber für die hier untersuchte Fragestellung<br />
nicht relevant ist.<br />
83
Nettozahlungen von Ländern, denn zuweilen buchen Kommunen Zuweisungen des<br />
Landes, die an Dritte weitergeleitet werden, als durchlaufende Posten und nicht, was<br />
korrekt wäre, als Einnahmen vom Land und Auszahlungen an Dritte. Aber auch Zahlungen<br />
an Zweckverbände und rechtlich selbstständige kommunale Gesellschaften<br />
können zu solchen Differenzen beitragen.<br />
Wenn für Z IV ein angemessener Wert bestimmt worden ist, gilt:<br />
= – ̂ – ̂ – C3<br />
Der angemessene Bedarf im Jahr 2009 soll z.B. nicht bei 3.028, sondern bei 3.028 –<br />
379 = 2.649 liegen. Die lfd. Rechnung A soll einen Zielwert von 0 haben und für die<br />
sonstigen Nettozahlungen wird ein Wert (aus der Sicht der Kommunen) von 475 veranschlagt.<br />
Es ergibt sich dann:<br />
= 2.649 + ̂ – 475 bzw.<br />
= 2.174 + ̂<br />
Um zu einem insgesamt angemessenen FAG-Volumen zu gelangen, müssten noch<br />
die Nettoabschreibungen (bzw. Pflichtzuführungen), die notwendigen Bedarfszuweisungen<br />
und eine angemessene Investitionspauschale hinzugefügt werden.<br />
Es ist offensichtlich, dass auf der einen Seite das Land durch eine Variation der<br />
sonstigen Nettozuweisungen C3 und auf der anderen Seite die Entwicklung der<br />
kommunalen Steuereinnahmen B die Höhe der so definierten angemessenen lfd.<br />
FAG-Zuweisungen beeinflussen.<br />
Eine Veränderung von C3 ist so lange relativ unproblematisch, wie die Summe aus<br />
C1, C2 und C3 konstant bleibt. Im bisherigen Verfahren war das aber nicht, bzw. nur<br />
mit großer Zeitverzögerung der Fall. Es sollte deshalb nach einem Weg gesucht<br />
werden, bei dem erkannte (gravierende) Veränderungen von C3 zeitgleich zu entsprechenden<br />
gegenläufigen Veränderungen von<br />
führen.<br />
Bei den Steuereinnahmen muss zwischen zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen<br />
unterschieden werden, nämlich zwischen einer Veränderung der Steuereinnahmen<br />
bei gegebenen Hebesätzen und einer durch Veränderung der Hebesätze.<br />
Da für die Steuereinnahmen zweimal jährlich auch für die Kommunen der einzelnen<br />
Länder regionalisierte Schätzungen erfolgen, können und sollten diese Schätzwerte<br />
unmittelbar verwendet werden. Schwieriger ist die Entscheidung bei hebesatzbedingten<br />
Mehr- oder Mindereinnahmen.<br />
84
Tabelle 13:<br />
Differenzen zwischen Realsteuerkraft und Realsteueraufkommen in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> im Vergleich zum Hebesatzniveau anderer Länder im Jahr 2010<br />
Durchschnittliche Hebesätze<br />
Mehr/Weniger für <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bei entsprechenden Hebesätzen<br />
Lfd. Nr. Bundesland<br />
Grundsteuer A Grundsteuer B Gewerbesteuer Grundsteuer A Grundsteuer B Gewerbesteuer Realsteuern<br />
1 <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 294 380 350 0 0 0 0<br />
2 Deutschland 301 410 390 510.787 15.820.882 64.632.277 80.963.947<br />
3 Baden-Württemberg 344 376 358 3.727.237 -2.361.465 13.089.419 14.455.192<br />
4 Bayern 337 379 368 3.253.839 -861.431 29.891.605 32.284.013<br />
5 Brandenburg 270 379 309 -1.812.358 -484.242 -64.971.717 -67.268.317<br />
6 Hessen 278 333 391 -1.200.891 -25.333.549 65.158.220 38.623.779<br />
7 Mecklenburg-Vorpommern 256 371 345 -2.826.290 -5.030.030 -7.893.390 -15.749.711<br />
8 Niedersachsen 351 388 383 4.273.881 4.082.940 52.656.583 61.013.405<br />
9 Nordrhein-Westfalen 223 444 436 -5.350.819 34.109.549 137.345.206 166.103.936<br />
10 Rheinland-Pfalz 285 343 367 -648.372 -20.058.606 27.171.474 6.464.496<br />
11 Saarland 248 347 408 -3.461.834 -17.821.609 92.845.265 71.561.823<br />
12 <strong>Sachsen</strong> 301 450 412 561.579 37.639.033 99.182.736 137.383.348<br />
13 Schleswig-Holstein 285 336 347 -633.602 -23.470.236 -4.182.943 -28.286.781<br />
14 Thüringen 241 346 349 -3.983.294 -18.239.971 -714.310 -22.937.575<br />
15 Flächenländer 301 389 386 534.479 4.680.237 57.478.340 62.693.056<br />
16 Niedersachsen/Rheinland-Pfalz/Schleswig-Holstein 324 366 372 2.224.850 -7.313.274 35.480.538 30.392.114<br />
17 Mecklenburg-Vorpommern/<strong>Sachsen</strong>/Thüringen 267 405 383 -2.009.224 13.403.481 53.361.366 64.755.624<br />
18 Berlin 150 810 410 -10.798.059 230.225.819 95.778.561 315.206.322<br />
19 Bremen 248 572 434 -3.467.575 102.682.297 134.252.161 233.466.883<br />
20 Hamburg 225 540 470 -5.170.854 85.621.660 190.842.395 271.293.201<br />
21 Stadtstaaten 221 670 442 -5.453.890 155.467.476 146.649.874 296.663.460<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen<br />
85
Es wäre sowohl aus der Sicht des Landes, als auch aus der Sicht der Gemeinden<br />
nicht sinnvoll, wenn hebesatzbedingte Mehr- oder Mindereinnahmen 1:1 zu einer<br />
entsprechenden Verminderung oder Erhöhung der Finanzausgleichsmasse führen<br />
würden.<br />
Die einzelne Gemeinde hat natürlich ein vitales Interesse daran, dass Hebesatzanhebungen<br />
keine Absenkungen ihrer eigenen Zuweisungen zur Folge haben und für<br />
das Land wäre es natürlich ebenfalls unzumutbar, wenn Gemeinden Ihre Hebesätze<br />
absenken könnten und das Land die Ausfälle ganz oder auch nur teilweise erstatten<br />
müsste.<br />
Dass dies keine theoretische, sondern eine sehr praxisnahe Diskussion ist, ergibt<br />
sich aus der Tabelle 13. Vergleicht man nämlich das durchschnittliche Hebesatzniveau<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit dem Bundesdurchschnitt, so wird deutlich, dass bereits<br />
heute das Land die finanzielle Kompensation für das vergleichsweise niedrige Hebesatzniveau<br />
im Land tragen muss. Da im bisherigen Verfahren nur die tatsächlichen<br />
Steuereinnahmen als bedarfsmindernd angesehen werden, muss das Land gleich<br />
zweimal zahlen.<br />
Zum Ersten bei der Berechnung der angemessenen Finanzausgleichsmasse und<br />
zum Zweiten im föderalen Finanzausgleich, bei dem für die Gemeindesteuern ein<br />
durchschnittliches Hebesatzniveau unterstellt wird. Das Land musste sich deshalb im<br />
föderalen Finanzausgleich des Jahres 2010 eine um 81 Mio. Euro höhere Realsteuerkraft<br />
anrechnen lassen als tatsächlich in den Gemeinden <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>s Realsteuereinnahmen<br />
entstanden sind.<br />
Im Vergleich zu Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein kam es im<br />
Jahr 2010 durch die besonders niedrigen Hebesätze in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zu Mindereinnahmen<br />
von insgesamt 30,4 Mio. Euro, im Vergleich zu Mecklenburg-Vorpommern,<br />
<strong>Sachsen</strong> und Thüringen liegen die Mindereinnahmen sogar bei 64,8 Mio. Euro,<br />
davon 13,4 Mio. Euro bei der Grundsteuer B und 53,4 Mio. Euro bei der Gewerbesteuer.<br />
Es ist deshalb sehr kritisch zu sehen, dass im bisherigen Berechnungsverfahren das<br />
niedrige Hebesatzniveau im Ergebnis zu einer entsprechenden Erhöhung des angemessenen<br />
Finanzausgleichsvolumens geführt hat.<br />
Damit zumindest für die Zukunft die Anreize richtig gesetzt werden, sollte deshalb<br />
nach einem Weg gesucht werden, bei dem sichergestellt werden kann, dass Erhöhungen<br />
oder Verringerungen des Hebesatzniveaus der Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> zukünftig ohne Auswirkungen auf die Höhe des angemessenen Finanzausgleichsvolumens<br />
bleiben.<br />
86
5.4. Ein dynamisches Anpassungsmodell zur Bestimmung der<br />
angemessenen Finanzausgleichsmasse bis zum Jahr 2020<br />
In den beiden letzten Abschnitten sind bereits ganz wesentliche Elemente zur Bestimmung<br />
und Fortschreibung der angemessenen Finanzausgleichsmasse entwickelt<br />
worden. In diesem Abschnitt geht es nun darum, diese Elemente zu verknüpfen und<br />
ein Regelwerk zur Bestimmung und Fortschreibung einer angemessenen Finanzausgleichsmasse<br />
im Rahmen des Anpassungsmodells zu erarbeiten.<br />
Dabei können im Anpassungsmodell die vorläufigen Ergebnisse der Kassenstatistik<br />
des Jahres 2011 zunächst noch außen vor bleiben. Demgegenüber ist es im Modell<br />
der real konstanten Fortschreibung der Finanzbedarfe (Unterkapitel 5.5.) sinnvoll, die<br />
Kassenstatistik 2011 in die Bestimmung der angemessenen Finanzausgleichsmasse<br />
bereits mit einzubeziehen.<br />
Der Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen sind die Ländervergleiche der<br />
Jahre 2008 bis 2010. Danach lag der Zuschussbedarf IV (bezogen auf die Einwohnerzahl<br />
von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>) um 360,1 Mio. Euro (ohne den Einzelplan 4 um 378,6<br />
Mio. Euro) höher als im Durchschnitt der drei finanzschwächeren alten Länder Niedersachsen,<br />
Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.<br />
Im Vergleich mit den neuen Ländern Mecklenburg-Vorpommern, <strong>Sachsen</strong> und Thüringen<br />
betrugen die Unterschiede 323,8 Mio. Euro bzw. ohne den Einzelplan 4 rd.<br />
219,7 Mio. Euro. Zwar lag der gesamte Zuschussbedarf dieser drei Länder im Zeitraum<br />
von 2008 bis 2010 bereits unter dem der alten Flächenländer, aber es darf<br />
dennoch erwartet werden, dass bis zum Jahr 2020 eine weitere Angleichung an die<br />
Strukturen der alten Vergleichsländer erfolgt.<br />
Hinzu kommt, dass die im Vergleich zu den anderen neuen Ländern deutlich höheren<br />
Sozialausgaben der Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> (ob mit oder ohne überörtliche<br />
Sozialhilfe) bei der Ermittlung eines angemessenen Zuschussbedarfs IV nicht<br />
einfach außer vor bleiben können. Die Kommunen der neuen Vergleichsländer können<br />
ihre (im Vergleich mit den alten Ländern) höheren Zuschussbedarfe außerhalb<br />
der sozialen Sicherung ja gerade nur deshalb finanzieren, weil sie im Sozialbereich<br />
deutlich niedrigere Zuschussbedarfe ausweisen. Von daher wäre (zumindest im Vergleich<br />
mit den neuen Ländern) ein völliges Ausblenden des Zuschussbedarfs im Bereich<br />
der sozialen Sicherung auch nicht vertretbar.<br />
Um nicht vorzeitig eine Festlegung auf eine der vier möglichen Vergleichsvarianten<br />
(alte Länder und neue Länder, jeweils mit und ohne den Einzelplan 4) treffen zu<br />
müssen, soll diese Entscheidung offen bleiben und alle vier Varianten modellmäßig<br />
entwickelt werden.<br />
Um die Anpassungsfähigkeit der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> nicht zu überfordern,<br />
erscheint es für jede der vier Varianten notwendig zu sein, für den Abbau der Ausgangsdifferenz<br />
den gesamten Zeitraum bis 2020 einzuplanen, so dass bei elf<br />
87
gleichmäßigen Anpassungsschritten eine jährliche Reduzierung der entsprechenden<br />
Anpassungszuweisung erfolgen müsste.<br />
Als Ausgangsbasis für die vier Varianten (alte Länder mit der Gliederung 4, alte Länder<br />
ohne die 4, neue Länder mit der 4 und neue Länder ohne die 4) wäre also zunächst<br />
der tatsächliche durchschnittliche Zuschussbedarf IV der Jahre 2008 bis 2020<br />
von 2.970 Mio. Euro entsprechend zu reduzieren. Die sich dabei ergebenden Beträge<br />
entsprächen somit den angemessenen Zuschussbedarfen IV in der Ausgangssituation,<br />
die aufgrund der Durchschnittsbildung aus den Jahren 2008 bis 2010 dem<br />
Jahr 2009 zuzuordnen wären. Da die aus den Ländervergleichen abgeleiteten angemessenen<br />
Zuschussbedarfe dann allerdings wieder um die jeweiligen Anpassungszuweisungen<br />
zu erhöhen wären, ergibt sich jeweils wieder ein Bedarfswert (im<br />
Jahr 2009) für den Zuschussbedarf IV von 2.970 Mio. Euro.<br />
Um zum angemessenen Finanzausgleichsvolumen zu gelangen, ist im nächsten<br />
Schritt der Abzug der eigenen Steuereinnahmen der Kommunen erforderlich. Es erscheint<br />
dabei allerdings sinnvoll, nicht die tatsächlichen Steuereinnahmen abzuziehen,<br />
sondern die normierte Steuerkraft.<br />
Zur Vermeidung von Fehlanreizen gibt es für die Normierung im Prinzip drei Möglichkeiten.<br />
Bei der ersten würden die tatsächlichen durchschnittlichen (gewichteten) Hebesätze<br />
des Jahres 2009 in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> dauerhaft festgeschrieben. Bei der zweiten<br />
würden die jeweiligen bundesweiten durchschnittlichen Hebesätze angesetzt, die<br />
sich das Land im föderalen Finanzausgleich anrechnen lassen muss. Die dritte Möglichkeit<br />
bestünde in der Anrechnung der jeweiligen durchschnittlichen Hebesätze der<br />
entsprechenden neuen oder alten Vergleichsländer.<br />
Die erste Variante hätte den Nachteil, dass spätestens nach einigen Jahren die Ausgangsbasis<br />
des Jahres 2009 als veraltet und letztlich willkürlich angesehen würde.<br />
Sie sollte deshalb nicht verwendet werden. Für die zweite Variante spricht, dass sie<br />
sehr objektiv ist und sowieso jährlich ermittelt und fortgeschrieben wird. Dagegen<br />
spricht, dass für die Bestimmung der Bedarfsseite auch nicht auf die Ländergesamtheit<br />
(einschließlich der Stadtstaaten) abgestellt wird, sondern nur auf vergleichbare<br />
alte und neue Länder. Deshalb erscheint in diesem Modell die dritte Variante am<br />
besten geeignet. Da die notwendigen Daten jährlich erfasst und zeitnah aufbereitet<br />
werden, stellt die jährliche Neuberechnung auch kein Problem dar.<br />
Gemessen an den Strukturen des Jahres 2009, liegt eine so normierte Steuerkraft<br />
(auf der Basis der in den föderalen Finanzausgleich eingehenden Daten) bei den<br />
alten Vergleichsländern um 16,8 Mio. Euro und bei den neuen Vergleichsländern um<br />
53,6 Mio. Euro höher als das tatsächliche Steueraufkommen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>. Der<br />
Abzug der Gewerbesteuerumlage ist für diese Differenz nicht relevant, weil die Gewerbesteuerumlage<br />
hebesatzunabhängig abzuführen ist.<br />
Die Höhe der Hebesätze hat c.p. keinen Einfluss auf die Höhe des Zuschussbedarfs<br />
IV. Dieser ist definiert durch die Differenz aus den lfd. Ausgaben (ohne Zuführung<br />
88
zum Vermögenshaushalt, der Gewerbesteuerumlage und Zahlungen an das Land)<br />
und den lfd. Einnahmen (ohne Steuereinnahmen, der Zuführung vom Vermögenshaushalt<br />
und lfd. Zuweisungen vom Land). Eine Veränderung der Hebesätze hat auf<br />
diese Differenz keinen Einfluss, wohl aber auf die Höhe der Nettozuweisungen, die<br />
zum Ausgleich der lfd. Rechnung erforderlich ist.<br />
Bei hohen Hebesätzen sinken die zum Ausgleich notwendigen Nettozuweisungen<br />
vom Land, bei niedrigen steigen sie dementsprechend. Entscheidend ist es deshalb,<br />
ob die niedrigen Steuereinnahmen das Ergebnis einer geringen Steuerkraft oder lediglich<br />
besonders niedriger Hebesätze sind. Während im aufgabenbezogenen Finanzausgleich<br />
eine niedrige Steuerkraft (bei einem gegebenem Zuschussbedarf IV)<br />
zwingend zu höheren Nettozuweisungen vom Land führen muss, sollte dies bei niedrigen<br />
Hebesätzen natürlich nicht der Fall sein.<br />
Genau wie beim erhöhten Zuschussbedarf IV kann den Kommunen in diesem Anpassungsmodell<br />
allerdings auch hier durch eine entsprechende Anpassungszuweisung<br />
eine Übergangszeit bis zum Jahr 2020 eingeräumt werden. Die notwendigen<br />
Anpassungszuweisungen von (rechnerisch) 16,8 Mio. Euro bzw. 53,6 Mio. Euro wären<br />
also in 11 Schritten bis zum Jahr 2020 vollständig abzubauen.<br />
Die gesamte rechnerische Anpassungszuweisung der Basisjahre (2008 – 2010) in<br />
der Variante 1 (alte Länder mit Einzelplan 4) beträgt folglich 377 Mio. Euro, in der<br />
Variante 2 (alte Länder ohne Einzelplan 4) 395 Mio. Euro, in der Variante 3 (neue<br />
Länder mit Einzelplan 4) 377 Mio. Euro und in der Variante 4 (neue Länder ohne<br />
Einzelplan 4) 273 Mio. Euro.<br />
Nach Abzug der Steuerkraft (einschließlich der lokalen Steuern) und der lfd. Nettozahlungen<br />
des Landes außerhalb des FAG vom angemessenen Zuschussbedarf IV<br />
ergibt sich der Grundbedarf im FAG. Nach Addition der degressiven Anpassungszuweisung<br />
erhält man den Wert für die lfd. Nettozahlungen des Landes im FAG. Falls<br />
gegenüber den Basisjahren (hier 2008 – 2010) neue oder noch nicht vollständig berücksichtigte<br />
Konnexitätsverpflichtungen entstanden sind, müssten diese zusätzlich<br />
berücksichtigt werden.<br />
Da der Zuschussbedarf IV nicht die Nettoabschreibungen bzw. die Pflichtzuführung<br />
an den Vermögenshaushalt umfasst, müssen diese noch hinzu addiert werden. Gleiches<br />
gilt für die Bedarfszuweisungen und die Mittel der Investitionspauschale. Das so<br />
ermittelte Ergebnis entspricht dann dem angemessenen Gesamtvolumen des FAG.<br />
Der Begriff „angemessen“ berücksichtigt dabei auch die Anpassungszuweisungen,<br />
die zwar nicht auf einer objektiven Bedarfsberechnung beruhen, aber den Kommunen<br />
einen (auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten gebotenen) angemessenen<br />
Zeitraum einräumen, um ihre Strukturen entsprechend anzupassen.<br />
In den Tabellen 14 – 17 werden diese einzelnen Rechenschritte in systematischer<br />
Form dargestellt. Zu klären ist dabei aber auch noch die Frage, wie die Fortschreibung<br />
der einzelnen Komponenten dieser Bedarfsberechnung erfolgen soll.<br />
89
Tabelle 14:<br />
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens bis zum Jahr 2020<br />
(bei Anpassung an die Verhältnisse in NI/RP/SH)<br />
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101 durchschnittl.<br />
- in Mio. Euro -<br />
Wachstum<br />
lfd. Bedarf entsprechend der Vergleichsländer NI/RP/SH 2.610 2.681 2.735 2.871 2.925 2.980 3.022 3.063 3.103 3.143 3.182 3.219 1,92%<br />
Steuerkraft bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 1.338 1.388 1.446 1.503 1.560 1.600 1.642 1.685 1.728 3,25%<br />
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%<br />
FAG Grundbedarf entsprechend der Vergleichsländer (evtl.<br />
ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen)<br />
947 932 906 882 856 846 835 821 805 -2,02%<br />
Anpassungszuweisungen 273 239 205 171 137 103 69 34 0 -100,00%<br />
FAG mit Anpassungszuweisung 1.220 1.171 1.111 1.053 994 949 903 855 805 -5,07%<br />
Tilgungszuweisung 189 189 189 189 189 189 189 189 189 0,00%<br />
Bedarfszuweisung 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%<br />
I-Pauschale 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%<br />
FAG gesamt 1.556 1.524 1.475 1.427 1.367 1.323 1.277 1.229 1.178 -3,42%<br />
lfd. Nettozuweisungen gesamt 2.015 2.004 1.978 1.939 1.889 1.855 1.818 1.780 1.740 -1,82%<br />
FAG + lfd. Zuweisungen 2.143 2.129 2.103 2.064 2.014 1.980 1.943 1.905 1.865 -1,72%<br />
sonstige Investitionszuweisungen 433 354 328 302 276 250 224 198 172 -10,90%<br />
Gesamte Nettozuweisungen vom Land 2.576 2.483 2.431 2.366 2.290 2.230 2.167 2.103 2.037 -2,89%<br />
Gesamte lfd. Einnahmen 3.366 3.407 3.439 3.458 3.465 3.472 3.478 3.483 3.486 0,44%<br />
Gesamt Einnahmen 3.927 3.886 3.892 3.885 3.866 3.847 3.827 3.806 3.783 -0,47%<br />
Gesamte lfd. Einnahmen pro Einwohner 1.465 1.498 1.528 1.552 1.572 1.593 1.615 1.636 1.659 1,57%<br />
Gesamte Einnahmen pro Einwohner 1.709 1.709 1.729 1.744 1.754 1.765 1.777 1.788 1.800 0,65%<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt, Statistisches Landesamt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, BMF (Steuerschätzung), BMWi (Potenzialpfad für das BIP), Ministerium<br />
der Finanzen <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und eigene Berechnungen<br />
90
Tabelle 15:<br />
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens bis zum Jahr 2020<br />
(bei Anpassung an die Verhältnisse in NI/RP/SH ohne Gliederung 4)<br />
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101 durchschnittl.<br />
- in Mio. Euro -<br />
Wachstum<br />
lfd. Bedarf entsprechend der Vergleichsländer NI/RP/SH ohne 4 2.592 2.663 2.720 2.857 2.912 2.969 3.012 3.055 3.097 3.139 3.180 3.219 1,99%<br />
Steuerkraft bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 1.338 1.388 1.446 1.503 1.560 1.600 1.642 1.685 1.728 3,25%<br />
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%<br />
FAG Grundbedarf entsprechend der Vergleichsländer (evtl.<br />
ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen)<br />
932 919 895 872 849 840 831 819 805 -1,83%<br />
Anpassungszuweisung 275 241 207 172 138 103 69 34 0 -100,00%<br />
FAG mit Anpassungszuweisung 1.208 1.160 1.102 1.044 986 944 899 853 805 -4,95%<br />
Tilgungszuweisung 189 189 189 189 189 189 189 189 189 0,00%<br />
Bedarfszuweisung 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%<br />
I-Pauschale 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%<br />
FAG gesamt 1.544 1.513 1.465 1.418 1.360 1.317 1.273 1.227 1.178 -3,33%<br />
lfd. Nettozuweisungen gesamt 2.003 1.993 1.968 1.930 1.882 1.849 1.814 1.778 1.740 -1,75%<br />
FAG + lfd. Zuweisungen 2.131 2.118 2.093 2.055 2.007 1.974 1.939 1.903 1.865 -1,65%<br />
sonstige Investitionszuweisungen 433 354 328 302 276 250 224 198 172 -10,90%<br />
Gesamte Nettozuweisungen vom Land 2.564 2.472 2.421 2.357 2.283 2.224 2.163 2.101 2.037 -2,84%<br />
Gesamte lfd. Einnahmen 3.355 3.396 3.429 3.449 3.458 3.466 3.474 3.481 3.486 0,48%<br />
Gesamt Einnahmen 3.916 3.875 3.882 3.876 3.859 3.841 3.823 3.804 3.783 -0,43%<br />
Gesamte lfd. Einnahmen pro Einwohner 1.460 1.493 1.523 1.548 1.569 1.591 1.613 1.635 1.659 1,61%<br />
Gesamte Einnahmen pro Einwohner 1.704 1.704 1.725 1.740 1.751 1.763 1.775 1.787 1.800 0,69%<br />
91
Tabelle 16:<br />
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens bis zum Jahr 2020<br />
(bei Anpassung an die Verhältnisse in MV/SN/TH)<br />
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101 durchschnittl.<br />
- in Mio. Euro -<br />
Wachstum<br />
lfd. Bedarf entsprechend der Vergleichsländer MV/SN/TH 2.647 2.715 2.766 2.899 2.950 3.002 3.040 3.078 3.115 3.151 3.186 3.219 1,80%<br />
Steuerkraft bei Hebesätzen wie MV/SN/TH 1.369 1.421 1.480 1.538 1.597 1.638 1.681 1.724 1.769 3,25%<br />
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%<br />
FAG Grundbedarf entsprechend der Vergleichsländer (evtl.<br />
ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen)<br />
943 924 894 865 834 820 804 785 764 -2,61%<br />
Anpassungszuweisung 236 206 177 147 118 88 59 29 0 -100,00%<br />
FAG mit Anpassungszuweisung 1.179 1.130 1.071 1.012 952 908 862 814 764 -5,28%<br />
Tilgungszuweisung 189 189 189 189 189 189 189 189 189 0,00%<br />
Bedarfszuweisung 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%<br />
I-Pauschale 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%<br />
FAG gesamt 1.515 1.484 1.434 1.386 1.326 1.282 1.236 1.188 1.137 -3,52%<br />
lfd. Nettozuweisungen gesamt 1.974 1.963 1.937 1.898 1.848 1.813 1.777 1.739 1.699 -1,86%<br />
FAG + lfd. Zuweisungen 2.102 2.088 2.062 2.023 1.973 1.938 1.902 1.864 1.824 -1,76%<br />
sonstige Investitionszuweisungen 433 354 328 302 276 250 224 198 172 -10,90%<br />
Gesamte Nettozuweisungen vom Land 2.535 2.442 2.390 2.325 2.249 2.188 2.126 2.062 1.996 -2,94%<br />
Gesamte lfd. Einnahmen 3.382 3.423 3.456 3.475 3.483 3.490 3.496 3.502 3.506 0,45%<br />
Gesamt Einnahmen 3.902 3.861 3.868 3.860 3.842 3.824 3.804 3.784 3.762 -0,46%<br />
Gesamte lfd. Einnahmen pro Einwohner 1.454 1.487 1.517 1.541 1.562 1.583 1.604 1.626 1.649 1,59%<br />
Gesamte Einnahmen pro Einwohner 1.698 1.698 1.718 1.733 1.744 1.755 1.766 1.778 1.790 0,66%<br />
92
Tabelle 17:<br />
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens bis zum Jahr 2020<br />
(bei Anpassung an die Verhältnisse in MV/SN/TH ohne Gliederung 4)<br />
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101 durchschnittl.<br />
- in Mio. Euro -<br />
Wachstum<br />
lfd. Bedarf entsprechend der Vergleichsländer MV/SN/TH ohne 42.751 2.811 2.855 2.979 3.021 3.064 3.093 3.120 3.147 3.172 3.197 3.219 1,44%<br />
Steuerkraft bei Hebesätzen wie MV/SN/TH 1.369 1.421 1.480 1.538 1.597 1.638 1.681 1.724 1.769 3,25%<br />
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%<br />
FAG Grundbedarf entsprechend der Vergleichsländer (evtl.<br />
ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen)<br />
1.023 995 956 917 877 852 825 796 764 -3,59%<br />
Anpassungszuweisung 160 140 120 100 80 60 40 20 0 -100,00%<br />
FAG mit Anpassungszuweisung 1.183 1.135 1.076 1.017 957 912 865 816 764 -5,33%<br />
Tilgungszuweisung 189 189 189 189 189 189 189 189 189 0,00%<br />
Bedarfszuweisung 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%<br />
I-Pauschale 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%<br />
FAG gesamt 1.520 1.489 1.439 1.391 1.330 1.285 1.239 1.189 1.137 -3,56%<br />
lfd. Nettozuweisungen gesamt 1.978 1.968 1.942 1.903 1.852 1.817 1.780 1.741 1.699 -1,89%<br />
FAG + lfd. Zuweisungen 2.106 2.093 2.067 2.028 1.977 1.942 1.905 1.866 1.824 -1,78%<br />
sonstige Investitionszuweisungen 433 354 328 302 276 250 224 198 172 -10,90%<br />
Gesamte Nettozuweisungen vom Land 2.539 2.447 2.395 2.330 2.253 2.192 2.129 2.064 1.996 -2,97%<br />
Gesamte lfd. Einnahmen 3.345 3.387 3.420 3.438 3.446 3.452 3.458 3.462 3.465 0,44%<br />
Gesamt Einnahmen 3.906 3.866 3.873 3.865 3.847 3.827 3.807 3.785 3.762 -0,47%<br />
Gesamte lfd. Einnahmen pro Einwohner 1.454 1.487 1.517 1.541 1.562 1.583 1.604 1.626 1.649 1,59%<br />
Gesamte Einnahmen pro Einwohner 1.700 1.700 1.720 1.735 1.746 1.756 1.767 1.779 1.790 0,65%<br />
93
Diagramm 1:<br />
Projektion der Entwicklung der Steuereinnahmen und der<br />
Nettozuweisungen vom Land in den Jahren 2012 - 2020 im Grundmodell<br />
einer Konvergenz mit NI/RP/SH bis zum Jahr 2020<br />
Euro/E<br />
1.800<br />
1.500<br />
1.200<br />
gesamte Einnahmen aus<br />
Steuern und<br />
Nettozuweisungen des<br />
Landes<br />
lfd. Einnahmen ohne<br />
Tilgungs- und<br />
Bedarfszuweisungen<br />
lfd. Bedarf entsprechend der<br />
Vergleichsländer NI/RP/SH<br />
900<br />
600<br />
300<br />
gesamte Nettozuweisungen<br />
des Landes (FAG lfd., FAG<br />
invest., sonstige außerhalb<br />
des FAG)<br />
Steuerkraft bei Hebesätzen<br />
wie NI/RP/SH<br />
Anpassungszuweisungen<br />
0<br />
2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Jahr<br />
94
Am schwierigsten ist diese Frage für den angemessenen Zuschussbedarf IV zu beantworten.<br />
Im Prinzip müsste eigentlich jährlich ermittelt werden, wie sich bundesweit<br />
und insbesondere in den alten und neuen Vergleichsländern die Zuschussbedarfe IV<br />
pro Einwohner entwickelt haben. Da die Ergebnisse aber erst nach Abschluss eines<br />
Haushaltsjahres festgestellt werden können, sind zunächst Schätzungen erforderlich.<br />
Mit der Kassenstatistik 2011 liegen nämlich nur die Steigerungsraten für die gesamten<br />
Zuschussbedarfe pro Einwohner des Dreijahreszeitraums 2009 – 2011 gegenüber<br />
dem Zeitraum 2008 – 2010 vor. Diese betragen sowohl bei den westlichen, als<br />
auch bei den östlichen Vergleichsländern 3,7%. Da sich in den Jahren 2010 und<br />
2011 die Zuwächse bereits auf deutlich unter 3% abgeflacht haben, wird für den Zeitraum<br />
bis 2014 zunächst noch ein Trendwachstum von 3% und den Zeitraum ab dem<br />
Jahr 2015 ein Trendwachstum von 2,5% unterstellt. Die höheren Raten der nächsten<br />
Jahre sind deshalb zu erwarten, weil bis 2014 der U3-Ausbau abgeschlossen sein<br />
dürfte.<br />
Die Annahme für den Zeitraum ab dem Jahr 2015 beruht darauf, dass das nominale<br />
Bruttoinlandsprodukt im Trend jährlich mit etwa 2,6% zunimmt, bundesweit die<br />
Kommunen aber noch nicht wieder vollständig konsolidiert sind. Deshalb dürfte eine<br />
realistische langfristige jährliche Fortschreibungsrate des objektiven Bedarfs der alten<br />
Vergleichsländer (pro Einwohner) bei ca. 2,5% liegen.<br />
In der Modellrechnung der Tabelle 14 sind die so abgeleiteten Werte verwendet worden.<br />
Ist ein Haushaltsjahr abgeschlossen und liegen die entsprechenden Finanzstatistiken<br />
vor, kann mit relativ geringem Aufwand festgestellt werden, wie hoch die tatsächliche<br />
Steigerungsrate in den Vergleichsländern war. Für die Folgejahre wäre<br />
dann eine entsprechende Nachsteuerung möglich.<br />
Die Zuwachsraten von 3,7% im Jahr 2010 (Dreijahreszeitraum 2009 – 2011), 3% bis<br />
zum Jahr 2014 und 2,5% ab dem Jahr 2015 gelten pro Einwohner. Deshalb ist im<br />
nächsten Schritt die Einwohnerentwicklung zu berücksichtigen. Dies kann in der<br />
Form geschehen, dass die tatsächliche Einwohnerentwicklung bis zum 30. Juni 2011<br />
in die 5. Bevölkerungsprognose für <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> als leichte Niveauerhöhung eingebaut<br />
wird.<br />
Für den 30. Juni 2020 ergibt sich auf diese Weise mit 2,1 Mio. eine Einwohnerzahl,<br />
die etwas höher als die bisherigen Prognosen liegt. Für den Zeitraum zwischen 2011<br />
und 2020 errechnet sich daraus ein durchschnittlicher jährlicher Bevölkerungsrückgang<br />
von rd. 1,1%. Im Ergebnis führt dies zu einer geschätzten Zunahme des angemessenen<br />
Zuschussbedarfs IV um rd. 1,92% pro Jahr.<br />
Die Steuerkraft wird jeweils mit den Hebesätzen der drei alten Vergleichsländer berechnet.<br />
Sie werden auf die im Rahmen der regionalisierten Steuerschätzung vom<br />
November 2011 bis zum Jahr 2016 geschätzten Grundbeträge der Gemeinden in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> angewendet. In der konkreten Praxis dürfte es sinnvoll sein, jeweils<br />
95
die Werte aus der Steuerschätzung im Mai zur Berechnung für das FAG der Folgejahre<br />
zu verwenden.<br />
Die zu erwartenden lfd. Nettozahlungen des Landes außerhalb des FAG an die<br />
Kommunen sind statistisch gesehen ein schwieriges Thema. Theoretisch sollte man<br />
annehmen, dass die Haushaltsplandaten des Landes eine ziemlich genaue Prognose<br />
für die kommenden Haushaltsjahre ermöglichen.<br />
Dies ist jedoch nicht der Fall, weil Plan und Ist häufig weit auseinander klaffen und<br />
nicht jede im Haushaltsplan des Landes als Zuweisung an Gemeinden verbuchte<br />
Ausgabe auch spiegelbildlich in einem Gemeindehaushalt als Einnahme vom Land<br />
auftaucht. So ist z.B. bei Zahlungen an Zweckverbände, Eigenbetriebe und rechtlich<br />
selbstständige kommunale Unternehmen keineswegs mit einer Verbuchung im<br />
Haushalt einer Kommune zu rechnen.<br />
Es kommt aber eben auch vor, dass Zuweisungen an Kommunen, die diese an Dritte<br />
weiterreichen, als durchlaufende Posten angesehen werden und dann gar nicht im<br />
kommunalen Rechenwerk auftauchen. Von daher weist nicht nur der Haushaltsplan<br />
des Landes, sondern auch die Haushaltsrechnungen des Landes sehr viel höhere<br />
Zuweisungen an Kommunen aus, als bei diesen als Einnahmen erfasst werden.<br />
Ein weiteres Problem entsteht dadurch, dass der Bundesanteil an den Kosten der<br />
Unterkunft, der für den Landeshaushalt ein durchlaufender Posten ist, mit einem Betrag<br />
von Null veranschlagt und erst in der Jahresrechnung ausgewiesen wird. Während<br />
es sich dabei im Jahr 2010 noch um einen Betrag von 128,9 Mio. Euro handelte,<br />
ist der Bundesanteil im Jahr 2011 bereits auf 196,4 Mio. Euro angestiegen.<br />
Im Jahr 2011 lagen die in der kommunalen Kassenstatistik verbuchten lfd. Nettozuweisungen<br />
vom Land außerhalb des FAG (inklusive der 196,4 Mio. Euro) bei 632,3<br />
Mio. Euro, ohne die 196,4 Mio. Euro also bei 435,9 Mio. Euro. Im Nachtragshaushaltsplan<br />
des Landes veranschlagt waren netto aber immerhin 572 Mio. Euro.<br />
Von diesen 572 Mio. Euro sind auch die zusätzlichen 31,8 Mio. Euro finanziert worden,<br />
die an die Landkreise und kreisfreien Städte zur Finanzierung der Ausbildungsverkehre<br />
vom Land zugewiesen wurden. Durch eine Rechtsänderung erhielten die<br />
Landkreise und kreisfreien Städte ab dem Jahr 2011 die Zuständigkeit für die Ausbildungsverkehre.<br />
Der kommunale Mehraufwand von 31,8 Mio. Euro ist deshalb ebenfalls<br />
im kommunalen Bedarf zu berücksichtigen.<br />
Im Jahr 2012 sind im Landeshaushalt lfd. Nettozuweisungen im Umfang von 516,7<br />
Mio. Euro veranschlagt. Diese beinhalten jetzt auch die 31,8 Mio. Euro für die Ausbildungsverkehre.<br />
Auf der anderen Seite ist ein im Jahr 2011 nicht abgeflossener<br />
Betrag von 25 Mio. Euro für den freiwilligen Zusammenschluss von Gemeinden nicht<br />
mehr enthalten und die anteiligen Bundesmittel für die KdU sind weiterhin mit einem<br />
Betrag von Null eingestellt. Berücksichtigt man diese Sachverhalte, so ergibt sich für<br />
das Jahr 2012 ein Schätzwert für die lfd. Nettozuweisungen des Landes außerhalb<br />
96
des FAG von 586,5 Mio. Euro. Für das Jahr 2013 liegt der entsprechende Schätzwert<br />
bei 604,8 Mio. Euro.<br />
In diesen Beträgen sind sowohl die Verminderung der Zuweisungen ab dem Jahr<br />
2012 durch die Kürzung der SoBEZ aufgrund struktureller Arbeitslosigkeit, als auch<br />
die erhöhten Zuweisungen durch die schrittweise Übernahme der Finanzierung der<br />
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung berücksichtigt.<br />
Die letzte Stufe der Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter durch den<br />
Bund im Jahr 2014 ist zusätzlich mit 14 Mio. Euro zu kalkulieren. Ab dem Jahr 2014<br />
wird darüber hinaus ein jährlicher Zuwachs der lfd. Nettozuweisungen außerhalb des<br />
FAG von 1,5% unterstellt. Diese Annahme beruht vor allem auf der Erwartung steigender<br />
Zuweisungen des Landes für den Betrieb von Kindertagesstätten.<br />
Da die erhöhten Bundesanteile zu den Kosten der Unterkunft auch mit zusätzlichen<br />
Aufgaben der Kommunen verbunden sind, müssen diese ab dem Jahr 2012 als bedarfserhöhend<br />
berücksichtigt werden. Von den 196,4 Mio. Euro sind 51,6 Mio. Euro<br />
(= 9,4%/35,8% * 196,4 Mio. Euro) als Kompensation für zusätzliche Aufgaben anzusehen.<br />
Dazu kommen die 31,8 Mio. Euro für den Ausbildungsverkehr.<br />
Der fortgeschriebene und um die Einwohnerentwicklung bereinigte lfd. Zuschussbedarf<br />
IV der Vergleichsländer Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein<br />
ist also zunächst um 83,4 Mio. Euro zu erhöhen und anschließend die erwartete<br />
Steuerkraft und die geschätzten sonstigen lfd. Nettozuweisungen des Landes außerhalb<br />
des FAG abzuziehen. Der sich ergebende lfd. Grundbedarf wird wiederum<br />
durch die jeweilige Anpassungszuweisung erhöht.<br />
Hinzu kommen die Nettoabschreibungen bzw. Pflichtzuführungen an den Vermögenshaushalt.<br />
Hierfür wird die durchschnittliche Tilgung (ohne Umschuldungen) der<br />
Jahre 2008 – 2010 von 189 Mio. Euro angesetzt. Eine Fortschreibung dieses Betrages<br />
mit den Tilgungen der Jahre 2011 ff. gibt deshalb wenig Sinn, weil durch das<br />
sehr stark nachgefragte Programm STARK II ein Teil der Tilgungen direkt durch das<br />
Land finanziert wird und für die verbleibende Restschuld die Tilgungsraten deutlich<br />
ansteigen.<br />
Eine Fortschreibung des Dreijahreszeitraums würde folglich dazu führen, dass das<br />
Land doppelt bezahlen müsste. Von daher erscheint es sinnvoll, den Betrag von 189<br />
Mio. Euro zunächst einmal konstant zu lassen. Erst wenn die Doppik flächendeckend<br />
eingeführt wird, sollte eine Neuberechnung auf der Basis der Nettoabschreibungen<br />
erfolgen.<br />
Für die Höhe der Bedarfszuweisungen werden für das Jahr 2013 ein Betrag von 40<br />
Mio. Euro, für 2014 von 50 Mio. Euro und ab 2015 Beträge von 60 Mio. Euro eingeplant.<br />
Eine solche Wiederanhebung der Bedarfszuweisungen auf 60 Mio. Euro bis<br />
zum Jahr 2015 erscheint insbesondere dann geboten, wenn das Land neben der<br />
Liquiditätssicherung auch den Abbau der Fehlbeträge in den Kommunen in einer<br />
systematischen Form vorantreiben will.<br />
97
Erfolgt der Abbau auf andere Weise (z.B. aus den Konsolidierungshilfen des Landes)<br />
und damit außerhalb des FAG, könnte das jährliche Volumen der Bedarfszuweisungen<br />
und damit auch der Finanzausgleichsmasse auch um 20 - 30 Mio. Euro niedriger<br />
ausfallen.<br />
Wenn sich durch die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs sicherstellen<br />
ließe, dass sich Mehreinnahmen aus einer Anhebung von Steuersätzen oder Vermögenserlösen<br />
im Ergebnis nicht mehr bedarfsmindernd auswirken, sollte das Land den<br />
größeren Anteil der Bedarfszuweisungen oder entsprechender Mittel außerhalb des<br />
FAG zukünftig auf der Basis von Konsolidierungsverträgen einsetzen. Das Land<br />
kann sich bei Einhaltung dieser Verträge durch die Kommunen im Gegenzug quotal<br />
am Abbau der Fehlbeträge aus Vorjahren beteiligen.<br />
Für die Investitionspauschale dürfte ab dem Jahr 2013 ein gleichbleibender Betrag<br />
von jährlich rd. 125 Mio. Euro erforderlich sein. Nur so lassen sich für steuerschwächere<br />
Kommunen die Mittel zur Kofinanzierung aufbringen, um an Investitionszuweisungen<br />
des Landes überhaupt noch partizipieren zu können.<br />
Als Gesamtsumme ergibt sich das angemessene FAG-Volumen, wobei der Begriff<br />
„angemessen“ auch die degressive Anpassungszuweisung mit einschließt. Das so<br />
kalkulierte „angemessene“ FAG-Volumen geht von 1.556 Mio. Euro in 2012 auf<br />
1.178 Mio. Euro im Jahr 2020 zurück. Im Jahr 2012 liegt das rechnerische Volumen<br />
des FAG somit um ca. 3 Mio. Euro und im Jahr 2013 um rd. 15 Mio. Euro niedriger<br />
als die tatsächliche Summe im FAG.<br />
Da in diesem Konzept allerdings Abrechnungen für Vorjahre nicht mehr vorgesehen<br />
sind, sollte die für 2013 bisher geplante Reduzierung des Volumens um 26,65 Mio.<br />
Euro entfallen, so dass es im Ergebnis zu einer Erhöhung der verfügbaren Mittel um<br />
knapp 12 Mio. Euro kommen würde.<br />
Für die Entwicklung der sonstigen Investitionszuweisungen des Landes (außerhalb<br />
des FAG) wird in der Modellrechnung eine gleichmäßige Reduktion bis auf einen<br />
Wert von 172 Mio. Euro im Jahr 2020 unterstellt. Zusammen mit der Investitionspauschale<br />
von 125 Mio. Euro ergäben sich somit Investitionszuweisungen des Landes<br />
von 297 Mio. Euro. Einschließlich der geschätzten Eigenmittel von gut 40 Mio. Euro<br />
und einer möglichen Kreditaufnahme von rd. 156 Mio. Euro (der die Tilgungs- bzw.<br />
Abschreibungszuweisungen vom Land und zusätzlich die Teilentschuldung aus dem<br />
Programm STARK II sowie die dadurch eingesparten Zinsen gegenüber stehen), ließe<br />
sich somit im Jahr 2020 ein angemessenes kommunales Sachinvestitionsvolumen<br />
von jährlich 480 Mio. Euro problemlos finanzieren.<br />
Während es in steuerstarken Ländern mit hohen Überschüssen in den Verwaltungshaushalten<br />
den Kommunen durchaus zugemutet werden kann, sich an der Investitionsfinanzierung<br />
der Krankenhäuser zu beteiligen, gibt dies in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> wenig<br />
Sinn. Finanzschwächere Kommunen – und das sind in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> fast alle -<br />
98
müssen nämlich zur Refinanzierung auf Mittel der Investitionspauschale zurückgreifen<br />
oder neue Kredite aufnehmen.<br />
Es erscheint deshalb geboten, zukünftig (nach einer entsprechenden Gesetzesänderung)<br />
auf die Krankenhausinvestitionsumlage von gut 9 Mio. Euro zu verzichten. Für<br />
den Haushalt 2013 des Landes ergäbe sich damit insgesamt (also einschließlich der<br />
Veränderungen im FAG) eine Mehrbelastung von rd. 21 Mio. Euro.<br />
Nach dieser Modellrechnung lägen die gesamten Nettozuweisungen des Landes an<br />
die Kommunen (ohne die Landesausgaben für die überörtliche Sozialhilfe) im Jahr<br />
2020 bei 2.037 Mio. Euro.<br />
Die lfd. Einnahmen pro Einwohner (einschließlich der eigenen tatsächlichen Steuereinnahmen)<br />
würden sich von 1.465 Euro im Jahr 2012 auf 1.659 Euro im Jahr 2020<br />
entwickeln. Die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate läge somit bei 1,57%, so<br />
dass die lfd. Einnahmen pro Einwohner bei preisbereinigter Betrachtung in etwa konstant<br />
bleiben würden.<br />
Die gesamten Einnahmen pro Einwohner aus Steuern und Zuweisungen (also auch<br />
einschließlich der investiven Zuweisungen) würden von 1.709 Euro im Jahr 2012 auf<br />
1.800 Euro im Jahr 2020 zunehmen.<br />
Um die Ergebnisse der vier Modellvarianten vergleichbar zu halten, entsprechen sich<br />
die Ergebnisse für das Jahr 2020 weitgehend, nicht aber die zwischenzeitlichen Anpassungspfade.<br />
Dies beruht darauf, dass für die Entwicklung der lfd. Bedarfe entsprechend<br />
der jeweiligen Vergleichsländer und der Abgrenzung (mit oder ohne den<br />
Einzelplan 4) unterschiedliche Zuwachsraten zu erwarten sind.<br />
Diese sind aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit so aufeinander abgestimmt<br />
worden, dass die Endergebnisse für die Finanzbedarfe des Jahres 2020 wieder<br />
übereinstimmen. Von daher soll auf eine zusätzliche explizite Erläuterung der Entwicklungspfade<br />
der drei anderen Varianten verzichtet werden. Sie ergeben sich aus<br />
den Tabellen 15 bis 17. Zusätzlich wird im Diagramm 1 grafisch dargestellt, wie sich<br />
die eigenen Einnahmen und die Zuweisungen vom Land pro Einwohner ab dem Jahr<br />
2012 entwickeln.<br />
Daraus ergibt sich, dass die gesamten Einnahmen aus eigenen Steuern und den<br />
Nettozuweisungen vom Land pro Einwohner im Zeitraum von 2012 bis 2020 kontinuierlich<br />
von 1.709 auf 1.800 Euro um jahresdurchschnittlich 0,65% ansteigen. Da die<br />
Einwohnerzahl in diesem Zeitraum im Durchschnitt jedoch jährlich um 1,11% zurückgeht,<br />
sinkt die absolute Summe von 3.927 Mio. Euro auf 3.783 Mio. Euro bzw. jahresdurchschnittlich<br />
um 0,47%.<br />
Die Realität wird sich ganz sicher nicht genauso entwickeln wie in den Modellrechnungen<br />
unterstellt. Deshalb ist es umso wichtiger, ein genaues Regelwerk zur jährlichen<br />
Fortschreibung des Finanzausgleichvolumens aufzustellen.<br />
99
Die Fortschreibung der Einwohner, der Steuerkraft, der lfd. Nettozuweisungen außerhalb<br />
des FAG und der Tilgungszuweisungen ist aufgrund der jeweiligen (amtlichen)<br />
Schätzungen oder tatsächlichen Daten relativ problemlos möglich und für die<br />
Bedarfszuweisungen, die Investitionspauschale und die sonstigen Investitionszuweisungen<br />
kann sich das Land selbst binden und damit entsprechende Planungssicherheit<br />
ermöglichen.<br />
Sehr viel schwieriger ist dagegen der Umgang mit den tatsächlichen Entwicklungen<br />
der Zuschussbedarfe IV in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und in den ausgewählten Vergleichsländern.<br />
Im Modell lässt sich relativ leicht eine erwartete Zuwachsrate in den Vergleichsländern<br />
von z.B. 3,0% für die Jahre 2012, 2013 und 2014 unterstellen. Erst im Frühjahr<br />
2013 wird erkennbar sein, ob die Annahmen für den gesamten lfd. Zuschussbedarf<br />
IV für das Jahr 2012 richtig waren und erst (spät) im Jahre 2014 wird aus den<br />
Jahresrechnungen erkennbar sein, wie sich die Zuschussbedarfe IV des Jahres 2012<br />
in den einzelnen Gliederungen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und den Vergleichsländern entwickelt<br />
haben.<br />
Die Erkenntnisse des Jahres 2012 können deshalb in globaler Form erst bei der<br />
Nachsteuerung des Finanzausgleichsvolumens im Jahr 2014, in struktureller Form<br />
dagegen frühestens für das Jahr 2015 verwendet werden.<br />
Es muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die vollständige Jahresrechnungen<br />
des Jahres 2012 für die Vergleichsländer (auch aufgrund zunehmender statistischer<br />
Probleme durch die Einführung der Doppik) erst so spät im Jahr 2014 vorliegen,<br />
dass sie zur Haushaltsaufstellung für das Jahr 2015 zu spät kommen und<br />
somit sogar erst 2016 in das Berechnungsverfahren einbezogen werden kann. So ist<br />
z.B. die bundesweite Jahresrechnung 2009 erst Ende August 2011 veröffentlicht<br />
worden und kann deshalb erst bei der Bestimmung des Finanzausgleichsvolumens<br />
für das Jahr 2013 berücksichtigt werden.<br />
Konkret heißt dies, dass im Aufstellungsverfahren für das FAG 2013 im Land <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
die Jahresrechnungen 2009 und 2010 sowie die Kassenstatistik 2011 zur<br />
Verfügung stehen, für die Vergleichsländer aber nur die Jahresrechnung 2009 sowie<br />
die Kassenstatistiken 2010 und von 2011. Die Varianten 1 und 3 könnten sicherlich<br />
recht zuverlässig auch auf der Basis von Kassenstatistiken, also der Jahre 2009 bis<br />
2011 gerechnet werden, für die Varianten 2 und 4 (also unter Ausschluss des Einzelplans<br />
4) wären jedoch wohl nur die Jahresrechnungen des Jahres 2009 (evtl.<br />
auch noch von 2008) verwendbar.<br />
Ob sich daraus größere praktische Probleme ergeben, hängt auch sehr stark davon<br />
ab, ob es bei dem einmal festgelegten Pfad der Anpassungszuweisungen bleiben<br />
soll oder ob diese Pfade jährlich neu bestimmt werden.<br />
Würde es bei dem einmal festgelegten Pfad der Anpassungszuweisungen bis zum<br />
Jahr 2020 bleiben, hätte dies allerdings zur Konsequenz, dass die weitere Entwicklung<br />
der tatsächlichen Zuschussbedarfe der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> keinen<br />
100
Einfluss mehr auf die Höhe der Finanzausgleichsleistungen hätte. Dies dürfte schon<br />
aus rein verfassungsrechtlichen Gründen problematisch sein, denn eine Ermittlung<br />
des Bedarfs ohne zeitnahe konkrete Einbeziehung und Berücksichtigung der tatsächlichen<br />
Entwicklungen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> wäre kaum vertretbar.<br />
Von daher empfiehlt sich eher ein Verfahren, bei dem der Pfad der Anpassungszuweisungen<br />
in jedem Jahr nachgesteuert wird. Verfahrensmäßig müssten dafür immer<br />
die drei letzten sowohl in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> als auch in den Vergleichsländern statistisch<br />
erfassten Jahre herangezogen und jeweils der Anpassungspfad (neu) ermittelt<br />
werden, der bis zum Jahr 2020 die Schließung der verbliebenen Lücken sicherstellt.<br />
Wie ein solches rollierendes Verfahren aussehen kann, wird modellmäßig in der Tabelle<br />
18 dargestellt. Anhand der Ausgangsdaten der Variante 2 (Vergleich mit Niedersachsen,<br />
Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ohne den Einzelplan 4) wird<br />
aufgezeigt, wie die jeweilige Nachsteuerung der Anpassungspfade erfolgen könnte.<br />
Zur Vereinfachung wird hier auf die Einbeziehung der vorläufigen Kassenstatistik<br />
2011 und die Niveauanhebung um 83,4 Mio. Euro wegen der zusätzlichen Aufgaben<br />
im Bereich des SGB II und der Ausbildungsverkehre verzichtet.<br />
Für das FAG 2013 werden die Daten der Jahresrechnungen 2008 – 2010 für die Zuschussbedarfe<br />
IV in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und die Jahresrechnungen 2008 und 2009 sowie<br />
die Kassenstatistik des Jahres 2010 der Vergleichsländer verwendet. Der für das<br />
Ausgangsjahr 2009 berechnete Anpassungswert (ohne den Anpassungswert für die<br />
Differenz aus Steuerkraft und Steuereinnahmen) beträgt 378,6 Mio. Euro. Der Anpassungspfad<br />
bis 2020 ergibt sich durch einen gleichmäßigen Abbau in 11 Schritten.<br />
Für das Jahr 2013 führt dies zu einer Anpassungszuweisung von 241,0 Mio. Euro.<br />
Die Fortschreibung des Bedarfs der Vergleichsländer unter Berücksichtigung der<br />
Einwohnerentwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und der jeweilige Abgleich mit der tatsächlichen<br />
Entwicklung des Zuschussbedarfs IV in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> führt dann in den<br />
Folgejahren jeweils zu entsprechenden Nachsteuerungen.<br />
Während für 2014 zunächst eine Fortschreibung des angemessenes lfd. Bedarfs von<br />
3.071 Mio. Euro berechnet wurde, ergibt sich auf der um ein Jahr fortgeschriebenen<br />
Datenbasis ein Wert von 3.103 Mio. Euro.<br />
Für 2015 wurde zunächst ein Wert von 3.095 Mio. Euro, ein Jahr später einer von<br />
3.125 Mio. Euro und zwei Jahre später einer von 3.132 Mio. Euro berechnet. Der<br />
Grund für die Steigerungen liegt in der Entwicklung des Zuschussbedarfs in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
im Jahr 2011.<br />
Die Ursachen für die notwendigen Nachsteuerungen dürften im Regelfall nicht auf<br />
individuelle Verwerfungen bei einzelnen Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zurückzuführen<br />
sein, sondern auf spezifische Entwicklungen, die für das ganze Land gelten. Es<br />
wäre deshalb (auch im verfassungsrechtlichen Sinne) unangemessen, solche Entwicklungen<br />
unberücksichtigt zu lassen. Von daher erscheinen entsprechende Nachsteuerungen<br />
in regelmäßigen Abständen unvermeidlich.<br />
101
Tabelle 18:<br />
Modellrechnung zur dynamischen Nachsteuerung der Anpassungszuweisungen und der angemessenen lfd. Bedarfe<br />
Statistiken der Jahre 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
- in Mio. Euro -<br />
Zuschussbedarf IV in ST (ohne Korrektur von 4) 2.912.416 3.022.803 2.975.990 3.087.525 3.050.000 3.050.000 3.050.000 3.080.500 3.111.305 3.142.418 3.261.023 3.243.512 3.136.025<br />
Zuschussbedarf auf Basis der Vergleichsländer und der<br />
Einwohnerentwicklung in ST (ohne Korrektur von 4)<br />
2.508.524 2.591.767 2.663.421 2.719.544 2.773.242 2.828.756 2.885.737 2.928.990 2.971.751 3.013.922 3.055.519 3.096.489 3.136.025<br />
Differenz 403.892 388.475 343.543 367.982 276.758 221.244 164.263 151.510 139.554 128.496 205.504 147.023 0<br />
FAG 2013<br />
FAG 2014<br />
FAG 2015<br />
FAG 2016<br />
FAG 2017<br />
FAG 2018<br />
FAG 2019<br />
FAG 2020<br />
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.587.904 2.640.956 2.695.095 2.750.345 2.806.727 2.864.265 2.922.982 2.982.903 3.044.053 3.106.456 3.170.138 3.235.126<br />
Anpassungszuweisungen 378.636 344.215 309.793 275.372 240.950 206.529 172.107 137.686 103.264 68.843 34.421 0<br />
angemessener lfd. Bedarf 2.966.540 2.985.171 3.004.889 3.025.717 3.047.677 3.070.794 3.095.090 3.120.589 3.147.317 3.175.299 3.204.560 3.235.126<br />
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.658.244 2.712.738 2.768.349 2.825.100 2.883.014 2.942.116 3.002.430 3.063.979 3.126.791 3.190.890 3.256.303<br />
Anpassungszuweisungen 366.666 330.000 293.333 256.666 220.000 183.333 146.667 110.000 73.333 36.667 0<br />
angemessener lfd. Bedarf 3.024.910 3.042.737 3.061.682 3.081.766 3.103.014 3.125.449 3.149.096 3.173.979 3.200.124 3.227.557 3.256.303<br />
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.718.735 2.774.470 2.831.346 2.889.389 2.948.621 3.009.068 3.070.754 3.133.704 3.197.945 3.263.503<br />
Anpassungszuweisungen 329.427 292.824 256.221 219.618 183.015 146.412 109.809 73.206 36.603 0<br />
angemessener lfd. Bedarf 3.048.163 3.067.294 3.087.567 3.109.007 3.131.636 3.155.480 3.180.563 3.206.910 3.234.548 3.263.503<br />
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.773.847 2.830.711 2.888.741 2.947.960 3.008.393 3.070.065 3.133.001 3.197.228 3.262.771<br />
Anpassungszuweisungen 288.661 252.579 216.496 180.413 144.331 108.248 72.165 36.083 0<br />
angemessener lfd. Bedarf 3.062.508 3.083.290 3.105.237 3.128.373 3.152.724 3.178.313 3.205.167 3.233.311 3.262.771<br />
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.829.245 2.887.244 2.946.433 3.006.835 3.068.475 3.131.379 3.195.572 3.261.081<br />
Anpassungszuweisungen 220.755 189.219 157.682 126.146 94.609 63.073 31.536 0<br />
angemessener lfd. Bedarf 3.050.000 3.076.463 3.104.115 3.132.981 3.163.084 3.194.452 3.227.108 3.261.081<br />
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.881.161 2.940.224 3.000.499 3.062.009 3.124.781 3.188.839 3.254.210<br />
Anpassungszuweisungen 179.006 149.172 119.337 89.503 59.669 29.834 0<br />
angemessener lfd. Bedarf 3.060.167 3.089.396 3.119.836 3.151.512 3.184.449 3.218.673 3.254.210<br />
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.928.826 2.988.867 3.050.139 3.112.666 3.176.476 3.241.594<br />
Anpassungszuweisungen 151.776 121.421 91.066 60.710 30.355 0<br />
angemessener lfd. Bedarf 3.080.602 3.110.287 3.141.204 3.173.377 3.206.831 3.241.594<br />
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.971.554 3.032.471 3.094.637 3.158.077 3.222.818<br />
Anpassungszuweisungen 139.853 104.890 69.927 34.963 0<br />
angemessener lfd. Bedarf 3.111.408 3.137.361 3.164.564 3.193.040 3.222.818<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen<br />
102
Sie sollten im Anpassungsmodell dann erfolgen, wenn sowieso im Rahmen neuer<br />
Landeshaushalte auch die endgültigen Volumina im FAG festgelegt werden oder<br />
dann, wenn die kommunale Finanzstatistik zunehmende lfd. Überschüsse oder Defizite<br />
ausweist. Falls Doppelhaushalte verabschiedet werden, wäre eine Nachsteuerung<br />
für das zweite Haushaltsjahr im Regelfall verzichtbar.<br />
Wenn sich das Land für dieses oder ein analoges Vorgehen bei der Bestimmung und<br />
Fortschreibung des kommunalen Finanzausgleichs entscheidet, gewinnen die Kommunen<br />
ein sehr hohes Maß an Planungssicherheit. Dies gilt sowohl bei kurzfristiger,<br />
als auch bei langfristiger Betrachtung.<br />
Kurzfristig ist die Planungssicherheit vor allem deshalb sehr groß, weil die konjunkturellen<br />
Schwankungen der kommunalen Steuereinnahmen (soweit sie sich bereits in<br />
der Steuerschätzung niederschlagen) vollständig durch entsprechende gegenläufige<br />
Entwicklungen der Finanzausgleichsmasse kompensiert werden. Insofern lassen<br />
sich die von Finanzminister Bullerjahn unter dem Arbeitstitel STARK IV erwogenen<br />
Verstetigungsmaßnahmen für die kommunalen Finanzen mit diesem Ansatz in umfassender<br />
Weise umsetzen.<br />
Ein solches Ausmaß an Verstetigung ließe sich rein theoretisch noch weiter steigern,<br />
wenn unzutreffende Steuerschätzungen zu einer nachträglichen Korrektur der Finanzausgleichsmasse<br />
führen würden. Für eine solche Abrechnung gibt es gute Argumente,<br />
aber auch genauso gewichtige Gegenargumente. Zu den Gegenargumenten<br />
gehört z.B. die vom Land übernommene Verpflichtung zur Rückführung ihres eigenen<br />
strukturellen Defizits in zehn gleichen Schritten.<br />
Eine Negativabrechnung zur Unzeit könnte die jährliche Konsolidierungshilfe von 80<br />
Mio. Euro, die das Land zur Teilentschuldung der Kommunen im Rahmen von<br />
STARK II einsetzt, in Gefahr bringen. Daran könnten auch die Kommunen kein Interesse<br />
haben. Um den Landeshaushalt nicht zusätzlichen Risiken auszusetzen, erscheint<br />
es sinnvoll, das neue Verfahren erst einmal zu installieren und sich zwar vorzunehmen,<br />
bei größeren Prognosefehlern eine entsprechende Korrektur zu prüfen,<br />
aber diese nicht von vornherein gesetzlich zu normieren.<br />
Der Gewinn an langfristiger Planungssicherheit liegt auf der Hand. Schon alleine aus<br />
diesem Grund lohnt es sich, ein solches Verfahren zur Bestimmung des Finanzausgleichsvolumens<br />
einzuführen und damit zugleich auch die verfassungsrechtlichen<br />
Vorgaben zur Sicherstellung einer angemessenen Finanzierung für die Gesamtheit<br />
der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> einer vernünftigen und dauerhaft tragfähigen Lösung<br />
zuzuführen.<br />
103
5.5. Ein vereinfachtes und gut planbares Alternativmodell mit<br />
einer real konstanten Fortschreibung der Finanzbedarfe<br />
Der Hauptvorteil des im Unterkapitel 5.4. entwickelten dynamischen Anpassungsmodells<br />
zur Bestimmung der angemessenen Finanzausgleichsmasse liegt darin, dass<br />
die Lücken zu den Vergleichsländern bis zum Jahr 2020 in gleichmäßigen Schritten<br />
geschlossen werden.<br />
Die dabei entstehenden Probleme liegen jedoch auf der Hand. Da für die Vergleichsländer<br />
keine zeitnahen Daten vorliegen, muss immer ein Zeitraum von drei bis vier<br />
Jahren durch eine Schätzung der Entwicklung der Zuschussbedarfe in den Vergleichsländern<br />
überbrückt werden.<br />
Es dürfte auch verfassungsrechtlich nicht ganz ohne Bedenken möglich sein, die angemessenen<br />
Bedarfe der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> fast ausschließlich durch<br />
eine weitgehende Übertragung der Entwicklung in den jeweiligen Vergleichsländern<br />
zu bestimmen.<br />
Schließlich muss auch konstatiert werden, dass dieses Verfahren zwar bereits wesentlich<br />
einfacher als die bisherige Rechnungsmethodik ist, aber immer noch einen<br />
recht hohen Grad an Komplexität aufweist.<br />
Es stellt sich deshalb die Frage, ob es keine einfacher strukturierten Lösungen gibt,<br />
die ebenfalls bis zum Jahr 2020 die Lücken zu den Vergleichsländern schließen und<br />
dennoch die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> absichern.<br />
Da nicht davon auszugehen ist, dass die realen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten<br />
in Deutschland bis zum Jahr 2020 im Trend unter einen Wert von 1% – 1,5%<br />
absinken, liegt eine realistische Alternative darin, die Fortschreibung der jeweiligen<br />
angemessenen Finanzbedarfe nicht an der ja auch nur geschätzten Entwicklung in<br />
den Vergleichsländern zu orientieren, sondern an der jeweiligen Preissteigerungsrate<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>.<br />
Der Verzicht auf reale Zuwächse (bei gegebenen Leistungsumfängen pro Einwohner)<br />
dürfte nämlich ebenfalls im Zeitraum bis zum Jahr 2020 zu einer Schließung der<br />
Lücken zu den Vergleichsländern führen.<br />
Um einen solchen Pfad abzusichern, würde das unmittelbare Vergleichsverfahren mit<br />
der Entwicklung der anderen Länder zu einem ergänzenden Controlling-Instrument.<br />
So könnte z.B. in einem zweijährigen Turnus überprüft werden, ob sich die Lücken<br />
zu den Vergleichsländern in dem Umfang verringern, dass sie (spätestens) bis zum<br />
Jahr 2020 geschlossen sind.<br />
Ein solches Verfahren würde sich im Grundansatz an der bisherigen Vorgehensweise<br />
orientieren. Der ausschließliche Blick auf die Vergangenheit würde allerdings<br />
durch eine Beachtung der Gegenwart und der Kenntnisse und Erwartungen über die<br />
104
Zukunft ergänzt. In der Tabelle 19 wird wiederum in Form einer Modellrechnung dargestellt,<br />
wie das Verfahren ablaufen könnte.<br />
Im ersten Schritt wird die voraussichtliche Einwohnerentwicklung bis zum Jahr 2020<br />
dargestellt. Sie entspricht in den jährlichen Zuwächsen den Schätzwerten aus der 5.<br />
Bevölkerungsprognose, wobei der Niveaueffekt der tatsächlichen Entwicklung bis<br />
zum Jahr 2011 berücksichtigt ist. Im ersten Schritt wird die voraussichtliche Einwohnerentwicklung<br />
bis zum Jahr 2020 dargestellt. Sie entspricht in den jährlichen Zuwächsen<br />
den Schätzwerten aus der 5. Bevölkerungsprognose, wobei der Niveaueffekt<br />
der tatsächlichen Entwicklung bis zum Jahr 2011 berücksichtigt ist.<br />
Im nächsten Schritt werden Verbraucherpreisindices für die jeweiligen Finanzausgleichsjahre<br />
geschätzt. Dies geschieht in der Form, dass für den relevanten Dreijahresdurchschnitt<br />
(zunächst noch 2008 – 2010) der durchschnittliche Index gebildet<br />
wird. Er beträgt 107,0. Danach wird die durchschnittliche Verbraucherpreisentwicklung<br />
bis zum neuesten bekannten Jahresdurchschnittsindex (hier 2011 mit einem<br />
Wert von 110,2) berechnet. Die durchschnittliche Zuwachsrate liegt bei 1,5%.<br />
Mit der so berechneten Zuwachsrate wird der Index des Jahres 2011 für die Folgejahre<br />
fortgeschrieben. Für 2012 ergibt sich somit ein Index von 111,9 und für 2014<br />
einer von 113,5. Die Fortschreibung des Durchschnitts der Zuschussbedarfe der Jahre<br />
2008 – 2010 erfolgt dann im Verhältnis des für 2012 geschätzten Index zu dem<br />
Durchschnittsindex der drei Jahre.<br />
Im dritten Schritt werden die jährlichen Zuschussbedarfe IV der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
aus den vorliegenden Rechnungs- bzw. Kassenstatistiken berechnet. Basis<br />
dieser Modellrechnung sind die vorliegenden Rechnungen der Jahre 2008 bis<br />
2010 und die vorläufige Kassenstatistik des Jahres 2011<br />
Ab dem Jahr 2012 wird dann in der Modellrechnung eine jährliche Zunahme des Zuschussbedarfs<br />
pro Einwohner entsprechend dem Preisindex unterstellt. Bei eine geschätzten<br />
jährlichen Preissteigerung um rd. 1,5% und einem Rückgang der Bevölkerung<br />
um durchschnittlich 1,1% ergibt sich ab dem Jahr 2012 eine jährliche Zunahme<br />
um rd. 0,4%.<br />
Im folgenden Schritt werden die Steuereinnahmen der Jahre 2008 bis 2011 erfasst<br />
und die Steuerschätzung bis zum Jahr 2016 vom November 2011 berücksichtigt. Für<br />
die sonstigen Steuern wird dabei ein jährlicher Zuwachs um 3% unterstellt. Die geschätzten<br />
Steuereinnahmen des Jahres 2016 werden in den Folgejahren 2017 –<br />
2020 mit jeweils 2,6% fortgeschrieben.<br />
Um die tatsächliche Hebesatzentwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zu neutralisieren, wird<br />
im nächsten Schritt die Steuerkraft berechnet.<br />
Um Fehlanreize zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Prognose der Steuerkraft von<br />
den konkreten Hebesätzen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> abzukoppeln und auf die letzte verfügbare<br />
regionalisierte Steuerschätzung zurück zu greifen.<br />
105
Tabelle 19:<br />
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die Kommunen im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter<br />
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020<br />
Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Einwohner 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 2.298.231 2.274.482 2.251.256 2.227.822 2.203.787 2.179.133 2.153.928 2.128.189 2.101.429<br />
Preisindex (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>) 106,4 106,6 107,9 110,2 111,9 113,5 115,2 117,0 118,7 120,5 122,3 124,1 126,0<br />
- in 1000 Euro -<br />
Zuschussbedarf IV 2.915.752 3.027.790 2.986.547 3.087.525 3.102.136 3.117.594 3.133.448 3.148.703 3.162.788 3.175.647 3.187.335 3.197.827 3.206.351<br />
Steuern 1.283.352 1.129.727 1.164.086 1.279.467 1.322.823 1.372.958 1.430.095 1.486.018 1.542.306 1.582.406 1.623.549 1.665.761 1.709.071<br />
Steuerkraft 1.305.845 1.149.527 1.184.489 1.301.892 1.322.823 1.373.836 1.431.975 1.488.879 1.546.153 1.586.956 1.628.820 1.671.772 1.715.841<br />
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 474.216 493.247 531.688 632.310 586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508<br />
Summe des angemessenen Zuschussbedarfs IV (+<br />
ant. 2. Funktionalreformgesetz + anteilig 51,6<br />
Mio. Euro aus SGB II + anteilig 31,8 Mio. Euro aus<br />
3.104.922 3.143.987 3.134.990 3.144.127 3.158.344 3.171.280 3.182.990 3.193.470 3.201.946<br />
Ausbildungsverkehr)<br />
Summe angemessenes lfd. FAG 1.195.637 1.165.382 1.075.174 1.017.990 965.373 927.805 887.803 845.335 799.597<br />
Tilgungszuweisung 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562<br />
Investitionspauschale 128.041 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000<br />
Bedarfszuweisungen 20.000 40.000 50.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000<br />
FAG-Volumen (ohne Umlage) 1.532.239 1.518.943 1.438.736 1.391.552 1.338.935 1.301.366 1.261.364 1.218.896 1.173.158<br />
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508<br />
investive Zuweisungen außerhalb des FAG 433.000 354.000 328.000 302.000 276.000 250.000 224.000 198.000 172.000<br />
gesamte lfd. Nettozuweisungen durch das Land 1.990.661 1.998.712 1.941.576 1.903.810 1.860.752 1.832.886 1.802.731 1.770.259 1.734.666<br />
gesamte investive Nettozuweisungen durch das<br />
Land der Kommunen<br />
561.041 479.000 453.000 427.000 401.000 375.000 349.000 323.000 297.000<br />
Gesamte Nettozuweisungen durch das Land 2.551.702 2.477.712 2.394.576 2.330.810 2.261.752 2.207.886 2.151.731 2.093.259 2.031.666<br />
Gesamte lfd. Nettoeinnahmen der Kommunen 3.313.484 3.371.670 3.371.671 3.389.829 3.403.058 3.415.292 3.426.280 3.436.020 3.443.737<br />
Gesamte Nettoeinnahmen der Kommunen 3.874.525 3.850.670 3.824.671 3.816.829 3.804.058 3.790.292 3.775.280 3.759.020 3.740.737<br />
Quellen: Statistisches Landesamt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> (Grunddaten zur Berechnung der Zuschussbedarfe, 5. Bevölkerungsprognose, Verbraucherpreisindices);<br />
BMF (Steuerschätzung vom November 2011); Statistisches Bundesamt (Realsteuervergleich) und eigene Berechnungen<br />
106
Diagramm 2:<br />
1.800<br />
1.500<br />
1.200<br />
Euro/E<br />
900<br />
Projektion der Entwicklung der eigenen Steuerkraft und der<br />
Nettozuweisungen vom Land in den Jahren 2012 bis 2020 im vereinfachten<br />
Alternativmodell mit jeweils real konstant fortgeschriebenen Finanzbedarfen<br />
gesamte Einnahmen aus<br />
Nettozuweisungen des<br />
Landes und eigenen Steuern<br />
lfd. Einnahmen aus<br />
Nettozuweisungen des<br />
Landes und eigenen Steuern<br />
gesamte Nettozuweisungen<br />
des Landes (FAG lfd., FAG<br />
investiv, sonstige außerhalb<br />
des FAG)<br />
Steuerkraft<br />
600<br />
300<br />
2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Jahr<br />
107
Im Ländervergleich weisen die Hebesätze in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, aber auch die Verteilung<br />
der Realsteuerkraft einige Besonderheiten auf. Die Realsteuerkraft des Landes<br />
insgesamt und des kreisangehörigen Raums liegt deutlich höher als in den östlichen<br />
Vergleichsländern (auch als in <strong>Sachsen</strong>), aber die drei kreisfreien Städte fallen weit<br />
ab und ihre Steuerkraft liegt sogar noch um rd. 17,5% niedriger als im kreisangehörigen<br />
Raum.<br />
Die Hebesätze der kreisfreien Städte in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> liegen dagegen deutlich höher<br />
als in den westlichen Vergleichsländern und fast auf dem Niveau der östlichen<br />
Vergleichsländer. Dagegen weisen die kreisangehörigen Gemeinden sowohl im Vergleich<br />
zu den westlichen, als auch zu den östlichen Ländern ein recht niedriges Hebesatzniveau<br />
auf. Dies gilt natürlich auch im zusammengefassten Vergleich mit allen<br />
sechs Ländern. Hätten die kreisfreien Städte in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> deren durchschnittliches<br />
gewichtetes Hebesatzniveau, lägen ihre Steuereinnahmen (im Jahr 2010) um<br />
8,5 Mio. Euro niedriger, die der kreisangehörigen Gemeinden dagegen um 28,8 Mio.<br />
Euro höher.<br />
Dementsprechend muss das Land im bisherigen Berechnungsverfahren im Ergebnis<br />
die Finanzausgleichsmasse um 20,3 Mio. Euro höher ausstatten als wenn die Gemeinden<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> die Hebesätze der sechs Vergleichsländer verwenden<br />
würden. Im föderalen Finanzausgleich muss sich das Land sogar fast 81 Mio. Euro<br />
mehr anrechnen lassen als die Gemeinden tatsächlich eingenommen hatten und verliert<br />
dadurch im föderalen Finanzausgleich rd. 48,6 Mio. Euro.<br />
Tabelle 20:<br />
Veränderung des Realsteueraufkommens in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2010 bei Übernahme<br />
der Hebesätze von Vergleichsländern<br />
Land<br />
Hebesätze<br />
Mehr/Weniger an<br />
Realsteueraufkommen in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> bei Anwendung<br />
der entsprechenden Hebesätze<br />
nachrichtlich:<br />
Realsteuerkraft bei<br />
Hebesätzen wie im<br />
Durchschnitt der<br />
Flächenländer<br />
GrSt A GrSt B GewSt GrSt A GrSt B GewSt Summe pro Einw. Diff. zu ST<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 294 380 350 0 0 0 0 359 0<br />
KF 252 449 449 0 0 0 0 309 0<br />
KR 295 358 325 0 0 0 0 375 0<br />
NI/RP/SH 324 366 372 2.225 -7.313 35.481 30.392 524 165<br />
KF mit Hannover 359 435 414 155 -1.807 -10.805 -12.457 663 355<br />
KR ohne Hannover 321 339 350 1.956 -7.917 31.561 25.599 476 102<br />
MV/SN/TH 267 405 383 -2.009 13.403 53.361 64.756 340 -20<br />
KF 294 494 437 61 5.796 -3.778 2.079 382 73<br />
KR 266 366 355 -2.098 3.096 37.862 38.860 322 -53<br />
MV/NI/RP/SN/SH/TH 306 377 375 935 -1.872 40.118 39.180 459 100<br />
KF mit Hannover 347 451 420 137 285 -8.968 -8.547 555 247<br />
KR ohne Hannover 304 346 351 696 -5.081 33.188 28.803 424 49<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen<br />
108
Anders als im Anpassungsmodell, in dem ein Ausgleich des Hebesatzgefälles zu den<br />
Vergleichsländern zusammen mit dem Abbau der Lücken in 11 Schritten erfolgt, erscheint<br />
es in diesem Modell sinnvoll, zum frühesten möglichen Zeitpunkt, d.h. schon<br />
im Finanzausgleich 2013, den Abzug der Steuereinnahmen durch den Abzug der<br />
Steuerkraft zu ersetzen.<br />
Als fiktive Hebesätze bieten sich dabei diejenigen an, die von den sechs Vergleichsländern,<br />
differenziert nach kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städten,<br />
erhoben werden.<br />
Bezogen auf die Verhältnisse des Jahres 2010 müssen die Steuereinnahmen (ohne<br />
sonstige Steuern) der Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit dem Faktor 1,018 multipliziert<br />
werden, um auf die Steuereinnahmen zu kommen, die bei Hebesätzen wie in<br />
den Vergleichsländern entstehen würden. Für den Teilbereich der kreisfreien Städte<br />
beträgt dieser Faktor 0,972 und für die kreisangehörigen Gemeinden 1,034.<br />
In der Modellrechnung werden die regionalisierten Steuerschätzungen für die Gemeinden<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> der Jahre 2012 bis 2016 deshalb mit dem Faktor 1,018<br />
multipliziert. Der so berechnete Wert des Jahres 2016 wird für die Jahre 2017 bis<br />
2020 mit jährlich 2,6% Zuwachs fortgeschrieben. Für die sonstigen Gemeindesteuern<br />
wird für den gesamten Zeitraum eine jährliche Steigerung um 3% unterstellt.<br />
Dieses Verfahren führt dazu, dass zukünftige Veränderungen des Hebesatzniveaus<br />
der Gemeinden in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> keine Auswirkungen mehr auf die Höhe der Finanzausgleichsmasse<br />
hätten, so dass entsprechende Fehlanreize vermieden werden<br />
könnten.<br />
Der Übergang von den Steuereinnahmen zur Steuerkraft (mit den Hebesätzen des<br />
Jahres 2010 von MV/NI/RP/SN/SH/TH) wird im Jahr 2012 durch die feste Ausgleichszahlung<br />
von 23,19 Mio. Euro (die bei der Steuerkraft bereits abgesetzt ist)<br />
noch voll kompensiert. Es käme deshalb im Jahre 2012 noch zu keinen Auswirkungen<br />
auf die Höhe der angemessenen Finanzausgleichsmasse.<br />
Erst in den Folgejahren entwickeln sich (bei einem unveränderten Hebesatzgefälle)<br />
wachsenden Unterschiede zwischen den Steuereinnahmen und der Steuerkraft. Es<br />
muss allerdings jährlich die Steuerkraft neu berechnet werden, so dass sich der Abstand<br />
sowohl vergrößern, als auch verkleinern könnte.<br />
Die Nettozuweisungen vom Land außerhalb des FAG der Jahre 2008 – 2011 sind<br />
der kommunalen Finanzstatistik entnommen. Die Fortschreibung für die Jahre ab<br />
dem Jahr 2012 entspricht der in der Anpassungsvariante (Tabellen 14 – 17).<br />
Als nächster Schritt werden die jeweiligen Dreijahresdurchschnitte der Zuschussbedarfe<br />
berechnet und mit dem Preisindex und der Einwohnerentwicklung fortgeschrieben.<br />
Zusätzlich werden hier die auf den Zuschussbedarf wirkenden Veränderungen berücksichtigt,<br />
die sich gegenüber den Jahren 2008 – 2010 aufgrund von gesetzlichen<br />
109
Veränderungen ergeben haben. Hier geht es vor allem um Mehr- oder Minderbedarfe<br />
im Rahmen der Konnexität.<br />
Entfaltet ein Gesetz erst nach dem Dreijahreszeitraum seine Wirkungen, ist es vollständig<br />
zu berücksichtigen. Sofern es bereits während oder vor dem Dreijahreszeitraum<br />
in Kraft war, braucht es nur anteilig oder gar nicht mehr einbezogen werden.<br />
Das Erste Funktionalreformgesetz aus dem Jahr 2004 braucht deshalb nicht mehr<br />
und das Zweite Funktionalreformgesetz aus dem Jahr 2009 nur noch anteilig berücksichtigt<br />
zu werden, weil die dadurch verursachten Mehrbelastungen seit dem Jahr<br />
2010 im Zuschussbedarf der Kommunen enthalten sind. Dementsprechend würde<br />
diese Konnexitätsverpflichtung im Jahr 2012 noch zu 2/3 und im Jahr 2013 zu 1/3 zu<br />
berücksichtigen sein. Sobald die Kassenstatistik 2012 in den Dreijahreszeitraum einbezogen<br />
wird, entfällt dieser Zurechnungsposten. Hier wird deshalb unterstellt, dass<br />
in 2013 noch 1,74 Mio. Euro zuzurechnen sind. Im Jahr 2012 hätte dementsprechend<br />
eine Zurechnung von 3,48 Mio. Euro ausgereicht.<br />
Da die neu entstandenen Mehrbelastungen aus dem SGB II erstmals in der Kassenstatistik<br />
2011 erfasst wurden, müssen sie in der Bedarfsberechnung 2012 noch zu<br />
100%, im Jahr 2013 zu 2/3 und im Jahr 2014 noch zu 1/3 berücksichtigt werden. Die<br />
kommunale Quote an den KdU wurde im Jahr 2011 auf 35,8% erhöht. Auf die eigentlichen<br />
Unterkunftskosten in der bis einschließlich 2010 geltenden Abgrenzung entfallen<br />
davon 26,4%. Den restlichen Anteilen von 9,4% stehen zusätzliche Aufgaben<br />
bzw. Ausgaben gegenüber. Die Berechnung der Mehrbelastung lautet deshalb:<br />
9,4/35,8 * 196,4 Mio. Euro = 51,6 Mio. Euro.<br />
Für die Belastung der Kommunen im Umfang von 31,8 Mio. Euro mit den Ausbildungsverkehren<br />
wird analog verfahren.<br />
Der so korrigierte Zuschussbedarf ist dann als angemessener Gesamtfinanzbedarf<br />
der Kommunen zu interpretieren. Um vom Gesamtbedarf zur angemessenen lfd. Finanzausgleichsmasse<br />
zu kommen, sind die sonstigen lfd. Nettozuweisungen vom<br />
Land und die eigene Steuerkraft vom Gesamtbedarf abzusetzen.<br />
Die Höhe der Nettotilgungen, der Bedarfszuweisungen und der Investitionspauschale<br />
in der Modellrechnung entspricht den Werten aus dem Anpassungsmodell an die<br />
Vergleichsländer.<br />
Unter der Voraussetzung, dass die nächste Steuerschätzung im Mai 2012 die<br />
Schätzwerte vom November 2011 bestätigt, ergäbe sich auf diese Weise für das<br />
Jahr 2013 eine Finanzausgleichsmasse von insgesamt 1.518,9 Mio. Euro.<br />
Im Haushalt 2013 etatisiert ist eine Masse von 1.539,5 Mio. Euro, von der allerdings<br />
26,65 Mio. Euro verrechnet werden sollen, so dass netto als Finanzausgleichsmasse<br />
knapp 1.512,8 Mio. Euro zur Verfügung stehen würde. Von diesem Betrag wäre noch<br />
die abzuführende Krankenhausinvestitionsumlage von 9,15 Mio. Euro abzuziehen.<br />
Verfügbar wären also nach den bisherigen Planungen rd. 1.503,7 Mio. Euro. Bei<br />
110
Umsetzung dieses Vorschlags entstünde folglich (falls die Krankenhausinvestitionsumlage<br />
bereits 2013 gestrichen werden sollte) ein Mehrbedarf gegenüber dem<br />
Haushaltsansatz von ca. 15,2 Mio. Mio. Euro. Je nach dem Ergebnis der Steuerschätzung<br />
im Mai würde sich dieser Betrag dann nochmals nach oben oder unten<br />
verändern.<br />
5.6. Entwicklung des Landesanteils und der kommunalen Quote<br />
an den insgesamt in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zur Verfügung stehenden<br />
Deckungsmitteln bis zum Jahr 2020<br />
Bisher ist noch nicht überprüft worden, wie sich im Jahr 2020 die im Land verfügbaren<br />
Deckungsmittel auf den Landeshaushalt und die kommunalen Haushalte verteilen.<br />
Da bis zum Jahr 2020 die Sondermittel für die neuen Länder fast vollständig<br />
ausgelaufen sein werden, ist insbesondere die Frage zu stellen, ob der kommunale<br />
Anteil im Jahr 2020 dem in den alten Vergleichsländern entspricht.<br />
Dafür werden zunächst anhand der Kassenstatistiken der Jahre 2008 bis 2010 für<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> sowie die alten und neuen Vergleichsländer die Verteilungen der<br />
Steuermittel (nach föderalem Finanzausgleich) insgesamt (Tabelle 21) und pro Einwohner<br />
(Tabelle 22) dargestellt.<br />
Im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2010 verfügten danach das Land und seine<br />
Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zusammen über 3.995 Euro pro Einwohner, die drei<br />
neuen Vergleichsländer über 3.961 Euro und die drei alten Vergleichsländer über<br />
3.238 Euro pro Einwohner. Dabei ist, anders als in der Tabelle 1, nicht die normierte<br />
Steuerkraft der Gemeinden, sondern es sind die tatsächlichen Steuereinnahmen berücksichtigt<br />
worden.<br />
Die Steuereinnahmen (nach föderalem Finanzausgleich) in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> lagen<br />
um 757 Euro pro Einwohner bzw. 23,4% höher als in den alten Vergleichsländern<br />
und fielen (trotz geringerer Steuersätze) sogar um 34 Euro pro Einwohner bzw. 8,6%<br />
höher aus als in den neuen Vergleichsländern. Aufgrund der Steuerschwäche der<br />
Gemeinden mussten die lfd. und die investiven Nettozuweisungen des Landes an<br />
seine Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> notwendigerweise mit zusammen 1.238 Euro<br />
deutlich höher sein als in den alten Vergleichsländern, in denen die gesamten Zuweisungen<br />
lediglich 677 Euro pro Einwohner betrugen. Aus Vergleichsgründen müssen<br />
hier natürlich auch die Nettoausgaben für die überörtliche Sozialhilfe in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> dem kommunalen Bereich zugeordnet werden.<br />
111
Tabelle 21:<br />
Vergleich der Höhe und der Anteile an den Deckungsmitteln 2008 - 2010 bei Land und Kommunen<br />
im Ländervergleich und der Entwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im vorgeschlagenen Alternativmodell<br />
mit real konstanter Fortschreibung bis zum Jahr 2020<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
NI/RP/SH<br />
MV/SN/TH<br />
2020 2008 2009 2010 Durchschnitt 2008 2009 2010 Durchschnitt 2008 2009 2010 Durchschnitt<br />
- in Mio. Euro -<br />
Steuern der Länder einschl. LFA,BEZ und SoBEZ 7.633 8.655 8.241 7.933 8.276 37.621 35.747 36.531 36.633 29.402 27.641 26.749 27.931<br />
Steuern der Gemeinden 1.709 1.283 1.130 1.164 1.192 11.998 10.721 11.191 11.303 4.373 3.927 4.110 4.137<br />
Zusammen 9.342 9.938 9.371 9.097 9.469 49.619 46.468 47.722 47.936 33.775 31.568 30.859 32.068<br />
lfd. Zuweisungen an Gemeinden 1.735 2.025 2.038 1.995 2.019 8.736 9.403 9.369 9.169 7.255 7.813 7.558 7.542<br />
Zurechnung der überörtlichen Sozialhife in ST 516 362 372 384 373<br />
rechnerische lfd. Zuweisungen an Gemeinden 2.251 2.387 2.410 2.379 2.392 8.736 9.403 9.369 9.169 7.255 7.813 7.558 7.542<br />
investive Zuweisungen an Gemeinden 297 536 634 457 542 1.415 671 463 849 588 1.978 2.565 1.710<br />
gesamte Zuweisungen an Gemeinden 2.548 2.923 3.044 2.836 2.934 10.151 10.073 9.831 10.019 7.843 9.791 10.124 9.253<br />
Länder nach lfd. Zuweisungen 5.382 6.268 5.831 5.554 5.884 28.885 26.344 27.162 27.464 22.147 19.828 19.191 20.389<br />
Gemeinden nach lfd. Zuweisungen 3.960 3.670 3.540 3.543 3.584 20.734 20.124 20.560 20.473 11.628 11.740 11.668 11.679<br />
Anteil der Gemeinden in % 42,4% 36,9% 37,8% 39,0% 37,9% 41,8% 43,3% 43,1% 42,7% 34,4% 37,2% 37,8% 36,4%<br />
Länder nach gesamten Zuweisungen 5.085 5.732 5.197 5.097 5.342 27.470 25.674 26.699 26.614 21.559 17.850 16.625 18.678<br />
Gemeinden nach gesamten Zuweisungen 4.257 4.206 4.174 4.000 4.127 22.149 20.794 21.022 21.322 12.216 13.718 14.234 13.389<br />
Anteil der Gemeinden in % 45,6% 42,3% 44,5% 44,0% 43,6% 44,6% 44,7% 44,1% 44,5% 36,2% 43,5% 46,1% 41,8%<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen (siehe auch Tabelle 1)<br />
112
Tabelle 22:<br />
Vergleich der Anteile an den Deckungsmitteln pro Einwohner 2008 - 2010 bei Land und<br />
Kommunen im Ländervergleich und der Entwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im<br />
vorgeschlagenen vereinfachten Alternativmodell bis zum Jahr 2020<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
NI/RP/SH<br />
MV/SN/TH<br />
2020 2008 2009 2010<br />
Durchschnitt<br />
08 - 10<br />
2008 2009 2010<br />
Durchschnitt<br />
08 - 10<br />
2008 2009 2010<br />
Durchschnitt<br />
08 - 10<br />
- in Euro pro Einwohner -<br />
Steuern der Länder einschl. LFA,BEZ und SoBEZ 3.632 3.609 3.481 3.383 3.492 2.535 2.416 2.473 2.475 3.605 3.416 3.326 3.450<br />
Steuern der Gemeinden 813 535 477 496 503 808 725 758 764 536 485 511 511<br />
Zusammen 4.446 4.144 3.958 3.880 3.995 3.343 3.141 3.231 3.238 4.141 3.902 3.838 3.961<br />
lfd. Zuweisungen an Gemeinden 825 844 861 851 852 589 636 634 619 890 966 940 932<br />
Zurechnung der überörtlichen Sozialhife in ST 246 151 157 164 157 - - - - - - - -<br />
rechnerische lfd. Zuweisungen an Gemeinden 1.071 995 1.018 1.015 1.009 589 636 634 619 890 966 940 932<br />
investive Zuweisungen an Gemeinden 141 224 268 195 229 95 45 31 57 72 244 319 211<br />
gesamte Zuweisungen an Gemeinden (einschließlich<br />
üö Sozialhilfe)<br />
1.212 1.219 1.286 1.210 1.238 684 681 666 677 962 1.210 1.259 1.143<br />
Länder nach lfd. Zuweisungen 2.561 2.614 2.463 2.369 2.483 1.946 1.781 1.839 1.855 2.715 2.451 2.387 2.518<br />
Gemeinden nach lfd. Zuweisungen (einschl. üö<br />
Sozialhilfe)<br />
1.884 1.530 1.495 1.511 1.512 1.397 1.360 1.392 1.383 1.426 1.451 1.451 1.443<br />
Anteil der Gemeinden in % 42,4% 36,9% 37,8% 39,0% 37,9% 41,8% 43,3% 43,1% 42,7% 34,4% 37,2% 37,8% 36,4%<br />
Länder nach gesamten Zuweisungen 2.420 2.390 2.195 2.174 2.254 1.851 1.735 1.808 1.798 2.643 2.206 2.068 2.307<br />
Gemeinden nach gesamten Zuweisungen (einschl.<br />
üö Sozialhilfe)<br />
2.026 1.754 1.763 1.706 1.741 1.492 1.406 1.423 1.440 1.498 1.695 1.770 1.654<br />
Anteil der Gemeinden in % 45,6% 42,3% 44,5% 44,0% 43,6% 44,6% 44,7% 44,1% 44,5% 36,2% 43,5% 46,1% 41,8%<br />
113
Nach diesen Zuweisungen verfügte das Land <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> noch über 2.254 Euro<br />
pro Einwohner und die Kommunen über 1.741 Euro. Das Land lag somit immer noch<br />
um 456 Euro pro Einwohner bzw. 25,4% über den alten Vergleichsländern, aber<br />
nunmehr um 53 Euro pro Einwohner bzw. 2,3% unter den neuen Vergleichsländern.<br />
Den Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> standen 301 Euro pro Einwohner bzw. 20,9%<br />
mehr zur Verfügung als in den alten Vergleichsländern und 87 Euro pro Einwohner<br />
bzw. 5,3% mehr als in den neuen Vergleichsländern.<br />
Berechnet man die kommunalen Quoten als Anteile an den konsolidierten Steuereinnahmen<br />
in den Ländern, so lagen die alten Vergleichsländer mit 44,5% an der Spitze,<br />
gefolgt von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit 43,6% und den neuen Vergleichsländern mit<br />
41,8%.<br />
Mit Blick auf das Jahr 2020 sind im Prinzip nur die drei alten Vergleichsländer als<br />
Maßstab geeignet. Als kommunalfreundlich kann das hier entwickelte Verfahren zur<br />
Berechnung und Fortschreibung des Finanzausgleichsvolumens (einschließlich der<br />
investiven und nichtinvestiven Zuweisungen außerhalb des Finanzausgleichs) nur<br />
dann bezeichnet werden, wenn die anteilige Quote der Gemeinden in den alten Vergleichsländern<br />
nicht unterschritten wird. Ein zweiter Maßstab ergibt sich aus den Zuwächsen<br />
im Vergleich zu den im Zeitraum von 2008 bis 2010 in den alten Vergleichsländern<br />
verfügbaren Steuern der Kommunen.<br />
Mit 45,6% liegt der Gesamtanteil der Kommunen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2020 bei<br />
Anwendung des Modells einer real konstanten Fortschreibung um 1,1 Punkte über<br />
dem Wert der alten Vergleichsländer im Zeitraum zwischen 2008 und 2010. Von daher<br />
darf von einer recht kommunalfreundlichen Verteilung ausgegangen werden.<br />
Dementsprechend liegt die Quote des Landes nur bei 54,4%. Aufgrund der (im Vergleich<br />
zu den alten Ländern) relativ geringen Versorgungslasten dürfte das Land<br />
dennoch eine den alten Vergleichsländern vergleichbare Leistungsfähigkeit behalten.<br />
Kritisieren könnte man allenfalls, dass die Quote der lfd. Einnahmen in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> mit 42,4% um 0,3 Punkte hinter dem Wert der alten Vergleichsländer im Zeitraum<br />
von 2008 – 2010 zurück bleibt. Dies liegt daran, dass es zur Unterstützung einer<br />
gleichmäßigen Entwicklung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> auch in Zukunft notwendig erscheint,<br />
nicht nur auf lfd. Zuweisungen, sondern auch sehr stark auf höhere investive<br />
Zuweisungen zu setzen. Anderenfalls entstünde die Gefahr, dass finanzschwächere<br />
Kommunen und Regionen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> von der Investitionsfähigkeit völlig abgeschnitten<br />
würden.<br />
Mit diesen Ergebnissen und Perspektiven müssten sowohl das Land, als auch die<br />
Kommunen im Jahr 2020 hinreichend leistungsfähig sein können. Natürlich handelt<br />
es sich bei diesen Zahlen nur um eine Modellrechnung auf der Basis der heute verfügbaren<br />
Projektionen bis zum Jahr 2020. Bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung<br />
sind auch niedrigere, bei guter wirtschaftlicher Entwicklung auch höhere Zuwächse<br />
möglich. Die projizierten anteiligen Quoten der Kommunen und des Landes wären<br />
davon allerdings kaum betroffen.<br />
114
6. Der horizontale Finanzausgleich<br />
6.1. Zur Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf Zuweisungstöpfe<br />
und kommunale Gruppen<br />
6.1.1. Das bisherige Verfahren<br />
Ob die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die einzelnen Zuweisungstöpfe<br />
noch als Gegenstand des vertikalen Finanzausgleichs oder eher schon als Teil des<br />
horizontalen Finanzausgleichs angesehen werden, ist eine Frage der Vorgehensweise<br />
und Zweckmäßigkeit.<br />
Die Aufteilung auf die verschiedenen kommunalen Gruppen ist dagegen wohl ausschließlich<br />
dem horizontalen Finanzausgleich zuzuordnen. Im bisherigen Verfahren<br />
des Landes wird allerdings so vorgegangen, dass zunächst für die vier kommunalen<br />
Gruppen (kreisfreie Städte, Landkreise, kreisangehörige Gemeinden mit mindestens<br />
20.000 Einwohnern und kreisangehörige Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern)<br />
die Zuschussbedarfe für alle zwei- und dreistelligen Gliederungen ermittelt<br />
werden und den drei Kategorien pflichtiger übertragener Wirkungskreis, pflichtiger<br />
eigener Wirkungskreis und freiwilliger Wirkungskreis zugeordnet werden.<br />
Dies geschieht in der Weise, dass für die Einnahmen und Ausgaben und damit auch<br />
für die Zuschussbedarfe jeder Gliederung eine prozentuale Aufteilung auf die drei<br />
Wirkungskreise vorgenommen wird, die allerdings innerhalb der entsprechenden Arbeitsgruppe<br />
des Landes und der Kommunen nicht auf der Basis einer unabhängigen<br />
empirischen Analyse, sondern im Wesentlichen „auf Zuruf“ entstanden ist. Auch von<br />
der Landesseite wurden die von den kommunalen Vertretern vorgeschlagen Quoten<br />
nicht groß hinterfragt, da es nicht um die Höhe, sondern „lediglich“ um die Aufteilung<br />
der Finanzausgleichsmasse ging.<br />
Die Überschüsse des Einzelplans 9 werden nach einem festen Schlüssel auf die einzelnen<br />
Gliederungen und die drei Wirkungskreise verteilt. Der Überschuss des Unterabschnitts<br />
90 (Steuern und Umlagen) wird dabei (von den örtlichen Steuern abgesehen)<br />
ausschließlich dem pflichtigen eigenen Wirkungskreis und dem freiwilligen<br />
Wirkungskreis zugeordnet, wobei der dem pflichtigen Bereich zugerechnete Anteil<br />
zwischen 75,9% (größere kreisangehörige Gemeinden) und 98,7% (kleinere kreisangehörige<br />
Gemeinden) liegt.<br />
Letztlich ist die Unterscheidung allerdings irrelevant, weil sie keinerlei praktische<br />
Auswirkungen hat. Der pflichtige eigene Wirkungskreis und der freiwillige Wirkungskreis<br />
werden nämlich in einem späteren Rechenschritt wieder zusammengefasst.<br />
Der Überschuss des Unterabschnitts 91 (sonstige allgemeine Finanzwirtschaft), in<br />
den die Bedarfszuweisungen, aber auch die Einnahmen aus Umlagen unterhalb der<br />
Kreisebene umgebucht werden, dient ebenfalls fast ausschließlich, nämlich zwischen<br />
86,9% bei kleineren kreisangehörigen Gemeinden und 88,5% bei größeren kreisangehörigen<br />
Gemeinden, der Finanzierung des pflichtigen eigenen und des freiwilligen<br />
Wirkungskreises.<br />
115
Dabei ist es bemerkenswert, dass auf der einen Seite die Steuereinnahmen überhaupt<br />
nicht zur anteiligen Finanzierung im übertragenen Wirkungskreis herangezogen<br />
und auf der anderen Seite die Einnahmen aus Verbandsgemeindeumlagen, Bedarfszuweisungen<br />
und Rückzuführungen vom Vermögenshaushalt zumindest anteilig,<br />
nämlich insgesamt mit über 30 Mio. Euro (davon alleine 24 Mio. Euro bei kleineren<br />
kreisangehörigen Gemeinden), als Finanzierungsmittel berücksichtigt werden.<br />
Damit wird der Zuschussbedarf im übertragenen Wirkungskreis bei den kleineren<br />
Gemeinden um rd. 24 Mio. Euro und bei den größeren um rd. 6 Mio. Euro zu niedrig<br />
und dafür der Bedarf in den eigenen Wirkungskreisen um die gleichen Beträge zu<br />
hoch ausgewiesen. Für die gesamten berechneten Bedarfe im FAG neutralisieren<br />
sich die Effekte.<br />
Die Zuweisungen des Landes zur Refinanzierung der kommunalen Zuschussbedarfe<br />
für die Kosten der Unterkunft, die im Einzelplan 9 zu vereinnahmen sind, werden<br />
nicht aufgeteilt, sondern (richtigerweise) vollständig der Gliederung 482 (Grundsicherung<br />
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch) als Einnahme zugeordnet.<br />
Zusammenfassend ergibt sich im Ergebnis die in der Tabelle 23 dargestellte Matrix,<br />
in der die tatsächlichen durchschnittlichen Differenzen zwischen lfd. Ausgaben und<br />
lfd. Einnahmen (ohne Einnahmen aus dem FAG und den lokalen Steuern) der Jahre<br />
2008 – 2010 nach Wirkungskreisen und kommunalen Gruppen in insgesamt 12 „Töpfe“<br />
aufgeteilt und sodann als „angemessene Bedarfe“ für das Jahr 2012 interpretiert<br />
werden.<br />
Wie in Tabelle 3 bereits dargestellt, lässt sich die Gesamtsumme von 1.343,2 Mio.<br />
Euro auch in direkter Weise (also ohne komplizierte Aufteilung auf die drei Wirkungskreise)<br />
ermitteln.<br />
Tabelle 23:<br />
Durchschnittsbedarfe der Jahre 2008 - 2010<br />
= "angemessene lfd. Bedarfe" für das FAG 2012?<br />
davon<br />
Wirkungskreise<br />
davon<br />
Land<br />
LK KSt kagG<br />
GGVg GGVk<br />
absolut % absolut % absolut % absolut % absolut absolut<br />
übertragener Wirkungskreis 322.673.556 24,0% 142.026.194 29,1% 94.211.730 26,0% 86.435.632 17,5% 44.024.451 42.411.182<br />
pflichtiger eigener Wirkungskreis 907.039.253 67,5% 321.811.773 66,0% 232.322.510 64,2% 352.904.970 71,5% 162.762.306 190.142.664<br />
freiwilliger eigener Wirkungskreis 113.498.109 8,4% 24.084.666 4,9% 35.403.678 9,8% 54.009.765 10,9% 51.563.646 2.446.119<br />
Summe 1.343.210.918 100,0% 487.922.632 100,0% 361.937.919 100,0% 493.350.367 100,0% 258.350.403 234.999.965<br />
Anteil der kommunalen Gruppen 100,0% 36,3% 26,9% 36,7% 19,2% 17,5%<br />
Quelle: Ministerium der Finanzen <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und eigene Berechnungen<br />
116
Dies gilt ebenso für die Aufteilung auf die vier kommunalen Gruppen mit 487,9 Mio.<br />
Euro für die Landkreise, 361,9 Mio. Euro für die kreisfreien Städte und 493,4 Mio.<br />
Euro für die kreisangehörigen Gemeinden.<br />
Die bisherigen sehr differenzierten Berechnungen dienen im Ergebnis einzig und allein<br />
zur Ermittlung des ungedeckten Bedarfs im übertragenen Wirkungskreis. Da sowohl<br />
für die Kommunen insgesamt, als auch für die einzelnen kommunalen Gruppen,<br />
die Summen im FAG (bis auf die Aufteilung der allgemeinen Zuweisungen auf die<br />
Gruppen) feststehen, geht es im Kern nur um die Aufteilung der gesamten Finanzausgleichsmasse<br />
und der Teilmassen für die einzelnen kommunalen Gruppen in einen<br />
steuerkraftunabhängigen (vor allem Auftragskostenpauschale) und in einen<br />
steuerkraftabhängigen Teil.<br />
Etwas zugespitzt kann man auch sagen, dass bei einer im Sinne des Artikels 88 Abs.<br />
1 auskömmlichen Finanzausgleichsmasse zunächst einmal die Vorgaben des Artikels<br />
87 Abs. 3 in großzügiger Weise umgesetzt werden und angenommen wird, dass<br />
die restlichen Finanzausgleichsmittel schon noch ausreichen werden, um auch die<br />
Vorgaben des Artikels 88 Abs. 2 der Landesverfassung einhalten zu können.<br />
Die Festlegung einer angemessenen Finanzausgleichsmasse ist als Konkretisierung<br />
der Vorgabe des Artikels 88 Abs. 1 anzusehen. Die Berechnung und Verteilung in<br />
Form steuerkraftunabhängiger Zuweisungen für den übertragenen Wirkungskreis<br />
entspricht (so zumindest die herrschende Meinung) der Zielsetzung des Artikels 87<br />
Abs. 3. Dass von den danach noch verbleibenden Mitteln der bei weitem größte Teil,<br />
nämlich 883,6 Mio. Euro, steuerkraftabhängig verteilt wird, dient der Umsetzung der<br />
Vorgaben des Artikels 88 Abs. 2.<br />
Ob diese Mittel tatsächlich ausreichend bemessen sind, damit auch steuerschwache<br />
Gemeinden ihre notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenwahrnehmung finanzieren<br />
können, wird noch zu prüfen sein.<br />
Wenn auf längere Sicht die Steuerkraft der Kommunen deutlich ansteigen sollte und<br />
deswegen das angemessene Finanzausgleichsvolumen absolut oder zumindest relativ<br />
zurückgeht, sind zunehmende Konflikte bei der Umsetzung der divergierenden<br />
verfassungsrechtlichen Vorgaben fast unvermeidbar.<br />
Da nicht anzunehmen ist, dass alle oder zumindest fast alle Gemeinden gleichzeitig<br />
eine hohe Steuerkraft erreichen werden, kommt es dann zwangsläufig zu weiter steigenden<br />
Ausgleichsnotwendigkeiten zwischen den Gemeinden. Spätestens dann,<br />
wenn von der „angemessenen Finanzausgleichsmasse“ nach steuerkraftunabhängiger<br />
Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises für die Ausgleichsaufgabe keine<br />
ausreichenden Mittel mehr verbleiben, sind deshalb weitergehende Lösungen zur<br />
Umsetzung der Ziele des Artikels 88 Abs. 2 unausweichlich.<br />
Es muss dann entweder die bisherige völlige Steuerkraftunabhängigkeit der Vergabe<br />
der Mittel für den übertragenen Wirkungskreis hinterfragt oder ein stärkerer direkter<br />
117
oder indirekter (in Form einer Finanzausgleichsumlage) Ausgleich zwischen den<br />
Kommunen organisiert werden.<br />
Für die erste Variante könnte das Land Nordrhein-Westfalen als Referenzland dienen,<br />
in dem die Auftragskostenpauschale bereits 1983 abgeschafft worden ist und<br />
wo der Verfassungsgerichtshof diese Entscheidung aus guten Gründen ausdrücklich<br />
gebilligt hat 12 .<br />
Für die zweite Variante steht vor allem Baden-Württemberg als Referenzland. Die<br />
allgemeine Finanzausgleichsumlage besteht dort schon seit Jahrzehnten und ist verfassungsrechtlich<br />
bestätigt. Sie beträgt nach dem aktuellen FAG 22,10 Prozent der<br />
Bemessungsgrundlagen. Sie erhöht sich bei Gemeinden für jeweils 1 Prozent, um<br />
das die Steuerkraftmesszahl 60 Prozent der Bedarfsmesszahl übersteigt, um 0,06<br />
Prozent, höchstens jedoch auf 32 Prozent 13 .<br />
An dieser Stelle soll allerdings auf eine weitere Vertiefung dieser Thematik noch verzichtet<br />
und zunächst überprüft werden, ob die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse<br />
auf die einzelnen kommunalen Gruppen als „angemessen“ anzusehen ist.<br />
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es mit Dessau, Halle und Magdeburg nur drei<br />
kreisfreie Städte gibt. Daraus ergibt sich zwingend, dass die schlichte Durchschnittsbildung<br />
der Zuschussbedarfe für die Gruppe der kreisfreien Städte keine rationale<br />
und belastbare Basis für eine Bedarfsermittlung ermöglichen kann.<br />
Da Halle und Magdeburg jeweils rd. 42% zum Durchschnitt der kreisfreien Städte<br />
beitragen und Dessau mit 16% den Rest, ist der Einfluss jeder einzelnen Gemeinde<br />
viel zu hoch, um aus dem Durchschnitt repräsentative Schlüsse zu ziehen. So führte<br />
z.B. die Steigerung der Einnahmen aus Gewinnen in Halle um 62,5 Mio. Euro im<br />
Jahr 2010 dazu, dass c.p. der rechnerische Bedarf von Halle selbst und Magdeburg<br />
um jeweils 26,25 Mio. Euro und der von Dessau-Roßlau um 10 Mio. Euro gesunken<br />
ist. Wegen der Durchschnittsbildung aus drei Jahren wird dieser Effekt drei Jahre<br />
lang, nämlich von 2012 – 2014 jeweils zu 1/3 wirksam.<br />
Ähnliches gilt natürlich auch für spezifische Einsparungen (aber umgekehrt auch für<br />
spezifische Mehrausgaben), Hebesatzveränderungen etc. Das bisherige System ist<br />
also zumindest im Bereich der kreisfreien Städte im hohen Maße strategieanfällig<br />
und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die drei Städte zukünftig auf eigentlich<br />
sinnvolle Konsolidierungsmaßnahmen schon deshalb verzichten, weil die jeweiligen<br />
anteiligen Rückwirkungen als zu hoch angesehen werden.<br />
Von daher erscheint es unbedingt notwendig zu sein, die Ermittlung des angemessenen<br />
Volumens der Teilausgleichsmasse für die kreisfreien Städte so weitgehend<br />
wie möglich von ihrer tatsächlichen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung abzukop-<br />
12 Vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, 1985, VerfGH 17/83 und zu den<br />
Pros und Contras einer Auftragskostenpauschale: Deubel, I., 1984, Der kommunale Finanzausgleich<br />
in Nordrhein-Westfalen, a.a.O., S.171ff.<br />
13 Vgl. FAG BW § 1a<br />
118
peln. Es liegt deshalb nahe, nicht nur das angemessene Finanzausgleichsvolumen<br />
der Gemeinden insgesamt durch einen Ländervergleich zu bestimmen, sondern auch<br />
die Aufteilung in eine Teilmasse für die kreisfreien Städte einerseits und den kreisangehörigen<br />
Raum andererseits entsprechend abzusichern.<br />
6.1.2. Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf kreisfreie<br />
Städte und den kreisangehörigen Raum im<br />
Ländervergleich<br />
Bei der Berechnung der angemessenen lfd. Bedarfe für die kreisfreien Städte einerseits<br />
und den kreisangehörigen Raum andererseits geht es weniger um größere<br />
strukturelle Unterschiede zwischen alten und neuen Ländern und auch nicht um eine<br />
notwendige Anpassung mit Blick auf das Jahr 2020, sondern „lediglich“ um eine ausgewogene<br />
Finanzverteilung zwischen den kreisfreien Städten und dem kreisangehörigen<br />
Bereich.<br />
Es erscheint deshalb auch nicht notwendig, bei der Zusammenstellung der geeigneten<br />
Vergleichsländer zwischen alten und neuen Ländern zu differenzieren. Viel wichtiger<br />
ist es, sehr genau darauf zu achten, dass nur Vergleichbares miteinander verglichen<br />
wird.<br />
Von den bisherigen sechs Vergleichsländern besteht bei dreien der begründete Verdacht,<br />
dass Vergleichsstörungen vorliegen könnten. Am gravierendsten erscheint<br />
dabei der Fall Niedersachsen. Die sehr dominante Landeshauptstadt Hannover wird<br />
nämlich statistisch als kreisangehörige Gemeinde erfasst. Dies hängt mit der spezifischen<br />
Konstruktion der Region Hannover zusammen, die neben Hannover auch den<br />
Landkreis Hannover umfasst und in der amtlichen Statistik ebenfalls wie ein Landkreis<br />
behandelt wird.<br />
Hannover selbst erhält im Finanzausgleich einen Hauptansatz von 180%, die<br />
nächstgrößere kreisfreie Stadt Braunschweig (249.197 Einwohner) einen von<br />
169,9% und die kreisfreie Stadt Wilhelmshafen (81.253 Einwohner) einen von<br />
137,6%. Für Gemeinden unter 10.000 Einwohnern liegt der Hauptansatz bei 100%.<br />
Bei dieser starken Spreizung ist es eher erstaunlich, dass der Zuschussbedarf IV<br />
(ohne Gliederung 4) der kreisfreien Städte (ohne Hannover) im Durchschnitt immer<br />
noch 108,2% des kreisangehörigen Raums (mit Hannover) beträgt. Da eine Korrektur<br />
dieser gravierenden Vergleichsstörung nur unter sehr hohem Aufwand möglich<br />
wäre, soll für die Untersuchung dieses Problems auf die Einbeziehung von Niedersachsen<br />
verzichtet werden.<br />
119
Tabelle 24:<br />
Zuschussbedarfe IV der kreisfreien Städte und des<br />
kreisangehörigen Raums in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Ländervergleich<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
MV/RP/SN/SH/TH<br />
Gliederung 4<br />
Gliederungen<br />
0 - 9 ohne 4<br />
Gliederungen<br />
0 - 9<br />
lfd. Bedarf in 2009 entsprechend der<br />
Vergleichsländer NI/RP/SH ohne 4<br />
Gliederungen<br />
0 - 9 ohne 4<br />
2008<br />
kreisfreie Städte 677 797 1.474<br />
Erläuterung des Rechenwegs: Insgesamt<br />
650<br />
kreisangehöriger Raum 478 659 1.137<br />
beträgt im Durchschnitt der Jahre 2008 - 2010<br />
541<br />
Insgesamt 524 691 1.214<br />
der rechnerische Bedarf entsprechend der<br />
572<br />
Quote KF/KR 141,78% 120,93% 129,69%<br />
Vergleichsländer NI/RP/SH 2.592 Mio. Euro bzw.<br />
120,07%<br />
1.095 Euro pro Einwohner. Davon ist zunächst<br />
2009<br />
der durchschnittliche Zuschussbedarf der Jahre<br />
kreisfreie Städte 715 795 1.510<br />
2008 - 2010 in der Gliederung 4 abzuziehen. Der<br />
717<br />
kreisangehöriger Raum 513 693 1.206<br />
Rest von 550 Euro pro Einwohner wird im<br />
585<br />
Insgesamt 560 717 1.277<br />
Verhältnis 1,2315:1 pro Einwohner (also analog<br />
620<br />
Quote KF/KR 139,51% 114,66% 125,23%<br />
zu MV/RP/SN/SH/TH) zwischen kreisfreien<br />
122,53%<br />
Städten und kreisangehörigem Raum aufgeteilt.<br />
Die kreisfreien Städte erhalten also weitere 643<br />
2010<br />
Euro pro Einwohner und der kreisangehörige<br />
kreisfreie Städte 666 762 1.428<br />
Raum 522 Euro. Die sich daraus insgesamt<br />
757<br />
kreisangehöriger Raum 516 705 1.221<br />
ergebende Quote von 1,2981:1 wird (bis neue<br />
595<br />
Insgesamt 552 717 1.269<br />
Vergleichsdaten vorliegen) zur Verteilung des<br />
638<br />
Quote KF/KR 129,16% 108,14% 117,02%<br />
lfd. Bedarfs zwischen kreisfreien Städten und<br />
127,25%<br />
kreisangehörigem Raum verwendet.<br />
Durchschnitt 2008 - 2010<br />
kreisfreie Städte 686 785 1.471 1.329 707<br />
kreisangehöriger Raum 502 685 1.187 1.024 574<br />
Insgesamt 545 708 1.253 1.095 610<br />
Quote KF/KR 136,82% 114,58% 123,98% 129,81% 123,15%<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen<br />
120
Weitere Vergleichsstörungen entstehen bei <strong>Sachsen</strong> und Rheinland-Pfalz, weil es<br />
hier Bezirksverbände gibt. Diese Vergleichsstörungen lassen sich allerdings durch<br />
eine entsprechende Zurechnung (nämlich proportional zu den eigenen Zuschussbedarfen<br />
der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raums) der bei den Bezirksverbänden<br />
entstehenden Zuschussbedarfe beheben, so dass eine Vergleichbarkeit<br />
hergestellt werden kann.<br />
Ein weiteres Problem tritt bei <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> auf. Da das Land die überörtliche Sozialhilfe<br />
selbst verantwortet, ist eine Aufteilung des entsprechenden Zuschussbedarfes<br />
auf die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum nur im Schätzverfahren<br />
möglich. Deshalb erscheint es (wie schon in der Gesamtbetrachtung) sinnvoll,<br />
den Einzelplan 4 beim Ländervergleich komplett außen vor zu lassen.<br />
In den fünf verbleibenden Vergleichsländern Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-<br />
Pfalz, <strong>Sachsen</strong>, Schleswig-Holstein und Thüringen beträgt der durchschnittliche Zuschussbedarf<br />
IV (ohne Einzelplan 4) der Jahre 2008 bis 2010 in den kreisfreien Städten<br />
707 Euro pro Einwohner und im kreisangehörigen Raum 574 Euro. In <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> dagegen liegen die Werte für die kreisfreien Städte bei 785 Euro und für den<br />
kreisangehörigen Raum bei 685 Euro.<br />
Während in den Vergleichsländern die Relation bei 123,15% liegt, beträgt sie in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> nur 114,58%. Nun könnte es sein, dass die Relation in den Vergleichsländern<br />
dadurch verzerrt ist, dass ihre kreisfreien Städte im Durchschnitt mehr<br />
Einwohner haben oder eine höhere Zentralitätsfunktion aufweisen.<br />
Dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. Mit 129.177 beträgt die durchschnittliche<br />
Einwohnerzahl der kreisfreien Städte der Vergleichsländer nur 70% des Durchschnitts<br />
von Dessau-Roßlau, Halle und Magdeburg, der Ende des Jahres 2010 bei<br />
183.798 Einwohnern lag. Da zudem in den Vergleichsländern etliche kreisfreie Städte<br />
nicht zugleich auch Oberzentrum sind, stellt die Relation von 123,15% eher eine<br />
Untergrenze dar.<br />
Falls die Ergebnisse eines solchen Ländervergleichs grundsätzlich als Maßstab akzeptiert<br />
werden, spricht deshalb alles dafür, dass die lfd. Finanzbedarfe pro Einwohner<br />
der kreisfreien Städte in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Verhältnis zum kreisangehörigen<br />
Raum bisher unangemessen niedrig dotiert worden sind.<br />
Da der Einzelplan 4 bei dieser Vergleichsbetrachtung außen vor bleibt, soll die tatsächliche<br />
Relation von 136,8% für den Zuschussbedarf IV des Einzelplans 4 in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ohne Korrektur bleiben. Die Relation für die Vergleichsländer (trotz<br />
Einbeziehung der nicht so stark streuenden überörtlichen Sozialhilfe) liegt im Übrigen<br />
im Einzelplan 4 mit 140,8% sogar noch ein Stück höher.<br />
Genau wie beim gesamten lfd. Finanzbedarf (ohne den Einzelplan 4) können jetzt<br />
wieder die Vergleiche mit dem Durchschnitt der alten Vergleichsländer und der neuen<br />
Vergleichsländer erfolgen und auf dieser Basis die angemessenen lfd. Zuschussbedarfe<br />
für die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum gebildet werden.<br />
121
Tabelle 25:<br />
Kreisfreie Städte in Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Rheinland-Pfalz, <strong>Sachsen</strong>, Schleswig-Holstein<br />
und Thüringen<br />
Name<br />
Einwohner<br />
am 31.12.2010<br />
Greifswald 54.610 Oberzentrum<br />
Neubrandenburg 65.282 Oberzentrum<br />
Rostock 202.735 Oberzentrum<br />
Schwerin, Landeshauptstadt 95.220 Oberzentrum<br />
Stralsund 57.670 Oberzentrum<br />
Wismar 44.397<br />
Koblenz 106.417 Oberzentrum<br />
Trier 105.260 Oberzentrum<br />
Frankenthal (Pfalz) 46.793<br />
Kaiserslautern 99.184 Oberzentrum<br />
Landau in der Pfalz 43.615<br />
Ludwigshafen am Rhein 164.351 Oberzentrum<br />
Mainz, Landeshauptstadt 199.237 Oberzentrum<br />
Neustadt an der Weinstraße 52.855<br />
Pirmasens 40.384<br />
Speyer 49.857<br />
Worms 81.736<br />
Zweibrücken 33.944<br />
Chemnitz 243.248 Oberzentrum<br />
Dresden, Landeshauptstadt 523.058 Oberzentrum<br />
Leipzig 522.883 Oberzentrum<br />
Flensburg 88.759 Oberzentrum<br />
Kiel, Landeshauptstadt 239.526 Oberzentrum<br />
Lübeck 210.232 Oberzentrum<br />
Neumünster 76.830 Oberzentrum<br />
Erfurt, Landeshauptstadt 204.994 Oberzentrum<br />
Gera 99.262 Oberzentrum<br />
Jena 105.129 Oberzentrum<br />
Suhl 38.776<br />
Weimar 65.479<br />
Eisenach 42.750<br />
insgesamt 4.004.473<br />
durchschnittliche Einwohnerzahl 129.177<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt und statistische Landesämter<br />
Exemplarisch soll dies am Beispiel der alten Vergleichsländer Niedersachsen, Rheinland-Pfalz<br />
und Schleswig-Holstein verdeutlicht werden. Da der sich aus den Vergleichsländern<br />
ergebende angemessene lfd. Zuschussbedarf IV (ohne Korrektur<br />
beim Einzelplan 4) 2.592 Mio. Euro bzw. 1.095 Euro pro Einwohner beträgt, sind zunächst<br />
die tatsächlichen Zuschussbedarfe für den Einzelplan 4 von durchschnittlich<br />
545 Euro pro Einwohner zu finanzieren. Die verbleibenden 550 Euro pro Einwohner<br />
sind dann so aufzuteilen, dass sich für diesen Anteil eine Relation von 123,15% pro<br />
Einwohner zwischen den kreisfreien Städten und dem kreisangehörigen Raum<br />
ergibt.<br />
Dies führt zu einem Wert von 643 Euro pro Einwohner für die kreisfreien Städte und<br />
522 Euro pro Einwohner für den kreisangehörigen Raum. Der gesamte angemessene<br />
lfd. Bedarf pro Einwohner für die kreisfreien Städte in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> liegt somit<br />
bei 1.329 Euro (= 686 Euro + 643 Euro) und 1.024 Euro (= 502 Euro + 522 Euro) für<br />
den kreisangehörigen Raum. Die Gesamtrelation (einschließlich des Einzelplans 4)<br />
beträgt somit 129,8 zu 100.<br />
Die tatsächliche Inanspruchnahme der lfd. Finanzierungsmittel aus Steuern und Nettozuweisungen<br />
vom Land lag somit für die kreisfreien Städte bei 110,7% (=<br />
122
1.471/1.329), den kreisangehörigen Raum bei 115,9% (= 1.187/1.024) und insgesamt<br />
bei 114,4% (= 1.253/1.095) des angemessenen Bedarfs.<br />
Wie schon bei der Betrachtung aller Kommunen erscheint es auch auf der Ebene der<br />
kreisfreien Städte einerseits und des kreisangehörigen Raums andererseits sinnvoll,<br />
für den Zeitraum bis zum Jahr 2020 eine entsprechende Abfederung durch differenzierte<br />
Anpassungszuweisungen vorzunehmen.<br />
Natürlich ist es sinnvoll, auch an dieser Stelle zwischen kreisfreien Städten einerseits<br />
und dem kreisangehörigen Raum andererseits zu differenzieren. Sozusagen spiegelbildlich<br />
zur bisherigen relativen Benachteiligung der kreisfreien Städte zeigt sich<br />
nämlich, dass diese ihre Hebesätze im Vergleich zu kreisfreien Städte anderer Länder<br />
sehr viel stärker anspannen mussten als die kreisangehörigen Gemeinden.<br />
Im Vergleich zu den Hebesätzen von NI/RP/SH lag das Aufkommen der kreisfreien<br />
Städte in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2010 um 12,5 Mio. Euro höher und das der kreisangehörigen<br />
Gemeinden um 25,6 Mio. Euro niedriger.<br />
Im Vergleich zu MV/SN/TH (bei denen besonders die hohen Hebesätze von <strong>Sachsen</strong><br />
stark durchschlagen) fiel sowohl das Aufkommen der kreisfreien Städte in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> (um 2,1 Mio. Euro), als auch das der kreisangehörigen Gemeinden (um 38,9<br />
Mio. Euro) niedriger aus.<br />
Die Tabelle 26 entspricht für die kommunale Gesamtheit exakt den Ergebnissen der<br />
Tabelle 15, aber nunmehr unterteilt in die Werte für die kreisfreien Städte und den<br />
kreisangehörigen Raum. Allerdings ist auf eine Aufteilung der sonstigen investiven<br />
Zuweisungen des Landes auf kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden verzichtet<br />
worden, weil es dem Land obliegt, für welche fachlichen und regionalen<br />
Schwerpunkte bis zum Jahr 2020 investive Zweckzuweisungen notwendig sind. Nur<br />
für die Investitionspauschale sind die bisherigen Anteile von 25% für kreisfreie Städte<br />
und 75% für den kreisangehörigen Raum fortgeschrieben worden.<br />
Für die Fortschreibung der Steuereinnahmen und der Steuerkraft sowie der lfd. Nettozuweisungen<br />
außerhalb des FAG werden bis zum Jahr 2020 unveränderte Anteile<br />
der kreisfreien Städte bzw. des kreisangehörigen Raums unterstellt.<br />
Die Anpassungszuweisungen ergeben sich aus den anfänglichen Differenzen zwischen<br />
den tatsächlichen und den (im Ländervergleich) angemessenen lfd. Zuschussbedarfen<br />
sowie den anfänglichen Differenzen zwischen Steuereinnahmen und<br />
Steuerkraft (mit den Hebesätzen von NI/RP/SH).<br />
Die Tilgungszuweisungen werden entsprechend der tatsächlichen durchschnittlichen<br />
Pflichtzuführungen der Jahre 2008 – 2010 verteilt und für die Bedarfszuweisungen<br />
werden die ersten 20 Mio. für Liquiditätshilfen im kreisangehörigen Raum „reserviert“<br />
und für die übrigen Bedarfszuweisungen wird im Rahmen eines Altlastentilgungs-<br />
123
Tabelle 26:<br />
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens der kreisfreien Städte und<br />
des kreisangehörigen Raums bis zum Jahr 2020<br />
(bei Anpassung an die Verhältnisse in NI/RP/SH ohne Gliederung 4 und einer Relation kreisfrei/kreisangehörig entsprechend MV/RP/SN/SH/TH)<br />
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 durchschnittl.<br />
Wachstum<br />
Einwohner in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101 -1,08%<br />
Einwohner in kreisfreien Städten in 1.000 (jeweils am 30.6.) 550 551 550 549 547 545 543 541 539 536 533 530 -0,34%<br />
Einwohner im kreisangehörigen Raum in 1.000 (jeweils am 30.6) 1.818 1.794 1.773 1.750 1.727 1.706 1.684 1.663 1.641 1.618 1.595 1.572 -1,31%<br />
- in Mio. Euro -<br />
lfd. Bedarf insgesamt entsprechend NI/RP/SH ohne 4 2.592 2.663 2.720 2.857 2.912 2.969 3.012 3.055 3.097 3.139 3.180 3.219 1,99%<br />
lfd. Bedarf kreisfreie Städte (Quote von 129,8% pro Einwohner entsprechend MV/RP/SN/SH/TH) 731 759 781 826 848 871 889 907 926 944 962 980 2,70%<br />
lfd. Bedarf kreisangehöriger Raum (Quote von 100% pro Einwohner) 1.861 1.904 1.939 2.030 2.064 2.098 2.123 2.148 2.172 2.195 2.218 2.240 1,70%<br />
Steuerkraft insgesamt bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 1.338 1.388 1.446 1.503 1.560 1.600 1.642 1.685 1.728 3,25%<br />
Steuerkraft kreisfreie Städte bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 335 348 363 377 391 401 412 422 433 3,25%<br />
Steuerkraft kreisangehöriger Raum bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 1.002 1.040 1.084 1.126 1.169 1.199 1.230 1.262 1.295 3,25%<br />
lfd. Nettozuweisung außerhalb des FAG insgesamt 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%<br />
lfd. Nettozuweisung außerhalb des FAG kreisfreie Städte 174 179 186 189 192 194 197 200 203 1,99%<br />
lfd. Nettozuweisung außerhalb des FAG kreisangehöriger Raum 413 426 442 449 455 462 469 476 483 1,99%<br />
Anpassungszuweisung insgesamt 275 241 207 172 138 103 69 34 0<br />
Anpassungszuweisung kreisfreie Städte 65 57 49 40 32 24 16 8 0<br />
Anpassungszuweisung kreisangehöriger Raum 211 184 158 132 105 79 53 26 0<br />
FAG mit Anpassungszuweisung insgesamt (evtl. ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen) 1.208 1.160 1.102 1.044 986 944 899 853 805 -4,95%<br />
FAG mit Anpassungszuweisung kreisfreie Städte (evtl. ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen) 382 378 371 364 357 354 351 347 343 -1,34%<br />
FAG mit Anpassungszuweisung kreisangehöriger Raum (evtl. ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen) 826 782 731 680 629 590 549 506 461 -7,01%<br />
Tilgungszuweisung insgesamt 189 189 189 189 189 189 189 189 189<br />
Tilgungszuweisung kreisfreie Städte (Aufteilung nach Investitionsschulden Ende 2010) 38 38 38 38 38 38 38 38 38<br />
Tilgungszuweisung kreisangehöriger Raum (Aufteilung nach Investitionsschulden Ende 2010) 150 150 150 150 150 150 150 150 150<br />
Bedarfszuweisung insgesamt 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%<br />
Bedarfszuweisung kreisfreie Städte (Aufteilung des Zuwachses ab 2013 nach Altdefiziten) 0 10 15 19 19 19 19 19 19<br />
Bedarfszuweisung kreisangehöriger Raum (Aufteilung des Zuwachses ab 2013 nach Altdefiziten) 20 30 35 41 41 41 41 41 41 9,24%<br />
I-Pauschale insgesamt 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%<br />
I-Pauschale kreisfreie Städte (25%) 32 31 31 31 31 31 31 31 31 -0,30%<br />
I-Pauschale kreisangehöriger Raum (75%) 96 94 94 94 94 94 94 94 94 -0,30%<br />
FAG insgesamt 1.544 1.513 1.465 1.418 1.360 1.317 1.273 1.227 1.178 -3,33%<br />
FAG kreisfreie Städte 453 457 455 453 446 443 440 436 432 -0,57%<br />
FAG kreisangehöriger Raum 1.092 1.056 1.010 965 914 874 833 791 746 -4,65%<br />
lfd. Einnahmen insgesamt 3.326 3.366 3.398 3.416 3.424 3.431 3.438 3.444 3.449 0,46%<br />
lfd. Einnahmen kreisfreie Städte 944 968 988 1.003 1.014 1.025 1.035 1.046 1.056 1,41%<br />
lfd. Einnahmen kreisangehöriger Raum 2.382 2.398 2.410 2.413 2.410 2.407 2.403 2.398 2.393 0,06%<br />
- in Euro pro Einwohner -<br />
lfd. Einnahmen insgesamt 1.447 1.480 1.509 1.533 1.554 1.575 1.596 1.618 1.641 1,59%<br />
lfd. Einnahmen kreisfreie Städte 1.720 1.769 1.811 1.847 1.874 1.902 1.932 1.962 1.994 1,86%<br />
lfd. Einnahmen kreisangehöriger Raum 1.361 1.388 1.413 1.432 1.449 1.467 1.485 1.503 1.522 1,41%<br />
124
plans eine Verteilung entsprechend der Ende 2010 vorgetragenen Altdefizite unterstellt.<br />
Es handelt sich dabei nur um eine rechnerische Größe, da die Lösung der Altlastenproblematik<br />
auch außerhalb des FAG erfolgen kann.<br />
Die wichtigsten Informationen finden sich in den letzten drei Blöcken. Daraus ist ersichtlich,<br />
dass die FAG-Leistungen für die kreisfreien Städte bis zum Jahr 2020 jahresdurchschnittlich<br />
um 0,57% und für den kreisangehörigen Raum um 4,65% abnehmen.<br />
Die Gründe liegen zum Ersten in der unterschiedlichen Einwohnerentwicklung, zum<br />
Zweiten in der sukzessiven Umstellung auf die Bedarfsrelationen der Vergleichsländer<br />
und zum Dritten in den unterschiedlichen Differenzen zwischen Steuerkraft und<br />
Steuereinnahmen.<br />
Der zweite und der dritte Grund führen dazu, dass die abzubauenden Anpassungszuweisungen<br />
der kreisfreien Städte im Ausgangsjahr 2009 nur 61 Mio. Euro bzw.<br />
111 Euro pro Einwohner betragen, während sie im kreisangehörigen Raum bei 336<br />
Mio. Euro bzw. 185 Euro pro Einwohner liegen.<br />
Im vorletzten Block werden die lfd. Einnahmen insgesamt und im letzten Block pro<br />
Einwohner dargestellt. Daraus ergibt sich, dass die lfd. Einnahmen pro Einwohner<br />
bei den kreisfreien Städten (unter den hier getroffenen Modellannahmen) jahresdurchschnittlich<br />
um 1,86% und im kreisangehörigen Raum um 1,41% zunehmen.<br />
6.1.3. Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die<br />
kreisfreien Städte, die Landkreise und die kreisangehörigen<br />
Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell<br />
Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die kreisfreien Städte, die Landkreise<br />
und die kreisangehörigen Gemeinden kann natürlich auch analog zum Alternativmodell<br />
im Unterkapitel 5.5. vorgenommen werden.<br />
Auch in diesem Modell muss ein Weg gesucht werden, die Anteile für die kreisfreien<br />
Städte einerseits und den kreisangehörigen Raum nicht zu stark von Einzelentwicklungen<br />
der Vergangenheit abhängig zu machen. Für die Aufteilung sollten deshalb<br />
auf keinen Fall die jeweiligen tatsächlichen Zuschussbedarfe der Vorjahre verwendet<br />
werden, sondern eine davon losgelöste Grundsatzentscheidung zur angemessenen<br />
Bedarfsrelation pro Einwohner zwischen den drei Oberzentren einerseits und dem<br />
kreisangehörigen Raum andererseits getroffen werden.<br />
Eine Übertragung der Bedarfsrelationen (der Zuschussbedarfe IV) der Vergleichsländer<br />
MV/RP/SN/SH/TH würde zu einer Relation von 129,8:100 führen. Die tatsächlichen<br />
Relationen in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> sind (erwartungsgemäß) sehr instabil, weil Einzelereignisse<br />
in einer der drei kreisfreien Städte sich sehr stark auswirken. Die tat-<br />
125
sächlichen Relationen in den einzelnen Jahren betrugen dabei in 2008: 129,5:100, in<br />
2009: 125,0:100. In 2010: 116,5:100 und im Jahr 2011: 127,7:100.<br />
Diese vier einzelnen Jahreswerte zeigen die ganze Problematik des bisherigen Verfahrens.<br />
Die außerordentliche Gewinnausschüttung von zusätzlichen 62,5 Mio. Euro<br />
im Jahr 2010 in Halle, die ausschließlich zum Abtragen von Altlasten diente, führt im<br />
bisherigen Verfahren zu einem massiven Rückgang der „Bedarfe“ aller drei kreisfreien<br />
Städte. Ohne diesen außerordentlichen Ertrag hätten die Bedarfsrelation im<br />
Jahr 2010 bei 125,8:100 und der durchschnittliche Dreijahreswert bei 127,0:100 gelegen.<br />
Um solche Schwankungen, die in dieser extremen Form nur bei den drei kreisfreien<br />
Städten auftreten können, zukünftig zu vermeiden, sollte eine dauerhafte (zumindest<br />
bis zum Jahr 2020) Festlegung der Bedarfsrelationen pro Einwohner für die drei<br />
Oberzentren im Verhältnis zum kreisangehörigen Raum erfolgen. Vor dem Hintergrund<br />
der Relation in den Vergleichsländern von annähernd 130:100 ist dabei selbst<br />
der bereits korrigierte Dreijahreswert von 127:100 wohl eher als unterer Wert ein<br />
möglichen Bandbreite anzusehen und der Wert der Vergleichsländer eher als oberer<br />
Wert.<br />
Wie bei der Bedarfsanalyse der kreisangehörigen Gemeinden im Unterkapitel 6.2.<br />
noch gezeigt wird, gibt es allerdings in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Vergleich zu den alten und<br />
zum Teil auch der neuen Länder eine besonders schwierige demografische Entwicklung<br />
im kreisangehörigen Raum, die wegen der Kostenremanenzen ihrerseits zu einem<br />
zusätzlichen Finanzbedarf pro Einwohner führt. Dagegen ist die demografische<br />
Situation der kreisfreien Städte seit einigen Jahren relativ stabil.<br />
Es erscheint deshalb vertretbar, eine Bedarfsrelation eher am unteren Rand der<br />
möglichen Bandbreite festzulegen. Von daher wird in der Modellrechnung der korrigierte<br />
Dreijahreswert von 127,0:100 verwendet. Unabhängig von der Frage, ob das<br />
Land diesem Vorschlag folgt, sollte allerdings baldmöglichst eine längerfristige Festlegung<br />
erfolgen.<br />
Denn ansonsten entsteht das große Risiko, dass die drei kreisfreien Städte wegen<br />
der Fehlanreize im jetzigen System auf weitere Konsolidierungsbemühungen verzichten<br />
könnten, was letztlich weder im Interesse des Landes, noch der drei Städte<br />
sinnvoll wäre.<br />
Alle weiteren Schritte in diesem Modell erfolgen analog der Vorgehensweise des<br />
vereinfachten Alternativmodells, aber jeweils nach den kommunalen Gruppen unterteilt.<br />
Ein ähnlicher Fehlanreiz liegt im Bereich der angerechneten Steuereinnahmen vor.<br />
Die auch im Ländervergleich (mit Ausnahme von <strong>Sachsen</strong>) hohen Hebesätze der<br />
drei kreisfreien Städte wirken im bisherigen System bedarfsmindernd, die niedrigen<br />
Hebesätze der kreisangehörigen Gemeinden dagegen bedarfserhöhend.<br />
126
Tabelle 27 (Teil 1):<br />
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden im<br />
vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020<br />
Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Einwohner 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 2.298.231 2.274.482 2.251.256 2.227.822 2.203.787 2.179.133 2.153.928 2.128.189 2.101.429<br />
KF 552.445 549.803 551.095 550.203 548.672 547.113 545.410 543.437 541.157 538.628 535.874 532.912 529.681<br />
KA 1.845.902 1.817.751 1.793.584 1.772.645 1.749.560 1.727.369 1.705.846 1.684.385 1.662.630 1.640.504 1.618.054 1.595.278 1.571.748<br />
Preisindex (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>) 106,4 106,6 107,9 110,2 111,9 113,5 115,2 117,0 118,7 120,5 122,3 124,1 126,0<br />
- in 1000 Euro -<br />
Zuschussbedarf IV 2.915.752 3.027.790 2.986.547 3.087.525 3.102.136 3.117.594 3.133.448 3.148.703 3.162.788 3.175.647 3.187.335 3.197.827 3.206.351<br />
KF 814.414 830.444 785.378 876.455 887.126 897.875 908.506 918.798 928.667 938.192 947.396 956.292 964.751<br />
KA 2.101.338 2.197.345 2.201.169 2.211.070 2.215.010 2.219.719 2.224.942 2.229.905 2.234.120 2.237.455 2.239.938 2.241.535 2.241.600<br />
K 779.709 796.134 793.276 776.216 777.599 779.252 781.086 782.828 784.308 785.478 786.350 786.911 786.933<br />
G 1.321.630 1.401.212 1.407.893 1.434.855 1.437.411 1.440.467 1.443.857 1.447.077 1.449.813 1.451.977 1.453.588 1.454.624 1.454.666<br />
Steuern 1.283.352 1.129.727 1.164.086 1.279.467 1.322.823 1.372.958 1.430.095 1.486.018 1.542.306 1.582.406 1.623.549 1.665.761 1.709.071<br />
KF 333.108 309.433 307.662 338.156 349.615 362.865 377.966 392.747 407.623 418.221 429.095 440.252 451.698<br />
KA 950.245 820.294 856.425 941.311 973.208 1.010.093 1.052.129 1.093.272 1.134.683 1.164.185 1.194.454 1.225.509 1.257.373<br />
Steuerkraft 1.305.845 1.149.527 1.184.489 1.301.892 1.322.823 1.373.836 1.431.975 1.488.879 1.546.153 1.586.956 1.628.820 1.671.772 1.715.841<br />
KF 323.789 300.777 299.055 328.697 349.615 362.494 377.173 391.540 406.000 416.302 426.872 437.716 448.842<br />
KA 982.436 848.083 885.438 973.200 973.208 1.011.342 1.054.802 1.097.339 1.140.153 1.170.654 1.201.949 1.234.056 1.266.999<br />
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 474.216 493.247 531.688 632.310 586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508<br />
KF 147.734 153.198 170.625 187.226 173.650 179.071 185.902 188.691 191.521 194.394 197.310 200.270 203.274<br />
KA 326.482 340.049 361.064 445.084 412.812 425.698 441.938 448.567 455.296 462.125 469.057 476.093 483.234<br />
K 325.371 332.949 346.032 422.509 391.874 404.106 419.522 425.815 432.202 438.685 445.266 451.945 458.724<br />
G 1.110 7.100 15.032 22.576 20.939 21.592 22.416 22.752 23.094 23.440 23.792 24.148 24.511<br />
Summe des angemessenen Zuschussbedarfs IV (+<br />
ant. 2. Funktionalreformgesetz + anteilig 51,6<br />
Mio. Euro aus SGB II + anteilig 31,8 Mio. Euro aus<br />
3.104.922 3.143.987 3.134.990 3.144.127 3.158.344 3.171.280 3.182.990 3.193.470 3.201.946<br />
Ausbildungsverkehr)<br />
Anteil KF (127% pro Einwohner) 884.391 901.885 905.358 913.843 923.713 933.225 942.401 951.260 959.674<br />
Anteil KA (100% pro Einwohner) 2.220.531 2.242.102 2.229.632 2.230.284 2.234.630 2.238.056 2.240.589 2.242.210 2.242.272<br />
Anteil K 801.788 798.612 787.908 782.961 784.487 785.689 786.579 787.148 787.169<br />
Anteil G 1.418.743 1.443.490 1.441.724 1.447.323 1.450.144 1.452.366 1.454.010 1.455.062 1.455.103<br />
Summe angemessenes lfd. FAG 1.195.637 1.165.382 1.075.174 1.017.990 965.373 927.805 887.803 845.335 799.597<br />
Anteil KF 361.126 360.319 342.282 333.613 326.192 322.529 318.219 313.274 307.558<br />
Anteil KR 834.510 805.062 732.892 684.378 639.181 605.276 569.583 532.060 492.039<br />
Anteil K 409.914 394.506 368.385 357.146 352.284 347.004 341.313 335.203 328.446<br />
Anteil G 424.596 410.556 364.506 327.232 286.897 258.272 228.270 196.857 163.593<br />
127
Tabelle 27 (Teil 2):<br />
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden im<br />
vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020<br />
Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
- in 1000 Euro -<br />
Tilgungszuweisung 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562<br />
Anteil KF 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499<br />
Anteil KR 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063<br />
Anteil K 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786<br />
Anteil G 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277<br />
Investitionspauschale 128.041 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000<br />
Anteil KF 32.010 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250<br />
Anteil KR 96.031 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750<br />
Anteil K 25.608 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000<br />
Anteil G 70.423 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750<br />
Bedarfszuweisungen 20.000 40.000 50.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000<br />
FAG-Volumen (ohne Umlage) 1.532.239 1.518.943 1.438.736 1.391.552 1.338.935 1.301.366 1.261.364 1.218.896 1.173.158<br />
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508<br />
investive Zuweisungen außerhalb des FAG 433.000 354.000 328.000 302.000 276.000 250.000 224.000 198.000 172.000<br />
gesamte lfd. Nettozuweisungen durch das Land 1.990.661 1.998.712 1.941.576 1.903.810 1.860.752 1.832.886 1.802.731 1.770.259 1.734.666<br />
gesamte investive Nettozuweisungen durch das<br />
Land der Kommunen<br />
561.041 479.000 453.000 427.000 401.000 375.000 349.000 323.000 297.000<br />
Gesamte Nettozuweisungen durch das Land 2.551.702 2.477.712 2.394.576 2.330.810 2.261.752 2.207.886 2.151.731 2.093.259 2.031.666<br />
Gesamte lfd. Nettoeinnahmen der Kommunen 3.313.484 3.371.670 3.371.671 3.389.829 3.403.058 3.415.292 3.426.280 3.436.020 3.443.737<br />
Gesamte Nettoeinnahmen der Kommunen 3.874.525 3.850.670 3.824.671 3.816.829 3.804.058 3.790.292 3.775.280 3.759.020 3.740.737<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> (Rechnungen 2008, 2009 und 2010; Kassenstatistik 2011; Einwohnerentwicklung; Verbraucherpreisindices),<br />
BMF (Steuerschätzung vom November 2011) und eigene Berechnungen<br />
128
Um die Steuerkraft zu berechnen, die sich bei Verwendung der Hebesätze in den<br />
sechs Vergleichsländern (unterteilt in kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden)<br />
ergeben würden, sind die Schätzwerte der regionalisierten Steuerschätzung für<br />
die kreisfreien Städte mit einem Faktor von 0,9722 und die der kreisangehörigen<br />
Gemeinden mit einem Faktor von 1,034 zu multiplizieren.<br />
In der Modellrechnung wird davon ausgegangen, dass sich die Steuereinnahmen<br />
zwischen den kreisfreien Städten und dem kreisangehörigen Raum etwa (wie bisher)<br />
im Verhältnis von 26,4% zu 73,6% aufteilen. Hier wird es in der konkreten Praxis natürlich<br />
zu entsprechenden Abweichungen kommen, die bei der Aufteilung zukünftiger<br />
Steuerschätzungen zu berücksichtigen wären.<br />
Die Aufteilung der weiteren Zuweisungsanteile für Tilgungen, Bedarfszuweisungen<br />
und die Investitionspauschale entspricht der des Anpassungsmodells.<br />
Die Tabellen 27 (Teil 1) und (Teil 2) sind dabei Ausschnitte aus einer Gesamttabelle,<br />
in der für die Kommunen insgesamt, die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen<br />
Raum sowie die Landkreise und die kreisangehörigen Gemeinden sowohl die jeweiligen<br />
Finanzbedarfe, als auch die Aufteilung in die einzelnen Töpfe berechnet werden<br />
können. Ein weiterer Teil dieser Gesamttabelle wird in der Tabelle 29 im Abschnitt<br />
6.1.5. dargestellt. Die Überschriften dieser Tabellen sind deshalb identisch.<br />
6.1.4. Zur Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises<br />
im kreisangehörigen Raum und bei den kreisfreien<br />
Städten<br />
Das Land muss bei der Aufteilung der Teilfinanzausgleichmasse für den kreisangehörigen<br />
Raum sicherstellen, dass (ohne zusätzliche Erhöhung des entsprechend Artikel<br />
88 Abs. 1 angemessenen Finanzausgleichsvolumens) die sehr unterschiedlichen<br />
und gegenläufigen Vorgaben der Artikel 87 Abs. 3 und 88 Abs. 2 der Landesverfassung<br />
beachtet werden.<br />
Von daher führt wohl kein Weg an einer konkreten Bestimmung der notwendigen und<br />
angemessenen Finanzbedarfe im übertragenen Wirkungskreis vorbei. Das bisherige<br />
Verfahren des Landes zur Ermittlung dieser Finanzbedarfe stellt dafür durchaus eine<br />
geeignete Ausgangsbasis dar.<br />
Wenn man sich aus juristischer Sicht dafür entscheidet, dass die Steuereinnahmen<br />
der Kommunen nicht zur Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises dienen<br />
sollen, ist es allerdings sinnvoll, auch alle Einnahmen aus Umlagen als Refinanzierungsmittel<br />
außen vor zu lassen, denn Umlagen werden aus Steuern oder Schlüsselzuweisungen<br />
finanziert. Für die Kreisumlage wird dies auch so gehandhabt, nicht<br />
aber für die Umlagen zwischen den Gemeinden und hier insbesondere die Verbandsgemeindeumlage,<br />
deren Umfang und Bedeutung wohl noch weiter zunehmen<br />
dürfte.<br />
129
Wegen der allgemeinen Abgrenzung der Einnahmen zur Deckung des lfd. Bedarfs<br />
sollten zukünftig auch die Bedarfszuweisungen und die Zuführungen vom Vermögenshaushalt<br />
außen vor bleiben.<br />
Besonders stark wirken sich diese Korrekturen natürlich bei den kleineren kreisangehörigen<br />
Gemeinden aus. Ihr rechnerischer Bedarf steigt von 42,4 Mio. Euro um 23,6<br />
Mio. Euro auf fast 66 Mio. Euro an. Dadurch wird pro Einwohner mit 61,61 Euro fast<br />
der gleiche Wert wie bei den größeren kreisangehörigen Gemeinden mit 64,83 Euro<br />
erreicht.<br />
Damit entfällt auch der einzige Grund, der für die bisherige getrennte Berechnung für<br />
die kleineren und die größeren kreisangehörigen Gemeinden angeführt wurde. Der<br />
durchschnittliche Wert pro Einwohner aller kreisangehörigen Gemeinden liegt dann<br />
bei 62,93 Euro.<br />
Für die Kreise und die kreisfreien Städte ändert sich durch die Korrekturen erwartungsgemäß<br />
recht wenig.<br />
Es stellt sich natürlich die Frage, ob die so abgegrenzten Ist-Werte für die Zuschussbedarfe<br />
im pflichtigen übertragenen Wirkungskreis der Jahre 2008 bis 2010 als angemessen<br />
im Sinne des Artikels 87 Abs. 3 der Landesverfassung anzusehen sind.<br />
Da es für Korrekturen im Sinne der Angemessenheit eine ganze Reihe von Möglichkeiten<br />
gibt, sollen sie im Folgenden nebeneinander gestellt werden.<br />
Beim ersten relativ einfachen Verfahren werden die Zuschussbedarfe der Einzelpläne<br />
0 – 9 ohne den Einzelplan 4 aus den jeweiligen Vergleichsländern herangezogen<br />
und entsprechend der Relationen im kreisangehörigen Raum einerseits und den<br />
kreisfreien Städten andererseits für die Werte von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in pauschaler<br />
Weise proportionale Korrekturen vorgenommen.<br />
Beim zweiten Verfahren wird nach der Gliederungssystematik (aber ohne den Einzelplan<br />
4) vorgegangen, so dass die berechneten Zuschussbedarfe für pflichtige<br />
übertragene Aufgaben in sehr differenzierter Form korrigiert worden sind.<br />
Beim dritten Verfahren wird nur innerhalb der sachsen-anhaltischen Kommunen eine<br />
Angemessenheitsprüfung auf der Basis der Zuschussbedarfe V vorgenommen. Der<br />
Zuschussbedarf V muss hier verwendet werden, um die Zuschussbedarfe der kreisangehörigen<br />
Gemeinden und der Kreise sauber zu trennen.<br />
Im Bereich der kreisangehörigen Gemeinden werden zunächst die verbandsangehörigen<br />
Gemeinden mit ihren Verbandsgemeinden konsolidiert. Dadurch werden Verbandsgemeinden<br />
und Einheitsgemeinden vergleichbar gemacht. Insgesamt können<br />
so 119 Gemeinden, davon 18 Verbandsgemeinden, in ihren Strukturen verglichen<br />
werden. Verfahrensmäßig können entweder ganze Kommunen mit ihren Gesamtzuschussbedarfen<br />
V miteinander verglichen werden oder es kann eine Analyse nach<br />
Einzelplänen erfolgen.<br />
130
Tabelle 28:<br />
Korrekturmöglichkeiten zur Berechnung der Auftragskostenpauschale<br />
kleine<br />
Gemeinden<br />
große<br />
Gemeinden<br />
kreisangehörige<br />
Gemeinden<br />
Kreise<br />
kreisangehöriger<br />
Raum<br />
kreisfreie<br />
Städte<br />
insgesamt<br />
FAG 2013<br />
in 1.000 Euro 42.411 44.024 86.436 142.026 228.462 94.212 322.674<br />
in Euro pro E 39,61 58,94 47,55 78,13 125,68 171,36 136,29<br />
Noch abzuziehende<br />
Einnahmen (051, 072<br />
und 28)<br />
in 1.000 Euro 23.560 4.394 27.954 679 28.633 1.310 29.943<br />
in Euro pro E 22,00 5,88 15,38 0,37 15,75 2,38 12,65<br />
Nach systematischer<br />
Korrektur<br />
Nach pauschaler<br />
Korrektur aus dem<br />
Ländervergleich Ost<br />
in 1.000 Euro 65.971 48.419 114.389 142.705 257.095 95.522 352.617<br />
in Euro pro E 61,61 64,83 62,93 78,51 141,44 173,74 148,94<br />
in 1.000 Euro 56.446 41.428 97.874 122.101 219.975 83.950 303.925<br />
Nach pauschaler<br />
Korrektur aus dem in 1.000 Euro 56.157 41.216 97.374 121.477 218.851 85.039 303.890<br />
Ländervergleich West<br />
Nach pauschaler<br />
Korrektur aus Ost und in 1.000 Euro 56.302 41.322 97.624 121.789 219.413 84.495 303.908<br />
West<br />
Nach spezifischer<br />
Korrektur aus dem<br />
Ländervergleich Ost<br />
in 1.000 Euro 58.438 37.407 95.846 131.206 227.052 89.907 316.959<br />
Nach spezifischer<br />
Korrektur aus dem in 1.000 Euro 49.774 25.221 74.996 112.280 187.275 90.495 277.770<br />
Ländervergleich West<br />
Nach spezifischer<br />
Korrektur aus Ost<br />
und West<br />
Eigenes Benchmark<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
nach Kommunen<br />
Eigenes Benchmark<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
nach Einzelplänen<br />
in 1.000 Euro 54.106 31.314 85.421 121.743 207.163 90.201 297.364<br />
in 1.000 Euro 58.167 42.691 100.858 135.850 236.708 92.716 329.424<br />
in 1.000 Euro 51.902 38.093 89.995 132.712 222.707 84.383 307.090<br />
Durchschnitt in 1.000 Euro 55.147 37.676 92.823 125.938 218.761 87.748 306.510<br />
Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes, des<br />
Statistischen Landesamtes <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und des MF <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
131
Die Vorgehensweise ist in beiden Varianten ähnlich. Für die einzelnen kommunalen<br />
Gruppen wird jeweils der Wert einer relativ sparsamen Kommune ermittelt. Um Ausreißer<br />
nach unten zu eliminieren, werden Kommunen mit besonders niedrigen Zuschussbedarfen<br />
nicht berücksichtigt.<br />
Für die 119 kreisangehörigen Gemeinden wird zunächst für jedes Jahr der Durchschnitt<br />
aus der Median-Gemeinde, also bei einer Reihung nach Zuschussbedarfen<br />
pro Einwohner der 60. Gemeinde und der 90. Gemeinde gebildet und dieser als Prozentsatz<br />
des gewichteten arithmetischen Mittels ausgedrückt. Die 29 Gemeinden mit<br />
den niedrigsten Zuschussbedarfen bleiben bei diesem Vergleich also außen vor.<br />
Beim ersten Verfahren wird die Berechnung in jedem der drei Jahre nur für den gesamten<br />
lfd. Haushalt durchgeführt, beim zweiten jedoch für jeden Einzelplan gesondert.<br />
Im zweiten Fall können also nur die Jahre 2008 und 2009 einbezogen werden.<br />
Da Kommunen häufig nicht in allen Einzelplänen die gleiche Sparsamkeit (oder<br />
Großzügigkeit) walten lassen, führt das zweite Verfahren zwangsläufig zu geringeren<br />
Werten als das erste Verfahren. Da allerdings sichergestellt ist, dass Ausreißer nach<br />
unten für die Maßstabsbildung keine Rolle spielen, sind die Ergebnisse durchaus als<br />
Maßstab für „Angemessenheit“ anzusehen.<br />
Etwas schwieriger ist die Maßstabsbildung bei den Kreisen. Da es nur elf Kreise gibt,<br />
wird als Maßstab der Mittelwert aus dem Median-Kreis, der in der Rangfolge auf<br />
Platz 6 liegt und dem 9. Kreis gebildet. Die beiden sparsamsten Kreise bleiben bei<br />
dieser Betrachtung außen vor.<br />
Die drei kreisfreien Städte sind als statistische Masse natürlich zu klein, um Ausreißer<br />
zu eliminieren. Hilfsweise wird jeweils der Durchschnitt der beiden sparsamsten<br />
kreisfreien Städte ins Verhältnis zum gewichteten arithmetischen Mittel gesetzt.<br />
Schaut man sich die so ermittelten Ergebnisse an, sieht man, dass sie in der Gesamtsumme<br />
bei Werten zwischen 278 Mio. Euro (beim Maßstab der alten Vergleichsländer)<br />
und 329 Mio. Euro (beim Benchmark innerhalb von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
auf der Basis ganzer Haushalte) liegen und sich im Durchschnitt aller sechs Verfahren<br />
ein Wert von 307 Mio. Euro ergibt.<br />
Um kein verfassungsrechtliches Risiko einzugehen, könnte es sinnvoll sein, auf die<br />
sichere Seite zu gehen und auf die landesinterne Ermittlung des Maßstabes zurückzugreifen.<br />
Eine noch sinnvollere Alternative könnte im Sinne einer konsistenten Vorgehensweise<br />
darin bestehen, genau wie bei der Gesamtbedarfsermittlung einen Anpassungspfad<br />
an die Situation in den Vergleichsländern vorzusehen.<br />
Konkret würden dabei die Zuschussbedarfe der Vergleichsländer von 277,8 Mio. Euro<br />
als Ausgangsposition des Jahres 2009 angesehen und die Differenz zum tatsächlichen<br />
Zuschussbedarf in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> von 352,6 Mio. Euro in elf Schritten abgebaut.<br />
Für das FAG des Jahres 2013 würden 4/11 der Differenz abzubauen sein, so<br />
132
dass sich noch eine Anpassungszuweisung von 47,6 Mio. Euro ergeben würde. Der<br />
Basiswert von 277, 8 Mio. Euro wäre allerdings um die zwischenzeitlichen Kostenund<br />
Einwohnerentwicklungen fortzuschreiben. Nimmt man die gleichen Fortschreibungsraten<br />
wie in der Modellrechnung zur Ermittlung der FAG-Bedarfe, würde sich<br />
für das Jahr 2013 letztlich ein Wert von 353,9 Mio. Euro ergeben.<br />
Im vereinfachten Alternativverfahren wären allerdings auch sehr viel einfachere Lösungen<br />
vorstellbar. Die im Dreijahreszeitraum von 2008 – 2010 berechneten Beträge<br />
pro Einwohner von 62,93 Euro bei kreisangehörigen Gemeinden, 78,51 Euro bei<br />
Landkreisen und 173,74 Euro würden mit dem Verbraucherpreisindex fortgeschrieben.<br />
Für das Jahr 2013 ergäben sich somit Werte von 66,79 Euro bei kreisangehörigen<br />
Gemeinden, 83,33 Euro bei Landkreisen und 184,40 Euro pro Einwohner bei<br />
kreisfreien Städten.<br />
Es würde dann völlig ausreichen, wenn alle fünf oder sechs Jahre eine Neuberechnung<br />
erfolgen würde oder dann, wenn es zu erkennbaren Verwerfungen durch neue<br />
oder wegfallende Aufgaben kommt.<br />
In der folgenden Tabelle 29 ist dargestellt, wie sich auf der Basis der Daten der Tabelle<br />
27 die Auftragskostenpauschalen in den Jahren 2012 – 2020 entwickeln würden.<br />
Der Vollständigkeit halber sind dabei auch bereits die sonstigen steuerkraftunabhängigen<br />
Zuweisungen mit aufgenommen. Dabei ist zur Vereinfachung unterstellt, dass<br />
eine einwohnerbezogene Fortschreibung erfolgt. Diese kann natürlich auch durch<br />
einen anderen Bezug (proportional zu: SGB II; Zahl der Empfänger von Jugendhilfe;<br />
Fläche etc.) ersetzt werden.<br />
Wichtig ist nur, dass die jeweiligen Abzüge innerhalb der einzelnen kommunalen<br />
Gruppen erfolgen.<br />
Tabelle 29:<br />
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die kreisfreien Städte,<br />
Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter<br />
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020<br />
Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
- in 1000 Euro -<br />
Auftragskostenpauschale 360.169 361.930 363.739 365.479 367.084 368.546 369.873 371.060 372.018<br />
Anteil KF (Basiswert 173,74 Euro) 99.681 100.888 102.083 103.239 104.348 105.419 106.453 107.452 108.403<br />
Anteil KR 260.488 261.042 261.656 262.240 262.736 263.128 263.420 263.608 263.615<br />
Anteil K (Basiswert 78,51 Euro) 143.632 143.938 144.276 144.598 144.871 145.088 145.249 145.352 145.356<br />
Anteil G (Basiswert 62,93 Euro) 116.856 117.104 117.380 117.642 117.864 118.040 118.171 118.255 118.259<br />
Sonstige steuerkraftunabhängige<br />
Zuweisungen<br />
181.084 182.063 183.063 184.025 184.918 185.740 186.493 187.177 187.748<br />
Anteil KF (Basiswert 102,13 Euro) 59.474 60.195 60.908 61.598 62.259 62.898 63.515 64.111 64.679<br />
Anteil KR 121.610 121.868 122.155 122.427 122.659 122.842 122.978 123.066 123.069<br />
Anteil K (Basiswert 65,49 Euro) 121.610 121.868 122.155 122.427 122.659 122.842 122.978 123.066 123.069<br />
Anteil G 0 0 0 0 0 0 0 0 0<br />
133
6.1.5. Zwischenfazit für das bisherige Berechnungsverfahren<br />
Falls den Vorschlägen dieses <strong>Gutachten</strong>s gefolgt wird, könnte das bisherige Berechnungsverfahren<br />
für die Auftragskostenerstattung in leicht abgespeckter und modifizierter<br />
Form beibehalten werden, wobei es sicherlich nicht notwendig ist, solche<br />
Rechnungen jährlich oder alle zwei Jahre vorzunehmen. Eine Fortschreibung mit<br />
Preisindices sollte dafür auch ausreichen, so dass eine Neuberechnung nur alle vier<br />
bis sechs Jahre erfolgen müsste.<br />
Da sich bei der Untersuchung der Auftragskostenpauschale herausgestellt hat, dass<br />
sich die Zuschussbedarfe pro Einwohner im übertragenen Wirkungskreis bei kleinen<br />
und großen kreisangehörigen Gemeinden kaum voneinander unterscheiden, könnte<br />
die bisherige getrennte Berechnung unterbleiben, so dass nur noch zwischen den<br />
drei kommunalen Gruppen kreisangehörige Gemeinden, Kreise und kreisfreie Städte<br />
unterschieden werden müsste.<br />
Bei den Wirkungskreisen würde es ausreichen, zwischen dem übertragenen und<br />
dem eigenen Wirkungskreis (pflichtig und freiwillig zusammengefasst) zu unterscheiden,<br />
da die weitere Unterteilung keine praktische Bedeutung hat. Die Differenzierung<br />
zwischen dem pflichtigen und dem freiwilligen eigenen Wirkungskreis dient lediglich<br />
der Quantifizierung der Einzeltöpfe nach §7 (Grundsicherung für Arbeitssuchende),<br />
§8 (Sozialhilfe) und §11 (Hilfen zur Erziehung) des FAG. Da in den entsprechenden<br />
Gliederungen alle relevanten Zuschussbedarfe dem pflichtigen Bereich zugeordnet<br />
sind, kann auf die Trennung verzichtet werden.<br />
Bei der Abgrenzung der lfd. Bedarfe sollten zukünftig die Einnahmen aus Bedarfszuweisungen<br />
und Zuführungen vom Vermögenshaushalt nicht mehr als entsprechende<br />
Einnahmen verbucht werden.<br />
Und schließlich sollten Einnahmen aus Umlagen nicht mehr als Deckungsmittel für<br />
Aufgaben im übertragenen Bereich angerechnet werden.<br />
Aus Transparenz- und Vereinfachungsgründen erscheint es sinnvoll, zukünftig zunächst<br />
die gesamten Finanzausgleichsbedarfe für die (dann nur noch) drei kommunalen<br />
Gruppen ohne vorherige Trennung in die Wirkungskreise zu berechnen.<br />
Wenn nämlich erkennbar wird, dass die Gesamtbedarfe auf sehr einfache Weise ermittelt<br />
werden (können), dürfte das latente Misstrauen gegen das aufwändige Rechenverfahren<br />
deutlich reduziert werden. Hinzu kommt, dass es dann nicht mehr um<br />
die Höhe der Zuweisungen an sich, sondern nur noch um die jeweilige Aufteilung in<br />
Auftragskostenpauschalen, sonstige steuerkraftunabhängige und allgemeine steuerkraftabhängige<br />
Zuweisungen innerhalb der drei kommunalen Gruppen geht.<br />
Zur Bestimmung der angemessenen Finanzausgleichsmasse, der Aufteilung der Finanzausgleichsmasse<br />
auf kreisfreie Städte und den kreisangehörigen Raum, der<br />
notwendigen Anpassungszuweisungen sowie eventueller weiterer Anpassungszu-<br />
134
weisungen im Rahmen der Bemessung der Auftragskostenpauschalen sind Vergleichsberechnungen<br />
mit noch festzulegenden Vergleichsländern sinnvoll.<br />
Mit Blick auf das Jahr 2020 empfiehlt sich eine Orientierung an den alten Flächenländern<br />
Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, mit Blick auf die<br />
notwendigen spezifischen Anpassungspfade auch eine an den neuen Ländern Mecklenburg-Vorpommern,<br />
<strong>Sachsen</strong> und Thüringen.<br />
Die Entwicklungen in den Vergleichsländern können Orientierungshilfe leisten und<br />
notwendige Nachsteuerungen mit Blick auf dem Weg zum Jahr 2020 empirisch fundieren.<br />
Es würde sicherlich ausreichen, solche Berechnungen alle zwei bis vier Jahre<br />
zu aktualisieren und damit die Anpassungszuweisungen jeweils so nachzusteuern,<br />
dass bis zum Jahr 2020 die aktuellen Ausgabenüberhänge des Landes <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> selbst und seiner Kommunen abgebaut sind.<br />
Alternativ könnte allerdings auch ein sehr viel einfacheres FAG-Modell verwendet<br />
werden, bei dem die Zuschussbedarfe pro Einwohner real konstant gehalten bzw.<br />
fortgeschrieben werden. Solange die Wirtschaft (und die Steuereinnahmen) real mit<br />
mindestens 1% pro Jahr zunehmen, kommt es bis zum Jahr 2020 auch in einem solchen<br />
Modell zu einer Schließung der Lücken zu den Vergleichsländern.<br />
Dieses Verfahren hätte den großen Vorteil der Einfachheit und Berechenbarkeit und<br />
dürfte deshalb auf deutlich mehr Akzeptanz stoßen. Der Vergleich mit dem Niveau<br />
und der Entwicklung der Zuschussbedarfe in anderen Ländern wäre dann zwar auch<br />
nicht verzichtbar, würde aber eher zum Controlling des gesamten Prozesses dienen.<br />
Die aus heutiger Sicht erkennbaren Perspektiven für das Jahr 2020 zeigen, dass das<br />
Land seiner kommunalpolitischen Verantwortung vollumfänglich nachkommen kann,<br />
ohne dabei seine eigene Leistungsfähigkeit aufs Spiel zu setzen.<br />
Sowohl für das Land selbst, als auch für die Kommunen, sollte für den Zeitraum bis<br />
zum Jahr 2020 ein Höchstmaß an Planungssicherheit geschaffen werden. Die dafür<br />
notwendigen Regeln wären so zu gestalten, dass sie auch bei einer besonders<br />
schlechten oder besonders guten wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung Bestand<br />
haben können.<br />
6.2. Überblick über die wesentlichen Bestimmungen des horizontalen<br />
kommunalen Finanzausgleichs in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
Im horizontalen Finanzausgleich zwischen den Gemeinden und Landkreise werden<br />
in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zum einen steuerkraftunabhängige lfd. Zuweisungen im übertragenen<br />
und eigenen Wirkungskreis, zum anderen allgemeine Zuweisungen in Form<br />
von Schlüsselzuweisungen verteilt.<br />
135
Im FAG 2012 betragen die steuerkraftunabhängigen lfd. Mittel insgesamt 508,1 Mio.<br />
Euro, davon 322,7 Mio. Euro Auftragskostenerstattung, 10,2 Mio. Euro besondere<br />
Zuweisungen und 175,2 Mio. Euro besondere Ergänzungszuweisungen.<br />
Die Auftragskostenerstattung wird in vier Teiltöpfe für Landkreise, kreisfreie Städte,<br />
kreisangehörige Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern und kreisangehörige<br />
Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern (einschließlich Verwaltungsgemeinschaften<br />
und Verbandsgemeinden) zerlegt. Diese werden jeweils nach Einwohnern<br />
verteilt.<br />
Die besonderen Zuweisungen für die Aufgabenübertragung nach dem Ersten und<br />
Zweiten Funktionalreformgesetz werden auf die Landkreise und kreisfreien Städte zu<br />
90% nach Einwohnern und zu 10% nach der Fläche verteilt.<br />
Die Verteilung der besonderen Ergänzungszuweisungen erfolgt ebenfalls nur an<br />
Landkreise und kreisfreie Städte. Maßstäbe sind hier zum Teil die konkreten Nettoausgaben<br />
für die entsprechenden Aufgaben nach der Jahresrechnungsstatistik 2010<br />
(SGB II und SGB XII), zum Teil die Einwohnerzahl (§§ 11 bis 14 SGB VIII und § 7<br />
des Gesundheitsdienstgesetzes), zum Teil auch die Zahl der betroffenen jungen<br />
Menschen (§§ 27 bis 35 SGB VIII).<br />
Die danach noch verbleibende Schlüsselmasse (nach Verstärkung durch eine Entnahme<br />
von 20 Mio. Euro aus dem Ausgleichsstock und einem Abzug der Abrechnung<br />
aus Vorjahren im Umfang von 26,65 Mio. Euro) beträgt knapp 877 Mio. Euro.<br />
Davon erhalten die kreisfreien Städte 27%, die Landkreise knapp 30% und die kreisangehörigen<br />
Gemeinden gut 43%. Von den Schlüsselmassen für die Kreise werden<br />
vorab 10 Mio. Euro und von der für die kreisfreien Städte 0,3 Mio. Euro entnommen<br />
und nach der Länge der Kreisstraßen verteilt.<br />
Die drei Schlüsselmassen werden so auf die kreisangehörigen Gemeinden, kreisfreien<br />
Städte und Landkreise verteilt, dass für jede Kommune die Differenz aus ihrer<br />
Bedarfsmesszahl und ihrer Steuerkraft- bzw. Umlagekraftmesszahl zu 70 % ausgeglichen<br />
wird.<br />
Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Steuerkraftmesszahl bzw. die Umlagekraftmesszahl<br />
den Wert der Bedarfsmesszahl unterschreitet. Ist dies nicht der Fall, erhält<br />
die Kommune keine Schlüsselzuweisungen und wird als abundant bezeichnet.<br />
Zur Ermittlung der Steuerkraftmesszahl wird die Summe aus den Steuerkraftzahlen<br />
der Gewerbesteuer, der Grundsteuern und der Gemeindeanteile an der Einkommenund<br />
Umsatzsteuer gebildet. Bei der Einkommen- und Umsatzsteuer wird das Ist-<br />
Aufkommen der Referenzperiode einbezogen, während bei den Realsteuern jeweils<br />
einheitliche (fiktive) Hebesätze unterstellt werden.<br />
Als Referenzperiode für die Grundsteuern und die Gemeindeanteile an der Einkommen-<br />
und Umsatzsteuer wird das vorvergangene Jahr, für das FAG 2012 also das<br />
136
Jahr 2010 verwendet. Für die Gewerbesteuer wird ein Zeitraum von drei Jahren, für<br />
das FAG 2012 also das Aufkommen der Jahre 2008 bis 2010 herangezogen.<br />
Dies geschieht in der Form, dass für jede Gemeinde und bei der Gewerbesteuer für<br />
jedes der drei Jahre, das Ist-Aufkommen durch die tatsächlichen Hebesätze dividiert<br />
und dann wieder mit den fiktiven Hebesätzen multipliziert wird. Bei der Gewerbesteuer<br />
wird dabei vor dieser Normierung die Gewerbesteuerumlage abgezogen. Damit<br />
soll eigentlich erreicht werden, dass das kommunale Hebesatzrecht nicht durch<br />
eine gegenläufige Entwicklung der Schlüsselzuweisungen ausgehebelt wird.<br />
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wird dies in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> allerdings nur<br />
teilweise erreicht, weil eben bereits vor der Normierung die Gewerbesteuerumlage<br />
abgezogen wird und nicht erst nach der Normierung. Damit wird das Hebesatzrecht<br />
wieder zum Teil ausgehebelt.<br />
In dieser Modellrechnung ist zur Vereinfachung nur ein Jahr einbezogen worden.<br />
Vom hebesatzbedingten Mehraufkommen von 1,25 Mio. Euro verbleibt der Gemeinde<br />
A nur 1,15 Mio. Euro, während die Gemeinde B anstatt der hebesatzbedingten<br />
Mindereinnahmen von 1,25 Mio. Euro nur Mindereinnahmen von 1,03 Mio. Euro hat.<br />
Die Normierung sollte deshalb besser so erfolgen, dass die hebesatzbedingten<br />
Mehr- oder Minderaufkommen vollumfänglich erhalten bleiben.<br />
Tabelle 30:<br />
Gemeinde<br />
Normierungsverfahren für die Gewerbesteuer in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
Hebesatzbedingte<br />
Mehr-<br />
/ Mindereinnahmen<br />
Bruttoaufkommen<br />
bei<br />
durchschnittlichem<br />
Hebesatz von<br />
Gewerbesteuerumlage<br />
Netto nach<br />
Abzug der<br />
Gewerbesteuerumlage<br />
Hohe fiktive Hebesätze erhöhen den Grad der Umverteilung zugunsten der Gemeinden<br />
mit niedriger Steuerkraft, während niedrige fiktive Hebesätze das Gegenteil bewirken.<br />
Mit der Festlegung der fiktiven Hebesätze auf 100% der gewichteten durchschnittlichen<br />
Hebesätze wird (im Durchschnitt) das Nettorealsteueraufkommen (von<br />
der Anrechnungsverzerrung abgesehen) vollständig in den Finanzausgleich einbezogen.<br />
praktiziertes Verfahren<br />
Nettoaufkommen<br />
auf 325<br />
Normierung<br />
Punkte<br />
korrektes Verfahren<br />
Normierung<br />
auf 325<br />
Punkte<br />
Bruttoaufkommen<br />
Hebesätze<br />
Messbeträge<br />
Anrechnungsverzerrung<br />
durch falsche<br />
Reihenfolge<br />
325<br />
A 1.000.000 450 4.500.000 3.250.000 1.250.000 350.000 4.150.000 2.997.222 3.250.000 2.900.000 97.222<br />
B 1.000.000 200 2.000.000 3.250.000 -1.250.000 350.000 1.650.000 2.681.250 3.250.000 2.900.000 -218.750<br />
Die jeweilige Bedarfsmesszahl ergibt sich als Produkt aus dem Gesamtansatz und<br />
dem jeweiligen einheitlichen Grundbetrag. Der einheitliche Grundbetrag wird dabei<br />
rechnerisch so festgelegt, dass die zur Verfügung stehende Schlüsselmasse genau<br />
ausgeschöpft wird.<br />
137
Durch den Gesamtansatz wird bestimmt, wie viele Bedarfseinheiten einer Gemeinde<br />
oder einem Landkreis zugerechnet werden.<br />
6.3. Anforderungen an ein rationales System zur Verteilung von<br />
nicht zweckgebundenen Zuweisungen an Gemeinden und<br />
Landkreise<br />
Für die Verteilung nicht zweckgebundener Zuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände<br />
sind im Prinzip immer drei Elemente zu beachten. Zum Ersten die<br />
Bestimmung des Bedarfs, zum Zweiten die Ermittlung der eigenen Steuerkraft oder<br />
Umlagekraft (vor Zuweisungen) und zum Dritten der angemessene Ausgleich zwischen<br />
Finanzbedarfen und Steuer- bzw. Umlagekraft.<br />
Wenn alle Gemeinden die gleichen Aufgaben wahrzunehmen hätten und auch keine<br />
Belastungsunterschiede pro Einwohner vorhanden wären, bedürfte es keiner weiteren<br />
Analyse der Bedarfsseite, sondern die Zahl der Bedarfseinheiten wäre in allen<br />
Gemeinden mit der Zahl der Einwohner identisch.<br />
Es ist offensichtlich, dass diese Gleichverteilung der Finanzbedarfe in der Realität<br />
nicht zutrifft, sondern zwischen den Gemeinden aus ihrer eigenen Geschichte und<br />
Selbstverwaltung heraus oder weil der Gesetzgeber es so festgelegt hat, eine Arbeitsteilung<br />
entstanden ist. Auch die Kostenbelastung (pro Einwohner) aus der<br />
Wahrnehmung gesetzlich vorgegebener und in ihrer Ausgestaltung weitgehend normierter<br />
Aufgaben kann sehr unterschiedlich sein.<br />
Eine Gemeinde mit einer hohen Quote von Kindern unter 6 Jahren wird durch die<br />
Bereitstellung von KiTa-Plätzen stärker belastet als eine Gemeinde mit einer niedrigen<br />
Quote.<br />
Eine Gemeinde, in die täglich viele Menschen einpendeln, um dort zu arbeiten oder<br />
auch zur Schule zu gehen, wird mit Infrastrukturkosten regelmäßig höher belastet als<br />
eine reine Wohngemeinde.<br />
Gemeinden, in denen sich ständig viele Personen aufhalten und die Infrastruktur nutzen,<br />
die nicht als Einwohner zählen bzw. gemeldet sind, haben ebenfalls höhere<br />
Aufwendungen (pro Einwohner). Dies gilt insbesondere für Kurorte, Militärstandorte<br />
und Gemeinden, die Hochschulen beherbergen.<br />
Gemeinden, die als Oberzentren Theater, Oper, Konzert und vielleicht sogar Ballett<br />
anbieten oder einen Zoo unterhalten, haben in der Regel einen höheren Aufwand als<br />
Gemeinden ohne solche Angebote.<br />
Und eine großflächige ländliche Gemeinde, die aus einer Vielzahl einzelner Dörfer<br />
besteht, hat häufig einen höheren Aufwand für Straßen, Brandschutz und Rettungsdienst,<br />
Schülerbeförderungskosten und dezentrale Infrastrukturangebote als eine<br />
kompakte Gemeinde (soweit hier nicht schon wieder gegenläufige zusätzliche Ballungskosten<br />
entstehen).<br />
138
Auf der anderen Seite weisen Verdichtungsräume mit großstädtischen Strukturen in<br />
aller Regel sehr viel höhere soziale Kosten (pro Einwohner) als ländliche Räume auf.<br />
Gemeinden, die einmal eine Infrastruktur für deutlich mehr Einwohner vorgehalten<br />
haben und aufgrund des demografischen Wandels oder schlechter wirtschaftlicher<br />
Entwicklung stark schrumpfen, können ihre Schulden, Pensionslasten, Infrastrukturkosten<br />
etc. häufig nicht im gleichen Tempo wie Ihre Einwohnerzahl reduzieren und<br />
sind deshalb (pro Einwohner) besonders belastet. Umgekehrt müssen stark wachsende<br />
Gemeinden zunächst erheblich in neue Infrastruktur investieren und werden<br />
dadurch ebenfalls (zumindest zeitweise) zusätzlich belastet.<br />
Bei hoher Langzeitarbeitslosigkeit mit einer großen Zahl von Bedarfsgemeinschaften,<br />
für die ein Großteil der Kosten der Unterkunft finanziert werden muss, ist die Belastung<br />
der jeweiligen Landkreise und kreisfreien Städte im Regelfall höher als in Kommunen<br />
mit einer geringen Quote von Langzeitarbeitslosen.<br />
Was von solchen tatsächlichen (zuweilen aber auch nur behaupteten) Mehrbelastungen<br />
im Finanzausgleich anzuerkennen ist, kann letztlich nur politisch entschieden<br />
werden. Schaut man sich die Finanzausgleichsgesetze der dreizehn Flächenländer<br />
in Deutschland an, wird deutlich, dass die konkrete Entscheidung, welche Aufgaben<br />
die Anerkennung von Sonderbedarfen auslösen können, in den einzelnen Ländern<br />
sehr unterschiedlich beurteilt wird.<br />
Dennoch gibt es natürlich einige Grundregeln, deren Beachtung nicht nur ökonomisch,<br />
sondern auch verfassungsrechtlich geboten ist.<br />
Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass der Teil der Bedarfe, der durch spezifische<br />
Einnahmen aus Gebühren, Beiträgen und Entgelten finanziert werden kann, für<br />
den kommunalen Finanzausgleich keine Rolle spielen sollte, sondern nur der Teil,<br />
der aus eigenen Steuern oder Zuweisungen vom Land finanziert werden muss.<br />
Für diesen Teil des Bedarfs muss das aus dem Grundgesetz ableitbare Grundprinzip<br />
gelten, dass jede mit einer Zuweisungserwartung verbundene Abweichung vom einheitlichen<br />
Bedarf pro Einwohner (die ja dann mit Umverteilungen verbunden ist) in<br />
geeigneter und nachvollziehbarer Form begründet werden muss.<br />
Notwendige Voraussetzung für die Anerkennung von Sonderbedarfen (darunter wird<br />
hier jede Abweichung vom einheitlichen Bedarf pro Einwohner verstanden) ist insbesondere,<br />
dass diese Sonderbedarfe nicht auf autonome Entscheidungen der Gemeinden,<br />
sondern auf exogene Faktoren zurückzuführen sind. Dazu zählen insbesondere<br />
die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben, von der Gemeinde nicht (oder jedenfalls<br />
nicht kurz- und mittelfristig) beeinflussbare Wirtschafts- und Sozialstrukturen sowie<br />
der Zuschnitt, die Größe und siedlungsstrukturelle Einordnung der Gemeinde<br />
(die häufig ihrerseits auf gesetzlichen Vorgaben beruht).<br />
Zum Zweiten ist bei der Anerkennung von Abweichungen vom einheitlichen Bedarf<br />
pro Einwohner im Regelfall strikt darauf zu achten, dass die dadurch erreichbaren<br />
139
höheren Schlüsselzuweisungen oder steuerkraftunabhängigen Zuweisungen nicht<br />
die durchschnittlich notwendigen Kosten aus den Sonderbedarfen überschreiten.<br />
Insbesondere im Bereich der Sozialleistungen wäre es nämlich völlig kontraproduktiv,<br />
wenn die Gemeinden ein finanzielles Interesse an einer möglichst großen Zahl<br />
von Fällen hätten. Dies gilt vor allem dann, wenn die Bedarfsindikatoren so definiert<br />
werden, dass die Gemeinden (entgegen der ersten Grundregel) in der Lage sind, die<br />
Zahl der zugrunde gelegten Fälle maßgeblich mit zu steuern.<br />
Mit der Forderung nach einer Begrenzung der Bedarfsansätze auf die „durchschnittlich<br />
notwendigen Kosten“ wird implizit die dritte Regel angesprochen, dass nämlich<br />
möglichst nicht die tatsächlichen Kosten der einzelnen Gemeinden anerkannt werden,<br />
sondern nur Durchschnittswerte in Form von Sollkosten, d.h. normierte bzw.<br />
pauschalierte Ansätze verwendet werden sollten. Dadurch verbleiben nämlich für die<br />
einzelnen Gemeinden entsprechende Anreize zur Kostensenkung.<br />
Im Übrigen müsste ein Bedarfsansatz (auch in der Form normierter Beträge), der<br />
systematisch dazu führt, dass die zusätzlich erreichbaren Zuweisungen höher als die<br />
Kosten ausfallen, als eindeutiger Verstoß gegen das verfassungsrechtlich begründbare<br />
Verbot einer Übernivellierung angesehen werden.<br />
Fasst man die hier dargestellten Regeln in Form eines Prüfrasters zusammen, ergeben<br />
sich die folgenden Prüffragen:<br />
1. Ist der Sonderbedarf exogen verursacht und hinreichend begründet?<br />
2. Ist der Sonderbedarf in nachvollziehbarer und korrekter Weise quantifiziert?<br />
3. Wird zur Umsetzung ein Sollkostenansatz verwendet?<br />
4. Wird das Kostenüberschreitungs- bzw. Übernivellierungsverbot beachtet?<br />
5. Ist es ausgeschlossen, dass die Gemeinden aus finanziellen Gründen gesellschaftlich<br />
eher unerwünschte Sonderbedarfe verstärken wollen und können?<br />
Falls alle fünf Fragen mit ja beantwortet können, muss dem Gesetzgeber zugestanden<br />
werden, dass er im Rahmen seiner legitimen weiten Ermessensspielräume gehandelt<br />
hat. Auch in solchen Fällen mag man die Entscheidungen als negativ betroffene<br />
Gemeinde kritisch beurteilen oder politisch anderer Meinung sein, eine negative<br />
verfassungsrechtliche Bewertung dürfte dann aber wohl ausgeschlossen sein.<br />
Bei der Ermittlung der eigenen Finanzkraft empfiehlt sich aus vielerlei Gründen eine<br />
Beschränkung auf die Realsteuern und die Gemeindeanteile an der Einkommen- und<br />
Umsatzsteuer.<br />
Während bei den Gemeindeanteilen an der Einkommen- und Umsatzsteuer eine<br />
vollständige Einbeziehung geboten ist, stellt sich bei den Realsteuern die Frage, welche<br />
Hebesatzanspannung als angemessen angesehen wird. Da im Regelfall Kommunen<br />
eigene Leistungen erbringen (oder in früheren Jahren Vorleistungen erbracht<br />
haben), damit insbesondere Gewerbesteuer-, aber auch Grundsteuereinnahmen<br />
140
entstehen, wäre es denkbar, eine Art Werbungskostenpauschale in Abzug zu bringen.<br />
Dies wäre allerdings nur dann geboten, wenn ein vollständiger oder nahezu vollständiger<br />
Ausgleich zwischen Steuerkraft und Finanzbedarf stattfinden soll. Ist dies jedoch<br />
nicht der Fall, sondern wird die Differenz nur teilweise ausgeglichen, spricht aus<br />
Gründen der Klarheit und Transparenz sehr viel dafür, die Einnahmen aus den Realsteuern<br />
vollständig zu berücksichtigen und zur Erhaltung der Hebesatzautonomie<br />
normierte Hebesätze zu verwenden.<br />
Die Höhe der normierten Hebesätze sollte sich dabei an den durchschnittlichen Hebesätzen<br />
der kreisangehörigen Gemeinden einerseits und der kreisfreien Städte andererseits<br />
orientieren. Liegen nämlich die normierten Hebesätze unter den durchschnittlichen,<br />
kommt es beim Ausgleichsverfahren zu einer Begünstigung der steuerstarken<br />
Gemeinden. Liegen die normierten Hebesätze über den durchschnittlichen,<br />
kommt es zu einer Begünstigung der steuerschwachen Gemeinden.<br />
Das Gleiche gilt auch für die Normierung der Umlagekraft bei den Landkreisen. Um<br />
entsprechende Umverteilungseffekte zu vermeiden, sollte auch hier der gewichtete<br />
durchschnittliche Umlagesatz verwendet werden.<br />
Für die Normierung der Hebesätze bei den kreisfreien Städten ist es dabei unschädlich,<br />
dass nur drei Städte zur Durchschnittsbildung beitragen, denn es geht jetzt nicht<br />
mehr um eine Verteilungsfrage zu Gunsten oder zu Ungunsten der Gruppe der kreisfreien<br />
Städte, sondern nur um die Verteilung einer festen Summe zwischen den drei<br />
kreisfreien Städten.<br />
Wie im Unterkapitel 6.2. schon dargestellt, sollte die Normierung so erfolgen, dass<br />
das Bruttoaufkommen zunächst durch den eigenen Hebesatz dividiert und anschließend<br />
mit dem normierten Hebesatz multipliziert wird. Die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuerumlage<br />
ist erst anschließend abzuziehen. Auf diese Weise bleiben hebesatzbedingte<br />
Mehr- oder Mindereinnahmen voll erhalten. Für die Ermittlung der<br />
normierten Umlagekraft der Landkreise gilt im Prinzip das gleiche Verfahren.<br />
Beim Ausgleichsverfahren haben die Länder grundsätzlich einen sehr weiten Ermessensspielraum.<br />
Dabei muss jedoch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der<br />
grundgesetzlich geschützten Steuerautonomie der Gemeinden einerseits und der<br />
Forderung der Landesverfassung nach einem angemessenen Ausgleich der Unterschiede<br />
zwischen der unterschiedlichen Finanzkraft (pro Bedarfseinheit) der Gemeinden<br />
gefunden werden.<br />
Ohne Frage hat der Landesgesetzgeber hier einen großen Ermessensspielraum,<br />
muss allerdings einige Mindestanforderungen beachten:<br />
1. Das Ausgleichssystem und die Ausgleichsquote müssen so konstruiert sein,<br />
dass auch finanzschwache Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre notwendigen<br />
Aufgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung zu finanzieren.<br />
141
2. Die Finanzkraftreihenfolge (pro Bedarfseinheit) darf durch die Ausgleichszuweisungen<br />
nicht verändert werden (Verbot der Übernivellierung), aber auch<br />
eine vollständige Nivellierung ist auf der Gemeindeebene unzulässig. Ob das<br />
Nivellierungsverbot auch für die Ebene der Landkreise gilt, ist strittig 14 .<br />
3. Sprungstellen der Art, dass ein zusätzlicher Einwohner, eine zusätzliche Bedarfseinheit<br />
oder ein zusätzlicher Euro Steuereinnahmen zu erheblichen Veränderungen<br />
der Finanzkraft (nach dem Ausgleich) führt, sind zu vermeiden.<br />
Knickstellen und angemessen gerundete Interpolationen sind dagegen zulässig.<br />
4. Die Ausgleiche sollten so zeitnah erfolgen, dass eine stetige Haushaltsgestaltung<br />
ermöglicht wird und ein hohes Maß an Planungssicherheit entsteht.<br />
Auf der Basis dieser wenigen Grundregeln zur Bedarfsbestimmung, zur Finanzkraftmessung<br />
und zur Konstruktion des Ausgleichsverfahrens sollen in den folgenden<br />
Unterkapiteln die einzelnen Bestimmungen im horizontalen Finanzausgleich analysiert<br />
und ggf. Alternativen entwickelt werden.<br />
Dabei werden zunächst die Verteilungssysteme für die allgemeinen Zuweisungen<br />
(Schlüsselzuweisungen) und danach die verschiedenen steuerkraftunabhängigen<br />
Zuweisungen sowie die Investitionspauschale untersucht.<br />
6.4. Der horizontale Finanzausgleich auf der Ebene der Gemeinden<br />
6.4.1. Das bisherige Verfahren<br />
Das Verfahren zur Verteilung der allgemeinen Zuweisungen ist in den §§ 12 bis 14<br />
des FAG normiert. Im § 12 erfolgt die bereits beschriebene Aufteilung der allgemeinen<br />
Zuweisungen auf die drei Teilmassen für kreisfreie Städte, Landkreise und die<br />
kreisangehörigen Gemeinden. Außerdem wird festgelegt, dass die Ausgleichsquote<br />
zwischen Bedarfsmesszahl und Steuerkraftmesszahl 70% betragen soll.<br />
Der § 13 enthält die Regelungen zur Berechnung der Bedarfsmesszahlen. Die Bedarfsmesszahlen<br />
ergeben sich in den drei kommunalen Gruppen jeweils als Produkt<br />
aus einem Hauptansatz und einem Grundbetrag, der jeweils so bestimmt wird, dass<br />
die zur Verfügung stehende Ausgleichsmasse ausgeschöpft wird.<br />
Die Bedarfsmesszahlen selbst dürfen keinesfalls mit dem durchschnittlichen angemessenen<br />
Finanzbedarf der einzelnen Gemeinden verwechselt werden, sondern<br />
liegen wesentlich höher. Sie zeigen zum einen an, bis zu welcher Steuerkraft noch<br />
ergänzende Schlüsselzuweisungen fließen, zum anderen entspricht die Relation der<br />
Bedarfsmesszahlen verschiedener Gemeinden ihren im Finanzausgleich anerkann-<br />
14 So erfolgt z.B. in Nordrhein-Westfalen auf der Kreisebene ein vollständiger Ausgleich zwischen<br />
Finanzbedarf und Umlagekraft, der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform angesehen<br />
wird.<br />
142
ten Bedarfsrelationen, die in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ausschließlich durch den Hauptansatz<br />
bestimmt werden.<br />
Der Hauptansatz errechnet sich als Produkt aus der Einwohnerzahl und dem Gemeindegrößenansatz.<br />
Bei kreisangehörigen Gemeinden beträgt der Gemeindegrößenansatz<br />
bei Gemeinden bis 7.999 Einwohner 100%, bei 8.000 bis 24.999 Einwohnern<br />
102 bis 112% und mit 25.000 bis 60.000 Einwohnern 113 bis 130%.<br />
In Verbandsgemeinden wird für jede Mitgliedsgemeinde der Gemeindegrößenansatz<br />
angerechnet, der sich aus der Gesamtsumme der Einwohner der Verbandsgemeinde<br />
ergibt.<br />
Mittelzentren erhalten einen Zuschlag von 20 Punkten.<br />
Bei den kreisfreien Städten erhält Dessau-Roßlau einen Gemeindegrößenansatz von<br />
100% und Halle sowie Magdeburg jeweils einen von 112 %.<br />
Zur Ermittlung der Steuerkraftmesszahlen werden für die Grundsteuern und die Gemeindeanteile<br />
an der Umsatz- und der Einkommensteuer die Einnahmen des vorvergangenen<br />
Jahres, für 2012 also die des Jahres 2010, als Basis verwendet. Bei<br />
der Gewerbesteuer wird der Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2010 (nach Normierung)<br />
angerechnet.<br />
Wie schon oben erläutert, ist das Verfahren so angelegt, dass zunächst die Gewerbesteuerumlage<br />
abgezogen wird und danach erst die Normierung erfolgt.<br />
Das Verfahren wird zusätzlich dadurch besonders kompliziert, dass bei vertraglich<br />
vereinbarten unterschiedlichen Realsteuerhebesätzen in einzelnen Ortsteilen diese<br />
im Detail in die Berechnungen einbezogen werden.<br />
6.4.2. Zur Aufteilung der allgemeinen Zuweisungen auf die<br />
kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum<br />
Obwohl im bisherigen System mit großer Akribie eine quasi Cent-genaue Aufteilung<br />
der Finanzausgleichsmasse auf die vier kommunalen Gruppen erfolgt, wird dieser<br />
Ansatz bei der Verteilung der allgemeinen Zuweisungen wieder völlig über Bord geschmissen.<br />
Die in den vier kommunalen Gruppen nach der Verteilung der steuerkraftunabhängigen<br />
Zuweisungen noch verbleibenden Mittel werden am Schluss wieder<br />
in einem Topf zusammengefasst und den (dann nur noch) drei kommunalen<br />
Gruppen nach festen Quoten zugeordnet.<br />
Die kreisfreien Städte erhalten 27%, die Landkreise 29,97677% und die kreisangehörigen<br />
Gemeinden 43,02323%. Es kommt dadurch im Jahr 2012 zu einer Umverteilung<br />
(gegenüber den berechneten Bedarfen) zugunsten der Landkreise (+11,38 Mio.<br />
Euro) und der kreisfreien Städte (+15,38 Mio. Euro) und zulasten der kreisangehörigen<br />
Gemeinden (-26,75 Mio. Euro).<br />
143
Zukünftig sollten zumindest die für die allgemeinen Zuweisungen verbleibenden Mittel<br />
der kreisfreien Städte einerseits und des kreisangehörigen Raums andererseits<br />
getrennt verteilt werden. Innerhalb des kreisangehörigen Raums ist eine solche Vermischung<br />
ökonomisch gesehen relativ unschädlich, weil die allgemeinen Zuweisungen<br />
und die Umlagen als kommunizierende Röhren anzusehen sind.<br />
6.4.3. Zur Bestimmung der Bedarfe<br />
Bei der Bedarfsermittlung im kreisangehörigen Raum wird nur auf die beiden Bedarfsindikatoren<br />
Einwohnerzahl und Zentralität abgestellt.<br />
In formaler Hinsicht enthält der Gemeindegrößenansatz bei 8.000 und bei 25.000<br />
Einwohnern jeweils eine Sprungstelle. Bei einem Grundbetrag von 631,56 Euro und<br />
einer Sprungstelle von 100% auf 102% beim Übergang von 7.999 auf 8.000 Einwohner<br />
erhöht sich die Bedarfsmesszahl um 101.049 Euro und die zusätzlichen Schlüsselzuweisungen<br />
betragen somit 70.734 Euro.<br />
Bei 25.000 Einwohnern führt die Sprungstelle von 112% auf 113% zu einer Zunahme<br />
der Bedarfsmesszahl um 157.889 Euro und der Schlüsselzuweisungen um 110.522<br />
Euro.<br />
Diese Sprungstellen sind finanziell so bedeutsam, dass sie nur dann akzeptabel erscheinen,<br />
wenn sie plausibel begründet werden können. Ansonsten sollten sie zukünftig<br />
vermieden werden.<br />
Formal gibt es bei 150.000 Einwohnern im Bereich der kreisfreien Städte durch die<br />
Erhöhung des Gemeindegrößenansatzes von 100% auf 112% eine gewaltige<br />
Sprungstelle von 18,9 Mio. Euro bei der Bedarfsmesszahl und 13,2 Mio. Euro bei<br />
den Schlüsselzuweisungen. Da es allerdings zwischen Dessau-Roßlau mit 86.906<br />
und Magdeburg mit 231.525 Einwohnern keine Städte gibt, entfaltet die Sprungstelle<br />
keine praktische Relevanz.<br />
Neben dieser Sprungstellenproblematik stellt sich natürlich generell die Frage nach<br />
der empirischen Fundierung der Spreizung der Hauptansätze, aber natürlich auch,<br />
ob der Bedarfszuschlag von 20 Punkten für Mittelzentren als angemessen anzusehen<br />
ist.<br />
Und schließlich ist natürlich die Frage zu stellen, ob es andere wesentliche Bedarfsindikatoren<br />
gibt, die geeignet sind, Unterschiede zwischen den Zuschussbedarfen<br />
der einzelnen Gemeinden in statistisch signifikanter Weise zu erklären.<br />
144
Im Folgenden soll deshalb mit Hilfe der Regressionsanalyse überprüft werden, welche<br />
Einflussfaktoren für die Höhe der Zuschussbedarfe pro Einwohner in den Einzelplänen<br />
und insgesamt identifizierbar sind 15 .<br />
Da im Bereich der drei kreisfreien Städte eine entsprechende statistische Analyse<br />
nicht durchführbar ist, muss das Verfahren auf die Gemeinden im kreisangehörigen<br />
Raum beschränkt bleiben. Dabei erscheint es sinnvoll, im Bereich der Verbandsgemeinden<br />
eine Konsolidierung der Daten vorzunehmen. Untersucht werden also die<br />
101 Einheitsgemeinden und die 18 Verbandsgemeinden, so dass insgesamt 119<br />
Gemeinden analysiert werden können.<br />
Die Grundgesamtheit ist somit groß genug, um eine Vielzahl von möglichen Einflussfaktoren<br />
simultan in Form eines multiplen Regressionsmodells überprüfen zu können.<br />
Als zu erklärende Größe bietet sich der Zuschussbedarf V an. Da ab Anfang<br />
März 2012 auch die Rechnungsergebnisse des Jahres 2010 zur Verfügung standen,<br />
sind diese für die Regressionsanalyse verwendet worden.<br />
Im Zuschussbedarf V werden die Zahlungen an und von Gemeinden und Gemeindeverbände<br />
(Kreise und Verbandsgemeinden) nicht als Ausgaben bzw. Einnahmen<br />
verbucht. Im Ergebnis wird also die Differenz zwischen den lfd. Ausgaben (ohne Zahlungen<br />
an Land und Kommunen) und den lfd. Einnahmen (ohne Zahlungen vom<br />
Land und von Kommunen) erfasst.<br />
Um hinreichend differenzierte, aber noch handhabbare Ergebnisse zu erhalten, werden<br />
die Zuschussbedarfe pro Einwohner der zehn Einzelpläne einzeln und insgesamt<br />
analysiert.<br />
Die Auswahl der potenziellen erklärenden Faktoren orientiert sich an den bisherigen<br />
Hypothesen im FAG, plausiblen weiteren Faktoren und den Erfahrungen und Ergebnissen<br />
aus entsprechenden Regressionsanalysen der gemeindlichen Zuschussbedarfe<br />
in anderen Bundesländern.<br />
Die folgenden Variablen werden in die Analyse einbezogen<br />
1. Fläche in qkm pro Einwohner<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass in sehr dünnbesiedelten Gemeinden höhere<br />
Zuschussbedarfe als in dichter besiedelten Gemeinden entstehen.<br />
2. Einwohner pro Fläche (in qkm)<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass bei einer starken Zusammenballung von<br />
Menschen auf engstem Raum höhere Zuschussbedarfe pro Einwohner entstehen<br />
können.<br />
3. Wurzel der Einwohnerzahl<br />
15 Einen sehr guten Überblick über das Verfahren und die zu beachtenden Anwendungsbedingungen<br />
der Regressionsanalyse gibt z.B.: von Auer, L., 2011, Ökonometrie, Eine Einführung (5. Auflage),<br />
Heidelberg u.a.O. Für die konkrete und praktische Anwendung bei der Bedarfsbestimmung im kommunalen<br />
Finanzausgleich vgl.: Deubel, I., 2011, Mehr Gerechtigkeit im kommunalen Finanzausgleich?<br />
Das GFG 2011 und die Eckdaten zum GFG 2012, Bad Kreuznach, S. 62ff.<br />
145
Dahinter steht die Hypothese, dass in (nach der Einwohnerzahl) größeren<br />
Gemeinden die Zuschussbedarfe pro Einwohner zunehmen. Die Wurzel der<br />
Einwohner hat sich dabei empirisch bewährt, weil die Zuwächse pro Einwohner<br />
bei zunehmender Einwohnerzahl keineswegs linear, sondern allenfalls<br />
degressiv zunehmen 16 .<br />
4. Wachstumsrate der Einwohnerzahl in den letzten 5 Jahren<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass in stärker schrumpfenden Gemeinden (also<br />
solchen mit einer negativen Wachstumsrate) durch Kostenremanenzen die<br />
Zuschussbedarfe pro Einwohner steigen, während sie in wachsenden Gemeinden<br />
eher abnehmen. Diese Hypothese bezieht sich ausdrücklich nur auf<br />
die laufende Rechnung und umfasst nicht die Investitionsbedarfe. Hierfür gilt<br />
nämlich eher die umgekehrte Hypothese.<br />
5. Quote der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Arbeitsorten<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass die mit einer hohen Arbeitsplatzzentralität<br />
einhergehenden hohen Zahlen an Einpendlern auch Zuschussbedarfe (z.B.<br />
für Straßen und Verkehr, aber auch die Nutzung der Infrastruktur) hervorrufen,<br />
ohne dass sich dies in der Einwohnerzahl niederschlägt.<br />
6. Quote der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wohnorten<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass bei einer hohen Quote eher weniger Sozialleistungen<br />
und andere öffentliche Angebote in Anspruch genommen werden<br />
als bei einer niedrigen Quote.<br />
7. Die Quote der Einwohner, die nicht älter als sechs Jahre alt sind<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner für<br />
Kindertagesstätten und anderer Angebote für jüngere Kinder wie z.B. von<br />
Spielplätzen sich proportional zu dieser Quote entwickeln.<br />
8. Die Quote der Einwohner, die jünger als achtzehn Jahre, aber mindestens<br />
sechs Jahre alt sind<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner für<br />
Schulen und andere Angebote für Kinder und Jugendliche sich proportional zu<br />
dieser Quote entwickeln.<br />
9. Die Quote der Einwohner, die über 65 Jahre alt sind<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner für<br />
typische Einrichtungen, die ausschließlich (Alten- und Altenpflegeheime) oder<br />
überproportional (Krankenhäuser) von Älteren in Anspruch genommen werden<br />
mit dieser Quote positiv korreliert sind. Da die Grundsicherung im Alter auf der<br />
Kreisebene finanziert wird, spielt sie auf der Ebene der kreisangehörigen Gemeinden<br />
allerdings keine Rolle.<br />
10. Eine Dummy-Variable, die für Verbandsgemeinden den Wert 1 und für Einheitsgemeinden<br />
den Wert 0 annimmt<br />
Dahinter steht die Frage, ob es in der Höhe und der Struktur der Zuschussbedarfe<br />
pro Einwohner systematische Unterschiede zwischen Verbands- und<br />
Einheitsgemeinden gibt.<br />
16 Vgl. z.B. Deubel, I., 1984, Der kommunale Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen, a.a.O., S. 43 ff.<br />
146
11. Eine Dummy-Variable, die für Gemeinden, die unmittelbar an ein Oberzentrum<br />
angrenzen, den Wert 1 und für andere Gemeinden den Wert 0 annimmt<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass Gemeinden im Nahbereich von Oberzentren<br />
für bestimmte Leistungen (Schulen, Kultur, öffentliche Einrichtungen) geringere<br />
Zuschussbedarfe pro Einwohner aufweisen, weil die Einrichtungen der<br />
Oberzentren mitgenutzt werden (können).<br />
12. Eine Dummy-Variable, die für Mittelzentren den Wert 1 und für sonstige Gemeinden<br />
den Wert 0 annimmt<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner in<br />
Mittelzentren aufgrund der zentralörtlichen Leistungen höher liegen als in anderen<br />
Gemeinden<br />
13. Einnahmen aus Steuern und Nettozuweisungen vom Land pro Einwohner<br />
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner nicht<br />
nur durch die objektiven Bedarfe bestimmt werden, sondern auch durch die<br />
verfügbaren Einnahmen. Die These lautet: Wer viel hat, gibt auch mehr aus.<br />
14. Einnahmen aus Steuern pro Einwohner<br />
Dahinter steht eine analoge Hypothese wie unter 13., wobei die psychologische<br />
Wirkung einer eigenen hohen Steuerkraft sich von der einer Finanzkraft<br />
aufgrund hoher Zuweisungen häufig unterscheidet.<br />
Es bedarf wohl keiner besonderen Begründung, dass die beiden letzten Variablen<br />
nur insofern der Bedarfsermittlung dienen, dass ihr Einfluss gerade nicht dazu geeignet<br />
ist, objektive Bedarfe zu ermitteln, sondern sie vielmehr in die Regressionsgleichungen<br />
aufgenommen werden, um den Teil der Zuschussbedarfe zu neutralisieren,<br />
der auf höheren Einnahmen beruht und deshalb nicht als Bedarf anerkannt werden<br />
sollte.<br />
Im linearen multiplen Regressionsmodell wird davon ausgegangen, dass es ein<br />
„wahres“ Modell gibt, in dem sich die Unterschiede der Zuschussbedarfe pro Einwohner<br />
der Gemeinden jeweils in zwei Teile zerlegen lassen, nämlich einen systematischen<br />
und einen zufälligen Teil 17 .<br />
Der Zuschussbedarf V (ZV) pro Einwohner der Gemeinde i wird durch die Variablen<br />
bis und den Einfluss der Zufallsvariablen u erklärt. Für die Zufallsvariable<br />
wird unterstellt, dass sie einen Erwartungswert von Null hat und normalverteilt ist.<br />
Das „wahre“ Model ist (außer bei kontrollierten Experimenten) nicht bekannt. Mit Hilfe<br />
der Regressionsanalyse lassen sich für die Parameter bis jedoch Schätzwerte<br />
ermitteln und Wahrscheinlichkeiten dafür angeben, dass die „wahren“ Werte größer<br />
oder kleiner als Null (oder ein anderer festzulegender Wert) sind.<br />
Mit Hilfe eines Testverfahrens (einseitiger t-Test) wird dabei das jeweilige Signifikanzniveau<br />
der einzelnen Parameter bestimmt. Bei einem Signifikanzniveau von<br />
17 Vgl. zum Folgenden: von Auer, a.a.O., S. 137 ff.<br />
147
50% kann überhaupt keine Aussage getroffen werden, weil die Wahrscheinlichkeit<br />
dafür, dass der „wahre“ Parameter größer oder kleiner als Null ist, jeweils 50% beträgt.<br />
Je mehr sich das Signifikanzniveau dem Wert von 100% annähert, desto sicherer<br />
darf angenommen werden, dass der „wahre“ Wert (je nach Vorzeichen des Schätzparameters)<br />
größer oder kleiner als Null ist, wobei u.U. auch recht präzise Intervallschätzungen<br />
möglich sind.<br />
Die Vorgehensweise bei der Regressionsanalyse erfolgt so, dass zunächst vier offensichtliche<br />
Ausreißer aus dem Verfahren ausgeschlossen werden. Die Gemeinden<br />
Barleben, Leuna, Lützen und Schkopau haben nicht nur extrem hohe Steuereinnahmen<br />
zwischen 1.335 und 3.104 Euro pro Einwohner, sondern weisen zusätzlich im<br />
Zeitablauf auch noch stark schwankende Zuschussbedarfswerte auf, so dass eine<br />
Einbeziehung in die Regression zu erheblichen Verzerrungen führen könnte. Es werden<br />
deshalb nur die übrigen 115 Gemeinden berücksichtigt.<br />
Im nächsten Schritt werden dann für jeden Einzelplan und den Zuschussbedarf insgesamt<br />
alle 14 potenziell erklärenden Variablen in die Ausgangsgleichungen einbezogen.<br />
Die Ergebnisse sind in der Tabelle 31 zusammengefasst.<br />
Dabei zeigt sich bereits, dass einzelne Variablen keinen Einfluss haben, ihre Parameter<br />
zum Teil aber auch Vorzeichen aufweisen, die im Gegensatz zu den aufgestellten<br />
Hypothesen stehen.<br />
Eine ganz wichtige Maßgröße für die Anpassungsgüte insgesamt stellt dabei das<br />
Bestimmtheitsmaß dar. Dieses Maß liegt immer zwischen 0% und 100%. Es gibt<br />
an, wie groß der durch die Regression erklärte Anteil an der gesamten Streuung ist.<br />
Dieser erklärte Teil liegt zwischen 8,6% im Einzelplan 2, also dem Schulbereich und<br />
55,1% im Einzelplan 3, in dem der Kulturbereich erfasst ist. Für die Gesamtsumme<br />
ergibt sich ein Bestimmtheitsmaß von 42,7%.<br />
Die im Vergleich zu Regressionsanalysen in anderen Ländern etwas niedrigeren<br />
Werte zeigen, dass ein großer Teil der Unterschiede zwischen den Gemeinden in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> nicht auf die hier aufgeführten potenziell erklärenden Variablen zurückgeführt<br />
werden kann, sondern offensichtlich auf unterschiedlichen örtlichen Entscheidungen<br />
und Bedingungen beruht.<br />
Erstaunlicherweise gilt dies gerade nicht für den Kulturbereich, in dem die kommunale<br />
Selbstverwaltung normalerweise besonders stark ausgeprägt ist.<br />
Die Ausgangsgleichungen stellen aber nur die Ausgangsposition für den folgenden<br />
Variablenauswahlprozess dar, der nach einem einheitlichen Verfahren erfolgt. Ziel ist<br />
es jeweils, die Ausgangsgleichungen so weit zu vereinfachen, dass nur noch die signifikanten<br />
Einflussfaktoren übrig bleiben. Als Signifikanzniveau für dieses Verfahren<br />
wird ein Mindestwert von 95% festgelegt.<br />
148
Tabelle 31:<br />
Ausgangsgleichungen der Regressionsanalysen der Zuschussbedarfe der<br />
Rechnungen 2010 für die kreisangehörigen Einheits- und Verbandsgemeinden<br />
Steuern<br />
Einwohner/<br />
Fläche<br />
Wurzel der<br />
Einwohner<br />
Wachstum<br />
der<br />
Einwohner<br />
2005 - 2010<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und eigene Berechnungen<br />
Sozialvers.<br />
Beschäft.<br />
nach<br />
Arbeitsort<br />
Sozialver.<br />
Beschäft.<br />
nach<br />
Wohnort<br />
U6 U18 - U6 Ü65<br />
Steuern+Zuweisungen<br />
Fläche/Einwohner<br />
Verbandsgemeinde<br />
= 1<br />
Einheitsgemeinde<br />
= 0<br />
Nahbereich<br />
des OZ = 1<br />
sonst = 0<br />
Einzelplan 0 Signifikanzniveau 80,0% 81,6% 88,3% 58,0% 96,5% 52,9% 58,6% 52,4% 52,7% 56,2% 59,8% 52,5% 92,3% 99,3% 94,1% 12,6%<br />
Parameterwert -0,05 0,05 632 0,01 -0,35 -15,2 -7,6 -6,5 -78 -120 60 0,56 -11,8 40,5 196<br />
Einzelplan 1 Signifikanzniveau 76,8% 74,4% 90,1% 85,2% 78,5% 92,3% 94,2% 62,6% 57,5% 82,9% 50,6% 80,5% 64,5% 58,8% 72,9% 17,8%<br />
Parameterwert -0,020 0,02 311 0,02 0,07 -135 25,1 16 99 -334 1,6 3,45 1,39 1,62 34,7<br />
Einzelplan 2 Signifikanzniveau 74,1% 71,9% 82,0% 67,7% 68,6% 67,4% 96,1% 69,3% 91,5% 52,6% 84,4% 62,0% 51,9% 66,2% 86,8% 8,6%<br />
Parameterwert 0,014 -0,01 179 0,01 0,03 -34,4 22,8 20,46 -582 -18,68 -91 1,0 -0,15 -2,5 52<br />
Einzelplan 3 Signifikanzniveau 90,4% 88,5% 89,2% 85,7% 99,6% 51,1% 97,0% 61,0% 58,9% 91,1% 83,8% 93,7% 77,9% 86,5% 96,1% 55,1%<br />
Parameterwert 0,034 -0,03 -290 -0,02 0,23 2,57 29 13,6 113 459 106 -6 -2,8 7,9 -97<br />
Einzelplan 4 Signifikanzniveau 61,0% 74,4% 59,5% 76,4% 64,9% 57,6% 76,9% 62,6% 98,3% 96,0% 79,8% 97,3% 52,2% 93,3% 94,7% 22,4%<br />
Parameterwert -0,020 0,04 -149 -0,04 -0,09 -46,6 30 41,5 2.872 -1.590 -237 20 -0,54 28 237<br />
Einzelplan 5 Signifikanzniveau 83,8% 94,7% 95,5% 81,5% 72,4% 61,9% 98,8% 86,5% 99,4% 77,9% 89,9% 59,1% 60,7% 94,8% 78,3% 45,6%<br />
Parameterwert -0,035 0,05 535 0,02 0,07 37 47,1 -72 1.729 -351 184 1,20 1,32 15,5 -58<br />
Einzelplan 6 Signifikanzniveau 58,8% 58,9% 80,3% 73,0% 86,6% 65,7% 69,7% 59,5% 81,6% 70,9% 57,0% 66,5% 74,3% 89,7% 68,7% 26,4%<br />
Parameterwert 0,012 -0,01 -396 -0,02 0,19 -73 -15,7 -23 903 -372 37,4 3,28 4,67 17,80 53<br />
Einzelplan 7 Signifikanzniveau 93,0% 87,0% 99,8% 82,9% 54,7% 88,4% 90,7% 50,3% 53,8% 51,1% 79,5% 50,6% 96,4% 93,8% 74,6% 19,9%<br />
Parameterwert 0,147 -0,10 -2.590 -0,07 -0,04 -412 -77 1,17 -183 -34,4 -333 -0,23 -24,8 -41 137<br />
Einzelplan 8 Signifikanzniveau 89,4% 65,5% 86,6% 90,5% 97,4% 97,4% 69,1% 76,7% 92,8% 58,7% 83,1% 99,2% 60,0% 54,3% 98,0% 21,0%<br />
Parameterwert 0,074 -0,02 -584 0,06 -0,37 -402 17,2 79 1.669 169 232 -21,3 -2,06 1,71 -257<br />
Einzelplan 9 Signifikanzniveau 97,2% 89,6% 99,2% 74,4% 62,4% 97,6% 98,0% 85,1% 59,2% 98,8% 91,5% 80,1% 93,3% 82,1% 99,3% 18,4%<br />
Parameterwert 0,09 -0,05 -1.026 -0,02 0,05 -327 57 90 -210 1.397 264 5,9 9,7 -11,7 -243<br />
Einzelplan 0 - 9 Signifikanzniveau 95,2% 69,8% 99,4% 69,2% 66,9% 99,6% 93,0% 72,1% 98,6% 66,1% 64,4% 64,0% 89,3% 92,4% 57,0% 42,7%<br />
Parameterwert 0,25 -0,07 -3.384 -0,057 -0,21 -1.404 128 160 6.329 -794 222 7,8 -25 57 55<br />
MZ<br />
Absolutes<br />
Glied<br />
149
Tabelle 32:<br />
Signifikante Parameterwerte der Regressionsanalysen für die Zuschussbedarfe der<br />
Rechnungen 2010 der kreisangehörigen Einheits- und Verbandsgemeinden<br />
Steuern<br />
Einwohner/<br />
Fläche<br />
Wurzel der<br />
Einwohner<br />
Wachstum<br />
der<br />
Einwohner<br />
2005 - 2010<br />
Sozialvers.<br />
Beschäft.<br />
nach<br />
Arbeitsort<br />
Sozialver.<br />
Beschäft.<br />
nach<br />
Wohnort<br />
U6 U18 - U6 Ü65<br />
Steuern+Zuweisungen<br />
Fläche/Einwohner<br />
Verbandsgemeinde<br />
= 1<br />
Einheitsgemeinde<br />
= 0<br />
Nahbereich<br />
des OZ = 1<br />
sonst = 0<br />
Einzelplan 0 Signifikanzniveau 98,8% 98,8% 99,2% 100,0% 10,1%<br />
Parameterwert -0,37 -15,3 33,7 192<br />
Einzelplan 1 Signifikanzniveau 98,9% 99,5% 97,6% 96,4% 14,5%<br />
Parameterwert 0,09 -173 26 12,5<br />
Einzelplan 2 Signifikanzniveau 96,1% 96,1% 100,0% 4,3%<br />
Parameterwert 198 18,3 24,6<br />
Einzelplan 3 Signifikanzniveau 99,6% 99,6% 92,2% 50,2%<br />
Parameterwert 0,20 16,8 -11<br />
Einzelplan 4 Signifikanzniveau 98,3% 99,1% 97,3% 97,5% 99,8% 99,8% 20,3%<br />
Parameterwert 2.428 -1.667 -416 17,7 63 318<br />
Einzelplan 5 Signifikanzniveau 96,1% 99,9% 99,8% 99,4% 99,7% 99,7% 42,7%<br />
Parameterwert 0,024 57,7 1.629 262 14,8 -128<br />
Einzelplan 6 Signifikanzniveau 100,0% 100,0% 22,2%<br />
Parameterwert 34 77<br />
Einzelplan 7 Signifikanzniveau 99,7% 97,4% 97,1% 99,7% 100,0% 14,7%<br />
Parameterwert -1.597 -97 -22,5 -38,4 115<br />
Einzelplan 8 Signifikanzniveau 96,2% 99,4% 98,0% 95,3% 99,9% 100,0% 16,9%<br />
Parameterwert 0,05 0,09 -0,25 -251 -23,2 -92<br />
Einzelplan 9 Signifikanzniveau 97,6% 99,5% 99,7% 98,6% 98,6% 11,1%<br />
Parameterwert 0,04 -860 -405 957 -96<br />
Einzelplan 0 - 9 Signifikanzniveau 99,5% 100,0% 99,9% 99,5% 99,8% 91,2% 39,7%<br />
Parameterwert 0,17 -3.054 -1.603 5.039 63 153<br />
MZ<br />
Absolutes<br />
Glied<br />
150
Am Ende sollen also nur solche Faktoren in den Gleichungen verbleiben, deren Einfluss<br />
auf einem hohen Signifikanzniveau als abgesichert angesehen werden kann.<br />
Verfahrensmäßig wird zunächst von Stufe zu Stufe immer nur die Variable mit dem<br />
geringsten Signifikanzniveau eliminiert.<br />
Sind nur noch Faktoren übrig, deren Signifikanzniveau oberhalb von 95% liegt, wird<br />
nochmals für alle bereits entfernten Variablen überprüft, ob ihre Wiederberücksichtigung<br />
zu einem signifikanten Ergebnis führt.<br />
Das Ergebnis dieses Variablenauswahlverfahrens ist in der Tabelle 32 zusammengefasst.<br />
Die Interpretation soll zunächst anhand der geschätzten Regressionsgleichung<br />
für den gesamten Zuschussbedarf pro Einwohner erfolgen.<br />
Als statistisch signifikant haben sich die Einflussfaktoren Summe aus Steuern und<br />
Zuweisungen, Fläche pro Einwohner, Wachstum der Einwohnerzahl im Zeitraum von<br />
2005 bis 2010, Zahl der Kinder bis zum 6. Lebensjahr und die mittelzentrale Funktion<br />
herauskristallisiert.<br />
Alle anderen Faktoren haben die gesetzte Schwelle eines Signifikanzniveaus von<br />
95% nicht erreicht. Dies gilt insbesondere für die Wurzel der Einwohner. Der bisherige<br />
Hauptansatz mit einer Einwohnerveredelung zwischen 100% (für Gemeinden unter<br />
8.000 Einwohnern) und 130% (für Gemeinden mit mehr als 60.000 Einwohnern)<br />
lässt sich somit empirisch in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> nicht belegen. Eine Einbeziehung der<br />
Wurzel der Einwohner in die Regressionsgleichung hätte praktisch keine Auswirkungen<br />
auf das Bestimmtheitsmaß, das Signifikanzniveau läge lediglich bei 64,1% und<br />
der Schätzparameter hätte mit einem Wert von - 0,15 sogar noch das „falsche“ Vorzeichen.<br />
Entsprechende Berechnungen für die Werte der Jahresrechnungen 2008<br />
und 2009 führen zu vergleichbaren Ergebnissen.<br />
Eine ähnliche Überraschung bietet die Variable Fläche pro Einwohner. Der Parameter<br />
von - 3.054 Euro pro qkm erreicht ein Signifikanzniveau von annähernd 100%.<br />
Das negative Vorzeichen bedeutet, dass eine dünne Besiedlung zumindest auf der<br />
Gemeindeebene nicht zu einer Mehrbelastung, sondern zu einer deutlichen Entlastung<br />
führt. Um hier zu einer endgültigen Aussage zu kommen, müssen allerdings<br />
noch die Zuschussbedarfe auf der Kreisebene analysiert werden.<br />
Denn zum einen könnte es sein, dass die möglichen Mehrbelastungen durch eine<br />
besonders dünne Besiedlung nur auf der Kreisebene anfallen, zum anderen könnte<br />
es auch sein, dass die Arbeitsteilung zwischen Kreisen und kreisangehörigen Gemeinden<br />
in dünnbesiedelten Regionen anders, nämlich mit einem höheren Kreisanteil,<br />
organisiert ist als in stärker verdichteten Räumen. Auch diese Frage kann nur bei<br />
einer Einbeziehung der Kreisebene überprüft werden.<br />
Fest steht jedenfalls bereits an dieser Stelle, dass für die kreisangehörigen Gemeinden<br />
selbst ein große Fläche pro Einwohner nicht zu höheren Zuschussbedarfen<br />
führt, denn auch innerhalb der Einzelpläne kommt es fast ausschließlich zu Entlastungseffekten.<br />
151
Die anderen drei signifikanten Ergebnisse entsprechen den Erwartungen. Der positive<br />
Einfluss der Höhe der Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen zeigt, dass<br />
Mehreinnahmen auch zu Mehrausgaben in Form höherer Zuschussbedarfe führen.<br />
Der Parameter von 0,17 ist so zu interpretieren, dass ein Euro zusätzlicher Einnahmen<br />
zu einem um 0,17 Euro höheren Zuschussbedarf führt.<br />
Rund ein Drittel der Zuschussbedarfe der kreisangehörigen Gemeinden entfällt auf<br />
den Einzelplan 4 und innerhalb dieses Einzelplans fast ausschließlich auf den Betrieb<br />
von Kindertagesstätten. Die hohe Signifikanz der Quote der Kinder bis zu 6 Jahren<br />
kann deshalb grundsätzlich nicht überraschen.<br />
Überraschend ist vielmehr, dass der Parameter von 5.039 Euro pro Kind nur zur einen<br />
Hälfte im Einzelplan 4, zu einem Drittel dagegen im Einzelplan 5 entsteht. Dies<br />
zeigt, dass auch im Bereich von Gesundheit, Sport und Erholung komplementäre<br />
Zuschussbedarfe notwendig sind.<br />
Nicht überraschend kommt das Ergebnis, dass stark schrumpfende Gemeinden höhere<br />
Zuschussbedarfe pro Einwohner aufweisen als wachsende oder nur leicht<br />
schrumpfende Gemeinden. Der negative Parameter von 1.603 Euro pro Einwohner<br />
bezieht sich auf den theoretischen Wert eines Verlustes von 100% der Einwohner.<br />
Die tatsächlichen Einwohnerverluste liegen im Zeitraum von 2005 bis 2010 zwischen<br />
-11,2% und -0,6% bei einem (nicht gewichteten) Durchschnitt von -6,9%.<br />
Die Mehrbelastung der am schnellsten schrumpfenden gegenüber der durchschnittlich<br />
schrumpfenden Gemeinde liegt somit bei rd. 69 Euro pro Einwohner und fällt<br />
damit sogar noch ein Stück höher aus, als die Mehrbelastung eines Mittelzentrums,<br />
die 63 Euro pro Einwohner beträgt.<br />
Bevor eine Umrechnung der Ergebnisse auf normierte Bedarfsfaktoren im FAG erfolgt,<br />
soll zunächst noch ein Blick auf die Signifikanz der einzelnen Variablen innerhalb<br />
der Einzelpläne geworfen werden.<br />
Die Summe aus Steuern und Nettozuweisungen vom Land ist bei den Einzelplänen<br />
lediglich in 8 und 9 signifikant, nicht aber in den Einzelplänen 0 – 7. Daraus lässt sich<br />
(etwas relativierend) schließen, dass ein hohes Einnahmenniveau auch eine höhere<br />
Verschuldung zulässt (Zinsaufwand in Einzelplan 9) und die Notwendigkeit, im Einzelplan<br />
8 Überschüsse zu erzielen, ein Stück reduziert.<br />
Überraschend gering sind die Auswirkungen höherer Steuereinnahmen auf die Zuschussbedarfe.<br />
Nur im Einzelplan 5 lässt sich ein entsprechender Zusammenhang<br />
belegen.<br />
Soweit die Fläche pro Einwohner einen signifikanten Einfluss ausübt, führt sie nur im<br />
Schulbereich zu einer leichten Mehrbelastung, in den Einzelplänen 7 und 9 dagegen<br />
zu massiven Entlastungen. Die Auswirkungen einer höheren Verdichtung sind dagegen<br />
nur im Einzelplan 8 als zusätzliche Belastung nachweisbar.<br />
152
Die Einwohnerzahl einer Gemeinde ist zwar in der Gesamtbelastung ohne Einfluss,<br />
innerhalb der Einzelpläne lassen sich aber Größenvorteile (Einzelpläne 0 und 8) und<br />
Größennachteile (Einzelpläne 1 und 3) belegen.<br />
Die Schwerpunkte der Kostenremanenzen, die durch eine stärkere Einwohnerschrumpfung<br />
entstehen, liegen offensichtlich in den Einzelplänen 1 (Brandschutz), 8<br />
(Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen) und 9 (Zinsen).<br />
Mehrkosten der arbeitszentralen Orte lassen sich lediglich in den Einzelplänen 1, 2<br />
und 5 belegen, im Einzelplan 7 kommt es sogar zu einer Entlastung. Die Quote der<br />
Sozialversicherungspflichtigen nach ihrem Wohnort hat keine erkennbaren Auswirkungen<br />
auf die Zuschussbedarfe.<br />
Bemerkenswert ist, dass sich die unterschiedlichen Zuschussbedarfe pro Einwohner<br />
im Schulbereich mit den hier verwendeten Variablen nur in einem sehr geringen Umfang<br />
erklären lassen. Die Quote der Einwohner zwischen 6 und 18 Jahren spielt genauso<br />
wenig eine Rolle wie die Siedlungsdichte. Selbst die Einwohnerschrumpfungsrate<br />
bietet im Schulbereich bei den Zuschussbedarfen in der Jahresrechnung 2010<br />
keine Erklärung mehr, während sie in der Jahresrechnung 2009 noch einen signifikanten<br />
Beitrag lieferte.<br />
Die Zahl der Einwohner mit mehr als 65 Jahren wirkte sich als signifikante Belastung<br />
nur im Einzelplan 5 (vermutlich im Bereich des Gesundheitswesens) aus, im Einzelplan<br />
4 kommt es dagegen zu einer entlastenden Wirkung.<br />
Sehr bemerkenswert ist auch, dass bis auf die Einzelpläne 4 und 8 keine größeren<br />
Unterschiede zwischen Einheits- und Verbandsgemeinden festzustellen sind. Im Einzelplan<br />
4 liegt der Zuschussbedarf der Verbandsgemeinden um 18 Euro pro Einwohner<br />
über dem der Einheitsgemeinden und im Einzelplan 8 haben Verbandsgemeinden<br />
im Durchschnitt sogar noch um 23 Euro pro Einwohner höhere Überschüsse als<br />
die Einheitsgemeinden.<br />
Kein eindeutiges Bild liefern die Zuschussbedarfe der Gemeinden in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft der Oberzentren. Zwar kommt es in den Einzelplänen 0 und 7 zu erkennbaren<br />
Entlastungen, aber eben nicht (wie erwartet) im Einzelplan 3 und eben<br />
auch nicht in der Gesamtbetrachtung. Die behaupteten Entlastungswirkungen lassen<br />
sich deshalb nicht in einer statistisch so eindeutigen Form belegen, dass daraus weitere<br />
Schlussfolgerungen gezogen werden könnten.<br />
Dagegen ist der Befund bei den Mittelzentren ziemlich eindeutig. In den Einzelplänen<br />
0, 3, 4, 5, 6 und insgesamt kommt es zu Mehrbelastungen. Die geringeren Zuschussbedarfe<br />
im Einzelplan 7 sind eher auf höhere Gebühreneinnahmen und Kostendeckungsgrade<br />
als auf Minderausgaben zurückzuführen.<br />
Für das FAG stellt sich natürlich die Frage, welche Schlussfolgerungen aus diesen<br />
Ergebnissen zu ziehen sind. Dafür soll zunächst eine entsprechende Quantifizierung<br />
erfolgen.<br />
153
Diese ist in der Tabelle 33 zusammenfassend dargestellt:<br />
Es lässt sich zeigen, dass der (nicht gewichtete) durchschnittliche Zuschussbedarf V<br />
pro Einwohner von 564,30 Euro identisch ist mit der Summe der Produkte der durchschnittlichen<br />
Werte der erklärenden Variablen pro Einwohner und der jeweiligen<br />
Schätzwerte der Parameter zuzüglich des absoluten Glieds.<br />
Zunächst ist zu entscheiden, welche Variablen im FAG als Bedarfsfaktoren verwendet<br />
werden sollen. Steuern und Zuweisungen sind natürlich zu neutralisieren und<br />
auch ein negativer Flächenfaktor wäre kaum vorstellbar. Die Schlussfolgerung, die<br />
aus den nachweisbaren Kostenremanenzen zu ziehen ist, muss politisch bestimmt<br />
werden.<br />
Auf der einen Seite erscheint es zwingend, dass Einwohnerverluste sich im FAG<br />
auch in einer entsprechenden Bedarfsminderung niederschlagen müssen, auf der<br />
anderen Seite erscheint es durchaus vertretbar, hier zu einer gewissen Abfederung<br />
zu kommen. Es könnte deshalb z.B. sinnvoll sein, anstatt die Bedarfe im FAG nach<br />
der aktuellsten Einwohnerzahl zu berechnen, für alle Gemeinden den jeweiligen<br />
höchsten Wert der letzten drei oder gar fünf Jahre zu verwenden. Wachsende Gemeinden<br />
würden dann jeweils die neuesten, schrumpfende Gemeinden dagegen die<br />
älteren Einwohnerwerte verwenden.<br />
Die sich daraus ergebenden faktischen Zuschläge für stärker schrumpfende Gemeinden<br />
würden allerdings weit unter denen liegen, die sich bei der Regressionsanalyse<br />
ergeben haben. Deshalb sind die in der Regressionsanalyse berechneten Werte<br />
zunächst auch noch zu neutralisieren.<br />
Anders fällt die Einschätzung für die Umsetzung der höheren Zuschussbedarfe bei<br />
höheren U6-Quoten aus. Hier gibt es kaum Argumente, diese Mehrbedarfe nicht<br />
auch im FAG anzuerkennen. Allerdings muss für eine Quantifizierung berücksichtigt<br />
werden, dass die Finanzierung des entstehenden Zuschussbedarfs im Bereich der<br />
Kindertagesstätten nicht nur aus eigenen Steuern und Zuweisungen innerhalb des<br />
FAG erfolgt, sondern auch durch eine Beteiligung des Landes an den Kosten der<br />
Kindertagesstätten (über die Haushalte der Landkreise) und der Landkreise selbst<br />
außerhalb des FAG. Für eine abschließende Festlegung eines entsprechenden Bedarfsfaktors<br />
wären diese Zuweisungen entsprechend zu berücksichtigen.<br />
In der Tabelle 33 wird dargestellt, wie eine entsprechende Berechnung der Bedarfsfaktoren<br />
durchgeführt werden könnte, wobei für den Kinderansatz zunächst noch ein<br />
ungekürzter Ansatz berechnet wird.<br />
Die Produkte aus Durchschnitten und Parametern der zu neutralisierenden Werte<br />
werden zum Parameter für das absolute Glied hinzu addiert. Daraus ergeben sich<br />
ein Gesamtwert (pro Einwohner) von 340,13 Euro, ein Zusatzbetrag von 63,02 Euro<br />
für einen Einwohner eines Mittelzentrums und ein Betrag von 5.038,55 Euro pro Kind<br />
unter 6 Jahren.<br />
154
Tabelle 33:<br />
Berechnungsschema für Bedarfsfaktoren<br />
Steuern +<br />
Zuweisungen<br />
Wachstum<br />
der<br />
Einwohner<br />
2005 - 2010<br />
Normiert man den normalen Einwohner auf den Faktor 1, ergibt sich für den Einwohner<br />
eines Mittelzentrums ein Zuschlag von 18,5% und für jedes Kind unter 6 Jahren<br />
ein (vorläufiger) Faktor von 14,81.<br />
Um zum endgültigen Faktor zu kommen, wäre der Anteil abzuziehen, den die Gemeinden<br />
für Kinder unter 6 Jahren als Zuschüsse außerhalb des FAG erhalten. Diese<br />
Zuschüsse lagen schon im Jahr 2010 alleine im Bereich der Kindertagesstätten<br />
bei rd. 210 Mio. Euro. Bei einem aus der Regression abgeleiteten zusätzlichen Zuschussbedarf<br />
für Kinder bis zu 6 Jahren von 385 Mio. Euro (5,039 Euro pro Kind x<br />
76.458 Kinder) ergibt sich ein verbleibender Faktor von rd. 6,7.<br />
Abweichungen vom Grundprinzip „ein Einwohner = eine Bedarfseinheit“ müssen theoretisch<br />
gut begründet und empirisch hinreichend belegt sein. Sonderbedarfe sollten<br />
deshalb eher konservativ quantifiziert werden. Um die statistischen Unschärfen der<br />
Schätzwerte der Regressionsanalyse zu berücksichtigen, stellen die Faktoren von<br />
6,7 für ein Kind unter 6 Jahren und ein Zuschlag für Mittelzentren von 18,5 % auf die<br />
Einwohnerzahl deshalb eher eine Obergrenze dar und könnten in der konkreten politischen<br />
Entscheidung auch unterschritten werden 18 .<br />
Die bisherige Einwohnerstaffelung im Hauptansatz der kreisangehörigen Gemeinden<br />
sollte mangels empirischer Fundierung fortfallen und stattdessen einheitlich ein Faktor<br />
von 1 pro Einwohner angesetzt werden. Eine Simulationsrechnung zeigt, dass die<br />
Umverteilungswirkungen eines Wegfalls der Einwohnerstaffelung beachtlich wären.<br />
Der Zugewinn kann für Gemeinden unter 8.000 Einwohnern bei bis zu 44 Euro pro<br />
U6<br />
MZ<br />
absolutes<br />
Glied<br />
Summe<br />
Fläche/Einwohner<br />
Zuschussbedarf<br />
V<br />
0 - 9<br />
Durchschnitt 688 0,01 -0,07 0,04 0,19 1,00<br />
Parameter 0,17 -3054 -1.603 5.039 63,0 153<br />
Durchschnitt x Parameter 119 -42 110 212 12 153 564,3 564,3<br />
Für FAG relevant nein nein (nein) ja ja ja<br />
Zurechnungen<br />
Steuern + Zuweisungen 118,9<br />
Fläche/Einwohner -41,7<br />
Wachstum der Einwohner 2005 - 2010 110,1<br />
Ausgangswerte 5.039 63,0 340,1<br />
Normierung 14,8 0,185 1,00<br />
18 Anstatt für die Parameter in der Regressionsanalyse eine Punktschätzung vorzunehmen, könnte<br />
nämlich auch eine Intervallschätzung erfolgen. Bei einem vorgegebenen Signifikanzniveau ließen sich<br />
dann simultan entsprechende Parameterwerte bzw. Parameterkombinationen für die untere Grenze<br />
des Schätzintervalls bestimmen. Die politische Entscheidung läge dann nicht mehr in der unmittelbaren<br />
Festlegung der Bedarfsfaktoren, sondern lediglich in der Vorgabe eines Signifikanzniveaus. Vgl.<br />
z.B. von Auer, a.a.O., S. 194 ff.<br />
155
Einwohner liegen, während große Gemeinden bis zu 76 Euro pro Einwohner verlieren<br />
würden. Die Umverteilungslinie liegt bei einer Einwohnerzahl von rd. 21.000.<br />
Kleinere Gemeinden gewinnen hinzu, größere verlieren hingegen.<br />
Zur Abfederung der unterschiedlichen Einwohnerentwicklung könnte an Stelle des<br />
aktuellen Einwohnerwerts der höchste Wert der letzten drei oder fünf Jahre verwendet<br />
werden (demografische Komponente).<br />
Die Regressionsanalyse ist nur für solche Bedarfsfaktoren einsetzbar, die nicht nur in<br />
einzelnen, sondern in vielen Gemeinden auftreten. Deshalb ist sie nicht geeignet, um<br />
z.B. der Frage nachzugehen, ob Kurorte, Hochschulstandorte und militärische<br />
Standorte besondere Bedarfe aufweisen.<br />
Diese Bedarfe können darauf beruhen, dass öffentliche und nicht durch kostendeckende<br />
Gebühren finanzierbare Leistungen für Personen erbracht werden, die sich<br />
in einer Gemeinde aufhalten, dort aber nicht als Einwohner erfasst werden.<br />
So versorgt z.B. ein Kurort regelmäßig viele Gäste mit öffentlichen Dienstleistungen,<br />
ohne die Kosten durch eine entsprechende Kurortabgabe vollständig refinanzieren<br />
zu können. Ähnliches gilt für Angehörige von Streitkräften und der Polizei, aber auch<br />
für Studenten, soweit sie ihren Hauptwohnsitz nicht am Studienort haben.<br />
In diesen Fällen darf allerdings davon ausgegangen werden, dass nicht das ganze<br />
Spektrum öffentlicher Leistungen in Anspruch genommen wird, aber die Einrichtungen<br />
für Sport und Kultur, die Verkehrsinfrastruktur und Grünanlagen werden natürlich<br />
intensiv mitgenutzt, zum Teil auch speziell für diese Gruppen vorgehalten.<br />
Es gibt auch etliche Bundesländer, die solche Bedarfe im FAG berücksichtigen.<br />
Nebenwohnsitze (Studenten) werden in Baden-Württemberg und Bayern berücksichtigt,<br />
Kurorte in Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz<br />
und dem Saarland. Stationierungsstreitkräfte, teilweise nur ausländisch, teilweise<br />
auch Bundeswehr, in Baden-Württemberg auch kasernierte Polizei, werden in etlichen<br />
Bundesländern wie Einwohner mitgezählt. In Hessen, aber wohl nur um neue<br />
Standorte zu gewinnen, wird sogar die Hälfte der Haftplätze in einer neu errichteten<br />
JVA mitgezählt.<br />
Der Föderalismus ist bei diesen Themen offensichtlich sehr differenziert. Es gibt sicherlich<br />
auch gute Gründe für die jeweiligen Regelungen, aber eine fundierte Quantifizierung<br />
der mit diesen Sonderfaktoren zusammenhängenden Bedarfe dürfte sehr<br />
schwierig sein. Von daher erscheint es methodisch recht schwierig, diese Bedarfe in<br />
das System der allgemeinen Zuweisungen zu integrieren.<br />
Deswegen sind mehrere Länder den Weg gegangen, insbesondere für die Kurorte<br />
einen steuerkraftunabhängigen Zuweisungstopf zu bilden, der z.B. nach der Zahl der<br />
Übernachtungsbetten oder der Zahl der erfassten Übernachtungen verteilt wird.<br />
Wenn Orte durch Streitkräfte so stark geprägt sind, dass entsprechende Kosten<br />
156
nachweisbar sind, aber keine Einnahmen gegenüber stehen, kann sicherlich ebenfalls<br />
über einen solchen Weg nachgedacht werden.<br />
Im Gegensatz zu den kreisangehörigen Gemeinden lassen sich die Bedarfsunterschiede<br />
zwischen den drei kreisfreien Städten nicht mit Hilfe statistischer Verfahren<br />
quantifizieren. Innerhalb von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> geben deshalb statistische Analysen<br />
wenig Sinn. Ein Blick in die anderen Länder zeigt, dass neun der anderen zwölf Flächenländer<br />
am Hauptansatz festhalten und die anderen drei Länder eine Dotierung<br />
der oberzentralen Aufgaben wahrnehmen.<br />
Von den neun Ländern ist <strong>Sachsen</strong> allerdings deshalb nicht vergleichbar, weil es<br />
keine kleineren kreisfreien Städte mehr gibt. Für die anderen acht Länder sind die<br />
jeweiligen Hauptansätze für Städte mit 87.000 Einwohnern (vergleichbar Dessau-<br />
Roßlau) und 230.000 Einwohnern (vergleichbar mit Halle und Magdeburg) in der folgenden<br />
Tabelle zusammengestellt.<br />
Tabelle 34:<br />
Mit der Situation in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> kompatible<br />
Hauptansätze für kreisfreie Städte anderer Länder<br />
Einwohner HE BW NW NI TH BB BY SL<br />
Quelle: Finanzausgleichsgesetze der Länder<br />
ungewichteter<br />
Durchschnitt<br />
87.000 100,0 132,4 110,9 139,8 137,4 150,0 148,7 120,2<br />
230.000 102,0 157,4 125,7 158,4 150,0 150,0 154,4 133,0<br />
Verhältnis 102% 119% 113% 113% 109% 100% 104% 111% 109%<br />
Da die meisten Länder für kreisangehörige Gemeinden und kreisfreie Städte gemeinsame<br />
Hauptansatzstaffeln haben, sind sie in der letzten Zeile der Tabelle so<br />
normiert, dass 100% einer Einwohnerzahl von 87.000 entspricht.<br />
Das Spektrum für Städte mit 230.000 Einwohnern geht von 100% in Brandenburg,<br />
das aber wegen der deutlichen kleineren Landeshauptstadt Potsdam eigentlich nicht<br />
vergleichbar ist, bis zu 119% in Baden-Württemberg.<br />
Das ungewichtete arithmetische Mittel liegt bei 109%. Die Werte zeigen, dass die<br />
Regelung in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> mit einem Hauptansatz von 112% für Halle und Magdeburg<br />
sich durchaus noch im üblichen Rahmen bewegt.<br />
In den Ländern, in denen nicht die Einwohnerzahl der Stadt über ihren Bedarf pro<br />
Einwohner entscheidet, sondern Oberzentren dotiert werden, also Rheinland-Pfalz,<br />
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, ist zum Teil die Größe der Einzugsbereiche,<br />
zum Teil aber auch nur die Größe der Städte relevant.<br />
Insgesamt zeigt der Ländervergleich, dass es wohl kaum möglich sein dürfte, eine<br />
theoretisch und empirisch überzeugende Lösung zur Lösung der Verteilungsproble-<br />
157
matik zwischen den drei kreisfreien Städten vorzulegen. Letztlich kommt es darauf<br />
an, wie der Landesgesetzgeber die Aufgabenzuordnung vornimmt und bewertet. Er<br />
hat hier in jedem Fall einen weiten Ermessensspielraum.<br />
Von daher gibt es auch keinen Grund, die bisherigen Regelungen zum einwohnerbezogenen<br />
Hauptansatz für die kreisfreien Städte in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> als reformbedürftig<br />
anzusehen.<br />
Allerdings erscheint es sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig zu sein, die Erkenntnisse<br />
aus der Bedarfsanalyse der kreisangehörigen Gemeinden über den signifikanten<br />
Einfluss der Zahl der Kinder unter sechs Jahren auch auf die kreisfreien Städte zu<br />
übertragen.<br />
Der sich aus der Regressionsanalyse ergebende Faktor von 6,7 für kreisangehörige<br />
Gemeinden kann allerdings nicht einfach für die kreisfreien Städte übernommen<br />
werden. Da die durchschnittlichen gewichteten Zuschussbedarfe V der kreisfreien<br />
Städte in der Rechnung des Jahres 2010 mit 1.439 Euro pro Einwohner deutlich höher<br />
liegen als bei den kreisangehörigen Gemeinden (einschließlich der Verbandsgemeinden)<br />
mit 594 Euro, sollte der Faktor für ein Kind unter 6 Jahren entsprechend<br />
verringert werden.<br />
Um zum gleichen absoluten Betrag pro Kind wie bei den kreisangehörigen Gemeinden<br />
zu gelangen, müsste der Bedarfsfaktor deshalb auf einen Wert von 2,8 festgelegt<br />
werden. Der Gesamtansatz für die kreisfreien Städte würde sich somit als Summe<br />
dem Hauptansatz und dem U6-Ansatz berechnen.<br />
6.4.4. Zur Bestimmung der Steuerkraft<br />
Zur Bestimmung der Steuerkraft sind vier Fragen zu entscheiden. Zum Ersten muss<br />
festgelegt werden, welche Steuern einzubeziehen sind, zum Zweiten ist zu entscheiden,<br />
ob eine Normierung erfolgen soll, zum Dritten ist im Falle einer Normierung die<br />
Höhe der normierten Hebesätze zu bestimmen und schließlich ist die Referenzperiode<br />
festzulegen.<br />
Bei der Frage, welche Steuern einzubeziehen sind, geht es vor allem darum, ob auch<br />
die lokalen Steuern berücksichtigt werden sollen. Hier gibt es eigentlich nur Argumente<br />
gegen eine solche Einbeziehung.<br />
Zum Ersten liegt das Aufkommen im Durchschnitt lediglich bei 1% des Nettosteueraufkommens<br />
aus den Realsteuern und den Gemeindeanteilen an der Einkommenund<br />
Umsatzsteuer. Zum Zweiten haben die Gemeinden bei den lokalen Steuern erhebliche<br />
Freiräume, so dass schon die Frage der Erhebung an sich zu Erfassungsproblemen<br />
führen würde.<br />
Eine Normierung setzt nämlich voraus, dass die Steuer erhoben wird, zumindest<br />
aber die Bemessungsgrundlagen erfasst sind. Es wäre im Fall der Nichterhebung<br />
158
einer lokalen Steuer auch nicht vertretbar, ausschließlich für Zwecke des kommunalen<br />
Finanzausgleichs einen entsprechenden Bürokratieaufwand zu verursachen. Von<br />
daher sollten die lokalen Steuern im horizontalen Finanzausgleich unberücksichtigt<br />
bleiben.<br />
Es ist bereits dargestellt worden, dass bei den Realsteuern nicht die tatsächlichen<br />
Hebesätze angesetzt werden dürfen, sondern normierte. Um das Hebesatzrecht ungeschmälert<br />
zu lassen, ist allerdings bei der Gewerbesteuer zunächst zu normieren<br />
und dann erst die Gewerbesteuerumlage abzuziehen.<br />
Bei der Festlegung der Höhe der normierten Hebesätze sind vier Aspekte zu beachten.<br />
Diese betreffen die Umverteilungswirkung zwischen steuerstarken und steuerschwachen<br />
Gemeinden, mögliche systematische Unterschiede der Hebesätze in<br />
großen und in kleinen Gemeinden, die Auswirkungen auf die Belastung mit Umlagen<br />
und die psychologische Wirkung der normierten Hebesätze auf die Festlegung der<br />
tatsächlichen Hebesätze.<br />
Hohe normierte Hebesätze verstärken die Umverteilung zwischen steuerstarken und<br />
steuerschwachen Gemeinden, während niedrige Hebesätze sie abschwächen. Steuerstarke<br />
Gemeinden haben deshalb unter dem Gesichtspunkt der Umverteilung zwischen<br />
den Gemeinden ein Interesse an niedrigen, steuerschwache dagegen an hohen<br />
fiktiven Hebesätzen. Unter diesem Aspekt spricht deshalb alles für eine Normierung<br />
auf der Basis der durchschnittlichen gewichteten Hebesätze.<br />
Zu beachten ist dabei allerdings auch noch, ob es systematische Unterschiede bei<br />
den Hebesätzen zwischen kleineren und größeren Gemeinden innerhalb einer gemeinsamen<br />
Schlüsselmasse gibt.<br />
Tabelle 35:<br />
Hebesätze der Gemeinden in<br />
<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Jahr 2010<br />
GrST A GrSt B GewSt<br />
Kreisfreie Städte durchschnittliche Hebesätze<br />
20 000 - 50 000 ............................... - - -<br />
50 000 - 100 000 .................... 256 445 443<br />
100 000 - 200 000 ............................. - - -<br />
200 000 - 500 000 .............................. 250 450 450<br />
500 000 und mehr ................................ - - -<br />
Zusammen ... 252 449 449<br />
Kr.ang. Gemeinden<br />
unter 1 000 .......................... 280 331 222<br />
1 000 - 3 000 .............................. 289 343 319<br />
3 000 - 5 000 ..................... 306 351 328<br />
5 000 - 10 000 ....................... 299 352 310<br />
10 000 - 20 000 ..................... 289 346 323<br />
20 000 - 50 000 ......................... 301 375 359<br />
50 000 - 100 000 .......................- - -<br />
100 000 und mehr ........................ - - -<br />
Zusammen ... 295 358 325<br />
Gemeinden insges. ... 294 380 350<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
159
Da die Schlüsselmassen für die kreisfreien Städte und die kreisangehörigen Gemeinden<br />
getrennt sind, spielen die großen Hebesatzunterschiede zwischen den beiden<br />
kommunalen Gruppen an dieser Stelle keine Rolle. Innerhalb der kreisangehörigen<br />
Gemeinden haben die Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern zwar erkennbar<br />
höhere Hebesätze bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer, aber unterhalb<br />
dieser Einwohnergrenze gibt es keine ausgeprägte Korrelation zwischen<br />
Einwohnerzahl und Hebesätzen. Von daher erscheinen die einheitlichen fiktiven Hebesätze<br />
innerhalb des kreisangehörigen Raums durchaus vertretbar.<br />
Die vierte Fragestellung bezieht sich auf die Festlegung der Referenzperiode. Hier ist<br />
zunächst einmal festzustellen, dass zur Berechnung der Steuerkraft im FAG 2012<br />
keine Daten des Jahres 2011 verwendet werden, sondern mit einer Ausnahme die<br />
Daten des Jahres 2010 herangezogen werden.<br />
Die Ausnahme bildet die Gewerbesteuer. Hier wird der Durchschnitt der drei Jahre<br />
2008, 2009 und 2010 als Basiswert verwendet. Als Begründung für diesen ungewöhnlich<br />
weit zurückliegenden Zeitraum wird die Erwartung einer Verstetigung der<br />
Steuerkraft der Gemeinden und damit auch der Schlüsselzuweisungen sowie der<br />
Umlagegrundlagen für die Kreis- und Verbandsgemeindeumlage angeführt.<br />
Dabei kann es kaum strittig sein, dass die Gemeinden und das Land ein hohes Interesse<br />
an der Verstetigung der kommunalen Finanzen insgesamt, aber auch für jede<br />
einzelne Gemeinde haben.<br />
Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Bildung eines mehrjährigen Durchschnitts<br />
bei den Gewerbesteuereinnahmen der einzelnen Gemeinde tatsächlich ein Beitrag<br />
zur Verstetigung ist oder ob diese Maßnahme nicht vielmehr das genaue Gegenteil,<br />
nämlich eine größere Schwankung der tatsächlichen Finanzkraft (also der Summe<br />
aus Steuerkraft und Schlüsselzuweisungen) zur Folge hat.<br />
Am Beispiel der vier Gemeinden Salzwedel, Südharz, Alsleben und An der Poststraße<br />
sollen die Konsequenzen des bisherigen Verfahrens verdeutlicht werden. Die<br />
Grunddaten für die vier Gemeinden sind den Berechnungsgrundlagen für das FAG<br />
2012 entnommen. Lediglich für die Auswirkungen auf die Kreis- und Verbandsgemeindeumlage<br />
sind zur besseren Vergleichbarkeit normierte Sätze von 40% auf der<br />
Kreisebene und 45% auf der Verbandsgemeindeebene verwendet worden.<br />
Im oberen Teil der Tabelle sind die Konsequenzen des jetzigen Verfahrens dargestellt.<br />
Während in Salzwedel und Alsleben das Nettogewerbesteueraufkommen von<br />
2008 bis 2010 kräftig gesunken und in Alsleben mit -216 Euro pro Einwohner sogar<br />
negativ ist, sind in Südharz und an der Poststraße die Gewerbesteuereinnahmen im<br />
gleichen Zeitraum sehr stark angestiegen.<br />
In Salzwedel liegen deshalb die Steuerkraftwerte für das Jahr 2010 mit 125 Euro pro<br />
Einwohner um 315 Euro unter dem Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010 von 440 Euro<br />
pro Einwohner. In Alsleben liegt der (negative) Wert für 2010 sogar um 494 Euro<br />
pro Einwohner unter dem Durchschnitt der drei Referenzjahre.<br />
160
In den Gemeinden Südharz und An der Poststraße ist es genau umgekehrt. Die Werte<br />
für 2010 liegen in Südharz um 291 Euro pro Einwohner und in An der Poststraße<br />
um 219 Euro über dem Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010.<br />
Zur Normierung der Bedarfe (vor und nach Umlagen) wird unterstellt, dass die Finanzausstattung<br />
aus den durchschnittlichen Steuereinnahmen der drei Referenzjahre<br />
und den Schlüsselzuweisungen der Gesamtheit der Gemeinden den Bedarf genau<br />
abdeckt und die Hauptansätze im Finanzausgleich die Bedarfsrelationen der Gemeinden<br />
korrekt abbilden.<br />
Da die durchschnittliche Finanzkraft pro Bedarfseinheit (Hauptansatz) einen Wert<br />
von 594,76 Euro aufweist, lässt sich auf diese Weise für jede Gemeinde ein normierter<br />
Bedarf bestimmen. Zieht man die Kreisumlage mit 40% und ggf. die VG-Umlage<br />
mit 45% ab, ergeben sich die normierten Bedarfe nach Umlagen.<br />
Tabelle 36:<br />
Die Folgen der zeitlich verzögerten und geglätteten<br />
Erfassung der Gewerbesteuerkraft im FAG 2012<br />
Einheitsgemeinden<br />
verbandsangehörige Gemeinden<br />
Salzwedel Südharz Alsleben An der Poststraße<br />
- in Euro pro Einwohner -<br />
Ergebnisse bei Berechnung der Gewerbesteuerkraft auf der<br />
Basis von drei Jahren<br />
Gewerbesteuer netto<br />
2008 673 194 691 270<br />
2009 523 127 358 271<br />
2010 125 597 -216 599<br />
2008-2010 440 306 278 380<br />
sonstige Steuerkraft 295 233 228 198<br />
FAG-Steuerkraft 735 539 506 578<br />
tats. Steuerkraft 420 829 12 797<br />
normierter Bedarf im FAG 784 614 616 622<br />
Schlüsselzuweisungen 68 80 104 58<br />
FAG-Finanzkraft 804 618 610 636<br />
tats. Finanzkraft 488 909 116 855<br />
Kreisumlage (normiert auf 40%) 321 247 244 254<br />
Verbandsgemeindeumlage (normiert auf 45%) 0 0 274 286<br />
normierter Bedarf nach Umlagen 471 369 92 93<br />
tatsächliche Finanzkraft nach Umlagen 167 662 -402 314<br />
Überschuss/Defizit -304 293 -495 221<br />
Ergebnisse bei Berechnung der Gewerbesteuerkraft auf der<br />
Basis des letzten Jahres<br />
Veränderung Schlüsselzuweisungen 214 -80 340 -58<br />
Veränderung Kreisumlage -37 89 -59 69<br />
Veränderung VG-Umlage 0 0 -63 82<br />
Veränderung der tatsächlichen Finanzkraft nach Umlagen 251 -169 462 -209<br />
Überschuss/Defizit -53 124 -32 12<br />
Quelle: Landesamt für Statistik <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und eigene Berechnungen<br />
161
Ein Vergleich der Bedarfe mit den tatsächlich verfügbaren Mitteln (als Summe aus<br />
den allgemeinen Zuweisungen und der Steuerkraft des Jahres 2010) zeigt, ob sich<br />
rechnerische Überschüsse oder Defizite ergeben.<br />
Salzwedel weist vor den Umlagen ein Defizit von 316 Euro pro Einwohner und nach<br />
Umlagen von 304 Euro pro Einwohner auf. Die Bedarfsdeckung nach Umlagen liegt<br />
nur bei knapp 36%.<br />
In Alsleben ist die Situation noch dramatischer. Die Defizite liegen vor Umlagen bei<br />
genau 500 Euro pro Einwohner und nach Umlagen bei 495 Euro pro Einwohner. Bei<br />
einem normierten Bedarf nach Umlagen von 92 Euro pro Einwohner liegt die tatsächliche<br />
Finanzkraft bei -402 Euro pro Einwohner.<br />
In Südharz dagegen steht einem Bedarf nach Umlagen von 369 Euro eine tatsächliche<br />
Finanzkraft von 662 Euro pro Einwohner gegenüber und in der Gemeinde An der<br />
Poststraße beträgt der normierte Bedarf nach Umlagen 93 Euro pro Einwohner und<br />
die tatsächliche Finanzkraft 314 Euro.<br />
Nun mag es sein, dass sich die Steuereinnahmen in Salzwedel und Alsleben wieder<br />
erholen und das durchschnittliche (relative) Niveau der Jahre 2008 – 2010 wieder<br />
erreichen und umgekehrt in den Gemeinden Südharz und An der Poststraße das<br />
(relative) Niveau wieder deutlich zurückgeht. Es kommt allerdings auch dann nicht<br />
mehr zum Ausgleich, sondern Salzwedel und Alsleben schieben hohe Defizite vor<br />
sich her und Südharz und An der Poststraße haben im günstigeren Fall entsprechende<br />
Rücklagen gebildet, im ungünstigeren Fall zusätzliche Ausgaben getätigt.<br />
Wesentlich sinnvoller als das Hinnehmen solcher extremen Schwankungen der tatsächlichen<br />
Finanzkraft ist der Verzicht auf die kontraproduktive dreijährige Durchschnittsbildung<br />
und eine möglichst zeitnahe Abrechnung.<br />
Da zeitnahe Daten (z.B. von Mitte 2010 bis Mitte 2011) für diese Untersuchung leider<br />
nicht zur Verfügung stehen, wird in der folgenden Simulationsrechnung unterstellt,<br />
dass die Daten des Jahres 2010 bereits eine solche Zeitnähe aufweisen. In der entsprechenden<br />
Simulationsrechnung des Finanzausgleichs wird deshalb für alle kreisangehörigen<br />
Gemeinden die durchschnittliche Gewerbesteuerkraft der Jahre<br />
2008 – 2010 durch die des Jahres 2010 ersetzt.<br />
Da die Steuerkraft der Gesamtheit der kreisangehörigen Gemeinden dann von 856,1<br />
Mio. Euro auf 838,6 Mio. Euro zurückgeht, nimmt auch der Grundbetrag von 631,56<br />
Euro auf 624,28 Euro ab. Da die Schlüsselmasse unverändert bleibt, kommt es natürlich<br />
zu einer Umverteilung zwischen den (nichtabundanten) Gemeinden, bei denen<br />
die (relative) Gewerbesteuerkraft in 2010 oberhalb des eigenen Durchschnitts der<br />
Jahre 2008 – 2010 liegt, zu denen, bei denen die Gewerbesteuerkraft unterhalb des<br />
eigenen Durchschnitts liegt.<br />
162
Bei den vier Beispielstädten kommt es also zu deutlichen Zuwächsen für Salzwedel<br />
(+ 214 Euro pro Einwohner) und Alsleben (+ 340 Euro) und deutlichen Mindereinnahmen<br />
für die Gemeinden Südharz (- 80 Euro) und An der Poststraße (-58 Euro).<br />
Aber auch bei den Kreisumlagen und Verbandsgemeindeumlagen kommt es zu entsprechenden<br />
Effekten. In der Simulationsrechnung ist dabei unterstellt, dass die Umlagevolumina<br />
konstant bleiben. Der normierte Kreisumlagesatz muss deshalb von<br />
40% auf 40,57% und der normierte Verbandsumlagesatz von 45% auf 46,25% angehoben<br />
werden.<br />
Die tatsächliche Finanzkraft nach Abführung der Umlagen verbessert sich bei Salzwedel<br />
um 251 Euro pro Einwohner und bei Alsleben um 462 Euro. Die Relationen<br />
der Finanzkraft nach Umlagen zu den Bedarfen nach Umlagen verbessern sich somit<br />
bei Salzwedel von 36% auf 90% und bei Alsleben von -441% immerhin auf 66%. Die<br />
verbleibenden Lücken von 53 Euro pro Einwohner in Salzwedel und 32 Euro in Alsleben<br />
wären zwar auch nicht unproblematisch, aber durchaus zu bewältigen, zumal<br />
die negativen Gewerbesteuereinnahmen von Alsleben im Jahr 2010 ja nur als einzelner<br />
Ausreißer anzusehen sind.<br />
Auf der anderen Seite führen die deutlich steigenden Umlagen für die Gemeinden<br />
Südharz und An der Poststraße dazu, dass sich die Relation zwischen Finanzkraft<br />
und Bedarf nach Umlagen deutlich verringert. Bei Südharz sinkt sie von 182% auf<br />
136% und bei der Gemeinde An der Poststraße von 341% auf 114%.<br />
Dieses Beispiel zeigt in aller Deutlichkeit, dass die Durchschnittsbildung über drei<br />
Jahre bei der Ermittlung der Gewerbesteuerkraft keineswegs, wie eigentlich erhofft,<br />
zu einer Verstetigung der verfügbaren Finanzkraft führt, sondern vielmehr zu erheblichen<br />
Schwankungen und Verzerrungen. Es erscheint deshalb sinnvoll und notwendig,<br />
nur auf die aktuelle Gewerbesteuerkraft abzustellen.<br />
Wenn möglich, sollte für alle Steuerarten die Referenzperiode noch näher an die Finanzausgleichsperiode<br />
herangeführt werden. Ähnlich wie schon in anderen Ländern,<br />
bietet sich für das FAG 2013 als Referenzperiode der Zeitraum vom 1.7.2011 bis<br />
zum 30.6.2012 an.<br />
Dies sollte natürlich nicht nur für die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen der kreisangehörigen<br />
Gemeinden gelten, sondern auch für die Landkreise und die kreisfreien<br />
Städte sowie die Berechnung der verschiedenen Umlagen.<br />
6.4.5. Zur Festlegung der Ausgleichsquote<br />
Die Ausgleichsquote im kommunalen Finanzausgleich in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> liegt für alle<br />
drei kommunalen Gruppen bei 70%. Auf der Gemeindeebene ist die Interpretation<br />
dieser Quote relativ einfach. Sie führt dazu, dass die Steuerkraftunterschiede pro<br />
Bedarfseinheit zwischen den Gemeinden, die Schlüsselzuweisungen erhalten, zu<br />
163
70% ausgeglichen werden. Die Wirkungsweise wird in der Tabelle 37 für die drei<br />
kreisfreien Städte dargestellt.<br />
Tabelle 37:<br />
Wirkungsweise des Finanzausgleichs zwischen den kreisfreien Städten<br />
Steuerkraft in<br />
Euro je<br />
Bedarfseinheit<br />
Differenz zum<br />
Durchschnitt<br />
Steuerkraft in %<br />
des Durchschnitts<br />
Schlüsselzuweisungen in<br />
Euro je Bedarfseinheit<br />
Finanzkraft in<br />
Euro je<br />
Dedarfseinheit<br />
Differenz zum<br />
Durchschnitt<br />
Finanzkraft in %<br />
des<br />
Durchschnitts<br />
Dessau-Roßlau 507,16 1,03 100,20% 379,85 887,01 0,31 100,03%<br />
Halle 423,18 -82,95 83,61% 438,64 861,82 -24,88 97,19%<br />
Magdeburg 589,25 83,12 116,42% 322,39 911,64 24,94 102,81%<br />
Durchschnitt 506,13 0,00 100,00% 380,57 886,70 0,00 100,00%<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und eigene Berechnungen<br />
Mit einer Steuerkraft von 589,13 Euro pro Bedarfseinheit liegt die Stadt Magdeburg<br />
um 83,12 Euro bzw. 16,42% über dem Durchschnitt, während die Stadt Halle um<br />
82,95 Euro bzw. 16,39% unter dem Durchschnitt verbleibt. Die Stadt Dessau-Roßlau<br />
liegt dabei noch ganz knapp über dem Durchschnitt.<br />
Nach dem Finanzausgleich haben sich die absoluten Unterschiede zum Durchschnitt,<br />
aber natürlich auch der Städte untereinander um 70% reduziert. Die relative<br />
Finanzkraft (pro Bedarfseinheit) liegt nunmehr zwischen 97,19% in Halle und<br />
102,81% in Magdeburg.<br />
Zwar sind auch geringere oder höhere Ausgleichsquoten als 70% denkbar, aber zumindest<br />
für die drei kreisfreien Städte dürfte mit Sicherheit kein Verstoß gegen das<br />
Ausgleichsgebot des Artikels 88 Abs. 2 der Landesverfassung vorliegen.<br />
Dies liegt natürlich auch daran, dass unter den drei kreisfreien Städten keine extrem<br />
steuerschwach ist. Anders stellt sich die Situation bei den kreisangehörigen Gemeinden<br />
dar. Hier liegen nach dem Finanzausgleich immerhin 93 Gemeinden unterhalb<br />
von 90% des Durchschnitts von 594,76 Euro pro Bedarfseinheit und davon sogar 7<br />
Gemeinden unterhalb von 85%. Diese 7 Gemeinden (davon 5 aus dem Kreis Mansfeld-Südharz)<br />
sind allesamt Mitglieder von Verbandsgemeinden.<br />
Zwar erscheint es nicht sinnvoll, deshalb die Ausgleichsquote generell zu erhöhen,<br />
aber es sollte schon erwogen werden, in den Fällen einer extremen Steuerschwäche<br />
eine Vorabaufstockung der Steuerkraft vorzunehmen. So könnte z.B. die Differenz zu<br />
80% der durchschnittlichen Steuerkraft pro Bedarfseinheit (evtl. auch pro Einwohner)<br />
mit einer Quote von ebenfalls 80% vorab aufgefüllt werden. Auf diese Weise könnte<br />
erreicht werden, dass die steuerschwächste Gemeinde ihre Finanzkraft pro Bedarfseinheit<br />
von 82,8% auf 88,4% verbessern würde. Im bisherigen System (ohne eine<br />
entsprechende Aufstockung) liegen immerhin noch 52 Gemeinden unter einer solchen<br />
Quote.<br />
164
Zur Finanzierung einer solchen Aufstockung wäre im FAG 2012 ein Betrag von insgesamt<br />
33,7 Mio. Euro erforderlich, der von der anschließend zu verteilenden<br />
Schlüsselmasse abginge. Der Grundbetrag für die kreisangehörigen Gemeinden<br />
würde sich deshalb von 631,56 Euro auf 624,34 Euro reduzieren. Gemeinden die<br />
Schlüsselzuweisungen erhalten und nicht an der Aufstockung partizipieren, würden<br />
durch eine solche Maßnahme 70% der Differenz der beiden Grundbeträge, also gut<br />
5 Euro pro Bedarfseinheit, verlieren.<br />
Nicht betroffen wären dagegen die abundanten Gemeinden. Eine Beteiligung der<br />
besonders steuerstarken Gemeinden ist nur im Rahmen eine spezifischen Abundanzumlage<br />
oder einer allgemeinen Finanzausgleichsumlage möglich. Eine entsprechende<br />
Untersuchung soll im Unterkapitel 6.8. erfolgen.<br />
6.4.6. Stadt-Umland-Ausgleich<br />
Die drei kreisfreien Städte sind zugleich auch die Oberzentren des Landes <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong>. Sie erbringen damit zusätzliche Leistungen für das gesamte Land und haben<br />
dementsprechend einen höheren Aufwand pro Einwohner.<br />
Wenn unterstellt werden kann, dass die drei Städte diese Leistungen auch bisher<br />
schon erbracht haben, sind die Kosten in der FAG-Teilmasse der kreisfreien Städte<br />
bereits enthalten.<br />
Eine zusätzliche Aufstockung wäre nur dann geboten, wenn es vom Land und dem<br />
kreisangehörigen Raum als notwendig erachtete oberzentrale Leistungen gäbe, die<br />
bisher nicht erbracht werden konnten. Dafür gibt es keine <strong>Anhalt</strong>spunkte.<br />
Allerdings bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die oberzentralen Leistungen<br />
tatsächlich landesweit in gleicher Weise wirksam werden. Es liegt auf der Hand, dass<br />
die positiven Auswirkungen im Nahbereich erheblich stärker zur Geltung kommen als<br />
in weiter entfernten Orten.<br />
Die Auswirkungen können sich zum einen darin niederschlagen, dass im Nahbereich<br />
weniger öffentliche Einrichtungen erforderlich sind, weil die Einrichtungen in den<br />
Oberzentren gut erreichbar und deshalb mit nutzbar sind. Zum anderen können sich<br />
die oberzentralen Leistungen im Nahbereich auch in besonders guten Standortbedingungen<br />
für Unternehmen niederschlagen.<br />
Beide Effekte zusammen ermöglichen erfahrungsgemäß besonders niedrige Hebesätze<br />
bei den Realsteuern und günstige Grundstückspreise, was wiederum zum Zuzug<br />
neuer Einwohner und der Ansiedlung von Unternehmen führen kann.<br />
Aus der Sicht der Raumordnung sind solche Entwicklungen eher unerwünscht. Sofern<br />
sie zum finanziellen „Ausbluten“ der Kernstädte führen, ist allerdings in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong> das Land der Hauptbetroffene. Denn die durch ein attraktives Umland hervorgerufenen<br />
Steuerkraftverluste der Kernstädte müssen aufgrund des aufgabenorien-<br />
165
tierten Finanzausgleichs vollumfänglich zu einer entsprechenden Erhöhung der Zuweisungen<br />
des Landes führen.<br />
Wenn das Land keine geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung solcher Entwicklungen<br />
ergreift, schneidet es sich letztlich in den eigenen Finger. Die wirksamste<br />
Maßnahme besteht natürlich aus Gebietsneuordnungen mit einer Eingliederung der<br />
Gemeinden im sogenannten „Speckgürtel“ in die Kernstädte.<br />
Ist dies nicht gewollt oder aus politischen Gründen nicht durchsetzbar, ist zu prüfen,<br />
ob im kommunalen Finanzausgleich die unterschiedlichen Bedarfe der Gemeinden<br />
im Nahbereich der Kernstädte und in weiter entfernten Regionen zutreffend erfasst<br />
werden und überschießende Steuerkraftgewinne im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs<br />
konsequent abgeschöpft werden.<br />
Um eine verfassungsfeste Regelung zu finden 19 , wäre es in einem ersten Schritt erforderlich,<br />
einen empirischen Beleg dafür zu erbringen, dass die Bedarfe im direkten<br />
Umfeld der Kernstädte niedriger ausfallen als in weiter entfernten Regionen. Durch<br />
die Einbeziehung der Stadt-Umland-Situation in die Regressionsanalysen für die Bedarfe<br />
der kreisangehörigen Gemeinden ist diese Analyse bereits erfolgt.<br />
Da sich lediglich in den Einzelplänen 0 und 7 eine deutliche Entlastung der direkt<br />
benachbarten Gemeinden belegen lässt, aber in der Gesamtbetrachtung kein entsprechender<br />
signifikanter Einfluss nachweisbar ist, wäre die statistische Basis für<br />
eine verfassungsfeste Verringerung der Bedarfsansätze der Stadt-Umland-<br />
Gemeinden im Finanzausgleich nicht ausreichend.<br />
Es verbleibt deshalb nur das Instrument der Abschöpfung überschießender Steuereinnahmen<br />
durch eine Abundanzumlage oder eine allgemeine Finanzausgleichsumlage.<br />
6.5. Der horizontale Finanzausgleich auf der Ebene der Landkreise<br />
6.5.1. Das bisherige Verfahren<br />
Die Verteilung der allgemeinen Zuweisungen zwischen den Kreisen erfolgt ähnlich<br />
wie bei den Gemeinden. Anstatt der Steuerkraft wird allerdings die Umlagekraft als<br />
Maßstab der eigenen Leistungsfähigkeit berechnet.<br />
19 Vgl. das Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23.02.2012,<br />
LVerfG 37/10, das zwar eine Stadt-Umland-Umlage für grundsätzlich zulässig hält, aber die konkrete<br />
Regelung in Mecklenburg-Vorpommern wegen der unzureichenden Begründung und Quantifizierung<br />
für verfassungswidrig erklärt hat.<br />
166
Basis der Umlagekraft sind die Umlagegrundlagen, die sich als Summe aus der<br />
Steuerkraft und den allgemeinen Zuweisungen der kreisangehörigen Gemeinden<br />
berechnen. Die Umlagekraft ergibt sich als Produkt aus den Umlagegrundlagen und<br />
dem normierten Umlagesatz, der im FAG 2012 auf 35% festgelegt worden ist, wobei<br />
der tatsächliche durchschnittliche gewichtete Kreisumlagesatz im Jahr 2011 knapp<br />
oberhalb von 40% lag.<br />
Der Hauptansatz wird als Produkt aus der Einwohnerzahl und einem Dünnbesiedelungsfaktor<br />
gebildet. Einen Dünnbesiedelungszuschlag erhalten Landkreise mit einer<br />
unterdurchschnittlichen Einwohnerdichte. Er beträgt pro (angefangene) zehn Einwohner<br />
unter der Durchschnittseinwohnerdichte (pro qkm) jeweils 1%.<br />
Von den elf Kreisen erhalten im FAG 2012 fünf Kreise einen solchen Zuschlag (Altmarkkreis<br />
Salzwedel 106%, Bördekreis 102%, Landkreis Jerichower Land 103%,<br />
Landkreis Stendal 104% und der Landkreis Wittenberg 102%), alle anderen Landkreise<br />
haben den Faktor 100%.<br />
Der Ausgleich zwischen der Bedarfsmesszahl (Hauptansatz x Grundbetrag) und der<br />
Umlagekraft erfolgt wie bei den Gemeinden zu 70%, wobei der Grundbetrag so festgelegt<br />
wird, dass die Schlüsselmasse ausgeschöpft wird.<br />
Die für die Landkreise verfügbare Schlüsselmasse im FAG 2012 beträgt (nach Vorabkürzung<br />
um 10 Mio. Euro für Zuweisungen nach der Länge der Kreisstraßen) rd.<br />
246,9 Mio. Euro.<br />
Die eigentliche Umlage der Landkreise ist von der Umlagekraftberechnung zeitlich<br />
sehr stark entkoppelt. So sind für die Kreisumlage des Jahres 2012 nicht etwa die<br />
allgemeinen Zuweisungen der Gemeinden des Jahres 2012 relevant, sondern die<br />
des Jahres 2010 (die ihrerseits auf der Steuerkraft des Jahres 2008 und der Gewerbesteuerkraft<br />
der Jahre 2006 – 2008 beruhten). Außerdem darf der Kreis seine Umlagesätze<br />
differenzieren.<br />
So können sich die Hebesätze für die einzelnen Realsteuern, die Gemeindeanteile<br />
an der Einkommen- und der Umsatzsteuer und die allgemeinen Zuweisungen voneinander<br />
unterscheiden, wobei der höchste Satz den niedrigsten um maximal 1/3<br />
überschreiten darf. Von dieser Möglichkeit hat im Jahr 2011 allerdings nur der Saalekreis<br />
Gebrauch gemacht, der den Umlagesatz für die Gewerbesteuerkraft auf 46%,<br />
den für die allgemeinen Zuweisungen auf 40% und für die übrigen Grundlagen auf<br />
42% festgelegt hat.<br />
6.5.2. Zur Bestimmung der Bedarfe auf der Kreisebene<br />
Im Gegensatz zu den Gemeinden sind auf der Kreisebene aufgrund der geringen<br />
Zahl von elf Landkreisen nicht so differenzierte Regressionsanalysen möglich, sondern<br />
sie müssen auf relativ wenige Einflussfaktoren beschränkt werden.<br />
167
Dies sind die Fläche pro Einwohner, die Einwohner pro Fläche, die drei schon bei<br />
den Gemeinden verwendeten Quoten der drei unterschiedlichen Altersstufen und die<br />
Einwohnerentwicklung der letzten fünf Jahre. Hinzu kommt ein Indikator für die Arbeitsteilung<br />
zwischen den Landkreisen und ihren Gemeinden, nämlich der Anteil der<br />
Landkreise an den konsolidierten Zuschussbedarfen V.<br />
Die Regressionen werden auf der Ebene der Landkreise (ohne Gemeinden), der auf<br />
Landkreisebene konsolidierten Gemeinden und konsolidierten Ebene von Landkreisen<br />
und ihren Gemeinden durchgeführt.<br />
Aufgrund der Feststellung auf der Gemeindeebene, dass eine dünne Besiedlung keine<br />
Be-, sondern vielmehr eine Entlastung bewirkt, wird diesem Aspekt auf der Kreisebene<br />
besondere Beachtung geschenkt.<br />
Dabei stellte sich heraus, dass auch auf der Kreisebene kein signifikanter Zusammenhang<br />
besteht und erneut die nichtsignifikanten Parameter – wie schon auf der<br />
Gemeindeebene – negative Vorzeichen aufweisen, also tendenziell entlastend wirken.<br />
Eine Analyse der Einzelpläne führt nur vereinzelt zu signifikanten Zusammenhängen,<br />
so dass auf eine Darstellung der Ergebnisse verzichtet werden soll. Auch auf der<br />
Ebene der gesamten Zuschussbedarfe lassen sich nur wenige systematische Zusammenhänge<br />
feststelle. Die wichtigsten Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle<br />
zusammengefasst:<br />
Tabelle 38:<br />
Signifikante Parameterwerte der Regressionsanalysen der<br />
Rechnung 2010 der Zuschussbedarfe der Landkreise und<br />
ihrer Gemeinden<br />
Quote Kreis<br />
Einwohnerentwicklung<br />
absolutes Glied<br />
Konsolidiert 94,83% 100,00% 26,70%<br />
-3.439 984<br />
Kreisebene 99,95% 94,72% 88,83% 77,40%<br />
1.388 -1.909 -218<br />
Gemeindeebene 99,88% 94,12% 99,99% 74,80%<br />
-1.072 -1.634 1.030<br />
Sowohl auf der Ebene der Landkreise (ohne Gemeinden), als auch der auf der Landkreisebene<br />
konsolidierten Gemeinden, ist nur der Einfluss der Quote des Kreises am<br />
konsolidierten Zuschussbedarf hochsignifikant. Erwartungsgemäß besteht auf der<br />
Kreisebene ein positiver und auf der Gemeindeebene ein negativer Zusammenhang.<br />
168
Der Erkenntniswert dieser Feststellung ist allerdings sehr gering, denn auf der konsolidierten<br />
Ebene von Landkreisen und ihren Gemeinden hat die Arbeitsteilung zwischen<br />
Landkreisen und ihren Gemeinden keinen Einfluss auf die Höhe der Zuschussbedarfe<br />
pro Einwohner.<br />
Auf der konsolidierten Ebene gibt es überhaupt keinen Einflussfaktor, der für sich<br />
genommen oder in Kombination mit anderen einen signifikanten Einfluss hat. Das<br />
liegt allerdings auch daran, dass ein Niveau von 95% als Untergrenze gefordert ist,<br />
denn in allen drei Regressionen übt der Rückgang der Einwohner einen bedarfssteigernden<br />
Einfluss aus, der jeweils nur ganz knapp unter dem Signifikanzniveau von<br />
95% bleibt.<br />
Falls auf der Gemeindeebene bereits eine Demografiekomponente in das FAG aufgenommen<br />
werden sollte, erscheint dies auf der Kreisebene allerdings nicht zusätzlich<br />
notwendig.<br />
Im Gesamtergebnis lautet deshalb die Empfehlung, den flächenbezogenen Anteil der<br />
Bedarfsberechnung für die allgemeinen Zuweisungen nicht mehr zu verwenden,<br />
sondern im Kreisfinanzausgleich zukünftig alle Einwohner mit dem Faktor 1 zu bewerten<br />
und keine weiteren Sonderbedarfe zu berücksichtigen.<br />
6.5.3. Zur Bestimmung der Umlagekraft<br />
Für die Bestimmung der Umlagekraft der Kreise sollte zunächst einmal, wie schon<br />
bei der Steuerkraft der Gemeinden, das Prinzip einer möglichst zeitnahen Erfassung<br />
der Umlagegrundlagen gelten. Um Schwankungen bei der Umlagebelastung der einzelnen<br />
Gemeinden zu minimieren, sollten als Umlagegrundlagen eines Jahres die<br />
allgemeinen Zuweisungen des gleichen Jahres und die zugrundeliegende Steuerkraft<br />
einbezogen werden.<br />
Zur Bestimmung der Umlagekraft sollte sinnvollerweise der gewichtete durchschnittliche<br />
Umlagesatz des Vorjahres verwendet werden. Falls es allerdings gleichzeitig zu<br />
einer Anhebung (oder gar Senkung) der fiktiven Hebesätze für die Realsteuern<br />
kommen sollte, wäre eine entsprechende Korrektur notwendig.<br />
Da die tatsächlichen Umlagesätze im Jahr 2012 kaum unter 40% absinken dürften,<br />
führt der fiktive Umlagesatz von 35% im FAG 2012 zu einer Umverteilung zu Lasten<br />
umlageschwacher und zu Gunsten umlagestarker Kreise. Eine solche, eigentlich gar<br />
nicht gewollte Umverteilung sollte zukünftig vermieden werden.<br />
Nicht allzu sehr überzeugen kann auch die bisherige Möglichkeit, bei der Festsetzung<br />
der Kreisumlage zwischen den verschiedenen Umlagegrundlagen zu differenzieren.<br />
Zwar handelt es sich dabei um eine selbstverwaltungsfreundliche Regelung,<br />
aber bis auf einen, macht kein Landkreis davon Gebrauch und es besteht die Gefahr,<br />
dass es zu erheblichen Belastungsunterschieden zwischen Gemeinden mit gleicher<br />
169
Leistungsfähigkeit kommen könnte. Auch hierin kann man durchaus ein verfassungsrechtliches<br />
Risiko sehen.<br />
6.5.4. Zur Festlegung der Ausgleichsquote<br />
Im kommunalen Finanzausgleich besteht aus guten und auch verfassungsrechtlich<br />
abgesicherten Gründen ein Nivellierungs- und erst recht ein Übernivellierungsverbot.<br />
Unterhalb des Nivellierungsverbotes hat der Landesgesetzgeber aber einen weiten<br />
Spielraum.<br />
Er muss dabei darauf achten, auch die Vorgaben des Artikels 88 Abs. 2 der Landesverfassung<br />
in angemessener Weise umzusetzen. Im Bereich der Gemeinden ist eine<br />
Ausgleichsquote von (nur) 70% dann vertretbar, wenn für extrem steuerschwache<br />
Gemeinden eine zusätzliche Aufstockung erfolgt.<br />
Dass auch auf der Kreisebene eine Beschränkung der Ausgleichsquote auf 70% erfolgt,<br />
ist (im Gegensatz zur Gemeindeebene) kaum damit begründbar, dass auch die<br />
Landkreise einen ausreichenden Anreiz zur Pflege der Besteuerungsgrundlagen der<br />
Gemeinden benötigen.<br />
Tabelle 39:<br />
Auswirkungen einer Erhöhung der Ausgleichsquote im<br />
Kreisfinanzausgleich im FAG 2012 von 70% auf 90% und des<br />
fiktiven Umlagesatzes von 35% auf 40%<br />
Landkreis<br />
Ausgleichsquote: 70% Ausgleichsquote: 90%<br />
Zuweisungen in<br />
Euro<br />
relative<br />
Finanzkraft pro<br />
Bedarfseinheit in<br />
% vom<br />
Durchschnitt<br />
Zuweisungen in<br />
Euro<br />
relative<br />
Finanzkraft pro<br />
Bedarfseinheit in<br />
% vom<br />
Durchschnitt<br />
Differenz in<br />
Euro<br />
Altmarkkreis Salzwedel 14.905.307 97,72% 15.803.222 99,20% 897.915<br />
<strong>Anhalt</strong>-Bitterfeld 24.052.821 100,09% 23.989.505 100,03% -63.316<br />
Börde 19.872.139 103,17% 17.472.668 101,11% -2.399.471<br />
Burgenlandkreis 22.852.721 102,18% 21.097.896 100,76% -1.754.825<br />
Harz 33.932.683 98,97% 34.926.749 99,64% 994.066<br />
Jerichower Land 15.564.237 97,73% 16.497.909 99,21% 933.672<br />
Mansfeld-Südharz 23.352.051 97,91% 24.653.216 99,27% 1.301.165<br />
Saalekreis 21.944.356 102,89% 19.586.340 101,01% -2.358.016<br />
Salzlandkreis 29.873.533 99,36% 30.425.406 99,78% 551.873<br />
Stendal 20.114.089 97,54% 21.407.112 99,14% 1.293.023<br />
Wittenberg 20.431.071 98,96% 21.034.984 99,64% 603.913<br />
Summe 246.895.008 100,00% 246.895.008 100,00% 0<br />
Da die Landkreise von den Folgen einer schlechten Wirtschaftsförderungs- und Ansiedlungspolitik<br />
auf der Ausgabenseite durch höhere Soziallasten erheblich betroffen<br />
werden und Einwohnerabwanderungen (aufgrund eines Mangels an Arbeitsplätzen)<br />
170
unmittelbar auf die Einnahmen durchschlagen, darf erwartet werden, dass eine höhere<br />
Ausgleichsquote keine schädlichen Wirkungen entfalten würde.<br />
Das Land muss ja nicht so weit gehen, wie das Land Nordrhein-Westfalen, das auf<br />
der Kreisebene sogar einen vollständigen Ausgleich vornimmt, aber eine Erhöhung<br />
der Quote auf 80 – 90% dürfte die Vorgabe des Artikels 88 Abs. 2 der Landesverfassung<br />
deutlich besser umsetzen als die jetzige Ausgleichsquote von 70%. Zugleich<br />
sollte auch der fiktive Umlagesatz von 35% auf den Durchschnittswert, der bei rd.<br />
40% liegt, angehoben werden. Mit Hilfe der obigen Simulationsrechnung lassen sich<br />
die Auswirkungen dieser Veränderungen recht gut abschätzen.<br />
6.6. Zur Aufteilung der Schlüsselmasse im kreisangehörigen<br />
Raum auf Gemeinden und Landkreise<br />
Bei der Aufteilung einer gegebenen Schlüsselmasse im kreisangehörigen Raum auf<br />
Kreise und kreisangehörige Gemeinden sind mehrere Aspekte zu beachten.<br />
Zum Ersten stellt sich die Frage, ob es so etwas wie eine natürliche oder psychologische<br />
Obergrenze für die Höhe der Kreisumlagesätze gibt.<br />
Zum Zweiten ist zu entscheiden, ob Landkreise einen verfassungsrechtlichen Anspruch<br />
erheben können, neben der Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises<br />
auch noch eigene Schlüsselzuweisungen zu erhalten und nicht nur auf die Umlage<br />
angewiesen zu sein.<br />
Zum Dritten muss das Land bewerten, ob die angemessene Umsetzung des Artikels<br />
88 Abs. 2 der Landesverfassung hinter dem Anspruch der Landkreise auf eine direkte<br />
Finanzierung ihrer Aufgaben durch Schlüsselzuweisungen zurückstehen darf.<br />
Und zum Vierten muss sich das Land mit der Frage auseinandersetzen, ob die<br />
Landkreise bei leistungsunfähigen einzelnen Gemeinden in Form von gezielten<br />
Sachleistungen einen eigenen kreisinternen Finanzausgleich organisieren dürfen.<br />
Das jüngste Urteil des Verfassungsgerichts Rheinland-Pfalz geht auf einen Teil dieser<br />
Fragestellungen ein 20 . Der Saldo der Einnahmen und Ausgaben bei den Landkreisen<br />
in Rheinland-Pfalz wies im Zeitraum von 2001 bis 2007 ein Defizit von 2,3<br />
Mrd. Euro und bei den kreisangehörigen Gemeinden und Verbandsgemeinden einen<br />
Überschuss von 2,2 Milliarden Euro aus 21 und die Hebesätze der Gemeinden in<br />
Rheinland-Pfalz sind auch jetzt noch im Ländervergleich unterdurchschnittlich 22 .<br />
Trotz dieser unbestrittenen Sachlage stoßen nach Meinung des Gerichts die zum<br />
Ausgleich der Kreishalte notwendigen „Kreisumlagesätze von über 50 v.H. oder gar<br />
20 Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012, VGH N 3/11<br />
21 Ebenda, S. 25<br />
22 Ebenda, S. 33<br />
171
über 60 v.H. an die Grenze des finanzpsychologisch Erträglichen“ 23 . In der Konsequenz<br />
hält der Verfassungsgerichtshof die jetzige Verteilung zwischen Kreisen und<br />
kreisangehörigen Gemeinden für verfassungswidrig und fordert das Land zu einer<br />
entsprechenden Korrektur auf.<br />
Aus dem Urteil ist dabei nicht ersichtlich, ob sich das Verfassungsgericht dabei auch<br />
mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche Konsequenzen sich aus einer Umverteilung<br />
von Schlüsselmasse zugunsten der Kreise und zulasten der kreisangehörigen<br />
Gemeinden auf die Ausgleichswirkung zwischen den kreisangehörigen Gemeinden<br />
ergeben.<br />
Auch die Konsequenz, dass die durch das Urteil in ihrer Position gestärkten Landkreise<br />
den besonders steuerschwachen Gemeinden, die durch eine solche Umverteilung<br />
ihre Leistungsfähigkeit verlieren, dann nicht mehr finanzierbare Aufgaben (gerne)<br />
abnehmen dürften, ist in dem Urteil nicht erwähnt. Mit der Frage, ob eine solche<br />
durch die Schlüsselmassenverlagerung fast schon erzwungene Aufgabenwanderung<br />
von der Gemeinde- zur Kreisebene verfassungsrechtlich als unbedenklich anzusehen<br />
ist, dürfte sich das Gericht wohl auch nicht befasst haben.<br />
Dennoch muss zur Kenntnis genommen werden, dass der Landesgesetzgeber bei<br />
der Aufteilung der Schlüsselmasse zukünftig nicht (mehr) argumentieren kann, dass<br />
die Landkreise sich (wenn die Gemeinden angemessen finanziert sind), ihrerseits<br />
über die Kreisumlage refinanzieren können, wenn dies zu Umlagesätzen führen würde,<br />
die oberhalb einer „psychologischen Schwelle“ liegen. Hier stoßen ganz offensichtlich<br />
systematische finanzwissenschaftliche Überlegungen und verfassungsrechtliche<br />
Erwägungen hart aufeinander.<br />
Um ein mögliches verfassungsrechtliches Risiko zu vermeiden, kann deshalb dem<br />
Landesgesetzgeber (leider) nicht empfohlen werden, die Aufteilung der Schlüsselmasse<br />
im kreisangehörigen Raum zu Gunsten der Gemeinden und damit im Sinne<br />
einer intensiveren Umsetzung der Vorgaben des Artikels 88 Abs. 2 der Landesverfassung<br />
zu verändern.<br />
Von daher kann eigentlich nur empfohlen werden, das System der getrennten Erfassung<br />
der Finanzbedarfe der kreisangehörigen Gemeinden einerseits und der Landkreise<br />
andererseits konsequent beizubehalten. Das heißt, dass die im Alternativmodell<br />
(Tabelle 27) dargestellte Systematik auch für die Berechnung der jeweiligen allgemeinen<br />
Zuweisungen beibehalten wird.<br />
In der Tabelle 40 wird (identisch mit der Tabelle 27) insgesamt dargestellt, wie die<br />
Ermittlung der allgemeinen Zuweisungen innerhalb der kommunalen Gruppen stattfindet,<br />
wobei im Vorgriff auf das Unterkapitel zur Finanzausgleichsumlage auch bereits<br />
die Konsequenzen einer allgemeinen Finanzausgleichsumlage auf das jeweilige<br />
Volumen der allgemeinen Zuweisungen berechnet ist.<br />
23 Ebenda, S. 27<br />
172
Tabelle 40:<br />
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise<br />
und kreisangehörigen Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter Fortschreibung<br />
der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020<br />
Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Einwohner 2.298.231 2.274.482 2.251.256 2.227.822 2.203.787 2.179.133 2.153.928 2.128.189 2.101.429<br />
KF 548.672 547.113 545.410 543.437 541.157 538.628 535.874 532.912 529.681<br />
KA 1.749.560 1.727.369 1.705.846 1.684.385 1.662.630 1.640.504 1.618.054 1.595.278 1.571.748<br />
Preisindex (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>) 111,9 113,5 115,2 117,0 118,7 120,5 122,3 124,1 126,0<br />
- in 1000 Euro -<br />
Zuschussbedarf IV 3.102.136 3.117.594 3.133.448 3.148.703 3.162.788 3.175.647 3.187.335 3.197.827 3.206.351<br />
KF 887.126 897.875 908.506 918.798 928.667 938.192 947.396 956.292 964.751<br />
KA 2.215.010 2.219.719 2.224.942 2.229.905 2.234.120 2.237.455 2.239.938 2.241.535 2.241.600<br />
K 777.599 779.252 781.086 782.828 784.308 785.478 786.350 786.911 786.933<br />
G 1.437.411 1.440.467 1.443.857 1.447.077 1.449.813 1.451.977 1.453.588 1.454.624 1.454.666<br />
Steuern 1.322.823 1.372.958 1.430.095 1.486.018 1.542.306 1.582.406 1.623.549 1.665.761 1.709.071<br />
KF 349.615 362.865 377.966 392.747 407.623 418.221 429.095 440.252 451.698<br />
KA 973.208 1.010.093 1.052.129 1.093.272 1.134.683 1.164.185 1.194.454 1.225.509 1.257.373<br />
Steuerkraft 1.322.823 1.373.836 1.431.975 1.488.879 1.546.153 1.586.956 1.628.820 1.671.772 1.715.841<br />
KF 349.615 362.494 377.173 391.540 406.000 416.302 426.872 437.716 448.842<br />
KA 973.208 1.011.342 1.054.802 1.097.339 1.140.153 1.170.654 1.201.949 1.234.056 1.266.999<br />
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des<br />
FAG<br />
586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508<br />
KF 173.650 179.071 185.902 188.691 191.521 194.394 197.310 200.270 203.274<br />
KA 412.812 425.698 441.938 448.567 455.296 462.125 469.057 476.093 483.234<br />
K 391.874 404.106 419.522 425.815 432.202 438.685 445.266 451.945 458.724<br />
G 20.939 21.592 22.416 22.752 23.094 23.440 23.792 24.148 24.511<br />
Summe des angemessenen<br />
Zuschussbedarfs IV (+ ant. 2.<br />
Funktionalreformgesetz + anteilig 51,6<br />
Mio. Euro aus SGB II + anteilig 31,8<br />
Mio. Euro aus Ausbildungsverkehr)<br />
3.104.922 3.143.987 3.134.990 3.144.127 3.158.344 3.171.280 3.182.990 3.193.470 3.201.946<br />
Anteil KF (127% pro Einwohner) 884.391 901.885 905.358 913.843 923.713 933.225 942.401 951.260 959.674<br />
Anteil KA (100% pro Einwohner) 2.220.531 2.242.102 2.229.632 2.230.284 2.234.630 2.238.056 2.240.589 2.242.210 2.242.272<br />
Anteil K 801.788 798.612 787.908 782.961 784.487 785.689 786.579 787.148 787.169<br />
Anteil G 1.418.743 1.443.490 1.441.724 1.447.323 1.450.144 1.452.366 1.454.010 1.455.062 1.455.103<br />
Summe angemessenes lfd. FAG 1.195.637 1.165.382 1.075.174 1.017.990 965.373 927.805 887.803 845.335 799.597<br />
Anteil KF 361.126 360.319 342.282 333.613 326.192 322.529 318.219 313.274 307.558<br />
Anteil KR 834.510 805.062 732.892 684.378 639.181 605.276 569.583 532.060 492.039<br />
Anteil K 409.914 394.506 368.385 357.146 352.284 347.004 341.313 335.203 328.446<br />
Anteil G 424.596 410.556 364.506 327.232 286.897 258.272 228.270 196.857 163.593<br />
Auftragskostenpauschale 360.169 361.930 363.739 365.479 367.084 368.546 369.873 371.060 372.018<br />
Anteil KF (Basiswert 173,74 Euro) 99.681 100.888 102.083 103.239 104.348 105.419 106.453 107.452 108.403<br />
Anteil KR 260.488 261.042 261.656 262.240 262.736 263.128 263.420 263.608 263.615<br />
Anteil K (Basiswert 78,51 Euro) 143.632 143.938 144.276 144.598 144.871 145.088 145.249 145.352 145.356<br />
Anteil G (Basiswert 62,93 Euro) 116.856 117.104 117.380 117.642 117.864 118.040 118.171 118.255 118.259<br />
Sonstige steuerkraftunabhängige<br />
Zuweisungen<br />
181.084 182.063 183.063 184.025 184.918 185.740 186.493 187.177 187.748<br />
Anteil KF (Basiswert 102,13 Euro) 59.474 60.195 60.908 61.598 62.259 62.898 63.515 64.111 64.679<br />
Anteil KR 121.610 121.868 122.155 122.427 122.659 122.842 122.978 123.066 123.069<br />
Anteil K (Basiswert 65,49 Euro) 121.610 121.868 122.155 122.427 122.659 122.842 122.978 123.066 123.069<br />
Anteil G 0 0 0 0 0 0 0 0 0<br />
Tilgungszuweisung 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562<br />
Anteil KF 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499<br />
Anteil KR 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063<br />
Anteil K 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786<br />
Anteil G 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277<br />
Investitionspauschale 128.041 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000<br />
Anteil KF 32.010 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250<br />
Anteil KR 96.031 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750<br />
Anteil K 25.608 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000<br />
Anteil G 70.423 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750<br />
Allgemeine Zuweisungen (ohne FAG-<br />
Umlage)<br />
842.945 809.950 716.934 657.048 601.933 562.080 519.998 475.659 428.392<br />
Anteil KF 240.470 237.735 217.790 207.274 198.083 192.711 186.750 180.209 172.975<br />
Anteil KR 602.476 572.215 499.144 449.773 403.850 369.369 333.248 295.450 255.417<br />
Anteil K 186.458 170.486 143.740 131.906 126.540 120.860 114.872 108.570 101.805<br />
Anteil G 416.018 401.729 355.404 317.868 277.310 248.509 218.377 186.880 153.612<br />
Allgemeine Zuweisungen (mit FAG-<br />
Umlage von 25%)<br />
1.173.651 1.153.409 1.074.928 1.029.267 988.471 958.819 927.203 893.602 857.353<br />
Anteil KF 327.873 328.358 312.083 305.159 299.583 296.786 293.468 289.638 285.186<br />
Anteil KR 845.778 824.738 762.176 723.091 687.521 660.416 631.862 601.827 569.760<br />
Anteil K 186.458 170.486 143.740 131.906 126.540 120.860 114.872 108.570 101.805<br />
Anteil G 659.320 654.252 618.436 591.186 560.981 539.556 516.990 493.257 467.955<br />
Bedarfszuweisungen 20.000 40.000 50.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000<br />
FAG-Volumen (ohne Umlage) 1.532.239 1.518.943 1.438.736 1.391.552 1.338.935 1.301.366 1.261.364 1.218.896 1.173.158<br />
173
Mit diesem Schema kann somit die gesamte Ermittlung und Verteilung der Finanzausgleichsmasse<br />
auf die kommunalen Gruppen und die einzelnen „Töpfe“ dargestellt<br />
werden.<br />
6.7. Die Finanzierung der Verbandsgemeinden<br />
6.7.1. Das bisherige Verfahren<br />
Die Rechnungsergebnisse des Jahres 2010 zeigen, dass sich die Gewichte in der<br />
Arbeitsteilung so darstellen, dass im Durchschnitt etwa 80% des Zuschussbedarfs V<br />
auf der Ebene der Verbandsgemeinde und nur noch 20% in den zugehörigen Gemeinden<br />
entstehen, wobei es allerdings zwischen den Verbandsgemeinden erhebliche<br />
Unterschiede gibt.<br />
Das Spektrum der Quoten, die auf der Ebene der Verbandsgemeinde wahrgenommen<br />
wird, liegt zwischen 68% in der VG Mansfelder Grund-Helbra und 96% in der<br />
VG Weida-Land. Der Korrelationskoeffizient zwischen der Quote und dem konsolidierten<br />
Zuschussbedarf pro Einwohner liegt mit -0,6 auf einem sehr beachtlichen Niveau.<br />
Der Zusammenhang weist somit ein statistisches Signifikanzniveau von 99,6%<br />
auf. Es darf erwartet werden, dass die durchschnittliche Quote eher noch weiter ansteigt.<br />
Die Zuschussbedarfe der Verbandsgemeinden werden vom Land direkt nur durch die<br />
Auftragskostenpauschale in Höhe von rd. 40 Euro pro Einwohner finanziert. Dazu<br />
kommen die über Kreise ausgezahlten Zuschüsse für die Betreuung in Kindertagesstätten,<br />
die im Durchschnitt bei rd. 117 Euro liegen. Die restlichen durchschnittlich rd.<br />
275 Euro pro Einwohner werden überwiegend durch die Verbandsgemeindeumlage<br />
finanziert. Diese dürfte somit im Durchschnitt rd. 45% betragen.<br />
Zusammen mit der Kreisumlage, die im Durchschnitt bei rd. 40% liegt, verbleiben<br />
somit nach den Umlagen im Durchschnitt nur etwa 15% der Finanzkraft. Aufgrund<br />
der zeitverzögerten Erfassung der Umlagegrundlagen kann es im jetzigen System<br />
allerdings auch schnell passieren, dass die Summe der Umlagesätze zwar noch ein<br />
Stück von 100% entfernt ist, die abzuführende Umlage aber dennoch höher ausfällt<br />
als die Summe aus den aktuellen Steuereinnahmen und allgemeinen Zuweisungen.<br />
Bei einer zeitnahen Abrechnung dürften solche Fälle (bei sparsamen und effizienten<br />
Verhalten von Landkreis und Verbandsgemeinde) nur noch ausnahmsweise auftreten.<br />
Dennoch werden die kumulierten Belastungen aus der Kreis- und der Verbandsgemeindeumlage<br />
vielerorts als unerträglich empfunden. Deshalb steht der Frage im<br />
Raum, ob die Finanzierung der Verbandsgemeinden nicht so verändert werden kann,<br />
dass die Umlagesätze nicht mehr ganz so hoch wie bisher ausfallen müssen.<br />
174
Tabelle 41:<br />
Zuschussbedarfe V insgesamt pro<br />
Einwohner in der Rechnung 2010 der<br />
Verbandsgemeinden<br />
konsolidiert<br />
zugehörige<br />
Gemeinden<br />
Verbandsgemeinde<br />
Quote der<br />
VG<br />
Beetzendorf-Diesdorf 416 30 386 93%<br />
Elbe-Heide 552 143 409 74%<br />
Flechtingen 512 60 453 88%<br />
Obere Aller 465 56 409 88%<br />
Westliche Börde 551 55 496 90%<br />
An der Finne 536 125 411 77%<br />
Droyßiger-Zeitzer Forst 640 162 479 75%<br />
Unstruttal 561 161 400 71%<br />
Wethautal 673 201 472 70%<br />
Vorharz 528 109 420 80%<br />
Goldene Aue 520 46 473 91%<br />
Mansfelder Grund-Helbra 543 174 369 68%<br />
Weida-Land 501 19 482 96%<br />
Egelner Mulde 869 247 622 72%<br />
Saale-Wipper 567 126 441 78%<br />
Arneburg-Goldbeck 452 81 370 82%<br />
Elbe-Havel-Land 492 82 409 83%<br />
Seehausen 466 71 395 85%<br />
Durchschnitt 544 110 434 80%<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
6.7.2. Überprüfung von Alternativen<br />
Wenn die Standardalternative einer extrem sparsamen Haushaltsführung auf der<br />
Ebene der Kreise und Verbandsgemeinden als ausgereizt anzusehen ist, muss die<br />
Frage gestellt werden, ob möglicherweise eine mangelhafte Umsetzung des Artikels<br />
88 Abs. 2 als Ursache für die finanzielle Überlastung der Mitgliedsgemeinden in einigen,<br />
aber bei weitem nicht allen Verbandsgemeinden anzusehen ist.<br />
Dabei soll zunächst überprüft werden, ob die im politischen Raum stehenden Vorschläge,<br />
als Empfänger der allgemeinen Zuweisungen direkt die Verbandsgemeinden<br />
und nicht mehr die Mitgliedsgemeinden festzulegen, zu einer Entspannung der<br />
Situation führen kann.<br />
175
Um die konkreten Auswirkungen zu überprüfen, soll eine solche Maßnahme am Beispiel<br />
der besonders steuerschwachen und (auf der Gemeindeebene) hoch verschuldeten<br />
Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra analysiert werden.<br />
Die dabei verwendeten Daten sind weitgehend mit denen im FAG 2012 identisch.<br />
Zur Vereinfachung, aber auch um zusätzliche Störungen zu eliminieren, wird davon<br />
ausgegangen, dass sowohl für die Verbandsgemeindeumlage, als auch für die<br />
Kreisumlage die Summe aus der im FAG 2012 einbezogenen Steuerkraft (des Jahres<br />
2010) und der allgemeinen Zuweisungen im FAG 2012 als Umlagegrundlagen<br />
verwendet werden.<br />
Der Umlagesatz des Landkreises Mansfeld-Südharz von 48,41% entspricht dem im<br />
1. Nachtragshaushalt für das Jahr 2012 des Landkreises festgelegten Satz und die<br />
Umlage von 4.199.500 Euro bei der Verbandsgemeinde ist der Planungswert für das<br />
Jahr 2012.<br />
Da die Auftragskostenpauschale von 648.473 Euro der VG zufließt, beträgt der gesamte<br />
Finanzierungsbedarf der VG 4.847.973 Euro bzw. 302 Euro pro Einwohner.<br />
Für die Simulation wird unterstellt, dass dieser Finanzierungsbedarf fix ist und der<br />
Umlagesatz jeweils so verändert wird, dass die VG in der Gesamtsumme jeweils genau<br />
diesen Betrag erzielt.<br />
Sofern unter den Mitgliedsgemeinden alle allgemeine Zuweisungen erhalten, ändert<br />
sich durch die Verlagerung nichts an der Höhe der Zuweisungen. Falls einzelne Mitgliedsgemeinden<br />
im jetzigen System abundant sind, reduzieren sich dagegen die<br />
Zuweisungen um etwas mehr als 70% des abundanten Anteils der Steuerkraft dieser<br />
Gemeinden. Mit dem „etwas mehr“ soll ausgedrückt werden, dass sich der Grundbetrag<br />
im FAG durch den Wegfall der Abundanz einer Gemeinde leicht verringert.<br />
Erwartungsgemäß sinkt nach dieser Operation der notwendige Umlagesatz der Verbandsgemeinde<br />
von 47,41% auf 42,09% deutlich ab. Da allerdings kein zusätzliches<br />
Geld in die Verbandsgemeinde fließt, ändern sich die nach der Kreis- und Verbandsgemeindeumlage<br />
noch verfügbaren Mittel der Mitgliedsgemeinden in der Summe<br />
nicht. Sie betragen nach wie vor im Durchschnitt lediglich 23 Euro pro Einwohner.<br />
Die Verteilung unter den Mitgliedsgemeinden hat sich allerdings deutlich verändert.<br />
Die sechs steuerschwächeren Gemeinden verlieren zwischen 12% (Ahlsdorf) und<br />
30% (Bornstedt) ihrer Mittel und die beiden (relativ) steuerstärkeren Gemeinden Helbra<br />
(+23%) und Klostermansfeld (+26%) gewinnen deutlich hinzu.<br />
Der psychologische Vorteil einer niedrigeren Verbandsgemeindeumlage bringt also<br />
den Mitgliedsgemeinden im Durchschnitt keinen finanziellen Vorteil, verschärft dafür<br />
aber dafür nochmals die dramatische Finanzsituation der steuerschwächeren Gemeinden.<br />
176
Es darf deshalb erheblich bezweifelt werden, ob ein solch offensichtlicher Verstoß<br />
gegen den Artikel 88 Abs. 3 der Landesverfassung im Verhältnis der Mitgliedsgemeinden<br />
untereinander, noch hinnehmbar wäre.<br />
Wenn man dennoch einen solchen Weg gehen will, dann gibt es zwei Möglichkeiten.<br />
Bei der ersten muss in einem vorgelagerten Finanzausgleichsverfahren dafür gesorgt<br />
werden, dass die Steuerkraft aller steuerschwachen Gemeinden zumindest so weit<br />
aufgestockt wird, dass es keine Ausreißer nach unten mehr gibt.<br />
Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Verbandsgemeinde ihrerseits das<br />
Recht erhält, einen eigenständigen Finanzausgleich zwischen den Mitgliedsgemeinden<br />
durchzuführen. Dies schließt insbesondere eine Höherbelastung der steuerstarken<br />
Gemeinden ein.<br />
Im Ansatz finden sich entsprechende Regelungen in den kommunalen Finanzausgleichen<br />
von Niedersachsen und von Rheinland-Pfalz. In Niedersachsen erhalten die<br />
Samtgemeinden an Stelle ihrer Mitgliedsgemeinden die Schlüsselzuweisungen. Um<br />
den Ausgleich zwischen den Mitgliedsgemeinden zu ermöglichen gilt folgende Regel:<br />
24<br />
Die Samtgemeinde ist im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, mit<br />
den Schlüsselzuweisungen die Finanzkraft ihrer Mitgliedsgemeinden so<br />
auszugleichen, dass diese bei angemessener Ausschöpfung ihrer Einnahmequellen<br />
ihre Aufgaben erfüllen können. 2 Für den Ausgleich kann auch<br />
die die Bedarfsmesszahl überschreitende Steuerkraft von Mitgliedsgemeinden<br />
in Anspruch genommen werden, soweit sie nicht durch Umlagen erfasst<br />
wird.<br />
In Rheinland-Pfalz wird dagegen der Weg gegangen, dass zunächst für alle Gemeinden<br />
die Steuerkraft auf 75% des Landesdurchschnitts aufgestockt wird. Da dabei<br />
auch die höhere Steuerkraft der kreisfreien Städte einbezogen wird, ergibt sich<br />
innerhalb des kreisangehörigen Raums eine relativ starke Ausgleichswirkung.<br />
Neben dieser Aufstockung erhalten die Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz keine<br />
Schlüsselzuweisungen, sondern diese werden auf der Ebene der Verbandsgemeinden<br />
verteilt.<br />
Im Gegensatz zu den Kreisen, die sogar progressiv gestaffelte Umlagesätze erheben<br />
dürfen, ist es den Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz, wie auch bereits in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>,<br />
lediglich erlaubt, in einer gewissen Bandbreite für die einzelnen Umlagegrundlagen<br />
unterschiedliche Umlagesätze festlegen. Einen Finanzausgleich zwischen<br />
den Ortsgemeinden dürfen sie dagegen nicht organisieren 25 .<br />
24 NFAG NI, § 6 Abs.2<br />
25 Vgl. LFAG RP, §§ 8, 9, 25 und 26<br />
177
Tabelle 42:<br />
Konsequenzen einer direkten Vergabe der allgemeinen Zuweisungen an die Verbandsgemeinden auf die Höhe der<br />
Umlage und die Finanzkraft der Mitgliedsgemeinden am Beispiel der VG Mansfelder Grund-Helbra<br />
Bedarf<br />
im FAG<br />
2012<br />
Einwohner<br />
Steuerkraft<br />
allg.<br />
Zuweisungen<br />
bisher<br />
Finanzkraft<br />
VG-<br />
Umlage<br />
bisher<br />
Kreis-<br />
Umlage<br />
bisher<br />
Finanzkraft<br />
nach<br />
Umlagen<br />
bisher<br />
Auftragskostenpauschale<br />
Finanzkraft<br />
nach<br />
Umlagen und<br />
AKP bisher<br />
allg.<br />
Zuweisungen<br />
an VG<br />
neu<br />
Kreis-<br />
Umlage<br />
neu<br />
Umlagesätze 47,41% 48,41% 48,41%<br />
- in Euro pro Einwohner -<br />
VG-<br />
Umlage<br />
neu<br />
42,09%<br />
anstatt<br />
47,41%<br />
Finanzkraft<br />
nach<br />
Umlagen<br />
und AKP<br />
neu<br />
Gewinne<br />
/Verluste<br />
Ahlsdorf 1.744 674 232 309 541 257 262 23 0 23 0 112 100 20 -3<br />
Benndorf 2.251 674 189 340 528 250 256 22 0 22 0 91 81 16 -6<br />
Blankenheim 1.342 674 218 319 537 255 260 22 0 22 0 106 94 19 -4<br />
Bornstedt 851 674 178 347 525 249 254 22 0 22 0 86 77 15 -7<br />
Helbra 4.305 674 342 232 574 272 278 24 0 24 0 166 147 29 5<br />
Hergisdorf 1.706 674 207 327 534 253 258 22 0 22 0 100 89 18 -4<br />
Klostermansfeld 2.560 674 356 223 578 274 280 24 0 24 0 172 153 31 6<br />
Wimmelburg 1.280 674 230 311 541 256 262 23 0 23 0 111 99 20 -3<br />
Summe der Gemeinden 16.039 674 268 284 552 262 267 23 0 23 0 130 115 23 0<br />
VG Mansfelder Grund-Helbra 16.039 0 0 0 0 262 0 262 40 302 284 137 115 302 0<br />
anteilige Kreisumlage (48,41%) 16.039 0 0 0 0 0 267 267 0 267 0 267 0 267 0<br />
178
Insgesamt können weder die Regelungen in Niedersachsen, noch die in Rheinland-<br />
Pfalz inhaltlich wirklich voll überzeugen. Vorstellbar wäre deshalb allenfalls eine<br />
Kombination aus einer deutlichen Aufstockung der Steuerkraft bei steuerschwachen<br />
Gemeinden in Verbindung mit der Möglichkeit, durch progressiv gestaltete Umlagesätze<br />
einen verbandsgemeindeinternen Finanzausgleich zu organisieren.<br />
Auf keinen Fall reicht es aus, nur eine schlichte Verlagerung der allgemeinen Zuweisungen<br />
auf die Ebene der Verbandsgemeinde vorzunehmen.<br />
Die den Mitgliedsgemeinden in der VG Mansfelder Grund-Helbra nach den Umlagen<br />
noch verbleibenden Mittel reichen mit durchschnittlich 23 Euro pro Einwohner bei<br />
weitem nicht aus, um ein Mindestmaß von kommunalen Aufgaben wahrzunehmen.<br />
Deshalb hat es wenig Sinn, nach Wegen zu suchen, die keine zusätzlichen Mittel<br />
erbringen, sondern stattdessen die Ungleichheit unter den Gemeinden nur noch zusätzlich<br />
verschärfen.<br />
Eine nähere Analyse der spezifischen Situation zeigt, dass der Landkreis Mansfeld-<br />
Südharz mit einem Zuschussbedarf V in der Jahresrechnung 2010 von 588 Euro pro<br />
Einwohner um 6,5% unter dem Durchschnitt der Landkreise bleibt und die (konsolidierte)<br />
Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra mit 643 Euro pro Einwohner<br />
ebenfalls noch ganz knapp unter dem Durchschnitt der Verbandsgemeinden liegt.<br />
Da sich alleine die Zinslast der VG mit 82 Euro pro Einwohner mehr als doppelt so<br />
hoch auftürmt wie im Durchschnitt der konsolidierten Verbandsgemeinden mit 35 Euro,<br />
erscheint es in absehbarer Zeit kaum möglich, die durchschnittlichen Zuschussbedarfe<br />
anderer Verbandsgemeinden so stark zu unterschreiten, dass ein Haushaltsausgleich<br />
möglich wird.<br />
Bei Realsteuereinnahmen in der VG von lediglich 143 Euro pro Einwohner und bisher<br />
nur durchschnittlichen Hebesätzen würde selbst eine drastische Erhöhung der<br />
Steueranspannung bei weitem nicht ausreichen, um die finanzielle Handlungsfähigkeit<br />
wiederherzustellen.<br />
An dieser Stelle muss deshalb erneut die Grundsatzfrage gestellt werden, ob das<br />
horizontale Verteilungssystem in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> in der jetzigen Form den Vorgaben<br />
des Artikels 88 Abs. 3 der Landesverfassung noch genügt.<br />
Es kann nämlich am Beispiel der VG Mansfelder Grund-Helbra sehr gut verdeutlicht<br />
werden, dass eine Beachtung und Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben<br />
und der in dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse durchaus geeignet ist,<br />
auch in diesem, fast hoffnungslos erscheinenden Fall, für Abhilfe zu sorgen. Aufgrund<br />
der bisherigen Analysen sind im horizontalen Finanzausgleich zwischen den<br />
kreisangehörigen Gemeinden drei Auffälligkeiten anzusprechen. Zum Ersten wird für<br />
Gemeinden bis 20.000 Einwohnern die Auftragskostenpauschale auf Grund eines<br />
systematischen Fehlers mit gut 40 Euro um rd. 19 Euro pro Einwohner zu niedrig<br />
ausgewiesen, ohne dass es dafür an anderer Stelle, nämlich bei den allgemeinen<br />
Zuweisungen, einen Ausgleich gibt.<br />
179
Denn dadurch, dass die allgemeinen Zuweisungen aller vier kommunalen Gruppen<br />
am Ende des Verteilungsverfahrens wieder (ohne Not) in einen Topf geworfen werden<br />
und auf die dann nur noch drei kommunalen Gruppen nach festen Quoten verteilt<br />
werden, kann es zu keinem Ausgleich des systematischen Fehlers bei der Bestimmung<br />
der Auftragskostenerstattung mehr kommen.<br />
Zum Zweiten werden die kleineren Gemeinden in besonderer Weise durch den bisherigen<br />
Hauptansatz benachteiligt. Im Durchschnitt führt dies bei Gemeinden mit bis<br />
zu 8.000 Einwohnern zu allgemeinen Zuweisungen, die um 15 Euro pro Einwohner<br />
geringer ausfallen als bei einem Wegfall der einwohnerabhängigen Progression.<br />
Zum Dritten führt die einheitliche Ausgleichsquote von 70% dazu, dass sehr steuerschwache<br />
Gemeinden nur eine Finanzkraft pro Bedarfseinheit von weniger als 85%<br />
(Bornstedt 82,8%) erreichen können. Eine Aufstockung um 80% der Differenz zu<br />
80% der durchschnittlichen Steuerkraft pro Bedarfseinheit (bzw. Einwohner) würde<br />
die Finanzkraft sehr steuerschwacher Gemeinden um bis 34 Euro pro Einwohner<br />
verbessern.<br />
Bei der steuerschwachen Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra würden diese<br />
drei Korrekturen (vor der Kreisumlage) zu Verbesserungen von 48 Euro pro Einwohner<br />
führen. Davon entfallen 29 Euro auf die Mitgliedsgemeinden und 19 Euro<br />
(aus der korrigierten Auftragskostenpauschale) auf die Verbandsgemeinde.<br />
Diese 19 Euro und die erhöhten Umlagegrundlagen würden es ermöglichen, die Verbandsgemeindeumlage<br />
von 47,41% auf 41,74% abzusenken.<br />
Unterstellt man zunächst noch, dass der Kreisumlagesatz unverändert bliebe, müssen<br />
die Gemeinden 48,41% des Erhöhungsbetrags der allgemeinen Zuweisungen<br />
bzw. 13 Euro pro Einwohner an den Kreis abführen. Im Durchschnitt verbliebe dennoch<br />
ein Mehrbetrag von 34 Euro pro Einwohner, so dass sich die nach den Umlagen<br />
noch verfügbare Finanzkraft von 28 Euro auf 62 Euro pro Einwohner mehr als<br />
verdoppeln würde.<br />
Wenn nun zusätzlich auch noch die in dieser Untersuchung vorgelegten Vorschläge<br />
für den Kreisfinanzausgleich umgesetzt würden, käme es zu einer weiteren Verbesserung<br />
der Situation.<br />
Würden die in der Tabelle 39 dargestellten Maßnahmen einer Erhöhung des fiktiven<br />
Umlagesatzes von 35% auf 40% und der Ausgleichsquote von 70% auf 90% umgesetzt,<br />
würden sich die allgemeinen Zuweisungen für den Landkreis Mansfeld-Südharz<br />
um 1,3 Mio. Euro bzw. knapp 9 Euro pro Einwohner erhöhen. Eine dadurch<br />
mögliche Absenkung der Kreisumlage würde in den Mitgliedsgemeinden der VG zu<br />
einer weiteren Verbesserung der nach den Umlagen noch verfügbaren Finanzkraft<br />
auf 71 Euro pro Einwohner führen.<br />
180
Tabelle 43:<br />
Auswirkungen einer Aufstockung für steuerschwache Gemeinden, des Wegfalls des Hauptansatzes und der Beseitigung des<br />
Systemfehlers bei der Berechnung der Auftragskostenpauschale für Gemeinden unter 20.000 Einwohnern auf die Höhe der<br />
Verbandsumlage und die Finanzkraft der Mitgliedsgemeinden am Beispiel der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra<br />
Bedarf<br />
im FAG<br />
2012<br />
Einwohner<br />
Steuerkraft<br />
allg.<br />
Zuweisungen<br />
bisher<br />
Finanzkraft<br />
VG-<br />
Umlage<br />
bisher<br />
Kreis-<br />
Umlage<br />
bisher<br />
Umlagesätze 47,41% 48,41%<br />
Finanzkraft<br />
nach<br />
Umlagen<br />
bisher<br />
Finanzkraft<br />
nach<br />
Umlagen<br />
und AKP<br />
bisher<br />
Aufstockung allg.<br />
Zuweisungen wg.<br />
Steuerschwäche<br />
- in Euro pro Einwohner -<br />
Höhere<br />
Zuweisungen<br />
wg. Wegfall des<br />
Hauptansatzes<br />
Höhere AKP wg.<br />
Beseitigung des<br />
Systemfehlers bei<br />
Gemeinden unter<br />
20.000 Einwohner<br />
Auftragskostenpauschale<br />
Veränderung<br />
der VG-<br />
Umlage<br />
Ahlsdorf 1.744 674 232 309 541 257 262 23 0 23 22 15 0 -16 18 57 34<br />
Benndorf 2.251 674 189 340 528 250 256 22 0 22 31 15 0 -11 22 57 34<br />
Blankenheim 1.342 674 218 319 537 255 260 22 0 22 25 15 0 -14 19 57 34<br />
Bornstedt 851 674 178 347 525 249 254 22 0 22 34 15 0 -10 23 56 35<br />
Helbra 4.305 674 342 232 574 272 278 24 0 24 -3 15 0 -28 6 58 34<br />
Hergisdorf 1.706 674 207 327 534 253 258 22 0 22 27 15 0 -13 20 57 34<br />
Klostermansfeld 2.560 674 356 223 578 274 280 24 0 24 -5 15 0 -29 5 58 34<br />
Wimmelburg 1.280 674 230 311 541 256 262 23 0 23 22 15 0 -15 18 57 34<br />
Summe der Gemeinden 16.039 674 268 284 552 262 267 23 0 23 14 15 0 -19 14 57 34<br />
VG Mansfelder Grund-Helbra 16.039 0 0 0 0 262 0 262 40 302 0 0 19 -19 0 302 0<br />
anteilige Kreisumlage (48,41%) 16.039 0 0 0 0 0 267 267 0 267 0 0 0 0 14 281 14<br />
41,74%<br />
anstatt<br />
47,41%<br />
48,41%<br />
Zusätzliche<br />
Kreisumlage<br />
wg. höherer<br />
Umlagegrundlagen<br />
Finanzkraft<br />
nach<br />
Umlagen<br />
und AKP<br />
neu<br />
Gewinne<br />
/Verluste<br />
181
Bei sparsamer Haushaltsführung und einer zusätzlichen Anspannung der Hebesätze<br />
könnte auf diese Weise auch für diesen unter den aktuellen Bedingungen völlig hoffnungslosen<br />
Fall wieder eine realistische Perspektive für eine nachhaltige Haushaltswirtschaft<br />
entstehen.<br />
6.8. Finanzausgleichsumlagen<br />
Die am Beispiel der Verbandsgemeinde Mansfelder-Grund dargestellten Verbesserungsmöglichkeiten<br />
des horizontalen Finanzausgleichs zwischen den Gemeinden<br />
blenden noch völlig aus, dass es etliche Gemeinden gibt, die so steuerstark sind,<br />
dass sie keine allgemeinen Zuweisungen erhalten. Ihre Steuerkraft liegt also höher<br />
als ihre Bedarfsmesszahl.<br />
Es handelt sich dabei auch nicht um eine vernachlässigbare Größe. Im FAG 2012<br />
übertraf die Steuerkraft dieser Gemeinden ihre Bedarfsmesszahl immerhin um insgesamt<br />
89,6 Mio. Euro. Ein Teil dieser Abundanz fließt in die jeweils abzuführende<br />
Kreisumlage, ggf. auch in die Verbandsgemeindeumlage.<br />
Unterstellt man einen Umlagesatz von 40% auf der Kreis- und 45% auf der Verbandsgemeindeebene,<br />
gehen 40,6 Mio. in die Umlagen und 49 Mio. Euro verbleiben<br />
bei den Gemeinden.<br />
Es erscheint vor diesem Hintergrund kaum vertretbar, dass der Ausgleich im horizontalen<br />
Finanzausgleich ausschließlich zwischen den Gemeinden stattfindet, deren<br />
Steuerkraft pro Bedarfseinheit unterhalb von 631,56 Euro bzw. 154,4% der durchschnittlichen<br />
Steuerkraft liegt und die steuerstärksten Gemeinden nur im Rahmen der<br />
Umlagen beteiligt sind.<br />
Es kann deshalb nicht verwundern, dass sehr viele Länder Regelungen im FAG haben,<br />
die diesen Missstand dadurch beheben, dass eine allgemeine oder eine selektive<br />
Finanzausgleichsumlage erhoben wird, deren Aufkommen natürlich wieder der<br />
Finanzausgleichsmasse zufließt.<br />
Auch verfassungsrechtlich gibt es keine ernsthafte Auseinandersetzung darüber,<br />
dass entsprechende Finanzausgleichsumlagen zur Intensivierung des horizontalen<br />
Finanzausgleichs zwischen den Gemeinden grundsätzlich zulässig sind 26 .<br />
So vielfältig allerdings in der Praxis die Ausgestaltungen solcher Finanzausgleichsumlagen<br />
ist, so vielfältig ist auch die konkrete Rechtsprechung.<br />
Die allgemeinste Form der Finanzausgleichsumlage findet sich in Baden-<br />
Württemberg. Hier müssen alle Gemeinden mindestens 22,1% ihrer Steuerkraft als<br />
Umlage abführen.<br />
26 Vgl. z.B. Landesverfassungsgericht <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, Urteil vom 10.02.2010, LVG 9/08, Ziffer 7 der<br />
Entscheidungsgründe und Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom<br />
26.01.2012, LVerfG 33/10, S. 18ff. jeweils mit weiteren Nachweisen<br />
182
Steuerstärkere Gemeinden müssen darüber hinaus für jeweils 1 Prozent, um das die<br />
Steuerkraftmesszahl 60 Prozent der Bedarfsmesszahl übersteigt, jeweils 0,06 Prozent,<br />
höchstens jedoch insgesamt 32 Prozent abführen 27 .<br />
Nicht ganz so allgemein, aber auch sehr weitreichend, ist die Regel in Rheinland-<br />
Pfalz. Hier muss eine Umlage auf den Teil der Steuerkraft abgeführt werden, der<br />
oberhalb der landesdurchschnittlichen Steuerkraft pro Einwohner liegt. Für den Teil<br />
der Steuerkraft, der zwischen 100% und 200% des Landesdurchschnitts liegt, sind<br />
10% abzuführen, für den Teil über 200% sind es 12%, über 300% sind es 14%, über<br />
400% beträgt der Satz 16% und oberhalb von 500% des Landesdurchschnitts 18% 28 .<br />
Es gibt aber auch eine Vielzahl von Ländern, die eine Finanzausgleichsumlage nur<br />
von abundanten Gemeinden erheben. Die einfachste Regelung hat hierbei Niedersachsen.<br />
Übersteigt die Steuerkraft die Bedarfsmesszahl, müssen 20% dieses übersteigenden<br />
Betrages als Finanzausgleichsumlage abgeführt werden 29 .<br />
Schon etwas differenzierter ist die Regelung in Schleswig-Holstein. Hier müssen wie<br />
in Niedersachsen 20% des übersteigenden Betrages abgeführt werden, die Hälfte<br />
fließt allerdings sofort wieder dem Kreis zu, dem die abundante Gemeinde angehört<br />
30 .<br />
Noch differenzierter sind die Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern und in <strong>Sachsen</strong>.<br />
In Mecklenburg-Vorpommern wird nur von den Gemeinden, deren Steuerkraft<br />
die Bedarfsmesszahl um mehr als 15% übersteigt, eine Finanzausgleichsumlage in<br />
Höhe von 30% des übersteigenden Betrages erhoben. Davon fließt ein Teilbetrag in<br />
Höhe des gewogenen landesdurchschnittlichen Kreisumlagesatzes des Vorvorjahres<br />
dem Landkreis zu, in dem sich die finanzausgleichsumlagepflichtige Gemeinde befindet<br />
31 .<br />
Sehr viel weiter geht das sächsische FAG. Bemessungsgrundlage ist der gesamte<br />
Betrag, um den die Steuerkraft die Bedarfsmesszahl übersteigt. Im ersten Jahr der<br />
Abundanz sind 30%, im zweiten Jahr 40% und ab dem dritten Jahr 50% abzuführen.<br />
Auch hier erhält der Landkreis, in dem sich die Gemeinde befindet, einen Anteil in<br />
Höhe des landesdurchschnittlichen Kreisumlagesatzes 32 .<br />
Das Fehlen einer solchen Kompensationsregelung zu Gunsten des Landkreises, zu<br />
dem die abundante Gemeinde gehört, war der wichtigste Grund dafür, dass das<br />
Landesverfassungsgericht <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> die Regelung im § 23 FAG LSA am<br />
10.02.2010 erneut für verfassungswidrig erklärt hat 33 .<br />
27 Vgl. FAG BW, § 1a<br />
28 Vgl. LFAG RP, § 23<br />
29 Vgl. NFAG NI, § 16<br />
30 Vgl. FAG SH, § 29<br />
31 Vgl. FAG M-V § 8, diese Regelung wurde mit dem Urteil vom 26.01.2012 für verfassungskonform<br />
erklärt.<br />
32 Vgl. SächsFAG § 25a<br />
33 Vgl. LVerfG 33/10, Ziffer 11<br />
183
Nach der äußerst moderaten Regelung des sachsen-anhaltischen FAG waren 30%<br />
der 150% der Bemessungsgrundlage übersteigenden Beträge als Finanzausgleichsumlage<br />
abzuführen. Dies sollte nicht für Gemeinden gelten, deren Kreditmarktschulden<br />
den Durchschnitt der gleichen Größenklasse um mehr als 50% überstiegen und<br />
auch nicht, wenn die Verpflichtung zur Abführung der Finanzausgleichsumlage zu<br />
einer unangemessenen Veränderung der Finanzkraft einer Gemeinde führte.<br />
Um eine Überlastung der abführungspflichtigen Gemeinden zu verhindern, wurden<br />
nach § 18 Abs. 2 die Umlagegrundlagen für die Kreisumlage unter Abzug der Finanzausgleichsumlage<br />
des vorvergangenen Jahres berechnet. Die gleiche Regelung<br />
galt auch für die Verwaltungsgemeinschaftsumlage (§ 21) und die Verbandsgemeindeumlage<br />
(§ 22).<br />
Dass das Landesverfassungsgericht als zweiten Grund für die Verfassungswidrigkeit<br />
der Finanzausgleichsumlage die mangelnde Bestimmtheit der obigen Ausnahmeregelung<br />
angeführt hat, ist ohne weiteres nachvollziehbar.<br />
Weniger nachvollziehbar sind die Ausführungen zur Verletzung der Finanzhoheit des<br />
Landkreises, zu dem die abführungspflichtige abundante Gemeinde gehört und erst<br />
recht nicht die Behauptung, dass damit auch die Finanzhoheit aller anderen Landkreise<br />
beeinträchtigt sei, weil sie als Folge der Finanzausgleichsumlage weniger allgemeine<br />
Zuweisungen erhielten.<br />
Bei jeder Simulationsrechnung wird deutlich, dass es im kommunalen Finanzausgleich<br />
kaum eine Stellschraube gibt, bei der eine leichte Veränderung der Einstellung<br />
nicht zugleich auch Auswirkungen auf sämtliche Gemeinden, Verbandsgemeinden<br />
und Kreise hat.<br />
Wenn unter dem Begriff der „Finanzhoheit“ verstanden wird, dass jede Veränderung<br />
von Finanzausgleichsregeln auf der Gemeindeebene schon dadurch in die Verfassungswidrigkeit<br />
führt, dass davon einzelne Landkreise negativ betroffen sein könnten<br />
und umgekehrt jede Veränderung auf der Landkreisebene dadurch verfassungswidrig<br />
wird, dass davon einzelne Gemeinden negativ betroffen sein könnten, ist ein verfassungskonformer<br />
kommunaler Finanzausgleich überhaupt nicht mehr denkbar.<br />
Die feinsinnige Unterscheidung, dass zwar eine die Finanzhoheit der betreffenden<br />
Gemeinden massiv einschränkende Finanzausgleichsumlage verfassungsrechtlich<br />
grundsätzlich zulässig sei, dass aber die von einer solchen Maßnahme indirekt betroffenen<br />
Dritten, nämlich ein Kreis oder eine andere Gemeinde durch die gleiche<br />
Maßnahme in ihrer Finanzhoheit in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt sein<br />
könnten, kann bei rationaler Betrachtung keineswegs überzeugen.<br />
Denn die Veränderung von Regelungen im Finanzausgleich muss zwangsläufig immer<br />
dazu führen, dass einzelne Gemeinden und Landkreise davon finanziell gesehen<br />
negativ betroffen sein können. Dies ist schon rein systemtheoretisch unvermeidlich<br />
und kann deshalb für sich genommen eine Verfassungswidrigkeit wohl kaum begründen.<br />
184
In der konkreten Praxis in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> wird es im Übrigen durch die Bildung der<br />
Verbandsgemeinden als Gebietskörperschaften mit einem eigenständigen Recht auf<br />
Selbstverwaltung und einer durch direkte Wahlen entstandenen demokratischen Legitimation<br />
noch komplizierter.<br />
Das Recht und die Notwendigkeit der Verbandsgemeinden, sich über Umlagen zu<br />
finanzieren und die entsprechenden Regelungen des FAG und des VerbGemG haben<br />
nämlich ebenfalls entsprechende Auswirkungen auf die Finanzen der einzelnen<br />
Mitgliedsgemeinden innerhalb der Verbandsgemeinde, aller anderen Gemeinden und<br />
auch aller Landkreise.<br />
Wenn man der Logik des Landesverfassungsgerichts folgt, so ist eine Abundanzumlage<br />
dann verfassungswidrig, wenn ihre Erhebung dazu führt, dass ein oder mehrere<br />
Landkreise oder eine oder mehrere andere Gemeinden davon negativ betroffen sein<br />
könnten.<br />
Im Umkehrschluss sind also allenfalls solche Regelungen zulässig, bei denen sich<br />
aufgrund der Erhebung der Finanzausgleichsumlage kein einziger Landkreis, aber<br />
auch keine andere Gemeinde finanziell verschlechtern darf.<br />
Die Regelungen in <strong>Sachsen</strong> und Mecklenburg-Vorpommern genügen (bei wohlwollender<br />
Betrachtung) dieser Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs.<br />
Dadurch, dass es in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> im Gegensatz zu Mecklenburg-Vorpommern<br />
und <strong>Sachsen</strong> Verbandsgemeinden gibt, ließe sich, eine gleichbleibende Argumentation<br />
des Landesverfassungsgerichts unterstellt, eine Abundanzumlage wohl nur noch<br />
dann einführen, wenn nicht nur die jeweiligen Landkreise, sondern auch die jeweiligen<br />
Mitgliedsgemeinden der direkt betroffenen Verbandsgemeinde schadlos gestellt<br />
würden.<br />
Bei kumulierten Verbandsgemeinde- und Kreisumlagesätzen von bis zu 96%, wie<br />
z.B. in der VG Mansfelder Grund-Helbra, bliebe somit überhaupt kein Raum mehr für<br />
eine im Sinne des Landesverfassungsgerichts verfassungskonforme Abundanzumlage.<br />
Von daher kann, nicht aus besserer Einsicht oder Überzeugung, sondern ausschließlich<br />
vor dem Hintergrund der bisherigen Urteile des Landesverfassungsgerichts, von<br />
einem erneuten Anlauf zur Installation einer Abundanzumlage nur dringend abgeraten<br />
werden.<br />
Es stellt sich natürlich die Frage, ob eine allgemeine Finanzausgleichsumlage in der<br />
Version von Baden-Württemberg oder von Rheinland-Pfalz nicht nur in diesen Ländern,<br />
sondern auch in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> als verfassungskonform angesehen würde.<br />
Da in Baden-Württemberg alle Gemeinden eine solche Umlage abführen müssen<br />
und in Rheinland-Pfalz zumindest alle Gemeinden, deren Steuerkraft über dem Landesdurchschnitt<br />
liegt, entfiele die selektive und besondere Betroffenheit der einzel-<br />
185
nen Kreise und der anderen Gemeinden (in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> auch der Verbandsgemeinden).<br />
Im Prinzip entstehen bei diesen Regelungen Wirkungen, die der bundesweit erhobenen<br />
allgemeinen Gewerbesteuerumlage oder der Kappungsgrenze bei der Berechnung<br />
der Schlüsselzahlen für die Verteilung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer<br />
entsprechen 34 .<br />
Die Verfassungskonformität dieser beiden Maßnahmen, die sich im Ergebnis nicht<br />
nur zu Lasten der besonders steuerstarken Gemeinden auswirken, sondern natürlich<br />
auch eine von Landkreis zu Landkreis unterschiedliche indirekte Betroffenheit auslösen,<br />
steht dabei außer Frage.<br />
Diese Finanzausgleichsumlagen bieten auch den Vorteil, dass sie keine Ausnahmeregelungen<br />
erfordern und von daher relativ einfach sind. Durch die Integration in<br />
das System der Verteilung der Schlüsselzuweisungen kommt es dabei auch nur bei<br />
sehr steuerstarken Gemeinden zu echten Einzahlungen in die Finanzausgleichsmasse.<br />
Bei allen anderen Gemeinden findet eine Verrechnung zwischen den dann deutlich<br />
höheren Schlüsselzuweisungen und der abzuführenden Finanzausgleichsumlage<br />
statt.<br />
Wegen seiner Allgemeinheit und gleichmäßigen Auswirkungen dürfte dabei das baden-württembergische<br />
System verfassungsrechtlich (vermutlich sogar in <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong>) die geringsten Bedenken auslösen.<br />
Ob zur Abschöpfung ein progressiver oder ein linearer Tarif verwendet wird, sollte<br />
dabei nicht im Vordergrund stehen. Für einen progressiven Tarif spricht das Leistungsfähigkeitsprinzip.<br />
Gegen einen solchen Tarif spricht, dass es bei Gemeinden<br />
mit stark schwankenden Steuereinnahmen im Zeitablauf zu höheren Umlagen kommen<br />
kann als bei Gemeinden mit im Durchschnitt gleich hohen, aber nicht volatilen<br />
Steuereinnahmen. Diese Problematik ist mit der des progressiven Einkommensteuertarifs<br />
vergleichbar, wo es auch zu entsprechenden Effekten kommen kann, die<br />
aber verfassungsrechtlich als unbedenklich angesehen werden.<br />
34 Nach § 3 des Gemeindefinanzreformgesetzes erfolgt die Verteilung des Gemeindeanteils an der<br />
Einkommensteuer so, dass zunächst innerhalb jedes Bundeslandes ein Aufteilungsschlüssel gebildet<br />
wird, in den nur der Teil der Einkommensteuer eingeht, der auf zu versteuernde Einkommensbeträge<br />
bis 30.000 Euro bei Einzelveranlagung und bis 60.000 Euro bei Zusammenveranlagung beruht.<br />
Auf der Basis der so gebildeten Schlüsselzahlen wird dann in einem zweiten Schritt der insgesamt auf<br />
ein Bundesland entfallende Gemeindeanteil an der Einkommensteuer unter den Gemeinden verteilt.<br />
Im Ergebnis kommt es somit (wie bei einer allgemeinen Finanzausgleichsumlage) zu einer deutlichen<br />
Umverteilung unter den Gemeinden und damit indirekt auch zwischen den Landkreisen.<br />
Diese Kappung wirkt im Durchschnitt der Länder genauso wie eine Finanzausgleichsumlage im kommunalen<br />
Finanzausgleich von 45,8%. Diese Quote ergibt sich aus dem Gesetzentwurf eines Neunten<br />
Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes der Bundesregierung, BT-Drucksache<br />
17/8235, vom 21.12.2011, S.7.<br />
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht deshalb eine Anhebung der Kappungsgrenzen auf<br />
35.000/70.000 Euro vor. Dieser Gesetzentwurf wurde in dieser Form am 08. März 2012 vom Bundestag<br />
und am 30. März 2012 vom Bundesrat beschlossen. Durch die Anhebung reduziert sich diese<br />
faktische Finanzausgleichsumlage auf 39,8% (S. 7 der Drucksache).<br />
186
Es kann auch nicht Aufgabe dieses <strong>Gutachten</strong>s sein, für die genaue Gestaltung des<br />
Tarifs bereits detaillierte Vorschläge zu erarbeiten. Viel wichtiger ist es zunächst<br />
einmal, das Grundprinzip darzustellen und mit Hilfe einer Simulationsrechnung die<br />
Auswirkungen einer am baden-württembergischen Vorbild angelehnten allgemeinen<br />
Finanzausgleichsumlage auf die Gemeinden und Landkreise in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> zu<br />
berechnen.<br />
Der Einfachheit halber soll eine lineare Finanzausgleichsumlage von 25% auf die im<br />
Finanzausgleich des Jahres 2012 berechneten Steuerkraftzahlen unterstellt werden,<br />
die vollständig zur Aufstockung der jeweiligen Schlüsselmasse (der kreisangehörigen<br />
Gemeinden und der kreisfreien Städte) verwendet wird.<br />
Die wesentlichen Ergebnisse einer solchen Simulation sind:<br />
- Bei einer Steuerkraft der kreisangehörigen Gemeinden von 856 Mio. Euro im<br />
FAG 2012 beträgt die Finanzausgleichsumlage insgesamt 214 Mio. Euro.<br />
- Der Grundbetrag erhöht sich von 631,56 auf 693,61 Euro.<br />
- Die Finanzkraft der steuerschwächsten Gemeinde Bornstedt erhöht sich um<br />
30,91 Euro von 514,00 auf 544,91 Euro pro Bedarfseinheit bzw. von 82,76%<br />
auf 87,96% der durchschnittlichen Finanzkraft aller Gemeinden.<br />
- Wie sich aus den beiden Grundbeträgen berechnen lässt, verbessern sich alle<br />
kreisangehörigen Gemeinden, deren Steuerkraft pro Bedarfseinheit unterhalb<br />
von 579,15 Euro bzw. 141,6% des Durchschnitts der Gemeinden liegt, Gemeinden<br />
mit noch höherer Steuerkraft verschlechtern sich dagegen.<br />
- Von den 217 Gemeinden insgesamt verbessern sich somit 198 Gemeinden<br />
um bis zu maximal 31 Euro pro Bedarfsgemeinschaft, während sich die übrigen<br />
19 Gemeinden um bis zu 1.052 Euro pro Bedarfsgemeinschaft verschlechtern.<br />
- Nur diese 19 Gemeinden müssten im Ergebnis tatsächlich Zahlungen in die<br />
Schlüsselmasse der kreisangehörigen Gemeinden leisten. Für die anderen<br />
198 Gemeinden lägen die allgemeinen Zuweisungen höher als die abzuführende<br />
Finanzausgleichsumlage, so dass sie aufgrund der vorgenommen Verrechnung<br />
Zahlungen vom Land erhalten würden.<br />
- Das gesamte Umverteilungsvolumen auf der Gemeindeebene beträgt 33,9<br />
Mio. Euro, d.h. die 198 Gemeinden, die sich verbessern, gewinnen insgesamt<br />
gesehen diesen Betrag hinzu, die 19 Gemeinden, die sich verschlechtern, verlieren<br />
diesen Betrag.<br />
- Die indirekten Auswirkungen auf die Finanzkraft der Landkreise liegen bei einem<br />
gegenüber dem FAG unveränderten fiktiven Umlagesatz von 35% und<br />
der bisherigen Ausgleichsquote von 70% zwischen – 1,61% bzw. -6,26 Euro<br />
pro Bedarfseinheit im Saalekreis und + 0,63% bzw. + 2,38 Euro pro Bedarfseinheit<br />
im Landkreis Harz.<br />
- Das gesamte indirekt verursachte Umverteilungsvolumen auf der Landkreisebene<br />
liegt bei 2,4 Mio. Euro. Drei Landkreise verlieren zusammen diese 2,4<br />
Mio. Euro und die anderen acht Landkreise gewinnen diesen Betrag hinzu.<br />
187
- Im Bereich der kreisfreien Städte würde die steuerstarke Stadt Magdeburg im<br />
Ergebnis 1,6 Mio. Euro verlieren, die steuerschwache Stadt Halle 1,6 Mio. Euro<br />
hinzu gewinnen und für die durchschnittlich steuerstarke Stadt Dessau-<br />
Roßlau würde sich im Ergebnis mit einem Verlust von 6.731 Euro praktisch<br />
nichts verändern.<br />
Die drei Hauptziele, nämlich eine deutliche Verbesserung der Finanzkraft der steuerschwächeren<br />
Gemeinden, eine Finanzierung dieser Verbesserung durch die besonders<br />
steuerstarken Gemeinden und eine verfassungsfeste Regelung würden mit dem<br />
Instrument der Finanzausgleichsumlage nach dem baden-württembergischen Vorbild<br />
bereits bei einem einheitlichen linearen Tarif von z.B. 25% in überzeugender und<br />
technisch sehr einfacher Form realisierbar sein.<br />
Die indirekten Wirkungen auf der Ebene der Landkreise bewegen sich in einem recht<br />
engen Spektrum. Dies könnte möglicherweise auch das Landesverfassungsgericht<br />
von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>, wie zuvor schon den Staatsgerichtshof von Baden-<br />
Württemberg, zu der Überzeugung bringen, dass diese allgemeine Finanzausgleichsumlage<br />
weder gegen das Grundgesetz, noch gegen die Landesverfassung<br />
verstößt, sondern im Gegenteil ein sehr geeignetes Mittel zur Umsetzung des Artikels<br />
88 Abs. 2 der Landesverfassung von <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> darstellt.<br />
6.9. Zur Verteilung der steuerkraftunabhängigen laufenden Zuweisungen<br />
Mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen hat sich unter Verfassungsjuristen als überwiegende<br />
Meinung durchgesetzt, dass die Länder für den übertragenen Wirkungskreis<br />
steuerkraftunabhängige Zuweisungen zu gewähren haben. Zugleich wird es,<br />
zumindest dem Grunde nach, für zulässig gehalten, steuerkraftabhängige Finanzausgleichsumlagen<br />
zu erheben.<br />
Obwohl das Beispiel Nordrhein-Westfalen mit dem „Segen“ des dortigen Verfassungsgerichtshofs<br />
zeigt, dass der Verzicht auf beide Instrumente den kommunalen<br />
Finanzausgleich deutlich vereinfachen kann 35 , muss die heutige herrschende Meinung<br />
zur Vermeidung unnötiger Risiken natürlich respektiert werden.<br />
Steuerkraftunabhängige laufende Zuweisungen brauchen bei einer im Sinne des Artikels<br />
88 Abs. 1 insgesamt angemessenen Finanzausstattung der Kommunen dann<br />
nicht mehr im Widerspruch zu dem Ausgleichsgebot des Artikels 88 Abs. 2 zu stehen,<br />
wenn zugleich eine wirkungsvolle Finanzausgleichsumlage installiert ist.<br />
35 Vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Februar 1985,<br />
VerfGH 17/83<br />
188
Ansonsten wäre es fast zwingend notwendig, dass das Land über die Vorgabe des<br />
Artikels 88 Abs. 1 hinaus zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt, um auch den steuerschwächeren<br />
Gemeinden eine angemessene Finanzausstattung zu ermöglichen.<br />
Im Grundsatz muss für die steuerkraftunabhängigen Zuweisungen das gleiche Prinzip<br />
wie für die Bedarfsberechnung im System der allgemeinen Zuweisungen gelten.<br />
Sofern es keine überzeugenden Gründe und empirische Nachweise für einen andere<br />
Verteilungssystematik gibt, ist ein Einwohner als eine Bedarfseinheit anzusehen.<br />
Insofern ist es folgerichtig, dass die Auftragskostenerstattung innerhalb der kommunalen<br />
Gruppen jeweils in Form eines gleichen Betrages pro Einwohner erfolgt. Wie<br />
bereits dargestellt, gibt es für die bisherige Differenzierung zwischen Gemeinden mit<br />
weniger als 20.000 Einwohnern und denen mit mindestens 20.000 Einwohnern jedoch<br />
keine empirische Rechtfertigung.<br />
Legt man für beide Gruppen die gleichen Kriterien an, nämlich Steuern und Umlagen,<br />
aber auch Bedarfszuweisungen und Zuführungen vom Vermögenshaushalt<br />
nicht als Finanzierungsanteile im übertragenen Wirkungskreise anzusehen, kommt<br />
man für beide Gruppen auf fast identische Beträge von gut 60 Euro pro Einwohner.<br />
Von daher wäre der Kopfbetrag für kleinere Gemeinden um rd. 20 Euro zu erhöhen<br />
bzw. ein entsprechender einheitlicher Kopfbetrag festzulegen.<br />
Die besonderen Zuweisungen für die Aufgabenübertragung nach dem Ersten und<br />
Zweiten Funktionalreformgesetz werden zu 90% nach Einwohnern und zu 10% nach<br />
der Fläche verteilt.<br />
Aus den Regressionsuntersuchungen der Zuschussbedarfe der Gemeinden und<br />
Kreise hat sich zweifelsfrei ergeben, dass die Fläche weder auf der Gemeinde-, noch<br />
auf der Kreisebene als bedarfssteigernder, sondern allenfalls als bedarfssenkender<br />
Faktor angesehen werden kann.<br />
Von daher erscheint es geboten, den gesamten Betrag nach Einwohnern (auch im<br />
Bereich der kreisfreien Städte) zu verteilen.<br />
Für die verschiedenen Besonderen Ergänzungszuweisungen für die Wahrnehmung<br />
der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende, der Sozialhilfe und der Hilfe<br />
zur Erziehung gibt es gute und überzeugende Gründe, einen Verteilungsschlüssel zu<br />
wählen, der nicht auf der Einwohnerzahl basiert.<br />
Wo immer möglich, sollte allerdings kein Verteilungsschlüssel gewählt werden, der<br />
sich an den tatsächlichen Nettoausgaben orientiert. Dies gilt vor allem dann, wenn<br />
eine volle oder nahezu volle Kostendeckung stattfindet.<br />
Noch problematischer kann es allerdings werden, wenn konkrete Fallzahlen als<br />
Maßstab dienen. Ein entsprechender Fehlanreiz zur Schaffung vieler „leichter“ Fälle<br />
sollte unbedingt vermieden werden. Anders fällt die Beurteilung dann aus, wenn die<br />
Fallzahl durch die Kommune selbst gar nicht gesteuert werden kann, weil hierfür an-<br />
189
dere Entscheidungsträger zuständig sind, wie dies z.B. im Bereich der Grundsicherung<br />
für Arbeitssuchende der Fall ist.<br />
Ideal ist es natürlich, wenn geeignete strukturelle Indikatoren zur Verfügung stehen,<br />
die von der Gemeinde nicht gesteuert werden können, wie z.B. die Quote der Kinder<br />
unter 6 Jahren oder der jungen Menschen unter 18 Jahren.<br />
Von daher sollte im Bereich der Sozialhilfe und der Hilfe zur Erziehung überprüft<br />
werden, ob es nicht geeignetere Indikatoren als die Nettoausgaben für die Sozialhilfe<br />
bzw. die Zahl der jungen Menschen im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 des SGB VIII gibt.<br />
Die Besonderen Zuweisungen und Besonderen Ergänzungszuweisungen sind nach<br />
§ 6 des FAG genauso wie die Auftragskostenerstattung nicht zweckgebunden. Dennoch<br />
werden unterschiedliche Zuweisungstöpfe ausgewiesen.<br />
Zumindest für die Zuweisungsarten, die ausschließlich nach der Einwohnerzahl verteilt<br />
werden, ist dies rein rational nicht nachvollziehbar. Dass jedes Ressort ein gewisses<br />
Interesse daran hat, für die eigenen Aufgaben auch ein eigenes „Zuweisungstöpfchen“<br />
auszuweisen, ist zwar politisch verständlich, aber im Sinne eines transparenten<br />
und einfachen FAG möglichst zu vermeiden. Es würde doch völlig ausreichen,<br />
an geeigneter Stelle festzuhalten, dass der (nach Einwohnern zu verteilende) Gesamttopf<br />
zur Abdeckung der Kosten des übertragenen Wirkungskreises sowie der<br />
Aufgaben A, B und C gedacht ist.<br />
6.10. Zur Verteilung der Investitionspauschale<br />
Die Investitionspauschale beträgt im Jahr 2012 128,041 Mio. Euro. Diesen Zuweisungen<br />
werden nach § 16 Abs. 2 vorab 10 Millionen Euro jährlich entnommen und<br />
finanzschwachen Kommunen zur Erbringung des Eigenanteils für nach § 3 Abs. 1<br />
des Entflechtungsgesetzes vom 5. September 2006 geförderte Straßenbauprojekte<br />
zur Verfügung gestellt. Für diesen Zweck nicht verbrauchte Mittel fließen im Folgejahr<br />
in die investiven Zuweisungen zurück. Im Jahr 2012 betragen die Rückflüsse<br />
3,775 Mio. Euro, so dass 121,816 Mio. Euro in die reguläre Verteilung gelangen.<br />
Diese Art der Vorabentnahme kann systematisch nicht überzeugen, denn die spezifische<br />
Zweckbindung steht im Widerspruch zur Intention der Investitionspauschale, die<br />
es ja gerade den Kommunen überlässt, welche investiven Prioritäten sie setzen. Die<br />
zweite Begründung einer Förderung „finanzschwacher Kommunen“ kann ebenfalls<br />
nicht überzeugen, weil die Abgrenzung zu unbestimmt ist und schnell mit den allgemeinen<br />
Verteilungskriterien kollidieren kann. Das Land sollte deshalb zukünftig auf<br />
diese unsystematische Art einer Vorwegentnahme verzichten.<br />
In den Jahren 2010 und 2011 wurden die nach den Vorwegentnahmen verbleibenden<br />
verfügbaren Mittel zu 25% den kreisfreien Städten, zu 55% den kreisangehöri-<br />
190
gen Gemeinden und zu 20% den Landkreisen zugewiesen und proportional zur Höhe<br />
der allgemeinen Zuweisungen verteilt.<br />
Im Jahr 2012 werden die Mittel in unveränderten Proportionen auf die kommunalen<br />
Gruppen aufgeteilt, nunmehr aber zu 75% nach Einwohnern und zu 25% nach Fläche<br />
verteilt, wobei abundante Kommunen keine Zuweisungen erhalten.<br />
Bei der Aufteilung der verfügbaren Masse erhalten im Jahr 2012 die kreisfreien Städte<br />
pro Einwohner 105,9% und der kreisangehörige Raum 98,2% des Landesdurchschnitts.<br />
Da es im Gegensatz zu lfd. Bedarf kaum möglich ist, den investiven Bedarf<br />
der einzelnen kommunalen Gruppen durch statistische Bedarfs- und Vergleichsanalysen<br />
zu ermitteln, kann nur das Land selbst aufgrund der Kenntnisse aus der Entwicklung<br />
der letzten 22 Jahre abschätzen, welche Investitionsbedarfe noch bestehen<br />
und wie sie sich regional verteilen.<br />
Von daher gibt es im Rahmen dieses <strong>Gutachten</strong>s keine <strong>Anhalt</strong>spunkte, diese Aufteilung<br />
zwischen den kreisfreien Städten und dem kreisangehörigen Raum kritisch zu<br />
hinterfragen. Dies gilt auch für die Aufteilung innerhalb des kreisangehörigen Raums<br />
zwischen den Gemeinden und den Landkreisen.<br />
Insofern kann es hier nur um die Frage gehen, ob das gewählte Verteilungsverfahren<br />
innerhalb der drei kommunalen Gruppen sachgerecht und nachvollziehbar ist.<br />
Im Gegensatz zu den lfd. Bedarfen, bei denen die Fläche eher entlastend als belastend<br />
wirkt, gibt es zumindest im kreisangehörigen Raum gute Gründe, einen zumindest<br />
teilweise flächenabhängigen Investitionsbedarf als plausibel anzusehen.<br />
So entfällt bei den Landkreisen und den kreisangehörigen Gemeinden jeweils alleine<br />
über ein Drittel der Bauinvestitionen auf Kreis- und Gemeindestraßen und deren<br />
Länge wiederum ist in einem hohen Maße auch flächenabhängig.<br />
Nicht so recht nachvollziehbar ist ein solcher Zusammenhang allerdings im Bereich<br />
der drei kreisfreien Städte. Die hauptsächlich relevanten Verkehrs- und verkehrsnahen<br />
Investitionen haben in Abhängigkeit von Fläche und Ballung eher einen u-förmigen<br />
Kostenverlauf, d.h. bei sehr dünner Besiedlung und extremer Ballung pro Einwohner<br />
sind sie besonders hoch, bei durchschnittlicher Bevölkerungsdichte nehmen<br />
sie jedoch ihren geringsten Wert an. Deshalb ist bei kreisfreien Städten mit zunehmender<br />
Fläche pro Einwohner nicht von höheren, sondern eher von geringeren Kosten<br />
auszugehen.<br />
Von daher ist die Berücksichtigung der Fläche mit einem Anteil von 25% im kreisangehörigen<br />
Raum sicherlich vertretbar, aber wohl kaum im Bereich der drei kreisfreien<br />
Städte.<br />
Sowohl das zu den allgemeinen Zuweisungen proportionale Verteilungsverfahren bis<br />
zum Jahr 2011 als auch das in 2012 verwendete steuerkraftunabhängige Verfahren<br />
weisen aber zusätzlich bedenkliche systematische Mängel auf.<br />
191
Diese systematischen Mängel sollen am Beispiel von drei verbandsgemeindeangehörigen<br />
Gemeinden des Landkreises Mansfeld-Südharz erläutert werden.<br />
Tabelle 44:<br />
Systematische Mängel im Verteilungsverfahren der Investionspauschale in 2011 und in 2012 und ein Alternativverfahren<br />
Steuerkraft<br />
/Bedarfmesszahl<br />
in %<br />
Steuerkraft<br />
pro<br />
Einwohner<br />
allgemeine<br />
Zuw. pro<br />
Einwohner<br />
Finanzkraft<br />
pro<br />
Einwohner<br />
Finanzkraft pro<br />
Einwohner nach<br />
normiert 85%<br />
Umlagen<br />
I-Pauschale<br />
pro Einwohner<br />
im System<br />
2011<br />
I-Pauschale pro<br />
Einwohner im<br />
System 2012 (aber<br />
ohne Fläche)<br />
I-Pauschale pro<br />
Einwohner im<br />
Alternativsystem<br />
Finanzkraft nach<br />
Umlagen +<br />
I-Pauschale im<br />
System 2011 pro<br />
Einwohner<br />
Finanzkraft nach<br />
Umlagen +<br />
I-Pauschale im<br />
System 2012 pro<br />
Einwohner<br />
Finanzkraft nach<br />
Umlagen +<br />
40% der<br />
I-Pauschale im<br />
Alternativsystem<br />
pro Einwohner<br />
Berga 103,2% 673 0 673 101 0 0 20 101 101 109<br />
Bornstedt 26,5% 178 347 525 79 60 40 36 139 118 93<br />
Edersleben 86,2% 562 63 625 94 11 40 35 105 133 108<br />
Mit Berga und Edersleben sind die beiden steuerstärksten und mit Bornstedt die<br />
steuerschwächste Gemeinde in diese Übersicht aufgenommen worden, wobei Berga<br />
im Jahr 2012 sogar abundant ist.<br />
Um keine zusätzlichen Verzerrungen durch die extrem hohen Umlagesätze im Landkreis<br />
zu erhalten, sollen mit zusammen 85% für die Kreis- und die Verbandsgemeindeumlage<br />
landesdurchschnittliche Verhältnisse unterstellt werden.<br />
Dargestellt werden jeweils die Ergebnisse, die sich ergeben würden, wenn die Investitionspauschale<br />
in 2012 nach dem System der Jahre 2010 und 2011 verteilt würde<br />
und die, die sich bei einer ausschließlichen Verteilung nach Einwohnern unter Ausschluss<br />
der abundanten Gemeinden ergeben würden.<br />
Das Hauptproblem des Verteilungssystems 2010/11 liegt darin, dass es zwar bei der<br />
Summe aus der Finanzkraft und der Investitionspauschale noch nicht zu Übernivellierungen<br />
kommen kann, sehr wohl aber nach der Kreis- und erst recht nach der<br />
Verbandsgemeindeumlage.<br />
Die steuerschwache Gemeinde Bornstedt hat nach den Umlagen und einschließlich<br />
ihrer Investitionspauschale mit 139 Euro pro Einwohner die höchste Finanzkraft und<br />
die abundante Gemeinde Berga die niedrigste. Die Reihenfolge wird also komplett<br />
auf den Kopf gestellt, was verfassungsrechtlich mehr als bedenklich ist.<br />
Auch im System des Jahres 2012 kommt es zu Übernivellierungen. Betroffen davon<br />
sind allerdings nur noch die abundanten Gemeinden und das zum Teil auch schon<br />
vor Abführung der Umlagen. Wenn nämlich eine Gemeinde die Abundanzschwelle<br />
nur um einen Euro überschreitet, verliert sie 40 Euro pro Einwohner.<br />
192
Solche Sprungstellen sind ebenfalls verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Nach den<br />
Umlagen wird das Problem dadurch massiv verschärft, dass es nicht nur bei Überschreitungen<br />
der Abundanzschwelle um bis zu 40 Euro pro Einwohner zu einer<br />
Übernivellierung kommt, sondern auch noch bei Überschreitungen bis zu 267 Euro<br />
(bei einer Gesamtumlage von 85%).<br />
Die verfassungsrechtlich besonders problematische Sprungstelle vor der Abführung<br />
der Umlagen lässt sich dadurch relativ einfach eliminieren, indem rechnerisch die<br />
Schlüsselmasse um die Investitionspauschale erhöht wird und die Differenz einer so<br />
berechneten fiktiven Schlüsselzuweisung und der tatsächlichen Schlüsselzuweisung<br />
an die einzelne Gemeinde als Investitionspauschale ausgezahlt wird.<br />
Die in der Tabelle dargestellten Werte von 36 Euro pro Einwohner in Bornstedt, von<br />
35 Euro in Edersleben und 20 Euro in Berga sind mit Hilfe einer entsprechenden Simulationsrechnung<br />
ermittelt.<br />
Nach den Umlagen kann es allerdings erneut zu leichteren Übernivellierungen kommen.<br />
Dies liegt daran, dass zwar die Finanzkraft, aber nicht die Investitionspauschale<br />
den Umlagen unterworfen wird. Dies ließe sich, wenn dies politisch gewollt würde,<br />
dadurch lösen, dass ein großer Teil der Investitionspauschale von z.B. 60% - wie hier<br />
unterstellt - an die Verbandsgemeinde abzutreten wäre.<br />
Um auch größere Projekte in der Verbandsgemeinde finanzieren zu können, erscheint<br />
dies sowieso als ein sehr sinnvoller Weg, der zugleich auch noch sicherstellen<br />
würde, dass es nicht mehr zu Übernivellierungen kommen kann.<br />
6.11. Übergangsregelungen<br />
Falls im FAG 2013 die in diesem <strong>Gutachten</strong> vorgeschlagenen Veränderungen oder<br />
zumindest ein Teil davon, umgesetzt werden, bedarf es einer konsistenten Übergangsregelung,<br />
damit es nicht zu umstellungsbedingten Gewinnen oder Verlusten<br />
kommt.<br />
Dies gilt insbesondere bei Einführung einer zeitnahen Steuerkrafterfassung und einer<br />
möglichst aktuellen Berechnung der Umlagegrundlagen. Hier kann es natürlich nicht<br />
sein, dass Gemeinden, denen noch hohe Ausgleichszahlungen für Steuerkraftverluste<br />
zustehen, diese nicht mehr erhalten und auf der anderen Seite Gemeinden, die in<br />
Vorjahren besonders hohe Steuereinnahmen hatten, ihre Mehreinnahmen ohne<br />
kompensatorische Absenkungen der allgemeinen Zuweisungen verbleiben.<br />
Um hier einen gerechten Übergang zu organisieren, gibt es eine relativ einfache Lösung.<br />
Im Reformjahr, also voraussichtlich dem Jahr 2013, müssen die Zuweisungen<br />
und die Umlagen natürlich bereits im neuen System berechnet werden, die noch<br />
nicht „verbrauchten“ Steuerkraftzahlen und Umlagegrundlagen wären jedoch ebenfalls<br />
noch abzurechnen.<br />
193
Es sei unterstellt, dass für das FAG des Jahres 2013 die Gewerbesteuerkraft des<br />
Jahres 2011 sowohl für die Ermittlung der allgemeinen Zuweisungen, als auch für die<br />
Umlagegrundlagen des Jahres 2013 zu berücksichtigen wäre und die gewährten allgemeinen<br />
Zuweisungen des Jahres 2013 sogleich zur Umlage herangezogen würden.<br />
Für die Gewerbesteuer heiße dies, dass noch eine Abrechnung für die allgemeinen<br />
Zuweisungen und die Umlagen von 1/3 der Steuerkraft von 2009 und 2/3 der von<br />
2010 erfolgen müsste. Zudem müssten die allgemeinen Zuweisungen der Jahre<br />
2011 und 2012 noch als Umlagegrundlagen für die Kreis- und ggf. die Verbandsgemeindeumlage<br />
abgerechnet werden.<br />
Die Abrechnungen könnten in Form eines „Nullsummenspiels“ erfolgen. D.h. die<br />
Summe der Einzahlungen würde jeweils der Summe der Auszahlungen entsprechen.<br />
Dies würde sowohl für die allgemeinen Zuweisungen als auch für die jeweilige Umlage<br />
innerhalb eines Kreises oder einer Verbandsgemeinde gelten.<br />
Für die allgemeinen Zuweisungen müsste dazu der Finanzausgleich zweimal gerechnet<br />
werden, nämlich einmal mit der aktuellen Gewerbesteuerkraft und einmal mit<br />
der noch nicht abgerechneten. Die sich bei den beiden Berechnungen jeweils ergebenden<br />
allgemeinen Zuweisungen würden addiert und die Ergebnisse der einzelnen<br />
Gemeinden wieder durch zwei geteilt. Der so ermittelte Betrag würde als allgemeine<br />
Zuweisung des Jahres 2013 ausgezahlt.<br />
Tabelle 45:<br />
Überhänge für die Anrechnung der Gewerbesteuerkraft bei der Bestimmung der allgemeinen<br />
Zuweisungen und der Umlagegrundlagen sowie der allgemeinen Zuweisungen als Bestandteil der<br />
Umlagegrundlagen bei einem Systemwechsel im Jahr 2013<br />
2010 2011 2012 2013<br />
in 2013 separat<br />
abzurechnen<br />
2014<br />
Anrechnung der Gewerbesteuerkraft bei der<br />
Bestimmung der allgemeinen Zuweisungen und<br />
als Bestandteil der Umlagegrundlagen<br />
2008 1/3 1/3 1/3<br />
2009 1/3 1/3 1/3<br />
2010 1/3 2/3<br />
2011 100%<br />
2012 100%<br />
allgemeine Zuweisungen als Bestandteil der<br />
Umlagegrundlagen<br />
2010 100%<br />
2011 100%<br />
2012 100%<br />
2013 100%<br />
2014 100%<br />
Sehr viel einfacher wäre der Ausgleich bei den Umlagen. Hier müsste lediglich für<br />
jeden Kreis und jede Verbandsgemeinde die durchschnittliche Umlagekraft pro Einwohner<br />
der noch nicht abgerechneten Umlagegrundlagen und die Abweichungen der<br />
einzelnen Gemeinden von diesem Durchschnitt berechnet werden.<br />
194
Auf diese Abweichungen (x Zahl der Einwohner) würde der Umlagesatz der entsprechenden<br />
Gebietskörperschaft angewandt. In der Summe würden sich die berechneten<br />
positiven und negativen Abrechnungsbeträge entsprechen und müssten dann<br />
über den jeweiligen Umlageverband ausgeglichen werden.<br />
Diese Ausgleichsverfahren wären sowohl für das Land, als auch für jeden einzelnen<br />
Gemeindeverband finanziell neutral und könnte relativ problemlos berechnet werden.<br />
Auf diese Weise käme es zwischen den Kommunen zu einem gerechten Ausgleich<br />
der Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem alten System.<br />
Ausgleichspflichtige bei diesem Verfahren wären die Gemeinden, die in den Jahren<br />
2009 und 2010 (relativ) gewerbesteuerstärker waren als im Jahr 2011 und die Gemeinden,<br />
deren allgemeine Zuweisungen in den Jahren 2011 und 2012 (relativ) höher<br />
ausfielen als im Jahr 2013. Durch die verzögerten Abrechnungen im bisherigen<br />
Verfahren haben diese Gemeinden bisher quasi einen zinslosen Kredit bekommen.<br />
Ausgleichsempfänger wären die in der Vergangenheit (relativ) steuer- bzw. umlageschwächeren<br />
Gemeinden, die deshalb bisher die Zeit bis zum (Teil-) Ausgleich durch<br />
mit Zinsen belegte Kassenkredite oder andere Maßnahmen überbrücken mussten.<br />
Ob es auf der Gemeindeebene auch für strukturelle Veränderungen bei der Bedarfsberechnung<br />
Übergangsregelungen geben sollte, ist eine politische Entscheidung und<br />
sollte vom Umfang der Auswirkungen auf die allgemeinen Zuweisungen der einzelnen<br />
Gemeinden abhängig gemacht werden.<br />
Allerdings sollte dabei auch bedacht werden, dass die Begründung für strukturelle<br />
Änderungen impliziert, dass die Gemeinden, die zukünftig höhere Zuweisungen erhalten,<br />
bisher benachteiligt wurden und die Gemeinden, die zukünftig niedrigere Zuweisungen<br />
erhalten, bisher bevorzugt wurden. Übergangsregeln würden eine als<br />
nicht mehr zutreffend empfundene Verteilung unter den Gemeinden nämlich zusätzlich<br />
noch ein Stück perpetuieren.<br />
Wenn trotz dieser Bedenken eine Übergangsregelung zur Anwendung kommen sollte,<br />
könnte man sich eine Streckung der strukturellen Auswirkungen vorstellen. Dafür<br />
müssten im Übergangszeitraum jeweils die Berechnungen der allgemeinen Zuweisungen<br />
in der alten und in der neuen Struktur erfolgen und dann ein gewichteter<br />
Durchschnitt gebildet werden.<br />
Streckt man auf zwei Jahre, wären die Gewichte (neues System zu altem System) im<br />
Jahr 2013 in der Relation von 50% zu 50% festzulegen und ab dem Jahr 2014 würde<br />
ausschließlich das neue System gelten.<br />
Streckt man auf drei Jahre, wären die Gewichte im Jahr 2013 in der Relation von 1/3<br />
zu 2/3 und im Jahr 2014 in der Relation von 2/3 zu 1/3 festzulegen und ab dem Jahr<br />
2015 würde ausschließlich das neue System zur Anwendung kommen.<br />
195
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196