Programmheft - Klassik Stiftung Weimar
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Sausendes, brausendes Rad der Zeit,<br />
Messer du der Ewigkeit<br />
MelosLogos 12<br />
Poetische Liedertage in <strong>Weimar</strong><br />
8. bis 10. November 2013
Wir danken allen Förderern, die dazu beigetragen haben, dass MelosLogos auch<br />
in diesem Jahr wieder als eine maßgeblich durch private Mittel ermöglichte<br />
Veranstaltung der <strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong> stattfinden kann.<br />
Für großzügige Unterstützung danken wir außerdem herzlich dem<br />
Hotel »Elephant« <strong>Weimar</strong>.<br />
Der MelosLogos-Fonds, eine private Förderung, versteht sich als Förderprojekt<br />
für die poetischen Liedertage MelosLogos in <strong>Weimar</strong>. Wie bereits zur Zeit der<br />
<strong>Weimar</strong>er <strong>Klassik</strong> sind Kunst und Kultur in <strong>Weimar</strong> auch heute auf die Unterstützung<br />
von Freunden und Förderern angewiesen, um ihr Niveau erreichen und<br />
halten, ja, existieren zu können.<br />
Gerne lernen wir Sie als Förderer von MelosLogos kennen und stellen Ihnen<br />
unser Projekt vor.<br />
<strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong><br />
Andreas Schirmer<br />
Referent für Öffentlichkeitsarbeit<br />
Telefon: +49 (0) 3643 / 545-109<br />
Telefax: +49 (0) 3643 / 545-118<br />
Burgplatz 4 | 99423 <strong>Weimar</strong><br />
andreas.schirmer@klassik-stiftung.de
Sausendes, brausendes Rad der Zeit, Messer du der Ewigkeit<br />
Freitag, 8. November 2013<br />
20.00 Uhr | Stadtschloss <strong>Weimar</strong>, Festsaal ..................................................... 4<br />
Was Goethe über Wagner gedacht haben würde<br />
und was Wagner über Goethe gedacht hat<br />
Vortrag von Dieter Borchmeyer unter Mitwirkung von<br />
Corinna Harfouch und Stefan Wirth<br />
Samstag, 9. November 2013<br />
10.00 Uhr | Exkursion nach Dornburg und Tautenburg<br />
Treffpunkt: Hotel Elephant, Am Markt 19 ..................................... 6<br />
Der Wanderer und sein Schatten<br />
Nietzsche-Vertonungen von Frederick Delius, Nikolai Medtner,<br />
Arnold Schönberg, Wolfgang Rihm und Stefan Wirth (ua)<br />
mit Björn Bürger (Bariton) und Stefan Wirth (Klavier)<br />
— Spaziergang von Dorndorf nach Tautenburg —<br />
| Tautenburg, Kirche................................................................... 12<br />
»… mit unseren Gesprächen in die Abgründe gerathen …«<br />
Corinna Harfouch und Jens Harzer lesen Texte von<br />
Friedrich Nietzsche und Lou von Salomé<br />
mit Michael Kapsner (Orgelimprovisation)<br />
20.30 Uhr | E-Werk, Maschinensaal.............................................................. 14<br />
»Parsifal«<br />
Variationen von Dieter Ilg nach Richard Wagners »Parsifal«<br />
mit Dieter Ilg, Rainer Böhm und Patrice Héral<br />
Sonntag, 10. November 2013<br />
11.00 Uhr | Musikgymnasium Schloss Belvedere............................................. 22<br />
Johannes Brahms Streichquartett a-moll op. 51,2<br />
Richard Wagner Wesendonck-Lieder<br />
Arnold Schönberg Streichsextett op. 4 »Verklärte Nacht«<br />
mit Christiane Iven (Sopran), dem Armida-Quartett,<br />
Manuel Hofer (Viola) und Marie-Elisabeth Hecker (Violoncello)
Johannes Brahms erlaubt sich hierdurch seinen verbindlichen Dank für Ihre Sendungen zu sagen;<br />
für die Auszeichnung, als welche er sie empfindet u. die bedeutsamen Anregungen, welche er Ihnen<br />
verdankt. In großer Hochachtung ergeben
3<br />
Liebe Freunde von MelosLogos,<br />
Am Vorabend des Anfangs, am Vorabend<br />
des Endes: 1914 – für viele der Beginn des<br />
kurzen 20. Jahrhunderts. Dann ist 1913<br />
das Ende des überlangen 19. Jahrhunderts,<br />
das tief in der Goethezeit begann<br />
und im Empfinden seiner späten Zeitgenossen<br />
schier nicht enden wollte. Hundert<br />
Jahre danach wird die Gewitterstimmung<br />
erneut fühlbar, die damals die Akteure,<br />
Träumer, Schlafwandler und Visionäre erfasste.<br />
MelosLogos 12 gibt sich nicht diesen<br />
Stimmungen hin. Aber die poetischen<br />
Liedertage weichen dieser Centenar-Perspektive<br />
auch nicht aus. Wir stellen in diesem<br />
Jahr maßgebliche Texte und Kompositionen<br />
vor allem aus der zweiten Hälfte<br />
dieses für die Musik, die Philosophie, die<br />
Welt insgesamt so einzigartig prägenden<br />
19. Jahrhunderts ins Zentrum der <strong>Weimar</strong>er<br />
November-Tage 2013.<br />
›Von Hegel zu Nietzsche‹, der Titel<br />
von Karl Löwiths Buch über den revolutionären<br />
Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts,<br />
ist zu einer Metapher für dieses<br />
Jahrhundert insgesamt geworden. Wir<br />
in <strong>Weimar</strong> sollten endlich das Buch ›Von<br />
Goethe zu Nietzsche‹ schreiben. Denn<br />
auch in Kunst und Wissenschaft, also<br />
in der Kultur, für deren Geschichte uns<br />
durch das ›Ereignis <strong>Weimar</strong>‹ eine besondere<br />
Zuständigkeit zugeschrieben wurde,<br />
vollzog sich dieser revolutionäre Bruch,<br />
der an nichts besser zu exemplifizieren ist<br />
als an der unendlichen kulturellen Entfernung<br />
zwischen Goethe und Nietzsche.<br />
Dieter Borchmeyer wird die Linie nicht<br />
ausziehen, wohl aber weit des Bogens<br />
Richtung aufzeigen, wenn er zur Eröffnung<br />
über Goethe und Wagner sprechen<br />
wird.<br />
»Sausendes, brausendes Rad der Zeit,/<br />
Messer du der Ewigkeit« – als Wagner<br />
diese Zeile Mathilde Wesendoncks las,<br />
wird er, der Goethe-Kenner, sofort an den<br />
Erdgeist im Faust I gedacht haben: »So<br />
schaff ’ ich am sausenden Webstuhl der<br />
Zeit«; dann aber schneidet der Reimvers –<br />
»Messer du der Ewigkeit« – als sei er von<br />
Nietzsche, ja, als sei er selbst das Messer,<br />
eben diese Beziehung zu Goethe entzwei.<br />
Goethe bleibt der Bezugspunkt Nietzsches<br />
und Wagners; aber es ist der Leuchtturm<br />
an einer Küste, zu der man nicht zurückkehren<br />
kann, einer Heimat, die verloren<br />
ging.<br />
»Mein Herz ist schwer, mein Freud ist<br />
aus«, gelegentlich, keine Frage, wird uns<br />
bei MelosLogos 12 melancholisch zu Mute<br />
sein. Wenn wir uns trotzdem auf die Begegnungen<br />
in <strong>Weimar</strong>, Dornburg und<br />
Tautenburg freuen, dann wegen der wunderbaren<br />
Künstler, die uns dort begegnen<br />
werden. Dass sie alle wieder zu uns kommen,<br />
ist das Verdienst von Liese Klahn-<br />
Albrecht und allen ihren Mitstreitern:<br />
Ihr und ihnen sei von Herzen gedankt!<br />
Ihr Hellmut Seemann<br />
Linke Seite: Johannes Brahms (1833–1897), Visitenkarte, Mitte Dezember 1887 (?). Brahms hatte die Visitenkarte<br />
an Friedrich Nietzsche geschickt, nachdem er dessen Komposition »Gebet an das Leben« erhalten hatte.
Freitag, 8. November 2013 | 20.00 Uhr<br />
Stadtschloss <strong>Weimar</strong>, Festsaal<br />
Was Goethe über Wagner gedacht haben würde<br />
und was Wagner über Goethe gedacht hat<br />
Vortrag von Dieter Borchmeyer<br />
Richard Wagner (1813 – 1883)<br />
Eine Faust-Ouvertüre (1840 – 1855)<br />
in der Fassung für Klavier von Hans von Bülow (1856)<br />
Melodram »Ach neige, Du Schmerzensreiche« op. 5,7 (1832)<br />
Franz Liszt (1811–1886)<br />
Mephisto-Walzer Nr. 1 »Der Tanz in der Dorfschenke« (1859–1862)<br />
Corinna Harfouch Lesung<br />
Stefan Wirth Klavier<br />
Rechte Seite: Adrian Schleich (1812–1894), Fausts Fassritt in Auerbachs Keller, Stahlstich, 1848
Samstag, 9. November 2013<br />
Dornburg, Altes Schloss<br />
Der Wanderer und sein Schatten<br />
Hugo Wolf (1860–1903)<br />
Prometheus<br />
Frederick Delius (1862–1934)<br />
Der Wanderer<br />
Der Wanderer und sein Schatten<br />
Der Einsame<br />
Nach neuen Meeren<br />
Nikolai Medtner (1880–1951)<br />
op. 19<br />
Gruß<br />
Alt Mütterlein<br />
Heimweh<br />
Arnold Schönberg (1874–1951)<br />
op. 6,8<br />
Der Wanderer<br />
Wolfgang Rihm (*1952)<br />
Sechs Gedichte von Friedrich Nietzsche für Bariton und Klavier (2001)<br />
Der Einsamste<br />
Der Herbst<br />
Der Wandrer (i)<br />
Der Wandrer (ii)<br />
Der Wanderer und sein Schatten<br />
Venedig<br />
Stefan Wirth (*1975)<br />
Liebe Lou (UA)<br />
Nikolai Medtner<br />
op. 19a,2<br />
Verzweiflung<br />
Björn Bürger Bariton<br />
Stefan Wirth Klavier
7<br />
Prometheus<br />
Johann Wolfgang von Goethe<br />
Bedecke deinen Himmel, Zeus,<br />
Mit Wolkendunst<br />
Und übe, dem Knaben gleich,<br />
Der Disteln köpft,<br />
An Eichen dich und Bergeshöh’n;<br />
Mußt mir meine Erde<br />
Doch lassen stehn<br />
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,<br />
Und meinen Herd,<br />
Um dessen Glut<br />
Du mich beneidest.<br />
Ich kenne nichts Ärmeres<br />
Unter der Sonn’, als euch, Götter!<br />
Ihr nähret kümmerlich<br />
Von Opfersteuern<br />
Und Gebetshauch<br />
Eure Majestät<br />
Und darbtet, wären<br />
Nicht Kinder und Bettler<br />
Hoffnungsvolle Toren.<br />
Da ich ein Kind war<br />
Nicht wußte, wo aus noch ein,<br />
Kehrt’ ich mein verirrtes Auge<br />
Zur Sonne, als wenn drüber wär’<br />
Ein Ohr, zu hören meine Klage,<br />
Ein Herz wie meins,<br />
Sich des Bedrängten zu erbarmen.<br />
Wer half mir<br />
Wider der Titanen Übermut?<br />
Wer rettete vom Tode mich,<br />
Von Sklaverei?<br />
Hast du nicht alles selbst vollendet<br />
Heilig glühend Herz?<br />
Und glühtest jung und gut,<br />
Betrogen, Rettungsdank<br />
Dem Schlafenden da droben?<br />
Ich dich ehren? Wofür?<br />
Hast du die Schmerzen gelindert<br />
Je des Beladenen?<br />
Hast du die Tränen gestillet<br />
Je des Geängsteten?<br />
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet<br />
Die allmächtige Zeit<br />
Und das ewige Schicksal,<br />
Meine Herrn und deine?<br />
Wähntest du etwa,<br />
Ich sollte das Leben hassen,<br />
In Wüsten fliehen,<br />
Weil nicht alle<br />
Blütenträume reiften?<br />
Hier sitz’ ich, forme Menschen<br />
Nach meinem Bilde.<br />
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,<br />
Zu leiden, zu weinen,<br />
Zu genießen und zu freuen sich<br />
Und dein nicht zu achten,<br />
Wie ich!
Samstag, 9. November 2013<br />
Der Wanderer<br />
Friedrich Nietzsche<br />
»Kein Pfad mehr!<br />
Abgrund rings und Totenstille!«<br />
So wolltest du’s!<br />
Vom Pfade wich dein Wille!<br />
Nun, Wandrer, gilts!<br />
Nun blicke kalt und klar!<br />
Verloren bist du,<br />
glaubst du – an Gefahr.<br />
Der Wanderer und sein Schatten<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Nicht mehr zurück? Und nicht hinan?<br />
Auch für die Gemse keine Bahn?<br />
So wart ich hier und fasse fest,<br />
was Aug und Hand mich fassen läßt!<br />
Fünf Fuß breit Erde, Morgenroth,<br />
unter unter mir – Welt, Mensch und Tod!<br />
Der Einsame<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Verhaßt ist mir das Folgen und das Führen.<br />
Gehorchen? Nein! Und aber nein – Regieren!<br />
Wer sich nicht schrecklich ist, macht<br />
niemand Schrecken:<br />
Und nur wer Schrecken macht, kann<br />
andre führen.<br />
Verhaßt ist mirs schon, selber mich zu führen!<br />
Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren,<br />
mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,<br />
in holder Irrnis grüblerisch zu hocken,<br />
von ferne her mich endlich heimzulocken,<br />
mich selber zu mir selber – zu verführen.<br />
Nach neuen Meeren<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Dorthin – will ich; und ich traue<br />
Mir fortan und meinem Griff.<br />
Offen liegt das Meer, ins Blaue<br />
Treibt mein Genueser Schiff.<br />
Alles glänzt mir neu und neuer,<br />
Mittag schläft auf Raum und Zeit –:<br />
Nur dein Auge – ungeheuer<br />
Blickt michs an, Unendlichkeit!<br />
Gruß<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Ihr Vöglein in den Lüften,<br />
Schwingt mit Gesang euch fort<br />
Und grüßet mir den teuren,<br />
Den lieben Heimatsort!<br />
Ihr Lerchen, nehmt die Blüten,<br />
Die zarten mit hinaus!<br />
Ich schmückte sie zur Zierde<br />
Für’s teure Vaterhaus.<br />
Du Nachtigall, o schwinge<br />
Dich doch zu mir herab<br />
Und nimm die Rosenknospe<br />
Auf meines Vaters Grab!
9<br />
Alt Mütterlein<br />
Friedrich Nietzsche<br />
In Sonnenglut, in Mittagsruh<br />
Liegt stumm das Hospital;<br />
Es sitzt ein altes Mütterlein,<br />
Am Fenster bleich und fahl.<br />
Ihr Aug’ ist trüb, ihr Haar schneeweiß,<br />
Ihr Mieder rein und schlicht,<br />
Sie freut sich wohl und lächelt still,<br />
Im warmen Sonnenlicht.<br />
Am Fenster blüht ein Rosenstock<br />
Viel Bienlein rings herum,<br />
Stört denn die stille Alte nicht<br />
Das emsige Gesumm?<br />
Sie schaut in all’ die Sonnenlust<br />
So selig stumm hinein:<br />
Noch schöner wird’s im Himmel sein,<br />
Du liebes Mütterlein!<br />
Heimweh<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Das milde Abendläuten<br />
Hallet über das Feld.<br />
Das will mir recht bedeuten,<br />
Daß doch auf dieser Welt<br />
Heimat und Heimatsglück<br />
Wohl keiner je gefunden:<br />
Der Erde kaum entwunden,<br />
Kehr’n wir zur Erde zurück.<br />
Wenn so die Glocken hallen,<br />
Geht es mir durch den Sinn,<br />
Daß wir noch Alle wallen<br />
Zur ew’gen Heimat hin.<br />
Glücklich, wer allezeit<br />
Der Erde sich entringet<br />
Und Heimatslieder singet<br />
Von jener Seligkeit.<br />
Der Wanderer<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Es geht ein Wand’rer durch die Nacht<br />
Mit gutem Schritt;<br />
Und krummes Tal und lange Höhn –<br />
Er nimmt sie mit.<br />
Die Nacht ist schön –<br />
Er schreitet zu und steht nicht still,<br />
Weiß nicht, wohin sein Weg noch will.<br />
Da singt ein Vogel durch die Nacht:<br />
»Ach Vogel, was hast du gemacht!<br />
Was hemmst du meinen Sinn und Fuß<br />
Und gießest süßen Herz-Verdruß<br />
Ins Ohr mir, daß ich stehen muß<br />
Und lauschen muß – –<br />
Was lockst du mich mit Ton und Gruß?«<br />
Der gute Vogel schweigt und spricht:<br />
»Nein, Wandrer, nein! Dich lock ich nicht<br />
Mit dem Getön –<br />
Ein Weibchen lock ich von den Höhn –<br />
Was gehts dich an?<br />
Allein ist mir die Nacht nicht schön –<br />
Was gehts dich an? Denn du sollst gehn<br />
Und nimmer, nimmer stille stehn!
Samstag, 9. November 2013<br />
Was stehst du noch?<br />
Was tat mein Flötenlied dir an,<br />
Du Wandersmann?«<br />
Der gute Vogel schwieg und sann:<br />
»Was tat mein Flötenlied ihm an?<br />
Was steht er noch?<br />
Der arme, arme Wandersmann!«<br />
Der Einsamste<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Nun, da der Tag<br />
des Tags müde ward, und aller<br />
Sehnsucht Bäche<br />
von neuem Trost plätschern,<br />
auch alle Himmel, aufgehängt in<br />
Gold-Spinnetzen<br />
zu jedem Müden sprechen: »Ruhe nun!« –<br />
was ruhst du nicht, du dunkles Herz,<br />
was stachelt dich zu fußwunder Flucht …<br />
wes harrest du?<br />
Der Herbst<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch<br />
das Herz!<br />
Fliege fort! fliege fort!<br />
Die Sonne schleicht zum Berg<br />
und steigt und steigt<br />
und ruht bei jedem Schritt.<br />
Was ward die Welt so welk!<br />
Auf müd gespannten Fäden spielt<br />
der Wind sein Lied.<br />
Die Hoffnung floh –<br />
Er klagt ihr nach.<br />
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch<br />
das Herz!<br />
Fliege fort! fliege fort! –<br />
Oh Frucht des Baums,<br />
du zitterst, fällst?<br />
Welch ein Geheimnis lehrte dich<br />
die Nacht,<br />
daß eis’ger Schauder deine Wange,<br />
[deine Purpurwange] deckt? –<br />
Du schweigst, antwortest nicht?<br />
Wer redet noch? – –<br />
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch<br />
das Herz!<br />
Fliege fort! fliege fort! –<br />
»Ich bin nicht schön<br />
– so spricht die Sternenblume –,<br />
doch Menschen lieb ich,<br />
und Menschen tröst ich –<br />
sie sollen jetzt noch Blumen sehn,<br />
nach mir sich bücken<br />
ach! Und mich brechen –<br />
in ihrem Auge glänzet dann Erinn’rung auf,<br />
Erinnerung an Schöneres als ich: –<br />
– ich seh’s, ich seh’s – und sterbe so!« –<br />
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch<br />
das Herz!<br />
Fliege fort! fliege fort!
11<br />
Venedig<br />
Friedrich Nietzsche<br />
An der Brücke stand<br />
jüngst ich in brauner Nacht.<br />
Fernher kam Gesang:<br />
goldener Tropfen quolls<br />
über die zitternde Fläche weg.<br />
Gondeln, Lichter, Musik –<br />
trunken schwamms in die<br />
Dämmrung hinaus ...<br />
Meine Seele, ein Saitenspiel,<br />
sang sich, unsichtbar berührt,<br />
heimlich ein Gondellied dazu,<br />
zitternd vor bunter Seligkeit.<br />
– Hörte jemand ihr zu? …<br />
Verzweiflung<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Von Ferne tönt der Glockenschlag,<br />
Die Nacht, sie rauscht so dumpf daher.<br />
Ich weiß nicht, was ich tuen mag;<br />
Mein Freud’ ist aus, mein Herz ist schwer.<br />
Die Stunden fliehn gespenstisch still,<br />
Fern tönt der Welt Gewühl, Gebraus.<br />
Ich weiß nicht, was ich tuen will:<br />
Mein Herz ist schwer, mein’ Freud’ ist aus.<br />
So dumpf die Nacht, so schauervoll<br />
Des Mondes bleiches Leichenlicht.<br />
Ich weiß nicht, was ich tuen soll...<br />
Wild rast der Sturm, ich hör’ ihn nicht.<br />
Ich hab’ nicht Rast, ich hab’ nicht Ruh,<br />
Ich wandle stumm zum Strand hinaus,<br />
Den Wogen zu, dem Grabe zu...<br />
Mein Herz ist schwer, mein Freud’ ist aus.<br />
Brief von Friedrich Nietzsche an Lou von Salomé<br />
Liebe Lou,<br />
fünf Worte — meine Augen schmerzen. Ich besorgte Ihren Petersburger Brief. Vor zwei Tagen habe ich auch<br />
an Ihre Frau Mutter geschrieben (und zwar ziemlich lang). Auch nach Paris habe ich zwei Anfrage-Briefe<br />
abgeschickt. — Welche Melancholie! Ich wußte es nicht bis zu diesem Jahre, wie sehr ich mißtrauisch bin.<br />
Nämlich gegen mich. Der Umgang mit Menschen hat mir den Umgang mit mir verdorben. Sie wolten mir<br />
noch Etwas sagen? Ihre Stimme gefällt mir am meisten, wenn Sie bitten. Aber man hört dies nicht oft genug.<br />
Ich werde beflissen sein — — Ah, diese Melancholie! Ich schreibe Unsinn. Wie seicht sind mir heute die<br />
Menschen! Wo ist noch ein Meer, in dem man wirklich noch ertrinken kann! Ich meine ein Mensch.<br />
Leipzig, 8. November 1882
Samstag, 9. November 2013<br />
Tautenburg, Kirche<br />
»… mit unseren Gesprächen in die Abgründe gerathen …«<br />
Texte von Friedrich Nietzsche und Lou von Salomé<br />
eingerichtet von Beate Seidel<br />
Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)<br />
Schmerz ist der Grundton der Natur (1861)<br />
für Orgel zu vier Händen<br />
»Gebet an das Leben« (über ein Gedicht von Lou von Salomé, 1882)<br />
Bearbeitung für Orgel von Michael Kapsner<br />
und Orgelimprovisation<br />
Corinna Harfouch, Jens Harzer Lesung<br />
Michael Kapsner, Liese Klahn Orgel zu vier Händen<br />
Michael Kapsner Orgelimprovisation<br />
»Seltsam, daß wir unwillkürlich mit unseren Gesprächen in die Abgründe gerathen, an jene schwindligen<br />
Stellen, wohin man wohl einmal einsam geklettert ist um in die Tiefe zu schauen. Wir haben<br />
stets die Gemsenstiegen gewählt, und wenn uns Jemand zugehört hätte, er würde geglaubt haben,<br />
zwei Teufel unterhielten sich.« Lou von Salomé an Paul Rée, Tautenburg, 18. August 1882<br />
Wir waren Freunde und sind uns fremd geworden. Aber das ist recht so, und wir wollen’s uns nicht<br />
verhehlen und verdunkeln, als ob wir uns dessen zu schämen hätten. Wir sind zwei Schiffe, deren jedes<br />
sein Ziel und seine Bahn hat; wir können uns wohl kreuzen und ein Fest miteinander feiern, wie<br />
wir es getan haben, – und dann lagen die braven Schiffe so ruhig in einem Hafen und in einer<br />
Sonne, daß es scheinen mochte, sie seien schon am Ziele und hätten Ziel gehabt. Aber dann trieb uns<br />
die allmächtige Gewalt unserer Aufgabe wieder auseinander, in verschiedene Meere und Sonnenstriche,<br />
und vielleicht sehen wir uns nie wieder, – vielleicht auch sehen wir uns wohl, aber erkennen<br />
uns nicht wieder: die verschiedenen Meere und Sonnen haben uns verändert! Daß wir uns fremd werden<br />
mußten, ist das Gesetz über uns: eben dadurch sollen wir uns auch ehrwürdiger werden!<br />
Unser Leben ist zu kurz und unsre Sehkraft zu gering, als daß wir mehr als Freunde im Sinne jener<br />
erhabenen Möglichkeit sein könnten. – Und so wollen wir an unsre Sternen-Freundschaft glauben,<br />
selbst wenn wir einander Erden-Feinde sein müßten. Friedrich Nietzsche, Fröhliche Wissenschaft<br />
Rechte Seite: Friedrich Nietzsche, Gebet an das Leben, 1882
Samstag, 9. November 2012 | 20.30 Uhr<br />
E-Werk, Maschinensaal<br />
»Parsifal«<br />
Variationen von Dieter Ilg nach Richard Wagners Parsifal<br />
»Im Parsifal erlebe ich Richard Wagner als Klangmaler. Das Spiel mit dem Verändern<br />
und Auskosten von Formen, Grenzen und Phantasien wie Vorstellungen. Obsessiv und<br />
fanatisch, zauberhaft und intensiv. Dieser Versuch, Sprache in Töne umzusetzen, hinterläßt<br />
manchen Hörer sprachlos. — Eine fantastische Vorlage für uns Jazzmusiker zur<br />
Interpretation und Improvisation.«<br />
(Dieter Ilg)<br />
Bass Dieter Ilg<br />
Klavier Rainer Böhm<br />
Schlagzeug Patrice Héral<br />
Rechte Seite: Richard Wagner (1813–1883), Parsifal-Partitur mit Widmung für Friedrich Nietzsche, Januar 1878
[…] Ich möchte, daß Sie vorher noch meine kleine Schrift »Richard Wagner in Bayreuth« lesen;<br />
Freund Rée besitzt sie wohl. Ich habe so viel Bezug auf diesen Mann und seine Kunst erlebt – es war<br />
eine ganze lange Passion: ich finde kein anderes Wort dafür. Die hier geforderte Entsagung, das hier<br />
endlich nöthig werdende Mich-selber Wiederfinden gehört zu dem Härtesten und Melancholischsten<br />
in meinem Schicksale. Die letzten geschriebenen Worte W’s an mich stehen in einem schönen Widmungs<br />
Exemplare des Parsifal »Meinem theuren Freunde Friedrich Nietzsche. Richard Wagner, Ober-<br />
Kirchenrath.« Genau zu gleicher Zeit traf, von mir gesendet, bei ihm mein Buch »Menschliches Allzumenschliches«<br />
ein – und damit war Alles klar, aber auch Alles zu Ende.<br />
Wie oft habe ich, in allen möglichen Dingen, gerade dies erlebt: »Alles klar, aber auch Alles zu Ende«!<br />
Und wie glücklich bin ich, meine geliebte Freundin Lou, jetzt in Bezug auf uns Beide denken zu dürfen<br />
»Alles im Anfang und doch Alles klar!« Vertrauen Sie mir! Vertrauen wir uns!<br />
Mit den herzlichsten Wünschen für Ihre Reise<br />
Ihr Freund Nietzsche.<br />
Tautenburg bei Dornburg (Thüringen), 16. Juli 1882
»Alles im Anfang und doch Alles klar!«<br />
Lou von Salomé und Friedrich Nietzsche<br />
Eine junge Frau macht sich am Ausgang<br />
des 19. Jahrhunderts auf, ihren Platz in<br />
der Welt zu finden. Einer Welt, die sich<br />
(wieder mal) im Umbruch befindet. Die<br />
Frau ist klug und anziehend, und sie hat<br />
andere Pläne, als ihrem Geschlecht bislang<br />
zugestanden worden sind. Sie will<br />
studieren, will schreiben, in gleichberechtigten<br />
Austausch treten mit den<br />
klügsten Köpfen ihrer Zeit. In Zürich<br />
stürzt sie sich ins Studium, welches dort<br />
nun endlich auch Frauen erlaubt ist.<br />
Diese junge Frau, namens Lou von<br />
Salomé, will vor allen Dingen eins: Freiheit.<br />
Sie will ihr Schicksal zwingen … So<br />
unbändig groß sind diese Wünsche, dass<br />
sie ihre physischen Möglichkeiten überschätzt<br />
und sich in ärztliche Behandlung<br />
begeben muss.<br />
1882 reist sie mit ihrer Mutter nach<br />
Rom. Milderes, wärmeres Klima ist ihr<br />
empfohlen worden, um sich von den Anstrengungen<br />
des rastlosen Lernens zu erholen.<br />
In Rom trifft sie auf Paul Rée, einen<br />
Philosophen, der sich in sie verliebt<br />
und seinem Freund Nietzsche sofort von<br />
dieser Begegnung berichtet. Rée hofft,<br />
mit diesem außergewöhnlichen Mädchen<br />
eine Art von Gemeinschaft stiften zu<br />
können. Doch eines will Lou ganz und<br />
gar nicht: ein Liebesverhältnis, das, so<br />
findet sie, einer Unterwerfung der Frau<br />
unter den Mann gleichkäme. Lou sucht<br />
männliche Gesellschaft, ja, aber ausschließlich<br />
in einem höheren Sinne: als<br />
geistige Partnerschaft, deren Zweck der<br />
allumfassende Gedankenaustausch ist.<br />
Es geht ihr um die Erschaffung gemeinsamer<br />
Ideengebäude, um Freundschaft<br />
im wahrsten und tiefsten (auch erotischen)<br />
Sinne des Wortes. Das »Profan-<br />
Geschlechtliche« gehört in diese Lebensvorstellung<br />
nicht hinein.<br />
Und während Paul Rée sich mit ihrer<br />
Verweigerung lange arrangieren kann,<br />
quält Nietzsche eine kaum zu bändigende<br />
Leidenschaft für Lou, in der er endlich<br />
eine Frau zu finden wähnt, die ihm in allen<br />
Beziehungen gewachsen ist, mit der<br />
er sich in jede philosophische Debatte begeben<br />
kann, die auch in der Lage ist, ihm<br />
neue Denkimpulse zu vermitteln. Er<br />
macht Lou sogar einen Heiratsantrag,<br />
den sie aber ablehnt, ohne indes seine<br />
Freundschaft abzulehnen.<br />
Und so ist auch Nietzsche zunächst<br />
bereit, sich auf eine platonische »Ménage<br />
à trois« zu verpflichten, die vor allem der<br />
Arbeit gewidmet sein soll.<br />
Wie sehr jedoch diese offiziell als<br />
»rein geistig« definierte Beziehung grundiert<br />
ist von anderen Sehnsüchten und<br />
Wünschen, dokumentiert z. B. jenes berühmt-berüchtigte,<br />
skandalumwitterte,<br />
Foto der drei »Freunde« (Lou, Rée und<br />
Nietzsche), auf dem Lou, die Peitsche in<br />
der Hand haltend, die beiden Männer im<br />
Schach zu halten scheint.<br />
Lou besteht Nietzsche und Rée gegenüber<br />
auf ihrem Lebensentwurf. Es ist ihre<br />
Art der Emanzipation – in einer Zeit, in<br />
der Frauen gerade beginnen, sich neue
19<br />
Räume in der Gesellschaft zu erobern.<br />
Frauen betreten (die Industrialisierung<br />
macht es möglich) den Arbeitsmarkt.<br />
Gleichberechtigt sind sie zwar noch lange<br />
nicht, aber ihre Arbeitskraft wird dringend<br />
gebraucht. Damit verändert sich<br />
ihre Position in der Familie, aber auch in<br />
der Gesellschaft. Die Schweizer Universitäten<br />
öffnen erstmals Studentinnen die<br />
Pforten, andere Lehreinrichtungen folgen<br />
nach. Forderungen nach dem Wahlrecht<br />
für Frauen werden immer lauter, und obwohl<br />
der Weg bis zur allgemeinen Erringung<br />
desselben noch lang ist, avanciert<br />
die Frauenbewegung zur ins neue Jahrhundert<br />
weisenden politischen Kraft.<br />
Auch aus diesem Blickwinkel heraus<br />
stellt sich Lous private Daseinskonzeption<br />
als ein berechtigter Versuch da, ein<br />
selbstbestimmtes Leben zu führen, sich<br />
sozialen und emotionalen Abhängigkeiten<br />
zu entziehen, und als Gleiche in einer<br />
Lou von Salomé mit Paul Rée und Friedrich Nietzsche. Aufnahme von Jules Bonnet, 1882
männlich dominierte Welt akzeptiert zu<br />
werden. Und sie steht damit nicht allein.<br />
Auch in der Literatur kann man diesen<br />
besonderen Emanzipationsbestrebungen<br />
begegnen. In Gerhart Hauptmanns »Einsame<br />
Menschen« schlägt die Studentin<br />
Anna Mahr, die im Hause des Gelehrten<br />
Johannes Vockerat für kurze Zeit Zuflucht<br />
gefunden hat, dem in sie verliebten Hausherrn<br />
einen ähnlichen Bund vor: Sich einander<br />
zu versprechen für ein höheres,<br />
größeres Ziel, das (in aller Verschwommenheit)<br />
eine »bessere Welt« indiziert,<br />
in der eine freie, auf Gleichheit fußende<br />
Gemein schaft zwischen Mann und Frau<br />
möglich sein soll. Ein wenig ähneln sich<br />
Hauptmanns Vockerat und der Philosoph<br />
Nietzsche in dem Unvermögen, diesen<br />
Vorschlag ihres weiblichen Gegenübers<br />
zu akzeptieren.<br />
Der Körper der Frau wird, in dem er<br />
aus der Geschlechterbeziehung ausgeklammert<br />
wird, zur Waffe. Einer Verteidigungswaffe,<br />
die in beiden Fällen (dem realen<br />
und dem literarischen) tiefe Wunden<br />
in die männliche Seele, das männliche<br />
Selbstbewusstsein schlägt.<br />
Als sich Lou und Nietzsche 1882 allerdings<br />
ins Tautenburg begegnen, sind<br />
diese letzten Erfahrungen noch nicht gemacht.<br />
Nietzsche schreibt an Lou noch<br />
vor ihrem Antritt der Reise: »Alles im Anfang<br />
und doch Alles klar!« Die Hoffnung<br />
auf eine in seinem Sinne erfüllte Zweisamkeit<br />
begleitet ihn die ganze Zeit – bis zur<br />
Abreise Lous nach Leipzig und dem endgültigen<br />
Bruch dort. Doch während Lou<br />
auch danach nicht die Contenance Nietzsche<br />
gegenüber verliert, taumelt er zwischen<br />
Fleh- und Verleumdungsbriefen an<br />
sie, an Paul Rée, an seine Freunde und<br />
Bekannten. Und arbeitet (»Alles klar, aber<br />
auch alles zu Ende.«) am »Zarathustra«,<br />
jenem Werk, in das er seinen Schmerz<br />
über das nicht zustande gekommene<br />
Lebens glück gießt.<br />
Lou von Salomé aber wird die Wege<br />
vieler bedeutender Männer kreuzen, und<br />
viele davon werden diese weibliche<br />
Galions figur weiblicher Selbstfindung<br />
noch begehren – nicht nur als<br />
Gesprächspart nerin. »Liebste Lou« – das<br />
ist die Anrede zahlloser Briefe, deren Absender<br />
von Nietzsche bis Freud reichen.<br />
Dazwischen liegt eine ganze Epoche, die<br />
diese Frau (und darin wiederum ist sie ihrem<br />
Freund-Feind Nietzsche ähnlich) auf<br />
sehr eigenständige, unkonventionelle<br />
Weise geprägt hat.<br />
»Menschenleben – ach!« schreibt sie<br />
an Rilke, »Leben überhaupt – ist Dichtung.<br />
Und selber unbewusst leben wir es,<br />
Tag um Tag wie Stück um Stück, in seiner<br />
unantastbaren Ganzheit aber lebt es,<br />
dichtet es uns. Weit, weitab von der alten<br />
Phrase vom ›Sich-das-Leben-zum-Kunstwerk-machen‹<br />
… ; wir sind nicht unser<br />
Kunstwerk.«<br />
Beate Seidel<br />
Rechte Seite: Lou von Salomé (1861–1937), etwa 1880
Sonntag, 10. November 2013 | 11.00 Uhr<br />
Musikgymnasium Schloss Belvedere<br />
Johannes Brahms (1833 – 1897)<br />
Streichquartett a-moll op. 51,2 (1873)<br />
Allegro non troppo<br />
Andante moderato<br />
Quasi Minuetto, moderato – Allegretto vivace<br />
Finale: Allegro non assai<br />
Richard Wagner (1813 – 1883)<br />
Wesendonck-Lieder (1857/1858)<br />
für Sopran und Streichsextett in der Fassung von Rudolf Leopold<br />
Der Engel<br />
Stehe still!<br />
Im Treibhaus (Studie zu Tristan und Isolde)<br />
Schmerzen<br />
Träume (Studie zu Tristan und Isolde)<br />
Arnold Schönberg (1874 – 1951)<br />
»Verklärte Nacht« Sextett für zwei Violinen, zwei<br />
Violen und zwei Violoncelli, op. 4 (1899/ 1905)<br />
nach dem Gedicht von Richard Dehmel<br />
Christiane Iven Sopran<br />
Armida-Quartett<br />
Martin Funda Violine<br />
Johanna Staemmler Violine<br />
Teresa Schwamm Viola<br />
Peter Philipp Staemmler Violoncello<br />
Manuel Hofer Viola<br />
Marie-Elisabeth Hecker Violoncello
23<br />
Der Engel<br />
Mathilde Wesendonck<br />
In der Kindheit frühen Tagen<br />
Hört ich oft von Engeln sagen,<br />
Die des Himmels hehre Wonne<br />
Tauschen mit der Erdensonne,<br />
Dass, wo bang ein Herz in Sorgen<br />
Schmachtet vor der Welt verborgen,<br />
Daß, wo still es will verbluten,<br />
Und vergehn in Tränenfluten,<br />
Dass, wo brünstig sein Gebet<br />
Einzig um Erlösung fleht,<br />
Da der Engel niederschwebt,<br />
Und es sanft gen Himmel hebt.<br />
Ja, es stieg auch mir ein Engel nieder,<br />
Und auf leuchtendem Gefieder<br />
Führt er ferne jedem Schmerz,<br />
Meinen Geist nun himmelwärts!<br />
Stehe still!<br />
Mathilde Wesendonck<br />
Sausendes, brausendes Rad der Zeit,<br />
Messer du der Ewigkeit;<br />
Leuchtende Sphären im weiten All,<br />
Die ihr umringt den Weltenball;<br />
Urewige Schöpfung, halte doch ein,<br />
Genug des Werdens, lass mich sein!<br />
Halte an dich, zeugende Kraft,<br />
Urgedanke, der ewig schafft!<br />
Hemmet den Atem, stillet den Drang,<br />
Schweiget nur eine Sekunde lang!<br />
Schwellende Pulse, fesselt den Schlag;<br />
Ende, des Wollens ew’ger Tag!<br />
Dass in selig süßem Vergessen<br />
Ich mög’ alle Wonnen ermessen!<br />
Wenn Aug’ in Auge wonnig trinken,<br />
Seele ganz in Seele versinken;<br />
Wesen in Wesen, sich wiederfindet,<br />
Und alles Hoffen’s Ende sich kündet,<br />
Die Lippe verstummt in<br />
staunendem Schweigen,<br />
Keinen Wunsch mehr will das<br />
Inn’re zeugen:<br />
Erkennt der Mensch des Ew’gen Spur,<br />
Und lös’t dein Rätsel, heil’ge Natur!
Sonntag, 10. November 2013 | 11.00 Uhr<br />
Im Treibhaus<br />
Mathilde Wesendonck<br />
Hochgewölbte Blätterkronen,<br />
Baldachine von Smaragd,<br />
Kinder ihr aus fernen Zonen,<br />
Saget mir, warum ihr klagt?<br />
Schweigend neiget ihr die Zweige,<br />
Malet Zeichen in die Luft,<br />
Und der Leiden stummer Zeuge,<br />
Steiget aufwärts, süßer Duft.<br />
Weit in sehnendem Verlangen<br />
Breitet ihr die Arme aus,<br />
Und umschlinget wahnbefangen<br />
Öder Leere nicht’gen Graus.<br />
Wohl, ich weiß es, arme Pflanze:<br />
Ein Geschicke teilen wir,<br />
Ob umstrahlt von Licht und Glanze,<br />
Unsre Heimat ist nicht hier!<br />
Schmerzen<br />
Mathilde Wesendonck<br />
Sonne, weinest jeden Abend<br />
Dir die schönen Augen rot,<br />
Wenn im Meeresspiegel badend<br />
Dich erreicht der frühe Tod;<br />
Doch ersteh’st in alter Pracht,<br />
Glorie der düstren Welt,<br />
Du am Morgen neu erwacht,<br />
Wie ein stolzer Siegesheld!<br />
Ach, wie sollte ich da klagen,<br />
Wie, mein Herz, so schwer dich sehn,<br />
Muss die Sonne selbst verzagen,<br />
Muss die Sonne untergehn?<br />
Und gebieret Tod nur Leben,<br />
Geben Schmerzen Wonnen nur:<br />
O wie dank’ ich, dass gegeben<br />
Solche Schmerzen mir Natur!<br />
Und wie froh die Sonne scheidet<br />
Von des Tages leerem Schein,<br />
Hüllet der, der wahrhaft leidet,<br />
Sich in Schweigens Dunkel ein.<br />
Stille wird’s, ein säuselnd Weben<br />
Füllet bang den dunklen Raum:<br />
Schwere Tropfen seh’ ich schweben<br />
An der Blätter grünem Saum.<br />
Rechte Seite: Mathilde Wesendonck (1828–1902), 1850er Jahre
Sonntag, 10. November 2013 | 11.00 Uhr<br />
Träume<br />
Mathilde Wesendonck<br />
Sag’, welch’ wunderbare Träume<br />
Halten meinen Sinn umfangen,<br />
Dass sie nicht wie leere Schäume<br />
Sind in ödes Nichts vergangen?<br />
Träume, die in jeder Stunde,<br />
Jedem Tage schöner blüh’n<br />
Und mit ihrer Himmelskunde<br />
Selig durch’s Gemüte ziehn?<br />
Träume, wie wenn Fruhlingssonne<br />
Aus dem Schnee die Blüten küsst,<br />
Dass zu nie geahnter Wonne<br />
Sie der neue Tage begrüßt,<br />
Dass sie wachsen, dass sie blühen,<br />
Träumend spenden ihren Duft,<br />
Sanft an deiner Brust verglühen<br />
Und dann sinken in die Gruft.<br />
Träume, die wie hehre Strahlen<br />
In die Seele sich versenken<br />
Dort ein ewig Bild zu malen;<br />
Allvergessen, Eingedenken!
27<br />
Verklärte Nacht<br />
Richard Dehmel<br />
Zwei Menschen gehn durch kahlen,<br />
kalten Hain;<br />
der Mond läuft mit, sie schaun hinein.<br />
Der Mond läuft über hohe Eichen;<br />
kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,<br />
in das die schwarzen Zacken reichen.<br />
Die Stimme eines Weibes spricht:<br />
Ich trag ein Kind, und nit von Dir,<br />
ich geh in Sünde neben Dir.<br />
Ich hab mich schwer an mir vergangen.<br />
Ich glaubte nicht mehr an ein Glück<br />
und hatte doch ein schwer Verlangen<br />
nach Lebensinhalt, nach Mutterglück<br />
und Pflicht; da hab ich mich erfrecht,<br />
da ließ ich schaudernd mein Geschlecht<br />
von einem fremden Mann umfangen,<br />
und hab mich noch dafür gesegnet.<br />
Nun hat das Leben sich gerächt:<br />
nun bin ich Dir, o Dir, begegnet.<br />
Sie geht mit ungelenkem Schritt.<br />
Sie schaut empor; der Mond läuft mit.<br />
Ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.<br />
Die Stimme eines Mannes spricht:<br />
Das Kind, das Du empfangen hast,<br />
sei Deiner Seele keine Last,<br />
o sieh, wie klar das Weltall schimmert!<br />
Es ist ein Glanz um alles her;<br />
Du treibst mit mir auf kaltem Meer,<br />
doch eine eigne Wärme flimmert<br />
von Dir in mich, von mir in Dich.<br />
Die wird das fremde Kind verklären,<br />
Du wirst es mir, von mir gebären;<br />
Du hast den Glanz in mich gebracht,<br />
Du hast mich selbst zum Kind gemacht.<br />
Er faßt sie um die starken Hüften.<br />
Ihr Atem küßt sich in den Lüften.<br />
Zwei Menschen gehn durch hohe,<br />
helle Nacht.
Künstlerbiografien<br />
Das Armida Quartett benannte sich nach<br />
einer der erfolgreichsten Opern von<br />
Joseph Haydn. Und verweist damit auf<br />
den Vater des Streichquartetts. Haydns Esprit<br />
und Schöpfergeist ist Ansporn, Leitmotiv<br />
und Inspiration. Das Quartett, 2006<br />
gegründet, arbeitet mit dem Artemis<br />
Quartett zusammen. Musikalische Anregungen<br />
von Natalia Prischepenko, Alfred<br />
Brendel, Ferenc Rados, Tabea Zimmermann,<br />
Eberhard Feltz und Walter Levin;<br />
Meisterkurse beim Alban Berg-, Guarneriund<br />
Arditti Quartett. 1. Preis, Publikumspreis,<br />
sowie den Dr.-Glatt-Sonderpreis beim<br />
66. Concours de Genève 2011. Im September<br />
2012 gewann das Armida Quartett den<br />
1. Preis sowie den Publikumspreis und<br />
weitere 6 Sonderpreise beim 61. Internationalen<br />
Musikwettbewerb der ard. Konzerte in<br />
der Berliner Philharmonie, dem Münchner<br />
Herkulessaal, dem Wiener Musikverein<br />
und der Pariser Opéra Bastille, beim<br />
Schleswig-Holstein und Rheingau Musikfestival,<br />
dem Davos Festival und dem Heidel berger<br />
Frühling.<br />
Dieter Borchmeyer war 1988–2006 Ordinarius<br />
für Neuere deutsche Literatur und<br />
Theater wissenschaft an der Universität<br />
Heidelberg, seit 2007 Honorarprofessor<br />
in Graz; <strong>Stiftung</strong>sdozentur für Kulturtheorie<br />
in Heidelberg. Von 2004 bis 2013<br />
war er Präsident der Bayerischen Akademie<br />
der Schönen Künste und <strong>Stiftung</strong>sratsvorsitzender<br />
der Ernst von Siemens<br />
Musikstiftung. 2000 erhielt er den Bayerischen<br />
Literaturpreis. 2005 Ehrendoktor<br />
Universität Montpellier; Gastprofessor<br />
in den usa. Schwerpunkt: die deutsche<br />
Literatur vom 18. bis 20. Jahrhundert<br />
und das Musiktheater (Goethe, Schiller,<br />
Mozart, Wagner und Thomas Mann).<br />
Jüngste Buchveröffentlichungen: Goethe.<br />
Der Zeitbürger (1999), Richard Wagner.<br />
Ahasvers Wandlungen (2002), Macht und<br />
Melancholie. Schillers Wallenstein (2003),<br />
Mozart oder die Entdeckung der Liebe (2005)<br />
und: Nietzsche, Cosima, Wagner. Porträt<br />
einer Freundschaft (2008). Zum 200.<br />
Geburtstag Wagners erschienen:<br />
Richard Wagner – Werk, Leben, Zeit.<br />
Der 1985 geborene Bariton Björn Bürger<br />
studierte in Frankfurt/Main bei Hedwig<br />
Fassbender (Diplom 2013 mit Auszeichnung)<br />
. Seit dieser Spielzeit ist er festes<br />
Ensemblemitglied der Oper Frankfurt.<br />
Björn Bürger ist Stipendiat der Da Ponte<br />
<strong>Stiftung</strong>, und erhielt zudem das MainCampus<br />
academicus Stipendium der Polytechnischen<br />
Gesellschaft Frankfurt/Main. Meisterkurse<br />
bei Kurt Moll, Johannes Martin<br />
Kränzle und Helmut Deutsch. 2012 debütierte<br />
Björn Bürger am Grand Théâtre de<br />
Genève in einer Neuproduktion von Verdis<br />
Macbeth unter der Regie von Christof<br />
Loy und der musikalischen Leitung von<br />
Ingo Metzmacher. 2015 wird er den Papageno<br />
an der Opéra national de Paris singen.<br />
Björn Bürger gewann den 1. Preis beim<br />
Bundeswettbewerb Gesang 2012 in Berlin, ist<br />
1. Preisträger des Emmerich Smola Wettbewerb<br />
2013 des SWR und 1. Preisträger<br />
des Anneliese-Rothenberger-Wettbewerb 2013.
Die Schauspielerin Corinna Harfouch, geboren<br />
in Suhl, studierte an der Ostberliner<br />
Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«.<br />
Nach der Wende 1989 war sie zunächst<br />
am Deutschen Theater in Berlin, ehe sie zur<br />
Volksbühne wechselte. Aufsehenerregend<br />
war ihre Interpretation des Generals Harras<br />
in Des Teufels General von Carl Zuckmayer<br />
(Regie: Frank Castorf ). Für diese Rolle<br />
wurde sie 1997 von den deutschen Kritikern<br />
zur Schauspielerin des Jahres gewählt.<br />
Dem deutschen Fernsehpublikum wurde<br />
sie durch den dokumentarischen Spielfilms<br />
Vera Brühne (2001) bekannt. In Bernd<br />
Eichingers Kinofilm Der Untergang (2004)<br />
übernahm sie die Rolle der Magda Goebbels.<br />
Corinna Harfouch erhielt zahlreiche<br />
nationale und interna tionale Preise und<br />
Auszeichnungen, u. a. den Europäischen<br />
Filmpreis (1990), den Adolf-Grimme-Preis<br />
(1997) und die Goldene Kamera als beste<br />
deutsche Schauspielerin (2007).<br />
Jens Harzer wurde 1972 in Wiesbaden geboren;<br />
ausgebildet an der Otto-Falcken berg-<br />
Schule in München, gehörte er ab 1993<br />
für 16 Jahre dem Ensemble von Dieter<br />
Dorn an – erst an den Münchner Kammerspielen,<br />
dann am Bayerischen Staatsschauspiel.<br />
Daneben gastierte er an der Schaubühne<br />
Berlin, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg,<br />
bei den Salzburger Festspielen, der Ruhrtriennale,<br />
am Schauspiel Frankfurt und am<br />
Deutschen Theater Berlin. In diesen Jahren<br />
arbeitete er u. a. mit Peter Zadek, Dieter<br />
Dorn, Jan Bosse, Andrea Breth, Martin<br />
Kusej und Jürgen Gosch. 2009 wechselte<br />
er von München an das Thalia Theater<br />
Hamburg. Bei den Salzburger Festspielen<br />
spielte Harzer die Rolle des Ich in der<br />
Uraufführung von Peter Handkes Immer<br />
noch Sturm (Regie: Dimiter Gotscheff ).<br />
2011 ist Jens Harzer von der Zeitschrift<br />
theater heute zum zweiten Mal zum Schauspieler<br />
des Jahres gewählt worden.<br />
Seit ihrem Erfolg beim Rostropowitsch-<br />
Wettbewerb in Paris 2005 ist die deutsche<br />
Cellistin Marie-Elisabeth Hecker, die bei<br />
H. Schiff und in Meisterkursen bei<br />
A. Bylsma, F. Helmerson, B.Greenhouse<br />
und Steven Isserlis studiert hat, bei vielen<br />
renommierten Orchestern zu Gast: dem<br />
BBC Symphony, dem Gewandhaus-Orchester,<br />
dem Israel Philharmonic Orchestra (Nagano),<br />
dem Mariinsky Orchestra (Gergiev), den<br />
Münchner Philharmonikern (Thielemann), der<br />
Staatskapelle Berlin (Barenboim) u. a. Solorezitale<br />
mit Martin Helmchen,<br />
Kammermusikpart nerin von Veronika<br />
Eberle, Nils Mönkemeyer, Carolin Widmann<br />
und dem Modigliani Quartett. In<br />
Zusammenarbeit mit Music Road Rwanda<br />
unterstützt Marie-Elisabeth Hecker eine<br />
Musikschule in Ruanda, mit der sie regelmäßig<br />
vor Ort musikalische Projekte realisiert.<br />
Marie-Elisabeth Hecker spielt auf<br />
einem Luigi Bajoni Cello von 1864, das ihr<br />
privat zur Verfügung gestellt wird.<br />
Manuel Hofer ist mehrfacher Preisträger<br />
des österreichischen Jugendmusikwettbewerbes<br />
Prima la Musica, Gewinner des<br />
Anton Bruckner Preises der Wiener Symphoniker,
Künstlerbiografien<br />
Preisträger des internationalen Johannes<br />
Brahms Wettbewerbes sowie Träger des<br />
Förder preises der Stadt Graz. Er gewann den<br />
Gradus-ad-Parnassum-Preis für Viola und<br />
den großen Gradus-ad-Parnassum-Solistenpreis.<br />
Seine vielfältige kammermusikalische<br />
und solistische Tätigkeit führt ihn<br />
durch weite Teile Amerikas, Europas und<br />
Asiens zu Festivals wie der Styriarte, dem<br />
Open Chambermusic Festival Prussia Cove/uk,<br />
den Gustav Mahler Musikwochen in Bozen<br />
oder der Schubertiade Schwarzenberg. Als<br />
Solist konzertiert er unter anderem mit<br />
dem Haydn Orchester Bozen, dem Bruckner<br />
Orchester Linz und dem Wiener Kammerorchester.<br />
Manuel Hofer ist Mitglied des Solisten<br />
ensembles Kaleidoskop Berlin und Gastsolobratscher<br />
des Wiener Kammerorchesters.<br />
Der Jazz-Kontrabassist Dieter Ilg studierte<br />
an der Hochschule für Musik in Freiburg bei<br />
Wolfgang Stert sowie an der Manhattan<br />
School of Music in New York; Kurse bei Eddie<br />
Gomez, Ron McClure, Adelhard Roidinger,<br />
Rufus Reid und Ron Carter. Von 1989<br />
bis ’91 war Dieter Ilg als Nachfolger Ron<br />
Carters festes Mitglied des Randy Brecker<br />
Quintet; er spielte u. a. mit dem Mangelsdorff/Dauner<br />
Quintett und dem Gitarristen<br />
Nguyên Lê. 1988 Baden-Württembergischer<br />
Jazzpreisträger. Zusammenarbeit mit Wolfgang<br />
Muthspiel und Steve Argüelles, der<br />
norwegischen Sängerin Rebekka Bakken,<br />
dem tunesischen Sänger und Oudspieler<br />
Dhafer Youssef, mit Till Brönner und Thomas<br />
Quasthoff. Mit seinem preisgekrönten<br />
Trio wurde Dieter Ilg zu bekannten<br />
Festivals und in renommierte Konzertsäle<br />
eingeladen. Seit 1995 ist er Lehrbeauftragter<br />
für Jazz-Kontrabass in Freiburg und<br />
gibt Meisterkurse im In- und Ausland.<br />
2011 erhielt er den echo in der Kategorie<br />
»Bassist – national«.<br />
Der in Ravensburg geborene Rainer Böhm<br />
studierte Jazz-Klavier und Jazz-Arrangement<br />
an der Musikhochschule Mannheim und<br />
führte seine Studien in Köln sowie als Stipendiat<br />
in New York fort. 2003 1. Preis<br />
beim Wettbewerb Jazz Hoeilaart International<br />
Belgium als Solist und in der Ensemblewertung.<br />
2005 wurde er beim Internationalen<br />
Jazzwettbewerb in Getxo (Spanien) als bester<br />
Solist sowie in der Ensemblewertung mit<br />
dem 1. Preis ausgezeichnet. Seit 2006 hat<br />
er einen Lehrauftrag für die Fächer Jazzklavier<br />
und Ensembleleitung an der Hochschule<br />
für Musik Mainz inne. 2007 gewann<br />
er den ersten Preis beim Internationalen<br />
Piano Solo Wettbewerb in Freiburg; 2010 Jazzpreisträger<br />
des Landes Baden-Württemberg.<br />
Gründungsmitglied der Gruppe L 14,16;<br />
er arbeitet mit den Saxophonisten und<br />
Echopreis trägern Johannes Enders und<br />
Lutz Häffner im Duo zusammen.<br />
Zum Großteil autodidaktisch lernte der<br />
1965 in Montpellier geborene Patrice Héral<br />
die Schlagwerkinstrumente. Dennoch<br />
schärften seine wenigen Lehrer wie Alain<br />
Joule und Barre Phillips das Gespür des<br />
Musikers. Zusammenarbeit mit der Straßentheatergruppe<br />
Compagnie Malabar Paillasson<br />
und der Band Tropique du Cancer. In
den 1990er Jahren war Wien das Zentrum<br />
seines Schaffens, wo er mit zahlreichen<br />
Musikern und Kabarettisten auftrat, darunter<br />
Otto Lechner, Max Nagl, Josef<br />
Hader und Otto Grünmandl. Die Musik<br />
fremder Kulturen fließt in seine Arbeit:<br />
Zusammenarbeit mit dem sudanesischen<br />
Künstler Abdel Karim al Khâbli und der<br />
Italienerin Etta Scollo. Von 2005 bis 2007<br />
war er Mitglied beim Orchestre National de<br />
Jazz und gehört zum Ensemble Pago Libre.<br />
Zusammenarbeit u. a. mit Markus Stockhausen,<br />
Christof Lauer, Arild Andersen,<br />
Renaud Garcia-Fons, Steve Swallow,<br />
Vienna Art Orchestra, und Michel Godard.<br />
Patrice Héral arbeitet auch als Klangentwickler<br />
für Videospiele.<br />
Christiane Iven studierte bei Judith Beckmann<br />
und bei Dietrich Fischer-Dieskau.<br />
Nach Engagements an zahlreichen deutschen<br />
und europäischen Opernhäusern ist<br />
sie derzeit dem Staatstheater Stuttgart fest<br />
verbunden, wo sie u. a. als Feldmarschallin<br />
(Rosenkavalier), Agathe (Freischütz),<br />
Kundry (Parsifal) und Ariadne zu erleben<br />
ist und 2011 zur Kammersängerin ernannt<br />
wurde. Konzerte mit der Academy of St.<br />
Martin in the Fields (Marriner), dem Concertgebouworkest<br />
Amsterdam (Harnoncourt), nhk<br />
Symphony Orchestra Tokyo, den Bamberger<br />
Symphonikern, Oslo Philharmonic (Holliger)<br />
dem Orchestre de la Suisse Romande<br />
(Luisi), den Münchner Philharmonikern, dem<br />
Orchestra della Scala (Chailly) u. a. Zu ihren<br />
Liedbegleitern zählt sie András Schiff,<br />
Burkhard Kehring und Wolfram Rieger.<br />
Regelmäßig singt sie auf großen Musikfestivals<br />
wie dem Schleswig-Holstein Musikfestival<br />
oder den Schwetzinger Festspielen. Ab<br />
dem Wintersemester 2013/14 hat sie eine<br />
Professur für Gesang in München inne.<br />
Michael Kapsner studierte in Wien und Freiburg:<br />
Orgel (bei Michael Radulescu und<br />
Ludwig Doerr), Klavier (bei Hans Petermandl),<br />
Tonsatz (bei Friedrich Neumann),<br />
Dirigieren (u. a. bei Hans-Michael Beuerle)<br />
und Kirchenmusik. Seit seiner Jugend übt<br />
er eine umfangreiche Konzerttätigkeit als<br />
Organist, Improvisator, Cembalist und<br />
Liedbegleiter aus. Er war Preisträger bei<br />
mehreren internationalen Orgelwettbewerben<br />
(u. a. Bach-Preis Brügge 1985). Von<br />
1988 bis ’94 wirkte Michael Kapsner als<br />
Kirchenmusiker in Freiburg. Von 1993 bis<br />
1999 war er künstlerischer Leiter des Freiburger<br />
Oratorienchores. Von 1994 bis 2001<br />
unterrichtete er liturgisches Orgelspiel<br />
und Orgel an der Musikhochschule Trossingen.<br />
2000 wurde er als Professor für Orgel<br />
und Improvisation nach Graz berufen.<br />
2004 wechselte er in der gleichen Funktion<br />
an die Hochschule für Musik franz liszt<br />
in <strong>Weimar</strong>.<br />
Stefan Wirth wurde 1975 geboren. Pianistische<br />
Ausbildung in Zürich bei H. Schwimmer<br />
und I. Gage, in den usa bei L.<br />
Hokanson; Meisterkurse bei H. Francesch<br />
und B. L. Gelber. Kompositorische Ausbildung<br />
in den usa, wo er u.a. bei M.<br />
Gandolfi und P. Q. Phan studierte. 1999<br />
Leonard Bernstein Fellowship für die Tanglewood<br />
Sommer kurse. 2000 Studium bei O.
Künstlerbiografien/Veranstaltungsorte<br />
Knussen und C. Matthews an der Britten-<br />
Pears-School in Aldeburgh/England. Mitglied<br />
im Collegium Novum Zürich sowie<br />
im Ensemble Contrechamps (Genf ). Zusammenarbeit<br />
mit Heinz Holliger und Beat<br />
Furrer. 2012 Debut in der Wigmore Hall,<br />
London. Als Mitglied der 4-Flügel-Formation<br />
Gershwin Piano Quartet Konzerte u. a.<br />
beim Schleswig-Holstein Musikfestival,<br />
Musikgymnasium Schloss Belvedere<br />
Das Musikgymnasium fördert musikalisch besonders<br />
begabte Schüler aus dem In- und Ausland<br />
gemeinsam mit seinem Kooperationspartner, der<br />
Hochschule für Musik Franz Liszt in <strong>Weimar</strong>.<br />
Das staatliche Spezialgymnasium in der Trägerschaft<br />
des Freistaates Thüringen befindet sich im<br />
spannungsreichen Gebäudeensemble am Rande des<br />
Schlossparks von Belvedere mit restaurierten historischen<br />
Gebäuden und einem Neubau des Architekten<br />
Thomas van den Valentyn.<br />
Dornburg, altes schloss<br />
Das bis 1522 erbaute Alte Schloss ist das älteste der<br />
drei Dornburger Schlösser. Es wurde mehrfach ausund<br />
umgebaut. Nachdem Herzog Ernst August von<br />
Sachsen-<strong>Weimar</strong>-Eisenach (1688–1748) 1717 aus<br />
dem Schloss ausgezogen war, verlor das Schloss<br />
seine Bedeutung und wurde Sitz der Verwaltung des<br />
Amtes Dornburg. Ab 1750 diente es u. a. als Baumwollspinnerei,<br />
Textil-Fabrik und Schule. Im 19. Jahrhundert<br />
verfiel es zunehmend. Nach 1945 wurde das<br />
Alte Schloss zeitweise als Altersheim genutzt, verfiel<br />
in den folgenden Jahrzehnten aber weiter. Nach der<br />
deutschen Wiedervereinigung wurde es umfassend<br />
restauriert und dient seit 2004 der Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena als Begegnungsstätte.<br />
Stadtschloss <strong>Weimar</strong>, Festsaal<br />
In seiner heutigen Form ist das <strong>Weimar</strong>er Residenzschloss<br />
Ergebnis von Bemühungen, Bauteile, die<br />
mehrfach Brände überdauerten, mit Bauelementen<br />
v<br />
Menton, Mozarteo Brasileiro Sao Paolo, Klavierfestival<br />
Ruhr, Menuhin Festival Gstaad.<br />
Komposi tionsaufträge: Collegium Novum<br />
Zürich, Münchener Kammerorchester, Ruhr-<br />
Triennale und Lucerne Festival u. a. Stefan<br />
Wirth hat in Musiktheater-Produktionen<br />
mit Regisseuren wie Christoph Marthaler<br />
und Frank Castorf zusammengearbeitet.<br />
des 18. und 19. Jahrhunderts zu einem Gesamtkunstwerk<br />
zu vereinen. Die unter Mitwirkung von<br />
Goethe entstandenen Prunkräume des Schlosses –<br />
der Festsaal, das Gentzsche Treppenhaus und die<br />
Große Galerie – gehören zu den schönsten klassizistischen<br />
Raumensembles in Europa.<br />
kirche tautenburg<br />
Die neugotische evangelische Petrus-Johannes-Kirche<br />
wurde 1882/83 als Ersatz für einen älteren Vorgängerbau<br />
errichtet. Sie wurde am 15. September<br />
1883 in Anwesenheit des <strong>Weimar</strong>er Großherzogs<br />
Carl Alexander (1818–1901) geweiht. Empore und<br />
Orgel wurden erst 1885 eingebaut. Im linken Chorfenster<br />
findet sich das Porträt des Pfarrers Hermann<br />
Otto Stölten (1847–1928), der den Bau ini tiiert und<br />
engagiert begleitet hatte.<br />
e-werk <strong>Weimar</strong>, Maschinensaal<br />
Das 1897 errichtete Elektrizitätswerk am <strong>Weimar</strong>er<br />
Kirschberg lieferte der Stadt von 1898 bis 1996<br />
Strom. Inzwischen beherbergt das Gelände ein<br />
Industriedenkmal, das als Kunst- und Kulturstätte<br />
genutzt wird. Seit 2000 dient der Gebäudekomplex<br />
mit dem ehemaligem Maschinen- und Kesselsaal als<br />
Nebenspielstätte für Schauspiel und Musiktheater<br />
des dnt. Ab der Spielzeit 2013/14 werden dort<br />
neben Stücken und Romanbearbeitungen zeitgenössischer<br />
Autoren und Stückentwicklungen auch<br />
<strong>Klassik</strong>er inszenierungen sowie im Musiktheater<br />
regelmäßig kammermusikalische Bearbeitungen<br />
des klassischen Opernrepertoires zu sehen sein.
Impressum<br />
3<br />
Veranstalter<br />
<strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong><br />
Burgplatz 4<br />
99423 <strong>Weimar</strong><br />
Musikgymnasium Schloss Belvedere<br />
99425 <strong>Weimar</strong>-Belvedere<br />
Deutsches Nationaltheater<br />
und Staatskapelle <strong>Weimar</strong><br />
99401 <strong>Weimar</strong><br />
Idee<br />
Wolfgang Haak,<br />
Liese Klahn-Albrecht,<br />
Hellmut Seemann<br />
Künstlerische Leitung<br />
Liese Klahn-Albrecht<br />
Organisation<br />
Sarah Doberitz, Anja Kiefer,<br />
Andreas Schirmer<br />
Pressearbeit<br />
Toska Böhme, Timm Schulze<br />
<strong>Programmheft</strong><br />
Text, Bild, Redaktion<br />
Dr. Ulrike Bischof, Liese Klahn-Albrecht,<br />
Andreas Schirmer<br />
Der Text von Beate Seidel ist ein Originalbeitrag.<br />
Die Rechte liegen bei der Autorin.<br />
Herausgeber<br />
<strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong><br />
Bildnachweis<br />
Seite 2 <strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong>, gsa<br />
Seite 5 <strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong>, gnm<br />
Seite 13 <strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong>, gsa<br />
(Faksimile des verbrannten Originals)<br />
Seite 15 <strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong>, haab<br />
Seite 16/17 Deutsches Literaturarchiv Marbach<br />
Seite 19 <strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong><br />
Seite 21 Lou-Andreas-Salomé-Archiv von<br />
Dorothee Pfeiffer, Göttingen<br />
Seite 25 Archiv Wille, Mariafeld<br />
Gestaltung und Satz<br />
Goldwiege | Visuelle Projekte<br />
www.meloslogos.de | info@meloslogos.de<br />
MelosLogos 13<br />
Poetische Liedertage in <strong>Weimar</strong><br />
21. bis 23. November 2014<br />
Mit Christian Gerhaher, Gerold Huber,<br />
Christiane Karg, Stefan Litwin u. a.
www.meloslogos.de