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Audioguide-Text - Klassik Stiftung Weimar

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705: Henry van de Velde: Abstrakte Pflanzenkomposition<br />

(1893)<br />

Aber was war der Anlass, der Henry van<br />

de Velde überhaupt dazu bewegte, die Malerei<br />

aufzugeben? Das erfahren Sie, wenn<br />

Sie 1 drücken.<br />

Henry van de Velde: Abstrakte Pflanzenkomposition<br />

(1893)<br />

Ist das eine Pflanze? Oder eine Abstraktion,<br />

eine Linienstudie vielleicht? Ganz sicher<br />

kann man es nicht sagen und nur der<br />

Kürbis rechts unten lässt sich als solcher<br />

identifizieren.<br />

Das Pastell von 1893 ist ein Schlüsselwerk.<br />

Es verdeutlicht, dass van de Veldes<br />

Entwicklung vom Malen und Zeichnen<br />

wegführte hin zu einem universalen künstlerischen<br />

Schaffen, das ganz von Linie und<br />

Ornament geprägt ist. Nachdem van de<br />

Velde jahrelang im Stil der Impressionisten<br />

und Neoimpressionisten gemalt hat,<br />

werden seine Werke immer abstrakter. Ihn<br />

interessieren nun vor allem Linienbewegungen,<br />

die ihn sein Leben lang faszinieren<br />

und die sein Werk prägen werden. Er<br />

selbst schreibt darüber in seinen Memoiren:<br />

„Auch als ich die Malerei aufgegeben<br />

hatte, verließ mich der Dämon der Linie<br />

nicht, und als ich die ersten Ornamente<br />

schuf, entstanden sie aus dem dynamischen<br />

Spiel ihrer elementaren Kräfte.“<br />

An anderer Stelle schreibt er, dass es neben<br />

van Gogh vor allem die Natur war, die<br />

ihn zu seiner abstrakten Linienführung<br />

inspiriert habe.<br />

2. Ebene: Von der Malerei zu den angewandten<br />

Künsten<br />

Nach dem frühen Tod seiner Mutter 1888<br />

zog sich Henry van de Velde zurück und<br />

befasste sich ausgiebig mit verschiedenen<br />

Philosophen, zum Beispiel mit Friedrich<br />

Nietzsche. Auch las er Bücher von John<br />

Ruskin und William Morris, den Initiatoren<br />

der englischen Arts-and-Crafts-<br />

Bewegung. In ihren Schriften setzten sich<br />

die beiden Engländer kritisch mit der industriellen<br />

Massenproduktion auseinander.<br />

Ihrer Meinung nach rückte dort die ästhetische<br />

Gestaltung immer mehr in den Hintergrund.<br />

Daher forderten sie, dass Gebrauchsgegenstände<br />

in solider, handwerklicher<br />

Qualität mit klaren Formen und aus<br />

besten Materialien gefertigt werden sollten.<br />

Vor allem William Morris betrachtete<br />

die Rückbesinnung auf das Handwerkliche<br />

als Teil einer künstlerischen und gesellschaftlichen<br />

Reform. Das Kunsthandwerk<br />

sollte gegenüber den „hohen Künsten“ aufgewertet<br />

werden. Sein Credo war es, dass<br />

gute Kunst und gutes Kunsthandwerk die<br />

Menschen und das Alltagsleben zum Besseren<br />

verändern können. Morris' Gedanke,<br />

dass die Kunst gerade in einer industrialisierten,<br />

technischen Gesellschaft eine entscheidende<br />

Rolle spiele, beeindruckte van<br />

de Velde. Der Belgier geriet in eine Sinnkrise.<br />

Die Malerei erschien ihm nicht länger<br />

als adäquates Ausdrucksmittel. Ab<br />

1893 wendete er sich schließlich den angewandeten<br />

Künsten und später auch der<br />

Architektur zu. Unsere abstrakte Pflanzenstudie<br />

ist eines seiner letzten Bilder.<br />

<strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong> | Ausstellung Leidenschaft, Funktion und Schönheit |<br />

03.2013<br />

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