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Margrit Dutt - Deutsche Koordinationskreis Palästina Israel (KoPI)

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<strong>Margrit</strong> <strong>Dutt</strong> Rede an der Kundgebung vom 31. März 2012 auf dem Bundesplatz in Bern Seite 1 von 3<br />

Sie können etwas tun!<br />

<strong>Margrit</strong> <strong>Dutt</strong><br />

Bern, Bundesplatz, 31. März 2012<br />

Jeweils am 30. März, dem Tag des Bodens, protestieren<br />

die Palästinenserinnen und Palästinenser gegen<br />

den israelischen Landraub und rufen die Menschen<br />

weltweit auf, sich mit ihnen zu solidarisieren in<br />

ihrem Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit.<br />

Ein Weg, um diese Solidarität auszudrücken, ist<br />

BDS, der Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft<br />

zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen.<br />

Die im 2005 lancierte BDS-Kampagne fordert<br />

- die Beendigung der Besatzung und Kolonisierung<br />

der palästinensischen Gebiete,<br />

- gleiche Rechte für die palästinensischen Bürgerinnen<br />

und Bürger <strong>Israel</strong>s und<br />

- das Recht auf Rückkehr für die palästinensischen<br />

Flüchtlinge.<br />

Seither sind dem Aufruf weltweit Gewerkschaften,<br />

Kirchen, Kunstschaffende, Studentenorganisationen,<br />

Universitäten oder Pensionskassen in der einen oder<br />

anderen Form gefolgt. Auch die Palästina-<br />

Solidaritätsorganisationen der Schweiz haben sich<br />

der BDS-Kampagne angeschlossen. Unterstützt von<br />

kirchlichen und politischen Kreisen rufen sie z.B. zum<br />

Boykott israelischer Produkte auf.<br />

Der Export israelischer Landwirtschaftsprodukte –<br />

Früchte, Gemüse, Kräuter, Blumen - ist eng verbunden<br />

mit der Kolonisierung von palästinensischem<br />

Land, dem Wasserraub und der Missachtung der<br />

Rechte der palästinensischen Arbeiterinnen und Arbeiter.<br />

Seit Jahrzehnten nutzen israelische Landwirtschaftsunternehmen<br />

und -betriebe Land, das den<br />

Palästinenserinnen und Palästinensern gehört. Wasserreiches<br />

palästinensisches Land - insbesondere<br />

das Jordantal – wurde unter Militärverwaltung gestellt.<br />

Unter dem Vorwand fehlender Bewilligungen zerstört<br />

die israelische Armee regelmässig Wasserleitungen<br />

und Zisternen, um die Menschen von ihrem Land zu<br />

vertreiben.<br />

<strong>Israel</strong> beansprucht das gesamte Wasser aus dem<br />

Jordan und 80 % des Grundwassers in den besetzten<br />

Gebieten. Im Jordantal fliessen riesige Mengen<br />

Wasser in die Landwirtschaft, oft für Exportprodukte.<br />

In vielen palästinensischen Dörfern hingegen hat die<br />

Bevölkerung nicht genug Wasser für den täglichen<br />

Bedarf. Für teures Geld müssen sie Wasser von<br />

Tanklastwagen kaufen oder sind aus Wassermangel<br />

nicht in der Lage, ihr Land zu bestellen. Der Hydrogeologe<br />

Clemens Messerschmid spricht von Hydro-<br />

Apartheid.<br />

Mit diesen Praktiken verletzt <strong>Israel</strong> als Besatzungsmacht<br />

nicht nur humanitäres Völkerrecht, sondern<br />

auch das Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu<br />

Wasser.<br />

Mehadrin Tnuport, der grösste israelische Exporteur<br />

von Landwirtschaftsprodukten will in der Schweiz ein<br />

grosses Lagerhaus eröffnen zur Belieferung des hiesigen<br />

Markts und der umliegenden Länder. Dagegen<br />

müssen wir uns wehren, Apartheid-Produkte gehören<br />

nicht auf unseren Tisch!<br />

Der private Entscheid, auf den Verpackungen im Laden<br />

nach der Herkunft der Produkte zu suchen, dabei<br />

auch das Kleinstgedruckte zu lesen, beim Filialleiter<br />

vorstellig zu werden, wenn es im Regal oben<br />

Italien heisst und auf der Verpackung <strong>Israel</strong>, ist wichtig.<br />

Ein markantes Zeichen gegenüber <strong>Israel</strong> wird<br />

aber erst gesetzt, wenn diese Produkte in der<br />

Schweiz gar nicht angeboten werden. Das finden<br />

auch 10‘000 Konsumentinnen und Konsumenten, die<br />

den Aufruf von BDS Schweiz an Coop und Migros<br />

unterzeichnet haben. Sie fordern die beiden Grossverteiler<br />

auf, in ihren Läden auf den Verkauf israelischer<br />

Produkte zu verzichten bis <strong>Israel</strong> das Völkerrecht<br />

einhält und die legitimen Rechte der Palästinenserinnen<br />

und Palästinenser anerkennt.<br />

Die 10‘000 Konsumentinnen und Konsumenten, die<br />

die Petition unterzeichnet haben, sind nur die Spitze<br />

des Eisbergs. Der private Boykott israelischer Produkte<br />

ist viel weiter verbreitet.<br />

<strong>Israel</strong> weiss das sehr wohl und schreckt nicht vor<br />

Etikettenschwindel zurück:<br />

Ein gutes Beispiel dafür sind die Sprudler von Sodastream:<br />

Das „Made in <strong>Israel</strong>“ ist eine irreführende Herkunftsbezeichnung.<br />

SodaStream Geräte werden im Industriepark<br />

von Mishor Edomin, einer illegalen israeli-


<strong>Margrit</strong> <strong>Dutt</strong> Rede an der Kundgebung vom 31. März 2012 auf dem Bundesplatz in Bern Seite 2 von 3<br />

schen Niederlassung im besetzten Westjordanland<br />

hergestellt.<br />

Warum der Etikettenschwindel?<br />

Um die immer kritischer hinschauenden Konsumentinnen<br />

und Konsumenten zu täuschen, aber auch um<br />

von den mit der EU vereinbarten Zollvorteilen für israelische<br />

Produkte zu profitieren. Gemäss Urteil des<br />

Europäischen Gerichtshofs gelten diese Zollvorteile<br />

nicht für Produkte aus den besetzten Gebieten und<br />

Gaza.<br />

Und natürlich, weil <strong>Israel</strong> weiss, dass diese wirtschaftliche<br />

Tätigkeit auf dem konfiszierten palästinensischen<br />

Land eine Verletzung des internationalen<br />

Rechts bedeutet: <strong>Israel</strong> darf als Besatzungsmacht in<br />

den besetzten Gebieten keine Unternehmungen aufbauen<br />

und keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.<br />

Mishor Edomin ist einer der 17 Industrieparks im besetzten<br />

Westjordanland. Um Firmen anzulocken, bietet<br />

ihnen der Staat finanzielle Unterstützung und<br />

Steuervergünstigungen und verspricht: „keine Bürokratie“,<br />

was nichts anderes bedeutet als die „flexiblere“<br />

Handhabung des Arbeitsrechts und der Umweltschutzgesetze.<br />

Oder sprechen wir von den Frühkartoffeln: Ein grosser<br />

Teil davon wird im Negev produziert auf Land<br />

von dem die Beduinen vertrieben worden sind. Die<br />

noch im Negev verbliebenen werden auf die<br />

schlimmste Art diskriminiert: Die israelische Regierung<br />

will sie in Reservaten einsperren, zerstört regelmässig<br />

ihre Dörfer, schneidet sie von der Wasserversorgung<br />

ab und bespritzt ihre Felder mit Pestiziden.<br />

Noch sind die Lager in der Schweiz voll mit<br />

Kartoffeln, die im Herbst geerntet wurden: Warum<br />

also importieren Coop, Migros und andere Frühkartoffeln,<br />

die auf dem Land der vertriebenen Beduinen<br />

angebaut werden?<br />

Es geht aber nicht nur um den Konsumboykott. Die<br />

palästinensische Zivilgesellschaft ruft auch zum Kulturboykott<br />

auf. Mit dem Export von Kultur und Lifestyle<br />

versucht <strong>Israel</strong>, sein schlechtes Image aufzubessern<br />

und von seiner Politik gegenüber den Palästinenserinnen<br />

und Palästinensern abzulenken. Der<br />

Boykott richtet sich nicht gegen unabhängige Künstlerinnen<br />

und Künstler. Die Kulturinstitutionen der<br />

Schweiz sind aufgerufen, keine vom israelischen<br />

Staat getragenen oder unterstützten Kulturveranstaltungen<br />

in ihr Programm aufzunehmen, Künstlerinnen<br />

und Künstler auf die Teilnahme an kulturellen Anlässen<br />

in <strong>Israel</strong> zu verzichten.<br />

Mit dem Festival Culturescapes <strong>Israel</strong> lancierte der<br />

Staat <strong>Israel</strong> letztes Jahr in der Schweiz eine breite<br />

Imagekampagne und lud Schweizer Künstlerinnen<br />

und Künstler zum Festival Swiss Season nach <strong>Israel</strong><br />

ein.<br />

Aus diesem Anlass unterzeichneten über 160 Kulturschaffende<br />

der Schweiz eine Unterstützungserklärung<br />

für den Kulturboykott. Zu den Unterzeichnern<br />

gehören die beiden Filmemacher Alain Tanner und<br />

Samir:<br />

„Wir weigern uns, Komplizen zu sein!“ schreiben die<br />

Kulturschaffenden und weiter „Im Bewusstsein unserer<br />

politischen Verantwortung als Künstlerinnen und<br />

BürgerInnen unterstützen wir den Boykott und verpflichten<br />

uns, jede Einladung auszuschlagen, unsere<br />

Arbeiten in <strong>Israel</strong> zu präsentieren. Das schmeichelhafte<br />

Bild eines Landes, in dem sich Kreativität frei<br />

entfalten kann, das <strong>Israel</strong> von sich unterhält, steht im<br />

Widerspruch zur Lebensrealität des palästinensischen<br />

Volks.“<br />

Bekannte Persönlichkeiten wie Eduardo Galeano,<br />

Arundhati Roy, Henning Mankell oder Ken Loach<br />

sind dem palästinensischen Aufruf zum kulturellen<br />

und akademischen Boykott gefolgt.<br />

Offenbar unbeeindruckt vom Aufruf zur Solidarität<br />

zeigen sich unsere Universitäten. Die israelische Besatzungs-,<br />

Vertreibungs- und Apartheidpolitik hindern<br />

sie nicht daran, eine breit gefächerte Zusammenarbeit<br />

mit israelischen Universitäten zu pflegen. Es ist<br />

zu hoffen, dass sich auch im universitären Bereich<br />

das Bewusstsein für politische Verantwortung zu regen<br />

beginnt.<br />

Auch die Schweizer Armee pflegt den militärischen<br />

Austausch mit <strong>Israel</strong>. Warum? Welche gemeinsamen<br />

Interessen hat eine Verteidigungsarmee mit der Armee<br />

einer expansionistischen Besatzungsmacht?<br />

Was kann BDS bewirken? Kann der Boykott wirklich<br />

zu einem grundlegenden Wandel der israelischen<br />

Politik gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern<br />

beitragen?<br />

Der israelische Filmemacher Eyal Sivan, einer der<br />

leider viel zu wenigen <strong>Israel</strong>i, der sich mit den Palästinensern<br />

solidarisiert, meint dazu:<br />

„Welchen Einfluss der Boykott haben wird, wissen<br />

wir noch nicht. Was wir wissen ist, dass dieser der<br />

israelischen Regierung ziemlich Sorge bereitet und<br />

sie unterdessen enorme Mittel einsetzt, um den Boykott<br />

zu bekämpfen.


<strong>Margrit</strong> <strong>Dutt</strong> Rede an der Kundgebung vom 31. März 2012 auf dem Bundesplatz in Bern Seite 3 von 3<br />

Die israelischen Behörden fürchten eine Kampagne,<br />

der es gelingt, den israelischen Staat zu delegitimieren:<br />

Was gut ist, denn sie haben sich daran gewöhnt,<br />

gar nichts mehr zu fürchten. Ich denke, der Boykott<br />

hat einerseits eine psychologische Wirkung und er<br />

erlaubt andererseits, auf internationaler Ebene den<br />

Finger und den Akzent auf den verbrecherischen<br />

Charakter der heutigen israelischen Politik zu legen.“<br />

So Eyal Sivan.<br />

Vielleicht kann der Boykott auch den Menschen in<br />

<strong>Israel</strong>, die die brutale Operation „Gegossenes Blei“<br />

gegen Gaza zu 93 % guthiessen, bewusst machen,<br />

dass ihr Staat zunehmend zu einem Pariastaat wird<br />

und sie sich auch in ihrem eigenen Interesse und<br />

dem Interesse ihrer Kinder, gegen die Politik ihrer<br />

Regierung wehren müssen.<br />

Ob mit einem Marsch nach Jerusalem, den Gaza-<br />

Flottillen, Demonstrationen, Mahnwachen und eben<br />

BDS, tragen wir alle dazu bei, dass das palästinensische<br />

Volk zu seinem Recht kommt!<br />

Rede an der Kundgebung zur Unterstützung des Marsches nach Jerusalem / Tag des Bodens 2012<br />

<strong>Margrit</strong> <strong>Dutt</strong>, GFP - Gerechtigkeit und Frieden für Palästina<br />

email: gfp@nahostfrieden.ch<br />

rk/7.4.12

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