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Energieeffiziente Verarbeitung naturfaserverstärkter Kunststoffe

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SPRITZGIESSEN<br />

■<br />

Verfahrenstechnik. Die<br />

<strong>Verarbeitung</strong> von naturfaserverstärkten<br />

<strong>Kunststoffe</strong>n<br />

in einem energieoptimierten<br />

einstufigen<br />

Produktionsablauf hat<br />

große Vorteile: Die empfindlichen<br />

Naturfasern<br />

werden geschont, Geruchsemissionen<br />

während<br />

Kein Granulat, kein Halbzeug – naturfaserverstärkte Kunststoffteile können mit einem energieeffizienten<br />

Prozess direkt hergestellt werden<br />

der <strong>Verarbeitung</strong> sowie aus den Fertigteilen vermindert – und da für das Spritzgießen<br />

auf die Zwischenstufe Granulat verzichtet wird, sind gegenüber einem<br />

zweistufigen <strong>Verarbeitung</strong>sprozess Energieeinsparungen von über 40 % möglich.<br />

<strong>Energieeffiziente</strong><br />

<strong>Verarbeitung</strong> <strong>naturfaserverstärkter</strong><br />

<strong>Kunststoffe</strong><br />

ERWIN BÜRKLE<br />

GERHARD SCHEEL<br />

LARS DARNEDDE<br />

ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.de<br />

Dokumenten-Nummer KU110031<br />

Wachsendes Umweltbewusstsein<br />

wie auch die steigenden Rohstoffkosten<br />

haben in den letzten<br />

Jahren die Suche nach alternativen Werkstoffen<br />

beschleunigt.Von besonderem Interesse<br />

sind dabei nachwachsende Rohstoffe,<br />

die als CO 2 -neutrale Werkstoffe die<br />

Klimabilanz verbessern helfen. Nicht zuletzt<br />

aufgrund der steigenden Energiekosten<br />

setzt parallel dazu langsam ein Umdenken<br />

bezüglich der Energieeffizienz<br />

von <strong>Verarbeitung</strong>sverfahren ein.<br />

Energieverluste in Fertigungsprozessen<br />

werden bislang als notwendiges Übel einer<br />

hochwertigen Produktion in Kauf genommen.<br />

Das betrifft besonders Prozesse,<br />

die mit Änderungen des Materialzustands<br />

einhergehen. Dabei lassen sich bereits<br />

durch optimierte Abläufe, etwa<br />

durch Verfahrensintegration und verkürzte<br />

Prozessketten, je nach Einzelfall<br />

Energieeinsparungen von bis zu 40 % erzielen,<br />

wie die KraussMaffei Technologies<br />

GmbH, München, in Untersuchungen ermittelte.<br />

Ziel ist folglich, energieintensive<br />

Prozesse entweder zu substituieren<br />

oder sogar zu eliminieren.<br />

Vergleich der<br />

Verfahrenstechniken<br />

In der Herstellung von Bauteilen aus Naturfaser-Verbundwerkstoffen<br />

gewinnen<br />

die Direktverfahren – Prozesse in einer<br />

Wärme – zunehmend an Bedeutung. Einstufige<br />

Verfahren bieten neben der höheren<br />

Energieeffizienz noch den Vorteil der<br />

Emissionsminderung. Um die Werkstoffaufbereitung<br />

und die Formgebung zusammenzuführen,<br />

griff KraussMaffei auf<br />

zwei Kernkompetenzen zurück und kombinierte<br />

die kontinuierliche Extrusion mit<br />

dem diskontinuierlichen Spritzgießprozess<br />

in einer Maschine.<br />

Als Matrix kommen für die Herstellung<br />

<strong>naturfaserverstärkter</strong> Verbundwerkstoffe<br />

auf thermoplastischer Basis überwiegend<br />

Polyolefine und PVC infrage.<br />

Beide haben einen niedrigen Schmelzpunkt,<br />

was die Gefahr einer thermischen<br />

Schädigung der temperaturempfindlichen<br />

Naturfasern minimiert. Die aktuell<br />

wichtigsten Naturfasern für technische<br />

Anwendungen sind Hanf, Jute, Kenaf, Sisal<br />

und Kokos sowie verschiedene Holzfasern.<br />

Für die <strong>Verarbeitung</strong> auf einem<br />

Extruder können die Fasern als Mehl,<br />

Späne, Einzelfasern, Endlosfasern oder<br />

Gewölle vorliegen. Die Werkstoffeigenschaften<br />

werden durch die Zugabe von<br />

Additiven eingestellt, etwa um die Bindung<br />

der polaren Naturfasern zu den un-<br />

V<br />

<strong>Kunststoffe</strong> 2/2009<br />

39


■<br />

SPRITZGIESSEN<br />

polaren Polyolefinen zu verbessern [1].<br />

Andere gängige Additive sind UV-Stabilisatoren,<br />

Schlagzähigkeitsmodifikatoren<br />

sowie Farbmasterbatches.<br />

Für die Herstellung faserverstärkter<br />

<strong>Kunststoffe</strong> bieten sich verschiedene Verfahren<br />

an, wobei man grundsätzlich zwischen<br />

ein- und zweistufigen Prozessen<br />

unterscheidet (Bild 1).<br />

Zweistufige Prozesse<br />

Heiz-Kühl-<br />

Mischer<br />

Rohstoffe (Polymer, Naturfasern, Additive)<br />

gegenlaufender<br />

Zweischneckenextruder<br />

Profil, Folie, Platte<br />

gleichlaufender<br />

Zweischneckenextruder<br />

Agglomerat Granulat Granulat Spritzgießcompounder<br />

Naturfaservortrocknung<br />

Schmelzepumpe<br />

Spritzgießmaschine<br />

Formteil<br />

© <strong>Kunststoffe</strong><br />

Bild 1. Bei der Herstellung von Teilen aus naturfaserverstärkten <strong>Kunststoffe</strong>n unterscheidet man<br />

grundsätzlich zwischen ein- und zweistufigen Prozessen. Letztere führen über ein Granulat als<br />

Zwischenstufe (Bilder: KraussMaffei)<br />

Enthalpiekurven<br />

spez. Enthalpie<br />

i<br />

3000<br />

kJ/kg<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0 0<br />

Hersteller<br />

KraussMaffei Technologies GmbH<br />

Krauss-Maffei-Str. 2<br />

D-80997 München<br />

Tel. +49 89 8899-3092<br />

Fax +49 89 8899-2592<br />

KraussMaffei Berstorff GmbH<br />

An der Breiten Wiese 3-5<br />

D-30625 Hannover<br />

Tel. +49 511 5702-0<br />

Fax +49 511 5619-16<br />

info@kraussmaffei.com<br />

www.kraussmaffei.com<br />

Polypropylen<br />

Holz<br />

Wasser<br />

50 100 150 200 250 °C 300<br />

Schmelzetemperatur<br />

© <strong>Kunststoffe</strong><br />

In einem doppelmantelbeheizten Mischbehälter<br />

wird mit einem Mischwerkzeug<br />

diskontinuierlich ein Agglomerat erzeugt<br />

und anschließend in einem Kühlmischer<br />

abgekühlt und zerkleinert. Dieses Verfahren<br />

eignet sich sowohl für PVC als<br />

auch für Polyolefine.<br />

Alternativ lässt sich Granulat kontinuierlich<br />

auf einem gleichlaufenden Zweischneckenextruder<br />

mit dichtkämmend<br />

angeordneten, gleichsinnig drehenden<br />

Schnecken herstellen, der von einer gravimetrischen<br />

Dosiereinheit beschickt<br />

wird. Axial offene Schneckengänge bewirken<br />

die effektive Entgasung der<br />

Schmelze, weshalb die Naturfasern ohne<br />

Vortrocknung zugegeben werden können.<br />

Die anschließende Granulierung erfolgt<br />

mit Unterwasser- oder Kühlluftgranulatoren.<br />

Gegenüber einem Heiz-Kühl-Mischer<br />

verbessert die intensive Vermischung der<br />

Rohstoffe die Dispergierqualität wesentlich.<br />

Da die eingeleitete Scherenergie<br />

höher ist, sind gleichlaufende Zweischneckenextruder<br />

jedoch nicht für die<br />

<strong>Verarbeitung</strong> von PVC als Matrixmaterial<br />

geeignet.<br />

Das mit diesen beiden Verfahren produzierte<br />

Granulat lässt sich auf herkömmliche<br />

Art weiterverarbeiten. Zu<br />

berücksichtigen ist dabei die erneute thermische<br />

Belastung der Naturfasern.<br />

Einstufige Prozesse<br />

Bild 2. Die spezifischen<br />

Enthalpien der<br />

eingesetzten Rohstoffe<br />

hängen von der<br />

Temperatur ab [2, 3].<br />

Sowohl bei der Compound-<br />

als auch bei<br />

der Profilherstellung<br />

liegt die maximale<br />

Schmelzetemperatur<br />

bei 200 °C<br />

Die Kombination aus Vortrocknung der<br />

Naturfasern und direkt anschließender<br />

<strong>Verarbeitung</strong> auf einem gegenlaufenden<br />

Zweischneckenextruder ist eine weitere<br />

Alternative. Das Kammerprinzip des Extruders<br />

erlaubt einen hohen Druckaufbau<br />

bei geringer Scherenergieeinleitung.<br />

Wegen des schlechten Entgasungsverhaltens<br />

müssen die Naturfasern bis höchstens<br />

1 % Restfeuchte vorgetrocknet werden.<br />

Da der Extruder kontinuierlich läuft,<br />

eignet sich diese Methode für Produkte<br />

wie Platten oder Profile.<br />

Werden die einzelnen Rohstoffe einem<br />

gleichlaufenden Doppelschneckenextruder<br />

zugeführt, kann die Herstellung <strong>naturfaserverstärkter</strong><br />

<strong>Kunststoffe</strong> und deren<br />

direkte <strong>Verarbeitung</strong> ebenfalls in einem<br />

Durchgang erfolgen – je nach Konstellation<br />

entweder mit Schmelzepumpe und<br />

angeschlossenem Extrusionswerkzeug zu<br />

Profilen und Platten oder in Kombination<br />

mit einem Schmelze-Zwischenspeicher,<br />

einem speziellen Einspritzaggregat<br />

sowie einer Schließeinheit auf einem<br />

Spritzgießcompounder (Injection Molding<br />

Compounder, IMC) zu Formteilen.<br />

Energetischer<br />

Verfahrensvergleich<br />

Um die einzelnen Verfahren energetisch<br />

miteinander zu vergleichen, wurden die<br />

zur Herstellung eines WPC-Profils<br />

(Wood Plastic Composites) benötigten<br />

Wärmeenergien ermittelt. Das Profil besteht<br />

aus Polypropylen, das 60 % Holzfasern<br />

mit einer angenommenen Feuchte<br />

von 12 % enthält. Der Durchsatz beträgt<br />

200 kg/h.<br />

In die nachfolgenden Berechnungen<br />

sind die Stoffdaten der Holzfasern zweigeteilt<br />

eingegangen: einmal mit den Daten<br />

40 © Carl Hanser Verlag, München <strong>Kunststoffe</strong> 2/2009


M<br />

SPRITZGIESSEN<br />

■<br />

Rohstoffe (Polymer, Naturfasern)<br />

Rohstoffe (Polymer, Naturfasern)<br />

Heiz-Kühl-<br />

Mischer<br />

gleichlaufender<br />

36,7 kW Zweischneckenextruder<br />

36,7 kW<br />

Holzfasernvortrocknung<br />

gleichlaufender<br />

14,8 kW Zweischneckenextruder<br />

35,9 kW<br />

Agglomerat<br />

Granulat<br />

gegenlaufender<br />

Zweischneckenextruder<br />

25,0kW<br />

gegenlaufender<br />

Zweischneckenextruder<br />

25,0kW<br />

gegenlaufender<br />

Zweischneckenextruder<br />

Schmelzepumpe<br />

21,9 kW 0,85 kW<br />

WPC-Profil<br />

61,7 kW<br />

0,3088 kWh/kg<br />

WPC-Profil<br />

61,7 kW<br />

0,3088 kWh/kg<br />

36,7 kW<br />

0,1835 kWh/kg<br />

36,7 kW<br />

0,1835 kWh/kg<br />

© <strong>Kunststoffe</strong><br />

© <strong>Kunststoffe</strong><br />

Bild 3. Die zweistufige Herstellung von WPC-Profilen ist energieaufwendiger<br />

als die einstufige. Dass dabei auch der gegenlaufende Zweischneckenextruder<br />

einen höheren Energiebedarf hat (vgl. Bild 4), resultiert<br />

aus dem Umstand, dass das kalte Ausgangsmaterial erneut aufgeschmolzen<br />

werden muss<br />

Bild 4. Die Direktextrusion von WPC-Profilen benötigt gegenüber dem<br />

zweistufigen Prozess rund 40 % weniger Wärmeenergie. Je nach Wirkungsgrad<br />

der Verfahren sind die tatsächlich benötigten Energien größer.<br />

Da die Faservortrocknung einen niedrigen Wirkungsgrad hat, kann die<br />

Direktextrusion als das wirtschaftlichste Verfahren gelten<br />

für darrtrockenes Holz sowie zur Berücksichtigung<br />

der in den Holzfasern enthaltenen<br />

Feuchtigkeit mit den Stoffdaten für<br />

Wasser. Für die Berechnung wurde ferner<br />

angenommen, dass während der <strong>Verarbeitung</strong><br />

die Feuchtigkeit vollständig aus<br />

den Holzfasern entweicht, weil das Wasser<br />

aufgrund der Druckverhältnisse im Extruder<br />

bereits bei 100 °C verdampft.<br />

Aus den Annahmen leiten sich die Produktströme<br />

für die Zugabe ab:<br />

■ Polypropylen 80 kg/h,<br />

■ Holzfasern 120 kg/h,<br />

■ Wasser 16,4 kg/h.<br />

Dabei liegt sowohl bei der Compound- als<br />

auch bei der Profilherstellung die maximale<br />

Schmelzetemperatur bei 200 °C. Die<br />

spezifischen Energien der eingesetzten<br />

Rohstoffe hängen von der Temperatur ab<br />

(Bild 2), auf dieser Basis lassen sich nun<br />

die benötigten Wärmemengen berechnen,<br />

um die Rohstoffe von Zugabe- (25 °C) auf<br />

<strong>Verarbeitung</strong>stemperatur zu bringen:<br />

.<br />

Q = m<br />

. Δh<br />

mit Δh = Änderung der spezifischen Enthalpie.<br />

Für die Herstellung eines WPC-Profils<br />

im zweistufigen Prozess ergeben sich für<br />

die beiden betrachteten Verfahrensvarianten<br />

mit jeweils 61,7 kW identische Werte<br />

für die benötigte Wärmeenergie. Vo-<br />

rausgesetzt, das Compound nimmt bei<br />

der Zwischenlagerung keine Feuchtigkeit<br />

auf, muss lediglich die <strong>Verarbeitung</strong>stemperatur<br />

auf 200 °C gebracht werden.<br />

Der gegenüber dem einstufigen Prozess<br />

höhere Energiebedarf des gegenlaufenden<br />

Zweischneckenextruders resultiert<br />

aus dem Umstand, dass das Ausgangmaterial<br />

kalt ist und erneut aufgeschmolzen<br />

werden muss (Bild 3).<br />

Bei der Direktextrusion von WPC-Profilen<br />

werden die Holzfasern für den gegenlaufenden<br />

Zweischneckenextruder auf<br />

eine Restfeuchte von etwa 1 % vorgetrocknet.<br />

Die übrigen Rohstoffe werden<br />

anschließend im Extruder auf Verarbei-<br />

V<br />

Naturfasern<br />

Polymer<br />

Vakuum<br />

Atm.<br />

ZSFE<br />

M M<br />

M<br />

Atm.<br />

Additive<br />

Bild 5. Prinzipschema: Die<br />

Naturfaserextrusion beginnt<br />

mit dem gravimetrischen Dosieren<br />

des Polymers und der<br />

Additive und endet damit,<br />

dass der für die Granulierung<br />

benötigte Druck aufgebaut<br />

oder die Schmelze direkt für<br />

die weitere <strong>Verarbeitung</strong> an<br />

eine Schmelzepumpe übergeben<br />

wird<br />

Druckaufbau<br />

Naturfaser-<br />

NF-<br />

Entgasung Entlüftung einarbeitung einzug Entlüftung Plastifizierung Feststoffeinzug<br />

© <strong>Kunststoffe</strong><br />

<strong>Kunststoffe</strong> 2/2009<br />

41


■<br />

SPRITZGIESSEN<br />

tungstemperatur erwärmt. Es gilt die Annahme,<br />

dass die vorgewärmten Fasern direkt<br />

in den Fülltrichter des Extruders gegeben<br />

werden. Unter Berücksichtigung<br />

der für den Druckaufbau erforderlichen<br />

Schmelzepumpe entspricht die hier<br />

benötigte Wärmeenergie mit 36,7 kW<br />

derjenigen, die der Extruder im zweistufigen<br />

Prozess verbraucht (Bild 4).<br />

Demnach benötigt die Direktextrusion<br />

gegenüber dem zweistufigen Extrusionsprozess<br />

rund 40 % weniger Wärmeenergie,<br />

die in Form von Heiz- bzw. Antriebsleistungen<br />

eingebracht wird. Je nach Wirkungsgrad<br />

der verschiedenen Herstellverfahren<br />

sind die tatsächlich benötigten<br />

Energien größer. Vor dem Hintergrund,<br />

dass die Faservortrocknung in der Regel<br />

© <strong>Kunststoffe</strong><br />

ein Verfahren mit niedrigem Wirkungsgrad<br />

ist, lässt sich aus energetischer Sicht<br />

der Schluss ziehen, dass die Direktextrusion<br />

das wirtschaftlichste Verfahren ist.<br />

Verfahrenstechnik 1:<br />

Direktextrusion<br />

Bild 6. Die Charakteristik<br />

gleichlaufender<br />

Zweischneckenextruder<br />

bietet für die<br />

<strong>Verarbeitung</strong> empfindlicher<br />

Naturfasern<br />

einige Vorteile<br />

Die Direktverarbeitung von Naturfasercompounds<br />

erfolgt auf dem gleichlaufenden<br />

Zweischneckenextruder in Etappen<br />

(Bild 5). Nach dem gravimetrischen<br />

Dosieren des Polymers und der Additive<br />

werden die Feststoffe aufgeschmolzen,<br />

ehe eine Zweischneckenfüttereinrichtung<br />

der Schmelze die Naturfasern drucklos<br />

zuführt. Auch die Fasern werden gravimetrisch<br />

zudosiert. Über eine atmosphärische<br />

Rückwärtsentlüftung entweichen<br />

Luft und Feuchtigkeit. Wenn die<br />

Naturfasern in die Schmelze eingearbeitet<br />

worden sind, kann auf einer Entlüftungsstrecke<br />

die freigesetzte Feuchtigkeit<br />

bei atmosphärischem Druck entweichen.<br />

Zuletzt ermöglicht eine Vakuumentgasungszone<br />

die vollständige Entfernung<br />

der niedermolekularen Bestandteile und<br />

der Restfeuchtigkeit. Nun wird der für<br />

eine angeschlossene Granulierung<br />

benötigte Druck aufgebaut – oder die<br />

Schmelze wird direkt für die weitere <strong>Verarbeitung</strong><br />

einer Schmelzepumpe übergeben.<br />

Die Charakteristik gleichlaufender<br />

Zweischneckenextruder bietet für die <strong>Verarbeitung</strong><br />

empfindlicher Naturfasern einige<br />

Vorteile, unter anderem<br />

■ einen intensiven Wärme- und Stoffaustausch<br />

durch kontinuierliche Übergabe<br />

der Schmelze von Schnecke zu<br />

Schnecke (Bild 6),<br />

■ ein drehzahlunabhängiges Durchsatzvermögen,<br />

■ eine annähernd vollständige Selbstreinigung<br />

und ein enges VerweiIzeitspektrum<br />

durch die dichtkämmende<br />

Schneckenanordnung,<br />

■ eine effektive Entgasung der Schmelze<br />

durch axial offene Schneckengänge<br />

sowie<br />

Einstufiger Compoundier-Spritzgießprozess<br />

Bei der Betrachtung des Energieumsatzes für die Materialaufbereitung<br />

gilt für die Enthalpieänderung durch Heiz- und Dissipationsenergie<br />

. . . .<br />

Q = Q + Q = mΔh<br />

und für den spezifischen Energieumsatz<br />

.<br />

. Q<br />

q = . = Δh<br />

m<br />

Am Beispiel des über eine Granulatstufe führenden Zweistufenprozesses<br />

bedeutet das für ein PP-Flachs-Composite<br />

mit 20 Gew.-% Flachs<br />

.<br />

q ZP<br />

H<br />

Dis<br />

= Δh 1<br />

+ Δh 2<br />

Bei der untersuchten Maschinenkonfiguration ergibt sich für<br />

den Compoundierschritt ein Messwert von<br />

Δh 1 = 0,17 kWh/kg<br />

und für das Spritzgießen<br />

diskontinuierlicher<br />

Spritzgießprozess<br />

kontinuierlicher Prozess<br />

gleichlaufender<br />

Zweischneckenextruder<br />

Δh 2 = (0,34 + 0,32) = 0,65 kWh/kg<br />

Daraus errechnet sich für den Zweistufenprozess<br />

.<br />

q ZP<br />

= 0 ,17 + ( 0,34 + 0,32) = 0,83 kWh/<br />

kg<br />

Bild 7. Die Naturfasern werden mit Knetblöcken in die Schmelze eingearbeitet.<br />

Die Schneckenelemente bestehen aus mehreren axial nacheinander<br />

angeordneten und winkelversetzten Knetscheiben<br />

Für den einstufigen Compoundier-Spritzgießprozess gilt hingegen<br />

.<br />

q EP<br />

= 0 ,17 + 0,32 = 0,49 kWh/<br />

kg<br />

42 © Carl Hanser Verlag, München <strong>Kunststoffe</strong> 2/2009


SPRITZGIESSEN<br />

■<br />

Bild 8. Alternativ bieten sich für das Einarbeiten der Fasern Multi-Process-Elemente (verschiedene Ausführungen<br />

abgebildet) an, die nach dem Mischkammerprinzip arbeiten<br />

■ eine optimale Anpassung an die Verfahrensaufgabe<br />

durch den modularen<br />

Gehäuse- und Schneckenbaukasten.<br />

Die Baureihe ZE-R (Hersteller: Krauss-<br />

Maffei Berstorff) mit einem Durchmesserverhältnis<br />

von 1,74 eignet sich besonders<br />

für die Naturfaserextrusion. Ihre tief<br />

geschnittenen Schneckengänge erleichtern<br />

die Abfuhr der von den Naturfasern<br />

freigesetzten Feuchtigkeit als Wasserdampf.<br />

Mit den Extrudern dieser Baureihe<br />

lassen sich Naturfasern mit einem<br />

Feuchtegehalt von bis zu 12 % ohne Vortrocknung<br />

verarbeiten.<br />

Normalerweise werden die Naturfasern<br />

mit Knetblöcken in die Schmelze<br />

eingearbeitet (Bild 7). Dabei handelt es<br />

sich um Schneckenelemente, die aus<br />

mehreren axial nacheinander angeordneten<br />

und winkelversetzten Knetscheiben<br />

bestehen. Je nach Verfahrensaufgabe<br />

variieren dabei Scheibenbreite, Versatzwinkel<br />

und Förderrichtung. Die dicht<br />

kämmenden Knetscheiben bedingen aufgrund<br />

der engen Spalte hohe Schergeschwindigkeiten,<br />

die den Abbau der Naturfaserbestandteile<br />

forcieren.<br />

Alternativ bieten sich für das Einarbeiten<br />

der Fasern Multi-Process-Elemente an,<br />

die nach dem Mischkammerprinzip arbeiten<br />

(Bild 8). Basis dieser Mischkammern<br />

sind Förder- bzw. Rückförderelemente,<br />

deren Außendurchmesser<br />

soweit reduziert ist,<br />

dass sie parallel nebeneinander<br />

eingesetzt werden können.Zusätzlich<br />

sorgen Durchbrüche<br />

in den Schneckenstegen für eine<br />

intensivere Durchmischung<br />

der Schmelze. Die Multi-Process-Elemente<br />

unterbinden eine<br />

zu starke Scherenergieeinleitung,<br />

was wiederum die Naturfasern<br />

schont.<br />

Verfahrenstechnik 2:<br />

Direktspritzgießen<br />

Die Kombination der Aufbereitung<br />

mit der Formgebung<br />

in einem Maschinenkonzept<br />

(IMC, Bild 9) reduziert nicht<br />

nur die thermische Beanspruchung<br />

des zu verarbeitenden<br />

Materials. Sie erhöht zudem<br />

die Energieeffizienz des Gesamtprozesses<br />

(siehe Kasten<br />

auf Seite 42).<br />

Demnach spart der einstufige Prozess<br />

mit dem Spritzgießcompounder im Vergleich<br />

zum Zweistufenprozess rund 40 %<br />

Energie ein. Dazu wird das energieintensive<br />

Plastifizieren mit einer Spritzgieß-<br />

Schubschnecke durch einen energieeffizienten,<br />

kontinuierlich gleichlaufenden<br />

Zweischneckenextruder ersetzt.<br />

Fazit<br />

Weniger ist oft mehr, denn mit lediglich<br />

zwei Verfahrenstechniken deckt Krauss-<br />

Maffei bei diesem Konzept die komplette<br />

Wertschöpfungskette ab – von der <strong>Verarbeitung</strong><br />

der Rohstoffe zu Compounds<br />

V<br />

Bild 9. Die Kombination der Aufbereitung mit der Formgebung in einem Maschinenkonzept reduziert die thermische Beanspruchung der Naturfasern<br />

und erhöht die Energieeffizienz des Gesamtprozesses. Sowohl Direktspritzgießen (IMC, links) als auch Direktextrusion (Typ: ZE 60 R UTX, rechts) reduzieren<br />

den Energieverbrauch gegenüber einem zweistufigen Prozess um 40 %<br />

<strong>Kunststoffe</strong> 2/2009<br />

43


■<br />

SPRITZGIESSEN<br />

oder Blends über das Halbzeug bis zum<br />

Endprodukt Formteil. Somit hat der Verzicht<br />

auf die Zwischenstufe Granulat sowohl<br />

bei der Extrusion als auch beim<br />

Spritzgießen wirtschaftliche wie technische<br />

Vorteile. Neben dem um 40 % geringeren<br />

Energieverbrauch sind die schonende<br />

<strong>Verarbeitung</strong> der empfindlichen<br />

Naturfasern wie auch die verminderten<br />

Geruchsemissionen während der Fertigung<br />

und später im Bauteil zu nennen.<br />

Verarbeitern wie Anwendern eröffnen<br />

sich damit neue Perspektiven bei der<br />

Suche nach umweltschonenden Produkten.<br />

■<br />

LITERATUR<br />

1 Endres, H.-J.; Hausmann, K.; Helmke, P.: Untersuchung<br />

des Einflusses unterschiedlicher Haftvermittler<br />

und Haftvermittlergehalte auf PP-Holzmehl-Compounds.<br />

KGK Kautschuk Gummi <strong>Kunststoffe</strong><br />

(2006) 7/8, S. 399–404<br />

2 Frangi, A.: Brandverhalten von Holz-Beton-Verbunddecken.<br />

Forschungsbericht Eidgenössische<br />

Technische Hochschule Zürich, 2001<br />

3 GriguIl, U.: Zustandsgrößen von Wasser und Wasserdampf<br />

in SI-Einheiten. Springer Verlag Berlin,<br />

Heidelberg, New York 1989<br />

DIE AUTOREN<br />

DR.-ING. ERWIN BÜRKLE, geb. 1942, ist Leiter<br />

Vorentwicklung, Neue Technologien und Prozesstechnik<br />

Spritzgießen bei der KraussMaffei Technologies<br />

GmbH, München.<br />

DIPL.-ING LARS DARNEDDE, geb. 1979, ist Verfahrensingenieur<br />

für Nachwachsende Rohstoffe in<br />

der Entwicklungsabteilung Kunststofftechnik der<br />

KraussMaffei Berstorff GmbH, Hannover.<br />

DIPL.-ING. GERHARD SCHEEL, geb. 1965, ist verantwortlich<br />

für verfahrenstechnische Entwicklungen<br />

in der Entwicklungsabteilung Kunststofftechnik der<br />

KraussMaffei Berstorff GmbH, Hannover.<br />

SUMMARY KUNSTSTOFFE INTERNATIONAL<br />

Energy-Efficient<br />

Processing of<br />

Natural Fiber-Reinforced<br />

Plastics<br />

PROCESS TECHNOLOGY. Processing of natural<br />

fiber-reinforced plastics in a single energy-optimized<br />

production process has significant benefits:<br />

the sensitive natural fibers are treated gently,<br />

emission of odors during processing and from<br />

the finished parts is reduced – and, since the intermediate<br />

step of pelletizing can be dispensed<br />

with when injection molding, energy savings of<br />

over 40 % compared to a two-step production process<br />

are possible.<br />

NOTE: You can read the complete article in our<br />

magazine <strong>Kunststoffe</strong> international and on our<br />

website by entering the document number PE110031<br />

at www.kunststoffe-international.com<br />

44 © Carl Hanser Verlag, München <strong>Kunststoffe</strong> 2/2009

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