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Geschichte des Landkreises Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim

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Von hoher Warte ins Land gespäht -<br />

Zeugnisse der Vor- und Frühgeschichte<br />

Beginnende Siedlungstätigkeit<br />

Die erste Spur eines Menschen in unserem Landkreis ist ein abgebrochener Faustkeil aus<br />

der Altsteinzeit (80 000 v. Chr.). Auch aus der Mittelsteinzeit (8000-4000 v. Chr.) ist man nur<br />

auf wenige Funde, vor allen Dingen auf dem Bergplateau der Burg Hoheneck, gestoßen.<br />

Dichter werden dann die Zeugnisse menschlichen Handelns in der Jungsteinzeit (4000 -<br />

1800 v. Chr.).<br />

Hier sind es vor allem Scherben der Band- und Stichreihenkeramik, die sich meist in den<br />

Offenlandschaften finden. Auch die Bronzezeit (1800 - 1200 v. Chr.) hat, insbesondere in<br />

den Lößgegenden, ihre Spuren hinterlassen. Urnenfelderzeit und Hallstattzeit sind ebenfalls<br />

im Landkreis nachzuweisen (1200 - 450 v. Chr.)<br />

Keltische Episode<br />

Fast alle Funde der oben genannten Zeitepochen konzentrieren sich in den<br />

Offenlandschaften und auf Bergspornen wie dem Bullenheimer Berg, die einen weiten Blick<br />

ins Land gewähren. Diese Siedlungskonstanz blieb auch unter den Kelten erhalten, die<br />

schon bald zwischen den von Süden herandrängenden Römern und den sich von Norden<br />

nähernden Germanen zerrieben wurden. Ihre markantesten Relikte sind die heute mitten im<br />

Wald gelegenen mächtigen Viereckschanzen bei Custenlohr, die, wie man glaubt,<br />

wahrscheinlich Kultzwecken dienten.<br />

Alemannische Reihengräber<br />

Da die Römer im Keuper-Bergland mit seinen Wäldern nicht Fuß fassen konnten, finden sich<br />

auch keine Zeugnisse ihres Wirkens, ausgenommen gehandelte Gebrauchsgüter und<br />

vereinzelte Münzfunde. Auch die Spur der Germanen deckt mittlerweile die Erde. Wiederholt<br />

ausgegrabene Reihengräber, u. a. bei Altheim, zeigen, dass anfangs in diesem Raum die<br />

Alemannen, die dann nach der Niederlage gegen die Franken 496 n. Chr. von diesen<br />

überschichtet wurden, siedelten. Die Sieger kamen als Herren und errichteten ihre<br />

Wehrturmburgen gerne auf Hügeln. Auch von diesen sogenannten Motten ist nur wenig<br />

erhalten geblieben. Meist kann man sie aber noch in so alten Flurnamen wie Burg,<br />

Schloßbuck, Burgstall usw. nachweisen. Auf die frühe Besiedlung der Offenlandschaften<br />

weisen Ortsnamenendungen auf -ingen, -heim und -stadt hin.<br />

Die Entstehung <strong>des</strong> „Fränkischen Fleckerlteppichs"<br />

Schmelztiegel verschiedener Völker und Rassen<br />

Der "Verfrankungsprozeß", der in mehreren Schüben erfolgte, wurde hauptsächlich unter<br />

den Merowingern von der Regnitz aus in den Steigerwald hinein vorgetragen, da die nach<br />

Westen gekehrte, steile Keuperschichtstufe verkehrsmäßig große Schwierigkeiten aufwarf.<br />

Entlang der alten Hochstraßen oder an strategisch wichtigen Punkten errichteten die<br />

Franken ihre Königshöfe, an die fast immer eine königliche Eigenkirche, meist mit dem<br />

Martinspatrozinium, angeschlossen war. Sie alle dienten der Lan<strong>des</strong>erschließung. Von<br />

besonderer Bedeutung sollten die Königshöfe Riedfeld an der <strong>Aisch</strong> und Burgbernheim<br />

werden. Auch wurde die fränkische Grafschaftsverfassung mit dem Rangau, Iffgau, Ehegau<br />

und Gollachgau, alle nach sie durchziehenden Flüssen benannt, errichtet.


2<br />

Die angestammte Bevölkerung - Reste der Kelten, Alemannen, Thüringer, aber auch Slawen<br />

- wurde so überschichtet. Später wurden noch in diesem Bevölkerungskonglomerat<br />

sächsische Kriegsgefangene, wovon beispielsweise die Ortsnamen Ober- und Untersachsen<br />

künden, zwangsangesiedelt.<br />

Auch rief man slawische Siedler zum Lan<strong>des</strong>ausbau Wenden oder Winden ins Land, was<br />

Ortsnamen wie Neidhardswinden belegen. Bald wuchsen aber alle diese Rassen und Völker<br />

zu einer Einheit zusammen und prägten den fränkischen Menschen entscheidend mit.<br />

Konkurrierende Herrschaftsansprüche und Streben nach Reichsfreiheit<br />

Mit dem Niedergang der Karolinger verselbständigten sich die hier ansässigen Grafen.<br />

Zusätzlich drangen weitere Adelsgeschlechter in diesen Raum ein und sicherten sich oft<br />

einen recht ansehnlichen Eigenbesitz. Auch die Ministerialen, vor allem Dienstadel<br />

geistlicher Grundherrschaften - so gehörten Ländereien dem Kloster Lorsch am Rhein, den<br />

Bistümern Regensburg und Würzburg - entwickelten zusehends auf das eigene Interesse hin<br />

ausgerichtete Energien. Dasselbe gilt für die Vögte der geistlichen Besitzungen,<br />

insbesondere die Herren von Raabs, die zugleich Burggrafen von Nürnberg waren. Sie<br />

versuchten, ihren Amtsbereich der eigenen Hausmacht zuzuschlagen.<br />

Der Lan<strong>des</strong>ausbau schritt nun zügig voran, wovon die heute oft nur noch als Ruinen<br />

vorhandenen Höhenburgen, wie Burg Hoheneck, Hinterfrankenberg, Schauerberg,<br />

Hohenlandsberg, Hohenkottenheim, Schwarzenberg usw. künden. Eine Vielzahl von<br />

Adelsgeschlechtern wirkte so in diesem Raum.<br />

Durch konkurrierende Herrschaftsansprüche, das Streben nach Reichsunmittelbarkeit,<br />

unterschiedliche Leistungen bei der Lan<strong>des</strong>erschließung und natürlich auch durch den<br />

Erbgang wurden oft Besitzungen verschiedener Größen geschaffen, aber auch zersplittert,<br />

so dass die Rechts- und Untertänigkeitsverhältnisse recht verwirrend wurden. Als<br />

Gemeinden seien hier nur einmal die Dörfer Deutenheim, in dem Würzburgisches,<br />

Seckendorffsches und Bayreuther Recht sowie das der freien Reichsstadt <strong>Windsheim</strong><br />

herrschten, oder Krassolzheim, wo die Herren von Schwarzenberg, Limpurg-Speckfeld und<br />

vom Kloster Michelsberg bei Bamberg Rechte besaßen, oder Oberlaimbach, in dem<br />

Schwarzenberg, Castell, v. Franckenstein und der Fürstbischof von Würzburg Einfluss<br />

hatten, genannt.<br />

Es fehlte an einer starken Zentralgewalt, die ein größeres, zusammenhängen<strong>des</strong> Gebiet<br />

hätte ausbilden können. Zwar versuchten es die Staufer in ihrem Bestreben, eine<br />

Herrschaftsbrücke von ihren Besitzungen in Schwaben zum Egerland hin aufzubauen - die<br />

Stadtrechtverleihung von 1200 an den Ort Lenkersheim durch Philipp von Schwaben kündet<br />

davon -, doch fanden die Bemühungen mit dem Niedergang dieses Herrschergeschlechts ihr<br />

Ende.<br />

Brackenkopf und schwarz-weiß gevierteter Schild - Der Aufstieg der Hohenzollern<br />

Mit dem Aussterben der Herren von Raabs 1190 begann ein entscheidender Einschnitt in<br />

der <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Aisch</strong>grun<strong>des</strong>. Das Erbe <strong>des</strong> untergegangenen Grafengeschlechts traten<br />

die Zollern an, die nun Burggrafen von Nürnberg waren und auch Herren <strong>des</strong> Königshofs<br />

RiedfeId, das zum Zentrum einer größeren Territorialbildung längs der <strong>Aisch</strong> wurde. Dieser<br />

Entwicklung kam das Aussterben der Herren von Abensberg mit Besitzungen um<br />

Cadolzburg und Roßtal entgegen, die ebenfalls beerbt wurden. Burggraf Friedrich III. trieb<br />

mit am energischsten die zollernsche Herrschaftsbildung um Riedfeld voran. Wahrscheinlich<br />

gab er 1287 den Befehl, den südlich der <strong>Aisch</strong> gelegenen Teil Riedfelds mit einer Mauer und<br />

Burg zu sichern, um den <strong>Aisch</strong>übergang fest im Griff zu haben. Diese ummauerte Siedlung<br />

bekam den Namen <strong>Neustadt</strong>, die spätestens 1318 das Stadtrecht erhielt. Von 1347 stammt<br />

auch das erste bekannte Stadtsiegel mit Brackenkopf.


3<br />

Gleichzeitig ließ Friedrich III. das Zisterzienserinnenkloster Birkenfeld zur Versorgung lediger<br />

Adelstöchter gründen. Mit dem Herrschaftsaufbau im Rangau ging der in Oberfranken um<br />

Bayreuth und die über Kulmbach liegende Plassenburg einher, der nach der Beerbung der<br />

Grafen von Andechs-Meranien möglich wurde. Dieses zollernsche Territorium war die<br />

Herrschaft "oberhalb <strong>des</strong> Gebürgs", womit der Fränkische Jura gemeint ist, während der<br />

<strong>Aisch</strong>grund, die ehemaligen Abensberger Gebiete um Cadolzburg und das den Grafen von<br />

Oettingen abgekaufte Ansbach die "unterhalb <strong>des</strong> Gebürgs" bilden sollte.<br />

So waren die beiden fränkischen Markgrafentümer schon mehr oder weniger vorgezeichnet,<br />

wobei seit 1403 der <strong>Aisch</strong>grund das Bayreuther Unterland mit <strong>Neustadt</strong> als Hauptort bildete.<br />

Dass es hier in Franken trotz dieser günstigen Voraussetzungen nicht zu einer<br />

geschlossenen Territorialbildung kam, liegt in der Verleihung der brandenburgischen<br />

Kurwürde im Jahre 1415 durch Kaiser Sigmund begründet, dem Burggraf Friedrich das<br />

Leben nach einer schweren Niederlage in Ungarn gegen die Türken retten konnte. So wurde<br />

die Aufmerksamkeit der Zollern öfters von Franken abgelenkt, wodurch hier bei aller<br />

späteren Anstrengung der Markgrafen kein größerer geschlossener Besitz mehr entstehen<br />

konnte.<br />

An der Schwelle zur Neuzeit<br />

"Von der Freyheit eines Christenmenschen" -<br />

Die Reformation im <strong>Aisch</strong>grund und in den umliegenden Gebieten<br />

Die beginnende Neuzeit sorgte mit all ihren bedeutenden Ereignissen für ein rasches<br />

Abtreten <strong>des</strong> Spätmittelalters. Die Belagerung <strong>Neustadt</strong>s durch bayerische Truppen (1461)<br />

führte zur Entstehung der Geißbock-Sage, nach der ein Schneider aus der Stadt, in der Not,<br />

Hunger und Elend herrschten, in das Fell eines Geißbocks geschlüpft und auf den Mauem<br />

getanzt haben soll, um einen Überfluss an Nahrungsmitteln vorzugaukeln. Die Bayern sollen<br />

wegen dieses Bluffs so erschrocken sein, dass sie die Belagerung umgehend abbrachen,<br />

was die Rettung der Stadt bedeutete. Zur Erinnerung meckert jeden Tag um 12 Uhr der<br />

Geißbock vom Neustädter Rathaus herunter.<br />

Viel gravierender erschütterten aber die Menschen die Seuchenwellen, beispielsweise die<br />

Pest, die manchmal nur jeden zweiten überleben ließ. Sinkende Getreidepreise, verstärktes<br />

Sicherheitsbedürfnis, Dienstbotenmangel in den Städten sowie eine Reihe weiterer Gründe<br />

bedingten eine Wüstungsphase, in der viele Höfe und Weiler auf Grenzertragsböden<br />

aufgegeben wurden.<br />

Auch die Lehre Martin Luthers erschütterte die Menschen und störte auf lange Zeit durch die<br />

konfessionelle Spaltung nachhaltig das Zusammenleben von Dörfern und Menschen.<br />

Gerade die Reichsritter, die freie Reichsstadt <strong>Windsheim</strong>, so manche Grafschaft und auch<br />

die Markgrafschaften erhofften sich durch ihren Anschluss an die Reformation mehr Freiheit<br />

vom Reich und Besitzzuwachs auf Kosten kirchlichen Besitzes. So vollzog sich der<br />

Übergang zur neuen Lehre in den Markgrafschaften 1528 und in der Herrschaft<br />

Schwarzenberg 1527. Es darf aber nicht übersehen werden, dass auch der Wunsch nach<br />

Reformen der verweltlichten katholischen Kirche Träger der Reformation gewesen ist.<br />

Der Bundschuh weht - Bauernkrieg in Franken<br />

Mitten in diese Umbruchszeit platzte 1525 die Erhebung der Bauern. In vielen Orten rotteten<br />

sie sich zusammen. So besetzten die Gutenstetter Bauern als Teil <strong>des</strong> <strong>Aisch</strong>gründer<br />

Haufens <strong>Neustadt</strong>. In <strong>Windsheim</strong> brachen im März ebenfalls Unruhen aus, doch konnte hier<br />

der Nürnberger Rat vermittelnd eingreifen. Aber auch in anderen Dörfern wie Markt Bibart<br />

oder Ohrenbach, <strong>des</strong>sen Bauern sich später als Teil <strong>des</strong> Taubertal-Haufens zu Florian<br />

Geyers "Schwarzem Haufen" formierten, wehte als Zeichen der Empörung der Bundschuh.<br />

Die meisten Klöster und Herrensitze wie CasteIl, Schnodsenbach, Obersteinbach,<br />

Unterlaimbach, Ullstadt, Hohenkottenheim usw. brannten.


4<br />

Auch Schwarzenberg, wo die Bauern schworen, den Schlossherrn Johann den Starken<br />

aufzuhängen und seiner schwangeren Frau das Kind aus dem Leib zu reißen, wurde<br />

belagert. Doch das Schloss konnte sich halten, bis Entsatz nahte.<br />

Nach den schweren Niederlagen der Bauern vor allem im Mainfränkischen begann nun<br />

Markgraf Kasimir, der sich zuvor abwartend verhalten hatte, in seinen Landen, so auch im<br />

<strong>Aisch</strong>grund, einen Rachefeldzug, vor dem einen nur grausen kann. Von da an waren die<br />

Gemeinden praktisch entmachtet, ihre Privilegien und bäuerliche Autonomie aufgehoben. So<br />

wurde der Bauer zum reinen Untertan herabgedrückt.<br />

Der Dreißigjährige Krieg<br />

Abgesehen von der Zeit <strong>des</strong> zweiten Markgräfler-Krieges, der die Höhenburgen, die sich nun<br />

überlebt hatten, erneut brennen ließ, wovon sie sich nie mehr erholen sollten, herrschte in<br />

Westmittelfranken relative Ruhe. Auch der 1618 beginnende Dreißigjährige Krieg verschonte<br />

anfangs dieses Gebiet, von gelegentlichen Heeresdurchzügen einmal abgesehen.<br />

Erst mit dem Eingreifen <strong>des</strong> Schwedenkönigs Gustav Adolf, auf den die fränkische<br />

Reichsritterschaft große Hoffnungen setzte, um das Restitutionsedikt abwenden zu können,<br />

änderte sich die Lage. In Zusammenhang mit den Kämpfen zwischen Gustav Adolf und<br />

Wallenstein um die Alte Veste bei Zirndorf wurde auch <strong>Neustadt</strong> von Kroaten überfallen und<br />

gebrandschatzt.<br />

Durch all die Kriegshandlungen und die damit verbundenen Seuchen war der <strong>Aisch</strong>grund<br />

ausgeblutet, waren die Dörfer und Städte verwüstet, die Menschen all ihrer Habe verlustig<br />

gegangen.<br />

Hugenottenkreuz und Davidsstern -<br />

Wiederaufbau und merkantilistische Bevölkerungspolitik<br />

Die Katastrophe <strong>des</strong> Dreißigjährigen Krieges war durch die Regenerationsfähigkeit der<br />

überlebenden Bevölkerung allein nicht zu überwinden. Vor allem die protestantischen<br />

Markgrafen und Herren trieben eine rege Bevölkerungspolitik, indem sie zahllose<br />

Glaubensflüchtlinge, die es nun überall im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gab,<br />

riefen. Französische Hugenotten, protestantische Oberösterreicher, Steiermärker, später<br />

auch Salzburger Emigranten kamen so ins Land, da die Ansiedlung durch Steuerfreijahre,<br />

Bauholzspenden, Einweisung in wüstgefallene Hofstellen u. a. m. aktiv gefördert wurde.<br />

Natürlich bedeutete all die Aufbauleistung nicht eine völlige Konzentration auf den<br />

wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Sektor. Eine ganze Reihe wichtiger kultureller<br />

Aktivitäten ging trotz der vorangegangenen Katastrophe schon wieder von diesem Gebiet<br />

aus. Hier sei beispielsweise nur Magister Johann Peter Kolb (1675 - 1726) genannt, der ein<br />

entscheiden<strong>des</strong> Verdienst an der Erforschung <strong>des</strong> südlichen Afrika hatte. Auch Georg<br />

Wilhelm SteIler (1709 - 1746) aus <strong>Windsheim</strong> ging als großer Naturforscher im Dienste <strong>des</strong><br />

russischen Zaren in die <strong>Geschichte</strong> ein. Zusammen mit dem Alaska-Entdecker Vitus Behring<br />

untersuchte er Fauna und Flora in Alaska und auf der Halbinsel Kamtschatka (Stellersche<br />

Seekuh; heute ausgestorben).<br />

Eine besondere Rolle spielten bei der Bevölkerungspolitik auch die Juden, da sie ein hohes<br />

„Schutzgeld" zahlen mussten und einem höheren Steuersatz unterworfen waren. In den<br />

größeren Territorien konzentrierte man ihre Ansiedlung auf wenige Orte wie Uehlfeld, Pahres<br />

oder Diespeck. Es gab außerdem fast kein Dorf der Reichsritterschaft, in dem sich nicht eine<br />

jüdische Gemeinde befand. Einige Judenfriedhöfe, z. B. bei Uehlfeld, Diespeck, Obernzenn<br />

und Sugenheim, künden von ihnen.<br />

Noch im 19. Jahrhundert betrug, regional unterschiedlich, die Zahl der Juden etwa 4% der<br />

Gesamtbevölkerung im Gebiet <strong>des</strong> heutigen Großlandkreises.


5<br />

Meist lebten sie in recht bescheidenen Verhältnissen, da sie von den Handwerkerzünften<br />

ausgeschlossen waren und auch keinen bäuerlichen Grundbesitz erwerben durften. So<br />

lebten sie vom Hausieren, Geldverleih und Handel mit Vieh, Ernte oder Grundstücken.<br />

Am Ende <strong>des</strong> Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation<br />

Der Fränkische Kreis<br />

Im Gegensatz zu anderen Reichskreisen war der Fränkische Reichskreis und damit auch<br />

das Gebiet <strong>des</strong> heutigen <strong>Landkreises</strong> <strong>Neustadt</strong> a. d. <strong>Aisch</strong> - <strong>Bad</strong> <strong>Windsheim</strong> durch ein<br />

Gleichgewicht von Kräften gekennzeichnet. Keine der Herrschaften war stark genug, eine<br />

überlegene Rolle spielen zu können. Stete Absprache war so notwendig, denn die<br />

Hohenzollern, die sich 1603 in Franken in eine Ansbacher und Bayreuther Linie gespalten<br />

hatten, waren bei allen Ansätzen zu einer flächenhaften Herrschaftseinheit, wie es das<br />

Bayreuther Unterland um die Lan<strong>des</strong>hauptmannschaft <strong>Neustadt</strong> a. d. <strong>Aisch</strong> darstellte, zu<br />

schwach, um über die anderen Herren dominieren zu können.<br />

Dies zeigt auch die Auflistung aller der Herrschaften, die hier die volle Lan<strong>des</strong>hoheit<br />

ausübten:<br />

das Hochstift Bamberg<br />

das Hochstift Eichstätt<br />

das Hochstift Würzburg<br />

der Deutsche Orden<br />

das Kloster Ebrach<br />

die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach<br />

die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth<br />

die Gefürstete Grafschaft Schwarzenberg<br />

die Grafschaft CasteIl<br />

die Kantone der Reichsfreien Ritterschaft<br />

Altmühl, Gebirg, Odenwald und Steigerwald<br />

die freie Reichsstadt Nürnberg<br />

die freie Reichsstadt <strong>Windsheim</strong><br />

die freie Reichsstadt Rothenburg<br />

„Jetzt seid ihr Fürstenknechte!"- Eingliederung in den bayerischen Staat<br />

Mit der Abdankung <strong>des</strong> Markgrafen Alexander 1791 trat der letzte fränkische Zollernfürst ab,<br />

und die gerade erst wiedervereinten Markgrafentümer gingen an die preußischen Vettern.<br />

Karl August von Hardenberg, der spätere große Reformer Preußens, wurde mit der Aufgabe<br />

betraut, im preußischen Franken einen geschlossenen, modernen Staat durch die<br />

Beseitigung aller konkurrierenden Herrschaftsansprüche zu schaffen, was nur mühsam,<br />

stellenweise gegen den Widerstand der Bevölkerung gelang.<br />

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde die Säkularisierung und<br />

Mediatisierung auch in Franken eingeleitet. Der Kurfürst von Pfalz-Bayern erhielt im heutigen<br />

Landkreisgebiet die dort befindlichen Besitzungen der Bistümer Würzburg und Bamberg<br />

sowie die der Abtei Ebrach und die freie Reichsstadt <strong>Windsheim</strong>. Mit diesen territorialen<br />

Veränderungen war Bayern neben Preußen die zweite starke und für die Zukunft<br />

entscheidende Macht in diesem Raum geworden.<br />

Es war die Politik Montgelas, zur Schaffung eines mächtigen, geschlossenen bayerischen<br />

Staates eine durchgehende Verbindung der Stammlande mit den fränkischen Provinzen<br />

anzustreben.<br />

Mit dem Pariser Vertrag vom 15.2.1806 trat Preußen das Fürstentum Ansbach ab, womit<br />

Montgelas seinem Ziel erheblich näher gekommen war. In der Rheinbundzeit erhielt Bayern<br />

ferner im Landkreis das Fürstentum Schwarzenberg, die Grafschaft Castell, die Herrschaft<br />

Limpurg-Speckfeld und die Deutschordens-Commende Virnsberg. Mit dem Kauf der<br />

Markgrafschaft Bayreuth von Napoleon (1810) war Preußen endgültig aus Franken verdrängt<br />

und die Souveränität Bayerns in diesem Raum aufgerichtet.


6<br />

Das Leben in der bayerischen Provinz<br />

Nach den Wirren der Napoleonischen Zeit folgte im Biedermeier eine Zeit relativer Ruhe und<br />

ein für die Untertanen in den ehemaligen Herrschaftssitzen schwer fassbarer<br />

Bedeutungsverlust. Für <strong>Windsheim</strong> bedeutete es den Verlust der Reichsfreiheit und für<br />

<strong>Neustadt</strong> den Sturz von dem Sitz einer Lan<strong>des</strong>hauptmannschaft, einer Residenzstadt, mit<br />

einer besonderen Stellung gegenüber den anderen markgräflichen Hauptstädten Bayreuth,<br />

Kulmbach, Hof, Wunsiedel und Erlangen zu einer bayerischen Landgemeinde dritter Klasse.<br />

Der Typus <strong>des</strong> Ackerbürgers beherrschte weitgehend die Städte und Märkte. In keinem Fall<br />

ging während <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts die Bebauung über die mittelalterlichen Stadtmauern<br />

hinaus.<br />

Auch der Anschluss an das Eisenbahnnetz in der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

brachte nur wenig Änderung. Politisch arrangierte man sich zusehends mit der bayerischen<br />

Obrigkeit.<br />

Nur geringe Ansätze zur Industrialisierung ließen das Wirtschaftswachstum in dem<br />

weitgehend agrarisch strukturierten Raum kaum steigen.<br />

Republik und Diktatur<br />

Der Sturz der alten Ordnung<br />

Die Kapitulation <strong>des</strong> Kaiserreichs 1918 und damit auch der bayerischen Armee und ihres<br />

Königs wurde von der westmittelfränkischen Bevölkerung recht gleichgültig aufgenommen.<br />

Die hohe Gefallenenzahl, die Einberufung der Bauern und die Requirierung der Pferde sowie<br />

die auferlegten hohen Ablieferungsquoten hatten zu einer allgemeinen Kriegsmüdigkeit<br />

geführt. So konnte sich bereits am 9.11.1918 zu <strong>Neustadt</strong> ein Arbeiter-, Soldaten- und<br />

Bauernrat bilden. Weitere Räte entstanden schon bald in anderen Orten.<br />

Die Wahlen zur Verfassungsgebenden Nationalversammlung am 19.1.1919 zeigten, dass,<br />

obwohl sich ein Großteil der Wähler zur „Weimarer Koalition" der bürgerlichen Parteien<br />

bekannte, die politische Rechte stark vertreten war.<br />

Das Leben im Dritten Reich<br />

Die Machtergreifung im Januar 1933 veränderte anfangs kaum das öffentliche Leben.<br />

Ziemlich rasch trat dann aber durch die Zerschlagung jeder Form von Opposition durch die<br />

SA, den Ausbau der Parteiorganisation und den Aufbau der HJ eine immer stärkere<br />

Einschränkung der Freiräume ein.<br />

Der Zweite Weltkrieg<br />

Die Schrecken <strong>des</strong> modernen Krieges verschonten anfangs die Landkreise. Je länger aber<br />

die Kriegshandlungen dauerten, umso stärker wurden die Verluste an Menschen, Material<br />

und Bausubstanz. Waren es bis 1944 meist irrtümlich abgeworfene Bomben, die entweder<br />

Nürnberg oder Schweinfurt gegolten hatten, so machten nun die Tiefflieger immer mehr zu<br />

schaffen. Im April 1945 erreichten die amerikanischen Truppen Westmittelfranken, wo es<br />

teilweise noch zu erbitterten Kämpfen, insbesondere mit der Panzergruppe Hobe kam.<br />

Außer den Kriegshandlungen forderte eine ganze Reihe von Terrormaßnahmen <strong>des</strong><br />

untergehenden NS-Regimes zur Aufrechterhaltung <strong>des</strong> Durchhaltewillens erhebliche Opfer.


7<br />

Nachkriegszeit und Gegenwart<br />

Mit vereinten Kräften in die Zukunft<br />

Auch die drei Landkreise waren nach der Einstellung der Kriegshandlungen in Deutschland<br />

eine Landschaft <strong>des</strong> To<strong>des</strong>. Die Brücken waren gesprengt, Wasser- und Stromversorgung<br />

höchst mangelhaft, allgemein war die Infrastruktur zusammengebrochen. Im Landkreis<br />

<strong>Neustadt</strong> a. d. <strong>Aisch</strong> kamen Ende 1945 186 Schüler auf einen Lehrer. Zudem musste eine<br />

neue Verwaltung erst noch aufgebaut werden.<br />

In diese Situation hinein rollten die Flüchtlingstransporte, die bald 50 % der ansässigen<br />

Gesamtbevölkerung ausmachten. In manchen Ortschaften war der Flüchtlingsanteil noch<br />

höher. Die Integration dieser unschuldig ins Elend gekommenen, meist aus dem Egerland<br />

stammenden Menschen wurde eine der großen Aufgaben der kommenden Zeit. Während<br />

noch die Spruchkammern tätig waren, begann die Neugestaltung <strong>des</strong> politischen Lebens.<br />

CSU, SPD und FDP konstituierten sich auf Kreis- und Gemeindeebene. So war der Weg frei<br />

für eine demokratische Entwicklung, die auf der Basis <strong>des</strong> Grundgesetzes einen Neuanfang<br />

wagen konnte.<br />

Die Gebietsreform von 1972<br />

Mit der Zunahme an Aufgaben im öffentlichen Bereich und der damit einhergehenden<br />

Komplexität von Entscheidungen und Ausführungen wurden die Gemeinden und Landkreise<br />

vor immer schwierigere, manchmal fast unlösbare Aufgaben gestellt. Aus diesem Grunde<br />

entschied sich die bayerische Staatsregierung für eine das ganze Land umfassende<br />

Gebietsreform. Die Zusammenlegung der drei Landkreise <strong>Neustadt</strong> a. d. <strong>Aisch</strong>, Scheinfeld<br />

und Uffenheim zu dem Großlandkreis <strong>Neustadt</strong> a. d. <strong>Aisch</strong> - <strong>Bad</strong> <strong>Windsheim</strong> erhielt die<br />

Altlandkreise in ihrem Kern, wenn auch Randgebiete verloren gingen. Um den Gemeinden<br />

ebenfalls mehr Effizienz zu geben erfuhren auch die Kommunen teilweise eine<br />

Neuorganisation.<br />

Von den ehemals 185 selbständigen Gemeinden sind nur mehr 38 übrig geblieben, von<br />

denen sich 31 wiederum in sieben Verwaltungsgemeinschaften zusammengeschlossen<br />

haben. Der Landkreis ist flächenmäßig der zweitgrößte Landkreis Mittelfrankens.<br />

Dieter Mäckl<br />

Kreisheimatpfleger

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