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Mara Kramer Scheitern am Glück - Kultur.uni-hamburg.de

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<strong>Mara</strong> <strong>Kr<strong>am</strong>er</strong>: <strong>Scheitern</strong> <strong>am</strong> Glück<br />

113<br />

lediglich nach einem vollkommenen und glücklichen Leben und stellen in regelmäßigen<br />

Abstän<strong>de</strong>n fest, dass sie nicht ohne einan<strong>de</strong>r sein können. Kun<strong>de</strong>ra macht durch<br />

seine Wortwahl und Gedankengänge <strong>de</strong>utlich, dass das Glück nicht als Gegenstand zu<br />

erkennen sei, son<strong>de</strong>rn immer nur im Zus<strong>am</strong>menhang mit einem Gefühl entstehe. Und<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Geschichte verweist <strong>de</strong>r Autor auf eine weitere literarische Bearbeitung<br />

<strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>m Glück, <strong>de</strong>nn Theresas Lieblingsbuch ist »Anna Karenina«<br />

von Leo Tolstoi, <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rum seinen Protagonisten Wronski ebenfalls auf die verzweifelte<br />

Jagd nach seiner großen Liebe schickt. Dieser sieht in <strong>de</strong>r Titelfigur Anna die<br />

Erfüllung seines Lebens und nimmt etliche Jahre <strong>de</strong>s Versuchens auf sich, um ihre Liebe<br />

zu gewinnen. Doch als er endlich das bekommt, was er zu wollen meint, fehlt wie<strong>de</strong>r<br />

etwas und er muss erneut beginnen, sich auf die Suche nach seinem individuellen Glück<br />

zu begeben. Ich habe mich <strong>de</strong>rweil für das »Prinzip <strong>de</strong>s Serendipity« 1 entschie<strong>de</strong>n und<br />

lehne entspannt über <strong>de</strong>r 22. Ausgabe <strong>de</strong>r Zeitschrift Kuckuck. So stoße ich auf <strong>de</strong>n<br />

Artikel »Die falschen Freun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glücks« von Dieter Thomä, <strong>de</strong>r ebenfalls das Beispiel<br />

<strong>de</strong>s Romans »Anna Karenina« in seinen Aufsatz einfließen lässt. Seine These: Menschen<br />

›utopisieren‹ Glück und sehen es nur in <strong>de</strong>r Zukunft liegen. In diesem Zus<strong>am</strong>menhang<br />

bezeichnet Thomä <strong>de</strong>n philosophischen Inhalt <strong>de</strong>s Werkes als »eine große Parabel, die<br />

das <strong>Scheitern</strong> jener Logik <strong>de</strong>r Bedürfnisbefriedigung illustriert«. 2<br />

Als ich <strong>de</strong>n Kuckuck zum dritten Mal durchblättere, einige Abschnitte mehr und<br />

einige weniger intensiv gelesen und auf unseren Inhalt bezogen habe, stelle ich fest, dass<br />

ich häufig auf die Begriffe Utopie, Selbstverantwortung und Lebenshilferatgeber gestoßen<br />

bin. So untersucht zum Beispiel Stefanie Duttweiler in ihrem Aufsatz »Ratgeber<br />

zum Glück – Arbeitsanleitungen neoliberaler Selbstführung« 3 die Be<strong>de</strong>utung von<br />

Ratgeberliteratur für die Gesellschaft. Nach Duttweiler seien Glücksratgeber ein Produkt<br />

<strong>de</strong>r Massenkultur, <strong>de</strong>ren Inhalte jedoch ausschließlich an individuelle Rezipienten<br />

adressiert seien. Somit wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Leserinnen und Lesern vermittelt, dass je<strong>de</strong>r Mensch<br />

selbst dafür verantwortlich sei, sein persönliches Glück – unabhängig von sozialen o<strong>de</strong>r<br />

politischen Gegebenheiten und Prozessen – zu realisieren. 4 Die Autorin visualisiert in<br />

ihrem Aufsatz, dass uns die unterschiedlichen Lebenshilferatgeber unser (scheinbar)<br />

mangeln<strong>de</strong>s Glück gewissermaßen auflisten wür<strong>de</strong>n. Sie ist <strong>de</strong>r Meinung, dass die vermeintliche<br />

Suche nach <strong>de</strong>m Glück eigentlich eine »Problematisierungsformel« 5 sei, die<br />

zur »permanenten Selbstverbesserung« 6 anleiten solle. Für diese Selbstverbesserung ist<br />

es unumgänglich, dass innerhalb <strong>de</strong>r Ratgeber die Unterscheidung zwischen Glück<br />

und Nicht-Glück, zwischen richtigem und falschem Leben immer wie<strong>de</strong>r hervorgehoben<br />

wird. 7 Duttweiler geht es jedoch nicht darum, die Be<strong>de</strong>utung und Erreichbarkeit<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

Rolf Lindner: Spür-Sinn. O<strong>de</strong>r: Die Rückgewinnung <strong>de</strong>r »Andacht zum Unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n«. In: Zeitschrift für Volkskun<strong>de</strong><br />

107 (2011), S. 155–169.<br />

Dieter Thomä: Die falschen Freun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glücks. In: Kuckuck 22 (2007), Heft 1, S. 4–7.<br />

Stefanie Duttweiler: Ratgeber zum Glück: Arbeitsanleitungen neoliberaler Selbstführung. In: Kuckuck 22 (2007),<br />

Heft 1, S. 8–12.<br />

Ebd., S. 8 und 10.<br />

Ebd., S. 10.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 9.

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