Mara Kramer Scheitern am Glück - Kultur.uni-hamburg.de
Mara Kramer Scheitern am Glück - Kultur.uni-hamburg.de
Mara Kramer Scheitern am Glück - Kultur.uni-hamburg.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
114 vokus<br />
<strong>de</strong>s Glücks zu enttarnen und transparent zu machen, son<strong>de</strong>rn darum, die »diskursive<br />
Konstruktion <strong>de</strong>s Glücks« 8 zu beleuchten. In<strong>de</strong>m die Autorin nach <strong>de</strong>r »Form« fragt,<br />
in <strong>de</strong>r Glück zum »Gegenstand <strong>de</strong>s Diskurses« 9 gemacht wird, führt sie mich zu meiner<br />
Fragestellung an das Thema Glück in <strong>de</strong>r Volkskun<strong>de</strong> und bringt mich auf die<br />
I<strong>de</strong>e, darauf zu achten, wie später die Anwesen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Kolloquiums das Thema Glück<br />
verhan<strong>de</strong>ln: Was geschieht während einer Diskussion über das Thema Glück?<br />
Glück im Unglück<br />
Da sitzen wir nun zu dritt als Mo<strong>de</strong>rator_innen und blicken in die erwartungsvollen<br />
Gesichter <strong>de</strong>r Anwesen<strong>de</strong>n, um darüber zu diskutieren, was <strong>de</strong>r Aufsatz von Duttweiler<br />
und darüber hinaus das Thema Glück für die Volkskun<strong>de</strong> bereithalten. Zunächst läuft<br />
es darauf hinaus, dass aufgezählt wird, wie Glück fungieren und funktionieren könne.<br />
Ich höre <strong>de</strong>n Begriff Glück im Zus<strong>am</strong>menhang mit Dingen, Gefühlen und verschie<strong>de</strong>nen<br />
Län<strong>de</strong>rn, aber kaum mit Bezug zum Text, und immer wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Satz:<br />
Glück be<strong>de</strong>utet doch für je<strong>de</strong>n etwas an<strong>de</strong>res. Und doch kaufen wir die gleichen<br />
Bücher, um unsere Lücken auf ›individuelle‹ Weise mittels Selbstführung zu füllen.<br />
Was ist allerdings dann noch individuell? Die Sitzung entfernt sich zunehmend von<br />
unserem Konzept und <strong>de</strong>m Text von Duttweiler: Die verschie<strong>de</strong>nen Meinungen, die<br />
in <strong>de</strong>n Raum geworfen wer<strong>de</strong>n, prallen regelrecht aneinan<strong>de</strong>r ab und es entwickelt sich<br />
eine mit Spannung aufgela<strong>de</strong>ne Atmosphäre. Stimmen wer<strong>de</strong>n lauter, Stirnen gerunzelt<br />
und Augenbrauen in die Höhe gezogen. Es entsteht kein Konsens über das Glück<br />
im Allgemeinen o<strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>s Aufsatzes. Ja, auf einmal wirkt es fast so, als<br />
hätte niemand <strong>de</strong>r Anwesen<strong>de</strong>n diesen Text wirklich gelesen. Denn das, was während<br />
dieses Kolloquiums geschieht, ist gera<strong>de</strong> ein wichtiger, im Aufsatz thematisierter und<br />
auch kritisierter Aspekt – 90 Minuten lang wird versucht, Glück als auf individuelle<br />
Praktiken, Vorlieben, Wissensbestän<strong>de</strong> und Wertesysteme bezogene Größe zu erfassen.<br />
Wie kann es sein, dass die Diskussion über das Thema Glück ein Seminar fast<br />
sprengt? Ich hatte mir als Ziel gesetzt, <strong>am</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sitzung eine Antwort auf meine Frage<br />
zu bekommen, wie sich Glück volkskundlich/kulturanthropologisch erforschen lässt,<br />
welche Metho<strong>de</strong>n und theoretischen Bezüge hierfür <strong>de</strong>nkbar wären – wir Mo<strong>de</strong>rator_<br />
innen wollten beleuchten, ob die Diskussion über das Glück für die Volkskun<strong>de</strong>/<br />
<strong>Kultur</strong>anthropologie von Be<strong>de</strong>utung sein könne, ein mögliches Forschungsfeld. Genau<br />
diese von uns gewählte Vorgehensweise führte uns jedoch nicht zum Ziel. Wie kann es<br />
sein, fragte ich mich, dass alle Anwesen<strong>de</strong>n einen gemeins<strong>am</strong>en Grundlagentext über<br />
die ›Form‹, in <strong>de</strong>r Glück zum ›Gegenstand <strong>de</strong>s Diskurses‹ gemacht wird, lesen und<br />
trotz<strong>de</strong>m nur innerhalb dieses Diskurses argumentieren und streiten, in<strong>de</strong>m je<strong>de</strong> und<br />
je<strong>de</strong>r für sich versucht, das (unsichtbare) Glück als Gegenstand zu <strong>de</strong>finieren?<br />
Warum war es mir/uns nicht möglich, <strong>de</strong>n Diskurs auf die Meta-Ebene <strong>de</strong>r ›Form‹<br />
zu orientieren? Trotz<strong>de</strong>m sehe ich in <strong>de</strong>r beschriebenen Sitzung nicht nur – für meine<br />
8<br />
9<br />
Ebd. S. 10.<br />
Ebd. S. 8.