Die Tilburger Masche - Katharina Altemeier
Die Tilburger Masche - Katharina Altemeier
Die Tilburger Masche - Katharina Altemeier
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—— POrTrAIT —— innoFa ——<br />
NR. 2<br />
ie <strong>Tilburger</strong><br />
<strong>Masche</strong><br />
TexT<br />
KaTharina alTeMeier<br />
FoTos<br />
lucas hardonK<br />
Der Firmenname „Innofa“ steht für „Innovated Fabrics“, also für innovative<br />
Stoffe. Und dass dieser Name keine hohle Phrase ist, beweist das niederländische<br />
Familienunternehmen kontinuierlich – indem es sich, seine Stoffe<br />
und deren Technologie immer wieder überarbeitet. Als Wollstofffabrik in<br />
den 1920er-Jahren in Tilburg gegründet, spezialisierte sich die Firma bald<br />
auf die Produktion von Strickstoffen. Heute macht Innofa den größten Teil<br />
seines Umsatzes mit Matratzen-Überzugsstoffen aus Stretch. Aber nicht nur<br />
das. Seit einigen Jahren taucht der Name Innofa auch in der Designszene<br />
immer dann auf, wenn es um außergewöhnliche Anwendungen im Möbelbereich<br />
geht. MADE war vor Ort und hat sich die <strong>Tilburger</strong> <strong>Masche</strong>n<br />
genau angesehen.<br />
16 17
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NR. 2<br />
Wenn man ein Polstermöbel mit einem Bezug sieht, den man<br />
so noch nie zuvor gesehen hat, kann man ziemlich sicher<br />
sein, dass innofa dahintersteckt. auf ihrer Webseite geben<br />
die holländer ihre referenzen allerdings bewusst nicht an. namedropping?<br />
davon halten sie nicht viel. die Produkte sollen für sich sprechen:<br />
qualitativ hochwertige stricktextilien, die nicht selten auffallend dick,<br />
weich und wattiert wirken und oft durch ihre gesteppte, dreidimensionale<br />
optik sofort ins auge fallen. längst sind einige hersteller und designer<br />
verrückt nach den außergewöhnlichen Textilien und haben erkannt,<br />
dass sie von dem Know-how des niederländischen unternehmens<br />
profitieren können. denn die stricktextilien von innofa eröffnen Möglichkeiten<br />
im design, die mit Webstoffen so nicht realisierbar sind.<br />
„strick und 3-d-oberflächen sind im design sehr angesagt und beides<br />
zählt zu unseren Kernkompetenzen“, sagt Jos Pelders. der 41-jährige<br />
niederländer arbeitet seit über acht Jahren in dem Familienunternehmen,<br />
das mittlerweile von den Brüdern Job und rogier dröge in<br />
dritter Generation geführt wird. „anders als viele meinen, eignen sich<br />
stretchtextilien besonders gut für Polstermöbel, vor allem für organische<br />
Formen, weil sie im Gegensatz zu gewebten stoffen nicht steif, sondern<br />
dank der <strong>Masche</strong>nstruktur elastisch sind.“<br />
ein aktuelles Beispiel für den innovativen einsatz eines von innofa entwickelten<br />
stretchtextils ist das sofa PlouM, das die Brüder Bouroullec für<br />
die französische Marke ligne roset entworfen haben. das kantenlose, organisch<br />
geformte sofa ist mit Textil aus einem stück überzogen. dessen<br />
lochmuster und die dicke von acht Millimetern sorgen für die ausgesprochen<br />
weiche optik. den entwurf hatten die designer schon Jahre in der<br />
schublade liegen, das Beziehen war jedoch mit einem herkömmlichen<br />
Webstoff nicht möglich. erst als sie das außergewöhnliche Material bei<br />
innofa entdeckten, ging es plötzlich ganz schnell mit der Produktion.<br />
der Firmenhauptsitz von innofa befindet sich in einem industriegebiet<br />
im nordwesten von Tilburg. hier rattern täglich an die 100 strickmaschinen<br />
gleichzeitig – 24 stunden an sieben Tagen in der Woche. in dem modernen,<br />
12.500 Quadratmeter großen Gebäude entstehen rund 20.000<br />
Meter stricktextilien täglich. der Großteil ist weiß und wird zu Matratzen-<br />
Überzugsstoffen verarbeitet. das unternehmen beliefert Matratzenhersteller<br />
weltweit, darunter ikea, auping, röwa oder rummel. innofa stellt aber<br />
auch Produkte für den medizintechnischen Bereich her sowie für die automobilindustrie<br />
oder den sport – zum Beispiel ein spezielles Textil für<br />
Fechtanzüge, in dem man sich gut bewegen kann und dessen struktur<br />
feinmaschig genug ist, um vor degenstichen zu schützen.<br />
„Stretchtextilien eignen sich<br />
besonders gut für Polstermöbel.“<br />
angefangen hat alles 1922. als Wollstofffabrik von George<br />
dröge unter dem namen n.V. Wollenstoffenfabriek George dröge gegründet,<br />
spezialisierte sich das unternehmen in den 1950er-Jahren<br />
auf die Produktion von strickstoffen. in den siebzigerjahren, unter der<br />
Führung von sohn rolf dröge, wurde mit Frottee- und stretchtextilien<br />
experimentiert. so entstand der erste gestrickte Matratzen-Überzugsstoff<br />
aus stretch, jenes Kernprodukt, mit dem das unternehmen – seit<br />
1980 unter dem namen innofa – bis heute erfolgreich ist. dem standort<br />
Tilburg ist die Familie dröge bis heute treu geblieben. denn noch<br />
heute ist die stadt für ihre Geschichte als bedeutende Textilstadt bekannt.<br />
daher rührt allerdings auch der fiese spitzname der <strong>Tilburger</strong>:<br />
Kruikenzeikers, was so viel heißt wie „Krugpisser“. eine anspielung,<br />
die aus der Zeit zwischen 1600 und dem Beginn der industriellen<br />
revolution um 1840 stammt.<br />
Smart in Technik, Design und Bedienung<br />
Intelligente Technik trifft stilvolles Design: Vernetzte Funktionen, intuitiv bedient. Licht, Rollläden, Temperatur,<br />
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Zuhause ermöglichen mehr Flexibilität und Komfort.<br />
18<br />
ALBRECHT JUNG GMBH & CO. KG | Volmestraße 1 | 58579 Schalksmühle<br />
| www.jung.de
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NR. 2<br />
Jos Pelders arbeitet mit seinem Team derzeit an einer umfangreichen neuen strickstoff-Kollektion.<br />
Trittsicherheit von<br />
AGROB BUCHTAL<br />
Shop-Entwurf: hansen innenarchitektur, Köln<br />
Emotion _ funktional und atmosphärisch<br />
Immer häufiger sind repräsentative und funktionale Bereiche nicht strikt getrennt, sondern gehen harmonisch<br />
ineinander über: Räume und Flächen ergänzen sich, Grenzen verschwimmen.<br />
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www.agrob-buchtal.de/emotion<br />
damals mauserte sich die stadt aufgrund der vielen schafe im umkreis<br />
zu einem der wichtigsten Textil-standorte in den niederlanden.<br />
Bevor man zur maschinellen Produktion überging, war es üblich, stoffe<br />
mit menschlichem urin zu behandeln bzw. zu färben. dafür sammelten<br />
die arbeiter ihren harn in Tonkrügen und brachten ihn dann mit zur arbeit.<br />
deshalb muss es in Tilburg seinerzeit wohl nur so von Männern<br />
gewimmelt haben, die mit Krügen durch die<br />
Gegend liefen.<br />
heute ist das zum Glück nicht mehr der<br />
Fall. an die alten Zeiten erinnert das dort ansässige<br />
niederländische Textilmuseum. der<br />
Großteil der einst erfolgreichen Fabriken ist<br />
allerdings längst ausgestorben, pleite. die<br />
große ausnahme ist innofa.<br />
Mit Produktionsstätten in Tilburg, den usa<br />
und in Mexiko ist innofa stetig gewachsen,<br />
ohne auf die herstellung in Billiglohnländern<br />
zu setzen. Qualität steht an erster stelle.<br />
sicherlich liegt der erfolg des unternehmens<br />
aber auch darin begründet, dass es sich inhaltlich<br />
immer weiterentwickelt und sich als<br />
Familienunternehmen nicht vor Fremden verschlossen<br />
hat. denn während die dröge-Brüder eine neue Produktion<br />
in den usa aufbauten, wollten sie für den niederländischen standort<br />
jemanden, der die Firma in ihrem sinne weiterführen, aber auch ruhig<br />
ein bisschen frischen Wind reinbringen sollte.<br />
Jos Pelders schien da genau der richtige zu sein. Von Textilien hatte<br />
er damals keine ahnung. nachdem er im nahe gelegenen eindhoven<br />
technisches Management studiert hatte, arbeitete er zunächst für<br />
siemens und später bei Philips, wo er die abteilung für handyreparaturen<br />
leitete. „auch von handys hatte ich vorher keinen blassen schimmer“,<br />
gibt Jos Pelders grinsend zu. eine seiner stärken sei es, sich schnell in<br />
Panna chair von Moroso<br />
stoff: sonderanfertigung<br />
fremde Gebiete einzuarbeiten. „Wenn ich morgen eis verkaufen soll,<br />
werde ich mich auch damit bestens auskennen und es erfolgreich an<br />
den Mann bringen“, sagt Pelders. eine aussage, die einen kurz ins Grübeln<br />
bringt. ist der Mann etwa ein Fähnchen im Winde? doch wenn<br />
man ihn weiter über stricktextilien philosophieren hört, wird klar: das<br />
was Jos Pelders macht, macht er einfach mit großer leidenschaft.<br />
deswegen ist es ihm auch gelungen, tatsächlich<br />
frischen Wind in das Familienunternehmen<br />
zu bringen. Vor etwa vier Jahren kam er<br />
auf die idee, bei ausgewählten Möbelherstellern<br />
anzuklopfen, um sie von der originalität<br />
der eigenen, neu entwickelten stoffe zu überzeugen.<br />
dabei fing er gleich mit einem der großen<br />
namen an, dem italienischen hersteller<br />
Moroso. „die Möbel von Moroso erschienen<br />
mir innovativ genug für unsere innovativen Textilien“,<br />
so Jos Pelders. Größenwahnsinnig, naiv<br />
oder das richtige Gespür? Vor allem letzteres.<br />
denn bei Patricia Moroso war er an der richtigen<br />
adresse, musste sie gar nicht lange überzeugen<br />
und konnte gleich mit dem ersten auftrag<br />
loslegen. Konkret ging es darum, einem<br />
aus reispapier hergestellten stuhl-Prototypen<br />
des japanischen designers Tokujin Yoshioka zur serienreife zu verhelfen.<br />
Für den runden, geschwungenen Panna chair entwickelte das Team um<br />
Jos Pelders exklusiv ein spezielles stretchmaterial mit Prägestruktur, das<br />
weich, anschmiegsam und bequem ist. auf den ersten auftrag folgten<br />
bald weitere anfragen von Moroso. Zum Beispiel für die spanische stardesignerin<br />
Patricia urquiola, das niederländische studio edward van Vliet<br />
oder den new Yorker Mark Thorpe. „Moroso war und ist für uns der Türöffner“,<br />
sagt Jos Pelders, der sich so über die Jahre ein eigenes kleines netzwerk<br />
aufgebaut hat, woraus sich ständig weitere Kontakte zu anderen<br />
herstellern und designern ergeben, zum Beispiel ligne roset, casamania,<br />
Gervasoni, Montis, Fatboy oder established & sons.<br />
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NR. 2<br />
„Unser Vorteil ist es,<br />
dass hier alles<br />
an einem Standort<br />
entworfen und produziert<br />
werden kann.“<br />
3<br />
1 Moodboard mit stoffproben<br />
2 in riesigen Waschmaschinen werden die Textilien von Öl, schmutz oder Flecken befreit.<br />
3 Qualitätskontrolle: hier wird jeder Fehler gefunden und markiert.<br />
4 Für genug Garn muss immer gesorgt sein.<br />
1<br />
2 4<br />
so hat sich innofa weiterentwickelt: von<br />
einem unternehmen, das sich als Zulieferer<br />
auf die herstellung funktionaler Produkte beschränkt,<br />
in richtung einer im design wahrnehmbaren<br />
Marke. den hauptgewinn erzielt<br />
die Firma immer noch mit dem Matratzen-Business,<br />
das gut läuft. doch weil der Möbeldesignbereich<br />
immer interessanter wird und noch so<br />
viel Potenzial birgt, gibt es bei innofa mittlerweile<br />
ein eigenes kleines Team von fünf leuten,<br />
das sich nur darum kümmert. Jos Pelders leitet<br />
das Team, zu dem neben seiner Frau, die designerin<br />
ist, noch drei weitere Frauen gehören.<br />
„ich komme mit Frauen besser klar als mit<br />
Männern“, sagt er und lacht. die seien vor allem<br />
auch im Vertrieb gefühlvoller und meistens<br />
nicht so aufdringlich wie männliche Vertreterkollegen.<br />
die atmosphäre in dem Großraumbüro mit<br />
den riesigen Fensterfronten ist familiär. aus<br />
dem radio schmettern hits der achtzigerjahre.<br />
der ausblick auf den riesigen Park mit<br />
Tieren direkt hinter der umgehungsstraße bietet<br />
raum für Kreativität. an den Wänden hängen<br />
unzählige Farbmuster. hier wird gerade<br />
an der bisher größten Kollektion gearbeitet.<br />
„spezielle anfertigungen für einzelne Kunden<br />
sind eine schöne sache, aber um richtig durchzustarten,<br />
auch kommerziell, brauchen wir<br />
eine Kollektion von Basisstoffen, mit der wir<br />
dann gleich mehrere Kunden bedienen können“,<br />
so Jos Pelders.<br />
dass er und sein Team das Zeug zum<br />
durchstarten haben, wird einem so richtig klar,<br />
sobald man die riesigen Produktionshallen betritt.<br />
hier rattert, klackert und zurrt es, dass<br />
man kaum mehr sein eigenes Wort versteht.<br />
Kein Wunder, wenn rund hundert strickmaschinen<br />
am Werk sind, die jeweils bis zu<br />
22 23
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NR. 2<br />
1 strickmaschine von oben: Ventilatoren<br />
sorgen dafür, dass kein staub in die<br />
Maschine gerät.<br />
2 die Maschinen stricken nonstop:<br />
24 stunden, jeden Tag.<br />
3 rund 6000 nadeln sind am Werk.<br />
4 die meisten Garne kommen aus europa<br />
5 Bei innofa werden am Tag rund<br />
20.000 Meter stoff gestrickt.<br />
4<br />
1<br />
5<br />
2 3<br />
7000 kleine nadeln bewegen! eine stauballergie<br />
darf man hier nicht haben, denn das<br />
verstrickte Garn produziert eine Menge<br />
staub, der von einigen der insgesamt 70 Mitarbeitern,<br />
die am standort Tilburg arbeiten,<br />
kontinuierlich aufgesaugt werden muss. denn<br />
wenn sich auch nur einmal zu viel staub ansammelt,<br />
könnte die Maschine sofort kaputtgehen,<br />
erklärt Jos Pelders und muss dabei laut<br />
werden, um gegen das rattern der Maschinen<br />
anzukommen.<br />
Ähnlich wie die berühmten stricklieseln,<br />
nur in einem viel größeren Maßstab, stricken<br />
die apparate im Kreis und fabrizieren runde,<br />
ellenlange „Würste“. die Maschine ist an ein<br />
firmeninternes digitales netzwerk gekoppelt,<br />
kann die von den designerinnen erstellten<br />
technischen Zeichnungen lesen und weiß daher<br />
genau, welches Muster sie wann in welcher<br />
stärke stricken muss. die fertigen „strickwürste“<br />
werden dann in einem nächsten<br />
schritt an einer speziell dafür vorgesehenen<br />
stelle maschinell aufgeschnitten, bevor sie auf<br />
großen leuchttischen einer genauen Qualitätskontrolle<br />
unterzogen, gewaschen und getrocknet<br />
werden.<br />
„unser Vorteil ist es, dass hier alles an einem<br />
standort entworfen und produziert werden<br />
kann“, sagt Pelders. und demnächst werden<br />
das vermutlich noch mehr Textilien für<br />
Kunden aus dem Möbeldesign sein. denn Pelders<br />
zieht eine Firma auf, die zwar an innofa<br />
gekoppelt und dennoch eigenständig ist. eine<br />
art Tochterunternehmen. den namen will er<br />
vorerst nicht verraten. aber eins ist jetzt schon<br />
sicher: dieser aufgabe will sich der sympathische<br />
niederländer voll und ganz und bis an<br />
das ende seines arbeitslebens widmen. Mit<br />
dem eisverkaufen wird es dann vorerst wohl<br />
doch nichts.<br />
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