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8. Kapitel Es war Freitag und ich hatte mich von Leni ins Wo ...

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<strong>8.</strong> <strong>Kapitel</strong><br />

<strong>Es</strong> <strong>war</strong> <strong>Freitag</strong> <strong>und</strong> <strong>ich</strong> <strong>hatte</strong> m<strong>ich</strong> <strong>von</strong> <strong>Leni</strong> <strong>ins</strong> <strong>Wo</strong>chenende<br />

verabschiedet. Während der letzten Tage<br />

<strong>hatte</strong> sie ihren heimatl<strong>ich</strong>en Dialekt vermissen lassen.<br />

Offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> der Stress. Die verbale Lockerung<br />

in ihrer Stimme fehlte mir.<br />

<strong>Es</strong> <strong>war</strong> nun schon genau eine <strong>Wo</strong>che her, dass<br />

Rietmaier n<strong>ich</strong>t mehr unter den Lebenden weilte.<br />

Wittenstein <strong>hatte</strong> eigentl<strong>ich</strong> Recht, wenn er ungeduldig<br />

wurde. Doch was sollten wir tun? Den Erkenntnissen,<br />

die vorlagen, <strong>war</strong>en wir nachgegangen.<br />

Neues gab es derzeit n<strong>ich</strong>t.<br />

Die Durchsuchung der <strong>Wo</strong>hnung Rietmaier durch<br />

die Kriminaltechnik <strong>hatte</strong> keine neuen Erkenntnisse<br />

gebracht, das Absuchen des Waldes um den F<strong>und</strong>ort<br />

der Le<strong>ich</strong>e durch die H<strong>und</strong>eführer <strong>war</strong> ergebnislos<br />

verlaufen. Weder die Kleidung, noch die Tatwaffe,<br />

<strong>von</strong> der wir eigentl<strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>ts wussten, <strong>war</strong>en<br />

aufgetaucht. Ledigl<strong>ich</strong> stand fest, dass Rietmaier auf<br />

seinem Gr<strong>und</strong>stück ermordet worden <strong>war</strong>, das <strong>hatte</strong><br />

die Analyse des vorgef<strong>und</strong>enen Blutes ergeben.<br />

Auch im Nachbarort Waldhausen <strong>war</strong>en jede Menge<br />

Befragungen durchgeführt worden. Niemand<br />

<strong>hatte</strong> etwas gesehen, niemand <strong>hatte</strong> einen Verdacht,<br />

eine Vermutung.<br />

Wenn Reiland n<strong>ich</strong>t der Täter <strong>war</strong> - die bisherigen<br />

Schlüsse ließen auf diese Tatsache deuten - <strong>war</strong>en<br />

wir so weit wie vorher.


Ich machte m<strong>ich</strong> auf <strong>ins</strong> „Hochwald-Stübchen“<br />

<strong>und</strong> musste zu meinem Bedauern feststellen, dass<br />

heute <strong>Freitag</strong> <strong>und</strong> somit Ruhetag <strong>war</strong>. Ich sah durch<br />

das Fenster in die Gaststätte <strong>und</strong> sah Siggi Vollmann<br />

<strong>und</strong> sein Lieschen in der Nähe der Theke stehen.<br />

Als sie m<strong>ich</strong> bemerkten, sahen sie s<strong>ich</strong> an <strong>und</strong><br />

verschwanden nach hinten in die Küche.<br />

Ich blieb noch ein paar Minuten am Fenster stehen.<br />

Doch als s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts mehr tat, trat <strong>ich</strong> den<br />

Heimweg an.<br />

Merkwürdig schien mir das Verhalten der beiden<br />

schon, doch <strong>ich</strong> schob alle aufkommenden Gedanken<br />

beiseite. Wer will s<strong>ich</strong> an einem redl<strong>ich</strong> verdienten<br />

Ruhetag schon stören lassen?<br />

Lisa <strong>hatte</strong> es s<strong>ich</strong> gemütl<strong>ich</strong> gemacht <strong>und</strong> <strong>war</strong>tete<br />

bei einem Glas Rotwein auf m<strong>ich</strong>. Ich <strong>hatte</strong> ihr versprochen,<br />

den Abend mit ihr zu verbringen <strong>und</strong>, oh<br />

W<strong>und</strong>er, es sollte tatsächl<strong>ich</strong> so sein. Sie winkte mir<br />

kurz zu <strong>und</strong> widmete s<strong>ich</strong> wieder dem Fernsehgerät,<br />

wo gerade Columbo in seinem verschlissenen Mantel<br />

in seiner vermeintl<strong>ich</strong> naiven Art irgendwelche<br />

Leute verhörte.<br />

Ich setzte m<strong>ich</strong> neben Lisa <strong>und</strong> gab ihr einen Kuss<br />

auf die Wange. Sie füllte mir ein bereitgestelltes<br />

Glas mit Rotwein <strong>und</strong> wir prosteten uns zu.<br />

„Na, was macht dein Fall?“, fragte Lisa <strong>und</strong> gab<br />

s<strong>ich</strong> gle<strong>ich</strong> selbst die Antwort. „Du sieht n<strong>ich</strong>t gerade<br />

sehr erfolgre<strong>ich</strong> aus. Ich wollte, <strong>ich</strong> könnte dir<br />

irgendwie helfen.“<br />

Ich nahm einen Schluck <strong>von</strong> dem Rotwein <strong>und</strong><br />

sah Lisa an. Dann sprudelte es aus mir heraus <strong>und</strong><br />

2


<strong>ich</strong> sagte ihr alles über den Fall, die Ermittlungen,<br />

den derzeitigen Stand.<br />

Sie sah m<strong>ich</strong> nachdenkl<strong>ich</strong> an.<br />

„Dieser Computerchip, der bei der Le<strong>ich</strong>e im Wald<br />

gef<strong>und</strong>en wurde, hast du schon einmal daran gedacht,<br />

dass ihn jemand abs<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> dorthin gelegt<br />

hat?“<br />

Verdammt, sie <strong>hatte</strong> Recht! Daran <strong>hatte</strong> <strong>ich</strong> bis<br />

jetzt überhaupt keinen Gedanken verschwendet. Das<br />

würde bedeuten, dass Reiland das Computerteil<br />

tatsächl<strong>ich</strong> verloren <strong>hatte</strong> <strong>und</strong> eine andere Person …<br />

„Dass <strong>ich</strong> daran n<strong>ich</strong>t gedacht habe“, sagte <strong>ich</strong><br />

<strong>und</strong> bew<strong>und</strong>erte Lisa auf einmal. Sie <strong>hatte</strong> s<strong>ich</strong> in<br />

letzter Zeit verändert. Keine Einkäufe, keine geliebten<br />

Schuhe, sie <strong>war</strong> einfach nur noch da <strong>und</strong> <strong>war</strong>tete<br />

auf m<strong>ich</strong>.<br />

„Ich werde gle<strong>ich</strong> morgen mit Siggi Vollmann<br />

reden. Bei ihm hat Reiland einen Tag vor der Tat<br />

gearbeitet. Ich muss mit Vollmann reden. Er ist nun<br />

die einzige Hoffnung, einen Schritt weiter zu kommen.<br />

Ich danke dir für deinen Tipp, Lisa. Du wärst<br />

eine gute Polizistin geworden.“<br />

„Na ja, vielle<strong>ich</strong>t schule <strong>ich</strong> ja um“, lachte sie.<br />

„Aber ob du m<strong>ich</strong> als Kollegin neben dir verkraften<br />

würdest, ist fragl<strong>ich</strong>.“<br />

Ich zog sie zu mir herüber <strong>und</strong> machte eine drohende<br />

Geste, ihr den Hosenboden zu versohlen.<br />

Doch dann überlegte <strong>ich</strong> es mir anders <strong>und</strong> küsste<br />

Lisa, ganz lange. Ich zog den Stecker aus der Telefondose.<br />

Die Nacht gehörte uns, niemand würde sie<br />

uns nehmen, auch n<strong>ich</strong>t die Dienststelle.<br />

3


Am kommenden Morgen machte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> sofort<br />

nach dem Frühstück auf zu Vollmann <strong>ins</strong> „Hochwald-Stübchen“.<br />

Lissy Vollmann öffnete.<br />

„Sie sind aber früh dran“, sagte sie. „Mein Mann<br />

schläft noch. Kommen Sie als Gast oder...?<br />

„Nein, heute ist es ausnahmsweise mal dienstl<strong>ich</strong>.<br />

Ich muss einige Dinge überprüfen. Dazu hätte <strong>ich</strong><br />

gern Ihren Mann gesprochen. Wann, glauben Sie,<br />

kann <strong>ich</strong> mit ihm reden?“<br />

„Von mir aus sofort“, ertönte aus der Küche die<br />

Stimme <strong>von</strong> Siggi Vollmann <strong>und</strong> sofort erschien<br />

seine stämmige Figur in der Tür. In seiner Stimme<br />

glaubte <strong>ich</strong> einen le<strong>ich</strong>t aggressiven Unterton vernommen<br />

zu haben, was <strong>ich</strong> auf eine Müdigkeit am<br />

frühen Morgen zurückführte.<br />

„Ich möchte n<strong>ich</strong>t lange stören“, sagte <strong>ich</strong> <strong>und</strong><br />

schaute dabei Siggi Vollmann an. Am vergangenen<br />

Donnerstag wurde doch Ihre Computeranlage repariert<br />

oder ein Netzwerk einger<strong>ich</strong>tet oder ähnl<strong>ich</strong>es.<br />

Stimmt doch, dass die Firma Reiland aus Hermeskeil<br />

bei Ihnen gearbeitet hat?“<br />

Vollmann fuhr s<strong>ich</strong> mit der Hand durch seine l<strong>ich</strong>ten,<br />

kurz geschnittenen Haare, nickte <strong>und</strong> sah kurz<br />

zu seiner Frau hinüber. „Mein PC, den <strong>ich</strong> für meine<br />

privaten <strong>und</strong> geschäftl<strong>ich</strong>en Angelegenheiten benutze,<br />

steht in meinem Büro im Obergeschoss. Das <strong>war</strong><br />

mir zu umständl<strong>ich</strong>, deshalb habe <strong>ich</strong> der Firma<br />

Reiland den Auftrag gegeben, einen zweiten Computer<br />

im <strong>Wo</strong>hnzimmer aufzustellen <strong>und</strong> mit dem im<br />

Obergeschoss zu verbinden. Ich kann nun wahlweise<br />

oben oder hier unten arbeiten. Eine große Er-<br />

4


le<strong>ich</strong>terung für m<strong>ich</strong>. Meine Frau, er nickte in<br />

Lissys R<strong>ich</strong>tung, hat es n<strong>ich</strong>t so mit dieser neuen<br />

Technik.“<br />

Ich überlegte, ob <strong>ich</strong> ihm nun eine Frage stellen<br />

sollte, oder einfach einen Bluff <strong>ins</strong> Leere starten<br />

sollte. Denn, <strong>ich</strong> <strong>hatte</strong> doch eigentl<strong>ich</strong> gar keinen<br />

Gr<strong>und</strong>, zu bluffen oder mit verdeckten Karten zu<br />

spielen.<br />

„Reiland glaubt, dass er bei seinen Arbeiten hier<br />

im Haus einen Computerstick verloren hat. Sie wissen,<br />

was ein USB-Stick ist?“<br />

„Weiß <strong>ich</strong> schon“, antwortete Vollmann. „Ist irgend<br />

so ein Datenträger, den man mit s<strong>ich</strong> rumschleppen<br />

kann. Passt heute auf jeden PC mit USB-<br />

Anschluss. Man hat dann immer irgendwelche Daten<br />

dabei. Aber <strong>ich</strong> selbst besitze ein solches Teil<br />

n<strong>ich</strong>t <strong>und</strong> <strong>ich</strong> habe auch n<strong>ich</strong>t festgestellt, dass so<br />

etwas hier bei uns liegen geblieben ist. Aber <strong>ich</strong><br />

kann gerne überall dort nachsehen, wo Reiland gearbeitet<br />

hat. Wenn <strong>ich</strong> etwas finde, <strong>ich</strong> weiß ja, wo<br />

<strong>ich</strong> Sie erre<strong>ich</strong>e.“ Dass er mir bis jetzt so bereitwillig<br />

Auskunft gegeben <strong>hatte</strong>, w<strong>und</strong>erte m<strong>ich</strong>. <strong>Wo</strong>llte<br />

er eigentl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wissen, worum es ging?<br />

„Ja, tun Sie das“, sagte <strong>ich</strong> gedankenverloren.<br />

„Entschuldigen Sie nochmals die Störung am frühen<br />

Morgen.“<br />

Dann kam sie, die Frage.<br />

„Ist dieser US-Spe<strong>ich</strong>er Teil Ihrer Ermittlungen<br />

im Mordfall Rietmaier?“<br />

5


„Genau, das ist er“, gab <strong>ich</strong> bereitwillig Auskunft<br />

<strong>und</strong> sah Vollmann an, dass er noch etwas loswerden<br />

wollte.<br />

„Was sagt man denn so in Ihrer Gaststätte?“,<br />

wollte <strong>ich</strong> wissen, denn wenn s<strong>ich</strong> etwas herumspr<strong>ich</strong>t,<br />

dann in den Kneipen der Region <strong>und</strong> <strong>ins</strong>besondere<br />

in den Ortschaften um den Tatort herum.<br />

„Die übl<strong>ich</strong>en Diskussionen“, sagte Vollmann.<br />

„Aber“, er sah kurz zu seiner Frau hinüber, die s<strong>ich</strong><br />

inzwischen an der Theke zu schaffen machte <strong>und</strong><br />

Gläser in ein Regal e<strong>ins</strong>ortierte. „Wissen Sie eigentl<strong>ich</strong>,<br />

dass Reiland auch bei Rietmaier, dem Ermordeten,<br />

gearbeitet hat?“<br />

Das traf m<strong>ich</strong> nun denn doch wie ein Schlag. <strong>Leni</strong><br />

<strong>und</strong> mir gegenüber verkaufte s<strong>ich</strong> dieser Klaus<br />

Reiland als die Harmlosigkeit in Person <strong>und</strong> erwähnt<br />

in keiner Weise, dass er Rietmaier gekannt<br />

hat. In Wirkl<strong>ich</strong>keit <strong>hatte</strong> er bei ihm gearbeitet <strong>und</strong><br />

das zwei Tage vor dessen Ermordung. Warum <strong>hatte</strong><br />

Reiland darüber n<strong>ich</strong>t gesprochen <strong>und</strong> was verschwieg<br />

er uns eventuell noch?<br />

„<strong>Wo</strong>her wissen Sie das?“<br />

„Das hat mir Reiland selbst erzählt. Am Tag darauf<br />

hat er doch bei mir gearbeitet <strong>und</strong> wir haben<br />

darüber gesprochen.“<br />

Das <strong>war</strong>en natürl<strong>ich</strong> komplett neue Erkenntnisse<br />

<strong>und</strong> unter normalen Umständen hätte <strong>ich</strong> den Mann<br />

vorläufig festgenommen. Dringender Tatverdacht.<br />

Fluchtgefahr. Verdunkelungsgefahr.<br />

Ich ließ mir die Situation nochmals durch den Kopf<br />

gehen <strong>und</strong> wog die Für <strong>und</strong> Wider ab. Dann ent-<br />

6


schloss <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> <strong>und</strong> wählte die Nummer der Hermeskeiler<br />

Polizei<strong>ins</strong>pektion. Hans Wehrmann, ein<br />

älterer <strong>und</strong> erfahrener Kollege meldete s<strong>ich</strong>. Ich<br />

erklärte ihm kurz die Situation <strong>und</strong> bat ihn, Reiland<br />

festzunehmen <strong>und</strong> auf der Dienststelle in Hermeskeil<br />

in Gewahrsam zu nehmen.<br />

„Ich bin so in zwei St<strong>und</strong>en bei euch“, sagte <strong>ich</strong><br />

<strong>und</strong> legte auf. Dann verständigte <strong>ich</strong> <strong>Leni</strong>, die versprach,<br />

m<strong>ich</strong> in zwei St<strong>und</strong>en auf der Dienststelle in<br />

Hermeskeil zu treffen. Jetzt musste <strong>ich</strong> Lisa noch<br />

beibringen, dass eventuell das komplette <strong>Wo</strong>chenende<br />

mit Ermittlungen ausgeplant sein würde. Lisa<br />

tat mir r<strong>ich</strong>tig leid. Eine beschissene Situation. Besonders<br />

für Lisa.<br />

Klaus Reiland erschien mir heute noch kleiner als<br />

am Vortage. In s<strong>ich</strong> zusammen gesunken saß er auf<br />

der Wache, wo die Kollegen ihm dankenswerter<br />

Weise einen Stuhl zur Verfügung gestellt <strong>hatte</strong>n. Sie<br />

<strong>hatte</strong>n ihm den Kurzaufenthalt in der Zelle erspart.<br />

Das <strong>war</strong> Fingerspitzengefühl des Wachhabenden,<br />

für das <strong>ich</strong> ihm im Inneren dankbar <strong>war</strong>. Als <strong>ich</strong><br />

Reiland so vor mir sitzen sah, kamen mir wieder die<br />

Zweifel, die <strong>ich</strong> auch schon beim ersten Treffen<br />

gehabt <strong>hatte</strong>.<br />

Als Reiland m<strong>ich</strong> sah, sprang er auf <strong>und</strong> wollte etwas<br />

sagen. Ich winkte ab, worauf er s<strong>ich</strong> langsam<br />

wieder h<strong>ins</strong>etzte. Ich wandte m<strong>ich</strong> an den Kollegen<br />

Wehrmann, den Wachhabenden der Sch<strong>ich</strong>t.<br />

„Hat s<strong>ich</strong> meine Kollegin noch n<strong>ich</strong>t bei euch gemeldet?“<br />

7


Wehrmann brauchte n<strong>ich</strong>t zu antworten, denn die<br />

Tür öffnete s<strong>ich</strong> <strong>und</strong> <strong>Leni</strong> Schiffmann stand im<br />

Raum.<br />

„So, da bin isch“, sagte sie in ihrem Adenauer<br />

Dialekt, den <strong>ich</strong> tatsächl<strong>ich</strong> an ihr vermisst <strong>hatte</strong>.<br />

Auch Wehrmann schien auf ihre Art abzufahren,<br />

denn er konnte ein Gr<strong>ins</strong>en n<strong>ich</strong>t vermeiden.<br />

„Hallo <strong>Leni</strong>, tut mir leid, dir das <strong>Wo</strong>chenende<br />

versauen zu müssen. Aber es haben s<strong>ich</strong> Dinge ergeben….“<br />

„Das muss dir n<strong>ich</strong>t leid tun“, erwiderte <strong>Leni</strong>. „<strong>Es</strong><br />

ist doch unser Fall <strong>und</strong> da müssen wir doch geme<strong>ins</strong>am<br />

durch, oder?“<br />

<strong>Leni</strong> entwickelte s<strong>ich</strong> r<strong>ich</strong>tig zu einer treuen Seele,<br />

die man einfach gern haben musste.<br />

Ich schilderte ihr kurz, was <strong>ich</strong> ermittelt <strong>hatte</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>war</strong>um Reiland festgenommen wurde. Sie hörte<br />

ohne zu fragen zu <strong>und</strong> nickte anschließend zustimmend.<br />

„Was ist denn nun mit mir?“ fragte Reiland hinter<br />

uns. Ich sah <strong>Leni</strong> an, dann Wehrmann.<br />

„Hast du ein leeres Zimmer für uns?“<br />

Wir folgten Wehrmann in den ersten Stock. „Hier<br />

könnt ihr euch austoben, sagte er <strong>und</strong> lächelte <strong>Leni</strong><br />

an, die den Blick erwiderte, dabei aber den Kopf<br />

etwas anhob, was keiner <strong>Wo</strong>rte bedarf.<br />

Reiland ließ s<strong>ich</strong> auf einen freien Stuhl fallen.<br />

„Ich habe n<strong>ich</strong>ts verbrochen, n<strong>ich</strong>ts gestohlen,<br />

niemanden vergewaltigt <strong>und</strong> auch keinen umgebracht,<br />

das können Sie mir glauben.“<br />

8


„Das würden wir auch gerne“, sagte <strong>ich</strong>, packte<br />

einen Stuhl <strong>und</strong> setzte m<strong>ich</strong> vor Reiland. <strong>Leni</strong> lehnte<br />

mit dem Gesäß an der Schreibtischkante.<br />

„Warum haben Sie uns verschwiegen, dass Sie am<br />

Tage vor Ihrer Arbeit bei Vollmann auch bei Rietmaier,<br />

der Person, die zwei Tage später ermordet<br />

aufgef<strong>und</strong>en wurde, gearbeitet haben? Sie mussten<br />

doch damit rechnen, dass das hier passiert, wenn<br />

auffliegt, dass Sie gelogen haben. Ich er<strong>war</strong>te eine<br />

Erklärung <strong>von</strong> Ihnen, aber bitte eine plausible. An<br />

Ihnen liegt es, ob wir Sie spätestens morgen früh<br />

dem Haftr<strong>ich</strong>ter vorführen. Und, ob der Sie auf freiem<br />

Fuß lässt, das bleibt abzu<strong>war</strong>ten.“<br />

Reiland <strong>hatte</strong> mir zugehört, ohne m<strong>ich</strong> zu unterbrechen.<br />

Er sah unter s<strong>ich</strong> <strong>und</strong> schien mir auf einmal<br />

äußerst zerbrechl<strong>ich</strong>.<br />

„Wenn <strong>ich</strong> Ihnen die Wahrheit gesagt hätte, würden<br />

Sie bereits gestern Ihre Schlüsse gezogen haben.<br />

Ich wollte einfach nachdenken <strong>und</strong> m<strong>ich</strong> dann<br />

wieder bei Ihnen melden. <strong>Es</strong> ist alles so verworren<br />

<strong>und</strong> die Umstände werden m<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er n<strong>ich</strong>t entlasten.“<br />

„Erzählen Sie doch einfach, was Sie bedrückt <strong>und</strong><br />

am besten die Wahrheit, denn damit kommt man<br />

meist am besten <strong>ins</strong> Ziel“, hörte <strong>ich</strong> <strong>Leni</strong> sagen, die<br />

s<strong>ich</strong> einen Stuhl nahm <strong>und</strong> s<strong>ich</strong> zu uns setze.<br />

„Wir hören“, sagte <strong>ich</strong>.<br />

„Ja, ja, <strong>ich</strong> <strong>war</strong> bei Rietmaier. Aber n<strong>ich</strong>t so, wie<br />

Sie denken, n<strong>ich</strong>t wegen einer Arbeit. Sie werden es<br />

in den falschen Hals bekommen, da bin <strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er.“<br />

9


„Nur zu“, sagte <strong>Leni</strong>. „Wir werden es darauf ankommen<br />

lassen.“<br />

„Also. Vor etwa drei Monaten habe <strong>ich</strong> für Rietmaier<br />

gearbeitet, das stimmt. Aber es gab finanzielle<br />

Probleme. Um es genauer zu sagen, Rietmaier hat<br />

n<strong>ich</strong>t gezahlt. Mahnungen hat er ignoriert, übers<br />

Telefon konnte <strong>ich</strong> ihn nie erre<strong>ich</strong>en.“<br />

„Und da sind Sie am vergangenen Donnerstag<br />

persönl<strong>ich</strong> zu Rietmaier gefahren, um ihn zur Rede<br />

zu stellen?“ Ich stand auf <strong>und</strong> ging zum Fenster.<br />

Draußen fielen die ersten Blätter <strong>von</strong> den Bäumen<br />

<strong>und</strong> ein, zwei Kinder liefen in ihren Anoraks die<br />

Straße entlang. Das alles wirkte auf m<strong>ich</strong> wie ein<br />

Stummfilm, denn kein Ton drang <strong>von</strong> außen durch<br />

die geräuschisolierten Fenster.<br />

„Ich wollte <strong>von</strong> ihm doch nur wissen, wann <strong>ich</strong><br />

mit dem Geld rechnen könnte“, sagte Reiland <strong>und</strong><br />

fügte hinzu: „<strong>Es</strong> <strong>war</strong> schon ein ansehnl<strong>ich</strong>er Betrag,<br />

denn <strong>ich</strong> habe ihm noch Material für irgendwelche<br />

Bekannte geliefert. Ich muss mein Geld auch zusammen<br />

halten.“<br />

Ich drehte m<strong>ich</strong> um <strong>und</strong> sah Reiland direkt an.<br />

„Dann gerieten Sie wegen des Geldes in Streit mit<br />

ihm <strong>und</strong> haben ihn erschlagen.“<br />

„Nein, nein, nein!“ Reiland sprang auf. „Ich habe<br />

das Haus verlassen, ohne einen Pfennig <strong>und</strong> mit<br />

weniger Hoffnung auf mein Geld als vorher. Rietmeier<br />

hat mir einfach mitgeteilt, dass er kein Geld<br />

habe <strong>und</strong> n<strong>ich</strong>t bezahlen könne. Auf meine Drohung<br />

mit einer Betrugsanzeige hat er nur gelacht. Da bin<br />

<strong>ich</strong> einfach raus aus dem Haus <strong>und</strong> zurück in meine<br />

10


Firma gefahren. Das ist die Wahrheit, n<strong>ich</strong>t mehr<br />

<strong>und</strong> n<strong>ich</strong>t weniger!“<br />

Da <strong>war</strong> er wieder, mein Tinnitus. Er wurde <strong>von</strong><br />

Tag zu Tag schlimmer. Heute strengte er s<strong>ich</strong> besonders<br />

an, vielle<strong>ich</strong>t wegen der Aufregung. Ich<br />

stellte mir Reiland im Kampf mit einer Person wie<br />

Rietmaier vor. Nein, da hätte er keine Chance gehabt.<br />

Aus dem Hinterhalt vielle<strong>ich</strong>t. Aber Rietmaier<br />

ist <strong>von</strong> vorne erschlagen worden, das haben alle<br />

Untersuchungen ergeben.<br />

Ich gab <strong>Leni</strong> ein Ze<strong>ich</strong>en <strong>und</strong> wir begaben uns in<br />

den Nebenraum. Wehrmann würde schon auf<br />

Reiland aufpassen.<br />

„Was hältst du <strong>von</strong> der Sache“, fragte <strong>ich</strong> <strong>Leni</strong>.<br />

„Der hat niemanden umgebracht“, antwortete <strong>Leni</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>ich</strong> <strong>war</strong> froh, dass sie es auch so sah wie <strong>ich</strong>.<br />

„Also laufen lassen?“<br />

„Laufen lassen!“<br />

11


9. <strong>Kapitel</strong><br />

Ich einigte m<strong>ich</strong> mit <strong>Leni</strong>, doch noch einmal die<br />

<strong>Wo</strong>hnung <strong>von</strong> Rietmaier zu durchsuchen. Irgendein<br />

Anhaltspunkt musste doch zu finden sein. Vielle<strong>ich</strong>t<br />

<strong>hatte</strong>n die Kollegen <strong>von</strong> der Kriminaltechnik ja etwas<br />

übersehen. Zumindest hoffte <strong>ich</strong> das.<br />

<strong>Leni</strong> <strong>war</strong> mit dem Dienstwagen <strong>von</strong> Trier gekommen,<br />

<strong>ich</strong> <strong>hatte</strong> mein eigenes Auto, meinen tapferen<br />

Astra, dabei. Vor dem Haus Rietmaier parkten<br />

wir unsere Fahrzeuge. Die Straße <strong>war</strong> leer, offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong><br />

<strong>hatte</strong>n die Menschen ihr Tagewerk beendet<br />

<strong>und</strong> so beobachtete uns auch niemand, als wir durch<br />

die Einfahrt zur verschlossenen Haustür gingen.<br />

<strong>Wo</strong>rüber wir uns beide keine Gedanken gemacht<br />

<strong>hatte</strong>n, <strong>war</strong> die silberne Limousine mit Frankfurter<br />

Kennze<strong>ich</strong>en, die in einer Entfernung <strong>von</strong> r<strong>und</strong><br />

dreißig Metern vom Hause Rietmaier entfernt abgestellt<br />

<strong>war</strong>. Das sollte uns, oder besser gesagt, mir,<br />

noch übel aufstoßen.<br />

Das Siegel an der Haustür <strong>war</strong> aufgebrochen, wie<br />

man unschwer feststellen konnte, die Tür aber <strong>war</strong><br />

<strong>ins</strong> Schloss gefallen. Sollten die Kollegen doch<br />

noch einmal hier gewesen sein? <strong>Wo</strong>hl kaum. Wer<br />

also <strong>hatte</strong> ein Interesse, s<strong>ich</strong> des strafbaren Siegelbruchs<br />

auszusetzen.<br />

<strong>Leni</strong> sah m<strong>ich</strong> an <strong>und</strong> reckte den Kopf nach<br />

rechts, was soviel bedeutete wie: Ich sehe mal hinter<br />

dem Haus nach.<br />

12


<strong>Leni</strong> verschwand <strong>und</strong> <strong>ich</strong> öffnete langsam die Tür.<br />

Stille <strong>und</strong> Dunkelheit er<strong>war</strong>teten m<strong>ich</strong>. Die Rollläden<br />

<strong>war</strong>en heruntergelassen, <strong>war</strong>um, darauf konnte<br />

<strong>ich</strong> mir vorerst keinen Reim machen. Ich tastete<br />

nach dem L<strong>ich</strong>tschalter im Flur, doch <strong>ich</strong> fand ihn<br />

n<strong>ich</strong>t. Ich zuckte zusammen: Hinter mir schlug die<br />

Haustür zu <strong>und</strong> <strong>ich</strong> stand im Dunklen. Mit gestrecktem<br />

rechtem Arm tastete <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> vorwärts <strong>und</strong><br />

<strong>hatte</strong> plötzl<strong>ich</strong> die Klinke einer Zimmertür in der<br />

Hand. Dahinter müsste der L<strong>ich</strong>tschalter le<strong>ich</strong>t zu<br />

finden sein, dachte <strong>ich</strong>, drückte die Türklinke herunter<br />

<strong>und</strong> öffnete die Tür. Das Letzte was <strong>ich</strong> sah, <strong>war</strong>en<br />

die hellen L<strong>ich</strong>tstreifen zwischen den einzelnen<br />

Lamellen der Rollläden auf der anderen Zimmerseite.<br />

Dann fühlte <strong>ich</strong> einen stechenden Schmerz auf<br />

meinem Hinterkopf, hörte polternde Schritte, die<br />

immer leiser wurden. Dann wurde es Nacht um<br />

m<strong>ich</strong>.<br />

„Heiner! Heiner, wo bist du?“, hörte <strong>ich</strong> eine<br />

weibl<strong>ich</strong>e Stimme aus der Ferne. „Lisa, bist du es?“,<br />

dachte <strong>ich</strong>. „Du liegst doch neben mir in meinem<br />

Bett!“<br />

Die Stimme kam näher. „Heiner!.... Heiner?“ Die<br />

Person, zu der die Stimme gehörte, rüttelte m<strong>ich</strong> am<br />

Arm. Und sofort spürte <strong>ich</strong> den Schmerz auf meinem<br />

Hinterkopf.<br />

„Heiner, was ist passiert?“<br />

Ich schlug die Augen auf <strong>und</strong> erkannte <strong>Leni</strong>, die<br />

neben mir kniete. Die Haustür stand auf <strong>und</strong> das<br />

L<strong>ich</strong>t fiel in den Raum.<br />

13


„Da haben wir wohl irgendjemanden überrascht“,<br />

sagte <strong>ich</strong> <strong>und</strong> tastete meinen Hinterkopf ab. Dort<br />

ze<strong>ich</strong>nete s<strong>ich</strong> bereits eine kapitale Beule ab. Eine<br />

offene Verletzung <strong>hatte</strong> der Schlag, Gott sei Dank,<br />

n<strong>ich</strong>t hinterlassen.<br />

<strong>Leni</strong> half mir auf die Beine <strong>und</strong> öffnete den Rollladen.<br />

Wir befanden uns in der Küche, wie <strong>ich</strong> jetzt<br />

feststellen konnte. Ich zog mir einen Stuhl heran.<br />

Wir setzten uns <strong>und</strong> <strong>Leni</strong> sah m<strong>ich</strong> sorgenvoll an.<br />

„Alles o.k.?“<br />

„Alles o.k.!“<br />

„Alles o.k.?“ Ich tastete nach meiner Dienstwaffe<br />

<strong>und</strong> es fiel mir ein Stein vom Herzen. Sie <strong>war</strong> noch<br />

da. Auch sonst fehlte n<strong>ich</strong>ts. Also <strong>hatte</strong> <strong>ich</strong> vor dem<br />

„E<strong>ins</strong>chlafen“ doch r<strong>ich</strong>tig gehört. Weglaufende<br />

Schritte. Also <strong>war</strong> jemand bereits im Haus, als <strong>ich</strong><br />

dieses betrat.<br />

Ich lief vor das Haus, auf dem Weg, den <strong>ich</strong> gekommen<br />

<strong>war</strong>, doch niemand <strong>war</strong> zu sehen. Die<br />

Straße <strong>war</strong> immer noch leer, niemand zu sehen,<br />

auch keiner der Anwohner. Wen also fragen? <strong>Leni</strong><br />

<strong>war</strong> mir nachgekommen.<br />

„Und, was gesehen?“<br />

Ich schüttelte den Kopf. Und dann fiel es mir wie<br />

Schuppen <strong>von</strong> den Augen. Die silberne Limousine.<br />

Frankfurter Zulassungsze<strong>ich</strong>en. Scheiße! Wir wussten<br />

weder etwas über den Wagentyp, noch über die<br />

restl<strong>ich</strong>en Buchstaben des Kennze<strong>ich</strong>ens.<br />

„Hast du den Wagen, der dort vorne geparkt <strong>war</strong>,<br />

gesehen?“<br />

14


<strong>Leni</strong> <strong>hatte</strong> n<strong>ich</strong>ts gesehen. Ein guter Anhaltspunkt<br />

<strong>war</strong> uns durch die Lappen gegangen.<br />

Ich schnappte mein Handy, rief meine Dienststelle<br />

an, damit man wenigstens nach einem silbernen<br />

Wagen mit Frankfurter Kennze<strong>ich</strong>en fahnden konnte.<br />

Ich stellte mir die Ges<strong>ich</strong>ter der Kollegen vor,<br />

die mit n<strong>ich</strong>ts nach irgendetwas suchen sollten.<br />

Na, ja, wenigstens konnten wir nun ungestört die<br />

<strong>Wo</strong>hnung durchsuchen. <strong>Wo</strong>nach, das wussten wir<br />

beide n<strong>ich</strong>t.<br />

So machten wir uns an die Arbeit im Erdgeschoss.<br />

Wir machten alles links. In der Küche öffneten wir<br />

alle Schränke <strong>und</strong> Schubladen, im Bad sahen wir in<br />

jeden Winkel, auch in die unangenehmen. Dann gab<br />

es ein Arbeitszimmer mit Schreibtisch, Bücherschrank<br />

<strong>und</strong> PC. <strong>Leni</strong> steuerte zielgerecht darauf zu<br />

<strong>und</strong> startete das Gerät.<br />

„Ich überprüfe mal die Festplatte“, sagte sie <strong>und</strong><br />

kurz darauf erklang die Windows-Startmelodie.<br />

Ich sah m<strong>ich</strong> derweil in den übrigen Räumen um.<br />

N<strong>ich</strong>ts, was mir irgendwie verdächtig vorkam.<br />

Als letztes betrat <strong>ich</strong> das <strong>Wo</strong>hnzimmer. Ärml<strong>ich</strong><br />

<strong>hatte</strong> Rietmaier n<strong>ich</strong>t gelebt, wenn man das auch in<br />

Bezug auf die restl<strong>ich</strong>en Zimmer n<strong>ich</strong>t behaupten<br />

konnte. Doch sein <strong>Wo</strong>hnbere<strong>ich</strong>, der konnte s<strong>ich</strong><br />

sehen lassen. Offener Kamin, verschiedene Gemälde,<br />

die mir, der <strong>ich</strong> eher ein Kunstbanause bin, n<strong>ich</strong>t<br />

viel sagten. Schränke, Tische, Sessel <strong>und</strong> auch sonst<br />

alle Accessoires, alles Stilmöbel in E<strong>ich</strong>e rustikal.<br />

Die Längswand hinter der weißen Ledergarnitur<br />

zierten Waffen, alles Deko-Waffen, das konnte man<br />

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auf den ersten Blick erkennen. Offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>war</strong><br />

Rietmeier ein großer Fan der Fantasie-Filmreihe<br />

„Herr der Ringe“ gewesen, denn neben dem offenen<br />

Kamin aus Ibbenbürener Sandstein <strong>hatte</strong> er einen<br />

geschmiedeten, auf vier Füßen stehenden Metallreif<br />

aufgestellt, an dem s<strong>ich</strong> die Waffen der Monster aus<br />

der Fantasie-Trilogie mit den futuristischen Namen<br />

‚Glamdring’, ‚Arwen Hadhafang’ des ‚Hexenkönigs<br />

Schwert’, ‚Gutwine’ ‚Anglachel’ <strong>und</strong> ‚Narsil’,<br />

an den Schwertkreuzen aufgehängt, befanden. Eine<br />

der Aufhängungen <strong>war</strong> leer. Zufall? Mir fielen<br />

spontan die <strong>Wo</strong>rte <strong>von</strong> Dr. Julius Kämmerlein am<br />

F<strong>und</strong>ort der Le<strong>ich</strong>e ein:<br />

„Diese breiten W<strong>und</strong>en auf der Brust <strong>und</strong> am<br />

rechten Arm sind offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> durch Schlageinwirkungen<br />

mit einem mäßig scharfen Gegenstand,<br />

nennen wir diesen einmal Schwert, nur so zum Beispiel,<br />

herbeigeführt worden.“<br />

Wenn also tatsächl<strong>ich</strong> ein Schwert, wie es Kämmerlein<br />

angenommen <strong>hatte</strong>, die Tatwaffe <strong>war</strong>, <strong>hatte</strong>n<br />

wir jetzt zumindest einen Anhaltspunkt, wonach<br />

wir suchen mussten. Auch wenn es n<strong>ich</strong>t beweisbar<br />

<strong>war</strong>, mussten wir da<strong>von</strong> ausgehen, dass auch dieses<br />

Schwert aus der Serie „Herr der Ringe“ stammte.<br />

<strong>Leni</strong> kam aus dem Nachbarraum <strong>ins</strong> <strong>Wo</strong>hnzimmer.<br />

„Mein lieber Herr Gesangsverein, n<strong>ich</strong>t schlecht,<br />

Herr Specht“, sagte <strong>Leni</strong> <strong>und</strong> sah s<strong>ich</strong> anerkennend<br />

um. „Was man doch alles so mit seinen Pferdchen<br />

verdienen kann. Hebt s<strong>ich</strong> ja <strong>von</strong> der Außenfront<br />

s<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> ab. Habe leider n<strong>ich</strong>ts gef<strong>und</strong>en.“<br />

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„Aber <strong>ich</strong>“, <strong>war</strong>f <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> in die Brust. „Oder<br />

besser gesagt: Weil <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts gef<strong>und</strong>en habe, habe<br />

<strong>ich</strong> etwas gef<strong>und</strong>en.“<br />

„Hä?“ <strong>Leni</strong> zog die Augenbrauen zusammen.<br />

„War der Schlag auf deinen Kopf eben doch zu<br />

hart?“<br />

„Keineswegs, schau her!“ Ich erklärte ihr den<br />

F<strong>und</strong> der Schwertersammlung <strong>und</strong> meine Theorie<br />

zu der fehlenden Fantasie-Waffe. „Wir wissen nun<br />

wenigstens, wonach wir suchen müssen. Aber je<br />

nachdem, wo der Täter dieses Schwert versteckt hat,<br />

vielle<strong>ich</strong>t hat er es vergraben, vielle<strong>ich</strong>t <strong>ins</strong> Wasser<br />

geworfen oder weiß der Teufel, dann ist die Hoffnung<br />

auf Fingerspuren gle<strong>ich</strong> Null.“<br />

„Und was machen wir jetzt?“, fragte <strong>Leni</strong>.<br />

Ich schaute auf die Uhr. „Feierabend, <strong>Leni</strong>, den haben<br />

wir uns verdient. Vielle<strong>ich</strong>t ist das Glück ja auf<br />

unserer Seite <strong>und</strong> wir können doch noch das <strong>Wo</strong>chenende<br />

genießen.“<br />

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