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Warum wir nur denken, dass wir denken

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58 | training<br />

<strong>Warum</strong> <strong>wir</strong> <strong>nur</strong> <strong>denken</strong>,<br />

<strong>dass</strong> <strong>wir</strong> <strong>denken</strong><br />

Autopilot im kopf<br />

Wenn <strong>wir</strong> <strong>denken</strong>, <strong>dass</strong> <strong>wir</strong> <strong>denken</strong>, <strong>denken</strong> <strong>wir</strong> oft <strong>nur</strong>, <strong>dass</strong> <strong>wir</strong><br />

<strong>denken</strong>. Tatsächlich aber läuft unser Gehirn auf Autopilot. Es spult<br />

Wissen, Erfahrungen und Faustregeln ab – und manövriert uns<br />

so mit besorgniserregender Zuverlässigkeit in Denkfallen. Carl<br />

Naughton erklärt, wie diese umschifft werden können und wie sich<br />

bewusstes Denken trainieren lässt.<br />

managerSeminare | Heft 174 | September 2012


training | 59<br />

Foto: istockphoto<br />

Preview: AIKontraproduktive Knickrigkeit: <strong>Warum</strong><br />

das Gehirn häufig auf Sparflamme läuft AIPeinlicher<br />

Perseveranzeffekt: <strong>Warum</strong> <strong>wir</strong> auf Annahmen auch<br />

dann beharren, wenn sie widerlegt werden AIVersunkene<br />

Kosten: Wie <strong>wir</strong> gutes Geld schlechtem hinterherschmeißen<br />

AIWirre Wahrscheinlichkeiten: <strong>Warum</strong><br />

<strong>wir</strong> lieber über Häufigkeiten als über Prozente reden<br />

sollten AIMagical Seven: <strong>Warum</strong> <strong>wir</strong> nicht mehr als<br />

sieben Gedanken auf einmal fassen können AIDas<br />

Ende der Sieben: Wie das Prinzip der Magical Seven<br />

durch Training geknackt werden kann<br />

C Sherlock Holmes und Dr. Watson gehen<br />

Wandern. Auf einer Waldlichtung schlagen<br />

sie ihr Zelt auf. Mitten in der Nacht<br />

weckt Holmes seinen Kollegen: „Schauen<br />

Sie und sagen Sie mir, was Sie sehen.“<br />

Watson antwortet: „Ich sehe Tausende von<br />

Sternen.“ Holmes: „Und was schließen Sie<br />

daraus?“ Watson überlegt einen Augenblick:<br />

„Astronomisch gesehen bedeutet es, <strong>dass</strong> es<br />

Millionen von Milchstraßen geben muss mit<br />

Milliarden von Sternen. Astrologisch gesehen<br />

bedeutet es, <strong>dass</strong> Saturn im Sternzeichen<br />

Löwe steht. Theologisch gesehen bedeutet<br />

es, <strong>dass</strong> <strong>wir</strong> im Vergleich zum mächtigen<br />

Herrgott alle klein und unbedeutend sind.<br />

Meteorologisch gesehen bedeutet es, <strong>dass</strong><br />

<strong>wir</strong> morgen wahrscheinlich einen schönen<br />

Tag haben werden. Und welchen Schluss<br />

ziehen Sie, Holmes?“ Holmes schweigt<br />

kurz, sagt dann: „Watson, es bedeutet, <strong>dass</strong><br />

jemand unser Zelt geklaut hat.“<br />

Die kleine Geschichte mag ulkig klingen,<br />

macht eines aber sehr deutlich: die Art und<br />

Weise, wie <strong>wir</strong> <strong>denken</strong>, oder besser gesagt,<br />

oft nicht <strong>denken</strong>. Denn während <strong>wir</strong> <strong>denken</strong>,<br />

<strong>dass</strong> <strong>wir</strong> <strong>denken</strong>, schaltet unser Gehirn<br />

gerne auf Autopilot. So wie Watson spult es<br />

Wissen, Erfahrungen und Faustregeln ab,<br />

statt Situationen und Probleme <strong>wir</strong>klich<br />

zu durch<strong>denken</strong> – und manövriert uns auf<br />

diese Weise mit besorgniserregender Zuverlässigkeit<br />

in die falsche Denkrichtung und<br />

hinein in Denkfallen. Das hat manchmal<br />

keine, manchmal kleine, manchmal verheerende<br />

Folgen. Fest steht: Immer lohnt<br />

es sich, übers Denken nachzu<strong>denken</strong>. Der<br />

israelische Psychologe und Träger des Wirtschaftsnobelpreises<br />

Daniel Kahnemann hat<br />

sogar herausgefunden: Unternehmen, die<br />

Denkfallen proaktiv vermeiden, erzielen<br />

um sieben Prozent höhere Renditen als<br />

vergleichbare Firmen, die Denkfallen nicht<br />

be<strong>denken</strong>.<br />

Die Schaltzentrale des Denkens ist das<br />

Arbeitsgedächtnis, das von den Frontallappen<br />

im Stirnhirn gesteuert <strong>wir</strong>d. Die<br />

Bezeichnung wurde wahrscheinlich dem<br />

Konzept des Computer-Arbeitsspeichers<br />

entlehnt. Das Arbeitsgedächtnis ist das<br />

USP des menschlichen Gehirns. Es kann<br />

zwar im Gegensatz zu allen anderen Hirn-<br />

Lappen und -Regionen nichts <strong>wir</strong>klich<br />

gut. Dafür kann es aber besonders gut die<br />

anderen Teile zur Zusammenarbeit brin-<br />

Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.<br />

managerSeminare | Heft 174 | September 2012


60 | training<br />

gen. Das Arbeitsgedächtnis<br />

kann man sich vorstellen wie<br />

einen mentalen CEO, der die<br />

Denkprozesse steuert. Dabei<br />

befolgt er sehr konsequent ein<br />

paar einfache Prinzipien. Das<br />

grundlegendste: Energie und<br />

Ressourcen sparen.<br />

Das Gehirn spart Energie für<br />

den Notfall<br />

Das Arbeitsgedächtnis hält die<br />

Ressourcen für den Fall frei, <strong>dass</strong><br />

es um alles geht, etwa bei der<br />

Entscheidung zwischen Angriff<br />

und Flucht. Um in kritischen<br />

Situationen schnell handeln<br />

zu können, ist es stets bemüht,<br />

nichtkritische Denkherausforderungen<br />

mit möglichst minimalem<br />

Ressourcenaufwand zu<br />

bewältigen. Das ist der Grund,<br />

warum <strong>wir</strong> uns so schwer damit<br />

tun, Denkroutinen zu verlassen,<br />

Situationen neu zu bewerten,<br />

Denkkonzepte aufzugeben, oder<br />

unser Selbstkonzept aufgrund<br />

von Feedback zu verändern.<br />

Dann all das sind energieintensive<br />

Vorgänge.<br />

Wie stark diese Umdenk-<br />

Vermeidungstendenz ist, hat<br />

Service<br />

Literaturtipps<br />

der amerikanische Psychologe Will Davis<br />

in einem Experiment gezeigt. Er legte seinen<br />

Probanden jeweils einen Stapel Briefe vor.<br />

Die eine Hälfte waren reale Abschiedsbriefe<br />

von Selbstmördern, die andere Fälschungen.<br />

Die Studienteilnehmer sollten deren Echtheit<br />

beurteilen. Nach jeder Einschätzung<br />

erhielten sie sofort Feedback, ob sie richtig<br />

lagen oder nicht. Diese Rückmeldungen<br />

folgten allerdings dem Zufallsprinzip.<br />

Sprich: Unabhängig von richtiger oder<br />

falscher Beurteilung ging der Daumen einmal<br />

nach oben, einmal nach unten.<br />

Dass das Feedback zufällig war, teilte<br />

Davies seinen Probanden am vermeintlichen<br />

Versuchsende mit. Zudem stellte er ihnen<br />

ganz nebenbei noch eine Frage. Gerade<br />

auf die kam es aber an: „Was <strong>denken</strong> Sie:<br />

Wie viele Briefe würden Sie wohl richtig<br />

beurteilen, wenn Sie den Test noch einmal<br />

durchlaufen würden?“ Das Ergebnis: Jene,<br />

die aufgrund der Zufallsrückmeldungen<br />

zuerst geglaubt hatten, den Test gut absolviert<br />

zu haben, schätzten ihre Trefferquote<br />

deutlich höher ein, als jene, die ein schlechteres<br />

Ergebnis erzielt hatten.<br />

Um<strong>denken</strong> ist energieintinsiv – und damit<br />

oft zu teuer<br />

Die Psychologie spricht in diesem Kontext<br />

vom Perseveranzeffekt: Wir beharren auf<br />

Annahmen bezüglich der eigenen Person<br />

A Carl Naughton: Der Autopilot im Kopf. Entscheiden, Urteilen, Probleme lösen,<br />

ohne in die üblichen Denkfallen zu tappen. Gabal, Offenbach 2012, 24,90 Euro.<br />

Der Autor dieses Artikels liefert in seinem neuen Buch eine unterhaltsame Tour d´Horizon<br />

durch die (Irr-)Wege des Denkens. Mit vielen Tipps, wie sich Denkfallen vermeiden lassen.<br />

A Rolf Dobelli: Die Kunst des klugen Handelns. 52 Irrwege, die Sie lieber anderen<br />

überlassen. Carl Hanser Verlag, München 2012, 14,90 Euro.<br />

In 52 kurzen Kapiteln zeigt Dobelli, dessen Vorgänger-Buch „Die Kunst des klaren Denkens“<br />

zum Bestseller wurde, warum es sich lohnt, Türen zu schließen und auf Optionen<br />

zu verzichten, warum Informationsüberfluss zu unklugem Handeln führt und warum Geld<br />

stets in emotionale Kleider gehüllt ist. Kluge Einsichten, eingängig wie unterhaltsam dargeboten.<br />

A Herrmann Scherer: Denken ist dumm. Wie Sie trotzdem klug handeln. Gabal,<br />

Offenbach 2012, 24,90 Euro.<br />

Der Autor listet die wichtigsten Denkfehler, die er mit wissenschaftlicher Exaktheit wie erzählerischem<br />

Geschick darstellt, und liefert Strategien, wie diese vermieden werden können.<br />

Viele der Denkfehler kann der Leser selbst erfahren – kleine Denkübungen führen ihn mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit in die Falle.<br />

oder der Umwelt, auch nachdem die realen<br />

Grundlagen dieser Annahmen außer Kraft<br />

gesetzt wurden. Nur deshalb, weil es weit<br />

weniger Energie kostet, Informationen, die<br />

nicht ins Konzept passen, abprallen zu lassen,<br />

als das Konzept zu ändern.<br />

Manchmal macht die Ressourcenfixierung<br />

des Gehirns paradoxerweise geradezu<br />

verschwenderisch. Und zwar dann, wenn<br />

sich die Denkfalle der versunkenen Kosten<br />

auftut. Ein Beispiel: Eine Unternehmensberatung<br />

plante ihren jährlichen Kongress. Im<br />

Vorjahr hatte sie einen Moderator gebucht,<br />

der die mehreren Hundert Besucher durch<br />

das Programm der Veranstaltung führte.<br />

Seine Performance hatte den Veranstaltern<br />

gut gefallen, deswegen hatten sie ihn frühzeitig<br />

für den Folgekongress engagiert. Nun<br />

zeichnete sich aber ab, <strong>dass</strong> diesmal deutlich<br />

weniger Besucher kommen würden. Vor diesem<br />

Hintergrund wurde die Moderation in<br />

Frage gestellt. Man kam zum Schluss, <strong>dass</strong><br />

ein Moderator auf einer Veranstaltung in<br />

kleiner Runde eher fehl am Platz <strong>wir</strong>ke.<br />

Zudem könne man durch einen Verzicht<br />

auf ihn Kosten sparen.<br />

Der Beschluss, die Moderation zu canceln,<br />

stand. Solange, bis die Consulter<br />

erfuhren, <strong>dass</strong> 75 Prozent des vereinbarten<br />

Honorars als Stornogebühr fällig werden<br />

würden. Stimmen kamen auf, die sagten:<br />

„Wir können doch nicht so einen hohen<br />

Betrag zum Fenster hinauswerfen.“ Schließlich<br />

entschloss man sich doch für die Moderation.<br />

Statt die 25 Prozent des Honorars<br />

zu sparen, zahlten die Veranstalter es voll,<br />

und zwar für eine Leistung, die sie eigentlich<br />

gar nicht mehr wollten. Sie schmissen<br />

sozusagen gutes Geld schlechtem hinterher.<br />

Sie versenkten es.<br />

Sprachmuster zeigen die Falle der<br />

versunkenen Kosten an<br />

Ein deutlicher Hinweis, <strong>dass</strong> man in der<br />

Falle der versunkenen Kosten steckt oder<br />

drauf und dran ist, hineinzutappen, liefern<br />

bestimmte Sprachmuster. Hellhörig werden<br />

sollte man bei Satzanfängen wie „Jetzt haben<br />

<strong>wir</strong> schon so viel investiert, Zeit und Mühe<br />

hineingesteckt, Aufwand betrieben ...“<br />

Wenn so argumentiert <strong>wir</strong>d, geht es nahezu<br />

immer darum, Zeit um der investierten Zeit<br />

willen oder Geld um des investierten Geldes<br />

willen zu investieren. Dann sind Ziel und<br />

Mittel durcheinandergeraten.<br />

Besonders häufig <strong>denken</strong> <strong>wir</strong> verquer,<br />

wenn Zahlen im Spiel sind. Denn für diese ist<br />

unser Gehirn nicht gemacht – was übrigens<br />

auch die weit verbreitete Abneigung gegen<br />

managerSeminare | Heft 174 | September 2012


training | 61<br />

Mathematik erklärt. Zahlen sind eine kulturelle<br />

Errungenschaft und damit vergleichsweise<br />

jung. Unser Arbeitsgedächtnis aber<br />

ist ein alter Knochen, der sich seit mehr als<br />

30.000 Jahren so gut wie nicht weiterentwickelt<br />

hat. Es wurden keine System-Updates<br />

durchgeführt, und es gab auch keine Betaversion.<br />

Die höheren Weihen der Zahlen, die<br />

Wahrscheinlichkeiten, bilden so naturgemäß<br />

mit die höchsten Hürden fürs Denken.<br />

Einfacher ausgedrückt: Das Arbeitsgedächtnis<br />

kann mit ihnen wenig bis gar<br />

nichts anfangen. Wem sagt schon eine<br />

37-prozentige Regenwahrscheinlichkeit für<br />

diesen Donnerstag etwas? Wahrscheinlich<br />

kaum jemandem. Kann man sich vorstellen,<br />

<strong>dass</strong> es Heiligabend mit 15-prozentiger<br />

Wahrscheinlichkeit regnet? Eher nicht.<br />

Wahrscheinlichkeiten führen uns mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit auf mentale Abwege<br />

oder in geistige Sackgassen.<br />

Wer sich zum Beispiel an das Monty-<br />

Hall-Dilemma heranwagt, kommt mit<br />

98-prozentiger Wahrscheinlichkeit zum<br />

falschen Ergebnis. Das eigentlich einfache<br />

Wahrscheinlichkeits-Problem hat seinen<br />

Namen vom amerikanischen Moderator<br />

Monty Hall, der die Spielshow „Let´s make a<br />

deal“ moderierte. Dort gab es drei Tore. Hinter<br />

einem der Tore verbarg sich ein wertvoller<br />

Preis, hinter den anderen beiden jeweils eine<br />

Niete. Der Kandidat sollte sich für ein Tor<br />

entscheiden. Daraufhin öffnete Hall eines<br />

der beiden anderen Tore, hinter dem sich<br />

eine Niete befand. Jetzt fragte er den Kandidaten:<br />

„Möchten Sie bei Ihrem Tor bleiben<br />

oder nicht lieber zum anderen wechseln?“<br />

Was tun? Ist es vorteilhaft, zu wechseln? Ist<br />

es besser, nicht zu wechseln? Oder ist es egal?<br />

Wahrscheinlichkeiten sind böhmische<br />

Dörfer<br />

Nahezu jeder denkt, bei Befragungen im<br />

Schnitt besagte 98 Prozent, <strong>dass</strong> es keinen<br />

Unterschied macht, ob man wechselt oder<br />

nicht. Man hat die Wahl zwischen zwei<br />

Türen, insofern ist die Chance 50:50, lautet<br />

die übliche Argumentation. Tatsächlich<br />

macht es aber Sinn zu wechseln. <strong>Warum</strong>?<br />

Beim ersten Rateversuch hatte der Kandidat<br />

eine Chance von eins zu drei. Nachdem<br />

ein weiteres Tor nun aus dem Rennen ist,<br />

liegt die Chance bei zwei zu drei, <strong>dass</strong> der<br />

erste Rateversuch falsch war. Andersherum<br />

ausgedrückt: Ein Wechsel führt in zwei von<br />

drei Fällen zum Gewinn.<br />

Für wen das nach böhmischen Dörfern<br />

klingt, der befindet sich in reichlicher Gesellschaft.<br />

Die Wissenschaftsjournalistin Marilyn<br />

vos Savant vom Magazin Parade hat in<br />

einem Artikel zum Dilemma eine Erklärung<br />

geliefert, die eher eingängig ist: „Nehmen Sie<br />

an, es gäbe eine Million Tore und Sie wählen<br />

Tor Nummer 1. Dann öffnet der Moderator,<br />

der weiß, was hinter den Toren ist, und der<br />

das eine Tor mit dem Preis immer vermeidet,<br />

alle anderen Tore bis auf Tor Nummer<br />

777.777. Sie würden doch sofort zu diesem<br />

Tor wechseln, oder nicht?“<br />

Aufgrund der Probleme, die unser<br />

Arbeitsgedächtnis mit Wahrscheinlichkeiten<br />

hat, raten die Evolutionspsychologen<br />

Leda Cosmides und John Tooby dazu, statt<br />

der Wahrscheinlichkeit, mit der etwas passiert,<br />

lieber die Frequenz anzugeben. Die<br />

Frequenz ist die Häufigkeit, mit der etwas<br />

in einem bestimmten Zeitrahmen auftritt<br />

beziehungsweise aufgetreten ist. Denn das ist<br />

sinnlich erfahrbar und damit vorstellbar. Wer<br />

Ausbildung zum Trainer oder Business Coach<br />

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62 | training<br />

zum Beispiel seine Vorstands-Kollegen<br />

während einer guten Geschäftslage dazu<br />

bringen möchte, für schlechtere Zeiten zu<br />

sparen, <strong>wir</strong>d mit einer Formulierung wie<br />

„mit 33-prozentiger Wahrscheinlichkeit<br />

<strong>wir</strong>d der Absatz zu Beginn des nächsten<br />

Geschäftsjahres deutlich absacken“ wahrscheinlich<br />

wenig erreichen. Mehr Wirkung<br />

erzielen <strong>wir</strong>d er, wenn er es ungefähr so ausdrückt:<br />

„Betrachtet man die zwölf besten<br />

Geschäftsjahre unserer Firmengeschichte,<br />

dann fällt auf, <strong>dass</strong> auf vier von ihnen ein<br />

sehr schlechtes Geschäftsjahr folgte. Auf<br />

diese Möglichkeit müssen <strong>wir</strong> uns vorbereiten.“<br />

Bei sieben ist Schluss<br />

Noch häufiger als die Art und Weise, wie<br />

Informationen präsentiert werden, führt<br />

uns die Menge der Informationen in die<br />

Irre und letztlich zu Fehlurteilen. Das<br />

liegt daran, <strong>dass</strong> das Arbeitsgedächtnis<br />

<strong>nur</strong> eine begrenzte Anzahl von Informationen<br />

gleichzeitig berücksichtigen,<br />

oder besser gesagt, befeuern kann. Denn<br />

wenn eine Information online ist, feuern<br />

die Neuronen, die sie transportieren.<br />

Die Kognitionspsychologie vergleicht die<br />

Funktionsweise des Arbeitsgedächtnisses<br />

mit dem Jonglieren von Tellern. Je mehr<br />

Informationen in der Luft sind, desto stärker<br />

muss sich der Jongleur konzentrieren.<br />

Und natürlich kann er nicht unbegrenzt<br />

viele Teller in der Luft halten.<br />

Schluss ist bei sieben, wie der amerikanische<br />

Psychologe George Miller herausgefunden<br />

hat. Mehr als sieben Informationen<br />

gleichzeitig können im Arbeitsgedächtnis<br />

nicht online sein. Miller spricht daher von<br />

der „Magical Seven“. Wie sich diese Denk-<br />

Beschränkung aufs Handeln aus<strong>wir</strong>ken<br />

kann, hat eine Gruppe von Kognitionspsychologen<br />

in einem Experiment gezeigt.<br />

Sie nannten zwei Gruppen von Probanden<br />

Zahlen, die sie sich merken sollten. Gruppe<br />

A bekam zwei Ziffern. Gruppe B sieben.<br />

Zudem baten sie sie, sich für einen kleinen<br />

Snack zu entscheiden. Zur Wahl standen<br />

ein Obstsalat und ein Stück Schokoladen-<br />

Sahnetorte. Das Ergebnis: Die Versuchsteilnehmer,<br />

in deren Kopf die sieben Zahlen<br />

sch<strong>wir</strong>rte, griffen zu 63 Prozent zur Kalorienbombe.<br />

Jene, die sich <strong>nur</strong> zwei Zahlen<br />

merken mussten, entschieden sich zu 72<br />

Prozent für den Obstsalat. Die einfache<br />

Erklärung: Mit den sieben Zahlen war das<br />

Arbeitsgedächtnis ausgelastet, Informationen<br />

wie die, das Obsalat gesünder und<br />

weniger Kalorien hat, konnten deswegen<br />

nicht mehr online gehen.<br />

Die Magical-Seven-Grenze ist eine häufige<br />

Ursache, wenn <strong>wir</strong> in die Irre <strong>denken</strong>.<br />

Weil das Arbeitsgedächtnis bereits mit sieben<br />

Informationen beschäftigt ist, werden<br />

weitere – vielleicht viel wichtigere – Fakten,<br />

Hintergründe, Tatsachen, Argumente in den<br />

Denkprozess nicht einbezogen. Nicht selten<br />

kommt es so zu Entscheidungen, die nicht<br />

<strong>nur</strong> andere, sondern auch den Entscheider<br />

selbst im Nachhinein an seiner Vernunft<br />

zweifeln lassen.<br />

Löcher in die Luft starren entlastet<br />

Der Autor: Der Kognitionspsychologe und Linguist<br />

Dr. Carl Naughton forscht und lehrt an der Universität<br />

Köln im Bereich der pädagogischen Psychologie.<br />

Als Berater begleitet er Unternehmen bei der<br />

Konzeption der Wissensvermittlung. Naughton tritt<br />

als Speaker auf, moderiert aber auch Veranstaltungen,<br />

zum Beispiel die Petersberger Trainertage.<br />

Das Motto, das all seinen Tätigkeiten zugrunde<br />

liegt: Köpfe öffnen, Gedanken verankern, Informationen<br />

vermitteln. Kontakt: info@h-m-w.com<br />

Eine intuitive Methode, um das Arbeitsgedächtnis<br />

zu entlasten, beziehungsweise<br />

erst gar nicht zu überlasten, ist das Löcherin-die-Luft-Starren<br />

beim konzentrierten<br />

Nach<strong>denken</strong>. Dadurch blenden <strong>wir</strong> unnötige<br />

visuelle Informationen aus, wodurch<br />

mehr Verarbeitungskapazität im Arbeitsgedächtnis<br />

frei <strong>wir</strong>d. Der Kognitionspsychologe<br />

Arthur Glenberg von der University<br />

of Wisconsin-Madison konnte eine signifikante<br />

Korrelation zwischen dem Löcherin-die-Luft-Starren<br />

und der kognitiven<br />

Leistungsfähigkeit nachweisen.<br />

Darüber hinaus kann das Arbeitsgedächtnis<br />

auch aktiv entlastet werden. Zum<br />

Beispiel dadurch, <strong>dass</strong> man Ängste, Befürchtungen<br />

oder Gedanken, die einen umtreiben<br />

und die für den aktuellen Denkprozess nicht<br />

relevant sind, aufschreibt. Das aktiviert sie<br />

nicht, wie die Alltagsintuition einen vermuten<br />

lassen könnte. Studien aus der klinischen<br />

Psychologie zeigen vielmehr, <strong>dass</strong><br />

die Gedanken durchs Aufschreiben aus dem<br />

System geschafft werden können, sie werden<br />

sozusagen outgesourct.<br />

Bei sieben ist doch nicht Schluss<br />

Bis vor Kurzem galt die Sieben noch als<br />

die magische Grenze für die parallele<br />

Verarbeitung von Informationen. Mittlerweile<br />

ist man klüger und weiß, <strong>dass</strong> die<br />

Grenze überschritten werden kann. Und<br />

zwar, indem man das Arbeitsgedächtnis<br />

trainiert. Brainjogging, Kreuzworträtsel,<br />

Sudoku, Bilderrätsel … all diese Methoden<br />

sind nicht die Lösung. Denn sie trainieren<br />

immer <strong>nur</strong> eine spezielle Fähigkeit, nicht<br />

aber die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses.<br />

Geeignet ist dagegen eine Methode, die<br />

der Psychologe Herrmann Rüppell von der<br />

Universität Köln entwickelt hat. Er nennt<br />

sie Neurospeed. Dabei handelt es sich um<br />

einen spielerischen Weg, die neuronalen Verdrahtungen<br />

im Gehirn auf Trab zu bringen<br />

(zur Methodik siehe Kasten rechts). Mit<br />

der Methodik kann nicht <strong>nur</strong> das Arbeitsgedächtnis<br />

trainiert werden, mehr als sieben<br />

Informationen gleichzeitig präsent zu<br />

halten, sondern mit ihr lässt sich auch die<br />

Geschwindigkeit verbessern, mit der Informationen<br />

gespeichert und abgerufen werden<br />

können.<br />

In einer umfangreichen Studie hat der<br />

Psychologe Walter Perrig von der Universität<br />

Bern festgestellt: Nach sieben Stunden<br />

Training – verteilt auf 20-Minuten-Päckchen<br />

täglich – hatte sich die Denkfähigkeit<br />

der Studienteilnehmer deutlich erhöht. Im<br />

Schnitt verbesserte sie sich um 13 Prozent.<br />

Womit sich natürlich auch die Fähigkeit<br />

der Probanden, Denkfallen zu vermeiden,<br />

verbessert hatte. Die aber wohl beste<br />

Methode, um sich vor mentalen Verirrungen<br />

zu schützen, besteht darin, sich<br />

diese bewusst zu machen. Das Nach<strong>denken</strong><br />

und Nachlesen übers Nach<strong>denken</strong> ist<br />

entscheidend.<br />

Carl Naughton C<br />

managerSeminare | Heft 174 | September 2012


training | 63<br />

Speed-Training fürs Hirn<br />

Die folgende Variante von Neurospeed zeigt drei Level: Warming-up, Stretching und Bodybuilding. Sie sehen Spielkarten, auf denen unvollständige Namen von<br />

Städten, Ländern, Flüssen, Inseln, Tieren oder Vornamen stehen. Unvollständig bedeutet, <strong>dass</strong> Silben fehlen. Ihr Ziel ist es, die jeweils fehlende Silbe im Kopf zu<br />

ergänzen – und sie auch im Kopf zu behalten. Denn aus den Silben ergibt sich jeweils das Lösungswort.<br />

Sie sehen am oberen Rand der Spielkarten sechs kleine Symbole. Sie stehen für die oben genannten Kategorien. Aus diesen Kategorien stammt auch das Lösungswort.<br />

Am unteren Rand der Karte steht ein großes Icon. Es zeigt an, aus welchem Bereich das unvollständige Wort kommt.<br />

Viel Erfolg!<br />

Warming-up:<br />

Stretching:<br />

Bodybuilding:<br />

Lösungen: Warming-up: An-ton, Eri-ka, Stretching: Se-ha (=Hase), We-u (=Uwe). Bodybuilding: San-bar-si (=Sansibar), Lis-tri-po (=Tripolis)<br />

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