Aufhebung der Aufhebung einer Ausschreibung durch die ... - NASG
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VergabeR 6/2002<br />
GNITTKE/MICHELS<br />
rens über <strong>die</strong>se Fälle hinaus generell im<br />
Nachprüfungsverfahren überprüft werden<br />
kann [11]. Nunmehr könnte <strong>die</strong>se Auffassung<br />
wie<strong>der</strong> aktuell werden.<br />
Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom<br />
18.6. 2002 zur Zulässigkeit von Nachprüfungsanträgen,<br />
<strong>die</strong> sich gegen <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />
<strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> wenden, geäußert. Er ist<br />
dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß <strong>die</strong><br />
Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers,<br />
auf <strong>die</strong> Vergabe zu verzichten, im Nachprüfungsverfahren<br />
überprüft und gegebenenfalls<br />
aufgehoben werden können muß. Feststehen<br />
dürfte, daß <strong>die</strong> Rechtsprechung, nach <strong>der</strong> ein<br />
Nachprüfungsantrag nach <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Ausschreibung</strong> grundsätzlich unzulässig war,<br />
nicht mehr aufrechterhalten werden kann.<br />
Dem Urteil des EuGH kann allerdings nicht<br />
entnommen werden, daß Nachprüfungsverfahren<br />
gegen eine <strong>Aufhebung</strong> nunmehr in jedem<br />
Fall zulässig sind. Vielmehr werden auch<br />
weiterhin <strong>die</strong> allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen,<br />
insbeson<strong>der</strong>e aus § 107 GWB,<br />
Geltung beanspruchen können und von den<br />
Vergabekammern im Einzelfall geprüft werden<br />
müssen. Die Grundsätze, <strong>die</strong> sich im<br />
übrigen in <strong>der</strong> nationalen Rechtsprechung<br />
zur Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB<br />
herausgebildet haben [12], werden von dem<br />
Urteil nicht in Frage gestellt. Die ersten Entscheidungen<br />
<strong>der</strong> Vergabekammern nach Ergehen<br />
des Urteils legen dementsprechend<br />
§ 107 Abs. 2 GWB, abgesehen von <strong>der</strong> nun<br />
angenommenen Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens<br />
nach <strong>Aufhebung</strong> eines Verfahrens,<br />
wie gewohnt aus [13].<br />
572<br />
So dürfte auch für den Fall eines Nachprüfungsverfahrens,<br />
das sich gegen <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ausschreibung</strong> richtet, eine unverzügliche<br />
Rüge nach § 107 Abs. 3 GWB erfor<strong>der</strong>lich<br />
sein. Dies wird von <strong>der</strong> Vergabekammer<br />
bei <strong>der</strong> Finanzbehörde Hamburg und<br />
von <strong>der</strong> Vergabekammer Brandenburg mit<br />
dem Argument in Frage gestellt, daß erstens<br />
<strong>die</strong> Rechtsschutzmöglichkeiten des Bieters<br />
verkürzt würden, wenn <strong>die</strong> Vergabekammer<br />
nicht ohne Rüge sofort angerufen werden<br />
könnte, und zweitens … so nur <strong>die</strong> Vergabekammer<br />
Brandenburg … eine Rüge im Fall <strong>der</strong><br />
<strong>Aufhebung</strong> ohnehin von vornherein zwecklos<br />
wäre [14]. Die Vergabekammer bei <strong>der</strong> Finanzbehörde<br />
Hamburg sowie <strong>die</strong> Vergabekammer<br />
Brandenburg sind zunächst beide<br />
<strong>der</strong> Auffassung, daß <strong>die</strong> <strong>durch</strong> eine Rüge eintretende<br />
Zeitverzögerung <strong>die</strong> Möglichkeit des<br />
Bieters einschränkt, eine in Aussicht genommene<br />
<strong>Aufhebung</strong> o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>weitige Beauftragung<br />
eines Dritten <strong>durch</strong> einen Nachprüfungsantrag<br />
noch zu verhin<strong>der</strong>n. Nach<br />
Ansicht <strong>der</strong> Vergabekammer Brandenburg<br />
dokumentiert außerdem <strong>der</strong> Auftraggeber mit<br />
<strong>einer</strong> <strong>Aufhebung</strong> seinen definitiven Willen,<br />
das Verfahren unabhängig von <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong><br />
Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> unbedingt zu<br />
beenden. Damit sei eine Rüge als bloße Förmelei<br />
anzusehen und deshalb entbehrlich.<br />
Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen.<br />
Mangels <strong>einer</strong> dem § 114 Abs. 2 Satz 1<br />
GWB entsprechenden Regelung für <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />
kommt es für <strong>die</strong> Rechtsschutzmöglichkeiten<br />
des Bieters nicht auf <strong>die</strong> Frage an,<br />
ob er ein Nachprüfungsverfahren schon vor<br />
o<strong>der</strong> erst nach <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> des Vergabeverfahrens<br />
eingeleitet hat. § 107 Abs. 3 Satz 1<br />
GWB bezieht sich außerdem schon seinem<br />
Wortlaut nach auf alle Verstöße gegen Vergabevorschriften.<br />
Verstöße gegen Vorschriften,<br />
<strong>die</strong> <strong>einer</strong> <strong>Aufhebung</strong> entgegenstehen könnten,<br />
sind davon nicht ausgenommen. Zweck<br />
des Rügeerfor<strong>der</strong>nisses ist es, <strong>der</strong> Einleitung<br />
unnötiger Nachprüfungsverfahren entgegenzuwirken,<br />
indem dem Auftraggeber <strong>die</strong> Gelegenheit<br />
gegeben wird, den gerügten Fehler<br />
zu korrigieren und damit ein Nachprüfungsverfahren<br />
zu vermeiden [15]. Der Gesetzgeber<br />
wollte ersichtlich für jeden Fall eines Vergabeverstoßes,<br />
<strong>der</strong> ein Nachprüfungsverfahren<br />
nach sich ziehen kann, <strong>die</strong> unnötige Einleitung<br />
eines solchen Verfahrens verhin<strong>der</strong>n.<br />
Soweit nunmehr auch <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> eines<br />
Vergabeverfahrens im Nachprüfungsverfahren<br />
auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden<br />
[11] 1. Vergabekammer des Bundes, Beschluß v. 26.1.2000, BauR<br />
2000, 1096 f.<br />
[12] Vgl. Boesen, Kommentar zum Vergaberecht, 1. Aufl. 2000, §107<br />
Rdnr. 54.<br />
[13] Vergabekammer bei <strong>der</strong> Finanzbehörde Hamburg, Beschluß v.<br />
25. 7.2002 … VgK FB 1/02 …; Vergabekammer Brandenburg, Beschluß<br />
v. 30. 7. 2002 … VK 38/02 …; Beschluß v. 17.9.2002 … VK<br />
50/02 …; Vergabekammer Sachsen, Beschluß v. 21. 8. 2002 … 1/SVK/<br />
077…02 ….<br />
[14] Vergabekammer bei <strong>der</strong> Finanzbehörde Hamburg, Beschluß v.<br />
25. 7.2002 … VgK FB 1/02 …; Vergabekammer Brandenburg, Beschluß<br />
v. 17. 9. 2002 … VK 50/02 …, an<strong>der</strong>s noch im Beschluß v.<br />
30. 7.2002 … VK 38/02 ….<br />
[15] Boesen, Vergaberecht, Kommentar, 1.Aufl. 2000, §107<br />
Rdnr. 57; Portz, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht,<br />
Neuwied/Kriftel 2000, §107 Rdnr. 27.