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SONNENSCHEIN-‐SONATE Ein Essay über die ... - Mitransky Malerei

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<strong>SONNENSCHEIN</strong>-­<strong>‐SONATE</strong> <br />

<strong>Ein</strong> <strong>Essay</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> Kritik der <strong>Malerei</strong> von Jürgen <strong>Mitransky</strong> <br />

1. MURTER, PODRADUČ, WIRKLICHKEIT <br />

An jenem heißen Augusttag im Jahre 2007 lud uns <strong>die</strong> Nichte meiner <br />

Ehefrau, Nada Putniković <strong>Mitransky</strong>, zum Mittagessen ein. Wir setzen uns um <br />

einen gedeckten Tisch auf der Terrasse herum... Ich weiche der Sonne aus... <br />

Zum Aperitif trinke ich ein gekühltes Becks Bier und schaue zum Jürgen <br />

her<strong>über</strong> wie er, gleich einem englischen Dandy am Billardtisch, mit dem <br />

Grilleisen <strong>die</strong> Glut auf dem Grill verteilt. Ich blättere in den harten Seiten des <br />

Katalogs seiner Šibeniker Ausstellung in der Galerie des Hl. Kerševan aus dem <br />

Jahre 2001… (Meine Ehefrau und ich waren auch anwesend.) Darin ist auch ein <br />

sehr gelehrter Text des Universitätsprofessors Peter Schwake (später im Text <br />

„Schwacke“, Anm. d. Üb.) aus Düsseldorf zu finden. Er ruft in mir <strong>die</strong> <br />

Erinnerung an <strong>die</strong> gefühlvolle Stimme des Galerieleiters Herrn Pavle Roca <br />

wach: der grundlegende wesentliche Ausgangspunkt der <strong>Malerei</strong> von <br />

<strong>Mitransky</strong> sei <strong>die</strong> Sonne, das Meer, <strong>die</strong> dalmatinische Flora... Sensationen des <br />

Lichts wiedergegeben in der Farbdominanz! Die <strong>Ein</strong>maligkeit des Erlebnisses <br />

unserer Landschaft durch den Künstler! <br />

Ich bin in <strong>die</strong>se Landschaft hinein geboren und dort inzwischen alt <br />

geworden. Könnte das auch für mich ein Anlass sein um etwas <strong>über</strong> <strong>die</strong> Bilder <br />

von Jürgen <strong>Mitransky</strong> zu sagen? Nein, das könnte es nicht, <strong>die</strong> Kunstkritik ist <br />

nicht mein Gebiet. Jedoch, vielleicht... nur indirekt doch. Nada fragte mich was <br />

ich von den Kritiken halte? <strong>Ein</strong> ganzer Haufen davon liegt mir vor. Nun, <strong>die</strong>se <br />

Kritiken sind in Ordnung. Um so mehr in Ordnung als ihre Autoren unsere


anerkannten Fachkenner sind. Meine Kritik der von Jürgen bemalten <br />

Leinwände beschränkte sich bis zum heutigen Tage auf ein einziges Wort: <br />

„Gut!“ Doch, bei mehreren Gelegenheiten erkannte ich, dass Nada mit solch <br />

einer reduzierten <strong>Ein</strong>schätzung kaum zufrieden war. Ihr Blick verriet: „Dir <br />

gefällt Das also nicht?“ <br />

Es gefällt mir sogar sehr. Ich würde sehr gerne eines von Jürgens Bildern <br />

besitzen. Sehr gerne und schon umso lieber da ich den <strong>Ein</strong>druck habe (oder <br />

vielleicht gerade deswegen weil ich <strong>die</strong>sen <strong>Ein</strong>druck habe!), dass ich etwas <br />

Ähnliches bezüglich des Farb-­‐ und Lichtspiels bereits gesehen und <br />

außerordentlich lieb gewonnen habe. Dieser „<strong>Ein</strong>druck“ könnte bedeuten, <br />

dass ich Jürgen als einen Epigonen, einen Fortsetzer einer bestimmten <br />

Kunstrichtung sehe. Oder auch, von einem genaueren Blickwinkel aus <br />

betrachtet, dass ich in ihm einen Bewunderer der abstrakten <strong>Malerei</strong> sehe. <br />

Aber nein, den Das was ich an Jürgens Bilder schätze und liebe wäre mit solch <br />

einer Historizität kaum zu erklären. Die Motivation meiner Sympathie für <br />

Jürgens Bilder wurzelt in <strong>die</strong>sem Nachmittag – ich sehe Jürgen als einen <br />

ehrlichen Dichter des Lichts. <br />

Ich erkläre es Jürgens Ehefrau Nada so: sollte ich mich dazu entscheiden <br />

irgend etwas <strong>über</strong> das künstlerische Phänomen Jürgen <strong>Mitransky</strong> zu schreiben, <br />

so kann es sich dabei nur um einen Vergleich meiner Sichtweise mit der <br />

Sichtweise <strong>die</strong>ser mir vorliegenden Kritik handeln. Hätte ich, nämlich, auch <br />

etwas mehr Ahnung von der <strong>Malerei</strong>, so wäre ich doch ein nur wenig <br />

verlässlicher Kritiker, da ich einige Probleme mit meinem Sehvermögen habe. <br />

Es entzieht sich mir bei der Analyse eines Bildes jenes feine distinktive Sinnbild <br />

der Individualität des Künstlers. Fügt man dem <strong>die</strong> Tatsache hinzu, dass ich <br />

mich noch niemals auf dem Feld der Kunstkritik versucht habe, so verwährt <br />

sich mir auch <strong>die</strong> Möglichkeit <strong>über</strong> Jürgen in der nötigen Fachsprache zu reden. <br />

Und dabei ist <strong>die</strong> Fachsprache das Werkzeug des Berufs. Da ich in Jürgen einen


Dichter sehe, kann ich mich der Sprache meines Berufes be<strong>die</strong>nen, der Sprache <br />

der Poethologie. Dies kann in <strong>die</strong>sem <strong>Essay</strong> mehr schaden als nutzen. Aber ich <br />

werde nicht allein mit der Sünde der Metapher als Verbalwerkzeug verbleiben. <br />

In derselben Sünde lebend fand ich bereits auch jene echten Kunstanalytiker, <br />

und so kann meine Sünde an deren gemessen in Vergessenheit geraten... <br />

In jedem Fall liebe ich <strong>die</strong> schönen Bilder, <strong>die</strong> dabei nicht einmal berühmt <br />

sein müssen. Wenn ich mich heute zu erinnern versuche was ich und wo <br />

gesehen habe, so komme ich zu dem Entschluss das ich so richtig nur ein paar <br />

wenige und immer wieder <strong>die</strong>selben Werke gesehen habe. (<strong>Ein</strong>ige davon, <br />

leider, nur als Reproduktion!) Meinem Interesse für Proust zum Beispiel und <br />

damit auch für <strong>die</strong> Poetisierung des französischen Prosa folgend bemühte ich <br />

mich während meiner Aufenthalte im Ausland so viele Bilder wie nur möglich <br />

zu sehen von Cézanne, Whistler, Mondriaan... Anschließend kehrte ich zurück <br />

zu den Impressionisten. Manchmal sogar, wegen Rimbaud und der Poesie des <br />

Paranas – zu den Prerafaelitern. Dieses ganze Material der bildenden (sowie <br />

der musikalischen) Kunst beiderseits der Grenze der zwei Jahrhunderte <br />

brauchte ich dringend um das geistige Klima jener Epoche zu fassen. In <strong>die</strong>sen <br />

Zeitraum fällt nämlich <strong>die</strong> spatiale Poetik des Romans – eines der Inhalte <br />

meiner Dissertation. Und trotzdem bemühte ich mich nie besonders um ein <br />

tiefer gehendes Wissen <strong>über</strong> <strong>die</strong> bildende Kunst. Die fachliche <br />

(historiographische sowie handwerkliche) Terminologie wurde mir teilweise <br />

begreiflich aber nie nah. <br />

Während ich so vor dem Mittagessen <strong>über</strong> <strong>die</strong> Analogie zwischen den <br />

Bildern von Jürgen und der Poesie nachdachte, schaute ich immer wieder auf <br />

das Meer von Murter, dass wir Murterer „pučina“ („<strong>die</strong> Hochsee“ -­‐ kann aber <br />

auch „Pöbel“ bedeuten, Anm. d. Üb.) nennen. Nun, ich kann im Unterschied zu <br />

Jürgen kaum behaupten, dass ich <strong>die</strong>ses Gewässer liebe. Wenn ich dar<strong>über</strong> <br />

fahre tue ich es mit der Zeit bemessen und schaue immer wieder auf <strong>die</strong> Uhr.


Für eine Überfahrt von Kornati bis zum Murter brauche ich nahezu anderthalb <br />

Stunden. Das Land fliegt mir nicht zu, wie es beim Cézanne der Fall ist, sondern <br />

es läuft mir davon. Und bei einem stärkeren Wind und bewölkten Himmel <br />

fliegt der Leuchtturm von Prišnjak buchstäblich davon… Es wirkt, zugegeben, <br />

alles anders wenn sich <strong>die</strong> Wolken verziehen: <strong>die</strong> Sonne <strong>die</strong> das Meer neu <br />

färbt bewirkt, dass <strong>die</strong> Hoffnung und der Glaube <strong>die</strong> Angst und Ohnmacht <br />

<strong>über</strong>winden... <br />

.... <br />

Jürgen schenkte mir <strong>die</strong> Sonnenschein-­‐Sonate. Das Bild hängt <strong>über</strong> <br />

meinem Arbeitstisch. Ist es von „allem programmatischen Eifer frei“? (Šimat) <br />

Selbst der Wunsch nach Befreiung von allem programmatischen Eifer ist <br />

Programm. Wahrlich: sowohl <strong>die</strong> musikalische Programmatik der Jahreszeiten <br />

von Vivaldi als auch der Bilder einer Ausstellung von Mussorgsky ist eine <br />

schöne Illusion: den Zuhörern sagte <strong>die</strong>se Musik Alles. Doch keiner hat <br />

irgendetwas von dem Winter oder von den Bildern „gesehen“. Also hat <strong>die</strong> <br />

Musik, um Kant zu missbrauchen, ihrem „praktischen Verstand“ nichts gesagt. <br />

Dagegen was sie mir ober-­‐ oder unterhalb der Noten geschrieben haben <br />

werden <strong>die</strong> Noten nicht protestieren, sagt V. Jankélévitch. <br />

Auch ich kann unter dem Bild von Jürgen eine paysagistische Didaskalie <br />

hinzufügen – dem Bild bleibt das gleich. Das werde ich nicht tun, nicht deshalb <br />

weil sich dadurch Jürgen oder das Bild beleidigt fühlen könnten, sondern <br />

deswegen weil mir das Wort „Sonate“ besagt, dass sich Jürgen mit <strong>die</strong>ser <br />

synestesischen Bezeichnung auf jene infinitesimale Entfernung dem Absoluten <br />

angenähert hat. Denn er hat sein Bild in der unhörbaren kosmischen <br />

musikalischen Ausführung (Aufführung) gehört ebenso wie Gershwin seine <br />

Rhapso<strong>die</strong> in blau sah, Gautier mit dem Auge sein Poem Sinfonie im weißen


Dur (Symphonie en blanc majeur ) hörte, Rimbaud seine Vokale sah und seinen <br />

singenden Fischen lauschte, Whistler seine Symphonie, Phantasie, Harmonie <br />

hörte... Ist hier <strong>die</strong> Rede von einer Laune des Künstlers, einer ironischen <br />

(programmatischen) Zurverfügungstellung (Zurschaustellung) seines Werkes <br />

dem Auge oder dem Ohr seines Nächsten, oder von dem Bestreben des <br />

Künstlers eine göttliche <strong>Ein</strong>heit auszusprechen – une vaste et profonde unité – <br />

wie der Dichter sagt? <br />

Es mag mit dem Absoluten sein wie es will, doch in der zarten und <br />

klangvollen Eigenschaft der Landschaft schwebt <strong>über</strong> mir Jürgens <br />

Sonnenschein-­‐Sonate. <br />

Tomislav Skračić

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