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Cottbuser Bühnen - <br />

Gesehen: SEIN ODER NICHTSEIN<br />

Premiere am 2. November 2013, Staatstheater Großes Haus<br />

Eines vorab: Wenn Oliver Breite zum En<strong>de</strong> dieser Spielzeit<br />

wie<strong>de</strong>r hinaus zieht in die weite Theaterwelt, bleibt<br />

in Cottbus ein rechtes Stück Leere. Bei wirklich (fast<br />

durchgängig) sehr guter und intensiver Gestaltung aller<br />

Rollen - beson<strong>de</strong>rs gelungen bei Kristin Mutwill, Rolf-<br />

Jürgen Gebert und Kai Börner - wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Abend doch<br />

getragen von Oliver Breite und scheint ohne seine Verkörperung<br />

<strong>de</strong>s Josef Tura un<strong>de</strong>nkbar.<br />

Mit <strong>de</strong>m Handlungsrahmen <strong>de</strong>s Stückes selbst wird sich<br />

<strong>de</strong>r Eine o<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>re möglicherweise ähnlich schwer<br />

tun, wie ich - und wie es beim Erscheinen <strong>de</strong>s zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n<br />

Films von Ernst Lubitsch 1942 auch <strong>de</strong>n<br />

Amerikanern ging. Waren sie doch soeben in <strong>de</strong>n Krieg<br />

eingetreten, mit <strong>de</strong>m die Nazis Europa überzogen. Zwei<br />

Jahre zuvor, bei „Der große Diktator“, war das noch an<strong>de</strong>rs.<br />

Unerreicht die Parodie von Charles Chaplin, über<br />

die man vielleicht sogar zu viel gelacht hat und nicht erkennen<br />

wollte, wie schnell es bitterernst wer<strong>de</strong>n könnte.<br />

Bei <strong>de</strong>n Schauspielern <strong>de</strong>s Warschauer Polski-Theater<br />

wur<strong>de</strong> es ganz schnell ernst. Gera<strong>de</strong> noch wollten sie<br />

eine <strong>de</strong>m „Diktator“ ähnliche Satire inszenieren, auch<br />

Chaplins Erdkugel fand Eingang, da wur<strong>de</strong> ihnen diese<br />

Konfrontation zunächst von <strong>de</strong>r polnischen Zensur<br />

verboten. Gleich darauf brach <strong>de</strong>r Krieg ein in ihre geschützte<br />

Welt. Und Hamlets Frage „Sein o<strong>de</strong>r Nichtsein“<br />

stellte sich mit einer Unmittelbarkeit, die niemand für<br />

möglich gehalten hätte.<br />

Und wer meinte, ihre eigene Theaterkulisse, mit großem<br />

Hitler-Porträt, umrahmt von großen Hakenkreuz-Fahnen<br />

sei bereits eine Überhöhung, die kaum <strong>de</strong>r Realität<br />

entsprechen könne, sah sich <strong>de</strong>sillusioniert <strong>de</strong>m echte<br />

Gestapo-Hauptquartier gegenüber, mit bühnenhohem<br />

Führerbild und riesigen Bannern. Darin Gruppenführer<br />

Erhardt im Tennisdress, Aufschläge übend vom Schreibtisch<br />

aus, ein offenbar ganz sportlich-umgänglicher<br />

Mann, zuvorkommend-höflich-korrekt. Genau bis zu<br />

<strong>de</strong>m Zeitpunkt, zu <strong>de</strong>m er noch nicht Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

son<strong>de</strong>rn nur eine leise Eigenständigkeit einer an<strong>de</strong>ren<br />

Person spürt. Rolf-Jürgen Gebert gelingen die gefährlich<br />

nah beieinan<strong>de</strong>rliegen<strong>de</strong>n und ineinan<strong>de</strong>rgreifen<strong>de</strong>n<br />

Charakterzüge dieses grundbösen Mannes beängstigend.<br />

Er ist es, <strong>de</strong>r nun in Warschau <strong>de</strong>n Ton angibt. Und er<br />

ist es, mit <strong>de</strong>m sich die Schauspieler anlegen, als sie versuchen,<br />

einen Spion abzufangen, <strong>de</strong>r die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

polnischen Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s an Erhardt verraten will. Kulissen<br />

und Kostüme haben sie, passen<strong>de</strong> Rollen ohnehin<br />

studiert, so funktionieren sie ihr Theater zum Gestapo-<br />

Sitz um und aus Spiel wird Ernst - auf dieser Ebene.<br />

Denn es gibt weitere, und die zu unterschei<strong>de</strong>n fällt ihnen<br />

nicht immer leicht. Zu gern sind sie in ihrer Theaterwelt<br />

und blen<strong>de</strong>n das Draußen aus. Zu gern lässt sich<br />

Schauspielerin Marie Tura (Kristin Muthwill) als Diva<br />

huldigen, zu gern möchte ein an<strong>de</strong>rer an das Gute <strong>de</strong>r<br />

Deutschen glauben.<br />

Und all das ist jedoch als Komödie hier auf unserer Bühne.<br />

Schauspieler spielen Schauspieler, die mal Schauspieler<br />

sind, mal Menschen auf ihrer Theaterinsel, immer<br />

wie<strong>de</strong>r aber Menschen, die <strong>de</strong>r Realität nicht entkommen<br />

können. Spiel wird Ernst wird Spiel ums Leben. Der<br />

wun<strong>de</strong>rbare Running-Gag mit Hamlet wechselt sich ab<br />

mit <strong>de</strong>m Gruppenführer, <strong>de</strong>ssen Aufschlagspiel sich als<br />

Zielschießen auf die Köpfe von Gefangenen herausstellt.<br />

Ju<strong>de</strong> Grünberg (Thomas Harms) war gera<strong>de</strong> noch Hitler-<br />

Darsteller mit gewisser Hingebung und ist kurz darauf<br />

<strong>de</strong>portiert. Und Kristin Muthwill lässt ihre Tura für die<br />

Deutschen eine Lili Marleen singen, dass es einen heiß<br />

und kalt überläuft.<br />

Man lacht und das Lachen bleibt einem im Hals stecken.<br />

Man hofft mit <strong>de</strong>n Figuren, dass es gut geht. Weiß jedoch,<br />

angesichts <strong>de</strong>r historischen Tatsachen, dass das schwierig<br />

wer<strong>de</strong>n könnte.<br />

Im Programmheft ist sind Kritikerworte zu lesen, Lubitsch<br />

sei „das Schwierigste gelungen, was wohl von<br />

Filmregisseuren zu verlangen ist: ein bitterernstes Thema<br />

heiter zu servieren, ohne sich dabei geschmacklich<br />

zu verirren, ohne dabei <strong>de</strong>n tragischen Unterton zu verleugnen.<br />

Taktvoll bis in die Fingerspitzen...“ - Nun, über<br />

Zweifel im Verlauf <strong>de</strong>r Cottbuser Aufführung hinweg ist<br />

es am En<strong>de</strong> angemessen, diese Aussage auf Mario Holetzecks<br />

Inszenierung und sein Team zu übertragen.<br />

Es spielen Oliver Breite, Kristin Muthwill, Rolf-Jürgen<br />

Gebert, Kai Börner, Thomas Harms, Sigrun Fischer, Michael<br />

Becker, Gunnar Golkowski, Adrian Rocksch, Jochen<br />

Paletschek, Laura Maria Hänsel, Michael von Bennigsen<br />

und in musikalischer Rolle Grzegorz Klemba; Bühne:<br />

Gundula Martin, Kostüme: Susanne Suhr.<br />

Jens Pittasch, Foto: Marlies Kross<br />

Gesehen: 2. Philharmonisches Konzert<br />

Staatstheater Cottbus, Großes Haus, 27. Oktober 2013<br />

PHILIPP MAINTZ (*1977), estudio horizontal, Auftragswerk<br />

<strong>de</strong>s Staatstheaters Cottbus, Uraufführung<br />

SERGEJ RACHMANINOW (1873-1943), Konzert für Klavier<br />

und Orchester Nr. 3 d-Moll op. 30, Klavier: Tzimon Barto<br />

NIKOLAI RIMSKI-KORSAKOW (1844-1908), Scheheraza<strong>de</strong> op.<br />

35<br />

Dieses Programm <strong>de</strong>s zweiten Philharmonischen<br />

Konzertes, gespielt vom Philharmonischen Orchester<br />

unter Leitung <strong>de</strong>s Generalmusikdirektors Evan Christ,<br />

führte am En<strong>de</strong> zu einem endlosen Applaus und zu<br />

großem Jubel. Dabei hatte ich nach <strong>de</strong>m ersten Konzert<br />

<strong>de</strong>r neuen Saison darüber nachgedacht, nicht mehr<br />

wie<strong>de</strong>rzukommen - schließlich steht kein Job hinter<br />

diesen Blicklicht-Betrachtungen, son<strong>de</strong>rn reines Interesse<br />

an <strong>de</strong>r Cottbuser Kultur-, speziell <strong>de</strong>r Theaterarbeit<br />

und <strong>de</strong>r Wunsch, das beschriebene Erlebnis zur<br />

Anregung für an<strong>de</strong>re wer<strong>de</strong>n zu lassen. - Ein schöner,<br />

zumin<strong>de</strong>st jedoch interessanter, anregen<strong>de</strong>r, motivieren<strong>de</strong>r<br />

Theaterabend erfor<strong>de</strong>rt im Nachgang viel Freizeit,<br />

um im unentgeltlichen Ehrenamt die Texte für´s<br />

Magazin entstehen zu lassen. Doch Zweifel waren aufgekommen,<br />

die Motivation in Frage gestellt. - Und nun<br />

dieses zweite Philharmonische Konzert, ein grandiose<br />

Abend und die erneute Gewissheit, dass es sich lohnt,<br />

etwas Geduld zu haben - mit sich und <strong>de</strong>r Kunst.<br />

Am Anfang also die Uraufführung. Eine waagerechte<br />

Studie (estudio horizontal), - da ich das Programm<br />

nicht vorher lese, son<strong>de</strong>rn jeweils die Musik für sich<br />

sprechen lassen möchte, kenne ich zunächst nur diesen<br />

Titel und sehe auf <strong>de</strong>r Bühne viel Schlagwerk, zusätzlich<br />

ausgestattet mit seltsamen Spiralen. Als alles<br />

beginnt, Töne zu entwickeln, habe ich sofort <strong>de</strong>utliche<br />

Erinnerungen an Siegfried Matthus´ „Cosima“. Sie wollen<br />

an<strong>de</strong>rs sein, diese jungen Komponisten und folgen<br />

doch Mustern, wie ein Hän<strong>de</strong>l <strong>de</strong>m nächsten o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r<br />

Bohlen.<br />

Dann ist die Aneinan<strong>de</strong>rreihung von Klangeffekten<br />

vorbei und wäre, lässt man <strong>de</strong>n zwischenzeitlichen<br />

Aufschrei <strong>de</strong>r Instrumente beiseite, als Absatz <strong>de</strong>r „Cosima“<br />

nicht im Geringsten aufgefallen.<br />

Der schwere Flügel wird auf die Bühne gerollt. Gleich<br />

wird <strong>de</strong>r ´Terminator <strong>de</strong>r Tasten´ erscheinen. Wer<br />

nicht versteht, was ich meine, kann <strong>de</strong>n Solisten Tzimon<br />

Barto mal mit <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rsuche googeln. „I´ll be<br />

back.“ - und da ist er wie<strong>de</strong>r, und das ist gut so. Denn<br />

wie<strong>de</strong>r zaubert Barto, jongliert nicht mit <strong>de</strong>m Flügel<br />

son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>n Tönen, dass man meinen könnte, das<br />

zentnerschwere Klavier bestün<strong>de</strong> aus reinem Gefühl.<br />

Das Orchester ist Staffage in Rachmaninows Werk,<br />

Begleitmusik. Sehr schöne und wirklich schön dargebrachte<br />

Begleitmusik. Und doch nur eine Betonung<br />

dieses Einzelnen.<br />

Gibt es etwas zum Stück zu sagen? Selbstverständlich,<br />

viel. Doch in diesem Moment passte es ganz einfach<br />

wun<strong>de</strong>rbar zum ganz und gar traumhaften Oktoberwochenen<strong>de</strong>,<br />

lichtdurchflutet, winddurchweht; Herbst,<br />

sommerlich warm noch, je<strong>de</strong>n Szenenapplaus verdienend,<br />

wie man es fast tun möchte, bei Tzimon Bartos<br />

Spiel - zwei Ausdrucksformen <strong>de</strong>s selben Wun<strong>de</strong>rs, die<br />

pure Natur da draußen, ihr menschliches Abbild in <strong>de</strong>n<br />

Noten, zum Leben erweckt von diesen großartigen Musikern.<br />

- Nach längerer Zeit ein Klassik-Kauftipp, lei<strong>de</strong>r<br />

nicht zu haben als Mitschnitt unserer Aufführung.<br />

Was mag eigentlich Philipp Maintz <strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>r Komponist<br />

<strong>de</strong>s ersten Stückes, <strong>de</strong>r im Saal sitzt, angesichts<br />

solcher mehrfacher, ganz unerhörter Meisterschaft?<br />

Natürlich ist es gut, wenn neue künstlerische Gebiete<br />

erobert wer<strong>de</strong>n können. Das tat auch Rachmaninow<br />

1909. Und das Ergebnis sollte bei allen Nachfolgern zu<br />

einiger Demut führen.<br />

Als Zugabe spielen Tzimon Barto und das Orchester<br />

noch einen Mozart, vorher wollte das Publikum ihn<br />

nicht verabschie<strong>de</strong>n.<br />

Nun Rimski-Korsakov. Sehr kraftvoll gleich die ersten<br />

Takte seiner Scheheraza<strong>de</strong>. Ein kleines Geigensolo<br />

sucht darin, fast schwermütig, seinen Platz. Immer<br />

wie<strong>de</strong>r sind es einzelne Stimmen, die die Motive <strong>de</strong>r<br />

Violine aus <strong>de</strong>n Tiefen <strong>de</strong>s Orchesters aufgreifen. Die<br />

sich nicht nur behaupten in <strong>de</strong>r Flut <strong>de</strong>s Klanges, son<strong>de</strong>rn<br />

ihn mitgestalten. An<strong>de</strong>re Zwischenspiele führen<br />

zu eigenen Aussagen. Sie fin<strong>de</strong>n ihren Weg ins Ensemble,<br />

wer<strong>de</strong>n aufgegriffen, variiert und vervielfältigt. Einen<br />

Solisten haben wir nach <strong>de</strong>m Rachmaninow verabschie<strong>de</strong>t,<br />

viele gewinnen wir nun hinzu. Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Orchesters, die für kleine Zeiten nicht mehr Rädchen<br />

sind im großen Ganzen son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Ton angeben. Sie<br />

stecken ihre Köpfe aus <strong>de</strong>n Körben <strong>de</strong>r Schlangenbeschwörer<br />

in dieser beson<strong>de</strong>ren Nacht <strong>de</strong>r 1001 Nächte.<br />

Gebändigt nur von Evan Christ, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Entfesselung<br />

<strong>de</strong>r Kräfte seiner Künstler jedoch in diesem Konzert<br />

erst am Anfang steht .....<br />

Soloaufgaben an diesem Abend leisteten Tzimon Barto,<br />

Elena Soltan, Frank Wiethaus , Bastian Brewing, Christoph<br />

Moser, Dagmar Klauck, Markus Götzinger, Reinhart<br />

Wronna, Jürgen Probst und Wolfgang Dunst.<br />

Und zum Abschluss, ich wie<strong>de</strong>rhole mich: viel, viel,<br />

viel Jubel - endloser Applaus - grandios. Danke!<br />

Jens Pittasch

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