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Der Justizskandal Gerszon Kupferblum von Evelyn Adunka

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aus dem akademischen Rat<br />

Sorge zu tragen".s3 Eine Anrwort Drimmels darauf ist nicht überliefert'<br />

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AuJhzwei*iit.r.ProtestbriefederAGAgegenPfeifer 1962tnd1967,als {'t l/LU {/bt'' L/nt<br />

dieser sich darum bemühte,,vom Fakultätskollegium der Juridischen Fa-<br />

,"-) - -'<br />

kultät der Universität Wien zum a. o. Professor vorgeschlagen zu werden",<br />

-L Q A<br />

und als Felix Ermacora eine Laudatio zu Pfeifers 70. Geburtstag veröffentlichte.<br />

blieben scheinbar ohne Anrwort'84<br />

<strong>Der</strong> Verfassungsjurist, Menschenrechtsexperte und ÖvP-Politiker Ermacora<br />

schrieb in seiner würdigung Pfeifers euphemistisch: ,,Immer war<br />

er bemüht, in seiner wissenschaftlichen Aussage das ihm obiektiv richtig<br />

erscheinende rückhaltlos und präzis ... darzustellen ... Alle seine Arbeiten<br />

sind <strong>von</strong> höchster fachlicher Qualität und drücken zugleich auch sein politisches<br />

und verwaltungspraktisches Erleben aus." Er scheute auch nicht<br />

davor zurück, Pfeifers Buch Die ostmark als ,,nicht zu übersehen" zu loben.85<br />

Die Gemeinde schrieb aus diesem Anlaß bitter: ,,Velche Gedanken<br />

sind es nun eigentlich, die nach Ansicht Professor Ermacoras zum verständnis<br />

der öiterreichischen Rechtsordnung <strong>von</strong> so prinzipieller Bedeutung<br />

sind? Etwa Pfeifers positiver Kommentar zu den Nürnberger Rassegesäzen?<br />

Will Professo, 8,.-".or" diese etwa als ,nur' zeitbedingt bagaiellisieren?<br />

Die ,Mischrasse', so schrieb Pfeifer darin, soll möglichst ba.ld<br />

zum ,Erlöschen, gebracht werden. Es isr wohl mehr als klar, daß Pfeifer<br />

mit dieser Apotheose zu den Rassegesetzen die Endlösungeistig vorwegnahm.<br />

Daß ein Buch dieses Inhalrs heute in Österreich, noch dazu in einer<br />

offiziellen iuristischen Zeitung gelobt und empfohlen werden kann, ist ein<br />

wahrhaft alarmierendes zeichen der zeit. Diese Vorgänge beweisen einmal<br />

mehr, daß wir in Österreich einen schleichenden Rassismus haben."86<br />

1963 serztesich Pfeifer in einem damals wohl nicht publik gewordenen<br />

Brief an Justizminister Christian Broda für die Freilassung des NS-Kriegsuerbrechers<br />

Franz Novak ein.87 1965 wurde Pfeifer doch noch der Titel eines<br />

ordentlichen universitätsprofessors ver[iehen. Da die Nachricht <strong>von</strong><br />

der Ernennung in der .wiener Zeitung ausgerechnet am 13. März erschien'<br />

hieß es im Kommenta r des Neuen Österreich, der erneut eines der nationalsozialistischen<br />

Zitate des Ausgezeichneten brachte:,,tlnsere Behörden<br />

haben Sinn für historische Pointen ... Helfried Pfeifer, Mitglied der ultrarechtsstehenden<br />

Gemeinschaft und einstiger Hitler-Barde, hat zu dem Darum<br />

vom 13. März eine besondere Beziehung ... Es gibt eine Reihe bedeutender<br />

österreichischer Gelehrter - <strong>von</strong> Sigmund Freud bis zu vielen hervorragenden<br />

Wissenschaftlern unserer Zert -, dieden Titel Ordentlicher ;1'lftiifflij|tl<br />

unjvelrsitätsprofessor <strong>von</strong> der Alma mater Rudolphina nie bekomm-e-n ha- Archiv der AGA'<br />

ben. Helfrieä pfeifer, der im heurigen Semester ausgerechnet über ,'Wesen s4 AGA,24.5.19G2,<br />

und Erscheinungsformen der Demokratie' liest, ist dieser Ehre für würdig 16.2.1962 Archiv der<br />

AGA'<br />

befunden worden."88<br />

Das Freiheitliche Bildungswerk der FPÖ stiftete nach Pfeifers To d 1970 8s Juristische Blotter,<br />

einen nach diesem benannten Preis für freiheitliche Publizistik, der u.a. Heft23124'<br />

Viktor Reimann verliehen wurde.se<br />

;ltilrfi,nr,r*,<br />

31.1.1962<br />

87 Marion Wiesinger<br />

Den JusrrzsKANDAL GnnszoN KuprsRsLuN{<br />

1991, 5.75.<br />

88 Zitiert in: Dle Gemeinde,29.3.1965.<br />

<strong>Gerszon</strong> <strong>Kupferblum</strong> war, Jahre bevor er die oben zitierte stellungnahme 8e<br />

verfaßte, in äen fünfziger Jahren in eine damals aufsehenerregende<br />

Kurt Piringer 1982,<br />

und in 5.227; Profil, Nr.46,<br />

vielem erschreckende jusiizaffäre verwickek, die auch ein bezeichnendes 198r.<br />

235


Die vierte Gemeinde<br />

Licht auf das Verhältnis <strong>von</strong> Juden und ehemaligen Nationalsozialisten im<br />

Nachkriegsösterreich wirft.<br />

Über die überaus komplexe ,,Affäre <strong>Kupferblum</strong>", auf deren juridische<br />

Einzelheiten hier nicht eingegangen werden kann und die ein gutes Thema<br />

für eine Dissertation wären, erschienen in den damali gen Zeitungen zahlreiche<br />

Berichte. Vor allem aber veröffentlichte der an der Universität Innsbruck<br />

lehrende österreichische Politologe Anton Pelinka 1970, als <strong>Kupferblum</strong><br />

starb, im Neuen Forum einen mehrfach nachgedruckten, sensiblen<br />

und engagierten Nachruf. Pelinka beschrieb am Beginn seines<br />

Artikels.die allgemeine Bedeutung dieses Falles:,,<strong>Gerszon</strong> <strong>Kupferblum</strong><br />

war ein Argernis, eine Provokation für die Republik österreich: - für eine<br />

Justiz, die ihre Haupraufgabe in der Unterdrückung aller Abweichungen,<br />

jedes Andersseins sah; - für die Nationalsozialisten, die schon lange in dieses<br />

Österreich und vor allem in seine Parteien integriert waren --<strong>Kupferblum</strong><br />

hatte sie daran erinnerr, daß die ehemaligen NS-Richter, NS-Staatsanwälte,<br />

NS-Polizisten, NS-Psychiater sich weniger an die demokratische<br />

Republik angepaßt haaen als vielmehr diese an die NS-Richter, NS-Staatsanwälte,<br />

NS-Polizisren, NS-Psychiater ..."e0<br />

Außerdem verfaßte der 1980 verstorbene österreichische Journalist<br />

Hans Zerbs, der bereits in der Presse über den Fall berichtet harte, eine<br />

2lTseitige Abhandlung über die Affäre,in der er zwar die juristischen Dokumenre<br />

des mehr als 1500 Seiten umfassenden Aktes ausführlich zitierte,<br />

aber kaum zu einer zusammenfassenden und synthetisierenden Darstellung<br />

gelangte, was u'ohl auch ein Grund dafür war, daß diese Arbeir unveröffentlicht<br />

blieb. Zerbs war der überzeugung, ,,daß man <strong>von</strong> dem Fall<br />

<strong>Kupferblum</strong> einmal so wie erwa <strong>von</strong> der Affäre Dreyfuß sprechen wird..,<br />

und er bemerkte über <strong>Kupferblum</strong>, daß er ,,mit der juristischen Gedankenwelt<br />

besser verrraut war als mit spezifischen Besonderheiten Nachkriegsösterreichs<br />

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<strong>Kupferblum</strong> wurde 1910 in Pulawy in Polen als Sohn eines begüterten<br />

und liberalen lüdischen Landwirtes geboren. Er studierte in Krakau Landwirtschaft<br />

undJus und wurde Advokat in Warschau. Die Shoah überlebte<br />

er in Palästina und als bririscher Soldat in Agypten. Aus seiner Ehe mit Maria<br />

Elvira Löwenstein hatte er einen schwer kranken Sohn, wegen dessen<br />

medizinischer Behandlung er nach s7ien kam, wo er sich in den fünfziger<br />

Jahren als Kaufmann und Gründer der Firma Technotrade niederließ.<br />

1955 wurde er in einem Exportschieberverfahren, in dem acht weitere<br />

Beteiligte schuldig gesprochen worden waren, wegen Beihilfe zum Betrug<br />

so Anton Pelinka zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.e2 Dabei ging es um einen Exportbetrug<br />

mit Umsatzsteuerrückvergütungen, aber, wie Zerbs<br />

1990, S.66.<br />

'tüTirklichkeit<br />

schrieb: ,,In<br />

el Hans Zerbs, o.J.,<br />

handelre es sich aber gar nicht um Steuerrückvergütungen,<br />

o.l, im Nachlaß bei sondern um getarnre sraarliche Exportsubventionen. Am Rande<br />

Christa<br />

spielten<br />

<strong>Kupferblum</strong>,<br />

S.3; Nachruf, in:<br />

außerdem<br />

Dle<br />

auch schs'arze Auslandsguthaben eine Rolle, deren Rückfluß<br />

Presse, 22.1.1980; Interview<br />

mit Christa leicht zu bewerksrelligen war. Die Exportbetrugsuntersuchungen waren<br />

nach Österreich wirtschaftspolitisch zwar erwünscht, formell aber nicht<br />

<strong>Kupferblum</strong>, Wien<br />

'1996,<br />

deshalb <strong>von</strong> Haus aus in der Schußlinie parteipolitischer Auseinandersetzungen<br />

innerhalb der österreichischen<br />

Heft 16, 5.29.<br />

<strong>Der</strong> bekannte Regisseur<br />

Marcus Kupfer-<br />

<strong>Der</strong>lei ist der Korrektheit <strong>von</strong> Strafverfahren naturgemäß nicht zuträg-<br />

Regierungskoalition gestanden.<br />

blum, vgl. Prof{ Nr.39, lich."e3<br />

1993, ist der Sohn <strong>Kupferblum</strong> focht das Urteil an und legte eine Reihe <strong>von</strong> Beschwerden<br />

<strong>Gerszon</strong> <strong>Kupferblum</strong>s. und Eingaben vor, in denen er Rechtswidrigkeiten während des Verfahrens<br />

e2 Zerbs, S.18,88-89. darlegte. Iü(/eiters ersrattet er gegen die verantwortlichen Beamten Anzeigen.ea<br />

Diese Rechtswidrigkeiten bestanden darin, daß seine Verhaftung<br />

e3 Zerbs, S.4.<br />

s4 Ebd., s.37. rechtswidrig erfolgte, die Untersuchungshaft rechtswidrig verhängt wur-<br />

236<br />

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Die 0rthodoxie unter Benjamin Schreiber und der Fall Helfried Pfeifer<br />

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de, der Prozeß mit unerlaubten Mitteln, ,,Drohungen, Versprechungen,<br />

Anschreien" durchgeführt wurde, und - in den lTorten Pelinkas: ,,Überdies:<br />

Richter und Staatsanwalt seien befangen gewesen - als ehemalige NS-<br />

Juristen seien sie gegenüber einem iüdischen Angeklagtenicht ohne Vorurteil<br />

gewesen. <strong>Kupferblum</strong> dachte zu vernünftig. Vernünftig wäre es gewesen,<br />

diese Beschuldigungen zu überprüfen. Doch gerade das sollte und<br />

durfte nicht Beschehen."es<br />

Statt dessen wurde <strong>Kupferblum</strong> wegen ,,,Wiederholungsgefahr des Verbrechens<br />

der Verleumdung', begangen durch Rechtsmittel", vierzehn Monate<br />

lang in Untersuchungshaft gehalten, während der, wie Zerbs schrieb,<br />

anfangs,,lediglich Verfolgungsbeschlüsse gehortet" wurden,,,die darauf<br />

abzielen, dem Häftling klarzumachen, es sei für ihn das Beste, endlich zu<br />

schweigen", woran dieser jedoch nicht dachte.e6<br />

In der Urteilsbegründung des oben erwähnten E-xportbetrugsverfahrens<br />

schrieb der Vorsitzende des Gerichts, Oberlandesgerichtsrat Dr. Johann<br />

Neutzler, ein früheres Mitglied der NSDAR über die Angeklagten, daß diese<br />

,,aus volksdemokratischen Staate nach Österreich gekommen" seien:<br />

,,Mit Ausnahme des <strong>Gerszon</strong> <strong>Kupferblum</strong> erwarben sie die österreichische<br />

Staatsbürgerschaft. Statt nun dem Staat, der ihnen eine zweite Heimat gegeben<br />

und ausreichende Existenzmöglichkeiten geboten hat, in besonderer<br />

Dankbarkeit verpflichtet zu sein, haben sie ihn aufs Schwerste betrogen.<br />

Darüber hinaus haben sie durch ihre Straftaten das Ansehen des Handelsstandes<br />

gefährdet."e7<br />

In einem Verhör mit Untersuchungsrichter Dr. Schlosser nahm <strong>Kupferblum</strong><br />

auf Neutzlers NSDAP-Mitgliedschaft bezug: Er erklärte, er überlasse<br />

,,es der Einschätzung des Obersten Gerichtshofes ... ob der Vorsitzende<br />

nicht die Pflicht gehabt hätte darauf hinzuweisen, daß er Mitglied der<br />

NSDAP während der Dauer ihres Bestandes war ... Ich habe mir diesen<br />

Hinweis auf die vormalige Parteimitgliedschaft <strong>von</strong> Dr' Neutzler deshalb<br />

erlaubt, weil ich seiner mündlichen Urteilsverkündung eine antijüdische<br />

Einstellung entnommen habe. Dr. Neutzler sprach nicht direkt <strong>von</strong>Juden,<br />

sondern <strong>von</strong> aus dem Osten zugereisten Leuten.' Auf die Frage Schlossers,<br />

ob er ,,sonstige Anhaltspunkte für eine ausgesprochen antisemitische Einstellung"<br />

Neutzlers habe, antwortete <strong>Kupferblum</strong>: ,,Ich habe Gründe<br />

dafür. aber ich kann sie nicht beweisen."es<br />

Ergänzend und abschließend sagte <strong>Kupferblum</strong> aus: ,,Ich behaupte nur,<br />

daß man <strong>von</strong> allem Anfang in dem Strafuerfahren gegen mich Fehler begangen<br />

hat, wobei sich, weil ich diese Fehler immer rügte, jede nachfolgende<br />

Stelle in angeblicher rüTahrung des Ansehens der Justiz bemüht hat,<br />

die vorausgegangenen Fehler zu decken, und dabei neue Fehler setzte."ee<br />

Im Jänner 1.957 schrieb Untersuchungsrichter Dr. Schlosser noch:<br />

,,<strong>Gerszon</strong> <strong>Kupferblum</strong> hat im Zuge der langdauernden Vernehmung ungeachtet<br />

eines sehr ausgeprägten Hanges zur Rabulistik und seiner unzweifelhaft<br />

vorhandenen Überzeugung, klüger zu sein als alle anderen,<br />

durchaus den Eindruck erweckt, sich im Vollbesitz seiner Vernunft zu befinden,<br />

weshalb sich auch eine amtswegige Psychiatrierung erübrigt."10o<br />

Dennoch beantragte die Staatsanwaltschaft im April 7957 ein psychiatrisches<br />

Gutachten über <strong>Kupferblum</strong>. <strong>Der</strong> Gutachter war Friedrich 1990, s.67<br />

s5 Anton Pelinka<br />

s6<br />

Stumpfl, der ab 1933 illegal für die NSDAP tätig war, 1941 Parteimitglied Zerbs, 5.36; Anton<br />

Pelinka 1990, S.68.<br />

wurde, <strong>von</strong> 1.939 bis 1947 das Institut für Erb- und Rassenbiologie der<br />

e7<br />

Universität Innsbruck leitete, bis 1953 eine nicht sehr gut Sehende Privatpraxis<br />

als Facharztfür Psychiatrie führte und danach als Sachverständiger Ebd., s.109.<br />

Zerbs, S.50, 108.<br />

sB<br />

der Justiz arbeitete. In einer Beurteilung der Gauleitung München über<br />

se Ebd., s.146.<br />

Stumpfl 1939 hieß es: ,,National gesinnt, Antisemit ... Nachteiliges ist 1oo Ebd., s.156.<br />

237


10r Ebd., s.156, 167;<br />

Hans Weiss 1988,<br />

S.192; Profl{ Nr.49,<br />

1981 ; vgl. auch Eduard<br />

Rabofsky 1985, S.216.<br />

102 Gutachten <strong>von</strong><br />

Friedrich Stumpfl, im<br />

Nachlaß bei Christa<br />

<strong>Kupferblum</strong>, S.3/4.<br />

103 Zerbs, S.166/67.<br />

roa Gutachten, wie<br />

Anm. 101, S.5.<br />

ro5 Ebd., s.z 10,8.<br />

Die vierte Gemeinde<br />

nicht bekannt." Noch 1981 sagte.er: ,,Für die Nazizeit habe ich nicht das<br />

geringste schlechte Gewissen.( l0r<br />

Die Diktion dieses Gutachrensprach für sich und übersah vor allem in<br />

einem geradez unglaublichen Ausmaß die historischen Begleitumstände<br />

im nationalsozialistischen Europa. über <strong>Kupferblum</strong>s Vater, der unter ungeklärten<br />

Umständen in Polen ums Leben kam, hieß es: ,,Er sei 1,942 eefallen."<br />

Über Details des elterlichen Gurs: ,,<strong>Der</strong> Frage nach der ZahlJer<br />

Rinder weicht der A. aus." (A. stand für Angeklagter, obwohl das <strong>Kupferblum</strong><br />

nicht war, da ja nie eine formelle Anklage gegen ihn erhoben wurde.)<br />

SeinJussrudium betrachtete <strong>Kupferblum</strong> ,,als eine Art Bildung.. und er begann<br />

sich ,,besonders für das römische Recht zu interessieren... Auch diese<br />

Aussagen regten die Phantasie des Gutachters an: ,,Es sei hier wieder<br />

hinzugefügt, wenn man sein querulatorisches Verhalten den Justizbehörden<br />

gegenüber in Betracht zieht, so muß man sagen, daß er vom Hauch des<br />

römischen Rechtes und <strong>von</strong> seinem Geist offenbar nur sehr wenig mit bekommen<br />

hat, und daß es ein leeres Gerede ist, oder eine Selbstbespiegelung,<br />

wenn er behauptet, er habe das der Bildung wegen getan, wo doch<br />

sein weiterer Beruf seine wahren Motive eindeutig enthüllt. Man kann zu<br />

diesen Ausführungen bemerken, der A. habe sich offenbar auf juristische<br />

Fragen beschränkt, die ihm als Landwirt besonders angingen. Er scheint<br />

also auch hier ausschließlich eigene Interessen verrreten oder im Auge gehabt<br />

zu haben." L939 emigrierte <strong>Kupferblum</strong> über Rumänien nach palästina,<br />

wo er eine Hühnerzucht betrieb und 6]üTochen zwei Kilo Enten..<br />

züchtete. An dieser -in<br />

Stelle werden die Motive und die Vorurteile in iüdischen<br />

Fragen des Gutachrers besonders evident: ,,Auch dieses Hobby wirft<br />

wieder wie hier eingefügt werden darf, ein Licht auf die Motivationen und<br />

Interessen des A. die sich offenbar vorwiegend darauf beschränken möglichst<br />

rasch und ohne besondere Anstrengung und Arbeit möglichst viel zu<br />

verdienen. Nämlich Motive rein materieller und geschäfdi6hs1 \a1uL.(r02<br />

Auch Zerbs fragte sich bei diesen Passagen:,,rVas mag in Gutachter<br />

Stumpfl wohl vorgegangen sein, als er Anstoß daran nahm, daß <strong>Kupferblum</strong><br />

angeblich die Zahl der Rinder nicht preisgeben wollte? Oder als er<br />

die schamlose Ausbeutung <strong>von</strong> Entenküken in Palästin als aufschlußreiches<br />

Hobby in den Vordergrund schob? Ist der Sachverständige etwa einem<br />

bisher unbekannten Rinder- oder Entenkomplex auf der Spur?..103<br />

Die Shoah und das Exil beschrieb der Gutachter wie folgt: ,,Schon der<br />

Ausbruch des Weltkrieges har den A. aus der Bahn geschleudert. Er kam<br />

nach Syrien, Palästina und Agypten. Immer wieder gelang es ihm vorübergehend<br />

in dem Iü(zirbel des Geschehens festen Fuß zu f4s5sn..(lOa<br />

Abschließend kam der Gutachter zum Schluß: ,,Es handelt sich um eine<br />

querulatorische Entwicklung bei einer sensiriven Persönlichkeit mjt Zeichen<br />

einer leichten bis in die Kindheit zurückreichenden Neurose. <strong>Der</strong> Angeklagte<br />

... blieb zeitlebens im gewissen Sinne ein Eigenbrötler... Dennoch<br />

könne ,,man nicht alle Verbalinjurien bei derartigen Persönlichkeiten exkulpieren",<br />

was insbesondere ,,für schwerste Angriffe gegen die Integrität<br />

richterlicher Persönlichkeiten oder Entscheidungen" gelte. Immerhin billigte<br />

aber der Gutachter <strong>Kupferblum</strong> explizit seine Zurechnungsfähigkeit<br />

und eine gewisse juristische Begabung 2u.105<br />

Im August 1957 wurde schließlich die Untersuchungshaft aufgehoben<br />

und das Verfahren eingestellt, ohne daß es zur Erhebung einer formellen<br />

Anklage oder einer öffenrlichen Verhandlung kam. Anton Pelinka resümierte:<br />

,,Und so bewältigte die österreichische Justiz den Fall <strong>Kupferblum</strong>.<br />

Ein wahrhaft ideal kooperierendes Team <strong>von</strong> (ehemaligen) Nationalsozialisten<br />

schaffte es, das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz aufrechtzu-<br />

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238


Die Orthodoxie unter Benjamin Schreiber und der Fall Helfried Pfeifer<br />

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erhalten. Die Methode: Man sperre einen Juden 14 Monate in Untersuchungshaft,<br />

ohne Anklage zu erheben, ohne es zur öffentlichän Verhandlung<br />

kommen zu lassen; dann erkläre man denJuden amtlich zum Querulanten;<br />

und dann lasse man ihn laufen, freilich mit weiterer, ebenfalls unbeschränkter<br />

Untersuchungshaft.ß 106<br />

<strong>Der</strong> Journalist Hellmut Andics nannte 1962 im Kurier die Affäre ,,den<br />

größten aller Skandale der österreichischen Nachkriegszeit" und schrieb<br />

über <strong>Kupferblum</strong>: ,,Als gewiegter Jurist war er durch zahlreiche Beschwerden<br />

und Eingaben sämtlichen Instanzen bis hinauf zum Obersten Gerichtshof<br />

lahrelang auf die Nerven gegangen. Er hane die anfechtbare Gefangenhausordnung<br />

über den Haufen geworfen und den Anstoß zur längst fälligen<br />

Debatte einer Prozeßreform gegeben. Im Augenblick hält <strong>Kupferblum</strong><br />

bei der Menschenrechtsreform in Straßburg, wo er gegen die Republik<br />

Österreich wegen ihrerJustizpraxis Prozeß fühn. Er ist einer jener Männer,<br />

die man nicht als Querulanten abtun soll, denn sie sind es, die dafür sorgen,<br />

daß die Bäume der Staatsgewalt nicht in den Himmel wachsen.(1o7<br />

Auch die Journalistin Christine <strong>von</strong> Kohl kam in einer Stellungnahme<br />

zum Manuskript <strong>von</strong> Zerbs nt dem Schluß: ,,Das Spezifische des Falles<br />

<strong>Kupferblum</strong> ist jedoch, daß das Individuum <strong>Kupferblum</strong> über Vorkenntnisse<br />

und Fähigkeiten verfügt für die Auseinandersetzung mit der Institution,<br />

hier verkörpert durch die Justiz, wie sie nur einer kleinen Minderheit<br />

<strong>von</strong> Staarsbürgern gegeben sind. Die Justizbehörde hingegen steht dem Individuum<br />

K. mit den gleichen Mitteln und Möglichkeiten wie iedem anderen<br />

Staatsbürger gegenüber. Während <strong>Kupferblum</strong> - nun aber ... sich in<br />

diesem ,Fall' in einer Position befindet, die jedem Staatsbürger zu Recht<br />

oder Unrecht widerfahren kann, steht die Justizbehörde hier ihrerseits in<br />

einer Ausnahmeposition: Einer ihrer höheren Beamten machte sich<br />

selbst - vorwiegend innerhalb seines Dienstbereiches - verschiedener Verbrechen<br />

und Vergehen schuldig ... Dr. <strong>Kupferblum</strong>s Verhalten in seinem<br />

,Fall' ist das eines leidenschaftlichen Juristen, für den die Konflikte formaljuristischer<br />

Art, zugleich mit dem Kampf gegen das Unrecht, das ihm angetan<br />

wird, fast ein künstlerischer Genuß an sich zu sein scheinen.'Wenn<br />

er mit Finesse und Schärfe den Staatsbeamten ihre Fehler nachweisen und<br />

die Schwächen der Justiz entblößen kann, ist er in seinem Element.( 108<br />

<strong>Kupferblum</strong> selbst schrieb in einer seiner abschließenden Stellungnahmen:<br />

,,Im Zusammenhang mit den verschiedenen Rechtsverfahren, die der<br />

gesetzlichen Verteidigung meiner durch die Organe der lüiener Strafrechtspflege<br />

seit September 1954 dauernd verletzten Rechte folgten, habe<br />

ich mich mit verschiedenen Rechtsproblemen der lokalen Praxis beschäftigen<br />

müssen und bin zur Ansicht gekommen, daß der Rechtsstaat in<br />

Österreich dort endet, wo der Einfluß des Jusrizministeriums anfängt.<br />

Eine genaue Analyse der Rechtslageinerseits und der angewendeten Praxis<br />

andererseits hat nämlich ergeben, daß sich das Justizministerium 106 Anton Pelinka<br />

rechtswidrig einen souveränen, sich außerhalb des Gesetzes befindlichen 1990, s.71.<br />

Machtbereich zu schaffen vermochte, und daß die Strafrechtspflege eben 1o1 Kurier, 17.11.1962.<br />

in diesen Machtbereich fällt."10e<br />

108 Stellungnahme<br />

<strong>Kupferblum</strong> verfaßte auch außerhalb seines Falles mehrere wichtige iuristische<br />

Arbeiten. 1959 unterbreitet er dem Verfassungsausschuß des Kohl, 4 S.,5. 1, 3, im<br />

<strong>von</strong> Christine <strong>von</strong><br />

Nachlaß bei Christa<br />

Nationalrats eine ,,Vorsteilung zur Regierungsvorlage vom 23,9,1959<br />

<strong>Kupferblum</strong>.<br />

über ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die erforderlichen Bestimmungen<br />

zur Erfüllung der <strong>von</strong> Österreich durch die Ratifikation der Eu-<br />

los Zerbs, S.205.<br />

rlo Ein Exemplar befindet<br />

sich in der<br />

ropäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />

samt Zusatzprotokoll übernommenen Verpflichtungen getroffen Österreichischen Nationalbibliothek,<br />

werden(. il0 Wien.<br />

239


Die vierte Gemeinde<br />

ril 45., im Nachlaß<br />

<strong>von</strong> David Schlang, im<br />

lnctifrrt filr Tpitnpschichte,<br />

Universität<br />

Wien;Abschrift der<br />

Eingabe an den Verfassu<br />

ngsgerich tshof,<br />

12.2.1964,9ox 12,<br />

$0/ll, B/c, Archiv der<br />

IKG.<br />

r12 Neues Forum,Anfang<br />

September 1970.<br />

1.964 erarbeiterer für Simon Viesenthal ein Gutachren über die Frage,<br />

ob die \üahlordnung der IKG, nach der das Wahlrecht ihrer Mitglieder<br />

mit der Zahlung der Kultussteuer Bekoppelt war, dem österreichischen Gesetz<br />

entspreche. Er beuneilre diese als ,,eine Verletzung der verfassungsgesetzlich<br />

gewährleisteten Religionsfreiheit, die jeder betroffene, ständige<br />

Einwohner beim Verfassungsgerichtshof anfechten kann... ohne daß ]ü7iesenthal<br />

dies publizierre oder daraus Konsequenzen zog. 1.964 brachte er<br />

beim Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde über die IKG wegen Verletzung<br />

des Rechtes auf Religionsfreiheit ein, die zurückgewiesen wurde.1i1<br />

Anton Pelinka beschrieb, wie <strong>Kupferblum</strong> gerade wegen seiner Affäre<br />

zu einer politischen Instanz wurde: ,,Und doch war der lästige euerulant<br />

<strong>Kupferblum</strong>, der vorbestrafte Jude, in österreich zu einer moralischen Instanz<br />

geworden. Als 1969 das Bundesministerium für Justiz sich anschickte,<br />

einen der noch aktiven NS-,Blutrichter. in eine Spitzenfunktion<br />

zu berufen, kam ein hoher Richter zu <strong>Kupferblum</strong>. Ein österreicher, dem<br />

vor dem echten österreichertum graur, das Blutrichter befördern wollte.<br />

Er, <strong>Kupferblum</strong>, könnte doch hinter den Kulissen gegen den Schaden intervenieren,<br />

daß ein Richrer, der bis 1945 die Gegner des Nationalsozialismus<br />

vom Leben in den Tod befördern half, zu den Spitzen in derJustiz<br />

eines demokratischen Rechrsstaares aufsteigen dürfe. <strong>Kupferblum</strong> intervenierte.<br />

Für das demokratische, gegen das echte Q51sr1si6fi...tr2<br />

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